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2. Der globale Verbrauch fossiler Energieträger

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Die Leistung

Die Leistung

Der weltweite Verbrauch von Primärenergie hat sich in fast 60 Jahren vervierfacht, wie die folgende Grafik zeigt. Die Nutzung fossiler Primärenergieträger hat sich seit 1965 verdreifacht. Fossile Energie macht heute 82 Prozent der weltweit gehandelten Energie aus (Abbildung 2).

Dieser massive Anstieg zeigt, wie stark die Menschheit von fossilen Brennstoffen abhängig ist: Sie sind mittlerweile der Hauptmotor unserer Wirtschaft. Um die Grössenordnung des Verbrauchs zu erklären, gilt es nicht nur den sichtbaren Verbrauch für Transport und Heizung zu berücksichtigen, sondern auch den eher versteckten Einsatz als Energie in der Industrie, in der Stromerzeugung, in der Produktion von Düngemitteln für die Landwirtschaft oder als Rohmaterial.

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Bisher scheint sich bei den fossilen Energieträgern nur der Kohleverbrauch zu stabilisieren. Zwar macht sich die globale Verknappung der Öl- und Gasressourcen allmählich bemerkbar, doch das letzte Barrel oder der letzte Kubikmeter ist noch lange nicht in Sicht. Da die Kohlereserven enorm sind, reichen sie beim derzeitigen Verbrauch theoretisch noch für mehr als ein Jahrhundert. Das könnte im schlimmsten Fall zur Renaissance dieser Energieform führen.

Die daraus resultierenden CO2-Emissionen und die Luftverschmutzung würden den Planeten in einen Ofen mit dreckiger Luft verwandeln. Länder wie die Schweiz, die von anderen Ländern geförderte fossile Energieträger importieren müssen, hätten noch mehr Versorgungsschwierigkeiten. Die Folge wären höhere Einkaufskosten.

Immerhin ist vor allem in den letzten zehn Jahren deutlich mehr erneuerbare Energie produziert worden, wie Abbildung 2 zum Primärenergieverbrauch zeigt (grüne und hellblaue Fläche, da Wasserkraft auch erneuerbare Energie ist).

Am stärksten sind die Nutzungsveränderungen bei der Elektrizität – einer besonders wertvollen und nützlichen Energieform. Die rund 28 000 TWh Strom, welche die Menschheit jedes Jahr produziert, sind aber nur ein Bruchteil der 160 000 TWh Primärenergie, die jährlich gewonnen werden.

Abbildung 3 zeigt, dass weltweit immer noch 62 Prozent des Stroms aus fossilen Brennstoffen produziert werden. 36 Prozent des Stroms werden aus Kohle erzeugt, welche die höchsten CO2-Emissionen pro KWh verursacht. Mittlerweile stammen

Abbildung 2: Der weltweite Primärenergieverbrauch seit 1965

Anmerkung: Werden fossile Brennstoffe oder Uran als Primärenergie zur Stromerzeugung genutzt, gehen in der Regel zwischen der Hälfte und drei Viertel als ungenutzte Wärme verloren. Aus den 7 000 TWh Kernbrennstoff Primärenergie (Abbildung 2) wurde 2021 nur 2 800 TWh Strom (Abbildung 3) erzeugt.

13 Prozent des weltweiten Stroms aus neuen erneuerbaren Energien. Ihr Anteil hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht, ein bemerkenswertes und ermutigendes Ergebnis. Dazu kommt noch die klassische erneuerbare Energie «Wasserkraft» mit 15 Prozent.

Angesichts der grossen Anstrengungen, die für die Umgestaltung unserer Energieversorgung erforderlich sind, ist ein Blick auf die historische Verantwortung angebracht. Abbildung 4 zeigt den weltweiten Pro-Kopf-Energieverbrauch im Lauf der Zeit. Der extreme Verbrauch Nordamerikas sticht sofort ins Auge: Bei gleichem Lebensstandard verbrauchen die Nordamerikanerinnen und -amerikaner doppelt so viel Primärenergie wie die Europäerinnen und Europäer. Und das schon seit Jahrzehnten. Dies spiegelt einen immensen Unterschied in der Effizienz der Energieverwendung wider. Ebenso zeigt es, dass der europäische Lebensstil weniger auf den Verbrauch von Unmengen fossiler Brennstoffe ausgerichtet ist als der nordamerikanische.

Der Energieverbrauch in Europa liegt aber nach wie vor weit über demjenigen in anderen Teilen der Welt. Der Unterschied ist sogar noch grösser als er in Abbildung 4 gezeigt wird. Denn der Raum «Asien und Pazifik» ist heute die Werkbank der Welt. Der dortige Primärenergieverbrauch findet zu einem grossen Teil für die Herstellung von Gütern statt, die in den Rest der Welt exportiert werden – besonders in Länder, die viel CO2 ausstossen. Mehr dazu in Kapitel 4.

Die Anteile am Verbrauch verändern sich aber schnell: 2001 waren Europa und Nordamerika noch für 51 Prozent des gesamten weltweiten Primärenergieverbrauchs verantwortlich. Ihr Anteil beträgt 20 Jahre später bloss noch 33 Prozent. Gleichzeitig ist der weltweite Primärenergieverbrauch um 49 Prozent gestiegen.

Weder das Klima noch die verfügbaren Ressourcen könnten einem Energieverbrauch in Asien, Afrika und Südamerika standhalten, wenn dieser auf das Niveau von Europa, geschweige denn auf das der USA käme. Von den reichen Ländern kann verlangt werden, dass sie ihren Lebensstandard nicht mehr steigern und dank Effizienzverbesserung mit weniger Energieverbrauch auskommen.

Von den armen Ländern kann dies nicht verlangt werden. Diese wollen zu Recht den Lebensstandard ihrer Bevölkerung erhöhen. Die Ausgangslage ist anspruchsvoll: Die armen Länder sollen direkt auf einen nachhaltigen und effizienten Umgang mit Energie setzen, ohne den klimaschädlichen Umweg der alten Industrieländer.

Abbildung 4: Primärenergieverbrauch pro Kopf und Jahr in den Quelle der Daten: [6] Grossregionen

Abbildung 5: Die Bevölkerungsprognose der UNO für die Welt der Grafik: [7]

Es ist aufschlussreich, die Abbildung 4 über den Energieverbrauch pro Kopf mit der gesamten Anzahl Menschen in Beziehung zu setzen und dabei auch die Bevölkerungsprognosen zu beachten (Abbildung 5). Denn der künftige Energieverbrauch entspricht der Multiplizierung dieser beiden Parameter.

Die jüngsten, nach unten korrigierten Prognosen der UNO gehen in ihrem mittleren Szenario davon aus, dass im Jahr 2085 rund 10,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Im Jahr 2022 waren es 7,9 Milliarden.

Diese Entwicklung ist eine Folge davon, dass sich die Geburtenzahlen auf der ganzen Welt stabilisieren (Abbildung 6). Das momentane Bevölkerungswachstum ist hauptsächlich auf die steigende Lebenserwartung zurückzuführen und damit auf die Alterung der Bevölkerung. Letztere führt zu mehr Sterbefällen. Um das Jahr 2085 sterben mehr Menschen als Kinder geboren werden, womit der demografische Höhepunkt erreicht ist.

Bricker und Ibbitson vertreten in ihrem Buch Empty Planet (2019) [8] die Ansicht, dass die UNO auch mit ihrer angepassten Bevölkerungsprognose noch zu pessimistisch ist. Der Höchststand werde viel früher erreicht, auf einem Niveau deutlich unter 10 Milliarden Menschen. Sie erwarten, dass die sozioökonomische Entwicklung eher schneller verläuft als von den Vereinten Nationen angenommen und dass die Geburtenzahl schneller zurückgeht.

Ungeachtet, welche Annahme zutrifft, die Folgen sind bedeutend: So gilt es als sicher, dass die chinesische Bevölkerung am Ende des Jahrhunderts von heute 1,3 Milliarden auf 700 Millionen Menschen, oder sogar darunter, zurückgeht.

Um die Herausforderungen im Energie- und Klimabereich zu bewältigen, ist es eine sehr gute Nachricht, dass sich die Bevölkerungszahl stabilisiert. Das Ende der Bevölkerungsexplosion könnte aber wegen des damit einhergehenden grundlegenden demografischen Wandels andere Schwierigkeiten nach sich ziehen: Verfügen China, Japan oder einige osteuropäische Staaten mit stark schrumpfender Bevölkerung und immer mehr älteren Menschen über die personellen und finanziellen Ressourcen, um in den Übergang zu investieren? Und werden sie dazu gewillt sein?

Auch die wirtschaftliche Entwicklung der ärmeren Länder ist klimarelevant. Die Haltung, dass es für das Klima gut sei, wenn ein Teil der Menschheit in grosser Armut verharre, ist zynisch und falsch. Denn eine Bevölkerung in prekären Verhältnissen hat keine andere Wahl, als die natürlichen Ressourcen massiv und unkoordiniert zu nutzen, um das tägliche Überleben zu sichern. Eine Bevölkerung ohne Zugang zu Elektrizität ist beispielsweise gezwungen, ineffiziente Stromgeneratoren zu verwenden und Wälder fürs Kochen zu roden. Daher muss die Entwicklung in den ärmsten Ländern unterstützt werden, sodass sie direkt einen umweltfreundlicheren Entwicklungspfad einschlagen.

Die Erfahrung zeigt, dass Bevölkerungsstabilisierung und wirtschaftliche Entwicklung Hand in Hand gehen. Kommt hierzu noch eine nachhaltige Energiestrategie, führt das zu einem positiven Aufwärtstrend.

Das ist aber nicht zwingend. Vorstellbar ist auch ein anhaltender Bevölkerungsboom ohne sozioökonomische Entwicklung. Das hätte katastrophale Auswirkungen sowohl auf den Energieverbrauch als auch auf das Klima. Dazu käme die Erschöpfung anderer natürlicher Ressourcen.

Rechtsextreme Kräfte behaupten in der politischen Debatte gerne, dass die Zuwanderung für unser Klimaproblem verantwortlich sei. Diese argumentative Verknüpfung ist haltlos. Eine zugewanderte Person verbraucht bei uns oft weniger fossile Energie als in ihrem Herkunftsland. Dies ist unter anderem auf unsere effizienteren Infrastrukturen und unseren Service public zurückzuführen. Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall – wenn auch seltener.

Es gibt also keinen systematischen Zusammenhang zwischen Einwanderung und Klima in die eine oder andere Richtung. Diese Verbindung ist absurd. Auch die statistischen Fakten widerlegen diese Argumentation: Ungeachtet des Bevölkerungswachstums sind die Treibhausgasemissionen in der Schweiz von 2009 bis 2019 pro Kopf um 17 Prozent gesunken. In absoluten Zahlen beträgt die Verminderung acht Prozent.

Die Migrationsfeindlichen wären aber gut beraten, sich mit folgendem kausalen Zusammenhang zu befassen: Die globale Erwärmung verursacht eine erzwungene Migration. Eine weitere Verschlechterung des Klimas treibt Hunderte Millionen Menschen in die Flucht.

Unabhängig davon, wie die Bevölkerungsentwicklung und die Pro-Kopf-Emissionen in Zukunft ausfallen: Der heutige Energieverschleiss wirkt sich bereits jetzt katastrophal auf das Klima aus. Im nächsten Kapitel untersuchen wir die wichtigsten Aspekte dieser Entwicklung.

Zusammenfassung des Kapitels 2

• Fossile Brennstoffe machen immer noch 82 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus. Doch ihr Verbrauch wächst eher langsamer.

• Die Zunahme der erneuerbaren Energien ist substanziell, insbesondere bei der Elektrizitätsproduktion. Doch noch immer stammen 62 Prozent des weltweit erzeugten Stroms aus der Verbrennung fossiler Energieträger.

• Die früh industrialisierten Länder tragen eine sehr grosse Verantwortung für die CO2-Menge, die bereits in die Atmosphäre gelangt ist.

• Drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen sind auf die Verbrennung fossiler Energieträger zurückzuführen. Ihre Reduktion ist der wichtigste Hebel, um die globale Erwärmung zu bremsen.

• Die Demografie hat einen starken Multiplikatoreffekt. Glücklicherweise hört das Wachstum der Weltbevölkerung allmählich auf.

• Die ärmsten Länder sollen bei ihren Bemühungen für ein besseres Leben ihrer Bevölkerung eine Aufwärtsspirale anstreben. Ihre sozioökonomische Entwicklung soll sofort eine effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen anpeilen.

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