HARDY HEPP
MEIN LEBEN ALS MUSIKER UND MALER
AUFGEZEICHNET VON MICHAEL LÜTSCHER
Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2025 unterstützt.
© 2025 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel Alle Rechte vorbehalten
Fotos Cover und Backcover: Lea Hepp, Zürich, heppfotografie.ch
Gestaltung/Layout: Martin Schori, Biel
Druck: BALTO print, Litauen
Herstellerinformation: Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Grellingerstrasse 21, CH-4052 Basel, info@zytglogge.ch
Verantwortliche Person gem. Art. 16 GPSR: Schwabe Verlag GmbH, Marienstraße 28, D-10117 Berlin, info@schwabeverlag.de ISBN: 978-3-7296-5192-0 www.zytglogge.ch
HARDY HEPP
MEIN LEBEN ALS MUSIKER UND MALER
AUFGEZEICHNET VON MICHAEL LÜTSCHER
Inhaltsverzeichnis
Michael Lütscher: Wieso dieses Buch?
Corin Curschellas: Hardydampf in allen Gassen
1 | Elternhaus und Kindheit: Tomatenspaghetti mit Apfelmus
2 | Wenn Ihnen alles abvereckt, können Sie immer noch Journalist werden
3 | Der Schwarze Ring: Von den Prostituierten habe ich mehr gelernt als in der Mittelschule
4 | Als Kellner unterwegs
5 | Die Musik war eine Revolution. Ich war überwältigt
6 | In Zürich gab es bis zu zehn Lokale mit täglicher Live-Musik
7 | Auf nach London: Wir machten beim Hardturm Autostopp
8 | Fünfter Sauterelle: Hardy, jetzt musst du zu uns kommen
9 | So gut wie Udo Jürgens singe ich allemal
10 | Ich kenne nichts Besseres als
All You Need Is Love
11 | Ich bin kein 68er
12 | Der Raben: Das Haus, das zu einem Zentrum wurde
13 | Ich dachte, ich sei monogam
14 | LSD und Morphium: Das Schönste, das ich je erlebt habe
15 | Medien: Bevor die erste Sendung ausgestrahlt wurde, kündigte ich
16 | Wir machen eigene, Krokodil-Musik
17 | Mojo Weideli war das grösste musikalische Naturtalent, das ich je getroffen habe
18 | Wieder solo: Ich lief aus meiner eigenen Session davon
19 | In den USA: Ich hatte das Gefühl, ich sei sehr nahe bei Henry Miller
20 | Sorry I ain’t got no mike. Is it alright if I sing straight into your ears?
21 | Ornette Coleman sagte: «Come on in»
22 | Aufs Land: Ich buddelte – und fand Trüffel. Davor hatte ich einen Trip geschmissen
23 | Bernard Purdie und Ron Carter zusammen gibts nur auf «Hardly Healed»
24 | Hanna und ich haben uns im Laufe der Jahre stärker ineinander verliebt
25 | Aufhören ist keine Option
26 | Bäume statt Autos: 1973 prägte mich viel mehr als 1968
27 | Punk und «Gaskrieg»: Immer nahe dran
28 | Hand in Hand war eine Attraktion
29 | Kinder waren das Beste, was mir passieren konnte
30 | Bewegte Bilder mit Ton sind die grösste Droge
31 | Gefeiert und gefeuert: Ist Magie im Spiel? Oder ist das mein Karma?
32 | Kokain und Marihuana: Tabak ist eine Mörderdroge
33 | In Kunming schloss ich die Chinesen ins Herz
34 | Karl Schmid: Der grösste Schweizer Maler
35 | Der Franzos im Ybrig: Ohne mich wäre die Inszenierung gescheitert
36 | Kulturbetrieb: Wieso habe ich auf mein Gesuch nie eine Antwort erhalten?
37 | Ignoranz: Ich habe nichts gegen Akademiker, aber etwas gegen den akademischen Dünkel
38 | Buchen: «Du wirscht nie eine von ünsch»
39 | Mit dem Heppchor konnte ich mein musikalisches Vorhaben auf den Punkt bringen
40 | Wallenwil: Ein Umbau wie Rock ’n’ Roll
41 | Kunst: Erotik ist unsere Triebfeder
42 | Hannes R. Bossert, Peter Storrer, Peter Grenacher und andere Künstlerfreunde
43 | Ein Leben ohne Kompost kann ich mir nicht mehr vorstellen
44 | Gibt es Gott? Und den Teufel?
45 | C’est la vie. Mir schterbed glii
Hardy Hepp: Werke und Auszeichnungen
Namenregister
Jesus hat mich erlöst.
Die Huren haben mich gerettet.
Der Bordun hat mich ein Leben lang begleitet.
HARDY HEPP
Michael Lütscher
Wieso dieses Buch?
Die Idee zu diesem Buch entstand, als ich Hardy Hepp 2014 für die Zeitschrift «Schweizer Familie» interviewte. Es ging um die Geschichte der Popmusik in der Schweiz. Die war eben museumsreif geworden; Anlass für das Gespräch war die Ausstellung «Oh Yeah!» über die Schweizer Pop-Geschichte im Museum für Kommunikation in Bern. Wir sprachen über vier Stunden lang. Auf den sechs Seiten, die im Heft zur Verfügung standen, konnten etwa 20 Minuten davon wiedergegeben werden. Im Laufe des ausschweifenden Gesprächs sagte Hardy: «Man fragte mich schon vor 40 Jahren, wann ich ein Buch schreibe. Aber das kann ich nicht.» Ich könnte das doch machen, dachte ich mir. Und ich möchte es tun, weil ich es wichtig finde, das Gedächtnis dieses Mannes zu sichern. Niemand hat mir packender, umfassender und unterhaltsamer über den kulturellen Aufbruch der 1960er- und folgenden Jahre in der Schweiz erzählt, jene Epoche, welche die gesellschaftlichen Regeln nachhaltig aufbrach und neu ordnete. Ich denke, dass Hardy Hepp ganz einfach mehr zu sagen hat als viele Akteure seiner Generation. Ich kannte ihn schon lange, hatte ihn mehrmals interviewt und ihn immer wieder bei Auftritten live erlebt. Seine Bühnenpräsenz faszinierte mich ebenso wie seine Vielschichtigkeit, seine Direktheit und sein Temperament. Unverblümt, aber durchaus selbstkritisch war jeweils auch sein Hadern mit gescheiterten Projekten und Kooperationen. Die meisten Leute im Showgeschäft schweigen sich über Misserfolge geflissentlich aus.
Unsere erste persönliche Begegnung war Mitte der 1980er-Jahre an Hepps damaligem Wohnort, dem alten Schulhaus in Buchen im bündnerischen Prättigau. Urban Gwerder, der Untergrundpoet der 1960er, den ich als Vater meines Schulfreundes Wanja kennengelernt hatte und der nun als Hirt mit seiner Frau Tina im Nachbardorf Pany wohnte, führte mich zu Hardy. Der tat den Besuchern seine Befindlichkeit klipp und klar kund. Er fluchte über Xavier Koller. Er hatte für Kollers Film «Der schwarze Tanner» den Soundtrack komponiert, doch die Zusammenarbeit endete im Streit.
Emotionen packten Hardy auch regelmässig während der vielen Treffen, die diesem Buch zugrunde liegen. Manchmal ärgerte er sich mit bebender Stimme über Begebenheiten, die Jahrzehnte zurück liegen. In der gleichen Intensität aber förmlich jauchzend begeisterte er sich, sei es über Musiker, Kunstwerke, seine Enkel oder die Gurken in seinem Garten.
Dass es dieses Buch geben würde, war nicht so schnell klar. Hardy beantwortete meinen Vorschlag mit Skepsis. «Was soll das überhaupt? Was soll drinstehen? Wer soll es lesen?», fragte er, und später: «Was soll ich erzählen? Klatsch, Anekdoten? Geheimnisse? Bloss, damit der Journi seine Geschichte hat, und ich den Ärger?» Nach vielleicht einem Jahr des Hin und Hers willigte er ein. Ein Verlag musste gefunden werden. Und Geld für die grosse Arbeit, die dieses Projekt mit sich bringen würde.
Hardy Hepp spricht viel, laut und deutlich, unterhaltsam, unaufhaltsam. Seine Frau Hanna, dem trockenen Humor zugetan, gab ihm deshalb den Übernamen «Radio Buchen», als sie im Bündner Bergdorf lebten. Und von seiner Tochter Lea zitiert er die Aussage: «Papa, mit dir gibts nur ein Problem. Man stellt dir eine kurze Frage. Dann kommt eine lange Antwort.»
Hepp spricht assoziativ, öffnet Klammern, schliesst sie, nur um eine weitere zu öffnen. Auf die Zusammenhänge komme es an, betont er immer wieder. Und diese umfassen in seinen Ausführungen rasch mehrere Jahrzehnte und zig Personen. Man kann ihm ein Stichwort hinwerfen, und er breitet zehn Minuten lang Geschichten, Anekdoten und Gedanken aus. Wobei überraschende Wendungen und gut gestreute Pointen diesen Wortschwall weit mehr als erträglich machen.
Ich stellte ihm also Fragen, er sprach, das iPhone nahm auf, ich transkribierte, katalogisierte, schnitt auseinander, setzte zusammen, was meiner Ansicht nach zusammengehört oder zumindest passt, und checkte Daten, Namen und Orte auf Faktentreue. Hardy las das Geschriebene gegen, ich ergänzte, korrigierte. Schliesslich kontaktierte ich Leute, über die Hardy sprach, um sie nach ihrer Sicht jenes Sachverhalts oder der geschilderten Begegnung zu befragen. Die meisten antworteten.
Die ursprüngliche Idee war eine von Hardy subjektiv geschilderte Geschichte der Entstehung und Verbreitung der Popmusik in der Schweiz. Der Mann, der mit 16 in Zürich im Halbwelt-Treff Schwarzer Ring verkehrte, mit 19 im Bohème-Café Odeon und im Jazzlokal Africana kellnerte, mit 20 in Stadt und Land Musikautomaten betreute, mit 21 als Schallplattenverkäufer stets die neuesten Beat-Scheiben zur Hand hatte und als DJ auftrat, mit 22 mit der Gitarre auf dem Rücken nach London tingelte, die vielleicht erste WG der Schweiz gründete und mit der ersten Les-Sauterelles-LP das erste Pop-Album der Schweiz produzierte, mit 23 als Solosänger in Deutschland
unterwegs war und das Flower-Power-Fest auf der Zürcher Allmend mitorganisierte, mit 24 die erste Pop-Sendung des Schweizer Farbfernsehens moderierte und das Krokodil, eine der ersten Progressive-Rock-Bands Europas, mitbegründete, schien dafür ganz einfach prädestiniert zu sein.
Aber eben, es kommt ja auf die Zusammenhänge an, die «Ökologie», wie Hardy zu sagen pflegt. Und darum wurde aus dem Projekt die Lebensgeschichte des Heinrich Matthias Hepp aus Rüti ZH, in seiner Kindheit und Jugend Heiner gerufen, ehe ihm der deutsche Plattenboss Siegfried E. Loch 1967 den Künstlernamen Hardy verpasste.
In diesen Memoiren kommt auch sein kultureller Background, geprägt von seiner Mutter, einer klassischen Konzertsängerin, zur Sprache, sein frühes Interesse an Umweltthemen, das etwa in eine Baumpflanzaktion im Zürich der 1970er-Jahre und in erfolgreichen Protest gegen den Giftausstoss einer Fabrik im Prättigau in den 1980ern mündete. In den Schilderungen geht es um den Reichtum der Natur, um die Herausforderung und Befriedigung, die ein Gemüsegarten liefert. Es geht auch um die Umwelt in Gestalt der nächsten Menschen – befreundete Musiker und Künstler, Mitbewohner im legendären Rabenhaus in Zürich, um die Nachbarn im bündnerischen Buchen und in Wallenwil im Hinterthurgau, wo die Hepps seit rund 25 Jahren leben. Und um die Familie – Hanna, die von ihm verwundert bewunderte, verehrte Ehefrau seit bald 50 Jahren, die drei gemeinsamen Kinder Max, Fiona und Lea und deren Kinder, auf die er alle sehr stolz ist.
Im Vordergrund des Buchs steht dennoch sein künstlerisches Schaffen. Er selbst bezeichnet sich als «polyvalent in Bild, Ton und Text». Sitzt man in seiner Werkstatt, wie er sein Atelier nennt, ist augenfällig, wie wichtig die Malerei für ihn ist. Unzählige Gemälde stehen da, viele abstrakt, manche sehr bunt, zahlreiche Akte. In den letzten Jahren gilt seine Kreativität fast ausschliesslich der Kunst.
Früher hat er auch Musik für Filme und für Theaterstücke komponiert, darunter Thomas Hürlimanns «Franzos im Ybrig» und Xavier Kollers «Das gefrorene Herz». Während unserer Gespräche rezitierte er manchmal wie ein Blitz aus heiterem Himmel eines seiner Gedichte.
Auf ihn gestossen bin ich einst durch seine Musik. Vermutlich ohne vorher ein Stück von ihm gehört zu haben, ging ich 1979 als Gymnasiast mit meinem ersten Schulschatz und Klassenkollegen an ein Konzert von Hand in Hand. «Schneeschmelztournee» hiess die Tour, weil sie im März stattfand. Coverversionen von Bob Dylan, Tim Hardin oder den Beatles bildeten das Programm. Ich war total begeistert: Der Sänger, Hardy Hepp, ein energischer Charismatiker, die Band spielte mitreissend, wie ich es zuvor nicht erlebt hatte. Nebenbei war sie eine Starbesetzung. Unter den sechs
Musikern waren Max Lässer an der Gitarre, Beat Aschwanden, seither bei fast allen Yello-Aufnahmen dabei, am Schlagzeug, und Andreas Vollenweider mit Harfe, damals ein absolutes Novum. Das unterstreicht Hardy Hepps Rolle als Katalysator, seine Neugierde, Offenheit und sein Gespür für Talent.
Seine aussergewöhnlich kraftvolle Stimme hatte ihm als junger Mann rasch Interesse und interessante Angebote eingetragen. Zentral als Förderer war Siegfried E. «Siggi» Loch. Dreimal nahm der deutsche Produzent und Plattenboss Hepp für seine jeweiligen Labels unter Vertrag. Für die Aufnahmen des Albums «Hardly Healed» verpflichtete Loch einige der damals weltbesten Musiker – etwa Miles Davis’ Bassisten Ron Carter, Aretha Franklins Drummer und Bandleader Bernard Purdie und Roberta Flacks Perkussionisten und Musical Director Ralph McDonald. Auf dieses Hoch folgte umgehend ein Absturz: Die fertige Platte wurde, kaum war sie veröffentlicht, vom Markt zurückgezogen. Loch war mit Hepps Kompositionen nicht zufrieden, wollte einen Hit und schlug ihm daher einen neuen Vertrag vor, der Hepp viel Geld eingebracht, ihm aber das Recht auf die Wahl der Songs genommen hätte. Die Plattenfirma hätte ihm vorgegeben, was er zu singen hätte. Das wollte Hepp auf keinen Fall. Folge: Warner löste den noch laufenden Vertrag auf. Mit den Worten «nicht erfolgsfähig» analysiert Hepp aus heutiger Sicht seinen Entscheid, ein derart lukratives Angebot auszuschlagen.
«Sich treu bleiben» ist eine in den Medien viel geäusserte, anerkennend gemeinte Floskel. Hardy Hepp blieb sich kompromisslos treu und. Es kam ihn teuer zu stehen. Es bedeutete für ihn und seine zukünftige Familie ein Leben am Existenzminimum, ohne Sicherheit. Das ist einerseits bemerkenswert in diesem von Sicherheitsbewusstsein dominierten Land. Und andererseits beispielhaft für freischaffende Kreative. Hardy lebte (und lebt) eine Gratwanderung zwischen Zuversicht, dass es «schon gut kommt», und dem Frust darüber, auch als Rentner dem Geld hinterherrennen zu müssen. Entsprechend nerven ihn die Normalität der Normalbürger mit ihren zweiten und dritten Säulen und die enormen Einkommensunterschiede zwischen institutionellen und selbstständigen Kulturschaffenden.
«Rock ’n’ Roll» ist Hepps Lieblingsmetapher für seinen Lebensstil ohne sicherndes Netz. Tun, was subjektiv wichtig ist, was aus seinem Kultur- und Weltverständnis sein muss. Dabei ist er ein pflichtbewusster Protestant. Genuss war für ihn lange Zeit ein Fremdwort. Als seine Berufswahl nennt er das Künstlertum. Das umfasst das ganze Leben. Und grosse Fragen. Zum Beispiel: «Wer sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir?» Oder: «Was bewegt die Welt in ihrem Innersten?» Das sind Sätze, die er regelmässig in die Luft wirft, um zu umreissen, womit er sich beschäftigt. Die Auseinandersetzung mit solch grundlegenden Fragen beziehungsweise deren Herunter-
brechen auf ein Gedicht, ein Lied oder ein Bild endet nie. Nicht an der Bühnentreppe und auch nicht beim Aufstehen vom Klavierstuhl. «Hardy hat seine Gedanken nicht in seinem Atelier gelassen, sondern nahm sie mit in die Wohnung», sagt seine Frau Hanna. «Das war schwierig.»
Hardy ist ein Mann, der die Welt verbessern will. Udo Jürgens bat ihn einmal, ein Lied über Fussball zu schreiben. Hardy lieferte eines, in dem er die Rolle der Ersatzspieler thematisierte. Jürgens lehnte dankend ab, mit Hinweis darauf, dass sein Publikum das nicht goutieren würde, und nahm stattdessen mit der Deutschen Nationalmannschaft die Schunkelnummer «Buenos Dias, Argentina» auf, die vor der WM 1978 zum Hit wurde.
Hardys Vater sagte ihm, als er ein Teenager war: «Du bist im Fall nicht der Atlas, der die ganze Erde auf seinen Schultern tragen muss.» Und Rolf Lyssy gab seinem Film über Hepp den doppeldeutigen Namen «Hard(ys) Life».
Als Künstler müsse man sich mit existenziellen Situationen auseinandersetzen. Man könne nicht einen Brotjob machen und daneben noch ein bisschen malen, findet Hepp. Für Mittelmässigkeit oder – in seinen Worten – «4–5-Typen» hat er nicht viel übrig. Durchschnitt ist er definitiv nicht. Sondern ein extremer, widersprüchlicher Typ. Einer, der Schiss vor dem Gang auf die Bühne hat, ganz besonders allein, zu dessen besten Auftritten aber ein Soloprogramm 1994 im Zürcher Hechtplatztheater gehörte, ein Mix aus Geschichtenerzählen und Stand-up-Comedy, Konzert und Slam-Poetry.
Ein Vulkan, der viele Leute mit seiner konfrontativen Art brüskiert hat, der dies bereut, weil er eigentlich die Harmonie sucht. Als Beweis für seine Absichten können beispielsweise die liebevoll verzierten, mit handgeschnitzten Stempeln bedruckten und meist handgeschriebenen Briefe betrachtet werden, mit denen er Freunde wie auch ihm persönlich Unbekannte beglückt. Ich beispielsweise erhielt von ihm eine handbeschriftete, eigens zusammengestellte Musikkassette mit dem Titel «Musik von und mit Hardy Hepp 1976–1986». Es war seine Antwort auf das von mir mitherausgegebene Album «Definitiv – Zürich 1976 bis 1986», auf dem Zürcher Punk- und Postpunk-Acts versammelt sind, nicht aber Hardy Hepp.
Der eckige Mann im Brockenhaus-Look, der nichts ohne Widerspruch durchgehen lässt, der aber sagt, er sei stets auf der Suche nach dem Schönen.
Hardy ist ein unglaublich guter Kommunikator. Kaum hat man sich mit ihm in einer Beiz niedergelassen, hat er den Kellner, die Kellnerin bereits in ein munteres Gespräch verwickelt. Dass in diesem Buch so viele Namen vorkommen, die sich manchmal zu einem veritablen Namedropping verdichten, hat auch damit zu tun: Er fordert fast alle, denen er begegnet, zu einer Stellungnahme heraus. Und bekommt sie auch.
Nicht gut kann er es mit Akademikern. Fast obsessiv wittert er den akademischen Dünkel. Auch wenn er es abstreitet, Akademiker stehen beim Autodidakten Hepp unter dem Generalverdacht einer oberflächlichen und praxisfernen Besserwisserei.
Hardy ist eine kontroverse Figur. Erzählte ich Bekannten davon, dass ich an einem Buch mit und über Hardy Hepp arbeite, verzog sich bei den einen der Mund zu einem Lächeln: «Keine Geschichte von Hepp, bei der ich nicht lachen musste», oder: «Er konnte spielend jede Tischrunde unterhalten.» Bei anderen verzog sich der Mund zu einer Schnute. «Uff, Hardy Depp. Der weiss einfach immer alles besser.» Die häufigste Reaktion aber war: Hardy wer? Menschen unter 50 haben meistens noch nie von ihm gehört. Seit zwölf Jahren ist er – ausser bei ein paar wenigen Gastauftritten – nicht mehr auf der Bühne gestanden, viele Jahre lang hat er nicht mehr ausgestellt, er verfügt über keine Website, die meisten seiner Alben sind vergriffen und können auch nicht gestreamt werden. «I bi duss», sagt er von sich selbst. Sein Fazit: Malen und Gärtnern sind wichtiger als die Selbstvermarktung. Seine Bilder verkauft er dann und wann an einen kleinen Kreis von Bekannten und Freunden.
Hardy Hepp ist mit 80 Jahren ganz offensichtlich ein alter, weisser Mann. Aber auch in seinem Bedürfnis, allen die Welt zu erklären. «Die händ kei Ahnig», ist ein von ihm oft geäusserter Satz, wenn er schnell hingeworfene Vorurteile seziert. Allerdings folgt auf seine langen Ausführungen nicht selten das Fazit: «Auch ich habe keine Ahnung» oder «Ich weiss es nicht». Zum Beispiel dann, wenn er über Kornkreise spricht, die ihn überaus faszinieren, und er die Frage beantworten soll, wie diese entstanden sind. Oder wenn er Unfälle und Morde aufzählt, bei denen eine teuflische Symbolik im Spiel war.
Er nennt Jesus «meinen besten Freund» und sagt, «ohne Religiosität keine Kunst», ist aber schon vor 55 Jahren aus der Kirche ausgetreten (und nie einer Freikirche beigetreten).
Hardy Hepp ist eine Wucht, aber ob seiner Vielschichtigkeit doch schwer fassbar. Identifikation, vielleicht der wichtigste Faktor, der im Popgeschäft über Kauf oder Nichtkauf und damit über Erfolg entscheidet, fällt nicht einfach.
Zu seinem bildnerischen Werk kann ich nur feststellen, dass es verschiedene Stile und Techniken umfasst, und dass mich einzelne Werke beeindrucken und andere weniger. Zwar besuche ich recht häufig Ausstellungen, aber Kunst ist eine derart komplexe Sache, dass ich mich mit einer Einordnung jenseits eines banalen «Gefallens» oder «Ansprechens» schwertue. Was aber Hardys Musik betrifft, wage ich als ehemaliger Popjournalist zu behaupten, dass er vor allem in zwei Phasen sehr Aufregendes, wenn nicht Herausragendes geschaffen hat. Zuerst mit dem «Krokodil»
eine Blues-grundierte, kraftvolle Hippiemusik. Und ab den späten 1980er-Jahren und dem Album «Born in the Forest» ist ihm sein Vorsatz, zentraleuropäische, alpine Musik zu machen, ziemlich gut gelungen. Lieder mit Chorstimmen, aber mit dem Drive der Rockmusik, fröhliche und melancholische Stimmungen. Darunter hat es Stücke von unglaublicher Schönheit.
Anita Kerr schliesslich, dreifache Grammy-Gewinnerin und Produzentin von Hardys Album «Sunboat», adelte ihn als prägnanten Instrumentalisten, indem sie sagte: «Out of 10 000 piano players, I would recognize you in the first moment.»
Hardy Hepp konzentriert: Vielleicht ist das die Konzertreise nach Kunming in China 1993. Das von ihm geschilderte «Making of» (Kapitel 33) ist reich an Ärger, aber auch an Freuden. Das Resultat, nämlich die Konzerte in der chinesischen Stadt, entfaltet einige absolut berührende Highlights, wie das daraus entstandene Album «Hand in Hand in Kunming • live» erklingen lässt. Oder wie es der Bassist Rosko Gee, einst bei Traffic und in Kunming bei Hand in Hand dabei, ausdrückt: «I would say fantastic.»
Das Erscheinen dieses Buch hat sich aus verschiedenen Gründen, die vor allem mit mir und nicht mit Hardy Hepp zu tun haben, um mehrere Jahre verzögert. Es wäre nicht zustande gekommen ohne die Unterstützung verschiedener Institutionen und Einzelpersonen; sie sind im Anhang alle namentlich verdankt. Ganz herzlichen Dank für die Unterstützung und die Geduld!
Corin Curschellas
Hardydampf in vielen Gassen
Hardy Hepp – Mensch Hardy, hardly healed! Vieles kommt mir in den Sinn, wenn ich an dich denke: originelle Reden, scharfe Zunge, Wortschwallkaskaden, meisterhaft witzig, schräg, wahr oder subjektiv, ländlich-bäurisch, polternd, humanistisch gebildet. So geigtest du uns verbal die Leviten. Pointierter Meinungsbilder, «Radio Buchen»-Berichterstatter, Aktzeichner, Maler, Hardydampf in vielen kreativen Gassen, Geschichtenerzähler.
Wenn er zuhört, legt er den Kopf schief und erinnert mich an einen stummen, enorm wachen, klugen Papagei. Vorsicht! Er kann beissen mit seinem gewetzten Schnabel. Niemals ruhiger Unruhestifter, zumindest war es damals so.
Wir sahen uns lange Jahre nicht. Letztes Mal an einem Max-Lässer-Konzert in der Musikergarderobe? Hardy im Fischer-Gilet, mit Ethno-Mütze, eventuell mit Hosenträgern, so stürzte er herein und tänzelte staccato die typische Hardy-Choreographie, eine raumeinnehmende solistische Einlage, gab sein Feedback und den Senf dazu. «Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung» betreffend Stadt und Land, Gott und Welt, und unerwartet plötzlich war er weg, und alle sprachen nur noch von ihm, sogar die Wände!
«Alpenanemone» nannte er mich, als wir uns zufällig 1978 begegneten in der Fantasio Bar in Zürichs Niederdorf. Ich sass rotwangig an einem Tisch und studierte das Rotlichtmilieu, die Freier und die gut geschminkten Edelpelz- und Strapsfrauen. Lady Shiva, die Diva, sass faszinierend an der Bar. Das waren meine Milieustudien für die Rolle der Yvette in Brechts «Mutter Courage» an der Schauspielschule. Hardy hielt mir eine Standpauke. Er sah in mir das unerfahrene Mädchen, das in der Unterwelt von Drogen und Sex ins Verderben steuerte. Ja, ich war sehr naiv. Er hatte nicht nur unrecht. Aber wehren konnte ich mich schlecht gegen diese Wucht. Hardy ist Herr der Worte. Und ich hatte sieben Leben, wie die Katze. «Bist du erfolgsfähig?», fragte er. Diese Frage nahm ich mit.
Ein besonders eindrückliches Erlebnis: Hardy und Werner Lüdi zu Besuch in meinem damaligen Bündner Häuslein in den 1980ern. Sie bringen mich abends nach Rueun in der Surselva, es schneit und schneit, grossflockig. Das kleine Auto hat Sommerpneus. Wir schaffen es knapp. Ich koche Spaghetti, entkorke Rotwein, leere den Aschenbecher, lasse kühle Winterluft herein, lausche und entkorke, lache Tränen und entkorke, leere den Aschenbecher, schweige, lache Tränen, kann die unglaublichen Geschichten nicht fassen. Hardy und Werner, Pingpong zweier Naturphänomene. Mir war bewusst: Das ist jetzt eine nicht wiederkehrende, einzigartige Sternstunde des Geistreichtums in meiner kleinen Specksteinofenstube. Das Zuhören war mir damals ein Segen. Ich hatte zwar viel zu sagen, aber mich fragte keiner. So hob ich es mir auf.
Hardy der Liederschreiber, viele davon sollten Volkslieder werden, falls sie es nicht schon sind, manche finden sich in Oberstufengesangsbüchern, nehme ich an. Kluge, singbare Lieder, schöne Songs. Auch die Lieder in Dialekt gehen mir ans Herz. Chorleiter Hardy mit seiner Liebe für weibliche Backing Vocals, ein ganzer Frauenchor, der mit ihm seine Lieder sang. Hardy der Gockel im Korb, umrundet und getragen von weiblicher Gesangsharmonie und Frauenpower.
Unvergessen die Studioaufnahmen in Weilerswist im legendären Can-Studio: «Born in the Forest». Unvergessen auch die gemeinsame Reise 1993 nach Kunming. Eine Band, die nicht so recht zusammen groovte. Alles AusnahmekönnerInnen, mit teils sehr unterschiedlichen musikalischen Sprachen. Hardy wählte drei Solistinnen für die Background-Vocals. Trotz «teile und herrsche» verschmolzen unsere drei Stimmen musikalisch hervorragend. Etwas grössere Soloparts wären durchaus angemessen gewesen für Dodo, Orna und mich, finde ich. Auf dem «Live in Kunming»-Album kann frau während einer Impro von mir Hardy sehr laut rufen hören: «z’luuut!» Wen er wohl meinte?
Allein über diese Reise könnte ich rahmensprengend berichten. Ein Cognac an der Golden-Dragon-Bar kostete ein Monatseinkommen des Hotelangestellten. Mein eindrücklichstes Erlebnis war unsere Jamsession mit RockmusikerInnen in der Disco. Diese spielten kurz zuvor im Restaurant traditionelle Musik an traditionellen Instrumenten, wechselten schnell Outfit und Instrumente und waren bald im moderneren China angekommen, wenn auch bloss als eine West-Rock-Kopie. Erinnerungsfetzen: eine chinesische Apotheke, die überquillt von Wurzeln, Blättern und Kräutern, schwache Strassenbeleuchtung, leises Surren der Millionen Fahrräder. Sieben blinde Masseure draussen vor dem Hotel, die Käfige mit den zum Verzehr bestimmten Hundewelpen, der Geheimdienst in Trenchcoats, völlig auffällig. Der Flügel im Opernhaus, der nach langem Stimmen dann asiatisch wohltemperiert stimmte. Mittendrin Hardy unter
Strom, angeschlossen an einer nie versiegenden Energiequelle. Der chinesische Übersetzer war öfters etwas überfordert, das wussten wir von unserer Schweizer Dolmetscherin, und so übersetzte er halt freestyle: «Kennen Sie Feedback, Jimi Hendrix?»
Den Begriff Entropie hörte ich zum ersten Mal von Hardy. In Kunming, glaub ich.
Hardy formulierte, oder zitierte Gedanken, die heute noch mit mir sind. Mein liebstes Bonmot: «If you’re hot, you’re hot, if you’re not, you’re not.» Kann man es besser auf den Punkt bringen? Oder: «Kunscht ischt gut und gut ischt prima – Mojo Weideli, Barman i de Züri Bar!»
Den Familienmenschen Hardy kenne ich nicht gut. Den Maler und Aktmaler Hardy kenne ich auch nur wenig. Ich kenne einen passionierten Singer-Songwriter, den es stört, wenn die Mitmusiker seine Liedtexte nicht kennen und seine Songs nach Tonart nennen, nicht nach deren Titel. Aber immer, wenn Hardy sich ereifert, ist da eigentlich eine Grundschwingung von Gerechtigkeitssinn, Sensibilität und berechtigter, herzlicher Empörung!
Zweimal telefonierten wir in den letzten Jahren: als George Gruntz starb und als Polo Hofer starb. Es waren lange, schöne Telefonate.
Wir beide haben den andern jeweilen einmal empfindlich getroffen – gar verletzt? Ich sagte zu Hardy, er singe grob, undynamisch laut. Er sagte zu mir, die Texte meines «Music Loves Me»-Albums seien unbedeutend, kein grosser Wurf.
«You can forgive, but never forget.» Du hast recht, einzigartiger Hardy! Uf wiederluaga. Sin seveser, wie wir uns in der Surselva verabschieden. Wir zwei Seismografen sollten uns mal wiederbegegnen!
Elternhaus und Kindheit: Tomatenspaghetti mit Apfelmus
Ich ging immer in den Wald. Tagelang bin ich an der Jona entlang und durch die Sümpfe gestreift. Die Natur ist unglaublich spannend, die Pflanzen wie die Tiere. Manchmal hatte ich eine Botanisierbüchse dabei, um damit irgendwelche Blumen nach Hause zu tragen.
Als Bub machte ich ein Herbarium. Ich hatte eine wunderbare Pflanzenpresse, die mir mein Grossvater geschenkt hatte. Zu jener Zeit führte er zusammen mit meiner Grossmutter die Blinden- und Taubstummenanstalt in Zürich-Wollishofen. Die ist heute noch dort, aber heisst nun Zentrum für Gehör und Sprache. Der Grossvater war ein Bauernsohn aus dem Klettgau, das jüngste von 13 Kindern. Er durfte die Kantonsschule in Schaffhausen besuchen, kam später nach Zürich, war Lehrer im HirschengrabenSchulhaus und unterrichtete die Spezialklasse mit den schwierigen Kindern. Er fand, die müssten auch etwas mit den Händen tun können. Einer internationalen Bewegung folgend richtete er auch in Zürich Schülergärten ein und wurde damit zu einem Vorreiter einer allumfassenden Pädagogik. Schulgärten gibt es bis heute.
Mein Grossvater Johannes Hepp war ein ausgezeichneter Pädagoge. 1918 wählte ihn der Regierungsrat des Kantons Zürich zum Direktor der Blinden- und Taubstummenanstalt und seine Frau Maria zur «Hausmutter», wie ihr Job hiess. Sie legten einen riesigen Garten an, mit Fruchtbäumen, Gemüse und Tieren. Der Grossvater war ein leidenschaftlicher Gärtner.
Auch Studenten wohnten im grossen Hause. Die Grossmutter musste für mehr als 100 Leute kochen und haushalten. Ich habe sie geliebt. Mega. Sie war auch eine Lustige. An ihrer Beerdigung sprach zuerst der Pfarrer, und dann stieg ein Gehörloser auf die Bühne. Ich höre ihn noch heute, wie er sagt: «Frau Epp immer viel Ummor.»
Meine Eltern lernten sich kennen, als meine Mutter in der Anstalt arbeitete. Dort unterrichtete sie schwerhörige und taubstumme Kinder. Sie wuchs in Oerlikon in einer Bäckerei auf, wo ihre Eltern auch das Restaurant Rütli betrieben. Mein Vater verliebte
sich in ihre Stimme und ihre Musik. Er hörte ihr draussen vor ihrer Tür zu, wenn sie am Üben war. 1939 heirateten sie und entschieden sich, entgegen allen Gepflogenheiten von der Stadt aufs Land hinauszuziehen, nach Rüti, wo sie ein Leben lang blieben. Mein Vater unterrichtete 40 Jahre lang an der Sekundarschule. Irgendwann sagte er mal zu uns Kindern, er sei eigentlich ein Seebube. Man hätte ihm in Stäfa eine Stelle angeboten. Aber wir wollten alle in Rüti bleiben. Also verzichtete er.
Mein Vater gab auch Flugzeugbau-Kurse. Modellflugzeuge. Er war eine handwerkliche Kanone. In jeder Hinsicht. Er hatte eine perfekte Werkstatt im Keller, arbeitete dort mit Holz und auch mit Metall. Er schnitzte und drechselte. Für Weihnachten baute er eine Krippe und formte aus Messingdraht Sterne für den Christbaum. Er hatte ein unglaubliches Handwerkerherz. Zunächst hatte er an der ETH ein Ingenieurstudium begonnen, hörte aber nach zwei Semestern auf, um Seklehrer zu werden.
Meine Mutter war eine klassische Oratoriensängerin. Als Halbprofi gab sie Konzerte. Als sie einmal im Fraumünster gesungen hatte, schrieb die NZZ, dass es nun nicht mehr nötig sei, für solch schwierige Passagen Leute aus dem Ausland zu holen.
Doch meine Mutter entschied sich für die Familie statt für ein Leben als klassische Sängerin. Als dann der Leiter des Kirchenchors von Rüti, Musikprofessor Hengartner, schwer krank wurde, übernahm meine Mutter die Leitung. «Das machen Sie höchstens ein Jahr lang», sagte man ihr. Sie leitete den gemischten Kirchenchor dann aber mehr als 20 Jahre und gründete zudem einen Kinderchor. Zu dieser Zeit war ein solcher Job für eine Frau nicht üblich. Zusammen mit dem Pfarrer gestaltete sie liturgische Gottesdienste, die für reformierte Verhältnisse recht stark musikbetont waren. Dabei gab es ab und zu auch Auseinandersetzungen. Wenn dann meine Mutter sagte: «Nein, nein, Herr Pfarrer. Da bin ich also gar nicht ihrer Meinung», staunte der Pastor nur noch. Dass eine Frau einem Pfarrer widerspricht, war damals absolut aussergewöhnlich. Trotzdem schätzte man sie sehr. Wenn ich heute über Emanzipation lese, kann ich nur lachen. Ich bin so aufgewachsen.
Rüti liegt in den Moränenhügeln, die sich vom Bachtel bis hinunter zum Zürichsee ziehen. Wer bei schönem Wetter auf dem Bachtel steht, geniesst eine wunderbare Aussicht und überblickt eine der schönsten Drumlin-Landschaften, die es gibt. Der Gletscher hat tropfenförmige Hügel geschaffen. Ein Tunnel führt durch einen von diesen. Die Eisenbahnlinie Rüti–Rapperswil. «Zwüschet Rüti und Rappi häts es Tunell – wämmer ine chunnt wirds tunkel, wämmer use chunnt wirds hell.»
Auf dem oberen Teil dieser Moräne wurden Ende der Dreissigerjahre Einfamilienhäuschen gebaut. Weiter unten nochmals zwei Viererreihen. Da wohnten wir, im Sonnenhof. Dazwischen war Niemandsland. Während des Krieges befand sich dort eine
grosse Hühnerfarm, die dann später aufgegeben wurde. Es lagen noch Gitter und Betonreste auf dem Boden. Ein verlassenes, geheimnisvolles Bunkergebäude, der E ingang mit einem dicken Bretterverschlag versehen, war die Einladung für mutige Buben, dort einzudringen. Wir konnten wunderbar spielen. Alle Nachbarn hatten Kinder – zwei, drei oder vier. Manche gingen zu meinem Vater in die Schule. Er war sehr integrativ. Und hilfsbereit. Ein Beispiel: Wir wollten eine Hütte bauen; er half uns. So entstand ein wunderschöner Bau, den wir jahrelang benutzten. Man konnte die Hütte heizen, und sie bot Platz für zehn Personen.
Mein Bruder Ueli ist zwei Jahre älter als ich. Ging ich in den Wald, blieb er jeweils zu Hause. Nachmittage lang lag er auf dem Bett und las Bücher, vermutlich fast den ganzen Karl May. Das nervte mich. Ich hatte gehofft, dass er mit uns spielt.
Ich bin die Nummer zwei. Nach mir kommt meine Schwester Dorothee. Sie wohnt heute noch in Rüti. Jürgli, der Jüngste, wanderte nach Australien aus und wurde dort der erste Marronibrater. Er pflanzte eine Kastanienplantage, aber die Bäume gingen alle kaputt. Vor einigen Jahren ist er an Krebs gestorben.
Wir hatten eine unbeschwerte Jugend und konnten die Welt selbst entdecken – in unserer Nachbarschaft, im Wald, auf dem Schulweg. Prägend waren auch die langen Sommerferien. Lehrer haben ja viele Ferien. Und so gingen wir eigentlich immer weg. Im Sommer oft fünf Wochen. Meistens ins Bündnerland. Mehrmals waren wir im Prättigau. In Furna oder in Conters – dort bei dem bis heute berühmten Holzschnitzer Hitsch Walli. Am Morgen besuchte uns jeweils ein Fischotter in der Küche. Wir waren auch im Engadin, in Guarda. Dort lernte ich Selina Chönz, die Autorin vom «Schellenursli» kennen. Ihr Sohn, Steivan, der die Inspirationsquelle für den Schellenursli war, wurde später an der Kunstgewerbeschule ein Freund. Zweimal war ich auch einen Sommer lang auf dem Wildboden in Davos-Frauenkirch, dem letzten Atelier und Wohnhaus von Ernst Ludwig Kirchner. Ich hatte so viel Glück in meinem Leben.
Zu Hause in Rüti assen wir viel Früchte und Gemüse aus dem Garten. Wir ernährten uns sehr bewusst. Auch die Erkenntnisse von Rudolf Steiner spielten eine Rolle in unserem Leben. Manchmal sehe ich mich als kleinen Jungen, der seine Nase in die Thymianpolster am Wegrand steckt und den Duft mit der Nase aufsaugt. Überhaupt spielen Blumen eine zentrale Rolle in meinem Leben, bis heute. Ich habe ihre Blätter mit Schwefel haltbar gemacht, und es bestehen noch heute Collagen davon.
Mein erstes Geld verdiente ich mit einem kleinen Marronistand. Ich stellte ihn an der Strasse auf und verkaufte den Spaziergängern die Kastanien. Da war ich ungefähr in der vierten Klasse. Den Marroniofen hatte ich von Max Brunner, einem Buben aus der Nachbarschaft. Sein Vater war Schlosser. Er hatte den Ofen für ihn gebaut – wie
einen richtigen, einfach viel kleiner. Unten das Feuer, oben die Pfanne, in der vielleicht 200 Gramm Marroni Platz hatten. Max war ein Einzelkind. Er fand nirgends Anschluss, alle hielten ihn für ein Arschloch. Ich war der Einzige, der mit ihm sprach. Als er grösser war, verkaufte er mir den Ofen.
Später arbeitete ich für den Bäcker Frei. Drei Jahre lang habe ich Brot ausgetragen. Das war streng. Wenn um halb zwölf die Schule aus war, brauste ich mit dem Velo zu Jacky Frei. Ein kleiner, dicker Mann. Supertyp. Er warf einem gerne das Brot zu, wenn es noch heiss war, dass man es gleich wieder fallen lassen musste. Ich lud dort jeweils eine volle «Chrätze», eine Art grosser Korb, auf. Es gibt Fotos davon und es gab Rückenschmerzen. Mit dieser Last bin ich den Hügel hinauf pedalt. Bei Wind und Wetter, mit allem, was dazu gehört: ein frisches Brot anknabbern und dieses dann nach Hause bringen. Um halb oder viertel vor eins war ich dann zu Hause. Da waren alle anderen schon fast fertig mit Essen.
Jacky Frei war der Erste, der in Rüti Tessinerbrote backte. Oberhalb des Dorfes, im Tobel, standen die «Tschinggenbaracken», wie man sagte – die Baracken, in denen die Italiener wohnten, die in der Maschinenfabrik arbeiteten. Frei hatte einen Veloanhänger aus Aluminium mit Deckel, in dem 75 Tessinerbrote Platz fanden. Diese Weissbrote auszuliefern, kam als Job dazu. Um halb sieben Uhr abends bin ich damit zu den Italienerbaracken gefahren. Alle kamen und kauften Brote für 75 Rappen das Stück. Ich habe dies in dem Lied «Bruno Peloso» verarbeitet: «Pane ticinesi, settanta cinque.» Ich befreundete mich mit den Italienern und ass mit ihnen Minestrone. Sie hatten Bocciabahnen, so begann ich Boccia zu spielen. Das gefiel meinem Vater, da es in der Taubstummenanstalt, wo er aufgewachsen war, auch Bocciabahnen gegeben hatte.
Auf dem Heimweg fing ich an, um Geld zu spielen. In der Nähe des Bahnhofs gab es einen Spielsalon. In einigen Restaurants standen Flipperkästen. Rechnete ich beim Bäcker ab, fehlte schon wieder ein Fünfliber. Frei war ein lieber Typ. Ich habe ihn mehrmals betrogen, sein Geld immer wieder verspielt. Ich schäme mich bis heute. Es ging mir deswegen damals sehr schlecht. Ich wollte mir das Leben nehmen, so schiss mich dies an. Einmal sprang ich vor ein Auto. Aber mir ist nichts passiert. Der Fahrer konnte noch bremsen. Es war wohl ein halbbatziger, naiver Suizidversuch.
Bruno Peloso, ein Italienerbub, nach dem ich das erwähnte Lied nannte, war ein Schulfreund von mir. Mit Bruno sowie Hansli Dolder, der aus einer zerrütteten Familie kam, bildete ich eine Gang. Wir trugen offene Wurfmesser unter dem Hemd. Überall, wo sich eine Gelegenheit bot, warfen wir unsere Messer. Auch während der Fahrt, direkt vom Velo ins Holz.
Mit meinem Bruder Jürg Ende der 1950erJahre beim Zeichnen im Engadin.
Eines Morgens steht unser Mathematik- und Naturwissenschaftslehrer Hans Walder vor der Klasse und sagt: «Meine Herren, es ist eine bittere Bilanz. Gestern war die Schulpflege hier, und die hat festgestellt, dass es in den Bänken überall Löcher hat. Von Messern. Die Pavatexwand hinten in unserem Schulzimmer ist ebenfalls voller Löcher.» Und: «Morgen um sieben Uhr sind die Herren Hepp, Peloso und Dolder hier und nehmen die Wand herunter, gehen zum Schreiner Hummel und bestellen eine neue Wand. Und bezahlen sie auch.»
Am folgenden Morgen, ich war quasi der Anführer, blickte ich durchs Schlüsselloch und sah, dass Lehrer Walder schon am Pult sass. Zu meinen Kollegen sagte ich: «Wenn wir diese Wand bezahlen müssen, gehört die alte uns. Ist das klar? Wir gehen nun rein und sagen Herrn Walder guten Tag. Dann werfen wir unsere Messer nach hinten.»
«Guten Morgen, Herr Walder.» Und schon hat es gezittert in der Wand aus Pavatex. Walder fragte, ob wir das nochmals machen könnten. Also nahmen wir die Messer raus und wiederholten es. Zwölf Meter und drei Umdrehungen, und wieder zitterten die Messer in der weissen Wand. Da sagte der Lehrer: «Bringt die Wand dem Schreiner und die Rechnung mir.»
Wir konnten professionell Messer werfen, wollten aber als kleine Gang noch weiter gehen. Ich weiss noch, wie wir auf dem Heimweg einen Mann sahen, den wir interessant fanden. Wir beschlossen, ihn zu beschatten. Bald fanden wir heraus, dass er ein Nähmaschinenvertreter war und dass er seine Ware in den EinfamilienhäuschenQuartieren den Hausfrauen zu verkaufen versuchte. Wir verfolgten ihn und fanden mehr über ihn heraus. Eines Tages las ich im «Tages-Anzeiger» von einem Mann, der sich den Daumen abhackte, um Geld von der Versicherung zu kassieren. Es war der Mann, den wir verfolgt hatten. Er kam vor Gericht und wir mussten aussagen.
Die Eltern liessen uns viele Freiheiten. Zugleich wuchsen wir wohlbehütet auf. Mit einem starken pädagogischen Hintergrund. Bildungsbürgerlich. Christlich. Und auch
kleinbürgerlich. Als ich meinen Onkel und seine Frau, meine Gotte, die im Kongo eine Chinin- und später eine Teeplantage betrieben, besuchen wollte, waren meine Eltern dagegen.
An den Wänden unseres Häuschens hingen die Werke klassischer Maler, von Albrecht Dürer bis Botticelli, als Kunstdrucke natürlich. Wir hatten ein Musikzimmer, dort hing ein Porträt von Beethoven. In einer Schublade gab es ein eingebautes Grammofon, das nur der Vater bedienen durfte. Ein Bechstein-Flügel dominierte das Zimmer. Wir bildeten ein kleines Hausorchester. Alle spielten ein Instrument. Die Mutter am Klavier, der ältere Bruder an der Klarinette, die Schwester an der Querflöte, der jüngere Bruder an der Oboe, ich spielte Geige, und der Vater sang den Bass.
Zum Beispiel spielte die Hausmusik an Weihnachten. Das war Pflicht. Die Mutter las jeweils die Weihnachtsgeschichte von Ernst Balzli, einem Berner Mundartdichter, vor. Nach ein paar weiteren Musikstücken trug sie die von ihr selbst geschriebene Weihnachtsgeschichte vor, bebildert mit klassischen Postkarten, während am Christbaum die Kerzen brannten. Dann musste sie jeweils weinen. Sie war sehr religiös. Geschenke gab es an Heiligabend keine, erst am nächsten Morgen.
Meine Mutter hat immer gesungen, musiziert, Klavier gespielt. Wenn sie sich für eine Art Musik hätte entscheiden müssen, hätte sie gesagt: «Nur geistliche Musik.» Mit 16 wollte sie zum Katholizismus konvertieren – weil die Musik dort wichtiger ist als bei den Reformierten. Sie gab, bis sie 70-jährig oder noch älter war, Gesangsstunden. Bestimmt hat mich ihre Musikalität in einem positiven Sinn beeinflusst.
Ich sang in ihrem Kinderchor, als einziges von uns vier Kindern. Eine halbe Stunde dauerte der Weg von zu Hause ins Dorf, im Winter bei minus zehn Grad, der Schnee knirschte unter den Schuhen, an der Hand meiner Mutter ins Probelokal. Ohne dieses Chor-Erlebnis hätte ich den Heppchor nie gegründet.
Professor Bruckbauer aus Wien, ein Geigenspieler, war einige Male bei uns einquartiert, als er in der Schweiz Konzerte gab. Franz Bruckbauer. Er war der Auslöser dafür, dass ich Geige spielen wollte. Wir nannten ihn nur den Herrn Geigenspieler. Auch unsere Mutter gab Konzerte. Ich sehe noch, wie wir Billette stempeln. Mit allen Verwandten und Bekannten war dann das Sääli halbvoll.
Zweimal pro Woche kam Frau Kissling, um für uns Kinder Zvieri zu machen, manchmal auch zum Putzen und Kochen. Ein guter Geist, eine arme Frau, der es bei meiner Mutter aber immer gut ging. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, hat Frau Kissling mir ein Zuckerbrot gemacht, wie es heute verboten wäre: Sie hat ein Butterbrot in den Zucker gelegt. Derweil höre ich nebenan meine Mutter üben: «Hi-hi-hi-hiha-ha-a-a-hoo.» Dann das Ganze einen halben Ton höher, bis zur nächsten Oktave und
wieder zurück. Oft sass ich unter dem Flügel auf dem blauen Teppich. Noch heute sehe ich ihre Füsse auf dem Pedal.
Viele Kindergartenkinder, die meine Mutter in der Blinden- und Taubstummenanstalt unterrichtete, sind zu uns auf Besuch gekommen. Ich bin daher mit diesen – sogenannt – taubstummen Menschen aufgewachsen. Einer der Gehörlosen, Walti Bühler, kam später oft an den Hechtplatz. Dann spielte ich für ihn, und er lehnte sich übers Klavier, damit er die Vibrationen spürte.
Neben Frau Kissling hatten wir sogenannte Haushaltlehrtöchter, die jeweils ein oder zwei Jahre lang bei uns lebten. Das waren ausnahmslos gute, starke wie eigenständige Frauen. Mit Inge Urech, eine unserer Lieblingsfrauen, habe ich bis heute Kontakt. In ihr Tagebuch schrieb sie damals: «Bei Heinerle, unserem Zwirbelmännchen, gibt es kein Grübeln, kein Traurigsein. Seine Welt ist voller Töne. Er trillert immer. Er singt, wenn es ihm in den Sinn kommt. Man könnte manchmal stigelisinnig werden, wenn er gar nie von seiner Tonleiter herunterkommt. Man muss ihn dann fast mit Gewalt herunterholen, bis die Leiter umstürzt und der Heiner mit einem quietschenden Schlussakkord am Boden landet. Ohne zu wollen denke ich: Das gäbe ein Musikant. Doch halt, da widerspricht unser Singvogel. ‹Muetti, aber gäll, än Musiker wott ich dän scho nüd gä. Entweder än Sänn oder än Puur.› Ich sehe jetzt schon den Heiner auf die Heugabel gestützt in die Ferne schauen und ans Sonnenhof-Musikzimmer denken. Also nein, ein Bauer wird er unmöglich geben, eher noch ein Zirkustoni. Der Heiner kann ja so lieb sein und herzig. Als ihn eine Tante nach seiner Lieblingsspeise gefragt hat, wusste er gar nichts anderes als Apfelmus. Nach langem Nachdenken kamen ihm noch die Spaghetti in den Sinn.»
Es ist rührend, wie Inge mich beschrieben hat. Sie war damals vielleicht 19. Tomatenspaghetti mit Apfelmus ist übrigens immer noch meine Lieblingsspeise.
Meine Mutter sagte oft über mich: «Du hast eine blühende Fantasie.» Ein paar Mal klebte sie mir ein Pflaster auf den Mund, damit ich zu schwatzen aufhörte. Auf dem langen Weg zur Chorprobe im Dorf hat sie mir klar gemacht, wie der Atem funktioniert. In der sechsten Klasse mussten wir dann den Lungeninhalt messen. Einer hatte 2,9 Liter, ein anderer 4,2, ein Dritter 3,4. Dann kam ich: 6,9 Liter. Das hat wohl auch mit meinen Beschäftigungen zu tun, mit dem Schwatzen und dem Singen.
Etwas anderes, das meine Mutter immer wieder gesagt hat, und dafür bin ich sehr dankbar: «Du musst das Wesen des Menschen zu verstehen versuchen. Du musst lernen, mit den Menschen ihrem Wesen entsprechend umzugehen.» Ich habe einen Sohn und zwei Töchter. Die sind von ihrem Wesen her sehr verschieden, obwohl sie natürlich auch Gemeinsamkeiten haben. Ich glaube, dass meine Frau Hanna und
ich es schafften, unsere Kinder auf dem Weg zum Erwachsenenleben ihrem Wesen entsprechend zu begleiten. Von Erziehung spreche ich nie.
Frauen haben in meinem Leben früh eine prägende Rolle gespielt, nicht nur als Mutter oder Grossmutter, auch als Inspiration. Wenn es um Frauenemanzipation geht, muss ich sagen: Meine Mutter war so was von emanzipiert! Sie hatte ihren eigenen Willen und sie wurde ernst genommen. Mein Vater, ein Freund der Frauen, kein Frauenheld. Ich hatte heimlich gehofft, er würde mir auf dem Totenbett sagen, er sei nach der Sauna jeweils noch ins Puff gegangen. Das sind so Vorstellungen … Aber das hat er nicht gesagt. Er hat seine Frau immer verehrt, und manchmal hat er liebevoll gespöttelt, weil sie eine hingebungsfreudige Christin war.
Mit 13 ging ich in den CVJM, damals eine evangelikal geprägte protestantische Jugendorganisation. Nach kurzer Zeit übernahm ich die Funktion als Gruppenleiter. In einem Pfingstlager waren wir 250 Jungschärler. Der Chef des Treffens war Sämi Marthaler, der Vater von Adrian und Christoph Marthaler. Mit etwa 16 nahm ich an einem einwöchigen Lager am Pfäffikersee teil. Da war immer wieder die Rede von der Wiedergeburt. Wird man als Baby getauft, kann man ja nichts dafür. Darum lässt man sich ein zweites Mal taufen, diesmal aus eigenem Willen. In einer Nacht habe ich, zusammen mit dem Leiter, Jesus mein Leben übergeben.
So wurde ich wiedergeboren – born again, wie es auf Englisch heisst. Jetzt wusste ich, dass ich von nun an nie mehr allein sein würde. Der Rabbi von Nazareth, ursprünglich ein Wanderprediger ohne Wohnung, gekleidet nur mit einem Nachthemd und seinen Heilandsandalen, der auf dem Wasser gehen konnte und Kranke heilen. Er hat alle Gesetze, deren Bruch ihm die Schriftgelehrten vorwarfen, über den Haufen geworfen und mit dem einzigen Satz «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» Richtlinien aufgestellt, die bis heute gelten. Er sagte: «Liebet eure Feinde.» Und: «Wenn dir einer auf die linke Backe schlägt, halte ihm auch noch die rechte hin.»
So wie Bob Dylan in seiner christlichen Phase formulierte, empfand ich es mit 16 oder 18 Jahren. Und auch wenn ich mich von den radikalen Evangelikalen abgewandt habe und schon vor über 50 Jahren aus der Kirche ausgetreten bin, ist Jesus bis heute mein bester Freund.
Das Göttliche, das Jenseitige und das Diesseitige. Während jener intensiven Phase stand ich auch auf der Bühne und legte Zeugnis meines Glaubens ab. Ich war dann in der Jungen Kirche Rapperswil aktiv. Jeden Morgen betrieb ich eine halbe Stunde Bibelforschung. Meine Bibel ist voller Notizen. Was das Neue Testament betrifft, bin ich, wie man sagt, ziemlich bibelfest. Das hat mich sehr geprägt. In jeder Situation kommt mir ein Gleichnis in den Sinn.
Ich bin vor allem mit klassischer Musik aufgewachsen. Bach, Beethoven, Brahms, Buxtehude, Mendelssohn, Mozart, Schubert und wie sie alle heissen. Und natürlich auch mit den Volksliedern, die wir oft zusammen sangen. Da existierte aber noch eine heisse Liebe zu ganz anderen Klängen. In Rüti gab es wie in jedem anderen Dorf eine Blasmusik, die Blasmusik Helvetia. Auf dem Schlossberg stand ein Musikpavillon. Dort konzertierten die Musiker in ihren farbigen Uniformen. Je nach Wind hörten wir sie bei uns zu Hause, obwohl man dorthin im Laufschritt eine Viertelstunde brauchte.
Ich höre die Musik aus der Ferne, es ist Samstagnachmittag um drei. Und sage der Mutter: «Ich will dort hin.» Und renne los. Viele Leute versammelten sich vor dem Pavillon, und die Musik spielte eben einen Marsch. Pup-pup-uh. Es hat mich total umgehauen. Ich fand das so geil.
Als ich in der vierten Klasse war, freundete ich mich mit Robi Rüdisüli an. Er war ein Einzelkind, sein Vater stammte aus Paris. Robi war unglaublich talentiert. Er spielte als Bub Handorgel und konnte danach alles in die Hand nehmen und spielen, vor allem Trompete. In der ersten Sek hatte ich meinen ersten offiziellen Auftritt als Sänger, zusammen mit Robi Rüdisüli. Es war Schulsilvester. Robi besass ein Banjo. Ich hatte es umgehängt und raffelte mit der rechten Hand den Rhythmus, Robi machte mit seiner linken Hand die Griffe, und mit der jeweils anderen Hand hielten wir die Maulorgel. Wir spielten Vico Torrianis «Siebenmal in der Woche musst du ausgehn, siebenmal in der Woche jedes Mal, siebenmal, siebenmal, das ist meine Lieblingszahl».
Robi Rüdisüli erzählte mir von Miles Davis. Und die beiden Töchter vom Möbelhaus Tremp hatten einen Plattenspieler. Wir gingen zu ihnen nach Hause. Dort tönte es aus den Lautsprechern: «Well, it’s a one for the money, two for the show, really, really, really, go cat, go. But don’t you step on my blue suede shoes.» Elvis! Diese Girls hatten diese Platte. Miles und Elvis the Pelvis. Sie kamen zur selben Zeit in mein Leben. Elvis sang. Ich auch – den ganzen Tag lang, und spielte dazu Ukulele. Damit nervte ich die ganze Familie. Hörte ich Radio, schrieb ich die Songtexte ab. Bei einem Casting an der FERA, der Schweizerischen Fernseh- und Radio-Ausstellung, sang ich dann «That’s All Right», das erste Stück, das Elvis aufgenommen hatte. Das Tape meiner Performance, das mir Walo Linder, nach dem der Prix Walo benannt ist, persönlich überreichte, konnte ich mit nach Hause nehmen, habe es aber nicht mehr. Da war ich 16, das war also 1960.
ROBI RÜDISÜLI:
In der Mittelstufe spielte ich Handorgel, obwohl ich mich mit der Ländlermusik nicht so recht anfreunden konnte. Dann entdeckte ich den Jazz. Zuerst Dixieland. Das war um 1958. Während der Ferien ging ich in der Möbelfabrik Embru in Rüti für 80 Rappen pro Stunde Schulbänke restaurieren. Mit dem Verdienten kaufte ich in Zürich ein Banjo. Hardy und ich hatten einen ähnlichen Schulweg. An der Silvesterfeier in der Schule – ich war in der dritten Sek, Hardy in der zweiten – traten wir zusammen auf. Hardy hielt in der linken Hand eine Mundharmonika, in der rechten das Banjo; ich umgekehrt. So spielten wir «Siebenmal in der Woche», ich glaube von Peter Kraus. Ich ging bei Hardy zu Hause ein und aus, er bei mir. Bei Hepps stand ein Klavier. Ich konnte ein bisschen Blues spielen. Da kam es zu ersten Konflikten mit Hardys Mutter. Sie hatte das Gefühl, Blues tue ihrem Klavier nicht gut. Sie fand, ich sei irgendwie nicht der richtige Umgang für Hardy. Zumal ich ihn mit dem Jazz bekannt machte. Und auch aus sozialen Gründen. Täusi, wo die Hepps wohnten, war das Quartier der Lehrer und besseren Leute. Ich wohnte hingegen im Cervelatviertel. Mein Vater war in Paris aufgewachsen, wohin sein Vater aus Rüti ausgewandert war. 1937 kam mein Vater nach Rüti, wo er dann 50 Jahre lang in der Maschinenfabrik Rüti, der Joweid, arbeitete.
1954 schauten Hardy und ich den Final der Fussball-WM in Bern. Im Sternen-Säli in Rüti. In der rechten, oberen Ecke des Raums war ein Fernseher. Es drängten sich derart viele Leute in das Säli, dass man stehen musste. Die allermeisten rauchten. Hardy zehnjährig, ich elf. Unglaublich. Ich kannte alle Heppen. Vor allem mit Hardys Vater konnte ich es sehr gut. Ich ging zu ihm in die Schule. Und besuchte jeden Freifachkurs, den er anbot. Er war ein hervorragender Lehrer, der mir sehr viel beibrachte. Er bot Kurse im Bau von Fliegern, für Schnitzen und Steno. Eigentlich hatte ich keinen Grund, Steno zu lernen, aber ich belegte den Kurs, einfach, weil Vater Hepp ihn gab.
Wenn Ihnen alles abvereckt, können Sie immer noch Journalist werden
Mit 14 wollte ich Sänger werden, mit 16 Kunstmaler und mit 18 Schauspieler.
Das führte zu Spannungen mit meinen Eltern. Mein Vater war ein lieber Typ. Aber mit der Zeit verstand er mich immer weniger. Es begann zu brodeln. Als ich 14 war, hatten wir eine Schlägerei. Die Mutter stand daneben und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Das Verhältnis wurde immer spitzer. Aber er unterstützte mich immerhin darin, dass ich nach der Sek die Aufnahmeprüfung für die Kunstgewerbeschule in Zürich machen konnte.
Mit nicht einmal 16 kam ich nach Zürich in den Vorkurs. Es war ein Eintauchen in eine andere Welt. Um 6.30 Uhr auf den Zug in die Stadt, um 17 Uhr gings wieder zurück nach Rüti. Und an der Kunstgewerbeschule war Karl Schmid einer meiner Lehrer. Das war ein Riesenglücksfall. Entscheidend dabei war seine Haltung. Schmid sprach über schöpferisches Nichtstun. Er sagte zum Beispiel: «Es ist nicht schwierig, Dinge zu tun. Schwierig ist es, sich in den Zustand zu versetzen, um die Dinge zu tun.»
Am ersten Tag hat er mit uns Tee getrunken aus einem chinesischen Teeservice. Er sagte, wir dürften immer Tee machen, aber nicht blöd tun. In der ersten Woche ging er mit uns auch ins Brockenhaus. Es ging um das Prinzip von Kurt Schwitters, aus einem zerrissenen Stück Papier oder einem weggeworfenen Billett ein Kunstwerk zu schaffen. Darum, dass sich im Grümpel Kostbarkeiten entdecken lassen. Das kann man im übertragenen oder im wörtlichen Sinne verstehen. Zu jener Zeit entdeckte ein etwas älterer Kollege an der Kunstgewerbeschule im Brockenhaus zehn Holzschnitte von Ernst Ludwig Kirchner. Er bezahlte dafür je zehn Franken. Heute ist jeder einzelne eine Million wert. Ich kann mich auch erinnern, wie Schmid mit uns in den Zoo ging, wie er vor dem Gehege der Lämmergeier wortreich sprach, uns zeigte, wie man aus einem Schilfrohr eine Tuschfeder schneidet. Den meisten Kollegen und Kolleginnen wurde es langweilig, sie wollten ins Affenhaus. Am Ende blieben nur Bettina Honegger und ich zurück. Schmid sagte uns: «Ihr müsst euch in die Situation des Geiers, der im Käfig auf einem
Ast hockt, versetzen, bevor ihr ihn zeichnet». Dann zeichnete er mit einem einzigen Strich die ganze Silhouette des Vogels.
Einmal fuhren wir nach Basel, um Kunst zu betrachten, zum Beispiel «Der Leichnam Christi im Grabe» von Hans Holbein dem Jüngeren. Dort waren auch Werke von «Jungen Amerikanern» ausgestellt – Mark Rothko, Jackson Pollock oder Sam Francis. Ich war begeistert.
Über Mittag ging ich häufig zu Fräulein Kriesi in die Bibliothek. Ich schaute mir Kunstbände an und sah darin beispielweise eine Uhr, die schlapp über einem Ast hängt. Dieses und andere Bilder von Salvador Dalí haben mich unglaublich fasziniert.
Ohne all diese Erfahrungen hätte ich nie so gearbeitet, wie ich es später tat. Schmid ging es nicht um den schnellen Erfolg. Er sagte: «Man muss warten können im Leben.» Oder: «Wir sind nicht nur dazu da, um zu zeigen, wie die Dinge sind, sondern wie sie sein könnten.» Alles, was ich nicht schon von meinen Eltern als Rüstzeug erhalten hatte, gab Schmid mir nun dazu.
Mit Schmid fuhren wir für eine Arbeitswoche in die Jugendherberge Bondo im Bergell. Ich ging mit Bettina in das Bondascatal – jenes, das vor ein paar Jahren verschüttet wurde –, um zu zeichnen. Tagsüber malten wir. Abends hörten wir Musik. Elvis Presley, «You ain’t nothing but a hound dog».
Elvis war bei einigen Amerikanerinnen, mit denen ich im Sommer 1961 unterwegs war, bereits Kulturgut. Die jungen Frauen waren durch das Austauschprogramm American Field Service (AFS) in die Schweiz gekommen. Eine von ihnen wohnte bei Nachbarn von uns, bei den Honeggers. Die AFS-Frauen unternahmen eine zweiwöchige Schweizreise. Weil von der Gastfamilie niemand Zeit und Lust hatte mitzugehen, wurde ich gefragt. Ich sagte ja. Also reiste ich mit 16 Amerikanerinnen durch die Schweiz. Ich nahm das Banjo mit und sang. Da war ich natürlich der König. Und in Grindelwald hielt ich eine 1.-August-Rede auf Englisch.
Ich erinnere mich auch, wie ich während des Jahres an der Kunstgewerbeschule im Konzertsaal der Schule in der ersten Reihe sass. Vor mir auf der Bühne im Schneidersitz mit der Sitar: Ravi Shankar. Für mich war das eine Riesenentdeckung. Mit ihm trat der berühmteste Perkussionist aller Zeiten auf, der Tablaspieler Alla Rakha.
Die Kunstgewerbeschule katapultierte mich hinauf in bisher unbekannte Höhen –wo es philosophisch wird: Was ist Kunst? «Niemand weiss, wie Kunst entsteht, nicht einmal dein bester Freund, nicht einmal du selber.» Ich weiss nicht mal, wer das formuliert hat. Zugleich gründete ich an der Schule eine Bibelgruppe. Das gab es wahrscheinlich vorher und nachher nie. Bettina Honegger machte mit und Jean-Jacques Vaucher, mit denen ich auch später in Kontakt blieb.
Dieses Bild aus reiner Seide ist eine von drei Collagen, für die ich 1960 in der Ausstellung «Junge Zürcher Künstler im Jelmoli» den Kritikerpreis erhielt.
Ich muss meinen Eltern, speziell meinem Vater, ein Kompliment machen dafür, dass sie mich unterstützten für die Kunstgewerbeschule. Zu Hause malte ich in der Werkstatt meines Vaters. Jetzt wollte ich Kunstmaler werden und beteiligte mich an einer Ausstellung «Junge Zürcher Künstler im Jelmoli». Ich zeigte drei Collagen und erhielt dafür den Kritikerpreis.
Ich malte dieses Bild 1960, nachdem mir meine Gotte, die im Kongo lebte, von Kämpfen zwischen Hutus und Tutsi erzählt hatte.
Nach dem Jahr im Vorkurs wollte ich an die Dekorateurenschule nach Vevey wechseln. Ich hatte bei einem Dekorateur geschnuppert, und das gefiel mir. Und meine Klassenkollegin Marianne Weber, auf die ich stand, sagte, sie gehe nach Vevey. Meinen Eltern aber passte das nicht, weil sie Schiss hatten, dass ich zu vogelfrei wäre. Sie hatten das Gefühl, ich sei noch zu jung, um in die Fremde zu gehen. Und so ging ich schliesslich an die Lehramtsabteilung der Kantonsschule Wetzikon – eigentlich meinen Eltern zuliebe. Dort war es insofern schwierig, als ich zwei Jahre älter als die meisten der Klasse war. Da war ich sehr unglücklich.
Doch es gab Lichtblicke. Auf Vermittlung von Dr. Iten, meinem Deutschlehrer, besuchte ich 1961 die Filmwoche Engelberg, die Vorläuferin der Solothurner Filmtage. Jeden Tag schaute ich drei oder vier Filme, und zu jedem habe ich anschliessend im Hotel ein Gedicht geschrieben, zum Beispiel zu «I vitelloni» von Fellini.
Ich konnte auch bei einer Aufführung der Schauspielschule Zürich mitmachen. «Und Pippa tanzt!» von Gerhart Hauptmann. Ich hatte zwei Rollen: den Vater von Pippa, der wegen Falschspielens am Schluss des ersten Aktes ermordet wird, und den
Stummen Diener. Der kommt in dem Stück immer wieder vor; er steht jeweils neben dem Hünen Huhn. Da packte mich das Theaterfieber. Die Uraufführung unserer Produktion war in Uster. Hans Peyer war da, später ein bekannter Schweizer Schauspieler, der aus Uster stammte. Und drei Schauspielgiganten kamen nach der Aufführung hinter die Bühne; ich konnte mit allen sprechen: Gustav Knuth, Therese Giehse und Peter Brogle. Sie ermutigten mich, Schauspieler zu werden.
1962 arbeitete ich während der Sommerferien als Kellner im Hotel Klarer in Zuoz im Engadin. Dazu eine Anekdote: Eines Abends hörte ich, wie draussen einer singt, «I had to leave a little girl in Kingston Town». Es war Vico Torriani, der mit ein paar Leuten auf der Strasse stand. Ich ging raus. Man dislozierte ohne Torriani, ins Hotel Castell, ging in die Küche. Dort stand der Topf mit der Potage du Jour auf dem Herd. Zwei der Männer pissten hinein.
Nach diesem Ferienjob sagte ich zu Hause: «Ich gehe nicht mehr zur Schule. Ich will Schauspieler werden.» Die Folge war der grosse Krach mit meinem Vater. Er sagte: «Pürschtli! Eis isch klar: Du gahsch dich bi jedem einzelne Lehrer go verabschiede.» Ich ging dann wirklich zu allen Lehrern und sagte: «Ich komme nicht mehr.» «Wieso?», wollten sie wissen. «Ich will Schauspieler werden», sagte ich. «Machen Sie nur das nicht», sagten die Lehrer. «Machen Sie zuerst die Matur, dann haben Sie etwas.» Zum Schluss meiner Runde ging ich zu Herrn Iten, der mir den Besuch der Filmwoche Engelberg ermöglicht hatte. Ich sagte ihm, ich gehe auf die Schauspielschule. «Prima, Herr Hepp», antwortete er. «Sie müssen etwas wagen, wenn Sie jung sind. Und wissen Sie was? Wenn Ihnen alles abvereckt, können Sie immer noch in den Journalismus wechseln.»
Zu Hause gabs dann noch mehr Krach, so dass der Vater sagte: «Es ist besser, du ziehst aus.» So kam ich im November 1962 nach Zürich. Ich kannte niemanden. Die ersten zwei Wochen schlief ich unter freiem Himmel auf einem Bänkli im Garten vor dem Restaurant Terrasse. Es war November, eiskalt. Ich hatte nur die Kunstledertasche meines Bruders mit ein paar Kleidern dabei und einen Schlafsack.
Nach zwei Wochen mietete ich über den Mata-Dienst ein Zimmer, aus dem ich nach einem Monat wieder rausflog, weil ein Mädchen bei mir zu Besuch war. Es hiess: «Kein Damenbesuch.» Meine Grossmutter vermittelte mir ein Gespräch beim Direktor des Strassenverkehrsamtes, der ihr Nachbar war, und der stellte mich an. Ich arbeitete als Aushilfskanzlist. Im Laufe des Nachmittags hatte ich meine Aufgabe jeweils erledigt und fragte Herrn Woodtli, den Bürochef, was ich nun tun sollte. Er seufzte und sagte: «Sie mached die Arbet, wo vorhär drü Lüt erlediget händ.» Ich meinte, dann könne ich ja nun hinausgehen und eine Zigarette rauchen. «Das geht nicht», meinte er und
Hardy Hepp ist ein radikaler Typ. Er sagt: «Ich mache alles, als wäre es das letzte Mal.» Und gemacht hat er im Laufe seines Lebens allerhand: Er gründete eine der ersten WGs in Zürich, war DJ, Aktivist, TV-Moderator, Plattenproduzent, Sänger, Songschreiber und Bandleader und ist bis heute Maler. Er gehörte zu den Gründern von Krokodil, einer der ersten Schweizer Rockbands, die stilistische wie geografische Grenzen überwand, und ist eine der wichtigsten Figuren des kulturellen Aufbruchs der 1960er-Jahre in der Schweiz. Mit 80 erzählt er in diesem Buch pointiert sein Leben als Künstler und Musiker, von seinen Auseinandersetzungen mit Gott und der Welt, über die Liebe zu seiner Frau Hanna, seine Familie und seinen Garten.
Mit Anmerkungen von Corin Curschellas, Polo Hofer, Thomas Hürlimann, Pepe Lienhard, Rolf Lyssy, Andreas Vollenweider und anderen.
ISBN 978-3-7296-5192-0