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Neues fürs Heimkino
| FILME |
Der dekonstruierte Superheld
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Wer ist nicht alles schon ins Fledermauskostüm geschlüpft, um den namhaften Dunklen Ritter zu verkörpern? Michael Keaton, George Clooney, Val Kilmer, Christian Bale, zuletzt Ben Affleck. Nun also auch Robert Pattinson im schlicht »The Batman« betitelten Film. Kann man auf diesen verzichten? Keinesfalls! Und das nicht nur, weil diese Verfilmung in ihrer Machart die bisherige Wahrnehmung der Batman-Figur recht gekonnt dekonstruiert bzw. dieser neue Facetten verleiht. Regisseur Matt Reeves entfernt sich vielmehr auch ein gutes Stück vom gängigen Superhelden-Blockbuster und inszeniert seine Batman-Version stattdessen als düsteren Serienkiller-Thriller mit Film-Noir-Anleihen, in dem der Dunkle Ritter mehr zum Detektiv denn zum Rächer mutiert. — Bereits seit zwei Jahren ist Bruce Wayne als Batman in seiner Heimatstadt unterwegs, um für eine bessere Welt zu kämpfen — mit eher bescheidenem Erfolg: Gotham City ist nach wie vor gezeichnet von Gewalt, Verbrechen und Korruption. Als unmittelbar vor den Bürgermeisterwahlen der bisherige Amtsinhaber von einem maskierten Killer ermordet wird, findet Batman am Tatort eine an ihn adressierte Rätsel-Botschaft — der bald weitere Morde und weitere kryptische Hinweise folgen sollen. Die Spur des Killers führt Batman immer tiefer in die Unterwelt Gothams, weist seltsamerweise gleichzeitig aber auch sehr deutlich in seine eigene Vergangenheit. Was ist es, dass der Killer über ihn weiß? — Packende, sehenswerte Batman-Verfilmung. (mei)
THE BATMAN Ab 02.06.2022 auf DVD, Blu-ray und VoD
Da geht noch was
Henry McCarty (Tim Blake Nelson), ein angealterter, verwitweter Farmer und sein TeenagerSohn Wyatt leben anno 1906 irgendwo in der ländlichen Abgeschiedenheit Oklahomas ein Leben voller Arbeitsam- und Friedfertigkeit. Erstere gilt vor allem der Schweinezucht, letztere der pazifistischen Erziehung, die Henry seinem Sohn angedeihen lässt. Das Erscheinen eines Fremden hält immanente Veränderung bereit: Eines Tages findet Henry nahe seiner Farm einen schwer verwundeten Mann — plus Revolver, plus eine Tasche voller Geld. Erst will der Farmer wieder wegreiten, doch dann entscheidet er sich, dem Fremden zu helfen. Er nimmt ihn mit zu sich, pflegt ihn — und handelt sich damit eine Menge Ärger ein. Denn wenig später erscheint eine Gruppe bewaffneter Reiter, die beharrlich die Herausgabe des Fremden und des Geldes fordern. Doch nicht nur zum Erstaunen seines Sohnes zeigt sich Old Henry völlig unbeeindruckt von der Forderung — mehr noch, der vermeintliche Pazifist verwandelt sich in einen Meisterschützen sondergleichen, der den Eindringlingen recht nachdrücklich zu Verstehen gibt, dass sie sich hier mit dem falschen ›Nobody‹ angelegt haben …
Unter den wenigen Western, die heute noch gedreht werden, gibt es leider nur wenig Perlen. »Old Henry« darf man gern zu diesen zählen: In bester »Rio Bravo«-Manier aufgebaut, ohne unnötige Übertreibungen und von einem Showdown gekrönt, der allen Westernfans das Herz aufgehen lässt, überzeugt dieser bislang viel zu wenig beachtete Spätwestern mit einer gut ausgearbeiteten Story, gekonntem Schauspiel und starker Atmosphäre. (mei)
OLD HENRY Seit 26.05.2022 auf DVD und Blu-ray
Still, leise, packend
Zentral-Mexiko: Angezogen vom Traum auf ein Leben im ›Land des Wohlstands‹ begibt sich der Teenager Jesús gemeinsam mit einem Freund per Bus in Richtung der US-amerikanischen Grenze, die sie heimlich überqueren wollen. Als Jesús’ Mutter Magdalena Monate später noch immer kein Lebenszeichen von ihrem Sohn erhalten hat, dafür jedoch die Leiche des Freundes im Grenzgebiet gefunden wird, hält es die stille, aber resolute Frau nicht mehr daheim: Von der Hoffnung getrieben, ihren Sohn lebend zu finden, ignoriert sie die Warnungen aller und macht sich auf eigene Faust auf die Suche nach ihrem verschwundenen Jungen — mitten in der Todeszone Nord-Mexikos, einem der gefährlichsten Orte der Welt. Im von Schmugglern und Drogenbanden regierten Niemandsland begegnet sie vielen, die ihr Schicksal teilen, denn wie sich ihr immer deutlicher offenbart, ist das, was mit Jesús passiert ist, keineswegs ein Einzelfall. Schritt für Schritt kommt Magdalena der Wahrheit näher …
Die mexikanische Regisseurin Fernanda Valadez erzählt in ihrem preisgekrönten Thriller von einem Land, das vielerorts von einer scheinbar niemals enden wollenden Spirale der Gewalt dominiert wird — zugleich aber auch vom Willen des Einzelnen zum Widerstand, von unerschütterlichem Durchhaltevermögen und von der Möglichkeit, auch einer zerrütteten Existenz irgendwie wieder Sinn zu verleihen. Als klassisches Roadmovie in Szene gesetzt, erweist sich »Was geschah mit Bus 670?« dabei als ein bildgewaltiger, hoch emotionaler Film, der einen trotz seiner geruhsamen, stillen und leisen Erzählweise von der ersten Minute packt und nicht mehr loslässt. (mei)