0381 – Dein StadtKulturMagazin für Rostock und Umgebung November 2022

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FAMILIE

AM 11. NOVEMBER IST SANKT MARTINSTAG

VOM BAUERNFEIERTAG ZUM KIRCHLICHEN FESTTAG

DIE LEGENDE VON DER MANTELTEILUNG Um das Jahr 334 – Martin war 17 oder 18 Jahre alt – ritt Martin an einem kalten Wintertag mit ein paar anderen Soldaten durch das Stadttor von Amiens. Früher gab es um viele Städte eine große Mauer, und man kam nur durch die Stadttore rein und raus. Manchmal wurde es armen oder kranken Leuten sogar verboten, in die Stadt zu kommen. Draußen vor dem Stadttor saß ein Mann, der nur ein paar zerfetzte Lumpen anhatte und so sehr fror, dass er kaum noch sprechen konnte. Als Martin und die anderen Soldaten auf ihren Pferden vorbeikamen, flehte der Bettler sie an, ihm zu helfen. Martin hielt sein Pferd an und stieg ab, kniete sich zu ihm auf den Boden und sah ihm in die Augen. Er hatte Mitleid und wollte helfen. Aber nur wie? Geld hatte er keins dabei. Essen auch nicht. Da kam Martin eine Idee: Er nahm seinen Wollmantel ab, den er über der Rüstung trug. Er zog sein Schwert und schnitt den Mantel in der Mitte durch. Die eine Hälfte gab er dem Bettler, die andere legte er sich wieder um die Schultern. So hatten sie es jetzt beide warm.

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MARTINSFEUER Die Lichterumzüge haben größtenteils die Martinsfeuer abgelöst. Wo man die Martinsfeuer noch abbrennt, wird das Feuer als Symbol verstanden: Es bringt Licht in das Dunkle, wie die gute Tat Martins das Erbarmen Gottes in die Dunkelheit der Gottesferne brachte. Der Ursprung des Martinsfeuers wird in den Riten der germanischen Wintersonnwendfeier und des germanischen Erntedankfestes vermutet: Ein Freudenfeuer, wie es auch zu anderen Anlässen angezündet wurde, ist zugleich aber auch ein reinigendes Feuer, in dem das vergangene Jahr verbrannt wird: Der Sommer wird verbrannt! Das „Sommerver-

brennen“ soll daran erinnern, dass ein Zeitabschnitt unwiederbringlich vergangen war. MARTINSGEBÄCK In den frühen Tagen der Kirche war es üblich, sonn- und feiertags nach dem Gottesdienst als Kommunionersatz denen, die die Eucharistie nicht empfangen hatten, nicht hatten empfangen dürfen (= Büßer, Katechumenen) oder nicht hatten empfangen können (= daheimgebliebene Kranke), gesegnetes, aber nichtkonsekriertes Brot zu reichen. Im Laufe der Zeit erhielt das dabei verwandte Gebäck eine auf den Festinhalt bezogene Form. Man nennt es „Gebildebrot“. Der Weckmann, ursprünglich wohl nur am Nikolaustag, später auch am Martinstag und heute in der gesamten Adventzeit üblich, (Stutenkerl oder Piepenkerl im Westfälischen; Hefekerl in der Schweiz; aber auch Printenmann, Hanselmann, Klasenmann) ist ein Gebildebrot, also eine mit Weizenmehlteig geformtes oder in den Teig geformte Figur: Dargestellt ist ein Bischof! Die heute oft zu findende Tonpfeife ist ein Irrtum: Dreht man die Tonpfeife mit dem Kopf nach oben, so erkennt man noch heute, dass statt der Tonpfeife ursprünglich ein Bischofsstab angebracht war. Die Bezeichnung Printenmann drückt die Form des Gebildebrotes aus. Stuten, Stutenkerl und Wecken, Wegge oder Weckmann, Weggmann, bezeichnen Teigart und Form des Gebäcks. Mehr Informationen und tolle Vorlagen zum Basteln, Backen, Singen und Lesen findet ihr unter: www.sternsinger.de

Wo in Rostock und Umgebung Laternenumzüge stattfinden, seht ihr auf Seite 29. .

Fotos: © Gabriele Pohl, ReclameBüro Kindermissionswerk (2)

Der Überlieferung nach wurde Sankt Martin 316 in Sabaria (heute Szombat hely, Ungarn) geboren und lebte in der Zeit der Römer vor ungefähr 1.700 Jahren. Sein Vater war römischer Soldat und nannte ihn Martinus, nach dem römischen Kriegsgott Mars, was so viel wie „Kriegsmann“ heißt. Er wollte, dass Martin auch Soldat wird. Mit zehn Jahren hatte Martin einen Freund namens Festus. Durch ihn lernte er erstmals Christen kennen. Und hatte den Wunsch, selbst Christ zu werden. Mit 15 wurde Martin Soldat, so schrieb es das Gesetz für die Söhne von Offizieren vor. Mit 18 war seine harte Ausbildung beendet. Damals war er in Amiens, im heutigen Frankreich, stationiert. Dort begegnete er am Stadttor einem Bettler, mit dem er seinen Mantel teilte.

11. NOVEMBER: VOM BAUERNFEIERTAG ZUM KIRCHLICHEN FESTTAG Während fast aller Heiligen an ihrem Todestag gedacht wird, macht der heilige Martin eine Ausnahme. Er starb am 8. November 397, man gedenkt seiner aber am 11. November. Den Grund für die Verschiebung um drei Tage sehen Volkskundler darin, dass der 11. November bereits im 4. Jahrhundert ein Bauernfeiertag war, sozusagen ein zweites Erntedankfest, an dem die geernteten Früchte bereits verarbeitet, der neue Wein (Martiniwein oder Märteswein) erstmals verkostet und das Personal gewechselt wurde. Es begannen die Bauernfeiertage, an denen Knechte und Mägde Eltern und Verwandten besuchen konnten, die Feldarbeit eingestellt war und auf dem Hof nur noch die Tiere zu versorgen und Reparaturen auszuführen waren. Mit den Jahren überlagerte der Festcharakter des Tages als Heiligengedenktag den bäuerlich geprägten Tag und übernahm das bäuerliche Brauchtum in den kirchlichen Festtag. Aus der Pachtgans, die am Martinstag zur Begleichung der „kleinen Pacht“ für ein Stück Acker oder eine Wiese fällig war, wurde deshalb die „Martinsgans“. Der Tag des heiligen Martin galt verschiedenen Ortes auch als Steuertag, so dass Martin auch zum Steuerheiligen wurde. Es hieß: „Auf Martini ist Zinszeit.“ Dieser Sprichwortsinn verband sich mit dem Heiligen zur Redensart: „Sankt Martin ist ein harter Mann, für den, der nicht bezahlen kann.“ Lange Zeit war in Gallien Martini der letzte Festtag vor der sechswöchigen Advent- und Fastenzeit (= Epiphaniasfastenzeit, Quadragesima Martini, Weihnachtsfasten, Adventfastnacht), der – wie alle hohen Feiertag – mit der ersten Vesper am Vorabend, dem Lucernarium (d.h. Zeit des Lampenanzündens), begann. Der Martinstag hatte daher in der frühen Kirche einen SchwellenfestCharakter wie Aschermittwoch.


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