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David Kross im Gespräch

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| INTERVIEW |

MIT DER »STASIKOMÖDIE« VOLLENDET LEANDER HAUSSMANN SEINE DDR-TRILOGIE, die 1999 mit »Sonnenallee« ihren Anfang nahm und 2004 mit »NVA« weitergeführt wurde. In der Hauptrolle des jungen Stasimitarbeiters Ludger Fuchs, der als Spitzel in die pulsierende Künstlerszene des Prenzlauer Bergs eingeschleust wird und sich unsterblich verliebt, ist Schauspieler David Kross zu erleben. Wir sprachen mit dem 31-jährigen.

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DAVID KROSS in »Stasikomödie«

Leander Haußmanns Stasikomödie

Herr Kross, um die zentrale Frage des Filmes aufzugreifen: Bleiben Sie an einer roten Ampel stehen, auch wenn kein Verkehr ist?

DAVID KROSS: (Lacht) Das ist tatsächlich die zentrale Frage und Sie sind trotzdem der Erste, der sie mir stellt. Ich bleibe natürlich stehen, wenn Kinder da sind und mir dabei zugucken könnten, wie ich trotz roter Ampel über die Straße gehe. Aber wenn keine Kinder da sind, gehe ich manchmal auch so drüber. Da bin ich nicht so systemtreu wie Ludger Fuchs.

Was für ein Bild haben Sie sich selbst von Ihrer Figur Ludger geschaffen?

KROSS: Ich konnte mit diesem Ludger Fuchs ganz viel anfangen. Ich komme selbst auch nicht aus einer Künstlerfamilie, in der es viele Generationen von Schauspielern oder Regisseuren gab. Ich bin mit 15 in diese Künstlerwelt eingetaucht und musste mich dort irgendwie zurechtfinden. Von daher konnte ich wahnsinnig viel mit dieser Sehnsucht nach Kunst, nach Freiheit, diesem anderen Leben und dem Neuartigen anfangen, obwohl ich eigentlich einen ganz anderen Background habe.

Das geteilte Deutschland haben Sie persönlich nicht erlebt. Sie haben sich schon in »Ballon« mit der DDR auseinandergesetzt. Aus welchen Quellen setzt sich Ihr Bild von diesem Staat zusammen?

KROSS: Ich habe mich gar nicht so sehr mit der Künstlerszene am Prenzlauer Berg beschäftigt, weil ich da mit offenen Augen reingehen wollte. Ich wollte das wie auch Ludger Fuchs neu erleben und nicht wissen, was als Nächstes passiert. Ich habe mich natürlich mit den wahren Geschichten beschäftigt. Der Film basiert auf Tatsachen, vieles ist wirklich passiert. Mit diesen verschiedenen Schicksalen habe ich mich auseinandergesetzt, mich darüber informiert, etwas gelesen und Dokumentationen darüber geschaut. Trotzdem habe ich keine Figur aus der Zeitgeschichte nachgespielt. Es ist Leander Haußmanns Version davon.

Wussten Sie, dass es in der DDR auch solche Subkulturen gab, wie sie im Film gezeigt werden?

KROSS: Nein, das wusste ich vorher noch nicht. Das ist aber auch das Tolle an dem Film: Er zeigt diese Jugend- und Subkultur durch Leander Haußmanns Blick auf das Ganze. Man taucht einfach in eine andere Welt ein und kann sie als Zuschauer miterleben. Das macht wahnsinnig viel Spaß.

Tatsächlich ist der Film in erster Linie weder ein Stasifilm noch eine Komödie, sondern ein Liebesfilm, oder?

KROSS: Das ist eine gute Frage. Ich habe den Film jetzt zweimal geschaut und werde ihn auch nochmal anschauen müssen, weil ich ihn immer anders gesehen habe. Man kann ihn wirklich mit verschiedenen Brillen gucken. Man kann ihn als Stasifilm schauen, man kann ihn als Coming-of-Age-Film schauen oder auch als Liebesgeschichte. Es ist aber auch ein Film über die Kunstwelt allgemein. Man kann ihn sich aus ganz verschiedenen Perspektiven angucken und entdeckt immer wieder was Neues. Das macht den Film auch aus. Er ist nicht eindeutig, er sagt nicht: »Das sind die Guten und das sind die Bösen« oder »Das ist lustig und das ist traurig«. Da ist viel Raum dazwischen. Und manchmal ist es beides gleichzeitig.

Leander Haußmann sagt, Vergebung sei immer besser als Hass. Geben Sie Menschen, die Sie enttäuscht haben, immer eine zweite Chance?

KROSS: Ja, schon. Aber es gibt auch Momente, in denen das nicht mehr geht. Es ist ein Kraftaufwand und man muss sich schon ein bisschen anstrengen. Manchmal braucht Vergebung ein wenig Anstrengung. Und die muss man aufbringen können, damit man sich nicht diesen Affekten hingibt und in Hass verharrt. Meistens findet man heraus, dass es doch nicht so schwer ist und irgendwie funktioniert. Dass man doch wieder aufeinandertreffen kann und nur eine Kommunikation dazwischenstand, die falsch verstanden worden war. Wenn man diesen Kraftaufwand aufbringt, kann man wieder zusammenfinden. Es ist wichtig, dass man sich da diesen Ruck gibt. Auf jeden Fall.

Die Stasi hat alle Bürger mit den damaligen Mitteln bespitzelt und wurde zu Recht zum Teufel gejagt. Heute geben die Menschen die intimsten Daten im Netz ganz freiwillig preis. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

KROSS: Wie kann man sich das erklären? Man definiert sich über diese kurzen Momente des Fames, jeder kann berühmt sein. Jeder kann sich zeigen. Das ist eine Mischung aus Narzissmus und meiner Meinung nach auch Aufmerksamkeitsstörungen. (lacht) Das Thema ist fast schon zu groß, um es beantworten zu können, aber auf jeden Fall eine interessante Frage. Das bringt den Film auch wieder in die aktuelle Zeit.

Danke für das Gespräch. Interview: André Wesche

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