— Tinu Heiniger Mein Emmental Geschichten aus der schönen, engen Welt von Gestern
TINUHEINIGER MEINEMMENTAL
DerAutorundderVerlagdankenfürdieUnterstützung: DerZytgloggeVerlagwirdvomBundesamtfür KulturmiteinemStrukturbeitragfürdieJahre 2021 2024unterstützt. www.fsc.org MIX Papier aus verantwor tungsvollen Quellen FSC® C083411 ® © 2022ZytgloggeVerlag,SchwabeVerlagsgruppeAG,Basel AlleRechtevorbehalten Lektorat:AngeliaSchwaller Korrektorat:JakobSalzmann Coverbild:TinuHeinigersVaterPaulvorseinemneuenCitroën Covergestaltung:BernardSchlup Autorenfoto:RetoCamenisch Layout/Satz:3w + p,Rimpar Druck:CPIbooksGmbH,Leck ISBN:978-3-7296-5105-0 www.zytglogge.ch
TinuHeiniger MEINEMMENTAL Geschichtenausderschönen, engenWeltvonGestern
FürMajaErismann
Inhalt Vorwort:ImEmmentalaufgewachsenund eingewachsen ................................................. 9 Älterwerdenheisstauch,sicherinnern ................ 11 AufgewachseninLangnauimEmmental .............. 22 AuseinerfrommenFamilie ............................... 25 PaulHeiniger,PräsidentdesHandwerker-und GewerbevereinsLangnaui.E. ............................ 30 Ämmitau ....................................................... 36 MeinEmmental .............................................. 38 MeinersterAuftrittmitLiedernvonManiMatter . 46 DasgrosseWeltgeschehen ................................ 52 DerSCL eineLiebeserklärung ........................ 54 FussballinLangnauimEmmental ...................... 58 MysDorf,myniWäut ...................................... 62 Irgendwodazugehören ..................................... 65
ErschteOugschtezOberhofe ............................ 68 NachtwanderungüberdenStübisberg ................. 73 ImmerwiederdieMutter ................................. 76 LiedvomWaud .............................................. 79 ErfahrungenmitJournalisten ............................ 82 LieberErnstEggimann .................................... 91 InderStillederNacht ..................................... 94 IrWytivomHimu .......................................... 95 Dank ............................................................ 99 SeinEmmentalistnichtmeinEmmental ............. 100
Vorwort:ImEmmentalaufgewachsenund eingewachsen
DerMusikerundPoetTinuHeiniger,vondemes nichtseltenheisst,erseiderDoyenderSchweizer Liedermacher,istganznebenbeigesagtaucheinhervorragenderErzähler.ManhängtihmandenLippen,wennernachKonzerten,auflangenAutofahrtenoderamTelefonGeschichtenerzählt, GeschichtenausseinemLebenoderGeschichtenaus demLebenanderer.SeinFundusscheintunendlich undmanhörtihmimmergernezu,weilereinen einmaligenErzählrhythmushat.DiesenRhythmus, denmanheuteauchgerneFlownennt,dürfenwir auchindiesenniedergeschriebenenGeschichtengeniessen.TinuHeinigerhatnämlichdieGabe,seine mündlicheUnmittelbarkeitimgeschriebenenText beizubehalten.Dashatwohldamitzutun,dasser nichtdemverbreitetenIrrglaubenfolgt,dieSchreibsprachemüssegescheiterklingenalsdiegesprochene Sprache.WirkönnenHeinigersGeschichtenlesen, alshörtenwirseinenLiedernzu,mitderNeugier derKinder,mitbeinahegeschlossenenAugenund vollerHingabe.
9
HeinigerkommtausLangnauimEmmental. Dortisteraufgewachsen,undbeinaheistmanversuchtzusagen,dortseiereingewachsen.Zwarlebt erschonseitvielenJahrenimAargau,aberinseiner Sprache,inseinenErzählungenundinseinenLie-
10
dernistdasEmmentalmitseinerurwüchsigen Landschaftundseinennichtwenigerurwüchsigen BewohnerinnenundBewohnernomnipräsent.Und wiesoviele,dieineinemDorfaufgewachsensind, hatTinuHeinigereinenweitenHorizont.Das Dorflebenverlangteinemeinigesab.Toleranz,Anpassungsfähigkeit,Schlauheitundmancheandere Eigenschaft,dieeinenspäterimLebenweiterbringt, lassensichinderdörflichenGemeinschaftnichtnur bestenserlernen,siesinddortgleichsamüberlebensnotwendig.ImDorfseinerKindheitfülltesichder feinsinnigeundmanchmalauchgeplagteBubseinen poetischenRucksack.Dasgeschahunbewusst,beim Sport,inderSchule,inderKirche,inderFamilie oderbeiseinerüberallesgeliebtenMusik.Undwie allewahrenPoetenkannHeinigereinLebenlang vondieserkindlichenPrägungzehren.
WirFans,dieschondenjungen,aufmüpfigen,oft wütendenRebellengekannthaben,spürenimWerk desälteren,milderenundweisergewordenenTinu HeinigernochimmerseinetypischeAusdrucksstärke.Dennauchwennerversöhnlichergewordenist, sprichtunsindiesemBuchdiegleichePoesieund diegleicheUnmittelbarkeitan,dieunsinseinenerstenLiedernsoberührthat.
PedroLenz
Älterwerdenheisstauch,sicherinnern Nein,manwillnichtsowerdenwiedieAlten,die immernurvonfrüherredenunddavonschwärmen, dassdamalsallesbessergewesensei.MeinGrossvater hatunsimmerwiederdiegleichenGeschichtenerzählt.Wirhättensienummerierenkönnen.Hätteer dannmiteinerGeschichteangefangen,dannhätten wirnurdieentsprechendeNummerdazwischenrufenkönnen,undalleswäreklargewesen.Dashaben wir,seineEnkelkinder,natürlichnichtgetan.Wir habendieseGeschichten,diesichauchsprachlich wiederholten,mehroderwenigergelangweiltüber unsergehenunddenGrossvaternichtmerkenlassen,dasswirseinealtenErinnerungsgeschichtenzur Genügekannten.
Wennichheute,sechzigJahrespäter,darandenke,waserunsvonfrüher,vonseinem«Früher»erzählte,dannweissich,daswarGeschichtsunterricht: WachtmeisterSchärimErstenWeltkriegmitseiner KompanieaufdiesenbrutalenGewaltsmärschen.Er undseineSoldatenquälensichinschwerenSchuhen undindicker,blauerUniformwährendTagenund Wochen,oftinRegenundSchnee,querdurchdie Schweiz.UnddieFamiliedaheimhatkaummehrzu essenalsdas,wasdieGrossmutterimGartenfindet. DasbisschenSold,dasderWachtmeisterheimbringt,reichtzugarnichts.OderwieGrossvater gleichnachdemKriegamBahnhofinLangnauden
11
Generalstreikerlebte:DaischeinevodeRote,ganz escharfeHung,ufdDampflokiuecheggumpetu heterederDampfabgla!UdBüezerheigröletu gchlatschet!DashatdiesemSchreinermeisterund MitgliedvonMingersBauern-,Gewerbe-undBürgerparteigarnichtgepasst,erfanddenEinsatzder ArmeegegendieStreikendeninZürichgutundnötig.InderKrisenzeitderDreissigerjahrehaterunser schönesHausmitWerkstattundGeschäftsladengeplantundgebaut,hatTaguNachtgchrampfet,damitdiesesHaus,indemwirdannaufwuchsen,möglichwurde.UndmeineMutter,damalsnochein Meitschi,hatihmdabeibegeistertgeholfen.Logisch, dasssiedannseineNachfolgerinwurde.Ja,daswar einzäherMann,meinGrossvater,unddiefleissige, liebeundgeduldigeFrauanseinerSeite,meine Grossmutter,undseineTöchter,auchseinedritte, meineMutter,diewarendasauch.
12
IchhabealsKindjeweilsgestaunt,wiedieseralte MannmitgrauerDächlikappeundweissem SchnauzhochobenaufderLeiterdieRebenschnitt, dabeiimmereinenStumpenimMund,denerso langerauchte,bisernurnocheinedünneScheibe ausTabakwar.Mit84Jahrensteigternichtnurauf diealteLeiter,sondernauchaufdas3698Meter hoheBalmhorn.UndwennerundseineKameraden aufdemGipfelangekommensind,dannnehmensie einenSchluckSchnapsausderBlechflasche,und meinGrossvater,derSchärÄrnscht,zeigtunder-
Alserdann99Jahrealtist,damusserdochnoch insAltersheim.UndfragtmeineMutterbeijedem Besuch:Wennchaniwiderhei?NacheinpaarMonatenimHeimwollensieihnmitallseinenMöbeln ineinanderesZimmerzügeln,abererwilldasnicht. ErverweigertdasEssenundTrinken,trittineinen Hungerstreikundstirbt.
Warumaberhabeichfrüherimmergedacht,ich wollenichtsowerdenwiemeinGrossvater?Oder nochwichtigerundentschiedener,ichwolleum GotteswillenniewerdenwiederVater?BeidewarenJähzornlinge.UndichhabeeslangeZeitnicht wahrhabenwollen,dassauchicheinerbin,undhabe immerversucht,meinenZornvormeinenMitmenschenzuverstecken.Undwarjeweilsvonmirenttäuscht,wennsichauchbeimirdieseWut,dieser grundsätzlicheZorn,lautundstarkgemeldetund gezeigthat.Ichhabezwarnichtzugeschlagen,aber herumbrüllen,daskonnteichschon.
13
BeimGrossvater,dasweissichvonmeinerMutter,hatdieWutundUnzufriedenheitwährendTagenstillvorsichhingedampftundinderWerkstatt undamMittagstischeineSaustimmungverbreitet. Undwehe,wennsieeinenAusgang,einenSchuldigengefundenhat.DannkonnteereinenVertreter derSuva,dervonihmeinebessereSicherheitshaube beiderFräsmaschineverlangte,miteinerHolzlatte inderHandundmitdemHinweis,dorthabeder
klärtmitderrechtenHanddieBerge,inderlinken brenntderRössli-Stumpen.
ZimmermanndasLochfürihngemacht,ausder Budevertreibenundihnnochlangelautschreiend undfluchenddieOberstrassehinaufverfolgen.In dennächstenJahrengetrautesich,soerzähltemir dieMutter,keinermehrvonderSuva,beidiesem Wüstlingaufzukreuzenundirgendetwaszubemängelnoderzubeanstanden.
14
IchwardaszweitevonvierKindernundvonBeginnwegdazuauserwählt,diesenLadeneinmalweiterzuführen.MerssifürObscht!EinJahrnachder mirverordnetenSchreinerstiftistellteichmichendgültigquer,sagte:«Luegitsäuber,aberohnimi» undgingvondaanmeineneigenenWeg.
VatersJähzornwarvoneineranderenSorte.Sein WutkesselistinmeinerErinnerunganjedemTag mindestenseinmalexplodiert:Erhatdannherumgeschrien,seineLehrlingeundmanchmalsogardie Arbeiterangebrülltundzusammengeschissen.Er waraussersich.MeineBrüderundichschauten, dasswirihmmöglichstnichtbegegneten.DieMuttermusstesichinihremAtelieroderinderKüche anhören,wasfürIdiotendochdieanderenseien undwasfüreinenPfuschundwasfüreinenSeich dieserundjenerwiedergemachthabe.WaswirKindernichtwusstenundnichtgemerkthaben:Sie mussteauchständigzwischenihmundihremVater schlichtenundimmerwiederfürbesseresWetter sorgen.DieBude,dasGeschäftunddasLebenmusstenschliesslichirgendwieweitergehen.
Oderichwollteverstehen,wasichnichtfassen, nichtbegreifenkonnte.ZumBeispiel,warumausgerechnetdiefrommstederSchär-TöchterdemGeschenkfürihrenVatereineEngelskartebeigelegt hatte,aufdergeschriebenstand,wennderGrossvaterdanneinmalgestorbensei,dannsolleerdiese warmenWinterhandschuhe,diesieihmhierzu Weihnachtenschenke,ihremSohnvererben.Als danndieandereSchwestermeinerMutter,meine Gotte,mitihrerFamiliezuBesuchkam,liessicham MittagstischdieBombeplatzen.Undfragteindie Runde,wasfüreinheuchlerischesVerhaltenmeiner Tanteesdennsei,meinemGrossvateretwaszu schenkenunddanngleichdafürzusorgen,dassihre Familieesdannwiederbekomme.Ichwolltewissen, wasmeineVerwandtenvondieserfrommenTante hielten.MeinThemakamgarnichtgutan,niemandgabeineAntwort,meinVorstosswurdeunter denTischgewischt.VielleichtaberwarenmeineElternunddieGotteinsgeheimganzfroh,dassdaeineretwasgesagthatte,wassieschonlangegedacht
15
SchonalsKindwollteichherausfinden,wieund warumundwaszwischendenMenschensoläuft. Warumsiesofröhlichundliebundkurzdaraufso missmutigundböseseinkönnen.Ichwollteauch wissen,warummeineMutterimmerwiederKopfwehhatteundobdaswohlmitihremMannund mitihremVater,diesemewigenKampfzwischenihnen,undmitdiesemDauerstressimGeschäftzusammenhing,derbeiunsoftdenAlltagvergiftete.
BeimSterbenmeinesVatersimKrankenheimwar ichdabei,habeganzamSchlussnochfürihngesungen.Eswareinerster,wohltuenderSchritt,mich mitihmzuversöhnen.Jetzt,24Jahrespäter,sitze ichineinemWorkshop.Hiermeditierenwirauch, sitzenaufeinemStuhlundversuchenKontaktmit derKraftundderEnergieeinesSteinsinunserer Mitteherzustellen.NachkurzerZeitbinichmitten inErinnerungenanmeinenVater.Undichstaune, estauchendiesmalkeineschlimmenErinnerungen undSzenenauf,wieermichgeschlagenhat,wieer herumgebrülltundgewütethat,nein,ichseheund erinneremichanlauterguteundschöneMomente mitihm,solche,dieunterallunserenKämpfenund
Ichwillimmernochwissen,wieundwarummeineMitmenschensowidersprüchlichsind,auch wennmirlängstklarist,dassauchichesbin,und weiss,dassichimmerzuerstvordereigenenTüre wischensollte.AberdenBalkenimeigenenAugezu sehen,ist,wie«derandere»javorlangerZeit schongepredigthat,garnichtsoeinfach.Indemich immerwiederundimmernochnachfrageundverstehenwill,wiediesundjenesdamalsgewesensei, versucheich,meineHerkunftundmeineGeschichte zuverstehen.DarumändertsichmeinBildvonmeinenElternundGrosselternundmeinVerhältniszu ihnenauchjetzt,nachdemsieallelängsttotsind, immernoch.
hatten.Ichbinfastsicher,meinVaterfandmeine Mittagstischbombenochcool!
16
17
wüstenSzenenunduntermeinemHassinallden Jahrenverstecktundbegrabengewesensind.
ManchmalhabenwirBubenmitihmimKorridor miteinemBallongespielt,habeneinandersolange gechecktundwildbekämpft,bisirgendwannder BallonmiteinemlautenKnallzerplatztist.Und dannholteVatereinenneuenBallon,unddasSpiel gingweiter.OderdasSchreibspielmitihmundder MutteranlangenSonntagabendenimWinter,oder das«Zehnervor»,dieQuartettspiele.Wenndie FamilieundnichtdasGeschäftimMittelpunkt stand,dannwardieserkleineHeinigerPaulein friedlicher,fröhlicher,manchmalsogareinrichtig lustigerMensch.
UndniehatmichmeinVatermehrverblüfftals damalsimSommer1963amAbenddesletztenTagesaufdemParkplatzderHolzmesseinBasel.Wir hattendenCitroënvollgepackt,hattenalles,was hintennichtPlatzhatte,aufsDachgeladenundmit einerBlacheundGummizügenbefestigt,alsermir dortjeneFragestellte,diemich,auchjetztnoch,innerlicherschüttert,aberauchungemeinfreut.
Zuerstmussichallerdingsnocherklären,dassbei VaterindenJahrenzuvorseineGedankenmehrum seineErfindungenalsumdieSchreinereiunddas Geschäftkreisten.MeineMutterhätteesviellieber gehabt,wennerweiterhinfürunsereKundenschöneMöbelgezeichnetundgezimmerthätte,das konnteernämlichsehrgut,oderwennerendlich
ImmerwiederwarunserGeschäftdaraufangewiesen,dassVatersreicherBruderErnst,einerderDirektorenbeiSchindler,ZehntausendeFrankeneinschoss.MeinjüngererBruderhatmirerzählt,wie daswar,wennerjeweilsmitunseremVaterdenreichenErnstinGenfundspäterindessenVillahoch überdemGenferseebesuchte.DieBrüderseienzusammenimSalongesessen,undderältere,derErnst, 18
mitdenRechnungenundderGeschäftsbuchhaltung àjourgewesenwäre.Mitallemwarer,wieerselber ständigklagte,«imHingerlig»,aberwiesollteeres nichtsein,wennseineGedankensogarnachtsnur umseineErfindungenkreisten?
SeinejüngsteKreationdamalswareineZeichenmaschinefürSchreiner.Möbelzeichnermüssendie Pläneim1:1-FormatzeichnenkönnenundbrauchendeshalbeinelangeReissschiene.VaterliessdieseReissschieneaufbeidenSeitendesgrossenReissbrettsüberKugellagerzügelaufen.Daswar mindestenssogenialwieJahrespäterseinSchubladenvollauszug,derdanninDeutschlandvoneiner Grossfirmahergestelltwurde.DieserVollauszug,der vielbilligeralsdieSchubladenmitMerzrollerwar undauchwenigerPlatzbenötigte,hatihndannendlich,endlichfinanziellgerettet.WenndieTantiemen dankdemLizenzvertrag,deneinFreundvon ihmmitderdeutschenFirmaausgehandelthatte EndeJahreintrafen,dannwarsogardieMutter,die vorhernurunterdenhohenAusgabengelittenhatte,stolzaufihn.
19
Undich?IchschnapptemirdenZündungsschlüsselseinesCitroënsundkurvtewährendStunden durchBasel,ichmusstenurschauen,dassichumdie MittagszeitundabendsrechtzeitigbeiVatersMessestandaufkreuzte.Autofahrenkonnteichübrigens bereitsmitfünfzehn.IchhattealsBubgutzugeschaut,wiederVatergeschaltet,aufsGasgedrückt undgebremsthat,undsowaresfürmichstetsbubi-
JetzthattederVatermitdieserZeichenmaschine alsowiedersoeinProjekt,dasFrüchtetragensollte, undsomieteteeranderHolzmesseinBaselerstmalseinenStand.IchwarimerstenStiftijahr,knapp siebzehn,fuhrmitihmnachBaselundhalfihm beimAufstellendesStands.WährendderWoche dortinderMessehallegabmirderVatermeistens frei,diePräsentationseinerwirklichschlauenZeichenmaschineübernahmerlieberselber.
habedenjüngeren,denPaul,gefragt,wieessogehe imGeschäft.UndwennderPauldannlangeund ausführlichdarüberRechenschaftablegenwollte, wieunddassjetztdann,innächsterZeit,schon bald,diesesundjenesProjektFrüchtetragenwerde, dannhabederErnstihneinwenigredenundzappelnlassenundihndannirgendwannabruptund lautunterbrochenundgesagt:Wievilbruuchsch? Ja,undsowarendieLangnauerHeinigershaltden GenferHeinigersständigziemlichvielGeldschuldig.WirKinderwusstenwenigdavon,eskümmerte unsauchnicht;dassallerdingsdieMutterdarunter litt,dasmerktenwirschon.
20
VaterwarbegeistertvondiesenTagenindergrossenMessehalle.SelbstanVormittagen,wennnur wenigeBesucherinderHallewaren,schaffteeres, dieLeuteanseinenStandzulockenundmitseiner Begeisterunganzustecken.Jetzt,daesumseineErfindungging,warereinrichtigguterMarktfahrer undVerkäufer,einer,dermich,wennichihmvon weitwegzuschaute,andenBilligenJakobamLangnaumäriterinnerte.Immerhinhatteerüberhundert Bestellungenfürseine überhauptnichtbillige ZeichenmaschineimSack,alswirdortabfahrbereit aufdemParkplkatznebendemAutostandenunder mirdieZündschlüsselhinstreckteundmiteinem LachenimGesichtzumirsagte:Woschduheifahre?
Ja,nosogärn!,sageich undweissnicht,wie mirgeschieht:Hatmichjemalseinersounvermit-
einfachgewesen,diesenschnittigenDreigängermit Frontantriebzufahren.
LeckmichdochamArsch!Woherwussteder, dassichAutofahrenkonnte?HaterdieganzeZeit gewusst,dassichmitseinemCitroëndurchBaselgekurvtbin?Undgemerkt,dassichdenAutoschlüssel hatte?UndhatervielleichtbereitsindenJahren davorgewusst,dassichjeweilsmitteninderNacht seinenWagenausderGaragegerollt,biszumHösuportgestossenunddannerstuntenamStutz,genug weitwegvomHaus,eingekuppelthabe?Haterdas allestatsächlichgewusst?Underhatnieetwasgesagt.Undjetztaber:Woschduheifahre?
WiewirüberdenHauensteinfahren,istesbereits Nacht.Ichlasseesziemlichlachutte,drückezünftig aufsGas,damitwiresmöglichstimdrittenGang, Vatersagt«imdiräkte»,schaffen.Ersitztstillund zufriedennebenmir,sagtnichtsundlässtmichmachen.EshatwenigGegenverkehr,manchmalkurven wirzweiganzalleinedortderPasshöheentgegen. UnddiegelbenScheinwerferdesCitroënsleuchten unsdenWegdurchdieNacht.
21
teltaufdemfalschenFusserwischt?Niehatmich einerdermassenverblüfft,wiedamals1963andiesemSommerabendmeinVater,dortnebenseinem geliebtenCitroën,aufdiesemMesseparkplatzinBasel:Woschduheifahre?
InderSchulegabeszwarLehrer,diedreinschlugen,ohnedasseinVaterodereineMuttersiejemals gestoppthätte,abertrotzdem,keineFrage:Wir wurdengefordertundgefördert!
AufgewachseninLangnauimEmmental Ichglaube,dassuns,nebenElternundGrosseltern undGeschwistern,imLebenkaumetwassoprägt wiedasQuartier,dasDorf,wowiraufgewachsen sind.UndimDorfsindesdieFreunde,späterdie Freundinnen,undwährendderSchulzeitdieLehrer undLehrerinnen.
BeidenKadettenkonnteichmichsportlich austoben.SogarderTäschlerChüdu,derjaauchen unmüglecheSiechgewesenistundderauchmich mehralseinmalgekläpfthat,sogarundausgerechnet dieserChüduhatmichzumOLgebracht,hatMitt22
Ichhatteinder3.und4.KlassedenWagnerResu,derdannspäterauchmeinPfadiführerwar.Ihn verehrteich,beiihmlernteichgerne.
InderSekwarderEggmannOtto,einJazzfan, meinDeutsch-undGeschichtslehrer.ErhatdiePolitikindieSchulegebracht,unsdenUS-amerikanischenWahlkampfNixongegenKennedygeschildert,vondenDürrenmatt-Premierenim Stadttheaterberichtet,undvorallem:Erhatmit unsTheatergespielt.IchwarscharfaufdieHauptrolle undergabsiemirauch!
–
UndesgabdenRäberMäxumitseinerKadettenmusik:Heiniger,wedjetzniddasspilsch,wohieuf deNotesteit,dezwickedizumGringudechasch heiuamVattersäge,iheigdigchläpft!DemMäxu unddemKlarinettenlehrerLooslihabeicheszuverdanken,dassicheinKlarinettistwurde.
wochfürMittwochfürunsLäufereinenOLausgesteckt.
EsgabdenFCLangnaumitseinemDorfturnier, inmeinerErinnerungeinRiesengaudi,weilandiesemTurnierdamalsauchnochjenegeschuttethaben,diejetzwürklechkeAhnigheighavodäm Sport.UnddortbeimFChabeichmitihnengespielt:mitdemGärberRüedu,demHoferMänu, demVögeliErwin,demHermeWernu,demRegli Eru,denGärber-Brüdernund,und,und undall dieSiegeundNiederlagen
23
Undalsichzehnwar,hatderVaterdenBödeund michindiePfadigeschickt,hatnichtlangegefragt, obdasunspasst:DortwarendieDähler-Giele,die
OderimSkilagerderLinigerMax,he,daswarder HammermitihmdortinAdelbodenamLaveygrat. EinbegeisterterundbegeisternderSportler.Einer, demmannacheiferte!
UndesgabdenSCLangnau!UndfürunsGiele imDorfdasTräning beieinemKanadier!Und dieSchlööfunddasRundinedrääjemitemeMeitschiarHanguderzue:RoteLippensollmanküssen,dennzumKüssensindsieda uigdemsiebtenHimmelachsonah!
… Huereguet!
BalzliausdenGotthelf-Hörspielenkannte!Grossartig.
IchhabediesemLangnau,diesemEmmentalund diesenMenschenhierunglaublichvielzuverdanken:MeinLebenwarundistdankihnenreichan SportundMusikundSprache!
Schilt-Giele,derLehmeChrigu.UndbeidenPfadis habeichalsBub,alsSpriesse,nebstvielemanderen, dasEmmental,dieChrächen,dieWälderkennengelernt,unddasmanchmalauchmitteninderNacht.
Alsich,dankderBuchhändlerinimDorf,der FrauBosshart,dieberndeutschenGedichtevon ErnstEggimannkennenlernte,dagingmireineneue Weltauf:Aha,sokannunddarfSprache,Dialekt auchnochsein undnichtnurso,wieichsievon
UndanErinnerungen.
Unddannganzbesonderswichtig:derTheaterundKunstverein,woichalsHalbwüchsigermitspielendurfte.DieRegisseure:derDoktorFriederich undderErwinSaurer.Unddiegrossen,imposanten Vorbilder:derKobuMarkalsMephisto,oderspäter einmal,alsTellufemBäreplatz,derEggimann AschialsFaustundseineFrauAgathealsGretchen, FaustsGeliebte.
DasLangnauinmirdrinnenistmeineHeimat,zu derehäbeniSorg!
24
25
AuseinerfrommenFamilie
DabeikamichjaauseinerfrommenFamilie.Der VatermeinesVaters,derWichtrach-Grossvater,hattealsjungerManndenBerufeinesGerbersaufgegebenundsichzumPredigerausbildenlassen.Mit FrauundKindernmussteer,wieeinStationsvorstandbeiderBahn,immerwiederweiterziehenund ungefährallesiebenJahreeineandereEvangelische Gemeindeübernehmen.ErpredigteinMurten,im ZürcherOberlandinRüti,imDürrgraben,inAefligenundschliesslichbiszuseinemTodinWichtrach.Dortmusstenwir,wennwiraufBesuchkamen,zuallererstafeneinmalbeieinerderHeiniger
LieberHeiland,machmichfromm,dassichzudir indenHimmelkomm!SohatdieMuttermituns Bubengebetet,danngabsieunseinMüntschi,sagte noch:Schlafitguetutröimetsüess,löschtedas Licht,liessunsimFinsternliegenundübergabdie weitereErziehungzurFrömmigkeitdemHeiland. Beimirnützteesleidernichtsoviel.Jefrommer undbraverichhätteseinsollen,umsofrecherund böserwurdeich.InmeinerErinnerungplatzteich manchmalfastvorTatendrangundEnergieundwar froh,dassichmichaufdemnahenSpielplatzund aufderZeughausmattebeimFussballspielundim WinterbeiunsaufderStrasseoderaufdenSchlööf beimEishockeyaustobenkonnte.Dabliebwenig PlatzfürChristentumundFrommsein.
26
dabeiwar ermindestenssoeinmissmutigerWüterichwieder Morgenthalerli.UndwennseineTöchtermitihren FamilienaufBesuchkamen,dannkonnteervor demMittagessennichtaufhörenmitBeten.Undallesindiesemfürchterlichsentimentalen,jammerndenSingsang,bisesmirmehrundmehrdasArsch-
VormittagbereitsinderSonntagsschuleimalten Sek-SaalinLangnaugewesenwaren.ZuerstkamimmerderJesusunderstdanndurftenwiraufdem KiesplatzderWichtracherSchuledenHügivomFC BaselunddenCasalivonYBsein.
MeinfrommerSchär-Grossvaterhieltauchnoch seinelinkeBackehinundsagtenichts
TantenindieSonntagsschule – auchwennwiram
AlsmeinVaterbereitsachtzigwar,dahatermir erzählt,erseisechzehngewesen,alsseinVaterihnin derEmmeinsWassergetauchtundgetaufthabe.
MeineElternhattensichimChehrbeiderEvangelischenGemeindeoderEvangelischenGesellschaft kennengelernt.Unddas,weilebenauchderandere GrossvaterunddieGrossmutterindenChehrgingen.WeilGrossvaterSchärindenDreissigerjahren seinHausdirektvordieNasedesNachbarngebaut hatte,hattediesermeinenGrossvatergarnichtgern. UndwennderSchäramSonntagvormittagdas HausverlassenhatteundseineSchritteRichtung Chehrlenkte,dannriefderNachbar,derMorgethalerPöilu,sodassesdieganzeNachbarschafthören konnte,vomBalkonherunter:GangidStung,du Lumpehung!
27
– sieliebtevorallemBach, undBachistauchfürmicheinerderAllergrössten, seineMusikderHimmelaufErden.
MeineElterngingendann,wieauchdieGrosseltern,mehrundmehrnurnochindieLandeskirche. DieMuttersangbisinshoheAlterleidenschaftlich gerneimKirchenchor
«GottistdieLiebe,erliebtauchdich!»:Dasist einesjenerLieder,dasmichdieGrossmutter,die FrauvonSchärÄrnscht,gelehrthat.DieGrosselternwohntenüberunsundichwarinmeinenerstenLebensjahrenmehrbeiderGrossmutteralssonst beiöpperem.DieMutter,diehatteimmeralleHändevollzutunimGeschäftundimHaushalt,aber dieGrossmutter,diehatteZeitfürmich.Ichhabe
lochzusammenzog.Abervielwichtigerbeiihmwar, dassermichdasSchnitzen,dasFeilen,dasHobeln undSchleifengelehrthat,dassermireinensuper Eishockeystockgemachthat,dasser,ohnezu schimpfenundohnezuklagen,immerwiederdie Fensterscheiben,diebeimFussballspielnebender SchreinerwerkstattindieBrüchegingen,geflickt hat,dasserunsBubenhieunddaeinenFünfliber zugesteckthat,dasseresalsogarnichtnötiggehabt hätte,sofrommzusalben.Undganzwichtig:Er wareintreuerSAC-Kamerad,einBergsteigerund Bergerklärer,sehrwahrscheinlichwarersogarein Bergeflüsterer.JedenfallsmussteaufseinenGrabsteinderersteVersvonPsalm121,einLiedvomhöherenChor:IchhebemeineAugenaufzudenBergen,vonwelchenmirHilfekommt.
© RetoCamenisch TinuHeiniger Geb.1946inLangnauimEmmentalunddortaufgewachsen.ErspielteKlarinetteinderKadettenmusikundstürmtealsRechtsaussenbeimFCLangnau. ZuerstlernteerMöbelschreinerundunterrichtete dannalsLehrer.HeinigerbrachtemitseinerBand denJazzinsEmmentalundmachtesichschliesslich alsSängermitseinenLiedernselbstständig.«Mein Emmental»istseinzweitesBuchnach«Mueterland»(FaroVerlag). www.tinu-heiniger.ch