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BEGEGNUNG UND VIEL GENUSS

WERKSTADT Gemeinsamer Genuss auf Augenhöhe mit Gästen

Vieles ist anders in der WerkStadt. Bereits die Entstehung war es, denn es war die Lokalität, die den Ausschlag gab zum heutigen Verweilort aus Café, Laden und Veranstaltungsraum. Es ist eine ehemalige Werkstatt, von Freiwilligen umgebaut zu einem Ort für Begegnung und Genuss. Nachhaltigkeit mit Umwelt, Produkten und Menschen stehen im Vordergrund. Martin Jost

INFO

WerkStadt Lorraine Lorrainestrasse 20 3013 Bern  www.werkstadt-lorraine.ch

Verweilort und Gastfreundschaft an der Lorrainestrasse. Bilder: mj Im Innenraum wurde von der ehemaligen Werkstatt so viel wie möglich belassen.

Gäste sind willkommene Personen. Freundschaft ist die gegenseitige Zuneigung von Menschen untereinander. So entsteht Gastfreundschaft, so entstand die Geschäftsidee der WerkStadt. «Kundschaft gibt es bei uns nicht. Wir haben Gäste», unterscheidet Timothée Olivier und umschreibt mit dieser Aussage Ziel und Zweck des Lokals an der Lorrainestrasse. Er gehört zum Kernteam aus sechs Personen hinter den Kulissen. Dazu wurden sechs Gastgeberinnen und Gastgerber für die tägliche Arbeit in der WerkStadt angestellt. «Wir pf legen mit unseren Gästen einen Austausch auf Augenhöhe. Würden wir sie als Kundschaft betrachten, wäre der Umgang etwas anders.» Damit spricht er die hohe Transparenz zwischen den Betreibenden und ihren Gästen an, deshalb habe der Ausdruck, dass der Kunde König sei, keine Gültigkeit für die WerkStadt. Es sei von Anfang an ein Versuch gewesen, blickt Timothée Olivier zurück, und das sei es immer noch. «Tatsächlich war es nicht so, dass das Kernteam ein Café eröffnen wollte. Es war der Raum hier, der den Ausschlag gab.» Das neue Kapitel in der Geschichte des schützenswerten Hauses aus dem 19. Jahrhundert begann vor rund zwei Jahren. Die Lokalität einer vormaligen Spenglerei und das Depot einer Sanitärfirma mussten für die Ideen der künftigen Gastgeber umgebaut werden. Dabei wurden diese von nahezu 100 Freiwilligen unterstützt, die insgesamt 2500 Arbeitsstunden leisteten. Offen für alle «Der Raum hat eine Geschichte und eine Seele», sagt Timothée Olivier und erwähnt dabei den alten Parkettboden, dessen Flecken und Spuren seine Vergangenheit sichtbar machen, «solches wollten wir unbedingt belassen.» Das gilt auch für weitere ursprüngliche Details wie die metallenen Werkzeugschränke oder die Säulen mit der abblätternden Farbe und das sichtbare Mauerwerk. Die Kompetenzen der einzelnen Mitglieder des Teams sind

«Der Raum hat z wa r untereine Geschichte und schiedlich, in der Kombination ereine Seele.» wiesen sie sich jedoch als sehr hilfreich für den Umbau. Und sorgten letztendlich dafür, dass im Depot der Sanitärfirma, die im oberen Stock immer noch ihre Büros betreibt, ein Raum der Begegnung entstanden ist. Ein Raum, der auch als Veranstaltungsort für Anlässe wie Lesungen, Degustationen, Filmvorführungen oder Vorträge gemietet werden kann. «Wir wollen neue Formen ausprobieren. Ich sage damit aber nicht, dass es auf eine andere Weise nicht funktionieren würde.» Neue Formen, das bedeutet für ihn und das Team beispielsweise das Streben nach soziokratischen Verhältnissen. Dabei wird nicht der Kompromiss angestrebt, vielmehr wird ein Vorschlag als solcher akzeptiert, Einwände werden gemeinsam variiert, bis keine Gegenargumente mehr vorliegen. Und die Gäste, wie macht sich dieser Stil für sie bemerkbar? «Wir pf legen mit ihnen eine Kommunikation auf Augenhöhe, die Beziehung zu unseren Gästen ist sehr transparent. Wir sind alle gleich. Damit wollen wir das Bewusstsein fördern, dass die WerkStadt offen ist für alle.»

Lernen mit den Gästen Natürlich, ergänzt Timothée Olivier, würden Fehler gemacht. Fehler, aus denen gelernt werden soll, gemeinsam mit den Gästen. Diesen Stil offenbarte das Team bereits anlässlich der Übernahme, indem die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers eingeladen wurden. Diejenigen, die erschienen, wurden gefragt, was ihre Wünsche an ein neues Lokal sind. Immerhin handelte es sich bei der WerkStadt um einen Gastrobetrieb, der zusätzlich zu den bestehenden neu in das Quartier einzog. Dieser Aspekt war und ist Anlass genug für das Team, auf die anderen Lokale Rücksicht zu nehmen. Um diese nicht zu konkurrieren, schliesst die WerkStadt im Winter jeweils am frühen Abend. «Es ging uns von Anfang an darum», sagt Timothée Olivier, «den Menschen aus dem Quartier einen Raum zur Verfügung zu stellen.» Das tun die Betreibenden bis heute, einmal pro Woche gibt es den Trefftisch, einmal pro Monat das Quartier-Znacht. Ohne Konsumationszwang, dafür mit Austausch an Informationen und gegenseitiger Unterstützung bei Bedarf.

Lokal passt zum Quartier Die Speisen für den Mittagstisch oder saisonale Kuchen werden teils von Bewohnenden des Quartiers in die WerkStadt gebracht. So kommen Gerichte aus aller Welt auf den Mittagstisch. Das gilt auch für das monatliche Quartier-Znacht, zu dem jemand aus der Umgebung kocht und die Gäste bezahlen in Form einer Kollekte. «Diese Ideen funktionieren gut, dürfen jedoch noch weiterwachsen», sagt Timothée Olivier, «wir freuen uns, wenn weitere Personen dabei mitmachen und für die WerkStadt kochen. Es ist wie ein inspirierendes Spiel für beide Seiten.» Inspiration lebt das Team des Lokals auch bei seiner Wahl der Produkte. Sei es für das Café oder den Laden, der auf Bean-to-Bar-Schokolade und Slow-Food-Produkte spezialisiert ist. Das Geschmackserlebnis, sind die Betreibenden überzeugt, sei noch grösser, wenn die Produkte lokal und nachhaltig produziert seien. Das gilt für den Morgenkaffe über den Brunch bis zum Apéroplättli und zum Feierabendbier. «Wir beziehen sämtliche Speisen und Getränke direkt. Alle, die uns beliefern, kennen wir persönlich», versichert Timothée Olivier. Deshalb erstaunt nicht, dass grosse Namen aus dem Lebensmittelbereich in der WerkStadt nirgends auftauchen. Dafür tauchen die Gäste regelmässig auf. Gäste, denen das Lokal passt. «Denn», so Timothée Olivier, «das Quartier und die WerkStadt passen zusammen. Wir sind sehr glücklich, wie das zusammen funktioniert.»  www.werkstadt-lorraine.ch

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