ACR INNOVATIONSRADAR 2017
Inhalt 1.
Vorwort .................................................................................................................................................. 3
2.
KMU Forschung Austria ....................................................................................................................... 4
3.
4.
2.1.
Bauforschung 2020 ...................................................................................................................... 4
2.2.
Was macht KMU zu Jobmotoren?............................................................................................ 6
2.3.
Forschung wirkt! ........................................................................................................................... 7
2.4.
"Finanziere Menschen, nicht Projekte! ..................................................................................... 9
2.5.
Gewinne sind keine Selbstverständlichkeit ........................................................................... 10
2.6.
Sinkender Reorganisationsbedarf heimischer KMU ............................................................ 11
Industriewissenschaftliches Institut (IWI) ........................................................................................ 13 3.1.
"Der Staat ist kein Unternehmen" ............................................................................................ 13
3.2.
Analyse und Quantifizierung einer neuen fiskalneutralen Europäischen Steuer ......... 14
3.3.
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Wasserwirtschaft ...................................................... 15
3.4.
Die internationale Konjunkturentwicklung (Stand: Herbst 2016) ...................................... 19
Österreichisches Institut für Angewandte Telekommunikation (ÖIAT) .................................... 22 4.1.
Marktchancen nutzen: über die Anforderungen von SeniorInnen an Smartphones und Tablets.................................................................................................................................. 22
4.2.
Dynamic Pricing – die Individualisierung von Preisen im E-Commerce .......................... 26
2
1.
Vorwort
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit schafft Wertschöpfung und damit Wohlstand! Die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) ist maßgeblich von wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Faktoren sowie nationalen und internationalen Rahmenbedingungen beeinflusst. Die ACR-Institute haben dabei auch die Aufgabe, das heimische Standortsetting positiv zu beeinflussen bzw. zu entwickeln. Das bedeutet auch und vor allem eine kontinuierliche Bereitstellung von Informationen sowie die Weiterentwicklung methodischer Herangehensweisen. Ende 2012 erfolgte die Gründung des ACR-Schwerpunktfeldes „Innovation und Wettbewerbsfähigkeit“. Deren Forschungsschwerpunkte sind im Wesentlichen durch die nachfolgenden Angebote charakterisiert: Ökonomische, technologische, rechtliche, politische und gesellschaftliche Faktoren
Marktanalysen und -trends
Branchen und Strukturanalysen
Nationale und internationale Rechtsgrundlagen
Wissenschaftliche Begleitung rechtspolitischer Vorhaben
Nutzerbefragungen
Interdisziplinäre Grundlagenforschung
Daten- & Informationsbereitstellung für KMU
Aufbau von Datenbanken
Monitoring und Evaluierung
Kontinuierliche Informationsvermittlung
Know-how-Transfer, E-Learning
Initiativen zur Bewusstseinsbildung
Darüber hinaus werden innovative Methoden sowie wissenschaftliche Modelle entwickelt. Es finden sich nachfolgend Beiträge folgender drei ACR-Institute: KMFA - KMU Forschung Austria, Wien (www.kmuforschung.ac.at) IWI - Industriewissenschaftliches Institut, Wien (www.iwi.ac.at) ÖIAT - Österreichisches Institut für Angewandte Telekommunikation, Wien (www.oiat.at) Informationen über weitere Projekte der ACR Institute des Bereichs Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sind direkt bei den einzelnen Institutionen und auf der Website von ACR (www.acr.ac.at) zu finden. Die folgenden Ausführungen geben einen kurz gefassten Einblick in ausgewählte Institutsaktivitäten im Jahr 2016.
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2.
KMU Forschung Austria 2.1.
Bauforschung 2020
Die KMU Forschung Austria hat in der Studie „Potenzialanalyse Bauwirtschaft – Bauforschung 2020“ den branchenspezifischen Forschungsbedarf untersucht. Die wirtschaftliche Prosperität der Bauwirtschaft ist allein aufgrund der Größe des Sektors von enormer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich. Der Großteil der Unternehmen leidet aber unter schwacher Ertragskraft und angespannter Finanzierungssituation mit potenziell gefährlichen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen. Verantwortlich dafür sind vor allem der starke Konkurrenz- und Preiskampf. Im internationalen Wettbewerb wird sich die österreichische Bauwirtschaft nur durch hochwertige, innovative Produkte und Leistungen behaupten können. Die Intensivierung der Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten ist dafür unabdingbar. Vor diesem Hintergrund wurde die KMU Forschung Austria von der Wirtschaftskammer Österreich, Bundesinnung Bau sowie dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie beauftragt, Grundlagen für die Konzeption eines bauspezifischen Forschungsförderungsprogramms zu erarbeiten. Eine derartige Brancheninitiative wurde bereits im Zeitraum 2006 bis 2009 unter dem Titel BRA.IN Bauwirtschaft mit großem Erfolg durchgeführt. Die Zahl der von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekte wie auch die Anzahl der Akteure haben sich im Rahmen dieser Initiative mehr als verdreifacht und die Kooperationen zwischen Bauwirtschaft und Wissenschaft wurden intensiviert. Der Anteil der Bauwirtschaft an den gesamten FFG-Projektbeteiligungen stieg von 7,8% auf 15,8% bzw. an den Projektgesamtkosten von 4,5 % auf 11,2 %. Nach Auslaufen der Initiative kam es zwar zu einem Rückgang, das Niveau liegt aber seither mit rd. 8 % deutlich über dem von 2005, wodurch die nachhaltige Wirkung von BRA.IN eindrucksvoll belegt wird. --"Experten sind sich weitestgehend darin einig, dass die Bauwirtschaft vor enormen Herausforderungen steht" --Sinkende Ausgaben der öffentlichen Hand, eine zunehmenden Kluft zwischen oberen und unteren Segmenten am Wohnungsmarkt, die sehr kostenintensive Normenflut, das Bevölkerungswachstum bei anhaltender Knappheit von Bauland, die Veränderung von Haushaltsgrößen und –typen sowie steigende Wohnkosten bei (bestenfalls) stagnierenden Einkommen sind nur einige Beispiele für nicht gerade erfolgsgarantierende Rahmenbedingungen. In diesem Umfeld sind die Bereitstellung der erforderlichen Quantität in der erforderlichen Qualität zu leistbaren Kosten bzw. Innovationen, die gleichzeitig qualitätssteigernd und kostensparend wirken von zentraler Bedeutung. Eine neue Forschungsförderungsinitiative für die Bauwirtschaft sollte für mindestens drei Jahre konzipiert werden und auf möglichst breiter Ebene ansetzen, einerseits im Hinblick auf die F+EDefinition bzw. den Innovationsbegriff, aber auch durch die Einbeziehung aller baurelevanten 4
Branchen, Produkte und Leistungen. Sie sollte Forschungskooperationen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen forcieren und alle Phasen des FEI-Prozesses abdecken. Neben technischen und technologischen Innovationen müssten auch sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen Berücksichtigung finden. Das Förderausmaß sollte sich am wirtschaftlichen Projektrisiko orientieren. Aus Expertensicht wäre eine Fokussierung auf vier Forschungsfelder sinnvoll: 1. Wohnbedarf & Baunachfrage 2. Produkte & Verfahren 3. Ausführung & Umsetzung 4. Wettbewerbsfähigkeit & Betriebswirtschaft Der aktuelle Forschungsbedarf kann nach Forschungsbereichen bzw. –themen wie folgt systematisiert werden:
Material und Konstruktionen -
Bauteil- und Baustoffinnovationen
-
Bauphysikalische Optimierungen
Innenraum und Wohnen -
Emissionen und Schadstoffe,
-
Nutzer-Behaglichkeit
Organisation und Prozesse -
Digitalisierung, Elektronik, IKT-Einsatz
-
Prozessoptimierung
-
Neue Geschäftsfelder
-
Humanressourcen
Ressourcen und Energie -
Ressourcenmanagement
-
Lebenszyklusbetrachtung
-
Energie- und Umwelttechnik
Immobilien, Wohnraum und Citys -
Demografische Entwicklung
-
Leistbarer Wohnraum
-
Finanzierungsmodelle
Detailinformation/Publikation/Forschungsbericht: https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/Geschaeftsstelle-Bau/Potenzialanalyse-Bauwirtschaft-Bauforschung-2020.html
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2.2.
Was macht KMU zu Jobmotoren?
Die KMU Forschung Austria ermittelte im Rahmen eines EU-Projekts die Erfolgsfaktoren für Beschäftigungswachstum. Sie sind jung, international ausgerichtet und innovativ: Die KMU, die in Europa für die meisten Jobs sorgen, haben viele Gemeinsamkeiten. Doch es sind nicht diese drei Eigenschaften allein. In einer Studie von Eurofound über die Beschäftigungseffekte von kleinen und mittleren Unternehmen für den jährlichen ERM-Monitor stießen die ForscherInnen, darunter die KMU Forschung Austria, auf ein ganzes Bündel von Faktoren, die KMU zu erfolgreichen Jobmotoren machen. Dazu gehören neben nachhaltigen Investmentstrategien unter anderem auch die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften, eine gewisse Planungssicherheit, stabile Märkte etc. --Der European Restructuring Monitor (ERM) beschäftigt sich mit der Entstehung von Arbeitsplätzen in kleinen und mittelständischen Unternehmen in Europa. --KMU werden zunehmend als Jobmotor wahrgenommen, jedoch trägt nicht jedes Unternehmen gleichermaßen zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Die ERM-Studie 2015 hatte zum Ziel herauszufinden, welche Typen von KMU Arbeitsplätze schaffen, was sie antreibt und mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben. Wie die Ergebnisse zeigen, sind Jobs schaffende KMU vor allem jung, innovativ, international, in großen Städten ansässig und werden von erfahrenen Managern geführt, die die Fähigkeit haben, aktives Wachstum zu realisieren und Investmentstrategien zu entwickeln. Es ist eher die Kombination aus internen und externen Unternehmensfaktoren als individuelle Charakteristika, die das Jobschaffungspotenzial dieser Unternehmen ausmachen. Die KMUForschung Austria hat für Österreich an diesem europäischen Projekt mitgewirkt.
Detailinformationen/Publikation/Forschungsbericht: http://www.eurofound.europa.eu/publications/annual-report/2016/labour-market-business/jobcreation-in-smes-erm-annual-report-2015
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2.3.
Forschung wirkt!
Die KMU Forschung Austria konnte in einem Wirkungsmonitoring erneut die positiven Wirkungen der Forschungsförderung durch die Forschungsförderungsgesellschaft belegen. Dass Forschung und Entwicklung in Unternehmen für eine Volkswirtschaft wichtig sind, ist unbestritten. Die KMU Forschung Austria führt im Auftrag der FFG regelmäßig ein Wirkungsmonitoring der von der FFG geförderten Projekte durch. Die Resultate zeigen im Detail, mit welchem Effekt die Forschungsmittel im breiten Förderportfolio der FFG eingesetzt werden. Bis 2010 hat sich das Wirkungsmonitoring auf das Basisprogramm bezogen, seither werden auch Projekte aus dem restlichen Portfolio der FFG einbezogen. Bei diesen Analysen geht es darum, im Sinne eines Erfolgsnachweises Aussagen über die Auswirkungen der eingesetzten Förderungsmittel zu ermöglichen. Das Wirkungsmonitoring der FFG Förderung bezieht sich sowohl auf die Projektbeteiligungen der Unternehmenspartner als auch auf die beteiligten Forschungseinrichtungen, die vor vier Jahren ein FFG Projekt abgeschlossen haben. Befragung der Unternehmen Im Rahmen der im Jahr 2011 abgeschlossenen Projekte wurden 548 Projektteilnahmen durch 459 Unternehmen untersucht bzw. konnte eine Rücklaufquote von 75 % erreicht werden. Der Anteil des FFG Förderungs- und Finanzierungsinstruments Einzelprojekt (überwiegend Basisprogramm) betrug rd. 45 %; weitere 37 % waren Kooperationsprojekte (Neue Energien, IV2S(plus), FIT-IT etc.). Die restlichen Projektteilnahmen verteilen sich auf die Instrumente Innovationsnetzwerk, Wissenschaftstransfer, Sondierung, Leitprojekt, und Markteinführung. Die Projekte wurden zu 87 % genutzt, um den Ausbau bestehender Forschungsaktivtäten voranzutreiben. Für 10 % stellte das geförderte Projekt die erste F&E-Tätigkeit dar. Für die Mehrheit dieser Unternehmen, d.h. 7 %-Punkte (bzw. rd. 70 % der F&E-Neulinge) wirkte das Projekt als Anstoß für weitere F&E-Projekte. Produktinnovationen stellen traditionell das häufigste Ergebnis der F&E-Vorhaben dar. Die sehr anwendungsorientierten Einzelprojekte zielten zu 54 % auf neue Produkte ab. Die Kooperationsprojekte (30 %) und anderen Instrumente (39 %) unterschreiten diesen Wert recht deutlich. Letztere weisen hingegen einen höheren Anteil an neuen und veränderten Dienstleistungen sowie organisatorischen Innovationen auf. Eine Zielerreichung aus technischer Sicht erfolgte in 91 % der Projekte. Rd. 56% der geförderten Projekte weisen auch eine wirtschaftliche Zielerreichung aus. Schutzrechte wurden in 24 % der untersuchten Projekte eingereicht, wobei diese eine Summe von 512 Schutzrechten bilden. Diese konzentrieren sich stark auf einzelne Projekte (insb. Einzel- und Leitprojekte), in denen oft Patentfamilien (von Großunternehmen) eingereicht wurden. Im Instrument Einzelprojekt (BP) wurden durchschnittlich 1,28 Schutzrechte je Projekt (mit und ohne Projektpartner) angemeldet, Kooperationsprojekt: 0,82, Leitprojekt: 2,13, Wissenschaftstransfer: 0,24, Innovationsnetzwerk: 0,27. In Summe haben rd. 48 % der Projekte positive Wirkungen auf die Erhaltung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen entfalten können. Insgesamt wären 31 % der Projekte ohne Förderung nicht durchgeführt worden. Dieser Anteil hat sich über die Jahre erhöht und deutet darauf hin, dass in den Nach-Krisenjahren 7
geringere Mitnahmeeffekte vorliegen. Instrumente mit höherer Marktferne bzw. Risiken zeigen eine höhere Additionalität der Förderung (40 %-44 % ohne Förderung nicht durchgeführt) als dies für Einzelprojekte gilt (18 %). Vom Wirkungsmonitoring können wir ableiten, dass sich die Unternehmen aufgrund des wirtschaftlichen Umfeldes nach der Wirtschaftskrise nach wie vor etwas schwer tun, mit ihren Innovationen Umsatzvolumina in der Höhe des Vor-Krisenniveaus zu erreichen. Dies belastet natürlich auch die FEI-Aktivitäten der Unternehmen; in solchen Zeiten steigt die Relevanz der Aktivitäten von Innovationsagenturen über das normale Maß.
Befragung der Forschungseinrichtungen (F&E) Von den 403 erreichten Projektteilnehmern haben 192 einen Online-Fragebogen beantwortet (Netto-Rücklaufquote von 48 %). Im Unterschied zur Unternehmensbefragung liegt der Schwerpunkt der Projektteilnahmen bei den Kooperationsprojekten (68 %), vor dem Wissenschaftstransfer (15 %) sowie dem Strukturaufbau und den Innovationsnetzwerken (jeweils rd. 6 %). Drei Viertel der Projektteilnahmen haben zu neuen Kontakten und Kooperationen im F&E Bereich geführt. Rd. 61 % bauen auf inhaltlich zurechenbare Vorprojekte auf, von denen ein beträchtlicher Teil bereits durch die FFG unterstützt wurde (78 %). Aufgrund von 57 % der Projektumsetzungen sind innerhalb von 4 Jahren Folgeprojekte entstanden (43 % davon wurden wiederum von der FFG unterstützt). Zur Erfüllung der F&E-Tätigkeiten wurden 971 MitarbeiterInnen hinzugezogen (Post-docs, LabormitarbeiterInnen, DozentInnen, DiplomandInnen, DoktorandInnen) bzw. entstanden durchschnittlich zwei Diplomarbeiten und 1,5 Dissertationen je Projektteilnahme. Diese Personen konnten somit ihr Studium mit einem anwendungsorientierten Lernschritt abschließen, der ihren Berufseintritt erleichterte. Neben den inhaltlichen Projektresultaten und der Erweiterung der eigenen Expertise liegt der Schwerpunkt der Effekte bei der erhöhten Attraktivität als Kooperationspartner und Sichtbarkeit der F&E bei der Zielgruppe (inkl. neue Kontakte) sowie der Erweiterung des eigenen Forschungsnetzwerks. In Summe belaufen sich die Disseminationstätigkeiten auf 958 gesetzte Maßnahmen (durchschnittlich 5,0 je Projektteilnahme). Davon sind 314 referierte Publikationen mit und 179 Publikationen ohne Kooperationspartner. Diese 493 Publikationen verteilen sich auf 104 Projektteilnahmen.
Detailinformationen/Publikation/Forschungsbericht: www.ffg.at/content/wirkung-der-ffg-foerderung
8
2.4.
"Finanziere Menschen, nicht Projekte!
Die jährliche Auszeichnung der START- und Wittgenstein-PreisträgerInnen rückt herausragende WissenschaftlerInnen und die Grundlagenforschung ins Rampenlicht. Die Evaluierung der entsprechenden FWF-Programme durch das Fraunhofer ISI und der KMU Forschung Austria attestiert beiden Programmen weitreichende positive Wirkungen. Im Oktober 2014 wurden das Fraunhofer ISI und die KMU Forschung Austria vom FWF damit beauftragt, das START-Programm sowie den Wittgenstein-Preis zu evaluieren. Die Evaluierung basierte auf einem Methodenmix bestehend aus einer bibliometrischen Analyse inklusive Kontrollgruppenvergleich, Online-Befragungen mit unterschiedlichen Zielgruppen, Experteninterviews, Fallstudien, Auswertung von Programm- und Monitoring-Daten sowie einem Validierungsworkshop. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass sowohl START als auch der Wittgenstein-Preis einzigartig in der österreichischen Förder- und Forschungslandschaft sind: Das STARTProgramm ist das einzige Programm in Österreich, das eine Art „Startpaket“ für eine wissenschaftliche Karriere von vielversprechenden NachwuchsforscherInnen bereithält. Der Wittgenstein-Preis ist die einzige Förderung, die dem Prinzip „Finanziere Menschen, nicht Projekte“ folgt. Das START-Programm erhöht die ohnehin schon hohe wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Geförderten deutlich: Deren Leistungen sind, gemessen an bibliometrischen Indikatoren, signifikant besser als diejenigen der Kontrollgruppe. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass mit Hilfe der START-Förderung neue und unkonventionelle Fragestellungen untersucht werden. Zusätzlich befördert das Programm die Karriereentwicklung der Geförderten: Alle bisher Geförderten sind im Wissenschaftssystem geblieben, darunter die Mehrzahl in einer österreichischen Institution. START ist außerdem ein wirksames Instrument für die Qualifizierung junger ForscherInnen. Der Wittgenstein-Preis hat zu unkonventionellen und Hochrisiko-Forschungsaktivitäten beigetragen, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und die Sichtbarkeit österreichischer ForscherInnen, aber auch der Forschung in Österreich, erhöht. Die mit dem Preis verbundenen Freiheiten wurden genutzt, um neue Methoden und Forschungsfragen zu entwickeln und interdisziplinär zu forschen. Die Herausarbeitung neuer Forschungsschwerpunkte fand ihren Niederschlag in zahlreichen erfolgreichen Drittmitteleinwerbungen. Derartige risikoreiche und innovative Vorhaben hätten im Rahmen anderer Programme nicht finanziert werden können. Die Wittgenstein-Gruppen haben ihre führende Rolle in der Spitzenforschung ausgebaut und eine anregende Umgebung für junge ForscherInnen geschaffen. Aufgrund der zahlreichen positiven Wirkungen für das österreichische Wissenschaftssystem empfiehlt das Evaluierungsteam eine Fortsetzung der beiden Programme ohne Einschränkung. Detailinformationen/Publikation/Forschungsbericht: https://www.fwf.ac.at/de/news-presse/news/nachricht/nid/20160613-2199/
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2.5.
Gewinne sind keine Selbstverständlichkeit
Die heimischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) teilen sich in zwei beinahe gleich große Gruppen: In 51 % der KMU hat sich der Betriebserfolg (vor Finanzergebnis) in den letzten drei Jahren verbessert, in 47 % der Unternehmen kam es zu einer Verschlechterung. Aktuelle Auswertungen aus der Bilanzdatenbank der KMU Forschung Austria von rd. 44.000 Jahresabschlüssen österreichischer Klein- und Mittelunternehmen geben Aufschluss über die Ergebnisentwicklung in der heimischen Wirtschaft. In etwas mehr als der Hälfte der KMU (51 %) stieg der Betriebserfolg (vor Finanzergebnis) zwischen 2012/13 und 2014/15 an. Demgegenüber stehen 47 % der Unternehmen mit rückläufigen Ergebnissen. Zwei Prozent wiesen annähernd konstante Ergebnisse auf. Diese Verteilung ergibt sich mit geringen Abweichungen in allen Betriebsgrößenklassen. Somit zeigt sich, dass gleichbleibende positive Erträge keine Selbstverständlichkeit sind. Andererseits erreichen auch bei einer verhaltenen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit Wachstumsraten von unter einem Prozent viele KMU durch entsprechende Maßnahmen eine Verbesserung der Ertragssituation. In knapp einem Viertel der KMU kam es im Beobachtungszeitraum zu einer Ergebnisdrehung. So konnten 11 % der KMU von der Verlust- in die Gewinnzone wechseln, während 12 % von der Gewinn- in die Verlustzone abrutschten. Mehr als drei Viertel (77 %) wiesen zwischen 2012/13 und 2014/15 ein gleichbleibendes Ergebnisvorzeichen auf.
Verteilung der KMU der marktorientierten Wirtschaft nach Entwicklung des Ergebnisvorzeichens im Zeitraum 2012/13 bis 2014/15 (Kohortenauswertung)
Wechsel von Gewinn- in Verlustzone 12%
Wechsel von Verlust- in Gewinnzone 11%
gleichbleibendes Ergebnisvorzeichen 77%
Abbildung 1: KMU Forschung Austria, Bilanzdatenbank
„Diese Analysen weisen darauf hin, dass ein ertragreicher Fortbetrieb des Unternehmens – in Zeiten eines intensiven Wettbewerbs – keine Selbstverständlichkeit ist“, so Mag. Peter Voithofer, Direktor der KMU Forschung Austria. 10
„Die Häufigkeit der Ergebnisverbesserung bei heimischen KMU zeigt auch, dass durch einzelbetriebliche Maßnahmen viel erreicht werden kann bei herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen“. Im Gesamtdurchschnitt erzielen die österreichischen KMU im Jahr 2014/2015 einen Betriebserfolg von 4,0 Prozent bzw. ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 3,3 Prozent. 66 Prozent der Unternehmen sind dabei in der Gewinnzone.
2.6.
Sinkender Reorganisationsbedarf heimischer KMU
Etwa 14 % der österreichischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bzw. knapp 29.700 KMU (exkl. Ein-Personen-Unternehmen) haben Reorganisationsbedarf. Überdurchschnittlich betroffen sind Kleinstbetriebe. Im Zeitablauf zeigt sich, dass der Anteil der betroffenen Unternehmen sinkt. Laut Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) gibt es zwei Indikatoren mit entsprechenden Schwellenwerten, die zur Überprüfung heranzogen werden, ob in einem Unternehmen Reorganisationsbedarf besteht oder nicht. Dies sind zum einen eine Eigenkapitalquote von weniger als 8 % und zum anderen eine fiktive Schuldentilgungsdauer von über 15 Jahren in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Auswertungen aus der Bilanzdatenbank der KMU Forschung Austria von etwa 90.000 Jahresabschlüssen zeigen, dass im aktuellen Auswertungsjahr 2014/15 etwa 14 % der kleinen und mittleren Unternehmen (exkl. Ein-Personen-Unternehmen) diese Kriterien erfüllen. Somit ergeben sich für die Gesamtwirtschaft knapp 29.700 KMU (exkl. EPU). Im Zeitablauf zeigt sich eine Verringerung der Betroffenheit der heimischen Unternehmen; hier spiegelt sich insbesondere die kontinuierlich steigende Eigenkapitalquote wider. So hat sich der Anteil der KMU mit Reorganisationsbedarf im 5-Jahresvergleich um etwa 2 %-Punkte verringert. Eine Differenzierung nach Größenklassen zeigt, dass insbesondere kleinere Unternehmen stärker betroffen sind als größere.
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Anteil der Unternehmen mit Reorganisationsbedarf nach Größenklassen, 2009/10 und 2014/15 18% 16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2%
0% Kleinstunternehmen
Kleinunternehmen
Mittelunternehmen 2009/10
KMU gesamt
Großunternehmen
2014/15
Abbildung 2: KMU Forschung Austria, Bilanzdatenbank
Unternehmen mit Reorganisationsbedarf wäre anzuraten, kurzfristig Maßnahmen zur Verbesserung der Innenfinanzierungskraft bzw. der Finanzierungsstruktur einzuleiten. In der Regel wäre zudem die Erstellung einer Fortbestehensprognose zweckmäßig – mit einer Planung, wie die (erkannte) Krise überwunden werden kann. Hierfür haben Experten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Wirtschaftskammer Österreich unter Mitwirkung von Bankenvertretern und der KMU Forschung Austria einen Leitfaden erstellt, der für Österreichs Unternehmer mit den relevanten wirtschaften sowie rechtlichen Eck- und Anhaltspunkten transparent aufzeigt, was zu tun ist, damit die drohende Krise nicht in einer Insolvenz mündet. Der Leitfaden Fortbestehensprognose wurde 2016 überarbeitet und ist im Internet kostenlos downloadbar. „Der Trend – mit einer sinkenden Zahl an betroffenen Unternehmen – stimmt“, so Mag. Peter Voithofer, Direktor der KMU Forschung Austria. --„Sowohl zur Vermeidung wie auch zur Überwindung der Krise ist eine strukturierte Planung zur Zukunft des Unternehmens ein Gebot der Stunde.“ ---
Detailinformationen/Publikation/Forschungsbericht: https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/Wirtschaftsrecht/LeitfadenFortbestehensprognose-2016.html
12
3.
Industriewissenschaftliches Institut (IWI) 3.1.
"Der Staat ist kein Unternehmen"
Wer kennt das nicht: Kaum liegen Vorschläge am Tisch, wie staatliches Handeln effizient, zielorientiert und kostenbewusst (um-)gestaltet werden könnte, folgt mit nahezu 100%iger Sicherheit die mit moralischer und intellektueller Entrüstung vorgetragene Feststellung, dass der Staat doch nun wirklich kein Unternehmen sei. Das tückische an dieser Ende-der-Debatte-Aussage ist, dass in einer eng begrenzten Anzahl von Situationen die unternehmerische Logik auf staatliche beziehungsweise volkswirtschaftliche Fragen tatsächlich nicht angewendet werden kann. Beispielsweise muss staatliches Handel externe Kosten konsequent mitdenken, bei der Eindämmung von Kosten muss der Staat auch ein Auge auf die indirekten Wirkungen bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage werfen und bei Entscheidungsprozessen muss zweckmäßiger Weise der oft komplexe und langwierige Ablauf im politischen Umfeld mitgedacht werden. In diesen – und einigen anderen – Feldern muss staatliches Handeln anders gedacht und durchgeführt werden, als unternehmerisches Handeln. In der Mehrzahl der Handlungsfelder ist die Aussage „der Staat ist doch kein Unternehmen“ aber schlicht und einfach ein Versuch, die Ineffizienz staatlichen Handelns zu schützen und zu bewahren und unter keinen Umständen von unternehmerischen Handlungsansätzen lernen zu wollen. Eine auch nur kursorische Auflistung möglicher Handlungsfelder für mehr unternehmerisches Denken im staatlichen Kontext würde schon Bücher füllen. Eine in diese Richtung gehende Zusammenfassung hat der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser mit 1.007 Vorschlägen vorgelegt („Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs“). Einer der wichtigsten Punkte: Die Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Ein Unternehmen, das nicht investiert, ist über kurz oder lang nur noch Bestandteil der Wirtschaftsgeschichte. Wichtig sind aber nicht die Investitionen an sich, sondern diese Investitionen müssen die Marktposition des Unternehmens festigen. Sie müssen zu neuen Produkten und Anwendungen führen, die Produktion günstiger und für Kundenwünsche offener machen, neue Märkte erschließen helfen oder auf umkämpften Märken den Vorsprung gegenüber der Konkurrenz bewahren helfen. Genau von diesen Zielen her müssen auch die staatlichen Ausgaben gedacht werden, ob sie nun in den herkömmlichen Investitionsbegriff der Bürokratie passen oder nicht. Wenn man nun von den Zielen her denkt, somit von der langfristigen Stärkung Österreichs in einem sicher nicht geringer werdenden, globalen Wettbewerb, dann wird (beispielsweise) der vierte neuerrichtete Kreisverkehr in Hintertupf für die Zukunft Österreichs wenig Bedeutung haben, die zusätzlich eingestellten Kindergartenpädagogen im selben Ort Hintertupf aber einen entscheidenden Impuls für viele Bildungskarrieren mit sich bringen. Das bedeutet nicht, dass alle immateriellen Investitionen von Vornherein gut sind. Gerade im Bereich der Bildung und der Innovationsförderung ist Österreich ineffizient aufgestellt und könnte hinsichtlich Abwicklungseffizienz und Ergebnisevaluierung viel von den Unternehmen lernen. Aber Faktum ist, dass kluge Köpfe und innovative Produkte den Wettbewerb gewinnen. Das bedeutet auch nicht, dass jede materielle Investition grundsätzlich suspekt 13
wäre. Im Gegenteil, auch materielle Investitionen (man denke etwa an den Breitbandausbau), haben ihre Bedeutung. Wichtig ist aber, sich immer vor Augen zu halten: Investitionen sind ein Mittel zu einem übergeordneten Zweck. Das können – nein: müssen – die Staaten von den Unternehmen lernen, wollen sie nicht in die falsche Richtung steuern und dabei viel Geld in den Sand setzen.
3.2.
Analyse und Quantifizierung einer neuen fiskalneutralen Europäischen Steuer
Eine gut funktionierende EU benötigt eine ausreichende Menge an Finanzierungsmitteln. Die derzeitige Finanzierung des EU-Haushalts setzt sich aus traditionellen Eigenmitteln, MWStbasierten Eigenmitteln, BNP Eigenmitteln, Überschüssen aus dem Vorjahr sowie Korrekturmechanismen, welche Mitgliedstaaten eine Verringerung ihres Beitrags zum EUHaushalt gewähren, zusammen. Kritik zum momentanen System kommt primär aus dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission. Der Rechnungshof und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (European Economic and Social Committee – EESC) initiieren daher eine Diskussion über mögliche neue Formen von Eigenmitteln, welche die aktuelle Finanzierungsform des EU-Haushalts ändern könnte. Das IWI leistet mit seiner Studie „Analysis and quantification of a new fiscally neutral European tax” einen Beitrag zur Diskussion über eine neue europäische CO2-Steuer bzw. -Abgabe, welche auf einer Besteuerung des Endverbrauchs (Besteuerung der Produkte und nicht der Produktion) basieren würde. Die Höhe der Abgabe hängt dabei von der Menge der CO2Emissionen ab, die bei der Herstellung der Güter emittiert wird, unabhängig davon, ob der ganze oder nur ein Teil des Herstellungsprozesses innerhalb bzw. außerhalb der EU erfolgt. Die Analyse basiert auf einem Input-Output-Modell, welches einen angemessenen und einzigartigen Ansatz zur Verfügung stellt, um den gesamten CO2-Gehalt der verschiedenen Güter zu messen, unter Berücksichtigung der gesamten Produktionskette. Die Berechnung nach Gütern bildet die Grundlage für die Kalkulation der produktspezifischen CO2-Abgaben. Die Modellrechnungen auf Basis der Input-Output-Tabelle der EU-27 des Jahres 2011 führen zu einem Steuersatz von 40,69 Euro pro Tonne an CO2-Emissionen, welcher Steuereinnahmen in der Höhe von 1 % des BIP der EU generieren könnte. Um die Voraussetzung einer fiskalneutralen Abgabe nicht zu verletzen, müsste im Gegensatz dazu eine Entlastung des Faktors Arbeit erfolgen (Reduktion der Lohnnebenkosten). Eine gleichzeitige Senkung der Arbeitskosten um 2,03 % könnte die Einführung einer CO2-Abgabe um den Betrag von 40,69 Euro pro Tonne CO2 kompensieren. Der Kompensationsmechanismus zieht wiederum eine Preisänderung der verschiedenen Güter mit sich. Produkte mit relativ hohem CO2-Gehalt werden teurer, während die Preise für Produkte mit niedrigerem CO2-Gehalt günstiger werden. Dadurch wird auch das Umweltbewusstsein von Konsumenten und Produzenten gestärkt. Eine Einführung der neuen CO2 Steuer bei einer gleichzeitigen Senkung der Arbeitskosten würde zu einer signifikanten Änderung der Preise zwischen +9,80 % (Energie und Dienstleistung der Energieversorgung) und -1,25 % (Erziehungs- und Unterrichtsdienstleistungen) führen. Die 14
Resultate zeigen den Einfluss des Kompensationsmechanismus auf die Preiseffekte, wobei die Gesamteffekte für CO2-emissionsintensive Güter immer noch signifikant sind. Dies betrifft vor allem Güter mit höherer Arbeitsproduktivität und geringeren Arbeitnehmerentgelten im Vergleich zu Gütern und Dienstleistungen mit höherer Arbeitsintensität und geringeren CO2Emissionen. Darüber hinaus kann durch den Kompensationsmechanismus eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften erwartet werden und eine Einführung der CO2-Abgabe sich positiv auf die Umwelt auswirken. Die Ergebnisse basieren auf Berechnungen für die EU-27 Mitgliedsstaaten „als Ganzes“, wobei die Resultate für die einzelnen Mitgliedstaaten teilweise deutlich vom europäischen Durchschnitt abweichen. So zeigen sich beispielsweise bei den Preiseffekten für Energie und Dienstleistung der Energieversorgung Preisänderungen von 2,73 % (Frankreich) bis zu 25,18 % (Griechenland) und jeweils rund 10 % für Ungarn, Deutschland und Slowenien. Die Ergebnisse der gesamten Preiseffekte für ausgewählte EU-Mitgliedstaaten zeigen leichte Rückgänge bei den Preisen für arbeitsintensive Dienstleistungen und steigende Preise für CO2intensive Produkte wie Energie und Dienstleistung der Energieversorgung, Metalle und Halbzeug daraus, NE-Metalle und Luftverkehr. Der gesamte Preiseffekt wird in erster Linie durch die CO2-Intensität bestimmt und für CO2 intensive Produkte signifikant bleiben. Der Schlüsselfaktor für die Intensität der sogenannten „cost-push“ Effekte ist der Emissionsgehalt der jeweiligen Güter. Um die negativen Auswirkungen einer möglichen Einführung der CO2-Abgabe auf die Produktpreise so gering wie möglich zu halten, ist es erforderlich, technologische Innovationen zu fördern und im Gegenzug Emissionen zu verringern. Die Studie bietet einen Einblick in einige der möglichen Auswirkungen der europäischen CO2Abgabe, welche das ambitionierte Ziel hat, einerseits die Umweltbelastung zu reduzieren und andererseits die Arbeitskosten (Lohnnebenkosten) zu senken. Der Schwerpunkt der Studie liegt dabei auf den relevanten „Erstrundeneffekten" einer solchen Änderung. Effekte, welche induziert durch eine Reaktion von Produzenten und Konsumenten auf die Veränderungen der relativen Preise entstehen, sind hierbei nicht abgedeckt. Dazu erfordert es noch komplexere Modelle, welche auch die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Einführung der CO2-Abgabe berücksichtigen. Detailinformationen/Publikation/Forschungsbericht: Die gesamte Studie „Analysis and quantification of a new fiscally neutral European tax” ist auf der Seite des EESC abrufbar unter http://www.eesc.europa.eu/
3.3.
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Wasserwirtschaft
In Österreich spielt Wasser eine wesentliche Rolle, sei es durch die ausgezeichnete Trinkwasserqualität oder die zahlreichen Flüsse und Seen. Wasser ermöglicht nicht nur Leben, sondern ist auch Voraussetzung für ein erfolgreiches Wirtschaften von Unternehmen. Vor allem für den Primären und Sekundären Sektor ist Wasser von wesentlicher Bedeutung.
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Die Unternehmen der Wasserwirtschaft sind wesentliche Institutionen zum Erhalt gesamtwirtschaftlicher Produktions-, Wertschöpfungs- und Beschäftigungskreisläufe, nicht nur im eigenen Unternehmensverbund, sondern auch darüber hinaus. Von der Leistungskraft der Unternehmen profitieren aufgrund der intensiven Verflechtungsstrukturen eine Vielzahl an Zulieferern und Unternehmenspartnern entlang der Wertschöpfungskette. Zur Befriedigung der Güternachfrage der Unternehmen der Wasserwirtschaft – so nicht importierte Güter zum Einsatz kommen – Bedarf es der Produktion in inländischen Betrieben. In diesen Betrieben wird Wertschöpfung generiert, Beschäftigung gesichert und es werden Löhne und Gehälter bezahlt, ebenso wie Steuern und Abgaben. Damit die Vorlieferanten ihre Leistungen erstellen können, benötigen sie ihrerseits wieder Vorleistungen und lösen somit wiederum Nachfrage bei weiteren einheimischen Betrieben aus. Die Input-Output-Analyse (offenes statisches Leontief-Modell) erlaubt es, die Gesamtheit der so ausgelösten Effekte zu quantifizieren, wobei nicht nur die direkten, sondern auch indirekte und induzierte Effekte dargestellt werden.
Direkte Effekte: Unmittelbar durch die Unternehmen der Wasserwirtschaft zu messende Effekte in der österreichischen Volkswirtschaft.
Indirekte Effekte: Nachfrageseitig über die komplette Wertschöpfungskette des Vorleistungsverbundes ausgelöste Effekte (Backward-Linkages) der Wasserwirtschaft.
Induzierte Effekte: Ergeben sich in weiterer Folge über den durch die (direkt und indirekt) generierte Beschäftigung bzw. über den durch die generierten Investitionen in der österreichischen Volkswirtschaft ermöglichten Konsum.
Welche Branchen zählen zur Wasserwirtschaft? Grundsätzlich kann die Wasserwirtschaft in 3 Gruppen eingeteilt werden:
Wasserkraft
Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Wasserbau
Wasserintensive Industrie
Die volkswirtschaftlichen Effekte können für jede einzelne Gruppe separat oder wie im gegenständlichen Kontext in einem gemeinsamen Aggregat analysiert werden.
Wasserkraft Österreich verfügt aufgrund seiner günstigen topografischen Situation inmitten der Alpen über eine Ressource, die traditionell in hohem Ausmaß zur Energiegewinnung genutzt wird: Wasserkraft. Die Nutzung der Wasserkraft als saubere und emissionsfreie Form der Stromerzeugung blickt in Österreich auf eine jahrzehntelange Tradition zurück. Wie stark die heimische Stromerzeugung von der heimischen Wasserkraft dominiert wird, zeigt die Tatsache, dass deren Beitrag zur Stromerzeugung seit dem Jahr 1960 (bis zum Jahr 2012) um rd. 300 % gestiegen ist. Bei einer Betrachtung ab dem Jahr 1990 hat sich die Steigerung zwar verringert, beträgt aber immer noch 50 %.1 Gemäß Betriebsstatistik der Energie-Control Austria stammen im Jahr 2014 rund 68 % der inländischen Stromerzeugung von insgesamt 65.109 Gigawattstunden (GWh) aus Wasserkraftwerken (Lauf- und Speicherkraftwerke). Der
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BMWFW (2014), Energiestatus Österreich 2014: Entwicklung bis 2012
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mit Abstand größte Anteil der heimischen Kraftwerksleistung wird durch Wasserkraftwerke erbracht. Insgesamt erzeugen derzeit 362 größere Laufkraftwerke und rund 2.450 Anlagen unter einem Megawatt (MW) (dazu zählen Kleinwasserkraftanlagen) sowie 113 Speicherkraftwerke mit einer Engpassleistung von insgesamt 13.500 MW im Jahr 2014 fast 44.800 GWh umweltfreundlichen Strom.2
Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Wasserbau Diese Branchen halten den Wasserkreislauf aufrecht, gewährleisten eine stabile Wasserversorgung von Haushalten und Unternehmen und ermöglichen erst die Stromerzeugung durch den Bau von Wasserkraftwerken. Weiters kümmern sie sich um die Abwasserentsorgung, sei es der Betrieb von Abwasserkanälen und Kläranlagen oder die Behandlung und Entsorgung von Abwässern. Für die Errichtung und Wartung der Anlagen ist wiederum die Branche des Wasserbaus zuständig.
Wasserintensive Industrie Zur wasserintensiven Industrie zählen folgende Branchen: Lebensmittelindustrie, Textilindustrie, Papierindustrie, Chemische Industrie, Pharmazeutische Industrie, Glasindustrie sowie die Metallerzeugung. Zusammen sind die sieben wasserintensiven Branchen für knapp 95 % des Wasserverbrauchs der Herstellung von Waren verantwortlich (bei einem entsprechenden Produktionswertanteil von 39 %). Allein die beiden Branchen der Glasindustrie sowie der Metallerzeugung verbrauchen je mehr als ein Viertel des Wassers der gesamten Herstellung von Waren.
Die Bedeutung der Wasserwirtschaft in Österreich Die gesamte heimische Wasserwirtschaft initiiert im Jahr 2013 in der österreichischen Volkswirtschaft einen Produktionswert von insgesamt 78,8 Mrd. EUR. Das entspricht einem gesamtwirtschaftlichen Anteil von mehr als 13 %. Somit ist jeder achte Euro an österreichischer Produktion auf die Wasserwirtschaft zurückzuführen. Direkt entstehen in den Unternehmen rd. 41,0 Mrd. EUR an Produktionswert. In der Folge bedingt die von der Wasserwirtschaft in Österreich erwirtschaftete Produktion einen indirekten Produktionswert von 25,8 Mrd. EUR und einen induzierten Produktionswert von 12,0 Mrd. EUR in der heimischen Wirtschaft. Analog dazu beläuft sich das Ausmaß der gesamtwirtschaftlich generierten Wertschöpfung auf 26,3 Mrd. EUR, wobei 9,9 Mrd. EUR direkt auf die Branchen der gesamten Wasserwirtschaft zurückzuführen sind und in weiterer Folge 10,2 Mrd. EUR an indirekten sowie 6,2 Mrd. EUR an induzierten Wertschöpfungseffekten anfallen. Jene Branchen in Österreich, die – gemessen an der Wertschöpfung – indirekt und induziert am meisten von den Aktivitäten der Wasserwirtschaft profitieren sind der Großhandel (1,6 Mrd. EUR Wertschöpfung), das Realitätenwesen (1,5 Mrd. EUR), die Energieversorgung (1,2 Mrd. EUR), die Landwirtschaft (1,0 Mrd. EUR) sowie der Landverkehr und Transport (0,7 Mrd. EUR).
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E-Control (2015), Österreichs Energie, http://oesterreichsenergie.at/daten-fakten/statistik/stromerzeugung.html
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--„Jeder zehnte Arbeitsplatz wird durch die Tätigkeiten der Wasserwirtschaft erhalten.“ --In Summe werden rd. 430.000 Arbeitsplätze (rd. 367.000 Vollzeitäquivalente [VZÄ]) in der heimischen Volkswirtschaft durch die Wasserwirtschaft abgesichert (gesamtwirtschaftlicher Anteil: rd. 10%). Die Unternehmen der Wasserwirtschaft selbst beschäftigen rd. 118.300 Personen (112.200 VZÄ). Im Zuge der Vorleistungsverflechtungen werden in Österreichs Wirtschaft 206.100 Arbeitsplätze (169.100 VZÄ) und im Zuge der Konsum- und Investitionseffekte 105.400 (85.800 VZÄ) abgesichert. Die akkumulierten Arbeitnehmerentgelte entsprechen in Summe 13,4 Mrd. EUR, davon 5,3 Mrd. EUR direkt und 8,1 Mrd. EUR indirekt und induziert. Durch die Aktivitäten der Wasserwirtschaft werden Fiskaleffekte in Höhe von rd. 4,1 Mrd. EUR verbucht. Ergänzend können zudem die ausgelösten Effekte der Sozialbeiträge für Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber mit rd. 4,0 Mrd. EUR eruiert werden. Summa summarum liegen die gesamtwirtschaftlich durch die Wasserwirtschaft generierten Fiskal- und Sozialbeitragseffekte bei rd. 8,1 Mrd. EUR.
Volkswirtschaftliche Effekte der Wasserwirtschaft x 1,92
x 2,66
x 3,63
429.793
78.768
105.407 11.999
27.757 206.135
41.013 26.326 6.241
41.103
118.251
10.203 9.882
118.251 9.882
Produktionswert
Wertschöpfung
(in Mio. EUR)
(in Mio. EUR)
Direkte Effekte
Indirekte Effekte
Beschäftigungsverhältnisse
Induzierte Effekte
(im Vorleistungsverbund)
Abbildung 3: IWI auf Basis der Statistik Austria (2016), Statistik Austria (div. Jahre), Input-Output-Tabellen 2011, Volkwirtschaftliche Gesamtrechnung 1976-2013, Anm.: Rundungsdifferenzen möglich
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3.4.
Die internationale Konjunkturentwicklung (Stand: Herbst 2016)
Das Wachstum der Weltwirtschaft verläuft weiterhin verhalten, die konjunkturellen Risiken bleiben hoch. Die Vermutung, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr gegenüber den (wachstumsschwachen) vergangenen Jahren nicht beschleunigen dürfte, wird mittlerweile von den wichtigsten globalen Wirtschaftsprognosen bestätigt. Das weltweite Wirtschaftswachstum ist infolge der Krise im Jahr 2009 auf einen andauernd langsameren Wachstumspfad eingeschwenkt. Von Jahr zu Jahr wird mit einer moderaten Beschleunigung des Wachstums gerechnet. Mit gleicher Regelmäßigkeit muss aber im Jahresverlauf die Prognose wieder zurückgenommen werden. In den jüngsten Prognosen wurde diesem Muster insofern Rechnung getragen, als nunmehr auch die Prognosen für die kommenden Jahre – bei Währungsfonds und OECD für 2017, bei der Weltbank bereits zudem für 2018 – nur noch von relativ geringen Wachstumsbeschleunigungen ausgehen. Die lang anhaltende Phase ohne echte Wachstumsbeschleunigung trägt mittlerweile durch selbstverstärkende Tendenzen zur unbefriedigenden Entwicklung bei: Wie die OECD in ihrer jüngsten Zwischenprognose (September 2016) prägnant geschrieben hat, befindet sich die Weltwirtschaft in einer „low-growth-trap“; die Erwartungen eines anhaltend niedrigen Wachstums führen dazu, dass Investitionen, Handel und andere gestaltbare Variablen gar nicht mehr ausgeweitet werden.
Alarmsignal Welthandel Zu den besonders beunruhigenden Entwicklungen zählt das nur geringe Wachstum des Welthandels. Die Prognosen betreffend das globale Handelsvolumen mussten im laufenden Jahr (wie auch schon im Jahr 2015) besonders deutlich reduziert werden. Der Welthandel war zwei Jahrzehnte lang ein maßgeblicher Treiber der Weltkonjunktur: Von 1986 bis 2008 lag das Wachstum des Welthandels jedes Jahr (mit einer Ausnahme: 2001) über dem Wachstum der weltweiten Wirtschaftsleistung, im Durchschnitt sogar etwa doppelt so hoch. Nach dem Krisenjahr 2008 und den beiden Erholungsjahren 2009 und 2010 kommt der Welthandel nicht mehr richtig in Schwung und entwickelt sich – gemäß der Daten der World Trade Organization WTO – in etwa im Gleichschritt zum verhaltenen Wirtschaftswachstum. Im laufenden Jahr dürfte das Wachstum des Welthandels nicht einmal den schwachen Zuwachs der globalen Wirtschaftsleistung erreichen, was bislang nur in Zusammenhang mit tiefen Wirtschaftskrisen (nämlich zuletzt in den Jahren 1982, 2001 und 2009) zu beobachten war. Die aktuellste Globalprognose, jene der OECD, erwartet für 2016 ein reales Wachstum der Weltwirtschaft von 2,9%. Im kommenden Jahr (2017) sollte eine kleine Beschleunigung auf 3,2% erfolgen. Wachstumsstützen sind China und Indien, mit Wachstumsraten zwischen sechs und sieben Prozent (China) und jenseits der sieben Prozent (Indien). Damit bestätigt die OECD entsprechende, frühere Prognosen der Weltbank und des Währungsfonds. China und einige weitere asiatische Länder sind für den überwiegenden Teil des weltweiten Wachstums verantwortlich. Diese Tatsache erklärt, warum alle Märkte (und alle Ökonomen) so überaus nervös reagieren, wenn unerwartet schlechte Nachrichten aus China bekannt werden. Wenn nämlich die asiatische Konjunkturlokomotive (China, Indien und ASEAN-Staaten) auch noch an Fahrt verliert, würde dies erheblich negative Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsentwicklung haben. 19
Abgesehen von Ost-, Süd- und Südostasien kämpfen die Emerging Markets mit erheblichen Wirtschaftsproblemen: Brasilien dürfte im laufenden Jahr nochmals um mehr als drei Prozent schrumpfen; auch im Jahr 2017 wird die Wirtschaftsentwicklung rückläufig sein, erst dann sieht die Weltbank den Boden der Wirtschaftsentwicklung erreicht. Lateinamerika insgesamt wird 2016 neuerlich kein Wirtschaftswachstum aufweisen. Eine Stagnation wird 2016 auch für Südafrika prognostiziert. Da die zweite große afrikanische Volkswirtschaft, Nigeria, aufgrund der gesunkenen Rohölpreise und der angespannten Sicherheitslage im Land sogar eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr zu verzeichnen hat, findet die insgesamt positive Wirtschaftsentwicklung Afrikas der letzten Jahre einen (vorläufigen) Schlusspunkt. Die gesunkenen Rohstoffpreise, insbesondere für Energierohstoffe, setzten schließlich auch Russland zu: Nach einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung im letzten Jahr ist im laufenden Jahr eine weitere Kontraktion zu erwarten, im kommenden Jahr sollte ein moderates Wachstum erfolgen.
Bescheidenes Wachstum der Industrieländer In den Industrieländern wird das – ohnedies bescheidene – Wachstum weiterhin durch eine expansive Geldpolitik und niedrige Zinssätze mühsam befeuert. Die OECD warnt davor, die Geldpolitik anhaltend zu überfordern und verweist auf die zunehmend orientierungslosen Finanzmärkte (denen marktkonforme Zinssignale fehlen). In den USA hat sich im Jahresverlauf das Wirtschaftswachstum massiv vermindert, ebenso in Kanada. Beide Länder werden im laufenden Jahr sogar langsamer wachsen als die nach wie vor angeschlagene Eurozone, für die eine Wachstumsrate von rund 1,5% prognostiziert wird. In den USA hat insbesondere die Investitionstätigkeit stark nachgelassen, der Konsum und das Konsumentenvertrauen sind hingegen weitgehend stabil. Weiterhin schwach, aber zumindest schwach positiv ist das Wirtschaftswachstum in Japan. Das Wirtschaftswachstum in Europa hat sich in den letzten Jahren beschleunigt, ohne aber ein befriedigendes Niveau erreicht zu haben. Im laufenden Jahr ist keine weitere Beschleunig zu verzeichnen, praktisch alle größeren Volkswirtschaften weisen BIP-Steigerungen auf dem Niveau des Niveau des vorangegangenen Jahres auf. Weitgehend stabil sind auch die Prognosen für 2017. Eine nennenswerte Prognoserevision betrifft nur Großbritannien, dessen Wirtschaft in den letzten Jahren klar stärker als der EU-Durchschnitt gewachsen ist: Hier soll es, aufgrund der erhöhten Unsicherheiten nach dem EU-Austrittsvotum, zu einer deutlichen Verminderung der Wachstumsrate im kommenden Jahr auf rund ein Prozent kommen. Weiterhin sehr stabil entwickelt sich die Wirtschaft der neuen EU-Mitgliedsländer in MittelOsteuropa. Deren gegenwärtige Wachstumsrate von rund drei Prozent sollte gegen 2018 hin nochmals leicht ansteigen. Besonders bemerkenswert ist die relativ geringe Wachstumsabweichung zwischen den einzelnen Staaten. Nur geringfügig niedriger fallen die Wachstumsraten in den noch nicht der EU angehörenden Westbalkanstaaten aus.
Europäische Konjunkturumfragen Der EU „Business and Consumer Survey“ ist ein gutes Abbild der konjunkturellen Entwicklung in Europa: Nach einer deutlichen Verbesserung in den Jahren 2012 und 2013 sind die Veränderungen seit nunmehr geraumer Zeit eher bescheiden. Der Index verharrt über dem langjährigen Durchschnitt, schwankt dabei in geringem Ausmaß und zeigt keinerlei Anstalten auch nur in die Nähe der Spitzenwerte der Vergangenheit zu klettern. Im Sommer 2016 ist ein 20
Teilindikator unter den Wert des langjährigen Durchschnitts abgerutscht, der Indikator betreffend die Einschätzung im europäischen Dienstleistungsbereich. In Verbindung mit einer gewissen Abwärtstendenz beim Konsumentenvertrauen und bei der Einschätzung durch den Einzelhandel könnte sich hier eine Verschlechterung der Stimmung andeuten – aber noch nicht in besorgniserregendem Ausmaß. In regionaler Hinsicht hat sich die Stimmung in Europa weiter angeglichen: Die Indikatoren liegen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – geringfügig unter bis wenige Punkte über dem langjährigen Durchschnitt. Bemerkenswerte Abweichungen gibt es nur bei Kroatien, wo sich die Überwindung der lang anhaltenden Konjunkturschwäche in außerordentlich hohen Stimmungswerten niederschlägt (nahezu um 20% über dem langjährigen Durchschnitt) und bei Griechenland, dessen Indikatorwert bei 92,5 liegt (100 entspricht dem langjährigen Durchschnitt). Bei Griechenland ist aber die deutliche Verbesserung der Einschätzung bemerkenswert. Die Stimmungsindikatoren von Industrie, Einzelhandel und Dienstleistungsbereich haben sich geradezu spektakulär gesteigert, auch die Bauwirtschaft zeigt eine klare Aufhellung der Stimmungslage. Nur die Stimmungslage der Konsumenten ist in Griechenland weiterhin außerordentlich schlecht und zeigt einen nahezu unveränderten Pessimismus hinsichtlich der Entwicklung in den nächsten Monaten. Die Stimmungslage in der europäischen Industrie hat sich seit Anfang 2014 nicht nennenswert verändert: Sie liegt über dem langjährigen Durchschnitt, kann sich aber von diesem Durchschnitt nur geringfügig absetzen. Diese Aussage gilt auch für die Einzelindikatoren der Einschätzung der Industrie, wobei sich – eher überraschend – der aktuelle Umfragewert hinsichtlich der Beschäftigungserwartung in den nächsten Monaten noch am relativ deutlichsten vom Durchschnittswert positiv abhebt. Die Orderbücher der Industrie sind gefüllt, aber nicht sehr gut gefüllt: In immerhin einem Drittel der EU-Länder kann der langjährige Durchschnittswert nicht erreicht werden. Unbefriedigend ist die Situation vor allem in der Industrie Skandinaviens und des Baltikums, besonders negativ sind die Werte aus Finnland. Auf die Stimmung der Industrie schlägt auch, dass die Produktionsentwicklung in den vorangegangenen Monaten relativ unerfreulich war. Dieser Teilindikator liegt für die gesamte EU unter dem langjährigen Durchschnitt, aber auch für die Hälfte aller EU-Mitgliedsländer. Ebenfalls für die EU insgesamt unter dem langjährigen Durchschnitt liegt die Erwartung hinsichtlich der Entwicklung der Verkaufspreise: Preiserhöhungen werden von der Mehrzahl der Unternehmen als völlig chancenlos eingestuft. Die Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung (IV), an der sich 420 österreichische Industrieunternehmen mit rund 266.000 Beschäftigten beteiligt haben, hat zuletzt eine leichte Abschwächung gezeigt. Dabei wurden seitens der Unternehmen günstigere Einschätzungen betreffend die aktuelle Geschäftslage, aber vorsichtigere Bewertungen der künftigen Entwicklung abgegeben. Die Auftragslage gilt als insgesamt gut, aber weit entfernt von konjunkturellen Höchstständen. Damit scheint weiterhin ein Anspringen der Investitionen der Industrie – für das eine entsprechend hohe Nachfrage Voraussetzung wäre – nicht absehbar.
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4.
Österreichisches Institut für Angewandte Telekommunikation (ÖIAT) 4.1.
Marktchancen nutzen: über die Anforderungen von SeniorInnen an Smartphones und Tablets
SeniorInnen sind eine überdurchschnittlich kaufkräftige Zielgruppe und weisen die höchsten Wachstumsraten bei der Internetnutzung auf. Die zunehmende Verbreitung von mobilen Endgeräten, wie Tablets und Smartphones, stellt ältere Menschen aber auch vor große Herausforderungen. Hersteller von Geräten und Software sowie Mobilfunk- und Bildungsanbieter vernachlässigen jedoch oft die Anforderungen dieser KundenInnengruppe. Damit verzichten sie auf ein großes wirtschaftliches Potenzial. Häufig wird auch übersehen, dass Verbesserungen die für SeniorInnen vorgenommen werden letztlich allen AnwenderInnen zugutekommen – bei älteren Menschen entscheiden sie aber sogar häufig über Nutzung oder Nichtnutzung eines mobilen Geräts. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Charakteristika, Anforderungen, Motivationen und Hürden rund um die Internetnutzung von SeniorInnen mit Smartphones und Tablets auf Basis des FEMtech-Forschungsprojekts mobi.senior.A beschrieben. Eingegangen wird auf:
Technikverständnis
altersbedingte Einschränkungen
Anschaffungsmotive
Conceptual Models („Mentale Modelle“)
Bedienungshürden
Inbetriebnahme der Geräte & Erstnutzungsphase
Gebrauchsanleitungen
Datenschutz
Technikverständnis Jede Techniknutzung – somit auch die Nutzung von Smartphones und Tablets – ist im (biografischen) Lebenszusammenhang verortet. Die Sicht auf bzw. der Umgang mit Technik wird zudem von genderrelevanten Aspekten geprägt. Beispielsweise spielt die Sozialisation, die mit der Dimension Gender verknüpft ist, eine Rolle. In weiterer Folge hat auch der individuelle Bildungsweg, wiederum durch Gender geprägt, einen Einfluss auf das Technikverständnis und den Umgang mit Technik. So wird der Zugang zu Technik bzw. einer mit Technik verknüpften Ausbildung Burschen in vielerlei Hinsicht erleichtert, während er Mädchen erschwert scheint. Dieses Muster zieht sich auch in der Berufswelt fort, in der immer noch weibliche und männliche Domänen bestehen. Der Bereich der Technik ist – in der Berufswelt, aber auch in der Gesellschaft – männlich konnotiert und durch männliche Maßstäbe definiert. Technikkompetenz wird als männliche Eigenschaft gesehen. Schließlich lässt sich dieses Muster auch in der nachberuflichen Lebensphase erkennen, indem als technisch angesehene Tätigkeiten und Kompetenzen eher Männern zugeschrieben werden, während Frauen diesbezügliche Kompetenzen abgesprochen werden und von ihnen durchgeführte Tätigkeiten als nichttechnisch interpretiert werden.
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Altersbedingte Einschränkungen Bei der Benutzung von Smartphones führen vor allem (auch schon geringfügige) Beeinträchtigungen der Hände zu einer erschwerten Bedienung. Besonders wichtig für die Nutzung mobiler Endgeräte sind außerdem die Sinnesorgane. Das Sehvermögen verschlechtert sich bei den meisten Menschen bereits ab dem 40. Lebensjahr. Es kommt zu einer geringeren Farb- und Kontrastwahrnehmung, schlechteren räumlichen Wahrnehmung sowie zu Problemen bei der Lesbarkeit von Texten in kleiner Schrift. Insbesondere Smartphones sind aufgrund der kleinen Displays für SeniorInnen daher oft verhältnismäßig schwer zu bedienen. Auch kognitive Veränderungen können im Alter Wahrnehmung und Informationsaufnahme beeinträchtigen. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis ist nicht mehr so leistungsstark wie bei jüngeren Menschen, weshalb viele SeniorInnen über Vergesslichkeit klagen. Beim Lernen können SeniorInnen durch die Verknüpfung mit bereits vorhandenen Erfahrungen aus dem Langzeitgedächtnis unterstützt werden. Die Leistungsfähigkeit des Gehörsinns nimmt mit fortschreitendem Alter ebenfalls ab. Vor allem in komplexen Kommunikationssituationen kann es sehr schnell zu einer Reizüberflutung und Überforderung der betroffenen Personen kommen. Dies ist beispielsweise bei Beratungsund Verkaufsgesprächen zu beachten.
Conceptual Models („Mentale Modelle“) Eine wesentliche Bedienungshürde bei digitalen Geräten ist das fehlende tiefere Verständnis für die grundlegenden Konzepte („Conceputal Models“ bzw. „Mentale Modelle“), die hinter digitalen Medien und deren Anwendungen und Funktionen liegen. Um zwei Beispiele zu nennen: Manchen Personen ist etwa nicht klar, wo und wie heruntergeladene Inhalte am Gerät gespeichert werden. Andere wiederum meinen, eine Anwendung sei nicht mehr am Gerät installiert, wenn die dementsprechende Verknüpfung am Desktop gelöscht wurde. Die Komplexität digitaler Endgeräte im Gegensatz zu anderen technischen Geräten überfordert SeniorInnen häufig. Manche Personen versuchen, ihr Wissen bezüglich der grundlegenden Konzepte z.B. mit der „Trial-and-Error“-Methode zu erweitern und auf diese Weise bestehende Hürden zu bewältigen. Andere orientieren sich an „erprobten Vorgehensweisen“, die sie z.B. von anderen Personen übernommen haben.
Bedienungshürden Viele SeniorInnen scheitern beim Smartphone bereits an grundlegenden Funktionen, wie z.B. ein eingehendes Gespräch anzunehmen. Die Funktionsweise des Abhebens etwa widerspricht den Erwartungen, ist also nicht erwartungskonform. Viele SeniorInnen haben Schwierigkeiten mit der Bedienung des Touchscreens: Probleme bestehen etwa bei der Eingabe bzw. dem Tippen oder beim Anklicken von Links. Entweder werden Funktionen unabsichtlich aktiviert; es ist unklar, dass „gewischt“ werden muss oder das Tippen bzw. Wischen „funktioniert“ nicht. Letzteres liegt häufig daran, dass zu leicht oder zu fest gedrückt bzw. in die falsche Richtung gewischt wird. Hier sollten die Betriebssysteme mehr Flexibilität zulassen und fehlertoleranter sein.
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Ein Problem, von dem sehr viele SeniorInnen nicht nur im Zusammenhang mit Smartphones und Tablets berichten, ist der Gebrauch von Fachbegriffen. Fachbegriffe und (vor allem englische) Fremdwörter sollten stets in verständlicher Sprache bzw. bildhaft erklärt werden, um SeniorInnen die Technologienutzung zu erleichtern. Für Verwirrung sorgen außerdem Design-Objekte wie Modale Dialoge (Dialogfenster, bei denen die eigentliche Anwendung deaktiviert wird, bis eine Eingabe erfolgt ist) oder Checkboxen. Bei der Benutzung von Apps kann auch das Anzeigen von Werbung für ungeübte Userinnen und User zu Frust führen. Oft ist bei Anzeigenschaltungen nicht klar erkennbar, dass es sich um Werbung handelt. Das Design sollte möglichst klar strukturiert und einfach gehalten werden. Konsistenz ist hierbei ein wichtiger Punkt. Einige SeniorInnen berichten, dass sie die unterschiedliche Funktionsweise von verschiedenen Apps und Geräten als störend empfinden. So stellt etwa für ältere Nutzerinnen und Nutzer eine Hürde dar, dass es für die Gestensteuerung keine allgemeingültigen Richtlinien gibt und diese bei verschiedenen Geräten oft unterschiedlich ist. SeniorInnen empfinden die Navigation durch beschriftete Buttons als hilfreich, da sie Icons nur teilweise verstehen (z.B. ein „Menü“-Button statt eines Icons mit drei Strichen). Die Bezeichnungen sollten dabei erwartungskonform und in einer leicht verständlichen Sprache sein. Buttons sollten umrandet oder hervorgehoben werden, da sie sonst nur schwer erkennbar sind. Die Darstellung von Icons sollte gut überlegt sein, da nicht alle Icons von ungeübten Userinnen und Usern wirklich verstanden werden.
Anschaffungsmotive Die vorliegende Studie zeigt, dass die Interviewpersonen in Bezug auf die Gründe der Anschaffung von Smartphones und Tablets in zwei Gruppen unterteilt werden können: Zum einen gibt es jene SeniorInnen, die selbst entschieden haben, sich ein mobiles Gerät anzuschaffen („Eigenmotivation“). Auf der anderen Seite stehen jene Personen, die, ohne aktiv danach zu suchen, zu einem Smartphone bzw. Tablet gekommen sind („Motivation von außen“). Werden die Geräte aus eigenem Antrieb heraus angeschafft (erste Gruppe), kann bei diesen Personen auch eine höhere Motivation festgestellt werden, sich mit der dahinterliegenden Technologie auseinanderzusetzen. Diese SeniorInnen zeigen im Allgemeinen eine höhere Lernbereitschaft und Problemlösungskompetenz. Personen der zweiten Gruppe hingegen weisen eine geringere Motivation auf, mit dem Smartphone oder Tablet zu experimentieren bzw. den vollen Funktionsumfang auszunutzen. Hinter dem Bedürfnis nach einem Smartphone oder Tablet steht meist der Wunsch, eine bestimmte Funktion des Gerätes zu nutzen, z.B. die Navigationsfunktion oder die Kamera. Bei Tablets steht vor allem die Möglichkeit, rasch Informationen im Internet abrufen zu können (z.B. Online-Zeitungen), im Vordergrund. Ganz generell werden die nicht ortsgebundene Nutzung des Internet und besonders auch das Abrufen von E-Mails als großer Vorteil gesehen. Vielen SeniorInnen ist es auch wichtig, durch den Gebrauch des mobilen Gerätes nicht den Anschluss an neue technologische Entwicklungen zu verlieren und „mitreden“ zu können. Ein häufiges Motiv ist beispielsweise, mit jüngeren Generationen (z.B. den Enkelkindern) über digitale Kommunikationskanäle in Kontakt treten zu können. 24
Der andere Teil der SeniorInnen, der sich nicht aus Eigenmotivation zu einem Smartphone oder Tablet entschließt, kommt meist auf Druck des sozialen Umfelds dazu. Entweder drängen Verwandte bzw. FreundInnen auf die Anschaffung, oder die Befragten werden von diesen „überrumpelt“ und bekommen das Gerät geschenkt.
Inbetriebnahme der Geräte & Erstnutzungsphase Nach erfolgter Anschaffung des ersten Smartphones oder Tablets sehen sich SeniorInnen mit der Inbetriebnahme des Gerätes konfrontiert. In der mobi.senior.A-Studie konnten drei unterschiedliche Herangehensweisen festgestellt werden (Auflistung nach Häufigkeit): 1. Gebrauchsanleitung lesen; 2. das Gerät von jemand anderem einrichten lassen bzw. die Nutzung von jemand anderem lernen; 3. selbst ausprobieren („Learning by Doing“ bzw. „Trial-and-Error“-Methode). Viele SeniorInnen haben bei der anfänglichen Nutzung von Smartphones und Tablets Angst, etwas „kaputt zu machen“ oder aus Unwissenheit zusätzliche Kosten zu verursachen. Aus diesem Grund sind viele ältere NutzerInnen zunächst vorsichtig im Umgang mit den Geräten. Der Großteil der älteren Nutzerinnen und Nutzer möchte vor der Erstinbetriebnahme eine Gebrauchsanleitung lesen. Auch wenn nach Ende der Erstnutzungsphase im laufenden Betrieb Probleme auftreten, würden die meisten gerne zu einer Gebrauchsanleitung greifen. Besonders bei Nicht- oder WenignutzerInnen treten durch die Hilfestellung anderer (z.B. Verwandte, Bekannte, Kurse, externe BeraterInnen etc.) rasche Lerneffekte auf. Für die meisten SeniorInnen stellt die erstmalige Inbetriebnahme eines neuen Smartphones bzw. Tablets eine große, oft unüberwindbare Hürde ohne fremde Hilfe dar und wird als langwierige, aufwändige Prozedur empfunden.
Gebrauchsanleitungen Gebrauchsanleitungen sind für viele ältere Menschen fest mit dem Erwerb eines technischen Gerätes verbunden. Manche ältere Personen wünschen sich Smartphones und Tablets, die bei der Erstnutzung so selbsterklärend und einfach zu bedienen sind wie z.B. ein Wasserkocher. Bei Smartphones und Tablets ist dies aber aufgrund des hohen Funktionsumfangs und der Komplexität der Technologie in der Praxis freilich kaum möglich. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, bei Gebrauchsanleitungen zu mobilen Endgeräten einen Kompromiss zwischen anschaulichen Erklärungen und der gebotenen Kürze zu finden. Ob eine Gebrauchsanleitung tatsächlich von den NutzerInnen gelesen wird, hängt vom Umfang und von der Qualität ab. Generell sollte die Gebrauchsanleitung nicht nur die grundlegenden Funktionen des Smartphones bzw. Tablets beinhalten, sondern besonders ausführlich die Inbetriebnahme sowie die wichtigsten Hardware-Funktionen (z.B. die Beschreibung der Tasten und Schalter) erklären. Darüber hinaus sollten den Testpersonen zufolge auch Vorgänge, die nicht selbsterklärend sind, Schritt für Schritt angeleitet werden, z.B. der Download von Apps, das Einrichten von E-Mail-Konten, der Aufruf von Websites etc.
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SeniorInnen bemängeln häufig, dass im Lieferumfang von Smartphones und Tablets keine gedruckte Gebrauchsanleitung enthalten ist. Dass in den meisten Fällen eine digitale Gebrauchsanleitung vorliegt (z.B. als PDF-Download von einer Website), ist für die meisten älteren NutzerInnen nicht ausreichend. Manche der befragten SeniorInnen wünschen sich bei Smartphones und Tablets hingegen eine interaktive Gebrauchsanleitung, die in das Gerät bzw. eine App integriert ist und z.B. eine Notizfunktion beinhaltet.
Datenschutz Viele SeniorInnen zeigen hinsichtlich des Themas Datenschutz bei der Smartphone-, Tabletund Internetnutzung ein besonders hohes Problembewusstsein und Sicherheitsbedürfnis. Diese Sorge um die Datensicherheit kann im Extremfall bis hin zum Nutzungsverzicht führen. Ältere NutzerInnen versuchen, entsprechend vorsichtig und sorgsam mit persönlichen Daten im Internet umzugehen. In der Praxis fehlen oft das Wissen über konkrete Gefahren bzw. die Beurteilung deren Relevanz und das Know-how über Schutzmöglichkeiten, um die eigenen Daten im Internet effektiv schützen zu können. Weitere Informationen zum FEMtech-Forschungsprojekt mobi.senior.A (gefördert von der FFG mit Mitteln des BMVIT) mit dem kompletten Forschungsbericht, Guidelines für App-EntwicklerInnen, WorkshopUnterlagen für Verkauf & Support sowie Leitfäden und Übungen für Schulungen: www.mobiseniora.at. Das Projekt mobi.senior.A wurde vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) zusammen mit dem Büro für nachhaltige Kompetenz (B-NK) und dem Zentrum für Interaktion, Medien & soziale Diversität (ZIMD) umgesetzt.
4.2.
Dynamic Pricing – die Individualisierung von Preisen im ECommerce
Jeder zahlt in Zukunft beim Einkaufen einen anderen Preis. Was im ersten Moment schwer vorstellbar scheint oder an das Feilschen im Basar erinnert, wird im digitalen Zeitalter ein zunehmend realistischeres Szenario für den Online-Handel. Das ÖIAT hat in einer Studie das Phänomen Dynamic Pricing untersucht. Hinter Dynamic Pricing bzw. Individual Pricing steckt die Idee, als Verkäufer, mit Hilfe von Preisdifferenzierungen die Gewinne zu optimieren. Das ist freilich nichts grundlegend Neues, wenn man an zeitlich und regional schwankende Benzinpreise, Schlussverkäufe in Textilgeschäften oder etwa individuelle Rabatte denkt. Was sich allerdings im digitalen Zeitalter ändert, ist, dass Marktfaktoren berücksichtigt werden können, die ohne Computerunterstützung nur schwer kalkulierbar wären. Ein entscheidender Treiber für die individuelle Preisgestaltung ist auch, dass mit zunehmender Verbreitung digitaler Medien vermehrt personenspezifische Daten zur Verfügung stehen. In der digitalen Welt gibt es also – zumindest potenziell – eine viel fundiertere Grundlage für die Dynamisierung bzw. Personalisierung von Preisen. Solche Preisdifferenzierungen lassen sich beispielsweise entlang folgender Faktoren durchführen:
Einkaufszeitpunkt (hohe bzw. geringe Nachfrageperioden, saisonale Ereignisse, Kaufzeitpunkt bei zeitlich limitierten Produkten etc.)
Dringlichkeit (kurzfristige Buchungen, äußere Bedingungen wie z.B. Wetter) 26
Standort (lokale Konkurrenz, Wohnort etc.)
Vertriebskanal (Online-Vorteile, Landing Pages etc.)
Endgeräte (mobiles oder stationäres Endgerät, Hersteller etc.)
Kundenprofil (Internetnutzungsverlauf, vorhergehende Einkäufe, sozioökonomische Faktoren etc.)
Neben der Optimierung des Gesamterlöses kann Dynamic Pricing Unternehmen auch dabei helfen auf Angebote von Mitbewerbern zeitnah reagieren zu können oder Lagerbestände in einem optimierten Gleichgewicht zu halten. Ein weiteres Potenzial ist, dass in der Akquise mit technischen Marktanalyseverfahren potenzielle Kundengruppen definiert und mit abgestimmten Preisangeboten gezielt angesprochen werden können. Nicht zu unterschätzen für Unternehmen sind allerdings auch die Risiken. --„Die größte Herausforderung ist die Frage der Fairness aus der Sicht von Kundinnen und Kunden“ --Praxisbeispiele zeigen, dass es rasch zu Reputationsschäden kommen kann, wenn Kundinnen und Kunden das Gefühl haben, durch zu hohe Preise unfair behandelt worden zu sein. Die Dynamisierung und Personalisierung von Preisen auf Basis von Big Data-Analysen erfordern umfangreiches Know-how und große Investitionen, um im Worst Case nicht sogar nachteilige Effekte (z.B. unrentable Preise) zu erzielen. Die Rekrutierung entsprechend ausgebildeter Mitarbeiter gestaltet sich oft als sehr schwierig. Die derzeitige Praxis von Unternehmen lässt sich am ehesten als Experimentierphase beschreiben. Zu den derzeit häufigeren Erscheinungsformen von Dynamic Pricing gehören häufig geänderte Preise ohne Berücksichtigung individueller Kundenprofile – meist als Reaktion auf Preisänderungen der Mitbewerber. Weitergehende Preisdiskriminierungen sind für Unternehmen derzeit oft zu aufwendig oder es fehlt das erforderliche Know-how. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Trend zu einer individualisierten Preisgestaltung fortsetzen wird. Die stark variablen Mechanismen des Online-Pricing beeinflussen auch zunehmend den stationären Handel. In Supermärkten der Zukunft sollen Preise – so die noch teils spekulativen Ansätze – automatisiert und in Echtzeit an die jeweilige Einkaufssituation einzelner KonsumentInnen angepasst werden. Pricing-ExpertInnen bauen bereits heute auf eine derartige Entwicklung im stationären Handel und forcieren den Einsatz elektronischer Preisschilder und sogenannter Beacons, kleiner Chips, die via Bluetooth mit dem Smartphone der KundInnen interagieren. Aus rechtlicher Sicht ist die Individualisierung von Preisen unproblematisch, vorausgesetzt es werden Datenschutzbestimmungen, Diskriminierungsverbote sowie die Bestimmungen zur „Verkürzung über die Hälfte“ etc. eingehalten. Die größte Herausforderung in der Praxis ist wohl eine datenschutzrechtskonforme Implementierung. Detailinformationen/Publikation/Forschungsbericht: Studie „Dynamic Pricing – die Indiviudalisierung von Preisen im E-Commerce“ 27
Autoren: Thorsten Beherens (ÖIAT) Walter Bornett (KMFA) Matthias Jax (ÖIAT) Peter Luptáčik (IWI) Herwig Schneider (IWI)
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