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Dagmar Manzel im Gespräch
| INTERVIEW |
IN DER DDR WAR SIE EIN AUFSTREBENDER BÜHNEN- UND FILMSTAR, SPÄTESTENS MIT »SCHTONK!« KAM SIE AUCH IM WIEDERVEREINIGTEN DEUTSCHLAND AN: Dagmar Manzel ist gefragt, wenn Figuren Seele brauchen. Im Kinofilm »Ein großes Versprechen« (Start: 2. Juni) spielt die 63-jährige die an Multipler Sklerose erkrankte Juditha, die der Pensionierung ihres Lebenspartners Erik (Rolf Lassgård) mit Ungeduld entgegensieht. Aber der Uni-Professor kann nur schwer loslassen und ausgerechnet jetzt macht die Krankheit einen Schub. Ein Gespräch.
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DAGMAR MANZEL MIT ROLF LASSGÅRD in »Ein großes Versprechen«
»Dieser Beruf ist gleichzeitig Herausforderung und Erfüllung«
Frau Manzel, wollten Sie diese Figur spielen, weil Sie die Frau aus dem Drehbuch kannten oder weil Sie sie gern kennenlernen wollten?
DAGMAR MANZEL: Ich habe das Drehbuch gelesen und mir war sofort klar, dass ich das spielen muss. Die Geschichte hat mich sehr tief berührt. Als ich erfahren habe, dass Regisseurin Wendla Nölle schon mit Rolf Lassgård im Gespräch war, war das sowieso klar. Er ist für mich einer der interessantesten, spannendsten und wunderbarsten Schauspieler überhaupt. Es war für mich ein großes Glück, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Sind Sie eine Schauspielerin, die sich zur Vorbereitung intensiv mit dem Krankheitsbild ihrer Figur auseinandergesetzt?
MANZEL: Das musste ich nicht, weil einer meiner besten Freunde eine ähnliche Krankheit hatte und ich das über 25 Jahre mitbegleitet habe. Ich habe einfach nur die Augen geschlossen und mich erinnert. Ich hatte alles in mir, das war für mich ganz unmittelbar und nah. Ich wollte die Rolle auch spielen, weil ich so nochmal auf eine andere Weise von diesem wunderbaren Menschen Abschied nehmen konnte.
Ist das Ende eines selbstbestimmten Lebens für Sie auch die ultimative Horrorvorstellung?
MANZEL: Es kommt darauf an, wie und in welchem Verbund man lebt und was man für eine Lebenseinstellung hat. Ich habe Freunde, die mit harten Krankheiten kämpfen und lebensbejahend und froh sind und diese Lebenseinschränkung mit einer positiven Einstellung hinnehmen. Sie versuchen trotzdem, ihr Leben weiterzuführen. Es gibt andere, die daran total verzweifeln und in tiefe Depressionen verfallen. Ich hoffe, dass ich immer genug Kraft, Energie und Optimismus habe, um die Dinge positiv zu sehen und mich dem stellen zu können. Bis jetzt klappt das sehr gut. (lächelt). »Ein großes Versprechen« ist nicht nur ein trauriger Film über Multiple Sklerose. Für mich ist es auch ein ganz positiver Film. Ein Liebesfilm, der zeigt, wie die Beiden, obwohl sie schweren Proben ausgesetzt sind, lernen, mit Bedacht aufeinander Rücksicht zu nehmen und zu kommunizieren. Das Leben der Beiden ist ein anderes, aber diese innere, tiefe Beziehung, die sie immer gelebt haben, geht nicht verloren. Im Gegenteil, sie wird gestärkt, weil sie begriffen haben, dass sie zusammengehören und dass sie füreinander wichtig bleiben.
Judithas Ehemann, der Professor Erik, kann nach seiner Pensionierung nur schwer loslassen. Auch Schauspieler gehen nur selten in Rente. Christian Schwuchow sagt: »Dagmar spielt jedes Mal um ihr Leben.« Ist die Schauspielerei Ihr Leben?
MANZEL: Sie hat einen ganz großen Platz in meinem Leben, auf jeden Fall. Ich mache jetzt vorwiegend Musiktheater, ich drehe gar nicht so viel und bin jetzt seit 18 Jahren an der Komischen Oper Berlin. Ich merke schon, dass mich das sehr prägt und dass das auch mein Leben bestimmt. Diesen Spagat zu schaffen, auf der einen Seite intensiv leben zu wollen und auf der anderen Seite diesen Beruf mit voller Leidenschaft auszuüben, ist manchmal schwierig. Aber das Wichtigste in meinem Leben sind natürlich meine Familie, meine Kinder und meine Enkelkinder. Da gibt es natürlich Dysbalancen, die Rollen verlangen einem sehr viel ab. Dann muss die Familie auch mal zurückstecken. Und ich natürlich auch, mit dem, was ich noch so für mein Leben möchte. Bei einer Vorbereitung auf eine Opernvorstellung ist der ganze Tag für mich besetzt. Ich halte mich an bestimme Rituale, damit man die Kraft hat, so einen Abend zu stemmen. Ich werde ja nicht jünger. (lacht) Aber dieser Beruf ist meine geistige, seelische und körperliche Herausforderung und Erfüllung.
Können Sie die Hände auch mal in den Schoß legen?
MANZEL: Entspannen kann ich auch, aber meine Form von Entspannung ist immer auch Bewegung. Ich laufe, mache etwas im Garten oder fahre an die See. Fürs einfach nur Dasitzen bin ich nicht so der Typ. Das gehört auch dazu, um Reserven und Energien gut zu speichern. Trotzdem freue ich mich auch auf die Rente und werde sicherlich auch kürzertreten. Aber ich werde nicht aufhören, weiter als Schauspielerin oder Sängerin zu arbeiten und meine Vorstellungen an der Oper oder im Theater zu spielen. Aber nicht mehr in diesem wahnsinnig engen Programm, dass ich zurzeit habe.