FACHZEITSCHRIFT FÜR STEUERRECHT
JÄNNER 2014
01 www.taxlex.at
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Schwerpunkt
Das neue Abgabenverfahren Bescheidbeschwerde und Revision Das neue Verfahren vor dem BFG Säumnisbeschwerde und Fristsetzungsantrag Beschwerden gegen Maßnahmen der Finanzpolizei Umsatzsteuer
Neues zur umsatzsteuerlichen Organschaft Lohnsteuer & Sozialversicherung
e: Beilag -Werte V - und S Steuer 2014
Die Pendlerverordnung – eine erste Übersicht
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Finanzamt, BFG und VwGH – Schritt für Schritt erläutert
MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel +43 1 531 61 100 fax +43 1 531 61 455 bestellen@manz.at Kohlmarkt 16 ∙ 1014 Wien www.manz.at
EDITORIAL
Editorial SABINE KIRCHMAYR / MARKUS ACHATZ
W
enn Sie zu den treuen taxlex-Lesern zählen und diese Ausgabe in die Hand nehmen, werden Sie möglicherweise kleinere Veränderungen am Format der taxlex feststellen: Durch die letzten zehn Jahre hat die taxlex eine treue Anhängerschaft von Wirtschaftstreuhändern, aber auch von privaten und öffentlichen Unternehmungen erfahren. Die breite Streuung aktueller Themen wird hierbei als besonders wertvoll erachtet. Wir wollen die Aktualität und Streuung der Themen weiter erhöhen, zugleich aber auch durch eine Straffung der Rubriken die Profilschärfung und Fokussierung auf Kernbereiche des Steuerrechts unterstützen. Demgemäß sollen in den künftigen Heften als fixe Rubriken neben dem Editorial und dem bewährten Steuerradar die für das Unternehmenssteuerrecht zentralen Gebiete der Ertragsteuern und der Umsatzsteuer sowie der Lohnsteuer und Sozialversicherung abgedeckt werden. Daneben sind als variable Rubriken weiterhin die Betriebsprüfung in der Praxis, das Internationale Steuerrecht, das Abgabenverfahrens- und Finanzstrafrecht, das Umgründungssteuerrecht sowie die Gebühren und Verkehrsteuern vorgesehen. Das EU Tax Update wird künftig viermal im Jahr erscheinen. Die Profilschärfung findet auch in der Neuformierung des Redaktionsteams ihren Ausdruck: Wie bisher werden Universitätsprofessorin Dr. Sabine Kanduth-Kristen, Universitätsprofessorin Dr. Tina Ehrke-Rabel, Hofrat Mag. Roland Macho und Hofrat Gerhard Steiner sowie Dr. Stefan Steiger als Stützen der Redaktion fungieren. Neu
im Team sind mit Dr. Peter Unger ein Richter des Bundesfinanzgerichts sowie mit MMag. Michael Petritz ein weiterer hervorragender Steuerexperte. Die variablen Rubriken Betriebsprüfung in der Praxis und Internationales Steuerrecht werden wie bisher vom Duo Macho/Steiner betreut, für Lohnsteuer und Sozialversicherung ist wie bisher Dr. Steiger zuständig. Im Übrigen wird die Redaktion verstärkt daran arbeiten, im Kernbereich des Unternehmenssteuerrechts mit qualitativ hochwertigen Beiträgen für den schnellen Leser topaktuell zu informieren. Neben der fachlichen, qualitativen Profilschärfung werden wir uns künftig vermehrt auch um die Praxistauglichkeit der Beiträge bemühen. Checklisten, Praxisbeispiele und Übersichten sowie weiterführende Links finden sich schon in diesem Heft (vgl zB Seite 7 oder 42 f) und sollen die taxlex auch zukünftig zu einem unverzichtbaren täglichen Arbeitsbehelf gestalten. Die taxlex wird künftig elfmal im Jahr erscheinen, nämlich monatlich und mit einer Doppelnummer im Sommer für die Monate Juli/August. Zudem wird es pro Jahr drei Schwerpunkthefte zu wichtigen aktuellen Themen mit einem Umfang von mindestens 48 Seiten geben. Als Abonnent können Sie weiters die taxlex auch auf Ihrem iPad lesen – bereits vor Erscheinen der Print-Ausgabe. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre der ersten neuen taxlex viel Vergnügen und hoffen, dass Sie das neue Format anspricht. Wir werden uns auch in Zukunft bemühen, Ihren Anforderungen gerecht zu werden. Wir freuen uns daher auf Ihr Feedback.
taxlex 2014
1
INHALT FACHZEITSCHRIFT FÜR STEUERRECHT
JÄNNER 2014
01
FACHZEITSCHRIFT FÜR STEUERRECHT 10. JG. Heft 01, Jänner 2014
www.taxlex.at
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Zitiervorschlag: taxlex 2014, Seite taxlex 2014/Nummer
Schwerpunkt
Das neue Abgabenverfahren Bescheidbeschwerde und Revision Das neue Verfahren vor dem BFG Säumnisbeschwerde und Fristsetzungsantrag Beschwerden gegen Maßnahmen der Finanzpolizei
HERAUSGEBER: Manz’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH
SCHRIFTLEITUNG: Univ.-Prof. Dr. Markus ACHATZ, StB Univ.-Prof. Dr. Sabine KIRCHMAYR, StB
HR Mag. Roland MACHO Dr. Stefan STEIGER, StB HR Gerhard STEINER MMag. Michael PETRITZ, LL. M., TEP, StB Dr. Peter UNGER
REDAKTIONSTEAM: Univ.-Prof. Dr. Tina EHRKE-RABEL Univ.-Prof. Dr. Sabine KANDUTH-KRISTEN, LL. M., StB
Umsatzsteuer
Neues zur umsatzsteuerlichen Organschaft Lohnsteuer & Sozialversicherung
: Beilage Werte und SVSteuer- 2014
Die Pendlerverordnung – eine erste Übersicht
EDITORIAL 1
Editorial Sabine Kirchmayr / Markus Achatz
Impressum
U3
ABGABENVERFAHREN NEU
SCHWERPUNKT
4
Einführung einer Finanzgerichtsbarkeit: Paradigmenwechsel? Seit 1. 1. 2014 entscheiden Verwaltungsgerichte über Rechtsbehelfe gegen Abgabenbescheide. Sie fällen Erkenntnisse oder Beschlüsse und sind als Gerichte von der Verwaltung getrennt. Einen behördlichen Instanzenzug gibt es außerhalb der Landes- und Gemeindeabgaben nicht mehr.
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Umwandlung des UFS in das BFG Dieser Beitrag erläutert Organisation und Geschäftsverteilung des BFG sowie Neuerungen bei Rechtsmittelverfahren uns Revision. Christian Lenneis
Tina Ehrke-Rabel
Neue Verfahrensabläufe im Finanzrecht Die abgebildeten Grafiken zeigen die neuen Instanzenzüge im Abgabenverfahren und im Finanzstrafverfahren ab 1. 1. 2014.
7
Georg Eisenberger / Tina Ehrke-Rabel / Alexander Brenneis / Kathrin Bayer
Das neue Rechtsmittelverfahren aus der Sicht des Abgabepflichtigen Dieser Beitrag legt von der Einbringung der Bescheidbeschwerde bis zur Erhebung der Revision dar, was der Abgabepflichtige gegenüber der Abgabenbehörde, dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof bei Einbringung eines Rechtsmittels zu beachten hat.
9
Sandra Grill / Wiebke Peperkorn
Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts über die Bescheidbeschwerde Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht) hat mit 1. 1. 2014 den Unabhängigen Finanzsenat abgelöst und entscheidet nunmehr über Bescheid-, Säumnis- und Maßnahmenbeschwerden. Der Beitrag geht der Frage nach, auf welche Änderungen sich die Verfahrensparteien im Verfahren vor den neuen Verwaltungsgerichten im Anwendungsbereich der BAO einzustellen haben.
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Barbara Gunacker-Slawitsch
Säumnisbeschwerde und Fristsetzungsantrag im Abgabenverfahren Im Zuge der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde der Rechtsbehelf der Säumnisbeschwerde an den VwGH durch den Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrags abgelöst. Gleichzeitig hat das Abgabenverfahren eine gewissermaßen „neue Säumnisbeschwerde“ erhalten, die sich bei näherer Betrachtung als inhaltlich weitgehend unveränderter Ersatz für den Devolutionsantrag präsentiert.
24
Richard Kettisch / Marcus Schinnerl
Der verfahrensrechtliche Übergang vom Unabhängigen Finanzsenat zum Bundesfinanzgericht Seit 1. 1. 2014 wird das Bundesfinanzgericht als Beschwerdegericht anstelle des Unabhängigen Finanzsenats als Berufungsbehörde gegen Bescheide der Finanzämter bzw im Säumnisfall tätig. Damit verbunden ist ein vollständiger Übergang des Rechtsmittelverfahrens. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Übergangsszenarien dargestellt. 2
taxlex 2014
Michael Rauscher
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INHALT
Zuständigkeitsfragen bei Maßnahmenbeschwerden gem § 283 BAO
Im Rahmen des FinVwGG 2012 (BGBl I 2013/14) wurde mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2014 das – der BAO bislang fremde – Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde in § 283 BAO eingeführt. Wenngleich das Institut an sich nichts Neues ist, stellen sich für den Anwendungsbereich der BAO mehrere Zuständigkeitsfragen, zumal bei Beschwerden gegen Maßnahmen der Finanzpolizei. Dieser Beitrag bietet Antworten auf die grundsätzlichsten der vorliegenden Fragen.
32
Peter Unger
STEUER-RADAR 35
Steuer-Radar Christian Huber / Peter Pichler
ERTRAGSTEUERN 38
Sonderbetriebsausgaben bei Basispauschalierung möglich?
Der VwGH hat in einem jüngst ergangenen Erkenntnis die hA bestätigt, wonach im Sonderbetriebsvermögen die gleiche Gewinnermittlungsart gilt wie auf Ebene der Mitunternehmerschaft. Bei Anwendung der Pauschalierung iSd § 17 EStG sind zusätzliche (Sonder-)Betriebsausgaben auf Ebene der Gesellschafter nicht abzugsfähig. Jürgen Reinold
42
CHECKLISTE: Voraussetzungen für Basispauschalierung
Diese Checkliste erläutert die wichtigsten Begriffe zur Basispauschalierung. Jürgen Reinold
UMSATZSTEUER 44
EuGH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft: Besteht legistischer Anpassungsbedarf?
Im U C-85/11, Kommission/Irland, hat der EuGH entschieden, dass die Einbeziehung nichtsteuerpflichtiger Personen in eine „Mehrwertsteuergruppe“, die als ein Steuerpflichtiger behandelt wird, zulässig ist. In einer Serie weiterer Urteile v 25. 4. 2013 (Kommission/Niederlande; Kommission/Finnland; Kommission/Großbritannien und Kommission/Dänemark) hat der EuGH diese Rechtsauffassung wiederholt. Dies gibt Anlass, die nationale Rechtslage auf ihre Unionsrechtskonformität hin zu prüfen und allfällige praktische Auswirkungen zu untersuchen. Sabine Kanduth-Kristen
INTERNATIONALES STEUERRECHT 47
Sind der VwGH und die Finanzgerichte noch am Puls der Zeit?
Dieser Beitrag stellt einerseits Kriterien für die Begründung der Ansässigkeit im DBA-Recht anhand einer VwGH-Entscheidung – mit überraschendem Ergebnis – dar. Andererseits setzt er sich kritisch mit einer kürzlich ergangenen UFS-Entscheidung iVm dem Verlangen der Behörde, die Hintermänner einer Domizilgesellschaft namhaft zu machen, auseinander. Roland Macho / Gerhard Steiner
EU TAX UPDATE EU Tax Update – Jänner 2014 Harald Moshammer / Jutta Niedermair
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STEUERKARUSSELL Veranstaltungsvorankündigung – 19. Finanzstrafrechtliche Tagung in Linz
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FINANZSTRAFRECHT Finanzstrafrechtlicher Rechtsprechungs- und Literaturüberblick mit Anmerkungen (Teil 2) Roman Leitner / Rainer Brandl
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LOHNSTEUER & SOZIALVERSICHERUNG Die Pendlerverordnung – eine erste Übersicht
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Mit 19. 9. 2013 wurde mit dem BGBl II 2013/276 die Pendlerverordnung veröffentlicht. Mit dieser Verordnung werden großteils die bisherigen Regelungen der Lohnsteuer-Richtlinien, die für den Steuerpflichtigen nur Infocharakter haben (hatten), in eine Verordnung übergeführt. Dieser Beitrag bietet eine Übersicht mit den wichtigsten Infos zur Verordnung. Stefan Steiger taxlex 2014
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SCHWERPUNKT
ABGABENVERFAHREN NEU
BFGG
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taxlex 2014
Umwandlung des UFS in das BFG Zum Zeitpunkt, zu dem Sie dieses Heft in Händen halten, ist die Metamorphose des Unabhängigen Finanzsenats in das Bundesfinanzgericht bereits vollzogen. Es freut mich daher, Sie als Vizepräsident des größten Gerichts Österreichs begrüßen zu dürfen – misst man dies an der Zahl der Richterinnen und Richter, die derzeit 223 beträgt. CHRISTIAN LENNEIS
A. Einleitung In organisatorischer Hinsicht ist der Aufbau des BFG im Verhältnis zum UFS in den wesentlichen Eckpunkten unverändert geblieben. Die Erläuterungen zum Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG BGBl I 2013/14) sprechen auch ausdrücklich von der „Beibehaltung und Nutzung bewährter Strukturen des unabhängigen Finanzsenates.“ So ist die Anzahl der Außenstellen gleich geblieben, mit dem einzigen Unterschied, dass die Außenstelle Wien weggefallen ist und nunmehr den Sitz des BFG darstellt. Wie bisher soll also das Recht zum Steuerzahler kommen und nicht der Steuerzahler weite Anreisewege in Kauf nehmen müssen. Verschiedene Kompetenzen sind von der Vollversammlung auf die Ausschüsse übergegangen, wobei hiervon insb der Geschäftsverteilungsausschuss und der Personalsenat zu nennen sind.
B. Geschäftsverteilung Völlig neu ist allerdings die nunmehr erforderliche feste Geschäftsverteilung: Wurden bisher die Akten von den Senatsvorsitzenden auf die Referentinnen und Referenten der jeweiligen Senatsgruppe „unter Beachtung der Gleichmäßigkeit der Arbeitsbelastung und der Verwaltungsökonomie“ (§ 270 Abs 3 BAO aF) aufgeteilt, sind nunmehr nach § 13 Abs 1 BFGG die vom BFG „zu besorgenden Geschäfte“, insb also die einlangenden Beschwerden, durch den Geschäftsverteilungsausschuss auf die Einzelrichterinnen und Einzelrichter und die Senate für jeweils ein Kalenderjahr im Voraus zu verteilen. Dass dies für die oben bereits angeführten 223 Richterinnen und Richtern, die auf den Sitz und sechs Außenstellen verteilt sind, keine leichte Aufgabe ist, liegt auf der Hand. Dennoch ist es uns gelungen, bisher bestehende Spezialisierungen aufrecht zu erhalten und damit auch dem Gesetzesauftrag des § 13 Abs 6 BFGG nachzukommen, Rechtssachen nach fachlichen Bezügen zusammenzufassen. Bei Aufteilung der Beschwerden auf die in Betracht kommenden Einzelrichterinnen und Einzelrichter und die Senate können wir uns des bereits in der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingesetzten elektronischen Aktenverteilungssystems (AVS) bedienen, das für eine gleichmäßige Zuteilung der Fälle pro Spezialgebiet sehr gut geeignet ist. Die Geschäftsverteilung kann vom Geschäftsverteilungsausschuss aber auch während eines Kalenderjahres im Voraus geändert werden, wenn wichtige
Gründe wie etwa Veränderungen im Personalstand oder Überlastung einzelner Richterinnen und Richter oder Senate vorliegen (§ 13 Abs 9 BFGG). Weiters kann der Geschäftsverteilungsausschuss Rechtssachen Einzelrichterinnen, Einzelrichtern oder Senaten abnehmen, wenn diese verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert sind (§ 9 Abs 9 BFGG).
C. Neues Rechsmittelverfahren Weiters wurden zugleich mit der Schaffung des BFG insb auch im Bereich des Beschwerdeverfahrens umfangreiche Änderungen der BAO vorgenommen, die nicht bloß terminologischer Natur sind. Zu nennen ist hier insb die grds verpflichtende Beschwerdevorentscheidung, die nunmehr auch bei Formalerledigungen (zB Zurückweisung von Beschwerden) zu erlassen ist. Ferner seien die formalisierte Aktenvorlage durch die Abgabenbehörden sowie die Maßnahmenbeschwerde und die Änderungen im Bereich der Säumnisbeschwerde erwähnt. Auf all dies wird in dieser Ausgabe noch näher eingegangen.
D. Revisionsmodell In Hinkunft kann der VwGH nach Art 133 Abs 4 B-VG nur dann angerufen werden, wenn die Revision „von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insb weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.“ Im Erkenntnis bzw im Beschluss hat das BFG mit kurzer Begründung darüber abzusprechen, ob die Revision zulässig ist. Wird dies verneint, besteht nur mehr die Möglichkeit, eine so genannte außerordentliche Revision einzubringen. Dies bedeutet, dass das BFG in vielen Fällen de facto letztinstanzlich entscheiden wird. Wir sind uns dieser Verantwortung in vollem Umfang bewusst. Ich will allerdings darauf hinweisen, dass bereits seit dem 1. 7. 2012 der VwGH nach § 33 a VwGG unter ähnlichen Voraussetzungen die Behandlung einer Beschwerde ablehnen konnte und von diesem Recht auch in durchaus beachtlichem Umfang, und zwar bereits in rund 230 Fällen, Gebrauch gemacht hat. Dr. Christian Lenneis ist seit 1. 1. 2014 Vizepräsident des Bundesfinanzgerichts.
Dies zeigt, dass bereits die Entscheidungen des UFS ein hohes Niveau aufgewiesen haben. Der Schritt zu einem Gericht ist somit kein allzu großer. Wenn ich daher eingangs von „Metamorphose“ gesprochen habe, dann sicher nicht im Sinne der Umwandlung einer Raupe in einen
Schmetterling. Vielleicht aber können wir noch einige bunte Tupfen auf unseren Flügeln dazugewinnen. Ich heiße Sie daher herzlich im Zeitalter der Verwaltungsgerichte, insb des Bundesfinanzgerichts, willkommen!
Einführung einer Finanzgerichtsbarkeit: Paradigmenwechsel? Seit 1. 1. 2014 entscheiden Verwaltungsgerichte über Rechtsbehelfe gegen Abgabenbescheide. Sie fällen Erkenntnisse oder Beschlüsse und sind als Gerichte von der Verwaltung getrennt. Einen behördlichen Instanzenzug gibt es außerhalb der Landes- und Gemeindeabgaben nicht mehr. TINA EHRKE-RABEL
Das langjährige Projekt „Verwaltungsreform“1) ist mit 1. 1. 2014 insofern Wirklichkeit geworden, als das Rechtsschutzverfahren in Verwaltungssachen völlig neu gestaltet wurde. Den Grundstein dafür hat die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 20122) in der Verfassung gelegt. Damit wurde der administrative Instanzenzug in Verwaltungssachen, ausgenommen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden, abgeschafft. Unter dem Titel „Verwaltungsgerichtsbarkeit“ wird in den Art 129 bis 136 B-VG das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (VwG) und jenes vor dem VwGH geregelt. Das B-VG richtet einerseits die VwG ein, legt fest, über welche Art von Beschwerden diese Gerichte entscheiden, und trifft Grundsatzanordnungen betreffend das Verfahren vor diesen Gerichten. Für die bundesrechtlich geregelten Abgaben wird in Zukunft das Bundesfinanzgericht (BFG) Rechtsschutz gewährleisten, für die landesrechtlich geregelten Abgaben sind es – so nicht ein Landesgesetzgeber die diesbezügliche Kompetenz auf das BFG überträgt3) – die Landesverwaltungsgerichte (LVwG). Anders als in allgemeinen Verwaltungssachen ist das Gerichtsverfahren in Abgabensachen nicht in einem eigenen Gesetz, sondern schlicht in einem Gesetz zu regeln (Art 136 Abs 2 B-VG). Die Einrichtung des BFG erfolgte somit über das Bundesfinanzgerichtsgesetz (kurz: BFGG),4) für die LVwG gelten die einschlägigen Landesgesetze. Das Verfahren vor diesen Gerichten – sowohl in Angelegenheiten der Bundes- als auch der Landes- und Gemeindeabgaben – regelt die BAO.5) Damit werden das behördliche Abgabenverfahren und das Gerichtsverfahren in Abgabensachen in demselben Gesetz geregelt. Sieht die BAO keine besonderen Rege-
lungen vor, so gelten im Gerichtsverfahren auch dieselben Bestimmungen wie im behördlichen Verfahren (§ 2 a BAO). Trotz der Regelung von behördlichem und gerichtlichen Abgabenverfahren in ein- und demselben Gesetz hat sich etwas grundlegend geändert: Über Rechtsbehelfe gegen Abgabenbescheide entscheidet nicht mehr eine Behörde, die mit einzelnen richterlichen Garantien ausgestattet ist, sondern ein von der Behörde unabhängiges echtes Gericht. Dieses Gericht ist zwar nicht der Justiz zuzurechnen, sondern ist ein eigenes VwG, das auch den Besonderheiten des Verwaltungsrechts angepasst ist,6) aber in seiner Funktion steht es den Parteien des Gerichtsverfahrens, dh dem Abgabepflichtigen als Beschwerdeführer Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel leitet das Institut für Finanzrecht der Karl-Franzens-Universität Graz, lehrt und forscht ebendort. 1) Nachweise zur Entwicklung bei Merli, Rechtsschutz neu – die Verwaltungsgerichte, in Österreichische Juristenkommission (Hrsg), Der Österreich-Konvent – Zwischenbilanz und Perspektiven (2004) 174. 2) BGBl I 2012/51. 3) Nach Art 131 Abs 5 B-VG kann durch Landesgesetz vorgesehen werden, dass bestimmte Rechtssachen in Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder in die Zuständigkeit der Bundesverwaltungsgerichte fallen. Derartige Gesetzesbeschlüsse unterliegen einem Vetorecht des Bundes (Art 131 Abs 5 iVm Art 97 Abs 2 B-VG). So könnte der Rechtsschutz in Angelegenheiten der Landesund Gemeindeabgaben auf das Bundesfinanzgericht übertragen werden. Vgl dazu Mühlberger/Pilz/Ratgeber, Die Abgabenordnung2 (2013). 4) BGBl I 2013/14. 5) Insb §§ 243 ff BAO; idF Finanzverwaltungsgerichtsgesetz 2012 BGBl 2013/14. 6) Vgl dazu Jantscher, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren zwischen Partei- und Inquisitionsprozess, in Ehrke-Rabel/Merli, Die Rolle der belangten Behörde im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (in Druck).
SCHWERPUNKT
ABGABENVERFAHREN NEU
Art 129 ff B-VG; Art 6 EMRK; Art 47 EU-GRC Waffengleichheit
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kommen, dessen Beschwerde auf die Lösung von Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung abzielt. Das verlangt vom Bf, sich bereits bei der Verfassung seiner Beschwerde über Argumente Gedanken zu machen, die eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung in seinem Fall begründen.11) Und auch die VwG müssen dazu Position beziehen, denn sie sind es, die die ordentliche Revision für zulässig erklären oder eben nicht. 7) Vgl VwGH 19. 3. 2013, 2012/15/0021; VfGH 14. 3. 2012, U 466/ 11 ua Slg 19.632; Zorn, Überlegungen zu den unionsrechtlichen Grundrechten, ÖStZ 2013/572, 342. 8) Vgl im Detail Merli/Ehrke-Rabel, Die belangte Behörde in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit – Vergleich und Bewertung, in Ehrke-Rabel/Merli (Hrsg), Die Rolle der belangten Behörde im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (in Druck). 9) Vgl Gunacker-Slawitsch, Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen Rz III/50. 10) Dazu im Detail Merli/Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel/Merli (in Druck). 11) Vgl Grill/Kettisch, Das Verfahren vor dem VwGH, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen Rz IV/6 f. SCHLUSSSTRICH
Die Verwaltungsgerichtsnovelle hat einiges verändert – es ist nicht nur zum Austausch der Türschilder beim UFS gekommen. Wie wir alle damit leben werden, bleibt mit Spannung abzuwarten.
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(Bf) und der belangten Behörde (belBeh), äquidistant gegenüber. Die neuen Verwaltungsgerichte haben angesichts der Anwendbarkeit von Art 47 der EU-Grundrechtecharta auf die unionsrechtlich determinierten Bereiche des Verwaltungsrechts7) das Grundrecht auf ein faires Verfahren im Verständnis des Art 6 EMRK zu verbürgen.8) Das neue Verfahrensrecht trägt diesem Postulat in weiten Teilen Rechnung, gelebt muss es aber erst werden. Dabei wird va dem Grundsatz Waffengleichheit dort Rechnung zu tragen sein, wo das Gesetz der belBeh als Partei im Verhältnis zum Abgabepflichtigen als Bf eine gewisse Sonderstellung einräumt: So wird etwa das Recht, die belBeh mit ergänzenden Ermittlungen zu beauftragen, mit Bedachtsamkeit einzusetzen sein.9) Dabei ist darauf zu achten, dass das Gericht die Ermittlungsergebnisse der Behörde selbst und umfassend würdigt. Bestimmte Ermittlungen werden aufgrund ihrer Eigenart (etwa die Einvernahme von Zeugen) nicht an die belBeh delegierbar sein, ohne die Unparteilichkeit des Gerichts und die Fairness des Verfahrens in Frage zu stellen. Auch das Absehen von der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen wegen entgegenstehender wesentlicher Interessen der Amtspartei (§ 23 Abs 3 BFGG) wird mit Maß und Ziel einzusetzen sein, um nicht die Öffentlichkeit als Instrument der Kontrolle von Gerichten in bedenklicher Weise auszuschalten.10) Neu ist auch, dass der Zugang zum VwGH beschränkt werden soll. Zum VwGH soll nur derjenige
SCHWERPUNKT
ABGABENVERFAHREN NEU
Neue Verfahrensabläufe nachstehenden Grafiken zeigen die neuen im Finanzrecht Die Instanzenzüge im Abgabenverfahren und im Finanzstrafverfahren ab 1. 1. 2014.1) GEORG EISENBERGER / TINA EHRKE-RABEL / ALEXANDER BRENNEIS / KATHRIN BAYER
Abbildung 1
Prof. (TU Graz eh) Dr. Georg Eisenberger ist Partner bei der Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH; Mag. Alexander Brenneis und Mag. Kathrin Bayer sind Rechtsanwaltsanwärter in derselben Kanzlei. Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel leitet das Institut für Finanzrecht der Karl-Franzens-Universität Graz, lehrt und forscht ebendort. 1) Die Schaubilder stellen den Regelfall dar, auf abweichende Regelungen in den Materiengesetzen ist zu achten.
SCHWERPUNKT
ABGABENVERFAHREN NEU
Grafik Verfahrensablauf Finanzstrafverfahren und Abgabenverfahren
taxlex 2014
7
SCHWERPUNKT
ABGABENVERFAHREN NEU
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taxlex 2014
Abbildung 2
SCHLUSSSTRICH
Zu den neuen Verfahrensabläufen im Öffentlichen Recht und Umweltrecht (Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, Revision an den VwGH, Mittelbare
Bundesverwaltung, UVP-Verfahren, Säumnisschutz und Verwaltungsstrafverfahren) s Eisenberger et al, ÖJZ 2014/8, 53.
Das neue Rechtsmittelverfahren aus der Sicht des Beitrag legt von der Einbringung Abgabepflichtigen Dieser der Bescheidbeschwerde bis zur Erhebung der Revision dar, was der Abgabepflichtige gegenüber der Abgabenbehörde, dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof bei Einbringung eines Rechtsmittels zu beachten hat. SANDRA GRILL / WIEBKE PEPERKORN
A. Bescheidbeschwerde 1. Einleitung Bescheide, die von einer Abgabenbehörde (AbgBeh) erlassen wurden, können mittels Bescheidbeschwerde gem § 243 BAO bekämpft werden. Damit tritt mit 1. 1. 2014 das ordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde an die Stelle der bisherigen Berufung. Die formellen sowie materiellen Voraussetzungen zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde haben sich jedoch im Vergleich zur Erhebung einer Berufung im Wesentlichen nicht geändert,1) wenngleich es im Detail durchaus Neuerungen gibt.
2. Die Einbringung der Bescheidbeschwerde Bei Erhebung einer Bescheidbeschwerde hat der rechtsschutzsuchende Abgabepflichtige (AbgPfl) folgende Punkte zu beachten: a) Beschwerdelegitimation Berechtigt zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde ist zunächst jeder, an den der anzufechtende Bescheid ergangen ist (§ 246 Abs 1 BAO). Die Person, die Bescheidbeschwerde erheben will, muss daher im Spruch des anzufechtenden Bescheids genannt sein (§ 93 Abs 2 BAO); ferner muss ihr der Bescheid auch nach § 97 BAO bekanntgegeben worden sein.2) Gegen Feststellungsbescheide sowie Grundsteuermessbescheide kann darüber hinaus jeder Bescheidbeschwerde erheben, gegen den diese Bescheide nach § 191 Abs 3 bis 5 und § 194 Abs 5 BAO wirken (§ 246 Abs 2 BAO). Zu beachten ist, dass Haftungspflichtige nicht nur gegen den an sie ergangenen Haftungsbescheid, sondern auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde erheben können (§ 248 BAO). Die BAO sieht zudem das Recht vor, der Bescheidbeschwerde eines anderen beizutreten (§§ 257 ff BAO). Zum Beitritt berechtigt ist, wer nach den Abgabenvorschriften für jene Abgabe, die den Gegenstand des angefochtenen Bescheids bildet, als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger in Betracht kommt (§ 257 Abs 1 BAO). Der Beitritt setzt eine Beitrittserklärung voraus, die ab 1. 1. 2014 nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich eingebracht werden kann (§ 258 Abs 1 BAO).3) In diesem Fall ist die Erklärung in einer Niederschrift festzuhalten (§ 87 Abs 1 iVm § 85 Abs 3 lit a BAO).4) Durch die Möglichkeit eines
Beitritts wird jenen Personen, die von diesem Recht Gebrauch machen, Parteistellung sowie die Möglichkeit eingeräumt, Einwendungen vorzubringen, die sie ansonsten erst nach ihrer Inanspruchnahme als Beschwerdeführer (Bf) vorbringen könnten.5) Damit kommen dem Beigetretenen dieselben Rechte wie dem Bf zu (§ 257 Abs 2 BAO), wie insb das Recht auf Parteiengehör,6) das Recht auf Akteneinsicht sowie das Recht, einen Vorlageantrag zu stellen.7) , 8) Ist die Person, die eine Bescheidbeschwerde bei der AbgBeh einbringt, nicht zur Einbringung einer solchen legitimiert, ist die Bescheidbeschwerde durch die AbgBeh mittels Beschwerdevorentscheidung als unzulässig zurückzuweisen (§ 260 Abs 1 lit a BAO). b) Beschwerdefrist Die Bescheidbeschwerde ist innerhalb eines Monats (§ 245 BAO) ab Bekanntgabe des Bescheids (§ 109 iVm § 97 BAO) einzubringen.9) IdR kommt es dafür auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids an (§ 97 Abs 1 lit a BAO). In bestimmten Fällen beginnt die Beschwerdefrist trotz Zustellung nicht zu laufen: So etwa, wenn ein Bescheid die Ankündigung enthält, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird. Hier beginnt die Beschwerdefrist nicht vor dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die angekündigte Begründung bekanntgegeben oder mitgeteilt wird, die Ankündigung sei als gegenstandslos zu betrachten (§ 245 Abs 1 BAO). Dies gilt mit 1. 1. 2014 sinngemäß, wenn der Bescheid auf eiMag. Sandra Grill und Mag. Wiebke Peperkorn sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Finanzrecht der Karl-Franzens-Universität Graz. Die Autorinnen bedanken sich bei Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel für die kritische Durchsicht des Manuskripts. 1) Fellner/Peperkorn, Die Einbringung des Rechtsmittels und das Verfahren bei der Abgabenbehörde, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) Rz II/1. 2) Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar4 (2011) § 246 Tz 2. 3) Auch Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich (2013) § 258 BAO 215. 4) Auch Fischerlehner, Das neue Abgabenverfahren (2013) § 258 BAO Anm 1. 5) Ritz, BAO4 § 257 Tz 1. 6) VwGH 10. 12. 1997, 95/13/0078. 7) VwGH 28. 6. 1995, 93/16/0030. 8) Zur Beschwerdelegitimation s außerdem auch Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/4 ff. 9) Auch etwa Ritz, BAO4 § 245 Tz 4.
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§§ 243 ff BAO; §§ 24 ff VwGG
Bescheidbeschwerde; Revision
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nen noch nicht bekannt gegebenen Außenprüfungsbericht (§ 150 BAO) verweist.10) Mit Einführung dieser neuen Bestimmung wurde den Bedenken von Lenneis11) Rechnung getragen.12) Ebenso beginnt der Fristenlauf nicht, wenn der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Beschwerdefrist enthält oder im Bescheid zu Unrecht erklärt wird, dass die Erhebung eines Rechtsmittels unzulässig sei (§ 93 Abs 4 BAO). In diesen Fällen, in denen die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt, ist der Bf allerdings nicht daran gehindert, dennoch Bescheidbeschwerde zu erheben. Die AbgBeh darf sie nicht deshalb als unzulässig zurückweisen, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde (§ 260 Abs 2 BAO). Wird in einem Bescheid eine kürzere oder längere als die Ein-Monats-Frist nach § 245 BAO angegeben, gilt im Fall der angegebenen kürzeren Frist die gesetzliche, im Fall der angegebenen längeren Frist die längere Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde (§ 93 Abs 5 BAO). Die Ein-Monats-Frist nach § 245 BAO ist auf Antrag aus berücksichtigungswürdigen Gründen, wenn notwendig auch mehrmals, zu verlängern (§ 245 Abs 3 BAO). Die Entscheidung über den Antrag steht ab 1. 1. 2014 nicht mehr im Ermessen der AbgBeh.13) Durch den Fristverlängerungsantrag wird die Beschwerdefrist gehemmt (§ 245 Abs 3 BAO). Die Hemmung beginnt mit dem Tag, an dem der Fristverlängerungsantrag eingebracht wurde, und endet idR mit jenem Tag, an dem über den Fristverlängerungsantrag entschieden wird. Die Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft (§ 245 Abs 4 BAO). Über den beantragten Fristverlängerungszeitraum hinaus kann die Frist daher jedenfalls nicht gehemmt werden.14) Haftungspflichtige sind berechtigt, innerhalb der Frist zur Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid auch Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch zu erheben (§ 248 BAO). Beitretende können von ihrem Beitrittsrecht Gebrauch machen, sofern noch nicht rechtskräftig über die Bescheidbeschwerde entschieden wurde (§ 257 Abs 1 BAO). Wird die Bescheidbeschwerde nach Ablauf der Frist eingebracht, ist die Bescheidbeschwerde durch die AbgBeh mittels Beschwerdevorentscheidung als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen (§ 260 Abs 1 lit b BAO). c) Einbringungsort Der Bf hat die Bescheidbeschwerde bei jener AbgBeh einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat (§ 249 Abs 1 BAO). Dasselbe gilt für Beitrittserklärungen (§ 258 Abs 1 BAO). Wird in einem Bescheid keine oder eine falsche AbgBeh angegeben, bei der die Bescheidbeschwerde einzubringen ist, ist die Bescheidbeschwerde sowohl bei der AbgBeh, die den Bescheid erlassen hat, als auch bei der im Bescheid angegebenen AbgBeh richtig eingebracht (§ 93 Abs 6 BAO). Haftungspflichtige können die Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid über den Abgabenan-
spruch auch bei jener AbgBeh, die den Haftungsbescheid erlassen hat, erheben (§ 249 Abs 2 BAO). Wird die Bescheidbeschwerde innerhalb der EinMonats-Frist irrtümlich beim Verwaltungsgericht (VwG) eingebracht, gilt dies ebenso als rechtzeitige Einbringung. Das VwG ist jedoch verpflichtet, die Bescheidbeschwerde der zuständigen AbgBeh unverzüglich weiterzuleiten (§ 249 Abs 1 BAO). d) Form der Bescheidbeschwerde Die Bescheidbeschwerde ist idR schriftlich einzubringen (§ 85 Abs 1 BAO).15) Nach § 86 a Abs 1 BAO können schriftliche Anbringen auch telegraphisch, fernschriftlich und, sofern dies durch V des BMF zugelassen wird, auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung eingebracht werden. Nach § 86 a Abs 2 lit a BAO kann der (die) BMF durch Verordnung iSd Abs 1 Satz 1 leg cit bestimmen, unter welchen Voraussetzungen welche Arten der Datenübertragung an AbgBeh16) zugelassen sind. Auf dieser Gesetzesgrundlage sind zum einen die FOnV 2006,17) zum anderen die V über die Zulassung von Telekopierern18) ergangen.19)
Die Bescheidbeschwerde ist, sofern es sich nicht um ein Anbringen nach § 86 a BAO handelt,20)
10) Dazu Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit § 245 BAO 208; Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/10. 11) Lenneis (Beginn der Rechtsmittelfrist bei nachträglicher Zustellung des Betriebsprüfungsberichtes, RdW 1999, 618) äußerte Bedenken gegen ein Erk des VwGH (16. 12. 1998, 93/17/0307), in dem der GH die Auffassung vertrat, dass die Rechtsmittelfrist auch bei einem Hinweis im Bescheid, dass der Betriebsprüfungsbericht nachfolgt, bereits mit Zustellung des Bescheids zu laufen beginnt. 12) ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 17. 13) Bisher sah § 245 Abs 3 BAO eine „Kann“-Bestimmung vor; so auch Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit § 245 BAO 208; Moser/Lenneis, Der UFS wird zum Bundesfinanzgericht – das UFSjournal zum BFGjournal, UFSjournal 2013, 382 (387); Houf, Eine neue Verwaltungsgerichtsbarkeit, persaldo 2013 Heft 3, 10 (13). 14) Ebenso Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/12. 15) Zu beachten ist allerdings § 85 Abs 3 lit b und c BAO, wonach eine mündliche Einbringung nur dann zulässig ist, wenn dies entweder für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist oder dem Einschreiter die Schriftform nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann (dazu auch Ritz, BAO4 § 243 Tz 3). 16) Bzw nach dem Entwurf zum AbgÄG 2014 auch an das VwG. 17) Verordnung des BMF über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (FinanzOnline-Verordnung 2006; BGBl II 2006/ 97 idF BGBl II 2012/373). 18) Verordnung des BMF über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an die Finanzlandesdirektionen sowie an die Finanzämter und Zollämter (BGBl 1991/494 idF BGBl II 2002/395). 19) Die Eingabe per E-Mail ist jedoch unzulässig (VwGH 27. 9. 2012, 2012/16/0082; 25. 1. 2006, 2005/14/0126). 20) Zwar sind auch in diesen Fällen die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen grds anzuwenden, allerdings stellt das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel dar (§ 86 a Abs 1 Satz 3 BAO). Die AbgBeh kann jedoch, sofern sie es nach der Wichtigkeit des Anbringens für zweckmäßig hält, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens innerhalb einer bestimmten Frist auftragen. Dabei hat sie darauf hinzuweisen, dass bei fruchtlosem Ablauf dieser Frist das Anbringen für zurückgenommen zu erklären ist (§ 86 a Abs 1 letzter Satz BAO).
vom Bf zu unterschreiben.21) Der Bezeichnung als „Bescheidbeschwerde“ bedarf es nicht.22) Weist die eingebrachte Bescheidbeschwerde ein Formgebrechen auf, hat die AbgBeh dem Bf aufzutragen, die Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben (§ 85 Abs 2 BAO).23) Die Frist ist auf Antrag bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe, erforderlichenfalls auch mehrmals, zu verlängern. Ab 1. 1. 2014 kommt auch diesem Fristverlängerungsantrag ausdrücklich fristhemmende Wirkung zu (§ 245 Abs 5 iVm Abs 3 BAO).24) Die Hemmung des Fristenlaufs beginnt mit dem Tag, an dem der Antrag auf Fristverlängerung eingebracht wird, und endet mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Bf zugestellt wird (§ 245 Abs 5 iVm Abs 4 BAO). Kommt der Bf dem Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nach, hat die AbgBeh die Bescheidbeschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung für zurückgenommen zu erklären (§ 85 Abs 2 iVm § 263 Abs 1 lit b BAO). e) Inhalt der Bescheidbeschwerde Die Bescheidbeschwerde hat nach § 250 Abs 1 BAO vier Punkte zu beinhalten: & Die Bezeichnung des Bescheids, gegen den sich die Bescheidbeschwerde richtet (lit a leg cit): Aus dem Inhalt der Bescheidbeschwerde muss sich zum einen ergeben, wogegen sich die Beschwerde richtet, zum anderen darf für die AbgBeh aufgrund des Vorbringens des Bf aber auch kein Zweifel darüber bestehen, welcher Bescheid angefochten werden soll;25) & die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (lit b leg cit); & die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (lit c leg cit): Die AbgBeh soll klar erkennen können, welche Unrichtigkeit der Bf dem Bescheid anlastet und beseitigt wissen will.26) Das Vorbringen, die Abgaben seien unrichtig festgesetzt worden, wäre daher nicht ausreichend;27) & eine Begründung (lit d leg cit): Durch eine Begründung soll die AbgBeh erfahren, aus welchen Gründen der f das Beschwerdebegehren für gerechtfertigt bzw erfolgversprechend hält.28) Erfüllt der Bf eines oder mehrere dieser Kriterien nicht, hat die AbgBeh einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen, dem der Bf innerhalb einer bestimmten Frist nachzukommen hat (§ 85 Abs 2 BAO).29) Allenfalls ist die Bescheidbeschwerde durch die AbgBeh mittels Beschwerdevorentscheidung für zurückgenommen zu erklären (§ 85 Abs 2 iVm § 263 Abs 1 lit b BAO). In der Bescheidbeschwerde, spätestens jedoch im Vorlageantrag, kann der Bf die Entscheidung des VwG durch den Senat sowie eine mündliche Verhandlung beantragen. Auch der Beitretende kann die Entscheidung durch Senat sowie eine mündliche Verhandlung verlangen, sofern er dies in seiner Beitrittserklärung beantragt (§ 272 Abs 2 Z 1 und § 274 Abs 1 Z 1 BAO). Ein Antrag in einem einen inhaltlichen Mangel behebenden30) bzw ergänzenden Schreiben vermittelt weder ein subjektives Recht auf Entscheidung durch einen Senat noch ein solches auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.31)
Mit 1. 1. 2014 können solche Anträge auch dann gestellt werden, wenn ein Bescheid gem § 253 BAO an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheids tritt. Nach § 253 BAO gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Der Bf kann den Antrag auf Entscheidung durch Senat oder eine mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) des späteren (an die Stelle des früheren tretenden) Bescheids stellen (§ 272 Abs 2 Z 1 lit d sowie § 274 Abs 1 Z 1 lit d BAO). Beispiel: Während eines anhängigen Gerichtsverfahrens hebt die AbgBeh nach Maßgabe des § 300 BAO32) den angefochtenen Bescheid auf und erlässt einen Ersatzbescheid. Gem § 253 BAO gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den Ersatzbescheid gerichtet. Der Bf kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Ersatzbescheids einen Antrag auf mündliche Verhandlung bzw auf Senatsentscheidung stellen.
f) Wirkung der Bescheidbeschwerde Die Einbringung einer Bescheidbeschwerde entfaltet keine aufschiebende Wirkung. Die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheids wird daher nicht gehemmt und die zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten (§ 254 BAO). Der Bf kann jedoch – wie bisher – einen Antrag auf Aussetzung nach Maßgabe des § 212 a Abs 1 BAO stellen. Möglich ist dies bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (§ 212 a Abs 3 BAO).33) Die Entscheidung über den Ablauf der Aussetzung erfolgt durch die AbgBeh entweder anlässlich einer 21) § 85 Abs 2 BAO e contrario; die Unterschrift ist aber ohnehin deshalb erforderlich, um den Beschwerdeführer eindeutig auch als Absender zu identifizieren (vgl dazu VwGH 3. 10. 2013, 2012/06/0229). Ist eine Bescheidbeschwerde nicht unterschrieben, kann dieser Mangel im Zuge eines Mängelbehebungsauftrags nach § 85 Abs 2 BAO korrigiert werden. 22) Ritz, BAO4 § 243 Tz 5. 23) Die Erlassung eines Mängelbehebungsauftrags steht, sofern die Voraussetzungen des § 85 Abs 2 BAO erfüllt sind, nicht im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl etwa VwGH 18. 12. 1987, 85/17/0082; 7. 7. 2011, 2010/15/0024). 24) ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 17; zur Hemmung s auch Fellner/ Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/37. 25) VwGH 21. 9. 2006, 2006/15/0042; 24. 6. 2009, 2007/15/0041. 26) VwGH 27. 6. 2013, 2010/15/0213; 28. 5. 2008, 2008/15/0123; 15. 11. 2005, 2004/14/0108. 27) VwGH 17. 9. 1996, 92/14/0081; VwGH 27. 6. 2013, 2010/15/ 0213. 28) Ritz, BAO4 § 250 Tz 14; Stoll, Bundesabgabenordnung Kommentar (1994) 2575 f; VwGH 27. 6. 2013, 2010/15/0213; 31. 5. 2011, 2008/15/0331; 28. 5. 2008, 2007/15/0246; 21. 1. 2004, 99/13/ 0120. 29) Die Erlassung eines Mängelbehebungsauftrags steht, sofern die Voraussetzungen des § 85 Abs 2 BAO erfüllt sind, nicht im Ermessen (vgl etwa VwGH 18. 12. 1987, 85/17/0082; 7. 7. 2011, 2010/15/ 0024). 30) VwGH 28. 5. 2009, 2008/15/0046. 31) VwGH 24. 3. 2009, 2006/13/0156; zur mündlichen Verhandlung auch VwGH 23. 11. 2011, 2008/13/0090; 27. 3. 2008, 2004/13/ 0141; 17. 10. 2007, 2004/13/0180; Gunacker-Slawitsch, Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) Rz III/22, III/29; Fischerlehner, Abgabenverfahren § 272 BAO Anm 3, § 274 BAO Anm 2. 32) Siehe dazu Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rz III/66 ff. 33) Zum Aussetzungsantrag ausführlich Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/19 ff.
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über die Beschwerde ergehenden Beschwerdevorentscheidung, anlässlich eines über die Beschwerde ergehenden Erkenntnisses oder anlässlich einer über die Beschwerde ergehenden anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung (vgl § 212 a Abs 5 BAO).
scheidung über die Bescheidbeschwerde zuständig ist.45) Dieses erledigt die Bescheidbeschwerde, wenn es in der Sache selbst entscheidet, mittels Erkenntnisses, in allen anderen Fällen mittels Beschlusses.46)
3. Der Vorlageantrag
B. Die Revision an den VwGH
Die AbgBeh entscheidet ab 1. 1. 2014 sowohl formal als auch in der Sache mittels Beschwerdevorentscheidung (§ 263 Abs 1 BAO). Entspricht diese nicht dem Begehren des Bf, kann dieser einen Vorlageantrag stellen. Dieser bewirkt die Vorlage der Beschwerde samt der erforderlichen Akten an das VwG (§§ 265 f BAO) sowie die Entscheidung des VwG über die Bescheidbeschwerde. Eine zweite Beschwerdevorentscheidung ist im Unterschied zur bisherigen Rechtslage, in der unter bestimmten Voraussetzungen eine zweite Berufungsvorentscheidung ergehen konnte, nicht vorgesehen.34) Zur Einbringung eines Vorlageantrags ist nicht nur der Bf befugt, sondern auch jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt (§ 264 Abs 2 BAO). Ebenso ist der Beigetretene berechtigt, einen Vorlageantrag einzubringen.35) Der Vorlageantrag ist innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung zu stellen (§ 264 Abs 1 BAO) und bei der AbgBeh, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, einzubringen (§ 264 Abs 4 lit b iVm § 249 Abs 1 BAO). Die Frist ist auf Antrag aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu verlängern (§ 264 Abs 4 lit a iVm § 245 Abs 3 BAO).36) Enthält die Beschwerdevorentscheidung keinen Hinweis auf die Möglichkeit zur Stellung eines Vorlageantrags (vgl auch § 263 Abs 2 BAO), keine Angabe über die einmonatige Frist oder erklärt die AbgBeh die Stellung eines Vorlageantrags für unzulässig, beginnt die Frist nicht zu laufen (§ 264 Abs 4 lit a iVm § 93 Abs 4 BAO).37) Besondere Form- oder Inhaltserfordernisse zur Stellung eines Vorlageantrags sieht die BAO nicht vor, allerdings ist er nach Maßgabe des § 85 BAO idR schriftlich zu stellen.38) Einer näheren Begründung zur Stellung eines Antrags auf Vorlage bedarf es nicht.39) Vielmehr reicht es aus, dass der Bf erklärt, er sei mit der Beschwerdevorentscheidung nicht einverstanden.40) Der Bf hat aber auch das Recht, durch den Vorlageantrag seine eingebrachte Bescheidbeschwerde zu ergänzen.41) Ebenso kann ein Antrag auf Entscheidung durch Senat oder auf mündliche Verhandlung auch noch im Vorlageantrag gestellt werden (§ 272 Abs 2 Z 1 lit b sowie § 274 Abs 1 Z 1 lit b BAO). Durch den Vorlageantrag wird die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht berührt (§ 264 Abs 3 BAO) und daher auch insb die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.42) Wurde der Ablauf der Aussetzung anlässlich einer Beschwerdevorentscheidung verfügt, schließt dies einen neuerlichen Aussetzungsantrag im Fall der Einbringung eines Vorlageantrags aber nicht aus (§ 212 a Abs 5 BAO).43) Die Bescheidbeschwerde gilt ab Erhebung des Vorlageantrags als unerledigt.44) Der Vorlageantrag bewirkt überdies, dass nunmehr das VwG zur Ent-
1. Einleitung Gegen ein Erkenntnis bzw einen Beschluss des VwG ist unter gewissen Voraussetzungen die Erhebung einer Revision an den VwGH möglich.47) In Anlehnung an das Revisionsmodell der ZPO48) unterscheidet man zwischen der ordentlichen Revision und der außerordentlichen Revision. Eine ordentliche Revision kann dann erhoben werden, wenn das VwG vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ausgeht und die Revision an den VwGH im Spruch seines Erkenntnisses (bzw im Beschluss) zulässt. Aber auch dann, wenn das VwG das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und somit die Zulässigkeit einer Revision an den VwGH verneint, kann Revision erhoben werden: In diesem Fall liegt eine außerordentliche Revision vor, die sich in bestimmten Punkten von der ordentlichen Revision unterscheidet. 34) Dazu auch Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/53. 35) VwGH 28. 6. 1995, 93/16/0030. 36) Wird der Vorlageantrag von einer hierzu nicht legitimierten Person oder nicht fristgerecht eingebracht, ist er zurückzuweisen. Mit dem Entwurf zum AbgÄG 2014 obliegt die Zurückweisung ausdrücklich dem VwG (vgl § 264 Abs 5 idF Entwurf zum AbgÄG 2014). Bislang lässt der Wortlaut des Gesetzes auch die Zurückweisung durch die AbgBeh zu (vgl Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/77 sowie Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rz III/94). 37) Zu den Besonderheiten bei mangelhafter Belehrung über die Möglichkeit zur Stellung eines Vorlageantrags in der Beschwerdevorentscheidung vgl § 264 Abs 4 lit a iVm § 93 Abs 5 BAO sowie § 264 Abs 4 lit b iVm § 93 Abs 6 BAO; dazu Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/60f. 38) Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/69 f; zu beachten ist, dass eine Einbringung über FinanzOnline nur dann zulässig ist, wenn diese Funktion dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung gestellt wird (§ 1 Abs 2 FinanzOnlineV 2006). Andere als die in den Funktionen gem § 1 Abs 2 leg cit dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen sind ungeachtet einer allfälligen tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline unbeachtlich (§ 5 Satz 1 FinanzOnline-V 2006). Bisher wurde die Funktion zur Einbringung eines Vorlageantrags den Teilnehmern von FinanzOnline nicht zur Verfügung gestellt, weshalb die Stellung eines Vorlageantrags über FinanzOnline unzulässig und daher nicht rechtswirksam eingebracht wurde (UFS Graz 23. 9. 2010, RV/0058-G/10). 39) VwGH 28. 11. 2000, 97/14/0032. 40) Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/70. 41) Auch Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/70. 42) VwGH 27. 8. 2008, 2008/15/0202. 43) Fellner/Peperkorn in Ehrke-Rabel, Rz II/23. 44) VwGH 24. 1. 2000, 95/17/0480. 45) Der beim Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid ist nämlich nicht die Beschwerdevorentscheidung, sondern der mit Bescheidbeschwerde bekämpfte Bescheid der Abgabenbehörde (VwGH 25. 11. 2010, 2010/16/0221). 46) Dazu Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rz III/90 ff. 47) Zur Revision s ausführlich Grill/Kettisch, Das Verfahren vor dem VwGH, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) 103. 48) ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16.
2. Die Einbringung der ordentlichen Revision Liegt ein Erkenntnis bzw ein Beschluss des VwG vor, in dem ausgesprochen wurde, dass die Revision an den VwGH zulässig ist, hat der rechtsschutzsuchende AbgPfl folgende Punkte zu beachten: a) Revisionslegitimation Zur Erhebung der Revision ist gem Art 133 Abs 6 B-VG derjenige legitimiert, der durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet (Z 1 leg cit). Die belBeh des Verfahrens vor dem VwG (Z 2 leg cit) und die Gemeinden (in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs, Art 119 a Abs 9 B-VG) können ebenso Revisionen einbringen. Die Legitimation zur Revisionserhebung wegen Verletzung in Rechten setzt sich aus der Behauptung, durch ein Erkenntnis oder einen Beschluss in einem oder mehreren subjektiven Rechten verletzt zu sein, und aus der (abstrakten) Möglichkeit einer Rechtsverletzung zusammen.49) Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtsstellung des Revisionswerbers, je nachdem, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder vom VwGH aufgehoben wird, eine unterschiedliche ist:50) Wird der angefochtene Rechtsakt aufgehoben, muss die Besserstellung der Rechtsposition des Revisionswerbers zumindest möglich sein.51) Die tatsächliche Verletzung in subjektiven Rechten kann naturgemäß nicht Prozessvoraussetzung sein, vielmehr ist diese Prozessgegenstand.52) Ist die Person, die eine Revision beim VwG einbringt, nicht zur Einbringung legitimiert, ist die Revision bereits durch das VwG mittels Beschluss zurückzuweisen (§ 30 a Abs 1 VwGG). b) Revisionsfrist Die Frist für die Erhebung einer Revision beträgt sechs Wochen (§ 26 Abs 1 VwGG). Im Regelfall53) beginnt der Fristenlauf mit dem Tag der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses an den Revisionswerber. Wurde das Erkenntnis bzw der Beschluss nur mündlich verkündet, beginnt der Fristenlauf mit dem Tag der Verkündung (§ 26 Abs 1 Z 1 iVm Abs 5 VwGG). Bei einer mündlichen Verkündung und anschließender schriftlicher Ausfertigung des Rechtsakts wird der Fristenlauf erst mit der Zustellung des Rechtsakts in Gang gesetzt.54) Eine Revisionserhebung ist jedoch schon ab der mündlichen Verkündung möglich.55) Hat der VfGH eine Beschwerde gem Art 144 Abs 3 B-VG dem VwGH abgetreten, beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses des VfGH an den Bf zu laufen. Wurde der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des VfGH gestellt, beginnt der Fristenlauf mit der Zustellung des Beschlusses über die Abtretung an den VwGH gem § 87 Abs 3 VfGG (§ 26 Abs 4 VwGG). Die Revisionsfrist ist als gesetzliche Frist nicht erstreckbar.56) Wird die Revision nicht fristgerecht eingebracht, ist diese bereits vom VwG mittels Beschluss zurückzuweisen (§ 30 a Abs 1 VwGG).
c) Einbringungsort Schriftsätze und somit auch die Revision sind grundsätzlich beim VwG einzubringen. Erst ab Vorlage der Revision an den VwGH sind die weiteren Schriftsätze bei diesem einzubringen (§ 24 Abs 1 und § 25 a Abs 5 VwGG). Wird die Revision irrtümlicherweise beim VwGH eingebracht, hat dieser die Revision ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Revisionswerbers an das VwG weiterzuleiten oder den Revisionsweber an das VwG zu verweisen (§ 62 Abs 1 VwGG iVm § 6 Abs 1 AVG). Das bedeutet, dass der Revisionswerber in einem solchen Fall die Gefahr einer Fristversäumnis zu tragen hat, wenn die Revision nicht fristgerecht beim VwG einlangt.57) d) Form der ordentlichen Revision Revisionen sind gem § 24 Abs 2 VwGG zwingend durch einen bevollmächtigten RA (bzw in Abgabensachen und Finanzstrafsachen auch durch einen bevollmächtigten StB oder WP, vgl § 23 Abs 1 VwGG) abzufassen und einzubringen. Aus dieser Bestimmung sowie aus der Überschrift „Schriftsätze“ ergibt sich zugleich ein Schriftlichkeitserfordernis. Die Revision ist zudem vom RA, StB oder WP zu unterschreiben.58) Von jedem Schriftsatz samt Beilagen sind so viele Ausfertigungen einzubringen, dass zusätzlich zum beim VwGH verbleibenden Schriftsatz jeder zu verständigenden Partei oder Behörde eine Ausfertigung zugestellt werden kann. Wenn es sich bei der belBeh nicht um den zuständigen BM handelt, ist auch für diesen eine Ausfertigung anzuschließen (§ 29 iVm § 21 Abs 1 Z 2 VwGG). Wurde der anzufechtende Rechtsakt (Erkenntnis oder Beschluss) dem Revisionswerber zugestellt, ist eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie davon der Revision anzuschließen. Diese Ausfertigung, Abschrift oder Kopie ist jedoch nur einfach einzubringen (§ 24 Abs 3 iVm § 28 Abs 4 VwGG). Ebenso sind Beilagen, wenn diese sehr umfangreich sind, bloß einfach einzubringen (§ 24 Abs 3 VwGG). Die Antwort auf die Frage, ob die Einbringung der Revision elektronisch bzw per E-Mail möglich ist, kann dem VwGG nicht entnommen werden, da dieses nur den elektronischen Rechtsverkehr mit dem VwGH regelt. Im Gegensatz zur Rechtslage beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG)59) ist im BFGG für das BFG kein elektronischer Rechtsverkehr vorgesehen.60) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60)
VwGH 24. 1. 1995, 93/04/0161. VwGH 6. 7. 1982, 81/11/0056; 13. 6. 1985, 85/02/0076. VwGH 22. 9. 1999, 97/15/0084; 22. 10. 2002, 96/14/0059. Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht (8. Lfg 2007) Art 131 B-VG Rz 37. Zur übergangenen Partei vgl § 26 Abs 2 VwGG; zur Verfahrenshilfe vgl § 26 Abs 3 VwGG. VwGH 24. 6. 2004, 2001/20/0602. VwGH 11. 11. 2010, 2008/20/0448. VwGH 21. 9. 1995, 94/19/1280; 23. 2. 1994, 93/15/0247. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2009) 78. Dies ergibt sich aus § 24 Abs 3 letzter Satz VwGG e contrario, da nach dieser Bestimmung Gleichschriften keiner Unterschrift bedürfen. Vgl § 21 BVwGG. Nachdem § 24 Abs 1 BFGG bezüglich des Verfahrens vor dem BFG auf die BAO verweist (auch die Einbringung einer Revision ist uE noch dem Verfahren vor dem BFG zuzuordnen), ist die Einbringung
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Bei der Einbringung der Revision fällt eine Eingabegebühr iHv E 240,– an (§ 24 a VwGG). Revisionen mit Formgebrechen sind zur Mängelbehebung unter Setzung einer kurzen Frist vom VwG zurückzustellen. Kommt der Revisionswerber diesem Mängelbehebungsauftrag nicht nach, gilt dies als Zurückziehung der Revision (§ 30 a Abs 2 VwGG). e) Inhalt der ordentlichen Revision Gem § 28 VwGG hat die Revision zu beinhalten: & die Bezeichnung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses (Z 1 leg cit): Der VwGH hat nur den Rechtsakt zu prüfen, der in der Revision ausdrücklich als angefochtenes Erkenntnis bzw angefochtener Beschluss bezeichnet wird;61) & die Bezeichnung des VwG, das das Erkenntnis bzw den Beschluss erlassen hat (Z 2 leg cit): Die Umdeutung einer falschen Bezeichnung ist auch dann nicht zulässig, wenn aus dem angefochtenen Rechtsakt eindeutig ein anderes erlassendes Gericht hervorgeht.62) Ein Mangel kann aber einer Verbesserung gem § 34 Abs 2 VwGG zugeführt werden;63) & den Sachverhalt (Z 3 leg cit): In der Revision sind jene Umstände darzustellen, die einen ausreichenden Überblick über das Verwaltungsverfahren geben, das der Erlassung des angefochtenen Rechtsakts vorausgegangen ist. Es reicht nicht aus, bloß eine Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses vorzulegen;64) & die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte, Z 4 leg cit): Dadurch wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der VwGH bei der Prüfung des angefochtenen Rechtsakts gebunden ist;65) & die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Z 5 leg cit): Diese haben sich an den Aufhebungstatbeständen des § 42 Abs 2 VwGG (Unzuständigkeit der belBeh, Rechtswidrigkeit des Inhalts, Verletzung von Verfahrensvorschriften) zu orientieren. Im Gegensatz zu den Revisionspunkten ist der VwGH an die Revisionsgründe nicht gebunden;66) & ein bestimmtes Begehren (Z 6 leg cit): Dieses hat dahingehend zu lauten, den angefochtenen Rechtsakt wegen der in § 42 Abs 2 VwGG genannten Gründe ganz oder tw aufzuheben.67) Eine reformatorische Entscheidung kann nicht begehrt, sondern lediglich angeregt werden;68) & die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Revision rechtzeitig eingebracht wurde (Z 7 leg cit): Diese Angaben bestehen regelmäßig in der Angabe des Datums der Zustellung.69) Vom Revisionswerber ist auch zu beachten, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits innerhalb der Revisionsfrist zu beantragen ist (§ 39 Abs 1 Z 1 VwGG). Das bedeutet, dass ein Antrag unmittelbar in der Revision, wie etwa im Beschwerdeverfahren, nicht notwendig ist, sondern innerhalb offener Revisionsfrist auch noch nach Erhebung der Revision gestellt werden kann. Weist die Revision inhaltliche Mängel auf, ist dem Revisionswerber vom VwG ein Mängelbehebungs-
auftrag zu erteilen. Die Versäumung der Frist für die Mängelbehebung gilt als Zurückziehung der Revision (§ 30 a Abs 2 VwGG). f) Wirkung der ordentlichen Revision Der Revision kommt gem § 30 Abs 1 VwGG grds keine aufschiebende Wirkung zu, sodass der angefochtene Rechtsakt trotz Revisionserhebung vollstreckt werden kann. Der Revisionswerber kann aber eine aufschiebende Wirkung der Revision – frühestens gleichzeitig mit der Revisionserhebung – beantragen. Dieser Antrag ist bis zur Vorlage der Revision an den VwGH beim VwG, ab Vorlage der Revision beim VwGH einzubringen (§ 24 Abs 1 VwGG). Gegen einen Beschluss des VwG über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist weder eine Revision noch ein Vorlageantrag zulässig (vgl § 25 a Abs 2 Z 1 iVm § 30 a Abs 3 und § 30 b Abs 1 VwGG e contrario).
Sollten sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben oder beurteilt der VwGH die Voraussetzungen für die aufschiebende Wirkung anders als das VwG, kann der VwGH auf Antrag oder von Amts wegen erneut über die aufschiebende Wirkung entscheiden bzw den Beschluss des VwG aufheben oder abändern (§ 30 Abs 3 VwGG). Bei wesentlicher Änderung der maßgebenden Voraussetzungen muss auch das VwG auf Antrag einer Partei neu entscheiden (§ 30 Abs 2 VwGG). Die aufschiebende Wirkung ist zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Ein unverhältnismäßiger Nachteil liegt va dann vor, wenn die Folgen des Eingriffs im Falle der Aufhebung des angefochtenen Rechtsakts nicht wieder beseitigt werden können.70)
61) 62) 63) 64) 65) 66) 67) 68)
69) 70)
per E-Mail unzulässig (vgl FN 18). Da in Abgabensachen auch das Bundesverwaltungsgericht und die Landesverwaltungsgerichte die BAO anzuwenden haben (§ 2 a BAO), ist auch bei diesen eine Einbringung per E-Mail nicht zulässig. Die Zulässigkeit der Einreichung per Telefax etwa an den UFS wird in der Verordnung des BMF über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an die Finanzlandesdirektionen sowie die Finanzämter und Zollämter (BGBl 1991/494 idF BGBl II 2002/395) geregelt. Damit eine Einbringung per Telefax auch bei den Verwaltungsgerichten zulässig wäre, müsste diese Verordnung an die neue Rechtslage angepasst werden. VwGH 24. 6. 1987, 86/03/0203; 14. 12. 1994, 94/16/0107. VwGH 26. 6. 1995, 95/10/0100; 11. 10. 2006, 2006/12/0119. VwGH 22. 4. 1993, 92/09/0345. VwGH 26. 1. 1993, 92/11/0293. VwGH 25. 3. 2004, 2004/16/0003; 24. 5. 2007, 2007/15/0038. VwGH 19. 9. 1984, 82/03/0112 VwSlg 11525 A; 28. 10. 2004, 2004/15/0134. VwGH 22. 3. 1991, 91/13/0029; 16. 12. 2011, 2011/02/0294. Dazu Kettisch, VwGH-Entscheidungen in der Sache selbst, taxlex 2012, 511 (512); Sutter, Ablehnungsrecht und Sachentscheidung, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 199 (220). Grabenwarter in Korinek/Holoubek, Art 131 B-VG Rz 87. VwGH 17. 3. 2004, 2003/04/0046.
Eine „wirtschaftliche Härte“ allein ist kein unverhältnismäßiger Nachteil.71)
zuleiten bzw den Revisionswerber an dieses zu verweisen (§ 62 Abs 1 VwGG iVm § 6 Abs 1 AVG).
3. Der Vorlageantrag
d) Form der außerordentlichen Revision Betreffend die Formvorschriften (Anwaltszwang, Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen . . .) gibt es für die außerordentliche Revision keine Abweichungen zur ordentlichen Revision, sodass wiederum auf die Ausführungen dazu verwiesen werden kann.
Weist das VwG die ordentliche Revision im Rahmen seiner Verpflichtung zur Vorentscheidung gem § 30 a Abs 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des VwGH, bereits entschiedener Sache oder mangelnder Revisionslegitimation zurück, kann ein Vorlageantrag gem § 30 b VwGG gestellt werden. Jede Partei ist berechtigt, den Antrag zu stellen, dass die Revision dem VwGH vorgelegt wird. Dieser Vorlageantrag ist binnen zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses schriftlich (§ 62 Abs 1 VwGG iVm § 13 Abs 1 Satz 2 AVG) beim VwG einzubringen (§ 30 b Abs 1 VwGG). Gelangt beim VwG fristgerecht ein zulässiger Vorlageantrag ein,72) sind der Vorlageantrag und die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem VwGH vorzulegen (§ 30 b Abs 2 VwGG).
4. Die Einbringung der außerordentlichen Revision Hat das VwG in seinem Erkenntnis oder seinem Beschluss ausgesprochen, dass eine Revision an den VwGH nicht zulässig ist, geht aber der AbgPfl dennoch vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aus, kann er eine außerordentliche Revision an den VwGH erheben. Dabei hat er Folgendes zu beachten: a) Revisionslegitimation Hinsichtlich der Revisionslegitimation gibt es keine Abweichungen zur ordentlichen Revision, sodass auch hier derjenige zur Erhebung der Revision legitimiert ist, der durch das Erkenntnis bzw den Beschluss in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Bei fehlender Legitimation ist die außerordentliche Revision nicht wie bei der ordentlichen Revision vom VwG, sondern vom VwGH mittels Beschluss zurückzuweisen (§ 34 Abs 1 iVm § 30 a Abs 1 und 7 VwGG). b) Revisionsfrist Die außerordentliche Revision ist ebenso binnen sechs Wochen ab Zustellung des Rechtsakts bzw ab mündlicher Verkündung einzubringen. Diesbezüglich und hinsichtlich der Abtretung einer VfGH-Beschwerde an den VwGH gilt zur ordentlichen Revision Ausgeführtes. Eine nicht fristgerecht eingebrachte außerordentliche Revision ist vom VwGH mittels Beschluss zurückzuweisen (§ 34 Abs 1 iVm § 30 a Abs 1, 7 VwGG). c) Einbringungsort Auch wenn das VwG im Fall der außerordentlichen Revision nicht zur Vorentscheidung berechtigt ist, sondern vielmehr die außerordentliche Revision direkt dem VwGH vorzulegen hat, ist auch die außerordentliche Revision beim VwG einzubringen. Wie bei der ordentlichen Revision hat der VwGH eine bei ihm eingebrachte außerordentliche Revision auf Gefahr des Revisionswerbers an das VwG weiter-
Bei außerordentlichen Revisionen mit Formgebrechen ist vom VwGH ein Mängelbehebungsauftrag zu erteilen. Kommt der Revisionswerber diesem Mängelbehebungsauftrag nicht nach, gilt die Revision als zurückgezogen (§ 34 Abs 2 VwGG iVm § 30 a Abs 1, 7 VwGG). e) Inhalt der außerordentlichen Revision Die außerordentliche Revision bekämpft zum einen den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision an den VwGH. Daher hat sie die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des VwG die Revision für zulässig erachtet wird (§ 28 Abs 3 VwGG). Zum anderen bezieht sich auch die außerordentliche Revision bereits auf die Verletzung in sonstigen Rechten, sodass für diese auch die gleichen Inhaltserfordernisse wie für die ordentliche Revision gelten.
Werden die Vorschriften über die Inhaltserfordernisse nicht eingehalten, ist vom VwGH ein Mängelbehebungsauftrag zu erteilen. Die Versäumung der Frist für die Mängelbehebung gilt als Zurückziehung (§ 34 Abs 2 VwGG iVm § 30 a Abs 1, 7 VwGG). f) Wirkung der außerordentlichen Revision Wie der ordentlichen Revision kommt der außerordentlichen Revision keine aufschiebende Wirkung zu. Diese kann aber vom Revisionswerber beantragt werden und ist bis zur Vorlage der außerordentlichen Revision an den VwGH beim VwG einzubringen.
71) VwGH 25. 2. 1987, AW 87/03/0009. 72) Ein nicht fristgerechter bzw unzulässiger Vorlageantrag ist vom Verwaltungsgericht mit Beschluss zurückzuweisen (§ 30 b Abs 3 VwGG).
SCHLUSSSTRICH
Ab 1. 1. 2014 wird gegen Bescheide der Abgabenbehörde nicht mehr berufen, sondern Bescheidbeschwerde erhoben. Auch Abgabepflichtige, die beim VwGH Rechtsschutz suchen, haben sich mit einer neuen Terminologie – man spricht nicht mehr von Beschwerde, sondern von Revision – vertraut zu machen. Zwar sind viele Änderungen im Rechtsschutzverfahren bloß terminologischer Natur, jedoch bringt die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch einige inhaltliche Änderungen mit sich, die den Abgabepflichtigen und den Parteienvertreter insb bei Erhebung einer Revision an den VwGH vor neue Anforderungen stellen.
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§§ 278, 279, 300 BAO
Bundesfinanzgericht; Verwaltungsgericht; Bescheidbeschwerde; Erkenntnis; Beschluss
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Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts über die Bescheidbeschwerde Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht) hat mit 1. 1. 2014 den Unabhängigen Finanzsenat abgelöst und entscheidet nunmehr über Bescheid-,1) Säumnis-2) und Maßnahmenbeschwerden.3) Der folgende Beitrag beleuchtet die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts über die Bescheidbeschwerde näher und geht der Frage nach, auf welche Änderungen sich die Verfahrensparteien im Verfahren vor den neuen Verwaltungsgerichten4) im Anwendungsbereich der BAO einzustellen haben. BARBARA GUNACKER-SLAWITSCH
A. Grundsätze des finanzgerichtlichen Verfahrens 1. Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflichten In das finanzgerichtliche Verfahren wurden etliche zentrale Verfahrensgrundsätze des bisherigen Rechtsmittelverfahrens übernommen. Gem § 269 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht (VwG)5) im Beschwerdeverfahren6) jene Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden (AbgBeh) auferlegt und eingeräumt sind.7) Der Umstand, dass diese Norm nun die Überschrift „Ermittlungen“ trägt, verdeutlicht, dass die eingeräumten Verpflichtungen und Befugnisse des VwG nur für dessen Ermittlungstätigkeit gelten sollen, wobei der Begriff „Ermittlungen“ weit iS der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zu verstehen ist.8) Ebenso wie bisher der UFS ist das VwG gem § 279 Abs 1 BAO auch berechtigt (und uU verpflichtet), „sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.“ Nach der Rsp des VwGH war der UFS aufgrund der vormals gleichlautenden Bestimmungen verpflichtet, den (erstinstanzlichen) Bescheid auch außerhalb der Beschwerdepunkte auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen und – entsprechend den Obliegenheiten und Befugnissen der (erstinstanzlichen) Beh iSd (nunmehrigen) § 269 Abs 1 BAO9) – ggf entsprechende Ermittlungen vorzunehmen.10) Nichts anderes gilt im Verfahren vor dem VwG: Das VwG ist bei seiner Beurteilung nicht an die Beschwerdepunkte gebunden und darf auch aus Sicht des Bf verbösernde Entscheidungen treffen.11) Ihm obliegt die Sachverhaltskontrolle12) und die Verpflichtung, die materielle Wahrheit zu erforschen. Diese (eher einem behördlichen Verfahren entsprechende) umfassende Kognitionsbefugnis des Gerichts soll die fehlende bzw geringe Ermittlungstätigkeit im elektronischen Massenverfahren ausgleichen. Gleich-
zeitig verdeutlicht13) das Festhalten an der umfassenden Kognitionsbefugnis die gesetzgeberische Intention, zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Abgabenverfahren der Rechtsrichtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Zur Erforschung der materiellen Wahrheit gibt es im Verfahren vor dem VwG (wie bisher im Verfahren vor dem UFS) auch kein Neuerungsverbot (§ 270 Dr. Barbara Gunacker-Slawitsch ist Assistenzprofessorin am Institut für Finanzrecht der Karl-Franzens-Universität Graz. 1) Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG bzw §§ 243 ff BAO. 2) Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG bzw §§ 284 ff BAO. 3) Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG bzw § 283 BAO. 4) Die vorliegenden Ausführungen betreffen jene Verfahren, für welche die BAO zur Anwendung gelangt. Dies betrifft somit in erster Linie das Bundesfinanzgericht (BFG). Die Bestimmungen der BAO gelten aber generell sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten (§ 2 a BAO). Die Bestimmungen der BAO sprechen daher grds nicht vom „Bundesfinanzgericht“, sondern allgemein vom „Verwaltungsgericht“. 5) Vgl FN 4. 6) Die Obliegenheiten und Befugnisse der AbgBeh stehen dem VwG nur im Beschwerdeverfahren zu, vgl zB VwGH 19. 12. 1991, 91/16/ 0066. 7) Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Aufzählung gilt § 269 Abs 1 BAO im Beschwerdeverfahren nicht für die Verlängerung der Beschwerdefrist (§ 245 Abs 3 BAO), die Erlassung einer BVE (§§ 262 und 263 BAO) und auch nicht für die Bindung an die für den aufhebenden Beschluss bzw für das Erkenntnis maßgebliche Rechtsanschauung (§ 278 Abs 3, § 279 Abs 3 BAO). 8) Vgl dazu Fischerlehner, Das neue Abgabenverfahren (2013) § 269 Anm 1; Gunacker-Slawitsch, Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) Rz III/42 ff. 9) Damals § 279 Abs 1 BAO. 10) VwGH 10. 5. 2010, 2008/16/0139. 11) Vgl auch Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich (2013) § 279 BAO 244; zur bisherigen Rechtslage zB VwGH 10. 5. 2010, 2008/16/0139. 12) Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand der Verwaltungsgerichte, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 127 (130). 13) Illustrierend dafür sind va die zahlreichen in der BAO vorgesehenen nachträglichen Abänderungsmöglichkeiten der Bescheide bzw Erkenntnisse oder Beschlüsse.
BAO). Nach der Rsp des VwGH ist es bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zulässig, neue Tatsachen, Beweise und Anträge vorzubringen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Bei einer schriftlichen Erledigung besteht der Abschluss des Verfahrens in der Zustellung der Entscheidung, so dass Neuerungen auch noch nach der mündlichen Verhandlung zulässig sind.14) Insb bei der Berücksichtigung neuer Parteivorbringen hat das VwG darauf zu achten, dass das Recht auf Parteiengehör gewahrt bleibt.15) Aus den genannten Bestimmungen folgt, dass das Verfahren vor dem VwG (wie das bisherige Rechtsmittelverfahren nach der BAO) vom Untersuchungsgrundsatz geprägt ist.16) Gleichzeitig fällt auf, dass den Parteien im neuen Rechtsmittelverfahren mehr Mitwirkungspflichten auferlegt sind: § 270 BAO enthält insofern eine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage, als das VwG (nur) auf jene Tatsachen, Beweise und Anträge Bedacht zu nehmen hat, die ihm „durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangt“ sind. Im finanzgerichtlichen Verfahren werden die Parteien somit verstärkt dazu aufgefordert, dem Gericht von sich aus alles zur Kenntnis zu bringen, wobei die Kenntnis der Beh nicht mit der Kenntnis des Gerichts gleichzusetzen ist.17) Außerdem ist ab 2014 nicht nur die AbgBeh, sondern auch der Bf verpflichtet, ab der Verständigung vom Zeitpunkt der Vorlage an das VwG dieses unverzüglich über alle Änderungen der für die Entscheidung bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu informieren (§ 265 Abs 6 BAO). Hat das VwG infolge eines Vorlageantrags über die Bescheidbeschwerde zu entscheiden, ist die AbgBeh zur Aktenvorlage verpflichtet. Unterlässt sie dies, kann das VwG nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer Nachfrist aufgrund der Behauptungen des Bf erkennen (§ 266 Abs 4 BAO). Charakteristisch für das neue finanzgerichtliche Verfahren ist außerdem, dass das VwG idR von der Stellung des Vorlageantrags bis zu seiner Entscheidung Herr des Verfahrens und grds alleine entscheidungsbefugt ist. Dieser Grundsatz ist aus dem neuen § 300 BAO abzuleiten.
2. Verfahrensherrschaft und (grundsätzlich alleinige) Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts a) Die Bedeutung des § 300 BAO
aa) Der Grundsatz: Behördliches Entscheidungsverbot bis zur Entscheidung des Gerichts Gem § 300 BAO dürfen ab der Stellung eines Vorlageantrags bzw in jenen Fällen, in denen eine Beschwerdevorentscheidung (BVE) gem § 262 Abs 2 bis 4 BAO unterbleibt, ab Einbringung der Bescheidbeschwerde AbgBeh „beim Verwaltungsgericht mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben.“ Dadurch soll eine gleichzeitige Zuständigkeit einer AbgBeh und eines VwG (zur Abänderung oder Aufhebung) vermieden werden.18) Durch die Einführung des
§ 300 BAO werden somit einerseits die Möglichkeit einer zweiten BVE und andererseits auch sämtliche Abänderungen des angefochtenen Bescheids (zB durch §§ 299 oder 303 BAO) ausgeschlossen. Soll die von § 300 BAO verfolgte Zielsetzung nicht unterlaufen werden, muss – so die überzeugende Meinung des BMF – den AbgBeh auch die Erlassung von (gem § 253 BAO) an die Stelle eines anderen Bescheids tretenden Bescheiden (zB durch § 295 BAO) verwehrt sein.19) Beispiel: Wird gegen einen vorläufigen Bescheid Bescheidbeschwerde erhoben und in der Folge ein Vorlageantrag an das VwG gestellt, dürfen die AbgBeh ab der Stellung des Vorlageantrags bis zur Entscheidung des Gerichts den selbigen nicht durch einen endgültigen Bescheid ersetzen (auch nicht, wenn dem Begehren des Bf dadurch Rechnung getragen wird, außer die Voraussetzungen des § 300 BAO sind erfüllt, vgl dazu Pkt A.2.a.bb).20)
Das Entscheidungsverbot der belBeh endet mit der gerichtlichen Erledigung. Nach diesem Zeitpunkt überträgt § 93 a BAO „Maßnahmen gemäß den §§ 200 Abs 2, 294, 295, 295 a und 303“ BAO auch dann der AbgBeh, wenn sie Erkenntnisse oder Beschlüsse des VwG sowie in der Sache selbst ergangene Entscheidungen des VwGH betreffen.21) bb) Die Ausnahme: Einvernehmliche Aufhebung und Änderung des angefochtenen Bescheids Die AbgBeh kann allerdings ausnahmsweise auch während des gerichtlichen Verfahrens den angefochtenen Bescheid aufheben und einen Ersatzbescheid erlassen, wenn zwischen allen Beteiligten (den Verfahrensparteien und dem Gericht) Einvernehmen herrscht. Die Aufhebung des angefochtenen Bescheids durch die AbgBeh setzt voraus, dass sich der Spruch des Bescheids als nicht richtig erweist, der Bf einer Aufhebung gegenüber dem VwG zugestimmt, das VwG die Zustimmungserklärung an die AbgBeh unter Setzung einer angemessenen Nachfrist 14) VwGH 2. 2. 2000, 97/13/0187 mwN; 29. 9. 2004, 99/13/0111 mwN. Bei einer mündlichen Erledigung wird das Beschwerdeverfahren mit der Entscheidungsverkündung wirksam abgeschlossen, vgl dazu Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar4 (2011) § 280 Tz 2 mwN, sowie § 93 a iVm § 97 Abs 1 lit b BAO. 15) Vgl Ritz, BAO4 § 115 Tz 14. 16) Vgl dazu Jantscher, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren zwischen Partei- und Inquisitionsprozess, in Ehrke-Rabel/Merli (Hrsg), Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der belangten Behörde in der neuen Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit (in Druck); ebenso Holoubek in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz 127 (130). 17) Vgl dazu Fischerlehner, Abgabenverfahren § 270 Anm 2. 18) Vgl ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 21 unter Verweis auf Tanzer, Rechtsschutz im Steuerrecht, Verhandlungen des Sechzehnten Österreichischen Juristentages IV/1 (2006) 40. 19) Vgl zu § 295 iVm § 253 BAO Pkt 4 Salzburger Steuerdialog v 8. 10. 2013, BMF-010103/0180-IV/2013. 20) Gleiches muss dann auch für das Verhältnis von Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid und Umsatzsteuerjahresbescheid gelten, da Letzterer den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid außer Kraft setzt (vgl zB VwGH 30. 5. 2001, 2000/13/0011; 20. 2. 2008, 2006/15/0339) und damit im Ergebnis den angefochtenen Bescheid abändern könnte. 21) Vgl zu diesem Thema ausf Ehrke-Rabel, Die nachträgliche Änderung von Bescheiden und Erkenntnissen im Beschwerde- und Revisionsverfahren, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) 151 ff.
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mit Beschluss weitergeleitet hat22) und diese Frist noch nicht abgelaufen ist (§ 300 Abs 1 lit a – c BAO). Durch den Beschluss des Gerichts zur Weiterleitung verzichtet das Gericht während der von ihr gesetzten Frist auf seine Zuständigkeit,23) und die AbgBeh kann24) den angefochtenen Bescheid aufheben. Mit dem aufhebenden Bescheid ist der Ersatzbescheid zu verbinden (§ 300 Abs 1 und 3 BAO).25) Die einvernehmliche Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Bescheids nach dieser Bestimmung ersetzt somit die bisher mögliche zweite BVE und bietet die verfahrensrechtliche Grundlage, um in einem Erörterungstermin getroffene Einigungen umzusetzen.26) Aufhebungen gem § 300 Abs 1 BAO sind Abs 4 leg cit zufolge bis zur abschließenden Erledigung der Bescheidbeschwerde durch das VwG zulässig. Da durch die Bekanntgabe der Aufhebung die Entscheidungspflicht des Gerichts wieder auflebt27) (§ 300 Abs 5 BAO), hat das Gericht jedenfalls noch eine abschließende Entscheidung (zB eine Gegenstandsloserklärung, wenn dem Begehren des Bf vollständig Rechnung getragen wird [§ 253 iVm § 278 Abs 1 lit b und § 261 Abs 1 BAO], oder einen anderen Beschluss bzw ein Erkenntnis) zu fällen.28) Beispiele: 1. Ein Miteigentümer einer KG erhebt gegen seinen Einkommensteuerbescheid Bescheidbeschwerde und stellt nach der abweisenden BVE Vorlageantrag an das VwG. Während des Verfahrens vor dem VwG wird der Gewinnfeststellungsbescheid geändert. Sofern der Bf zustimmt und das Gericht die Zustimmungserklärung an die AbgBeh weiterleitet, kann diese den (abgeleiteten) Bescheid aufheben und durch einen neuen Bescheid ersetzen.29) Durch die Bekanntgabe der Aufhebung lebt die Entscheidungspflicht des Gerichts wieder auf (§ 300 Abs 5 BAO). 2. In einem Erörterungstermin wird über die Höhe eines Privatanteils ein Einvernehmen erzielt. Unter den Voraussetzungen des § 300 BAO darf die Beh den angefochtenen Bescheid aufheben und gleichzeitig einen Ersatzbescheid erlassen.30)
22) Die Weiterleitung durch das VwG hat nicht zwingend zu erfolgen, so dass dem Gericht die Zuständigkeit nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann, vgl ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 21; dazu ausführlich Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren Rz III/69. 23) ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 21; Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 300 BAO 271. 24) Zum Ermessen der AbgBeh vgl Fischerlehner, Abgabenverfahren § 300 Anm 4. 25) Vgl zu den Voraussetzungen im Detail Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 300 BAO 270 ff; Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren Rz III/67 ff. 26) Vgl bereits Gunacker-Slawitsch, Einigung im finanzgerichtlichen Verfahren? in Ehrke-Rabel/Merli, Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der belangten Behörde in der neuen Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit (in Druck). 27) Vor Ablauf der Frist gem § 300 Abs 1 lit b BAO kann das VwG nur dann über die Beschwerde absprechen, wenn die AbgBeh mitteilt, dass sie keine Aufhebung vornehmen wird (§ 300 Abs 2 BAO). 28) Vgl auch Fischerlehner, Abgabenverfahren § 300 Anm 9. 29) Vgl Pkt 4 des Salzburger Steuerdialogs v 8. 10. 2013, BMF-010103/ 0180-IV/2013; Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 300 BAO 272. 30) Zur Bindungswirkung solcher Einigungen vgl Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel/Merli, Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der belangten Behörde (in Druck).
b) Die Rolle der Abgabenbehörde im Ermittlungsverfahren Der oben angesprochene Verlust der Entscheidungsbefugnis der belAbgBeh passt zum Konzept eines kontradiktorischen Gerichtsverfahrens, in dem sich der Bf und die belBeh als Parteien gegenüberstehen. Der belBeh kommt im gerichtlichen Verfahren – wie bisher – Parteistellung mit (im Vergleich zur Partei iSd § 78 BAO eingeschränkten)31) Parteirechten zu.32) Auch wenn die AbgBeh ihre Verfahrensherrschaft und Entscheidungsbefugnis ab Stellung des Vorlageantrags (bzw in den Fällen des Unterbleibens einer BVE ab Einbringung der Bescheidbeschwerde) an das VwG abtritt, treffen die Beh weiterhin Beistandspflichten, und zwar sowohl eine auf Ersuchen des VwG (§ 269 Abs 2 BAO) als auch eine automatische Beistandspflicht aufgrund § 265 Abs 6 BAO. Die zuletzt genannte Bestimmung verpflichtet die belAbgBeh ab der Vorlage der Bescheidbeschwerde das VwG über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen.33)
Wie bisher der UFS werden in § 269 Abs 2 BAO nunmehr auch die VwG ermächtigt, „das zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erforderliche Ermittlungsverfahren durch eine von ihnen selbst zu bestimmende Abgabenbehörde durchführen oder ergänzen [zu] lassen.“ Nach den ErläutRV34) soll diese Bestimmung inhaltlich dem bisherigen § 279 Abs 2 BAO aF entsprechen. Diese Vorgängerbestimmung wurde dahingehend verstanden, dass sowohl die Beh, deren Bescheid angefochten wurde, als auch eine andere AbgBeh mit Ermittlungen beauftragt werden darf.35) Die weiterhin bestehende Möglichkeit der Ermittlungsaufträge verdeutlicht, dass es auch im finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahren keinen absoluten Grundsatz der Unmittelbarkeit gibt, da die Beweisaufnahme nicht durch die erkennenden Richter vorgenommen werden muss.36) Dies erscheint, so auch Merli/Ehrke-Rabel,37) insofern unproblematisch, wenn man bedenkt, dass dem VwG nicht die Erstermittlung des Sachverhalts, sondern grds 31) Jene Bestimmungen über Parteirechte in der BAO, die in einem Klammerausdruck auf § 78 BAO verweisen, sind auf die Amtspartei nicht anwendbar, vgl Ritz, BAO4 § 276 Tz 56. 32) Vgl dazu ausführlich Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 265 BAO 228; Fischerlehner, Abgabenverfahren § 265 Anm 5. 33) Vgl dazu ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 19. 34) ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 19. Zur Frage nach der rechtlichen Qualität dieser Ermittlungsaufträge vgl Tanzer, Das Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat im Abgabenrecht, in Holoubek/Lang (Hrsg), Das Verfahren vor den Unabhängigen Finanzsenat (2003) 169 (180 ff); Unger, Der Geheimnisschutz im Abgabenverfahrensrecht (2007) 174 ff. 35) ErläutRV 1002 BlgNR 21. GP 39; krit dazu Ritz, BAO4 § 279 Tz 9 mwN. 36) Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren Rz III/51. 37) Vgl in diesem Sinn ausführlich Merli/Ehrke-Rabel, Die belangte Behörde in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit – Vergleich und Bewertung, in Ehrke-Rabel/Merli, Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der belangten Behörde in der neuen Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit (in Druck).
(nur) die Kontrolle der Sachverhaltsfeststellung und jedenfalls die Würdigung aller erhobenen Beweise obliegt. Ob und welche AbgBeh mit ergänzenden Ermittlungen betraut wird, liegt im Ermessen des Gerichts, welches nach Maßgabe des § 20 BAO auszuüben ist. Dabei wird es ua abzuwägen haben: Insb, wenn es um ergänzende tatsächliche Ermittlungen geht, kann es der Verfahrensbeschleunigung dienen, die mit dem „Fall“ bereits vertraute AbgBeh mit einzelnen nachzuholenden Ermittlungen zu beauftragen, zumal die Beh grds ohnehin ebenso wie das Gericht zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet ist. Andererseits kann es im Hinblick auf ein faires, kontradiktorisches Gerichtsverfahren in bestimmten Fällen zweckmäßig sein, nicht eine der Verfahrensparteien (die Amtspartei) mit ergänzenden Ermittlungen zu beauftragen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn sich die „Fronten“ zwischen den Parteien bereits sehr „verhärtet“ haben oder wenn die Einvernahme eines Zeugen nachzuholen ist.38)
B. Das Beschwerdeverfahren 1. Entscheidungsfindung Ebenso wie die wesentlichen Verfahrensgrundsätze bleibt auch die Art und Weise der Entscheidungsfindung im neuen Rechtsmittelverfahren weitgehend unverändert. Den Regelfall stellt die Entscheidungsfindung durch den Einzelrichter dar (§ 272 Abs 1 BAO). Dem Senat obliegt die Entscheidungsfindung nur dann, wenn die Senatsentscheidung vom Bf rechtzeitig beantragt wird39) oder der Einzelrichter dies verlangt (§ 272 Abs 2 BAO). Unabhängig davon, ob die Entscheidung durch Einzelrichter oder durch Senat erfolgt, findet eine mündliche Verhandlung (nur) auf Antrag des Bf40) statt oder wenn eine solche vom Einzelrichter oder – bei Senatsentscheidungen – vom Berichterstatter für erforderlich gehalten wird (§ 274 Abs 1 iVm Abs 5 BAO).41) Obliegt die Entscheidung über die Beschwerde dem Senat, ist eine mündliche Verhandlung außerdem durchzuführen, wenn dies der Senatsvorsitzende für erforderlich hält oder es der Senat auf Antrag eines Mitglieds beschließt (§ 274 Abs 2 BAO). Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, ist diese grds öffentlich. Die (weitgehenden) Möglichkeiten zum Ausschluss der Öffentlichkeit im finanzgerichtlichen Verfahren wurden unverändert beibehalten (§ 275 Abs 3 BAO).
2. Entscheidungsformen (Beschluss, Erkenntnis) Neu ist, dass das VwG entweder mit Beschluss oder mit Erkenntnis entscheidet. Mittels Beschluss wird insb eine Formalerledigung getroffen oder die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheids unter Zurückverweisung der Sache an die AbgBeh erledigt. Liegt keiner dieser Fälle vor, hat das VwG gem § 279 BAO immer mit Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden. Umgekehrt bedeutet dies, dass das Gericht in allen Fällen, in denen es
nicht in der Sache selbst entscheidet, mittels Beschluss vorzugehen hat.
3. Ablauf des Verfahrens a) Die Beschwerdeprüfung durch das Gericht Gelangt eine Bescheidbeschwerde vor das VwG, hat dieses zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde samt Vorlageantrag zulässig ist und fristgerecht eingebracht wurde.42) Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht die Beschwerde mittels Beschluss zurückzuweisen (§ 278 Abs 1 lit a BAO). Weist die Beschwerde inhaltliche oder formale Mängel auf, hat das Gericht einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen (§ 2 a iVm § 85 Abs 2 BAO). Wird einem solchen Auftrag nicht (rechtzeitig) oder nicht ausreichend entsprochen,43) hat das VwG mittels Beschluss die Beschwerde als zurückgenommen zu erklären (§ 278 Abs 1 lit b iVm § 85 Abs 2 BAO). Liegt kein Grund für eine Zurückweisung oder eine Zurücknahmeerklärung vor, hängt die weitere Erledigung davon ab, ob die AbgBeh Ermittlungen (iSd § 115 Abs 1 BAO) unterlassen hat, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Ist das zu bejahen, ist zu prüfen, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das VwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs 1 BAO). Ist auch dies zu bejahen, hat das VwG zwingend in der Sache selbst mittels Erkenntniss zu entscheiden (§ 279 Abs 1 BAO; vgl dazu Pkt B.3.b). Dieser Vorrang der Sachentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommt bereits in Art 130 Abs 4 B-VG zum Ausdruck. Nach Maßgabe dieser Bestimmung hat das VwG, abgesehen von Verwaltungsstrafsachen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das VwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das VwG selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, kann das VwG die Beschwerde durch Aufhebung des Bescheids mit Beschluss unter Zurückverweisung der Sache an die AbgBeh erledigen (§ 278 Abs 1 BAO). b) Aufhebung unter Zurückverweisung Ob eine Bescheidbeschwerde durch Aufhebung unter Zurückverweisung erledigt wird, liegt gem § 278 BAO somit im Ermessen des VwG. Wurden Sachverhaltsermittlungen nach Maßgabe des § 278 Abs 1 BAO unterlassen, hat das VwG daher zu entscheiden: 38) Vgl Merli/Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel/Merli, Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der belangten Behörde (in Druck). 39) Vgl dazu Grill/Peperkorn, Das neue Rechtsmittelverfahren aus der Sicht des Abgabepflichtigen, in diesem Heft. 40) Vgl dazu Grill/Peperkorn, in diesem Heft. 41) Mit dem AbgÄG 2014 soll dies künftig auch explizit in § 274 Abs 1 Z 2 BAO verankert werden. 42) Zur zulässigen und fristgerechten Einbringung der Beschwerde vgl Grill/Peperkorn, in diesem Heft. 43) Vgl dazu VwGH 3. 6. 1993, 92/16/0116, zu § 85 Abs 2 BAO.
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Ist die Feststellung des Sachverhalts durch das VwG selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, hat es (zwingend) selbst die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen (allenfalls unter Beauftragung einer AbgBeh gem § 269 Abs 2 BAO) und über den festgestellten Sachverhalt zu entscheiden (§ 278 Abs 1 letzter Satz BAO iVm § 279 Abs 1 BAO). & Ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das VwG selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, kann das VwG den Bescheid aufheben und die Sache zurück an die Beh verweisen. Die Entscheidung, welche Variante rascher bzw kostengünstiger ist, obliegt dem Gericht. Das VwG hat sich bei seiner Ermessensübung, ob es die Sache an die AbgBeh zurückverweist, an den Kriterien des § 20 BAO (Billigkeit und Zweckmäßigkeit) zu orientieren. Liegt die Feststellung des Sachverhalts durch das VwG weder im Interesse der Zweckmäßigkeit (iS einer Wirtschaftlichkeit) noch im Interesse der Billigkeit (iS einer Verfahrensbeschleunigung bzw insgesamt einer Sinnhaftigkeit der eigenen Sachverhaltsfeststellung), wird ein Aufhebungsbeschluss zu ergehen haben. Dies entspricht dem Verständnis einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, in welcher die Sachverhaltsfeststellung durch das Gericht zwar umfassend und in jede Richtung zu kontrollieren ist, in der aber derart umfassende Ermittlungen, die im Ergebnis einer Erstermittlung eines Sachverhalts entsprechen, nicht auf das VwG verlagert werden sollen.44) Hebt das VwG den angefochtenen Bescheid auf, tritt das Verfahren wie bisher in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheids befunden hat (§ 278 Abs 2 BAO). Neu ist, dass sich die Bindungswirkung künftig ausschließlich auf Abgabenbehörden, nicht auch auf andere Behörden und nicht auf Verwaltungsgerichte (auch nicht auf das entscheidende Gericht selbst) erstreckt. Folgt einem Aufhebungsbeschluss ein neuer Sachbescheid nach, kann die Beschwerde gegen den neuen Bescheid somit nunmehr auch zu einer geänderten Rechtsauffassung des VwG führen.45) Im neuen Rechtsmittelverfahren wurde die Bindungswirkung auch insofern erweitert, als sie nunmehr auch dann gilt, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst (§ 278 Abs 3 letzter Satz BAO). Damit wurde der gegenteiligen Auffassung des VwGH46) eine Absage erteilt.47) &
Beispiel: Gegen einen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid wird Beschwerde erhoben. Das VwG hebt den Bescheid mit Beschluss auf und verweist die Sache an die AbgBeh zurück. Erlässt die AbgBeh in der Folge den Umsatzsteuerjahresbescheid, ist sie an die im Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht gebunden.48)
Neu ist in diesem Zusammenhang auch die Verjährungsbestimmung des § 209 a Abs 5 BAO. Soweit die Verjährung einer Abgabenfestsetzung in einem Erkenntnis nicht entgegenstehen würde (§ 209 a BAO), steht sie auch nicht der Abgabenfestsetzung
in dem Bescheid entgegen, der den gem §§ 278 oder 300 BAO aufgehobenen Bescheid ersetzt. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage wird der Zeitraum, in dem die Beh einen solchen Ersatzbescheid erlassen darf, derart befristet, dass dieser Bescheid binnen eines Jahres ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) des aufhebenden Beschlusses bzw innerhalb der Frist des § 300 Abs 1 lit b BAO zu ergehen hat.49) c) Entscheidung in der Sache selbst In allen anderen Fällen, in denen das VwG nicht nach Maßgabe des § 278 BAO mit Beschluss vorgeht, hat es gem § 279 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Das VwG ist dabei berechtigt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Hervorzuheben ist, dass das Bundesfinanzgericht als einziges VwG auch berechtigt ist, sein Ermessen an die Stelle jenes der belBeh zu setzen (vgl Art 130 Abs 3 B-VG). Die Änderungsbefugnis des VwG „nach jeder Richtung“ wurde wörtlich in das neue Rechtsmittelverfahren übernommen. Nach der bisherigen Rsp des VwGH war es Aufgabe des UFS, in der Sache neuerlich zu entscheiden, und zwar so, als ob die Sache erstmals nach den für sie geltenden Bestimmungen unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze behandelt würde.50) Da in diesem Bereich offenbar keine Änderungen angestrebt wurden, ist das VwG im Anwendungsbereich der BAO, wie bereits ausgeführt, nicht an das Beschwerdebegehren gebunden und darf auch aus der Sicht des Bf verbösernde Entscheidungen treffen.51) Begrenzt wird die Änderungsbefugnis nach der bisherigen (und auch weiterhin zu beachtenden) Rsp des VwGH durch die Sache; das ist nach der Judikatur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der AbgBeh gebildet hat.52) 44) So auch Merli/Ehrke-Rabel in Ehrke-Rabel/Merli, Rolle und Gestaltungsmöglichkeiten der belangten Behörde (in Druck); vgl auch VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315, zu § 66 AVG; daran ändert auch nichts, dass kassatorische Erledigungen nach der (bisherigen) VwGH-Rsp die Ausnahme darstellen sollen, vgl zB VwGH 26. 4. 2006, 2004/14/0059; 16. 12. 2010, 2007/15/0016. 45) Vgl zur bisherigen Rechtslage, wonach laut hM der UFS und im Ergebnis auch der VwGH an die Rechtsauffassung im Aufhebungsbescheid gebunden waren: Lang/Lenneis, Die Tücken des Aufhebungsbescheides nach § 289 Abs 1 BAO, SWK 2002, 610, und Marchgraber, Die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen im Abgabenverfahren, UFSjournal 2013, 281. 46) VwGH 20. 2. 2008, 2006/15/0339. 47) Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 279 BAO 242; Tanzer, Die Rechtswirkungen des erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteils im fortgesetzten Steuerverfahren, in Holoubek/ Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 251 (258). 48) Vgl auch Fischerlehner, Abgabenverfahren § 279 Anm 7. 49) Vgl die ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 16, wonach die bisherige Regelung dem Sinn und Zweck der Verjährungsbestimmungen zuwiderlief. 50) ZB VwGH 24. 10. 2001, 2000/17/0017. 51) Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 279 BAO 244. 52) Vgl VwGH 27. 9. 2010, 2009/15/0152; 27. 9. 2012, 2010/16/0032; vgl dazu Ritz, BAO4 § 289 Tz 38 f mit zahlreichen Bsp aus der Judikatur.
Ein Erkenntnis des VwG in der Sache ersetzt den angefochtenen Bescheid. Da dem Gericht im Beschwerdeverfahren die gleichen Obliegenheiten wie der AbgBeh auferlegt sind und es daher zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet ist, muss es – bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit – auch zu den nicht angefochtenen Bescheidinhalten Überlegungen anstellen.53) Spricht das VwG über nicht angefochtene Inhalte nicht ausdrücklich ab, werden diese bestätigt.54) Wird mit Erkenntnis des VwG der angefochtene Bescheid aufgehoben, sieht § 279 Abs 2 BAO nunmehr ausdrücklich vor, dass durch diese Aufhebung das Verfahren in jene Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheids befunden hat. Diese Bestimmung stellt klar, dass Erkenntnisse in der Sache selbst jedenfalls ex tunc wirken.55) Hinsichtlich der Bindungswirkung bestehen die Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage ebenso wie beim Aufhebungsbeschluss darin, dass sich die Bindungswirkung von Erkenntnissen nunmehr ausschließlich auf AbgBeh erstreckt und insofern erweitert wurde, als sie auch dann gilt, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst (§ 279 Abs 3 BAO; s oben Pkt B.3.b). d) Gegenstandsloserklärung Auch wenn es der Bf, sobald er eine Beschwerde erhoben hat, nicht mehr in der Hand hat, die Kognitionsbefugnis des Gerichts auf einzelne Punkte zu beschränken, kann er doch insofern über das Verfahren disponieren, als er gem § 256 BAO seine Beschwerde bis zur Bekanntgabe der Entscheidung zurücknehmen darf.56) Wird die Bescheidbeschwerde während eines laufenden Gerichtsverfahrens gem § 256 BAO (zB in einem Erörterungstermin) zurückgenommen oder gem § 261 BAO dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen, ist sie mit Beschluss des VwG als gegenstandslos zu erklären (§ 278 Abs 1 lit b BAO). Beispiel: In einem Erörterungstermin erteilt der Bf nach Maßgabe des § 300 BAO seine Zustimmung zur Aufhebung des Bescheids. Im Ersatzbescheid wird dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen.
Betont sei noch einmal, dass ab Stellung des Vorlageantrags jegliche Aufhebung oder Abänderung, mit der dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird, den Beschränkungen des § 300 BAO unterliegt.
sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet ist.“ 58) Die Entscheidung des Gesetzgebers für ein Revisionsmodell war vor allem von der Notwendigkeit einer Entlastung des VwGH angesichts bevorstehender neuer Aufgaben getragen.59) Die Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit liegt damit in den Händen der VwG.60) Der VwGH soll nur mehr über Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung entscheiden, wobei das Gesetz drei Anwendungsfälle demonstrativ („insbesondere“) umschreibt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung kann nach hM daher auch dann vorliegen, wenn eine VwGH-Rsp zwar besteht, im Schrifttum aber neue, gewichtige Argumente vorgebracht werden.61) Ebenso können auch Judikaturdivergenzen in der bisherigen Rsp des VwG zur Zulassung einer Revision führen.62) Umgekehrt führt gem Art 133 Abs 4 B-VG auch ein Fehlen einer höchstgerichtlichen Rsp nur dann zur Revision, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.63) Ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen, entscheidet das VwG als Letztgericht. Ob eine Revision zulässig ist, wird zunächst vom VwG ausgesprochen. Hält das VwG die Revision nach Maßgabe des Art 133 Abs 4 B-VG für unzulässig, kann eine außerordentliche Revision an den VwGH erhoben werden,64) die genauso wie die (ordentliche) Revision die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG erfüllen muss. 53) 54) 55) 56)
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4. Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision Fällt das VwG ein Erkenntnis oder einen Beschluss,57) hat es seit 2014 auch auszusprechen, ob eine Revision beim VwGH gem Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist (§ 280 Abs 1 lit d BAO). Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision zulässig, „wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht-
62)
63) 64)
Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren Rz III/119. Vgl zur früheren Rechtslage Stoll, BAO-Kommentar III (1994) 2791. Vgl ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 19. Nach Ritz kann eine Beschwerde auch nach Stellung des Vorlageantrags zurückgenommen werden; vgl Ritz, BAO4 § 256 Tz 14; aA Althuber, Zurücknahme der Berufung nach ergangener Berufungsvorentscheidung, GeS 2003, 495. Zur Revision gegen Beschlüsse vgl Art 133 Abs 9 B-VG. § 25 a Abs 2 VwGG enthält eine abschließende Aufzählung jener Beschlüsse, welche nicht mittels Revision angefochten werden können, vgl dazu Grill/ Kettisch, Das Verfahren vor dem VwGH, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen Rz IV/7. Zu den Voraussetzungen für die Erhebung der Revision vgl Grill/ Kettisch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren Rz IV/1 ff. Vgl ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 3; Sutter, Ablehnungsrecht und Sachentscheidung – neue Entscheidungsbefugnisse für den VwGH, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 202 f. Vgl Thienel, Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 331 (379). Vgl Sutter in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz 205 f: für Deutschland Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Finanzgerichtsordnung-Kommentar (Loseblattausgabe) § 115 Rz 107 mit Hinweis auf die BFH-Rsp: vgl zB BFH 21. 9. 2011, XI B 24/11; 22. 2. 2000, IX B 139/99: „Hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage schon früher entschieden, so muss der Beschwerdeführer eingehend begründen, warum er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält.“ Vgl Laudacher, Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision in der künftigen Entscheidungspraxis des Bundesfinanzgerichts, SWK 2013, 1417 (1423). GlA bereits Laudacher, SWK 2013, 1417 (1422). Vgl dazu Grill/Kettisch in Ehrke-Rabel, Rechtsmittelverfahren Rz IV/ 51 ff.
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Die Zulässigkeit einer Revision hängt somit entscheidend davon ab, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung angenommen wird. Dabei ist für die Verfahrensparteien zu bedenken, dass es (auch) an ihnen liegt, durch bereits in der Beschwerde vorgebrachte entsprechende Argumente (zB durch das Aufzeigen von Judikaturdivergenzen) das VwG von einer solchen Rechtsfrage zu überzeugen. Anhaltspunkte für eine Argumentation können zunächst aus der bisherigen Rsp des VwGH zum Ablehnungstatbestand des § 33 a VwGG65) entnommen werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wurde vom VwGH dabei insbesondere anerkannt, „wenn die Entscheidung der Sache nicht nur für die beschwerdeführende Partei von Wichtigkeit ist, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützten Rechtsprechung liegt. Das ist der Fall, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die auch für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle von Bedeutung ist und wenn dieselbe durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bisher nicht abschließend geklärt wurde. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder des formellen Rechts handeln.“ 66) Anhaltspunkte für die Auslegung des Tatbestandmerkmals „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“ bietet derzeit auch (soweit auf das Abgabenverfahren übertragbar) die einschlägige OGH-Judikatur zum Revisionsmodell der ZPO, da sich das neue Revisionsmodell des VwGG den Erläuternden Bemerkungen zufolge an den §§ 502 ff ZPO orientiert.67) § 502 Abs 1 ZPO setzt zwar keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung voraus.68) Gem § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision gegen Urteile des Berufungsgerichts zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, „der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.“ Die Judikatur des OGH bietet allerdings Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, wann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Nach der Rsp des OGH handelt es sich bspw dann um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, wenn es um die Konkretisierung unbestimmter Gesetzesbegriffe oder um tragende Grundsätze des Verfahrensrechts geht.69) Für die Frage, ob eine Rechtsfrage vorliegt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, kann auch ein Blick auf die BFH-Judikatur hilfreich sein,70) da § 115 dFGO ein ähnliches Revisionsmodell vorsieht. Nach § 115 Abs 2 dFGO ist eine Revision nur zuzulassen, „wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.“ Der BFH nimmt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an, wenn die Rechtsfrage – über den Einzelfall
hinaus – „das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.“ 71) Darüber hinaus kennt die dFGO auch absolute Revisionsgründe, die sich auf schwere Verletzungen der Verfahrensvorschriften beziehen.72) Aufgrund von § 115 dFGO hält der BFH eine Revision auch für zulässig, wenn ein Rechtsfehler des Finanzgerichts von erheblichem Gewicht vorliegt, „der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.“ Derart „greifbar gesetzwidrig“ ist eine Entscheidung dann, „wenn sie objektiv willkürlich und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist.“73) Dies ähnelt auch der Judikatur des OGH.74) In der österr Lit zu den Voraussetzungen einer Revision an den VwGH wird ebenfalls davon ausgegangen, dass ein allg Interesse an der Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen durch den VwGH besteht.75) Schwere Rechtsanwendungsfehler – nicht aber jeder „einfache Rechtsfehler“76) – des VwG sollen daher zur Zulassung einer außerordentlichen Revision führen, da solche Fehler das Vertrauen in die Gerichte beeinträchtigen und dadurch grds Bedeutung erlangen können.77) Der VwGH wird sich dabei wohl auf eine grobe Schlüssigkeitsprüfung zurückziehen.78) Entsprechende überzeugende Argumente, warum ein solcher schwerer Rechtsanwendungsfehler anzunehmen ist oder warum entgegen der Ansicht des VwG doch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, sind vom Revisionswerber in der außerordentlichen Revision anzuführen (§ 28 Abs 3 VwGG). Damit sind durch das neue Revisionsmodell seit 1. 1. 2014 jedenfalls sowohl die VwG als auch die Rechtsschutzsuchenden vor neue Anforderungen gestellt. 65) Der Ablehnungstatbestand des § 33 a VwGG hatte bereits vor dem 1. 7. 2012 für Beschwerden gegen Bescheide eines UVS Bedeutung, vgl § 33 a VwGG idF BGBl I 2004/89. 66) VwGH 26. 9. 1991, 91/09/0144; vgl dazu bereits Laudacher, SWK 2013, 1417 (1418). 67) Vgl ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16. 68) Vgl Rechberger, Kommentar zur ZPO3 (2006) § 502 Rz 11. 69) Vgl Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht8 (2010) Rz 1041 mwN; zur OGH-Judikatur zur Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts vgl ausführlich Zechner in Fasching (Hrsg), Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen 4, I. Teilband2 (2005) § 502 ZPO Rz 92 ff. 70) Vgl dazu auch Laudacher, SWK 2013, 1417 (1419 ff). 71) BFH 10. 2. 2005, VI B 113/04; vgl dazu Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler § 115 FGO Rz 91. Vgl auch BFH 21. 8. 2013, I B 60/12 SWK 2013, 1496. 72) Vgl dazu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 119 FGO Rz 7 ff und § 118 FGO Rz 8 ff. 73) BFH 20. 6. 2011, I B 108/10; vgl dazu Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler § 115 FGO Rz 202. 74) Vgl zB OGH 27. 3. 2008, 2 Ob 210/07 g („krasse Fehlbeurteilung“); zit in Sutter in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz 209. 75) Vgl Pinetz/Zeiler, Zugang zu den Höchstgerichten im Abgabenverfahren, SWK 2013, 1297 (1300 f). 76) Vgl Laudacher, SWK 2013, 1417 (1423); für Deutschland Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 115 FGO Rz 182, 203. 77) Vgl Sutter in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz 207 ff; Pinetz/Zeiler, SWK 2013, 1297 (1300 f); in diese Richtung auch Laudacher, SWK 2013, 1417 ff. 78) Vgl Sutter in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz 208.
START RECHTSMITTELVERFAHREN
Ja, Beschwerdefrist läuft. Bescheid vollständig? Begründung fehlt oder Bescheid Beschwerdefrist beginnt erst mit Zustellung der Begründung bzw des Berichts zu laufen. verweist auf Außenprüfungsbericht
Rechtsbehelf
Inhalt und Anträge
Zeitlicher Rahmen
BESCHEIDBESCHWERDE
Kein Ein Monat ab Zustellung NeuerungsFrist ist auf Antrag aus verbot berücksichtigungswürdigen Gründen zu verlängern (Achtung, Fristverlängerungsantrag hemmt nicht Eintritt der Fälligkeit!). Der Antrag hemmt den Lauf der Beschwerdefrist!
Inhalt: § 250 BAO Bezeichnung Bescheid & Beschwerdepunkte & Beantragte Änderungen & Begründung
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Antrag Unterbleiben BVE & Senatsentscheidung & Mündliche Verhandlung
In der Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist
Ausführungen, ob Revisionsgrund vorliegt
Können nachträglich vorgebracht werden
AUSSETZUNG § 212 a BAO
Kann bis zur BVE gestellt werden BESCHWERDEVORENTSCHEIDUNG
VORLAGEANTRAG
Keine Inhalts- oder Formerfordernisse
Ein Monat ab Zustellung
Wenn nicht in Beschwerde beantragt: & Senatsentscheidung & Mündliche Verhandlung Wenn nicht in Beschwerde: Ausführungen zum Revisionsgrund AUSSETZUNG, wenn Ablauf mit BVE verfügt
Kann nachträglich vorgebracht werden Kann nachträglich gestellt werden
ERKENNTNIS / BESCHLUSS DES VERWALTUNGSGERICHTS Revision zugelassen ORDENTLICHE REVISION
Inhalt: § 28 VwGG
Revision nicht zugelassen AUSSERORDENTLICHE REVISION
Inhalt: § 28 VwGG + Ausführungen, warum Revision zulässig
NeuerungsFrist sechs Wochen, nicht verbot verlängerbar. Einbringung durch RA, WP oder StB
ERKENNTNIS / BESCHLUSS DES VwGH
Tabelle: Ehrke-Rabel SCHLUSSSTRICH
Die wesentlichen, aus dem Verfahren vor dem UFS bekannten Verfahrensgrundsätze (keine Bindung an die Beschwerdepunkte, Verböserungsrecht, kein Neuerungsverbot) wurden in das finanzgerichtliche Verfahren übernommen. Im Detail sind die Verfahrensparteien allerdings mit etlichen Änderungen bzw neuen Bestimmungen konfrontiert. Charakteristisch für das neue finanzgerichtliche Verfahren ist, dass die Abgabenbe-
hörde idR ab Stellung des Vorlageantrags die Entscheidungsbefugnis über den angefochtenen Bescheid verliert und nur durch Mitwirkung sowohl des Beschwerdeführers als auch des Gerichts wiedererlangen kann. Eine neue Herausforderung für alle Beteiligten stellt die Regelung dar, wonach das Verwaltungsgericht über die Zulässigkeit der Revision an den VwGH abzusprechen hat.
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§§ 85 a, 284 ff BAO; § 38 VwGG
Entscheidungspflicht; Säumnis
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Säumnisbeschwerde und Fristsetzungsantrag im Zuge der Einführung der VerwalAbgabenverfahren Imtungsgerichtsbarkeit wurde der Rechtsbehelf der Säumnisbeschwerde an den VwGH durch den Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrags abgelöst.1) Gleichzeitig hat das Abgabenverfahren eine gewissermaßen „neue Säumnisbeschwerde“ erhalten, die sich bei näherer Betrachtung als inhaltlich weitgehend unveränderter Ersatz für den Devolutionsantrag präsentiert.2) RICHARD KETTISCH / MARCUS SCHINNERL
A. Einführung zur Säumnisbeschwerde Aus rechtsstaatlicher Sicht ist es erforderlich, dem Einzelnen einen Rechtsbehelf zur Bekämpfung von abgabenbehördlicher Untätigkeit einzuräumen.3) Trifft die Abgabenbehörde (AbgBeh) nicht innerhalb von sechs Monaten ab dem Einlangen eines Anbringens oder ab der Verpflichtung zur amtswegigen Bescheiderlassung eine Entscheidung, so kann Säumnisbeschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht (VwG) erhoben werden. Einen Devolutionsantrag wird es ab 1. 1. 2014 in Abgabensachen nicht mehr geben,4) jedoch entsprechen die Bestimmungen über den Devolutionsantrag gem §§ 311 f BAO aF im Wesentlichen jenen der Säumnisbeschwerde iSd §§ 284 ff BAO nF. Aus diesem Grund kann auch die einschlägige Rsp des VwGH weiterhin auf Säumnisbeschwerden angewendet werden.
1. Die Verletzung der Entscheidungspflicht Die VwG erkennen gem Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Die Entscheidungspflicht, die eine abgabenbehördliche Entscheidung über Parteianbringen5) ohne unnötigen Aufschub anordnet, ist nunmehr in § 85 a BAO normiert. In der Entscheidungspflicht liegt einerseits für die AbgBeh die Pflicht zum bescheidmäßigen Abspruch über ein Anbringen und andererseits für den Beschwerdeführer (Bf) die Beschwerdelegitimation als Anspruch auf einen die Verwaltungssache gänzlich erledigenden Bescheid begründet („Erledigungsanspruch“).6) Beschwerdelegitimiert ist gem Art 132 Abs 3 B-VG zufolge jedermann, der im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet. In § 284 Abs 1 BAO wird diese verfassungsrechtliche Vorgabe für das Abgabenverfahren in concreto umgesetzt, indem jede Partei, der gegenüber ein Bescheid der AbgBeh zu ergehen hat, zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde befugt ist. Eine Säumnisbeschwerde kann jedoch erst dann erhoben werden, wenn die AbgBeh nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen eines Anbringens oder nach dem Eintritt der Ver-
pflichtung zur amtswegigen Bescheiderlassung diesen bekanntgibt (Zustellung bzw Verkündung).
2. Die Inhaltserfordernisse einer Säumnisbeschwerde Eine Säumnisbeschwerde muss gem § 285 Abs 1 BAO folgenden Inhalt aufweisen: & die Bezeichnung der säumigen AbgBeh; & die Darstellung des Inhalts des unerledigten Antrags bzw der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheids besteht, und & die Angaben, die zur Beurteilung des Ablaufs der Frist des § 284 Abs 1 notwendig sind. Fehlt eine der in § 285 Abs 1 BAO geforderten Angaben, liegt ein inhaltlicher Mangel iSd § 85 Abs 2 BAO vor, aufgrund dessen die AbgBeh dem Bf einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen hat.7) Ein solcher hemmt gem § 285 Abs 2 BAO die dreimonatige Frist des § 284 Abs 2 BAO, sodass die Entscheidungspflicht nicht auf das VwG übergehen kann, wenn und solange die Säumnisbeschwerde mangelhaft ist.8) Wird ein Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist gestellt, hat dieser – anders als im Mag. Richard Kettisch und Mag. Marcus Schinnerl sind Assistenten am Institut für Finanzrecht der Karl-Franzens-Universität Graz. Die Autoren danken Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel für wertvolle Anmerkungen und die kritische Durchsicht des Manuskripts. 1) Vgl ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP 11. 2) Zur Säumnisbeschwerde im Abgabenverfahren vgl Gunacker-Slawitsch, Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) Rz III/162 ff. 3) Vgl dazu Ritz, Bundesabgabenordnung-Kommentar4 (2011) § 311 Tz 3, unter Hinweis auf Stoll, Bundesabgabenordnung-Kommentar (1994) 2997. 4) Im allgemeinen Verwaltungsverfahren bleibt der Devolutionsantrag in § 73 AVG – jedoch nur mehr im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden – weiterhin bestehen. 5) Die Entscheidungspflicht auslösende Anbringen iSd § 85 Abs 1 BAO sind bspw auch ESt-Erklärungen. 6) Vgl dazu Ritz, BAO4 § 311 Tz 4; zum Erledigungsanspruch im allgemeinen Verwaltungsverfahren vgl bspw Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 (2009) 336 mwN. 7) Vgl dazu Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich (2013) § 85 BAO 116; Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013) § 85 Anm 4. 8) Vgl dazu Fischerlehner, Abgabenverfahren § 285 Anm 4.
Bescheid- und Maßnahmenbeschwerdeverfahren – keine fristhemmende Wirkung.9)
3. Das Säumnisbeschwerdeverfahren Die Säumnisbeschwerde ist in Angelegenheiten, in denen die Bestimmungen der BAO Anwendung finden, beim jeweils zuständigen VwG zu erheben. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zur Säumnisbeschwerde im Rahmen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens dar. Eine Säumnisbeschwerde, auf welche das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) 10) Anwendung findet, ist bei der Verwaltungsbehörde einzubringen.11) Das VwG hat nach Einlangen und Prüfung der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde (zB Ablauf der Sechs-Monats-Frist) der säumigen AbgBeh aufzutragen, binnen einer einmal verlängerbaren Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und ggf eine Abschrift des Bescheids vorzulegen. Nach Ablauf dieser Frist bzw wenn das VwG der AbgBeh aufgetragen hat, darzulegen, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt und diese eine Verletzung der Entscheidungspflicht verneint, geht die Entscheidungskompetenz auf das Verwaltungsgericht über (§ 284 Abs 2 iVm Abs 3 BAO). Mit von Seiten der AbgBeh reaktionslosem Ablauf der dreimonatigen Frist tritt jedenfalls der Übergang der Entscheidungskompetenz ein. Das VwG hat diesfalls die Säumnisbeschwerde abzuweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden. Als Unterform der Sachentscheidung kann es sein Erk auch auf einzelne maßgebliche Rechtsfragen beschränken.12) Anders als nach der vor dem 1. 1. 2014 geltenden Rechtslage13) kommt der säumigen AbgBeh im Säumnisbeschwerdeverfahren ausdrücklich Parteistellung zu (§ 284 Abs 6 BAO). Damit sind nunmehr auch für die AbgBeh – ebenso wie für den Bf – Rechte und Pflichten verbunden,14) deren Unterlassen Säumnisfolgen auslösen können (vgl die Sachentscheidung aufgrund der Aktenlage; s A.4. b.bb). Sowohl die Partei iSd § 78 BAO (jedenfalls der Bf) als auch die AbgBeh sind gem § 284 Abs 7 lit c iVm § 265 Abs 6 BAO dazu verpflichtet, das VwG über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverzüglich zu verständigen. Diese Verständigungspflicht besteht für die AbgBeh spätestens ab der Aufforderung des VwG nach § 284 Abs 2 BAO. Für den Bf besteht diese Verpflichtung ab Einbringung der Säumnisbeschwerde beim VwG.15) Die Vorschriften über die Senatsentscheidung, die mündliche Verhandlung und den Gang des Verfahrens (§§ 272 bis 277 BAO) sowie die Ablehnungsrechte wegen Befangenheit bzw wegen Wettbewerbsgefährdung (§ 268 BAO) sind sinngemäß für das Säumnisbeschwerdeverfahren anzuwenden (vgl § 284 Abs 7 lit e und g BAO). Eine Senatsentscheidung bzw eine mündliche Verhandlung kann nur von einer Partei iSd § 78 BAO (insb dem Bf) beantragt werden. Ebenso steht auch nur diesem das Ablehnungsrecht wegen Wettbewerbsgefährdung zu.
4. Die Entscheidung im Säumnisbeschwerdeverfahren a) Die Formalentscheidung Die beim VwG eingebrachte Säumnisbeschwerde kann gem § 284 Abs 7 lit a iVm § 256 Abs 1 und 3 BAO schriftlich oder zur Niederschrift (vgl § 87 Abs 1 iVm § 85 Abs 3 lit a BAO) zurückgenommen werden. In diesem Fall ist die Säumnisbeschwerde mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären. Stellt das VwG nach Einlangen der Säumnisbeschwerde fest, dass diese nicht zulässig ist, so hat es die Beschwerde mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (§ 284 Abs 7 lit b iVm § 260 Abs 1 lit a BAO). Eine Säumnisbeschwerde ist unter anderem dann unzulässig, wenn die Sechs-Monats-Frist noch nicht abgelaufen, der Einschreiter nicht beschwerdelegitimiert ist oder überhaupt keine Entscheidungspflicht besteht.16) b) Die Entscheidung in der Sache selbst
aa) Die vollumfängliche Sachentscheidung Sofern keine Formalentscheidung zu erlassen ist, kommt eine Sachentscheidung und damit der Übergang der Entscheidungspflicht auf das VwG dann in Betracht, wenn die AbgBeh binnen der zuvor genannten Frist von bis zu drei Monaten, die das VwG der AbgBeh bei Einlangen der Säumnisbeschwerde zu setzen hat, keinen Bescheid erlassen hat oder vor Ablauf dieser Frist mitteilt, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt (s dazu bereits A.3.). Obliegt dem VwG die Entscheidungspflicht, so hat dieses grds ein die Sache komplett erledigendes Erk zu erlassen. Ebenso wie der Devolutionsantrag iSd AVG und iSd BAO aF ist auch die Säumnisbeschwerde vor dem VwG abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der AbgBeh gründet. Der Verschuldensbegriff ist „nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war“.17) Zuwarten auf Wunsch des Bf schließt behördliches Verschulden aus.18) Anders verhält es sich, wenn die Abg9) Dies ergibt sich daraus, dass § 245 Abs 3 bis 5 BAO im Säumnisbeschwerdeverfahren (anders als bei der Maßnahmenbeschwerde) nicht sinngemäß anzuwenden ist. 10) BGBl I 2013/33. 11) Vgl dazu § 12 VwGVG, wonach – abgesehen von Maßnahmenbeschwerden – bis zur Vorlage der (Bescheid- bzw Säumnis-)Beschwerde an das Verwaltungsgericht Schriftsätze bei der belangten Behörde einzubringen sind. 12) Siehe dazu Punkt A.4.b.cc. 13) Vgl Ritz, BAO4 § 311 Tz 50. 14) Vgl dazu auch Gunacker-Slawitsch in Ehrke-Rabel, Rz III/168. 15) Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 284 BAO 255. 16) Vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, Bundesabgabenordnung (Loseblattausgabe) § 311 Anm 27. 17) VwGH 16. 12. 2004, 2004/07/0116. 18) Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 284 BAO 254, unter Verweis auf VwGH 18. 10. 1991, 91/07/0049.
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Beh bspw lediglich das Argument ins Treffen führt, dass es sich um eine komplexe Materie handle. In diesem Fall kann per se nicht von einem für die AbgBeh unüberwindlichen Hindernis ausgegangen werden.19) bb) Sachentscheidung aufgrund der Aktenlage Das VwG kann im Säumnisbeschwerdeverfahren gem § 284 Abs 7 lit d iVm § 266 BAO (ebenso auch im Verfahren über die Maßnahmenbeschwerde; § 283 Abs 7 lit e BAO) die Vorlage der Verfahrensakten anordnen. Wird eine solche unterlassen, so kann das VwG unter Setzung einer kurzen Nachfrist erneut dazu auffordern, diese vorzulegen und im Falle des anhaltenden Unterbleibens der Aktenvorlage eine Sachentscheidung nur aufgrund der Behauptungen des Bf treffen (§ 266 Abs 4 BAO). Diese Regelung ist § 38 Abs 2 letzter Satz VwGG idF bis 1. 1. 2014 und § 20 Abs 2 VfGG nachgebildet. Die Befugnis, nur aufgrund der Behauptungen des Bf über Bescheid-, Maßnahmen- und Säumnisbeschwerden entscheiden zu dürfen, ist eine Neuerung in der BAO, die Säumnisfolgen für den Fall normiert, in welchem die AbgBeh aus welchen Gründen auch immer ihrer Verpflichtung zur Aktenvorlage nicht nachkommt. UE ist es daher zweckmäßig, den bei der AbgBeh unerledigt gebliebenen Antrag auch der Säumnisbeschwerde beizulegen. Damit wird der „Darstellung“ der unerledigten Angelegenheit (§ 285 Abs 1 lit b BAO) für eine Sachentscheidung sowohl am einfachsten als auch am effizientesten entsprochen. Ein Verbesserungsverfahren und damit eine weitere Verfahrensverzögerung kann somit hintangehalten werden. Es besteht – wie bereits angedeutet – für das Verwaltungsgericht keine Pflicht zur Erlassung einer Sachentscheidung aufgrund der Aktenlage, da § 266 Abs 4 BAO dies in das Ermessen des VwG stellt. Unstrittig ist jedoch, dass Zweifel über den Akteninhalt bzw die Unvollständigkeit der Akten sich nicht zum Nachteil des Bf auswirken dürfen.20) Auch wenn die Akten nur tw vorgelegt werden, darf nach der Judikatur des VwGH zu § 38 Abs 2 VwGG bereits aufgrund der Behauptungen des Bf in der Sache entschieden werden.21) cc) Beschränkung des Erkenntnisses auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen Das VwG kann – im Gegensatz zur vollumfänglichen Sachentscheidung – sein Erk vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der AbgBeh auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen einer Frist von bis zu acht Wochen zu erlassen. Bleibt die AbgBeh weiterhin säumig, so hat das VwG eine Sachentscheidung (Erk) zu erlassen (§ 284 Abs 5 BAO). § 284 Abs 5 BAO setzt die Entscheidungsbefugnis des VwG voraus, da dieses sein „Erk“ auf einzelne maßgebliche Rechtsfragen beschränken kann. Somit kann der säumigen AbgBeh vom VwG quasi eine „zweite Chance“ zur Bescheidnachholung eingeräumt werden. Nicht eindeutig geregelt ist, wie ein solcher Auftrag zur Bescheidnachholung durch das VwG zu qualifizieren ist. Es dürfte sich dabei – wie beim Ermittlungsauftrag gem § 269 Abs 2 BAO – weder
um eine Weisung noch um ein Amtshilfeersuchen, sondern um einen Rechtsakt sui generis handeln, der unbedingt zu befolgen ist.22) Beim Erk iSd § 284 Abs 5 BAO handelt es sich uE um ein „teilweises Voraberkenntnis“, welches im Ergebnis in einen Bescheid der AbgBeh einmündet. Die Rechtsmeinung des VwG kommt – wie im Falle der Kassation – im Anschluss an die verwaltungsgerichtliche Entscheidung durch die (materiell) erste Instanz bescheidmäßig zum Ausdruck. Dabei ist die AbgBeh an die im Erk des VwG dargelegte Rechtsansicht gebunden. Sie hat nämlich gem § 284 Abs 5 BAO den „versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung“ zu erlassen. Gegen einen solchen Bescheid kann gem § 243 BAO Bescheidbeschwerde an das zuständige VwG erhoben werden, was eine Verdoppelung des Rechtzugs bedeutet. Im Falle einer nachfolgenden Bescheidbeschwerde wird das VwG in aller Regel nicht von der in seinem „Voraberkenntnis“ niedergelegten Rechtsauffassung abweichen. Ist der Bf mit der Rechtsansicht des VwG, die in den Bescheid der AbgBeh Eingang gefunden hat, nicht zufrieden, so ist die Sache zum Zeitpunkt der später erhobenen Bescheidbeschwerde also (de facto) schon entschieden. Das VwG ist jedoch an seine eigene im Voraberkenntnis dargelegte Rechtsansicht für das Bescheidbeschwerdeverfahren nicht gebunden. c) Aussetzung der Entscheidung Das VwG kann die Entscheidung über eine Säumnisbeschwerde mit Beschluss aussetzen, wenn wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Säumnisbeschwerde anhängig ist oder sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein für die Säumnisbeschwerde bedeutsames Verfahren schwebt (§ 286 BAO). Ein solcher Beschluss darf nicht ergehen, wenn überwiegende Interessen des Bf dem entgegenstehen.
B. Der Fristsetzungsantrag Während also Säumnisbeschwerde erhoben werden kann, wenn die Behörde ihre Entscheidungspflicht verletzt, kann bei Säumnis des VwG ein Fristsetzungsantrag an den VwGH gestellt werden.23)
1. Die Säumnis als Antragsvoraussetzung Abgabenbehörden und VwG sind gleichermaßen dazu verpflichtet, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden (vgl § 2 a iVm § 85 a BAO). Das VwG hat grds eine Entscheidungs19) Vgl VwGH 2005/03/0163 ZfVB 2007/578; vgl dazu auch die ähnliche Rechtslage beim Fristsetzungsantrag, Pkt B.5.b. 20) Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu § 266 BAO 230; VwGH 17. 2. 2004, 2002/06/0151; 2008/21/0548 ZfVB 2009/1811. 21) VwGH 12. 9. 2012, 2009/08/0094. 22) Vgl zum Ermittlungsauftrag und zur korrespondierenden „alten“ Regelung des § 279 Abs 2 BAO Ritz, BAO4 § 279 Tz 7, unter Hinweis auf Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO § 279 Anm 5. 23) Vgl ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP 11; die Möglichkeit, einen solchen Fristsetzungsantrag zu stellen (§ 38 VwGG nF), ersetzt seit 1. 1. 2014 die zuvor bestehende Möglichkeit, beim VwGH Säumnisbeschwerde gegen die Säumnis (ua) eines UFS zu erheben (§ 27 VwGG aF).
frist von sechs Monaten zu beachten, sofern nicht Materiengesetze kürzere oder längere Fristen vorsehen (§ 291 Abs 1 BAO; § 38 Abs 1 VwGG). Einen Antrag auf Fristsetzung durch den VwGH kann stellen, wer im Verfahren vor dem VwG als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet (Art 133 Abs 7 B-VG),24) was auch die belBeh aus dem Verfahren vor dem VwG jedenfalls nicht explizit ausschließt.25) Gegenstand eines Fristsetzungsantrags kann nicht jedwede Säumnis eines VwG mit der Vornahme irgendeiner Verfahrenshandlung sein, sondern nur die Säumnis mit der Erlassung einer „Entscheidung“ iS einer Enderledigung.26) Die Säumnis, die mit dem Fristsetzungsantrag bekämpft werden kann, kann sich somit auf die Erlassung eines Erkenntnisses oder eines Beschlusses des VwG beziehen.27) Die Säumnis bei der Vornahme „schlichter“ Verfahrenshandlungen kann demgegenüber nicht mittels eines Fristsetzungsantrags bekämpft werden.28) Eine „Entscheidung“ bedeutet aber nicht allein eine meritorische Entscheidung, sondern auch eine Entscheidung rein verfahrensrechtlicher Art, sodass eine Entscheidungspflicht auch für den Fall zu bejahen ist, dass ein Rechtsmittel bloß zurückzuweisen ist.29)
2. Die Entscheidungsfrist allgemein Die Entscheidungsfrist beginnt zu laufen: & im Bescheidbeschwerdeverfahren: mit Vorlage der Beschwerde durch die Finanzbehörde beim VwG; & im Säumnisbeschwerdeverfahren: mit Ablauf derjenigen Frist, die zuvor vom VwG der säumigen Finanzbehörde gesetzt wurde; also mit demjenigen Zeitpunkt, in dem die Entscheidungszuständigkeit von der Finanzbehörde auf das VwG übergegangen ist (vgl § 284 Abs 2, 3 BAO). Nach Ablauf der Entscheidungsfrist ist ein Fristsetzungsantrag grds unbefristet an den VwGH zulässig, solange über den Parteienantrag noch nicht entschieden wurde.30)
3. Einbringung des Antrags Einzubringen ist der Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgericht (vgl § 30 a Abs 8 VwGG). Er hat eine Darstellung des maßgebenden Sachverhalts zu enthalten, also alle diejenigen Angaben, die erforderlich sind, um glaubhaft zu machen, dass die Entscheidungsfrist des VwG abgelaufen ist; das Begehren hat darauf zu lauten, dem im Antrag zu bezeichnenden VwG eine Entscheidungsfrist zu setzen (vgl § 38 Abs 3 VwGG). Das VwG hat daraufhin zu prüfen, ob sich der Antrag zur Behandlung eignet (dh ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen, vgl § 30 a Abs 1 iVm Abs 8 VwGG)31) und ob die formellen und inhaltlichen Erfordernisse des Fristsetzungsantrags erfüllt sind (§ 30 a Abs 2 iVm Abs 8 VwGG). Sind die Prozessvoraussetzungen nicht gegeben, ist der Antrag zurückzuweisen. Im Fall eines Form- oder Inhaltsmangels hat ein Mängelbehebungsauftrag „unter Setzung einer kurzen Frist“ zu ergehen, für dessen Nichterfüllung die Zurückziehung des Antrags fingiert wird (§ 38 a Abs 2 VwGG). Im Übrigen hat das VwG den Fristsetzungsantrag unter Anschluss der Akten des Verfahrens
vorzulegen und ggf anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.32)
4. Parteistellung Im Verfahren über den Fristsetzungsantrag kommt Parteistellung nur dem einzelnen Antragsteller zu (§ 21 Abs 3 VwGG).33) Dies ist unproblematisch, weil die Entscheidungskompetenz in der jeweiligen Rechtssache weiterhin beim VwG verbleibt. Die Zuständigkeit zur Entscheidung der Rs kann also auch bei fortgesetzter Säumnis des VwG nicht länger auf den VwGH übergehen.34)
5. Verfahren über den Fristsetzungsantrag beim VwGH Der VwGH hat die vom Antragsteller glaubhaft zu machende Prozessvoraussetzung der Säumnis zu prüfen (vgl § 38 Abs 3 Z 4 VwGG), wobei eine mündliche Verhandlung nicht vorgesehen ist.35) Wird ein Fristsetzungsantrag gestellt, obwohl keine Säumnis vorliegt, ist dieser Fristsetzungsantrag vom VwGH ohne weiteres Verfahren und in jeder Lage des Verfahrens in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen (§ 38 Abs 4 iVm § 34 Abs 1 und 3 VwGG). Dem VwG ist dagegen im Rahmen der Vorprüfung der Prozessvoraussetzungen die Zurückweisung wegen Nichtvorliegens einer Säumnis verwehrt. Nach Aufforderung durch den VwGH hat es stattdessen die Möglichkeit, sich zu dieser Frage zu äußern (vgl § 38 Abs 4 Satz 2 letzter Teilsatz VwGG).36) 24) Die Voraussetzungen für die Einbringung eines Fristsetzungsantrags stimmen im Wesentlichen mit denen der bis 31. 12. 2013 bestehenden Säumnisbeschwerde an den VwGH überein, sodass auf die dahingehend ergangene Rsp zurückgegriffen werden kann; vgl Thienel, Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte erster Instanz durch den Verwaltungsgerichtshof, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz (2013) 331 (356). 25) Allerdings ist der BAO kein Antrag der Finanzbehörde zu entnehmen, der beim Verwaltungsgericht der Entscheidungspflicht unterliegen würde; vgl aber etwa Art 148 c B-VG. 26) Vgl Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 (595). 27) Thienel in Holoubek/Lang 345. 28) Vgl Thienel in Holoubek/Lang 343: Dies ist nur im Wege der Geltendmachung der Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich einer Zwischen- oder Enderledigung möglich. 29) Vgl VwGH 28. 6. 2007, 2005/16/0187. 30) Vgl schon Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983) 97; VwGH 30. 8. 2005, 2003/01/0381. 31) Negative Prozessvoraussetzungen sind bspw Fristversäumnis oder Unzuständigkeit des VwGH. 32) Vgl Köhler, ecolex 2013, 595. 33) Vgl Grill/Kettisch, Das Verfahren vor dem VwGH, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) Rz IV/155: Parteistellung kommt, jenseits der Handlungspflichten in Entsprechung von § 38 Abs 4 VwGG, auch dem Verwaltungsgericht nicht zu, dessen Säumnis vom Antragsteller behauptet wird. 34) Vgl Thienel in Holoubek/Lang 378: Eine Entscheidung in der Sache durch den VwGH kann in Anbetracht der verfassungsgesetzlichen Grundlage vom einfachen Gesetzgeber gar nicht vorgesehen werden. 35) § 39 VwGG sieht die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung nur für das Revisionsverfahren vor. 36) § 38 Abs 4 Satz 2 letzter Teilsatz VwGG ist somit als lex specialis zu § 30 a Abs 8 VwGG zu verstehen, der ja gem § 30 a Abs 1 VwGG auch bloß „sinngemäß“ anzuwenden ist; dies müsste auch den explizi-
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Bei der Prüfung durch den VwGH, ob eine Säumnis besteht, wird nicht strikt auf die oben genannten allgemeinen Entscheidungsfristen abgestellt: Umstände, die vom Verwaltungsgericht nicht beeinflusst oder vermieden werden können, die aber das Verfahren verzögern, stellen begrifflich keine Säumnis des VwG selbst dar, was konsequenterweise im Verfahren berücksichtigt wird. Solchen unvermeidbaren Umständen wird dadurch Rechnung getragen, dass taxativ aufgezählte Verzögerungen auf die Entscheidungsfrist von vornherein nicht anzurechnen sind (§ 38 Abs 2 VwGG: etwa die Aussetzung des Verfahrens wegen offener Vorfragen oder die Zeit eines Verfahrens vor VwGH, VfGH oder EuGH): Bei diesen Verzögerungen verlängert sich die Entscheidungsfrist de facto um die Dauer ihres Vorliegens. Darüber hinaus werden unvermeidbare Umstände auch dadurch berücksichtigt, dass der VwGH die erste Fristsetzung auf Antrag verlängern kann und die zweite, „finale“ Fristsetzung eine „angemessene Frist“ zu umfassen hat (dazu sogleich). Im Rahmen der Fristsetzung hat der VwGH also darauf Bedacht zu nehmen, dass dem VwG die Nachholung seiner Entscheidung binnen der zu setzenden Nachfrist (ex ante) auch tatsächlich noch möglich ist und keine unabwendbaren Umstände dem entgegenstehen.37) Im Einzelnen sind die in der Folge dargestellten Verfahrensschritte vorgesehen. a) Erste Fristsetzung Sofern der VwGH den Vorwurf der Säumnis für begründet findet, hat er dem VwG aufzutragen, seine Entscheidung binnen einer mit höchstens drei Monaten festzusetzenden Frist nachzuholen („erste Fristsetzung“) oder anzugeben, warum entgegen der Einschätzung des VwGH doch keine Säumnis vorliegt (§ 38 Abs 4 Satz 2 VwGG). Gelingt es dem VwG, das vom Antragsteller erfolgreich glaubhaft gemachte Bild einer Säumnis zu widerlegen, ist der Antrag vom VwGH zurückzuweisen (§ 38 Abs 4 iVm § 34 Abs 1 und 3 VwGG). Ist der Vorwurf des Antragstellers dagegen berechtigt, hat das VwG zwei Möglichkeiten: die Nachholung der Entscheidung binnen dieser vom VwGH gesetzten „ersten Frist“ ohne weitere Umwege oder aber die Beantragung einer Verlängerung dieser Frist. Sofern das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nachholt, hat es diesen nachgeholten Rechtsaktes dem VwGH vorzulegen (§ 38 Abs 4 Satz 2 VwGG), andernfalls der VwGH davon ausgehen muss, dass es bei der Säumnis des VwG geblieben ist und er konsequenterweise die „finale Fristsetzung“ vorzunehmen hat (dazu unten). Bedeutung hat die rechtzeitige Vorlage des nachgeholten Rechtsaktes beim VwGH für den Kostenersatz: Ist das Verfahren einzustellen, weil das VwG innerhalb der Nachfrist noch entschieden hat, gebührt dem Bf der halbe Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwands gemäß VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.38) Nimmt der VwGH die „finale Fristsetzung“ vor, gebührt der volle Kostenersatz (§ 56 Abs 1 VwGG).39) b) Fristverlängerung unter bestimmten Voraussetzungen Eine Fristverlängerung kommt nur bei in der konkreten Rechtssache gelegenen Gründen in Betracht, die
eine fristgerechte Entscheidung „unmöglich machen“ (§ 38 Abs 4 Satz 3 VwGG). Als in der einzelnen Rs gelegene und daher bei der Fristbemessung berücksichtigungswürdige Umstände kommen etwa eine außerordentlich große Anzahl Beteiligter, außerordentlich umfangreiche Akten, im Ausland ansässige Beteiligte, anhängige Amtshilfeverfahren oder sonstige anhängige Verfahren in Betracht, deren Ausgang zweckmäßigerweise abzuwarten sein wird (zB Insolvenzverfahren). Umgekehrt haben im Gegenschluss zum Gesetzeswortlaut darum bei der Fristbemessung alle diejenigen Umstände unberücksichtigt zu bleiben, die nicht Eigenheiten der einzelnen Rechtssache darstellen. Dies wären insb Mittelausstattung und Geschäftsverteilung des VwG (dies betrifft sämtliche anhängige Verfahren gleichermaßen und liegt nicht im einzelnen Verfahren begründet) und die Komplexität der anzuwendenden Rechtsmaterie (die Komplexität der Materie als solche stellt – im Gegensatz zum konkreten Aktenumfang – keinen Umstand eines einzelnen Verfahrens dar).40) Während das Gesetz für die erste auf Antrag der Partei erfolgte Fristsetzung eine Höchstgrenze von drei Monaten vorsieht (§ 38 Abs 4 VwGG), ist für diese fakultative Fristverlängerung keine Höchstgrenze festgelegt, sondern nur die Einmaligkeit dieser Verlängerung. Teleologisch richtig hat die Fristverlängerung dem Verwaltungsgericht ausreichend Zeit zu verschaffen, die Entscheidung nachzuholen, weil es sich bei Schwierigkeiten in der Sache um Umstände handelt, die auch von einem pflichtgemäß handelnden Organ nicht beeinflusst oder vermieden werden können. Die Fristsetzung sollte also tendenziell eher überschießend ausfallen.41) Demgegenüber ist die bloße Nichtanrechnung bestimmter Verzögerungen de lege lata nur für die erstmalige Beurteilung der Säumnisfrage vorgesehen und nicht für eine vom VwGH gesetzte Nachfrist.42) c) Zweite, „finale“ Fristsetzung Wird der Rechtsakt vom VwG nicht nachgeholt und pflichtgemäß dem VwGH zur Kenntnis gebracht oder wird vom VwG nicht die Fristverlängerung beantragt, hat der VwGH vom Fortbestehen der Säumnis auszugehen und eine finale Frist zur Nachholung der Entscheidung zu setzen. Diese „angemessene Frist“ (§ 42 a VwGG) hat entsprechend der obigen
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ten Zurückweisungsgrund der „entschiedenen Sache“ gem § 30 a Abs 1 Fall 4 VwGG umfassen. Andernfalls fehlte dieser Fristsetzung von vornherein ihr Sinn. V des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof BGBl II 2008/455. Grill/Kettisch in Ehrke-Rabel, Rz IV/163; die Entscheidung binnen der vom VwGH gesetzten Nachfrist meint nämlich die Frist gem § 38 Abs 4 VwGG („erste Fristsetzung“), ggf verlängert wegen in der Sache gelegenen Schwierigkeiten, weil im Falle der „finalen“ Fristsetzung gem § 42 a VwGG die Nachholung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht nicht mehr zur Einstellung des Verfahrens führt. Vgl Ritz, BAO4 § 311 Rz 45 mit Verweis ua auf VwGH 10. 3. 1992, 91/07/0113; diese Rsp zum Devolutionsantrag ist sinngemäß auf den Fristsetzungsantrag übertragbar. Eine Verlängerung von erneut höchstens drei Monaten wäre nicht unbedingt geeignet, den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen, vgl im Detail Grill/Kettisch in Ehrke-Rabel, Rz IV/161. § 38 Abs 2 VwGG spricht von einer Frist und meint unzweideutig die Entscheidungsfrist gem § 38 Abs 1 VwGG.
Ausführungen dem VwG jedenfalls die Nachholung der Entscheidung (ex ante) zu ermöglichen. Gleich wie auch hinsichtlich der Frage der Fristverlängerung haben alle in der Sache selbst gelegenen Gründe zu einer Verlängerung der Frist zu führen, weil Umstände, deren Vorliegen das VwG nicht vermeiden und deren Auswirkungen es nicht abwenden kann, ihm auch nicht anzulasten sind. UE wäre also auch hier eine tendenziell überschießende Fristsetzung geboten.
6. Qualifizierte Rechtswidrigkeit, Rechtsfolgen Bleibt das VwG trotz Fristsetzung(en) dennoch weiterhin mit seiner Entscheidung säumig, stellt diese weiterbestehende Säumnis eine gravierende, objektivierte Rechtswidrigkeit dar. Zu einer Entscheidung in der Rs durch den VwGH kann es im Gegensatz zur bis Ende 2013 bestehenden Rechtslage ab 2014 aber nicht mehr kommen. Die Missachtung der Frist zur Nachholung der Entscheidung kann stattdessen amtshaftungs-, disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.43) Es bleibt allerdings zu beachten, dass die Nachholung der Entscheidung durch das VwG keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt: Einer Abgabenfestsetzung, die in einem Erk (oder einer Beschwerdevorentscheidung) zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen (§ 209 a Abs 1 BAO).44) a) Amtshaftung Stellt der Bund seinen Behörden zu wenig Personal oder Mittel zur Verfügung, kann ihn dies für die Verzögerung der Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben gegenüber jenen Personen haftbar machen, in deren Interesse eine gebotene Handlung zu setzen gewesen wäre.45) Voraussetzung für einen Anspruch aus dem Titel der Amtshaftung wäre aber ein in Geld ersatzfähiger nachweisbarer Schaden (vgl § 1 Abs 1 AHG). Ein solcher Schaden könnte im Abgabenverfahren dort eintreten, wo nach Entrichtung einer Abgabe ein gegen diese Abgabe gerichtetes Rechtsmittel auf Dauer unerledigt bleibt.46) Eine gesetzliche Grundlage für die Handhabung einer solchen Fallkonstellation ist allerdings nicht ersichtlich.47) b) Strafrecht Ist ein Täter für das Zustandekommen eines Hoheitsakts verantwortlich und unterlässt er die Vornahme oder Vorbereitung dieses Hoheitsakts, kann dies Amtsmissbrauch darstellen (§ 302 StGB „Amtsmissbrauch durch Unterlassen“).48) Dies nach hM allerdings nur, wenn der Täter gezielt untätig bleibt, um jemandem zu nützen oder zu schaden („gezieltes Unterlassen“), nicht aber bei Untätigbleiben aus Überlastung, Umständlichkeit oder Bequemlichkeit.49) Für eine straf- oder disziplinarrechtliche Beurteilung könnte dabei von Bedeutung sein, ob ein bestimmtes Verfahren verglichen mit den anderen in den Zuständigkeitsbereich eines Richters fallenden Verfahren eine auffallend lange Dauer aufweist, was den Anschein einer gezielten Unterlassung für sich hätte.
c) Disziplinarrecht Richter des BFG unterliegen dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG)50) und dessen disziplinarrechtlichen Bestimmungen (§§ 101 ff RStDG). Die Unterlassung einer gebotenen Entscheidung stellt zwar (definitionsgemäß) die Verletzung einer dienstlichen Pflicht dar; sofern allerdings diese Unterlassung nicht mit einer allgemein unzureichenden Pflichterfüllung einhergeht51) oder aber einen auffallenden „Ausreißer“ im Rahmen einer ansonsten fristgerechten Pflichterfüllung darstellt, kann wohl kaum ein Dienstvergehen iSv § 101 Abs 1 RStDG angenommen werden.
43) Vgl Thienel in Holoubek/Lang 378. 44) Dies gilt sogar für die absolute Verjährung, vgl VwGH 22. 3. 2010, 2010/15/0033. 45) Vgl ausführlich bei Reischauer in Rummel3 § 1311 Rz 11 b; aber auch Harrer in Schwimann, ABGB VI3 § 1311 Rz 30 ff; zum Abgabenverfahren allerdings einschränkend OGH 24. 6. 1992, 1 Ob15/92 JBl 1993, 399 = RdW 1993, 41. 46) Freilich bleibt gerade durch die fortbestehende Säumnis des Verwaltungsgerichts die hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs maßgebende Rechtsfrage unbeantwortet. 47) Von der FinVerw werden allerdings (jenseits des Wortlauts von § 212 a BAO) Fälle der nachträglichen Aussetzung der Einhebung bereits entrichteter Abgaben abgeleitet; vgl Richtlinien für die Abgabenerhebung v 18. 10. 2005, 05 2202/1-IV/5/03, Rz 526 ff (529): zB wenn „auf Grund des Erkenntnisses des VfGH oder des VwGH manche Punkte nicht mehr echt strittig sind“ – was aber im gegebenen Zusammenhang nicht der Fall ist. 48) Vgl Bertel in WK2 § 302 StGB Rz 37 ff. 49) Vgl genauer Bertel in WK2 § 302 StGB Rz 43 mit Verweis auf Kienapfel/Schmoller, BT III2 (2009) § 302 Rz 45. 50) Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz BGBl 1961/305 idF BGBl I 2013/147. 51) Vgl etwa OGH 23. 6. 2004 Os 12/03: Eine Vielzahl von – isoliert betrachtet – geringfügigen Fehlleistungen kann nach Lage des jeweiligen Falls durchaus die Beurteilung als Dienstvergehen rechtfertigen.
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Im Wesentlichen entspricht das Verfahren über die Säumnisbeschwerde jenem über den Devolutionsantrag aF. Jedoch kann ab 1. 1. 2014 das Verwaltungsgericht nur aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers ein Erkenntnis fällen, wenn die Abgabenbehörde dem Verlangen des Verwaltungsgerichts, die Verfahrensakten vorzulegen, nicht nachkommt. Das Verwaltungsgericht kann nunmehr sein Erkenntnis auf die Feststellung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken, woran die Abgabenbehörde bei der Bescheiderlassung gebunden ist. & Ziel des Fristsetzungsantrags ist nicht länger die Sachentscheidung durch den VwGH, sondern die Setzung einer Nachfrist an das Verwaltungsgericht, binnen derer die Nachholung der Entscheidung vernünftigerweise erwartet werden kann. Die Missachtung dieser Nachfristsetzung führt zu keiner Erledigung des Verfahrens, sondern kann straf-, disziplinar- und amtshaftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen. &
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Der verfahrensrechtliche Übergang vom Unabhängigen Finanzsenat zum Bundesfinanzgericht Seit 1. 1. 2014 wird das Bundesfinanzgericht als Beschwerdegericht anstelle des Unabhängigen Finanzsenats als Berufungsbehörde gegen Bescheide der Finanzämter bzw im Säumnisfall tätig. Damit verbunden ist ein vollständiger Übergang des Rechtsmittelverfahrens. Im folgenden Beitrag werden die wichtigsten Übergangsszenarien dargestellt. MICHAEL RAUSCHER
A. Allgemeines Die neuen Bestimmungen zum Rechtsschutz (7. Abschnitt der BAO, §§ 243 bis 291) traten mit 1. 1. 2014 in Kraft und sind, soweit sie Beschwerden betreffen, auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen und Devolutionsanträge anzuwenden (§ 323 Abs 37 BAO).
In diesem Fall gelten die neuen Bestimmungen zum Rechtsschutz. Das FA hat nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen – ohne unnötigen Aufschub (§ 85 a BAO) – eine Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO idF des FVwGG 2012) zu erlassen. Gegen die Beschwerdevorentscheidung kann ein Vorlageantrag (§ 264 BAO idF FVwGG 2012) gestellt werden.
B. Noch nicht eingebrachte Berufungen
D. Mit Berufungsvorentscheidung erledigte Berufungen
Fall 1: Berufungsfrist endet nach dem 31. 12. 2013 Wie ist von Seiten des Abgabepflichtigen (AbgPfl) vorzugehen, wenn die Berufungsfrist nach dem 31. 12. 2013 endet und das Rechtsmittel erst nach diesem Zeitpunkt eingebracht werden soll? In diesem Fall gelten die neuen Bestimmungen zum Rechtsschutz. Ab 1. 1. 2014 ist daher gegen Bescheide, die das FA erlassen hat (auch wenn dies vor diesem Tag erfolgt ist), Beschwerde (Bescheidbeschwerde) an das Bundesfinanzgericht (BFG) zu erheben (§ 245 BAO idF FVwGG 2012 iVm § 323 Abs 37 BAO).
Fall 4: Berufungsvorentscheidung wurde bis 31. 12. 2013 erlassen, Vorlageantragsfrist endet nach dem 31. 12. 2013 Was passiert, wenn das FA die Berufung bis 31. 12. 2013 mittels Berufungsvorentscheidung erledigt hat und die Vorlageantragsfrist nach diesem Tag noch offen ist? Für diesen Fall hat der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung getroffen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass gegen die Berufungsvorentscheidung ab 1. 1. 2014 ein Vorlageantrag (§ 264 BAO idF FVwGG 2012) gestellt werden kann.
Fall 2: Beantragte Fristverlängerung zur Berufung endet nach dem 31. 12. 2013 Was passiert, wenn die Berufungsfrist aufgrund eines vor dem 1. 1. 2014 gestellten Fristverlängerungsantrags nach dem 31. 12. 2013 endet? Auch in diesem Fall gelten die neuen Bestimmungen zum Rechtsschutz. Soweit das FA über den Fristverlängerungsantrag nicht mit Bescheid abgesprochen hat, läuft die Frist zur Einbringung einer Beschwerde nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem (letztmals) ihre Verlängerung beantragt wurde, ab (§ 245 Abs 4 BAO idF FVwGG 2012).
Fall 5: Vorlageantrag wurde noch vor dem 1. 1. 2014 gestellt Was passiert ab 1. 1. 2014, wenn vom Berufungswerber noch vor diesem Tag ein Vorlageantrag gestellt wurde? Die Berufung gilt von der Einbringung des Antrags an wiederum als unerledigt (§ 276 Abs 3 BAO idF vor FVwGG 2012). Die am 31. 12. 2013 bei dem UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen sind vom BFG als Beschwerden iSd Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen (§ 323 Abs 38 Satz 1 BAO).
C. Nicht vorgelegte Berufungen Fall 3: Bis 31. 12. 2013 keine Berufungsvorentscheidung und keine Vorlage der Berufung an den UFS Was passiert, wenn das FA bis 31. 12. 2013 keine Berufungsvorentscheidung erlassen und die Berufung dem UFS bis dahin auch nicht vorgelegt hat?
E. Vorgelegte Berufungen Fall 6: Berufung wurde dem UFS bis zum 31. 12. 2013 vorgelegt Was passiert ab 1. 1. 2014 mit Berufungen (und Devolutionsanträgen), die das FA dem UFS bereits vorgelegt hat? Dr. Michael Rauscher ist seit 1. 1. 2014 Richter am BFG und war davor hauptberufliches Mitglied des UFS.
Die am 31. 12. 2013 bei dem UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen (und Devolutionsanträge) sind vom BFG als Beschwerden iSd Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen (§ 323 Abs 38 Satz 1 BAO). Beim UFS am 31. 12. 2013 im Geschäftsbereich Steuern und Beihilfen sowie Zoll (§ 1 Abs 2 UFSG) anhängig gewesene Rechtssachen sollen, soweit gem § 270 Abs 3 BAO eine Referentin oder ein Referent bestellt wurde, tunlichst auf diesen als Einzelrichterin oder Einzelrichter oder Berichterstatterin oder Berichterstatter im Senat übergehen, sofern diese oder dieser als Richterin oder Richter übergeleitet wurde (§ 28 Abs 4 BFGG). Soweit zum 31. 12. 2013 eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Vertretung im Abgabenverfahren vor den Abgabenbehörden zweiter Instanz besteht, ist diese auch im Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten gegeben (§ 323 Abs 39 BAO). Fall 7: Zustellung einer Berufungsvorentscheidung nach dem 31. 12. 2013 Was passiert, wenn eine Berufungsvorentscheidung des FA nach dem 31. 12. 2013 zugestellt wird? Die Berufungsvorentscheidung ist – unbesehen ihrer Bezeichnung – eine Beschwerdevorentscheidung, gegen die ein Vorlageantrag (§ 264 BAO idF FVwGG 2012) gestellt werden kann. Fall 8: Ausfertigung einer Berufungsentscheidung UFS nach dem 31. 12. 2013 Was passiert, wenn der UFS eine Rechtsmittelentscheidung (Berufungsentscheidung, Beschluss) verkündet hat, deren Ausfertigung jedoch nach 31. 12. 2013 erfolgt? Für diesen Fall hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung getroffen. Die Ausfertigung von noch vor dem 1. 1. 2014 verkündeten Rechtsmittelentscheidungen hat noch im Namen des UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den zum dem 31. 12. 2013 geltenden Verfahrensbestimmungen zu erfolgen (§ 323 Abs 38 Satz 4 BAO). Im Übrigen sieht der Gesetzgeber ausdrücklich vor, dass nach dem 31. 12. 2013 wirksam werdende Erledigungen des UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz als Erledigungen des BFG gelten (§ 323 Abs 38 Satz 4 BAO).
F. Sonstige Anbringen im Berufungs- und Devolutionsverfahren Bisherige Berufungs- und Devolutionsverfahren betr Anbringen wirken mit 1. 1. 2014 auch gegenüber dem BFG (§ 323 Abs 38 Satz 2 BAO). Beweisanträge, Anträge auf mündliche Verhandlung und Anträge auf Entscheidung durch den Senat sind daher ebenso wie Erklärungen über die Zurücknahme der Berufung oder den Beitritt zur Berufung vom AbgPfl nicht neuerlich zu stellen. Hat der AbgPfl bereits einer zweiten Berufungsvorentscheidung zugestimmt (§ 276 Abs 5 idF vor FVwGG 2012), so ist deren Erlassung ab 1. 1. 2014 dennoch nicht mehr zulässig. Unter den Voraussetzungen des § 300 BAO idF FVwGG 2012 – wenn nämlich der AbgPfl einer solchen Aufhebung gegenüber dem BFG nach Vorlage der Beschwerde zugestimmt hat und wenn dieses mit Beschluss die Zustimmungserklärung an das FA unter Setzung einer angemessenen Frist zur Aufhebung weitergeleitet hat – ist jedoch eine Bescheidaufhebung zulässig, wobei mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden ist (§ 300 BAO Abs 5 idF FVwGG 2012).
G. Vom VfGH oder VwGH aufgehobene Berufungsentscheidungen des UFS In den beim VwGH und beim VfGH mit Ablauf des 31. 12. 2013 anhängigen Verfahren tritt das BFG an die Stelle des UFS. Nach Beendigung des Verfahrens vor dem VwGH betr den Bescheid oder die Säumnis des UFS oder vor dem VfGH betr den Bescheid einer solchen ist das Verfahren ggf vom BFG fortzusetzen (Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG).
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Dieser Beitrag zeigt anhand von Beispielen verschiedene verfahrensrechtliche Fragestellungen zum FVwGG 2012, wie zB das Eintrittsrecht der belangten Behörde, auf.
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§ 283 BAO; §§ 9, 12 AVOG; § 10 b AVOG-DV
Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ); Finanzpolizei; Abgabenbehörde
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Zuständigkeitsfragen bei Maßnahmenbeschwerden Im Rahmen des FinVwGG 2012 (BGBl I gem § 283 BAO 2013/14) wurde mit Wirksamkeit ab
1. 1. 2014 das – der BAO bislang fremde – Rechtsmittel der Maßnahmenbeschwerde in § 283 BAO eingeführt. Wenngleich das Institut der Maßnahmenbeschwerde an sich nichts Neues ist, stellen sich für den Anwendungsbereich der BAO mehrere Zuständigkeitsfragen, zumal bei Beschwerden gegen Maßnahmen der Finanzpolizei. Der folgende Beitrag bietet Antworten auf die grundsätzlichsten der vorliegenden Fragen. PETER UNGER
A. Einführung und Rechtsentwicklung Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahmenbeschwerden) waren bislang in der BAO nicht näher geregelt.1) Ihre Zulässigkeit auch in Abgabenverfahren ergab sich aus Art 129 a Abs 1 Z 2 B-VG idF vor der VwGbk-Nov 2012 BGBl I 2012/51. Demnach erkannten die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern (in Folge: UVS) ua über Beschwerden von Personen, die behaupteten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.2) Für Finanzstrafsachen des Bundes normierte das FinStrG seit Einführung der UVS und somit auch des Art 129 a B-VG in der zitierten Fassung bereits selbständig das Institut der Maßnahmenbeschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in §(§) 150 (ff) FinStrG, welche entweder bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz oder bei der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz eingebracht werden konnte und worüber der Unabhängige Finanzsenat (in Folge: UFS) als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zu entscheiden hatte.3) Im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 BGBl I 2012/514) wurden die Art 129 ff B-VG grundlegend neu gefasst,5) was auch Auswirkungen auf die Zuständigkeit zur Behandlung von Maßnahmenbeschwerden mit sich brachte. Gem Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen nunmehr die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Gem Art 132 Abs 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. In Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Grundlagen wurde mit dem Finanzverwaltungsge-
richtsbarkeitsgesetz 2012 BGBl I 2013/14 mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2014 der beitragsgegenständliche § 283 BAO6) neu eingefügt, welcher inhaltlich grds den §§ 150 ff FinStrG entspricht.7)
B. Grundsätzliches 1. Zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ) Ein AuvBZ liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – dh ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht.8) Solche Amtshandlungen sind nach der Judikatur bspw9) Dr. Peter Unger ist seit 1. 1. 2014 Richter am Bundesfinanzgericht. Der Autor dankt Herrn Vizepräsident Dr. Christian Lenneis für die kritische Durchsicht des Manuskripts. 1) Zur Rechtsentwicklung der Maßnahmenbeschwerde vgl insb Helm, Die Maßnahmenbeschwerde von 1991 bis 2014 – Entwicklungen und Probleme von den UVS bis zu den Verwaltungsgerichten 1. Instanz, in Larcher (Hrsg), Handbuch Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013) 280 f. 2) Vgl hierzu zB Mayer, B-VG4 Art 129 a II.2. mwN. 3) Vgl hierzu zB Tannert, FinStrG § 152 Anm 5 ff. 4) Sofern nicht ausdrücklich anderes angegeben wird, beziehen sich alle B-VG-Angaben im vorliegenden Beitrag auf ebendiese Fassung. 5) Vgl hierzu insb Lachmayer, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen – Eine rechtsstaatliche Perspektive, in Larcher, Verwaltungsgerichtsbarkeit 108 ff. 6) Sofern nicht ausdrücklich anderes angegeben wird, beziehen sich alle BAO-Angaben im vorliegenden Beitrag auf ebendiese Fassung des FinVwGG 2012. 7) Vgl ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 20. 8) ZB VwGH 29. 9. 2009, 2008/18/0687; 26. 4. 2010, 2009/10/0240; 27. 2. 2013, 2012/17/0430; 27. 6. 2013, 2011/07/0191; vgl hierzu auch ausführlich Helm in Larcher 289 ff. 9) Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit neu in Österreich (2013) 250 mit zahlreichen Judikaturnachweisen, und Gunacker-
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Festnahmen, Beschlagnahmen, auch dann, wenn sie ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden, das Betreten des Hauses und die Nachschau in einigen Zimmern, Vollstreckungshandlungen, die ohne vorhergehenden Vollstreckungsauftrag gesetzt werden oder über einen solchen hinausgehen, Fälle „qualifizierter Untätigkeit“, wenn zB jemand freiwillig ein Dokument zur bloßen Besichtigung aushändigt, das Organ aber nach durchgeführter Besichtigung die Rückgabe verweigert sowie die Weigerung, einen Antrag entgegenzunehmen.
2. Zum Maßnahmenbeschwerdeverfahren nach § 283 BAO Art 132 Abs 2 B-VG konkretisierend kann gem § 283 Abs 1 BAO gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abgabenbehörden (AbgBeh) wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (Maßnahmenbeschwerde) erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Zweck des Maßnahmenbeschwerdeverfahrens ist die nachträgliche Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines AuvBZ.10) Dementsprechend ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts anhand jener Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die im Zeitpunkt seiner Setzung bestand.11) Die Maßnahmenbeschwerde ist gem § 283 Abs 2 BAO innerhalb eines Monats & ab dem Zeitpunkt, in dem der Bf von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, & sofern er aber gerade durch den AuvBZ behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung beim Verwaltungsgericht einzubringen. Gem § 283 Abs 3 BAO hat die Maßnahmenbeschwerde die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts (lit a), soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat (lit b), den Sachverhalt (lit c), die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (lit d), das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären (lit e), und die Angaben, die zur Beurteilung der fristgerechten Einbringung der Maßnahmenbeschwerde erforderlich sind (lit f), zu enthalten. Da § 283 Abs 7 lit a BAO für die Fristberechnung die sinngemäße Anwendung von § 245 Abs 1 Satz 1 sowie Abs 3, 4 und 5 BAO vorsieht, ist auch die Frist zur Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde (aus berücksichtigungswürdigen Gründen) verlängerbar. Ebenso kommt bei etwaigen Mängeln der Maßnahmenbeschwerde (zB iZm den obigen Inhaltserfordernissen) einem Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist fristhemmende Wirkung zu. Als Erledigungen einer Maßnahmenbeschwerde durch Verwaltungsgerichte kommen in Betracht:12) & Zurückweisung der Beschwerde mit Beschluss wegen Unzulässigkeit oder nicht fristgerechter Einbringung,
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Zurücknahme der Beschwerde mit Beschluss bei Nichtbefolgung des Mängelbehebungsauftrags oder der auf § 86 a Abs 1 BAO gestützten Aufforderung der unterschriebenen Bestätigung des Anbringens, Gegenstandsloserklärung der Beschwerde mit Beschluss wegen ihrer Zurücknahme, Abweisung der Beschwerde mit Erkenntnis als unbegründet, Erklärung des angefochtenen Verwaltungsakts als rechtswidrig mit Erkenntnis.
C. Generelle in Betracht kommende Zuständigkeiten iZm § 283 BAO Generell sieht Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG für Maßnahmenbeschwerden die Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte schlechthin, somit ohne Einschränkung für alle drei Typen (Bundesfinanzgericht [BFG], Bundesverwaltungsgericht [BVwG] und Landesverwaltungsgerichte [LVwG]) vor. § 2 a BAO sieht die sinngemäße Anwendung der BAO, soweit sie im Verfahren der belangten AbgBeh galt, ebenso für die Verfahren vor „den Verwaltungsgerichten“ vor. Wie im Folgenden gezeigt wird, kommen somit alle drei Verwaltungsgerichtstypen – wenn auch mit unterschiedlicher praktischer Relevanz – für die Entscheidung über eine Maßnahmenbeschwerde im Anwendungsbereich der BAO in Frage. Aus § 283 Abs 2 ergibt sich die klare Einbringungszuständigkeit des (jeweils zuständigen) Verwaltungsgerichts für derlei Maßnahmenbeschwerden. Wird die Maßnahmenbeschwerde innerhalb der Frist gem § 245 bei einem anderen (als dem eigentlich zuständigen) Verwaltungsgericht oder bei einer AbgBeh eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung. Solche Maßnahmenbeschwerden sind unverzüglich an das (zuständige) Verwaltungsgericht weiterzuleiten. Diese Schutzbestimmung des § 283 Abs 2 Satz 2 BAO wird insb dann wichtig sein, wenn der Bf nicht erkennt oder erkennen konnte, für welche Behörde eine die Amtshandlung setzende Person gehandelt hat.13)
1. Bundesfinanzgericht Aus den vorstehenden grundsätzlichen Ausführungen zur generellmöglichen Zuständigkeit der Behandlung einer Maßnahmenbeschwerde ergibt sich, dass immer dann, wenn ein Organ einer Bundesabgabenbehörde (Finanzamt, Zollamt, BMF) einen AuvBZ setzt, die Einbringungs- und Entscheidungszuständigkeit beim Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht – BFG) liegt. Dies lässt sich auch auf Art 131 Abs 3 B-VG iVm § 1 Abs 1 BFGG gründen, wonach dem BFG Ent-
10) 11) 12) 13)
Slawitsch, Das Verfahren vor dem Bundesfinangericht, in Ehrke-Rabel (Hrsg), Rechtsmittelverfahren in Abgabensachen (2013) Rz 147 f. ZB VfGH 3. 3. 2006, B 345/05. ZB VwGH 9. 11. 2011, 2009/16/0171. Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit 250, und GunackerSlawitsch in Ehrke-Rabel Rz 155 ff. Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit 249.
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scheidungen über Beschwerden gem Art 130 Abs 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden, obliegen.14)
2. Landesverwaltungsgerichte Spiegelbildlich zur Zuständigkeit des BFG für Beschwerden gegen Maßnahmen, die von Bundesabgabenbehörden gesetzt wurden, liegt die Einbringungsund Entscheidungszuständigkeit von Maßnahmenbeschwerden gem § 283 BAO gegen solche Akte, die von Organen der Landes- (oder Gemeinde-)abgabenbehörden gesetzt wurden, beim jeweiligen (örtlich zuständigen) LVwG. Auch dies lässt sich wiederum unmittelbar auf die Verfassung, nämlich Art 131 Abs 1 B-VG gründen, wonach über Beschwerden gem Art 130 Abs 1 B-VG die Verwaltungsgerichte der Länder entscheiden, soweit sich aus Art 130 Abs 2 und 3 B-VG nicht anderes ergibt, und wird zudem durch den Ausschluss von Landes- und Gemeindeabgabensachen in Art 131 Abs 3 B-VG und § 1 Abs 1 BFGG abgerundet.
3. Bundesverwaltungsgericht In den (wenigen) Fällen, in denen andere Bundesverwaltungsbehörden sinngemäß die BAO anzuwenden haben, wie dies zB für die Vertretungsbehörden hinsichtlich der Konsulargebühren der Fall ist, kann bei entsprechenden AuvBZ durch Organe solche Behörden auch die Einbringungs- und Entscheidungszuständigkeit des BVwG für Maßnahmenbeschwerden gem § 283 BAO in Betracht kommen. Dies zumal deswegen, da für den Zuständigkeitsbereich des BFG das Einschreiten von (Organen der) AbgBeh im organisatorischen und nicht bloß funktionellen Sinn erforderlich ist, was allerdings zB bei den Vertretungsbehörden hinsichtlich der Konsulargebühren nicht der Fall ist.15) Diese bleiben organisatorisch Bundesverwaltungsbehörden, weshalb die Erledigung mit diesen Behörden zusammenhängender Maßnahmenbeschwerden (ob nun nach VwGVG oder BAO) gem Art 131 Abs 2 B-VG dem BVwG obliegt.
D. Spezielle Zuständigkeit(sfrage) bei Beschwerden gegen Maßnahmen der Finanzpolizei Gem § 9 Abs 3 AVOG kann der (die) BMF mit V besondere Organisationseinheiten mit bundesweitem und/oder regionalem Wirkungsbereich zur Besorgung der Geschäfte der Steuer- und Zollverwaltung einrichten, soweit dies organisatorisch zweckmäßig ist und einer einfachen und kostensparenden Vollziehung wie auch den Bedürfnissen einer bürgernahen Verwaltung dient. Diese Organisationseinheiten werden bei Erfüllung ihrer Aufgaben als Organe der AbgBeh tätig. Gem § 9 Abs 4 AVOG können Dienststellen der besonderen Organisationseinheiten im gesamten
Bundesgebiet eingerichtet werden. Die von Organen der besonderen Organisationseinheiten gesetzten Amtshandlungen sind, sofern keine unmittelbare Beauftragung für den Einzelfall durch eine Abgabenoder Finanzstrafbehörde erfolgt ist, jener AbgBeh zuzurechnen, in deren Amtsbereich die Dienststelle des Organs eingerichtet ist. Mit Wirksamkeit v 1. 7. 2013 wurde in Änderung der Durchführungsverordnung zum AVOG (idgF BGBl II 2013/110, in Folge: AVOG-DV) die rechtliche Grundlage dieser als Finanzpolizei benannten besonderen Organisationseinheit der Steuer- und Zollverwaltung durch Einfügung eines § 10 b geschaffen. Nach § 10 b Abs 1 AVOG-DV wird demnach die Finanzpolizei als besondere Organisationseinheit gem § 9 Abs 3 AVOG 2010 mit Sitz in Wien und Dienststellen bei allen Finanzämtern eingerichtet. § 10 b Abs 2 leg cit zählt sodann taxativ die Befugnisse der Finanzpolizei auf, wonach dieser im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als AbgBeh wie diesen die Wahrnehmung von allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen gem §§ 143 f BAO und Befugnissen gem § 12 AVOG (Z 1), der den AbgBeh in der Vollziehung des AuslBG (Z 2 lit a), des AVRAG (Z 2 lit b) und des GlSpG (Z 2 lit c) übertragenen Aufgaben sowie die Vornahme von Überprüfungen gem § 89 Abs 3 EStG, von Aufgaben der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem AuslBG und gem § 7 b AVRAG (Z 3), von Aufgaben der AbgBeh gem Art III SozBeG (Z 4) obliegt. § 10 b Abs 3 AVOG-DV stellt sodann klar, dass sich die Zurechnung des Handelns der Organe der Finanzpolizei nach § 9 Abs 4 AVOG richtet, wobei die Befugnisse gem § 12 Abs 4 und 5 AVOG davon unberührt bleiben sollen. Auch dort ist jedoch eine Zurechnung zu bzw ein Tätigwerden für ein bestimmtes Finanzamt vorgesehen. Aus einer Gesamtschau dieser Rechtsgrundlagen ergibt sich, dass das Handeln von Organen der besonderen Organisationseinheit Finanzpolizei immer im Namen und Auftrag eines bestimmten (örtlich zuständigen oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung einschreitenden) Finanzamts vonstatten geht und diesem somit auch im Hinblick auf § 283 BAO zuzurechnen ist, sei der gesetzte AuvBZ nun rechtmäßig oder (in Überschreitung der Befugnisse) rechtswidrig erfolgt. Eine Maßnahmenbeschwerde gem § 283 BAO aufgrund eines gesetzten Akts der Finanzpolizei ist somit beim BFG einzubringen, welches über eine derartige Maßnahmenbeschwerde gem Art 131 Abs 3 B-VG und somit aus demselben Grund zu entscheiden hat, wie wenn ein beschwerdegegenständlicher AuvBZ von einem unmittelbaren Organ des Finanzamts zB im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung nach § 147 BAO gesetzt wurde. UU anders zu beurteilen könnten solche Maßnahmen der Finanzpolizei sein, welche nicht unmittelbar für ein bestimmtes FA ausgeführt werden, sondern für das FA als im Wege einer Amtshilfe ersuchte AbgBeh. Aufgrund des sodann vorliegenden mittelbaren 14) Vgl auch Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit 44. 15) Vgl Ritz/Koran, Finanzverwaltungsgerichtsbarkeit 25.
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Tätigwerden von Organen der Finanzpolizei für die ersuchende Behörde (zB eine Landesabgabenbehörde), erscheint je nach Lage des Einzelfalls eine kumulative Verantwortung für behaupte Maßnahmenexzesse sowohl der ersuchten als auch der ersuchenden Behörde und somit auch allfällige kumulative Zuständigkeiten sowohl des BFG (bzgl der ersuchten Bundesabgabenbehörde) als auch des entsprechenden LVwG (bzgl der ersuchenden Landesabgabenbehörde) nicht ausgeschlossen.16)
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E. Zusammenfassung &
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Seit 1. 1. 2014 sieht die BAO in § 283 die Möglichkeit einer Beschwerde gegen AuvBZ vor. Je nachdem, ob ein Organ einer Bundesabgabenbehörde, einer Landes- (oder Gemeinde-)abgabenbehörde oder einer Bundesverwaltungsbehörde den mit Maßnahmenbeschwerde bekämpften Akt gesetzt hat, ergibt sich daraus die Einbringungs- und Entscheidungszuständigkeit hierfür für das BFG, das (jeweils örtlich zuständige) LVwG oder in Einzelfällen auch das BVwG. Ungeachtet der in § 283 Abs 2 BAO normierten primären Einbringungszuständigkeit des Verwaltungsgerichts sieht § 283 Abs 2 Satz 2 BAO eine Schutzbestimmung für die Maßnahmenbeschwerdeführer dergestalt vor, dass auch die (fristgerechte) Einbringung der Maßnahmenbeschwerde beim unzuständigen Verwaltungsge-
richt oder einer AbgBeh als fristgerechte Einbringung zählt und die unzuständige Stelle die Maßnahmenbeschwerde unverzüglich an das zuständige Verwaltungsgericht weiterzuleiten hat. Da Akte von Organen der Finanzpolizei aufgrund der im AVOG und der AVOG-DV geregelten rechtlichen Rahmenbedingungen immer einem bestimmten (regelmäßig dem örtlich zuständigen) FA zugerechnet werden, ergibt sich für damit zusammenhängende Maßnahmenbeschwerden eine Einbringungs- und Entscheidungszuständigkeit des BFG.
16) Vgl hierzu Helm in Larcher 294 ff betr Fallkonstellationen aus der Sicherheitsverwaltung.
SCHLUSSSTRICH
Für die mit dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 geschaffenen Maßnahmenbeschwerden gem § 283 BAO gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt von Organen der Finanzpolizei ist das Bundesfinanzgericht zuständig. NÜTZLICHER LINK Bundesfinanzgericht
www.bfg.gv.at
Steuer-Radar
STEUER-RADAR
CHRISTIAN HUBER / PETER PICHLER
ERTRAGSTEUERN taxlex-SRa 2014/1
§ 4 a Z 3 EStG Liste der Spendenempfänger Es ist auch ausländischen karitativen Organisationen aus anderen EU-Staaten (Deutschland) zumutbar, sich beim Finanzamt Wien 1/23 in die Liste der spendenbegünstigten Empfänger eintragen zu lassen. & Die Eintragung hat konstitutive Wirkung. Spenden an nicht eingetragene Organisationen sind nicht abzugsfähig. UFS Wien 17. 7. 2013, RV/1132-W/12 &
taxlex-SRa 2014/2
§ 6 EStG Beteiligung an Zulieferunternehmen als notwendiges Betriebsvermögen Erwirbt der Komplementär einer Kommanditgesellschaft die Beteiligung an einem Zulieferunternehmen
zwecks dessen Rettung vor dem Zusammenbruch, um sich günstige Einkaufskonditionen für betriebsnotwendige Waren zu erhalten, so stellt die Beteiligung notwendiges Sonderbetriebsvermögen dar. Bei späterer Insolvenz des Zulieferunternehmens ist daher eine steuerwirksame Beteiligungsabschreibung möglich. UFS Feldkirch 13. 8. 2013, RV/0194-F/10 taxlex-SRa 2014/3
§ 23 EStG Gewinnpauschalierung gilt auch für Sonderbetriebsausgaben &
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Eine für eine OG gewählte Betriebsausgabenpauschalierung gem § 17 EStG deckt auch die Sonderbetriebsausgaben der Mitunternehmer ab. Grundgedanke des § 23 Z 2 EStG ist eine Gleichbehandlung von Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften bei der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung.
Dr. Christian Huber ist WP/StB und Partner bei LeitnerLeitner. Dr. Peter Pichler ist StB bei LeitnerLeitner.
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STEUER-RADAR
Der Ansatz von Sonderbetriebsausgaben trotz Gewinnpauschalierung der Gesellschaft war eine offensichtliche Unrichtigkeit gem § 293 b BAO, sodass die Behörde den Bescheid trotz Rechtskraft berichtigen konnte. VwGH 19. 9. 2013, 2011/15/0107
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UMSATZSTEUER taxlex-SRa 2014/7
§ 3 Abs 2 UStG Eigenverbrauch Wenn ein Vermittler von Mobilfunkverträgen (zB Elektrohändler) dem Kunden bei Abschluss eines Vertrags mit einem Netzbetreiber ein „Gratis-Handy“ liefert, handelt es sich hierbei nicht um einen unentgeltlichen, zu einem Eigenverbrauch führenden Vorgang. & Vielmehr erhält der Vermittler für die Lieferung an den Kunden vom Netzbetreiber ein Entgelt von dritter Seite („Gerätebonus“), welches er der USt zu unterwerfen hat. BFH 16. 10. 2013, XI R 39/12 &
taxlex-SRa 2014/4
§ 28 Abs 3 EStG Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand Der Austausch von Gas-Einzelöfen durch eine Gas-Etagen-Zentralheizung ist kein Herstellungsaufwand, da sich dadurch die Wesensart der Räume nicht ändert. & Es ist daher nicht zu einer Verlängerung der Spekulationsfrist auf 15 Jahre gem § 28 Abs 3 EStG gekommen. VwGH 23. 10. 2013, 2010/13/0147 &
taxlex-SRa 2014/5
§ 8 KStG Offene Forderungen an den Gesellschafter im Konkurs der Gesellschaft Die Abweisung eines Konkurses über eine GmbH mangels Masse und selbst die amtswegige Löschung der GmbH im Firmenbuch bewirken noch keine verdeckte Gewinnausschüttung der in der Bilanz der GmbH gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer ausgewiesenen Forderungen iHv rd E 160.000,–. Da eine Gesellschaft trotz Löschung fortbesteht, solange aktiv Vermögen vorhanden ist, liegt noch kein Verzicht auf die Forderung vor. UFS Salzburg 18. 6. 2013, RV/0283-S/12 taxlex-SRa 2014/6
§§ 9 und 24 a KStG Sanierungsgewinn bei Gruppenmitglied, Bindungswirkung des Feststellungsbescheids &
Die Veranlagung einer Unternehmensgruppe erfolgt ähnlich wie bei Mitunternehmerschaften zweistufig. p Das jeweils eigene Einkommen des Gruppenmitglieds und des Gruppenträgers wird mit Feststellungsbescheid gem § 92 Abs 1 lit b BAO festgestellt. p Diese Feststellungsbescheide sind Grundlagenbescheide für das Körperschaftsteuerverfahren des Gruppenträgers und haben daher Bindungswirkung.
Die Höhe des im Feststellungsbescheid des Gruppenmitglieds ausgewiesenen Sanierungsgewinns kann daher im Körperschaftsteuerverfahren des Gruppenträgers nicht mehr bekämpft werden. VwGH 24. 10. 2013, 2012/15/0054
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§ 12 UStG Vorsteuerabzug bei Vermietung an Kommanditisten Wenn eine KG Teile eines Gebäudes zu fremdüblichen Konditionen steuerpflichtig an ihren Kommanditisten vermietet, damit dieser dort eine grds unternehmerische Tätigkeit entfaltet (Betrieb einer Pferdezucht), dann steht ihr aus der Gebäudeerrichtung unter den allgemeinen Voraussetzungen der Vorsteuerabzug zu. & Dies gilt selbst dann, wenn die Betätigung des Kommanditisten Liebhaberei darstellt. & Davon getrennt zu beurteilen ist das Vorsteuerabzugsrecht auf Ebene des Kommanditisten, welches bei Vorliegen von Liebhaberei iSv § 1 Abs 2 LVO grundsätzlich zu verneinen ist. Anmerkung: Nach der seit 1. 9. 2012 geltenden Rechtslage würde dem Vermieter kein Vorsteuerabzug mehr zustehen, weil der Mieter nicht zumindest 95% steuerpflichtige Umsätze erzielt (§ 6 Abs 2 UStG idF 1. StabG 2012). VwGH 19. 9. 2013, 2011/15/0157 &
UMGRÜNDUNGEN taxlex-SRa 2014/9
§ 12 UmgrStG Nachträglich behauptete missglückte Einbringung Behauptet ein Steuerpflichtiger neun Jahre nach der Einbringung eines Mitunternehmeranteils, dass die Anwendungsvoraussetzungen des UmgrStG nicht erfüllt (kein Nachweis der rechtzeitigen Einbringung, kein Gutachten über den zweifelhaften positiven Verkehrswert) und daher die Verlustvorträge nicht übergegangen seien, sondern weiterhin ihm zuständen, so muss er dafür lückenlose und eindeutige Beweise vorlegen. Ansonsten ist von der Erfüllung der Anwendungsvoraussetzung auszugehen. UFS Graz 12. 9. 2013, RV/0232-G/13
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GEBÜHREN & VERKEHRSTEUERN
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§ 23 BAO Familienhafte Mitarbeit
§ 33 TP 5 GebG Bestimmte Laufzeit mit Verlängerungsoptionen Eine Verlängerungsoption ist gebührenrechtlich eine Potestativbedingung, die gem § 26 GebG als bereits eingetreten zu behandeln ist. & Daher ist ein Mietvertrag auf fünf Jahre mit dreimaliger Verlängerungsoption des Mieters um jeweils fünf Jahre als Mietvertrag auf 20 Jahre zu beurteilen. Die Gebühr ist vom 18-fachen Jahreswert (Höchstbemessungsgrundlage) festzusetzen. VwGH 29. 8. 2013, 2013/16/0126 &
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§ 33 TP 9 GebG Abbauvertrag und Deponierechte Ein Schotterabbauvertrag, bei dem sich das Entgelt nach der Kubatur des abgebauten Materials und dem Gewicht des deponierten Materials bestimmt, ist kein Bestandsvertrag. & Stattdessen ist p hinsichtlich des Abbauvertrags ein (nicht gebührenpflichtiger) Liefervertrag und p hinsichtlich des Deponievertrags (sofern er nicht untrennbar mit dem Abbauvertrag verbunden ist, sondern selbständig bestehen kann) eine gebührenpflichtige Dienstbarkeit gem § 33 TP 9 GebG anzunehmen. & Das Entgelt für das Deponierecht (Dienstbarkeit) ist die aliquote jährliche Mindestzahlung zzgl der Flächenzinsen, vervielfacht mit dem Faktor 9. UFS Wien 1. 7. 2013, RV/1241-W/11 &
ABGABENVERFAHREN/FINANZSTRAFRECHT taxlex-SRa 2014/12
§ 9 BAO Notwendiger Inhalt eines Haftungsbescheids Eine zur persönlichen Haftung herangezogene Person (Geschäftsführer einer insolventen GmbH) kann gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide Berufung einbringen. Die Berufungsfrist beginnt mit der Mitteilung der betroffenen Abgaben (§ 245 Abs 2 BAO). & Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt worden sind, ist dies ein Verfahrensmangel des Haftungsbescheids, der auch durch die Berufungsbehörde nicht mehr saniert werden kann. Ein derartiger Haftungsbescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. VwGH 24. 10. 2013, 2013/16/0165 &
Die Schriftlichkeit von Familienverträgen ist zwar ein wesentliches Beweismittel. Sie können aber auch ohne Schriftlichkeit anerkannt werden, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile, der Abschluss und die Durchführung des Vertrags deutlich erkennbar sind. & Eine typisch familienhafte Mitarbeit eines Ehegatten gem §§ 90 und 98 AGBG ist nur bei exakter vertraglicher Regelung als rechtsgeschäftliche Einkünfteerzielung anzuerkennen. & Mangels exakter vertraglicher Regelung ist die vom Beteiligungsverhältnis (96% zu 4%) abweichende Gewinnverteilung an die Ehepartner aus der verpachteten Land- und Forstwirtschaft steuerlich nicht anzuerkennen. UFS Wien 7. 8. 2013, RV/1554-W/13 &
INTERNATIONALES STEUERRECHT taxlex-SRa 2014/14
Art 4 DBA Mittelpunkt der Lebensinteressen Begründet eine Vorarlbergerin aufgrund einer auf 18 Monate befristeten Entsendung in die Schweiz ihren ersten eigenständigen Wohnsitz am Schweizer Beschäftigungsort und kehrt sie anschließend tatsächlich nach Österreich zurück, so ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Mittelpunkt der Lebensinteressen (Hauptwohnsitz) in der Schweiz begründet worden. UFS Feldkirch 22. 8. 2013, RV/0341-F/11 taxlex-SRa 2014/15
Art 23 DBA DBA-Befreiungsmethode nur für Freiberufler: Gesetzesprüfungsverfahren Das DBA Österreich-Liechtenstein sieht für freiberufliche Einkünfte aus einer liechtensteinischen Betriebsstätte die Befreiungsmethode (Steuerfreistellung in Österreich) vor, für gewerbliche Einkünfte die Anrechnungsmethode (Besteuerung in Österreich mit Anrechnung der geringfügigen liechtensteinischen Steuer). & Diese massive Bevorzugung der Freiberufler ist nach Ansicht des VwGH möglicherweise verfassungswidrig. Der VwGH hat daher den Fall dem VfGH zur Entscheidung vorgelegt. VwGH 24. 10. 2013, A 2013/0010 &
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ERTRAGSTEUERN
Sonderbetriebsausgaben bei Basispauschalierung möglich? §§ 17, 23 Z 2 EStG Sonderbetriebsvermögen; Immobilienertragsteuer
Der VwGH hat in einem jüngst ergangenen Erkenntnis die hA bestätigt, wonach im Sonderbetriebsvermögen die gleiche Gewinnermittlungsart gilt wie auf Ebene der Mitunternehmerschaft. Bei Anwendung der Pauschalierung iSd § 17 EStG sind – über die in § 17 Abs 1 EStG ausdrücklich genannten Aufwendungen hinaus – zusätzliche (Sonder-)Betriebsausgaben auf Ebene der Gesellschafter nicht abzugsfähig. JÜRGEN REINOLD
A. Einleitung Die Ermittlung des steuerlichen Gesamtgewinns bei Personengesellschaften (PersGes) erfolgt idR zweistufig. Auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung wird der Gewinn der Mitunternehmerschaft nach den allgemeinen Vorschriften der betrieblichen Gewinnermittlung (§§ 4 bis 14 und 17 EStG) berechnet.1) Bevor eine Gewinnaufteilung auf die einzelnen Gesellschafter erfolgt und der ESt (bzw KSt) unterworfen wird, werden die besonderen Leistungsbeziehungen (§ 21 Abs 2 Z 2, § 22 Z 3 bzw § 23 Z 2 EStG) auf Ebene der PersGes (vorerst) als Betriebsausgaben behandelt.2) Auf der zweiten Stufe erfolgt die anteilsmäßige Zuteilung des auf der ersten Stufe ermittelten Gesamtgewinns an die Gesellschafter; maßgebend ist dabei die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Gewinnverteilungsregelung.3) Auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung wird somit das Ergebnis jedes einzelnen Mitunternehmers festgestellt. Nach hL ist die zweite Stufe an die Gewinnermittlungsart und den -zeitraum der ersten Stufe gebunden.4) Auf dieser Stufe sind die auf der ersten Stufe noch anerkannten (respektive als Betriebsausgaben behandelte) Sondervergütungen iSd § 23 Z 2 EStG sowie die während des Jahres verbuchten Entnahmen und Einlagen einzubeziehen.5) Über das System der
MMag. Jürgen Reinold ist Mitarbeiter einer großen Wirtschaftsprüfungsund Steuerberatungsgesellschaft in Wien sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzrecht an der Universität Wien. 1) Vgl Bergmann, Laufende Ertragsbesteuerung, in Bergmann/Ratka (Hrsg), Handbuch Personengesellschaften (2011) Rz 12/100; Peth/ Wanke/Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG11 (2010) § 23 Anm 172. 2) Vgl EStR 2000 Rz 5803, Rz 5853; Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/100. 3) Vgl EStR 2000 Rz 5853 f. Fehlt eine solche Vereinbarung, so ist die nach dem Gesetz geregelte Verteilung des Gewinns ausschlaggebend (UGB bzw ABGB). Vgl auch Doralt/Kauba in Doralt, EStG10 (2006) § 23 Rz 281 f. 4) Vgl zB EStR 2000 Rz 5856 mit Verweis auf VwGH-Judikatur; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 23 Tz 36.2; Peth/Wanke/ Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG11 (2010) § 23 Anm 177; Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/103. 5) Vgl EStR 2000 Rz 5860.
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Sonder- und Ergänzungsbilanzen6), 7) werden die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter berücksichtigt.8) Demnach umfasst das Ergebnis des jeweiligen Gesellschafters neben dem entsprechenden Gewinnanteil die Sonderbetriebseinnahmen abzüglich der Sonderbetriebsausgaben9) sowie die Sondervergütungen iSd § 23 Z 2 EStG.10) Die Besteuerung nach Durchschnittssätzen (Pauschalierung) dient der vereinfachten Ermittlung der Einkünfte. Voraussetzung für die Anwendung der Basispauschalierung gem § 17 Abs 1 – 3 EStG ist, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22 EStG) oder aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG) vorliegen und keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden. Weiters dürfen die Umsätze des Betriebs iSd § 125 Abs 1 BAO des vorangegangen 6) Die Begriffe „Sonder- und Ergänzungsbilanzen“ werden oftmals synonym verwendet. Die hL unterscheidet jedoch zwischen diesen beiden Begriffen. Die Funktion der Ergänzungsbilanz besteht darin, wertmäßige Ergänzungen von in der Gesellschaftsbilanz erfassten Wirtschaftsgütern auszuweisen (= gesellschafterspezifische Korrekturposten). Praktische Bedeutung hat die Erstellung einer Ergänzungsbilanz bei einem Gesellschafterwechsel, weil der Kaufpreis des Anteils idR den Buchwert übersteigt. Sonderbilanzen berücksichtigen hingegen die gesonderte betriebliche Sphäre des jeweiligen Gesellschafters. In Sonderbilanzen wird das (Sonder-)Betriebsvermögen, welches nicht im Eigentum der Mitunternehmerschaft steht, ausgewiesen. Vgl dazu Petritz/Reinold, Sonderbetriebsvermögen – eine Bestandsaufnahme, in Eberhartinger/Fraberger/Hirschler (Hrsg), Rechnungswesen Wirtschaftsprüfung Steuern, in FS Bertl (2013) 799 (815 mwN). 7) Für eine § 4 Abs 3 EStG gewinnermittelnde Personengesellschaft ist der Begriff „Sonder- und Ergänzungsrechnungen“ eher passend. Vgl Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/102 mit Verweis auf Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, dEStG60 (1995) § 15 E 21. 8) Vgl Doralt/Kauba, in Doralt, EStG10 (2006) § 23 Rz 281 f; EStR 2000 Rz 5853 f. 9) Sonderbetriebseinnahmen bzw Sonderbetriebsausgaben sind Einnahmen bzw Ausgaben des einzelnen Gesellschafters, die durch seine Beteiligung an der Gesellschaft (bspw Zinsaufwand bei fremdfinanziertem Beteiligungserwerb), durch das Sonderbetriebsvermögen (bspw AfA für abnutzbare Wirtschaftsgüter) oder durch Leistungsbeziehungen iSd § 23 Z 2 EStG veranlasst sind. Vgl hierzu Peth/Wanke/Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG11 (2010) § 23 Anm 180 ff; Baldauf/ Jakom, EStG6 (2013) § 23 Rz 186 f; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 23 Rz 36.5; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9 (1993) 452 ff; Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/106; VwGH 6. 5. 1975, 1703/74. 10) Vgl Peth/Wanke/Wiesner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG11 (2010) § 23 Anm 180; EStR 2000 Rz 5859; Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/108.
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Wirtschaftsjahres nicht mehr als E 220.000,– betragen haben. Zudem muss aus der Steuererklärung hervorgehen, dass der Steuerpflichtige von der Basispauschalierung Gebrauch macht.11) Die Pauschalierung kann auch von Mitunternehmerschaften in Anspruch genommen werden, wobei die Umsatzgrenze auf die gesamte Mitunternehmerschaft zu beziehen ist (somit etwa bei Vorliegen mehrerer betrieblicher Tätigkeiten).12) Der VwGH13) hatte zu entscheiden, ob bei einer pauschalierten Mitunternehmerschaft Sonderbetriebsausgaben auf der zweiten Ebene des Mitunternehmers mit steuerlicher Wirkung abgesetzt werden können.
B. Sachverhalt Zwei Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft ermittelten ihre Einkünfte für die Jahre 2003 – 2006 im Wege der Basispauschalierung gem § 17 Abs 1 EStG (und setzten Betriebsausgaben iHv 12% der Einnahmen an). Mit der Einreichung der Erklärung betr Einkünfte von PersGes legten die Gesellschafter eine umfassende Aufstellung über angefallene Sonderbetriebsausgaben (ua Gebäudekosten, wie bspw Miete, Strom, Gas, weiters Kammergebühren, Fachliteratur, Fortbildung, gesetzlicher Sozialaufwand etc) für die streitgegenständlichen Jahre dem FA vor. Das FA verwehrte den Abzug der Sonderbetriebsausgaben und teilte mit, dass nur jene Sonderbetriebsausgaben gewinnmindernd geltend gemacht werden können, die nicht „abpauschaliert“ seien. Demgemäß dürften neben dem Pauschalbetrag nur die in § 17 Abs 1 EStG genannten Aufwendungen (bspw Fremdlöhne, Beiträge zu Pflichtversicherungen) als (Sonder-)Betriebsausgaben abgezogen werden. Nach einer negativen Berufungsentscheidung des UFS14) landete der Fall vor dem VwGH.15)
C. Aus den Entscheidungsgründen des VwGH Eingangs hält der VwGH fest, dass die Pauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG eine eigenständige Gewinnermittlungsart (basierend auf den Grundsätzen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) darstellt. Dies ergäbe sich bereits aus der Regelung des § 17 Abs 3 EStG, die einen Wechsel der Gewinnermittlungsart von der Gewinnermittlung durch Pauschalierung einerseits zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG oder zur „normalen“ Gewinnermittlung gem § 4 Abs 3 EStG (unter Geltendmachung der Betriebsausgaben nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften) anspricht.16) Nach der stRsp des VwGH stellt eine Mitunternehmerschaft ein Gewinnermittlungssubjekt dar.17) Es ist also für die Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) ein (Gesamt-)Gewinn zu ermitteln.18) In diesem Sinne normiert § 188 Abs 1 BAO, dass „der Gewinn“ der Mitunternehmerschaft bescheidmäßig festgestellt wird; in diesem bescheidmäßig festzustellenden „Gewinn“ müssen (allfällige) Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt sein.19)
Wirtschaftsgüter, die betrieblichen Zwecken der Personengesellschaft dienen, sind Betriebsvermögen dieses Betriebs, uzw unabhängig davon, ob sie im wirtschaftlichen Eigentum der Gesellschaft oder (als so genanntes Sonderbetriebsvermögen) eines Gesellschafters stehen.20) Dabei gelten dieselben Gewinnermittlungsvorschriften gleichermaßen für das Vermögen im Eigentum der Gesellschaft wie für das Sonderbetriebsvermögen.21) Da Sonderbetriebsvermögen steuerlich Teil des Gesamtbetriebsvermögens der Mitunternehmerschaft ist, kommt einheitlich dieselbe Gewinnermittlungsart zur Anwendung.22) Hat nun die Mitunternehmerschaft ihren Gewinn berechtigterweise durch Pauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG ermittelt, so hat dies unzweifelhaft zur Folge, dass sich diese Gewinnermittlungsart auf ihren gesamten Betrieb und ihren gesamten steuerlichen Gewinn erstreckt. Wie oben ausgeführt, finden Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben in den steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft Eingang. Im Gewinn der Mitunternehmerschaft sind Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt. Daher ist es ausgeschlossen, dass für den Bereich der Sonderbetriebsausgaben eine andere Gewinnermittlungsart zur Anwendung kommen kann. Im Übrigen entspricht es einem – insb aus § 23 Z 2 EStG ableitbaren – Grundgedanken des Einkommensteuerrechts, dass Einzelunternehmer und Mitunternehmer bei der Gewinnermittlung im Allgemeinen eine gleichmäßige Behandlung erfahren.23) Wäre der Betrieb der Beschwerdeführerin nicht von ihr als PersGes (Mitunternehmerschaft), sondern von einem Einzelunternehmer geführt worden, so wäre es ebenfalls ausgeschlossen, bei der Gewinnermittlung Betriebsausgaben pauschal nach § 17 Abs 1 EStG mit einem Prozentsatz der Umsätze zu berücksichtigen und zusätzlich uneingeschränkt (über die in § 17 Abs 1 EStG genannten Aufwandsarten hinaus) alle tatsächlich angefallenen Aufwendungen/Ausgaben in Abzug zu bringen.
11) Vgl Baldauf/Jakom, EStG6 (2013) § 17 Rz 6 ff; zu den Voraussetzungen s auch die folgende Checkliste. 12) Vgl Baldauf/Jakom, EStG6 (2013) § 17 Rz 25; EStR 2000 Rz 4104 f. 13) VwGH 19. 9. 2013, 2011/15/0107. 14) Vgl UFS Wien 13. 4. 2011, RV/0294-W/09. 15) Vgl VwGH 19. 9. 2013, 2011/15/0107; s auch Knechtl, Basispauschalierung bei Mitunternehmerschaften, ecolex 2013, 1107. 16) Vgl VwGH 21. 9. 2006, 2006/15/0041. 17) Vgl etwa VwGH 27. 1. 2011, 2008/15/0218; 21. 9. 2006, 2006/15/ 0236. 18) Vgl VwGH 16. 11. 1979, 665/78. 19) Vgl VwGH 5. 10. 1993, 93/14/0039. 20) Vgl VwGH 25. 9. 2001, 96/14/0109; 19. 3. 2002, 99/14/0134. 21) Vgl VwGH 21. 12. 1993, 89/14/0186. 22) Vgl Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2 (1985) § 23 Tz 45; Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 23 Tz 36.2. 23) Vgl VwGH 19. 6. 2002, 99/15/0115.
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D. Gewinnermittlung im Sonderbetriebsvermögen Der VwGH bestätigt mit dem Erkenntnis die hL,24), 25) bisherige Rsp26) und Verwaltungspraxis,27) wonach für das Sonderbetriebsvermögen die gleiche Gewinnermittlungsart wie für die Mitunternehmerschaft gilt. Im Schrifttum finden sich jedoch auch kritische Stimmen, die einen Durchgriff der Gewinnermittlung gem § 5 Abs 1 EStG auf das Sonderbetriebsvermögen verneinen, weil es an einem Anknüpfungspunkt zur unternehmensrechtlichen Bilanz fehle.28) Für Zwecke des UGB existiert das Sonderbetriebsvermögen nämlich nicht; es wird nicht einmal zur Berechnung der Umsatzgrenzen für die Beurteilung der Rechnungslegungspflicht gem § 189 UGB miteinbezogen.29) So kommt auch Bertl zu dem Schluss, dass eine „originäre“ Buchführungspflicht (und somit eine Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG) für das Sonderbetriebsvermögen nur bestehen könne, wenn es isoliert betrachtet die Eigenschaft eines eigenständigen Betriebs erfüllt.30) Zu einem umfassenden Überblick über die Diskussion der Gewinnermittlung im Sonderbetriebsvermögen s jüngst Petritz/Reinold,31) die mit Verweis auf Hüttemann32) letztendlich auch zu einer § 5 Abs 1 EStG Gewinnermittlung im Sonderbetriebsvermögen bei einer § 5 Abs 1 EStG gewinnermittelnden Mitunternehmerschaft kommen, weil „die gesetzlich gewollte Gleichstellung der Sondervergütungen [iSd § 23 Z 2 EStG] mit Gewinnanteilen unvollständig bliebe, wenn man sie nur auf die Einkünftequalifikation und nicht auch auf die Periodisierung erstrecken würde.“ Folglich gilt für die Sonderbilanz des Mitunternehmers die Maßgeblichkeit des § 5 Abs 1 EStG (wie für die Steuerbilanz der Mitunternehmerschaft), allerdings – mangels entsprechender unternehmensrechtlicher Bilanz – ohne Maßgeblichkeit eines konkreten unternehmensrechtlichen Bilanzansatzes.33)
E. Pauschalierung und Sonderbetriebsvermögen Im gegenständlichen VwGH-Erkenntnis war strittig, ob bei einer Basispauschalierung der Abzug sämtlicher Sonderbetriebsausgaben auf Ebene des Gesellschafters möglich sei (somit wohl eine Gewinnermittlung gem § 4 Abs 3 EStG im Sonderbetriebsvermögen gelten müsste). Die Basispauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG stellt eine Möglichkeit der Gewinnermittlung auf Grundlage der Einnahmen-AusgabenRechnung gem § 4 Abs 3 EStG dar, bei der (bestimmte) Betriebsausgaben pauschaliert werden. Nach Ansicht des VwGH sieht § 17 Abs 1 EStG einen Abzug aller Sonderbetriebsausgaben im vollen Umfang nicht vor. In § 7 Abs 1 Satz 3 EStG werden jene Betriebsausgaben aufgezählt, die neben den mit dem Durchschnittssatz ermittelten Betriebsausgaben (Basispauschalierung) zusätzlich (im vollen Betrag) abgesetzt werden dürfen. Folglich dürfen nach dem Gesetzestext neben den mit dem Durchschnittssatz ermittelten Betriebsausgaben nur die in der taxativen Aufzählung von § 17 Abs 1 Satz 3 EStG genannten Betriebsausgaben – seien es Betriebsausgaben, die 40
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der PersGes oder Sonderbetriebsausgaben, die einem Gesellschafter erwachsen sind – abgezogen werden. In der Berufungsentscheidung des UFS wurde noch seitens des UFS vorgebracht, dass die Basispauschalierung ein Wahlrecht darstelle, und dieses müsste ja nicht in Anspruch genommen werden.34) Zudem scheitert eine weitere Pauschalierungsmöglichkeit auf Ebene der Gesellschafter (Ermittlung des anteiligen Gewinns der Mitunternehmer) an der nicht vorhandenen Bemessungsgrundlage (Umsätze).35) Schon Doralt hat auf den Fall aufmerksam gemacht, dass es, wenn sämtliche Sonderbetriebsausgaben neben der Basispauschalierung geltend gemacht werden könnten, mitunter zu einer doppelten gewinnmindernden Berücksichtigung komme. Er veranschaulicht seine Auffassung mit dem Beispiel, wonach eine Mitunternehmerschaft, die ausschließlich über Einnahmen verfügt, neben dem Betriebsausgabenpauschale auf Ebene der Gesellschaft auch Sonderbetriebsausgaben auf Ebene der Gesellschafter geltend macht.36) Die dargestellte Sichtweise des VwGH und von Doralt entspricht ebenso der Finanzverwaltungspraxis.37) Weiters sei noch darauf hingewiesen, dass vom Betriebsausgabenpauschale – bei der Basispauschalie-
24) Vgl stellvertretend Quantschnigg/Schuch, ESt-HB (1993) § 23 Tz 36.2, 37.2; Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/ 103 ff; Peth/Wanke/Wiesner, in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG11 (2010) § 23 Anm 177; Stoll, Ertragsbesteuerung der Personengesellschaften (1977) 59 f; Reiß in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, dEStG60 (1995) § 15 E 11. 25) Zust auch Doralt/Kauba in Doralt, EStG6 (2006) § 23 Rz 256, die aber darauf hinweisen, dass dies dem Maßgeblichkeitsprinzip widerspreche; aA Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/105 mwN, der mE zutr keinen Verstoß gegen das Maßgeblichkeitsprinzip sieht. 26) Vgl zB VwGH 16. 11. 1979, 66/78; 21. 12. 1993, 89/14/0186; BFH 24. 8. 2010, VIII B 28/10. 27) Vgl EStR 2000 Rz 5856, 5914. 28) Vgl Fritz-Schmied/Urnik, Personengesellschaften und Gewinnermittlung: Durchgriff auf das Sonderbetriebsvermögen? ÖStZ 2007, 146 (146 ff); s zB auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9 (1993) 439, die sich für eine Einnahmen-/Überschussrechnung ausspricht; ähnlich: Escher/Escher-Weingart, Die Gewerbesteuerreform – Anlaß zur Aufgabe des Sonderbetriebsvermögens? BB 1996, 349 (351). 29) Vgl Marschner in Hirschler (Hrsg), Bilanzrecht (2009) § 189 Rz 25, 119. 30) Vgl Bertl, Sonderbetriebsvermögen und Maßgeblichkeitsprinzip, in Bertl et al (Hrsg), Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht (2003) 137 (143), mit Verweis auf BFH 23. 10. 1990, VIII R 142/85. 31) Vgl Petritz/Reinold in FS Bertl 824 ff mwN. 32) Vgl Hüttemann, Gewinnermittlung bei Personengesellschaft, in Dötsch et al (Hrsg), Die Personengesellschaft im Steuerrecht, in GedS Knobbe-Keuk (2011) 39 (56). 33) Vgl Wacker in Schmidt, dEStG31 (2012) § 15 Rz 475 mwN. 34) Vgl UFS Wien 13. 4. 2011, RV/0294-W/09. 35) Vgl Baldauf/Jakom, EStG6 (2013) § 17 Rz 25; Atzmüller, Highlights aus dem EStR-Wartungserlass 2010, RdW 2011, 44 (49). 36) Vgl Doralt in Doralt, EStG10 (2006) § 17 Rz 41 zur Basispauschalierung, § 17 Rz 72/2 zur Vollpauschalierung; zust Petritz/Reinold in FS Bertl 830. 37) Vgl EStR 2000 Rz 4112 a zur Basispauschalierung mit Anführung eines Beispiels ab Veranlagung 2011; EStR 2000 Rz 4286 a zur Vollpauschalierung ab Veranlagung 2011.
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rung38) – die Sondervergütungen iSd § 23 Z 2 EStG nicht umfasst sind. Diese sind auf Ebene der Gesellschaft in voller Höhe abzuziehen und vermindern dadurch den verteilungsfähigen Gewinn. Auf der zweiten Ebene der Gewinnermittlung werden die (auf Ebene der Gesellschaft) abgezogenen Vergütungen dem jeweiligen Gesellschafter iSv Sonderbetriebseinnahmen wieder hinzugerechnet.39) Diese Vorgehensweise verhindert das Zustandekommen eines verzerrten Ergebnisses, weil anderenfalls die Sondervergütungen iSd § 23 Z 2 EStG (auf der ersten Stufe) nur pauschal abgegolten werden und auf der zweiten Stufe diese dem Gesellschafter wieder zuzurechnen wären, allerdings nunmehr in voller Höhe (und nicht mit dem pauschalierten Betrag).40)
F. Pauschalierung und Immobilienertragsteuer Mit dem EStR-Wartungserlass 2013 wurden auch Bestimmungen darüber aufgenommen, wenn eine Grundstücksveräußerung nach dem 31. 3. 2012 durch einen „Pauschalierer“ erfolgt. Nach Ansicht der FinVerw sind Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen, die mit dem besonderen Steuersatz erfasst werden, nicht als Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte und Einkommens anzusehen. Demnach sind betriebliche Einkünfte aus Grundstücksverkäufen als Veräußerungen außerhalb der Basispauschalierung zu werten. Betriebliche Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen sind folglich gesondert unter Beachtung des § 4 Abs 3 a EStG zu ermitteln (somit wohl eine Gewinnermittlung gem § 4 Abs 3 EStG) und daher auch nicht Teil der Bemessungsgrundlage des Betriebsausgabenpauschals.41) Dementsprechend gilt auch für einen §-17-EStG-Gewinnermittler die Unterscheidung, ob hinsichtlich des Grund und Bodens (nicht Gebäude!) Alt- oder Neuvermögen42) vorliegt. Wird ein bebautes Grundstücks des Altbestands veräußert, ist der darauf entfallende Gewinn auf Grund und Boden sowie Gebäude aufzuteilen.43) Bei Vorliegen von nicht mehr steuerverfangenem Grund und Boden kann gem § 4 Abs 3 a Z 3 lit a EStG die Einkünftepauschalierung für Altbestand (§ 30 Abs 4 EStG) in Anspruch genommen werden.44) Für den auf das Gebäude entfallenden Veräußerungsgewinn gelten immer die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften; somit ist der Veräußerungserlös abzüglich dem Restbuchwert der 25%igen Immobilienertragsteuer zu unterwerfen. Hierfür ist die Führung eines Anlageverzeichnis (für Grund und Boden sowie Gebäude im Betriebsvermögen) gem § 7 Abs 3 EStG von Nöten. Da die AfA bereits durch das Betriebsaus-
gabenpauschale abgedeckt (abpauschaliert) ist, muss eine (fiktive) rechnerische AfA angesetzt werden. Nur in diesem Falle ist laut FinVerw ein den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften entsprechender Veräußerungsgewinn ermittelbar (Gegenüberstellung des Veräußerungserlöses abzüglich des berechneten Restbuchwerts).45) Dem folgend muss auch für eine im Sonderbetriebsvermögen befindliche Immobilie ein „Sonderanlageverzeichnis“ geführt werden, um eine Evidenthaltung des Buchwerts zu gewährleisten, der für die Ermittlung des Gewinns aus einer Grundstücksveräußerung erforderlich ist. Eine (zusätzliche) Geltendmachung der AfA als Sonderbetriebsausgabe ist nicht möglich, weil diese bereits abpauschaliert ist. Dieselben Grundsätze gelten auch für Grundstücksveräußerungen durch pauschalierte Land- und Forstwirte.46)
38) Etwas anderes gilt für die Vollpauschalierung, hier sind auch die Leistungsvergütungen iSd § 23 Z 2 EStG von der pauschalen Gewinnermittlung erfasst. Vgl EStR 2000 Rz 4286 a mit einem plakativen Beispiel Bergmann in HB Personengesellschaften, Rz 12/109. 39) Vgl EStR 2000 Rz 4112 a; Bergmann in HB Personengesellschaften Rz 12/110. 40) Vgl Atzmüller, RdW 2011, 49. 41) Vgl EStR 2000 Rz 4107 a; Bodis/Hammerl, EStR-Wartungserlass 2013: Neue Grundstücksbesteuerung II, RdW 2013, 411 (415). 42) War Grund und Boden zum 31. 3. 2012 nicht steuerverfangen, liegt Altvermögen vor: EStR 2000 Rz 770. 43) Vgl Lenneis/Jakom, EStG6 (2013) § 4 Rz 267; EStR 2000 Rz 768. 44) Die effektive Steuerbelastung beträgt somit idR 3,5% vom Veräußerungserlös. 45) Vgl EStR 2000 Rz 4137 a. 46) Vgl EStR 2000 Rz 4157 a; Bodis/Hammerl, RdW 2013, 415.
SCHLUSSSTRICH
Im Erkenntnis v 19. 9. 2013, 2011/15/0107, kam der VwGH mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung zu dem Schluss, dass beim Sonderbetriebsvermögen die gleiche Gewinnermittlungsmethodik gelte wie im Betriebsvermögen. Bei Inanspruchnahme der Pauschalierung iSd § 17 EStG seien zusätzliche (Sonder-)Betriebsausgaben über die in § 17 Abs 1 EStG ausdrücklich genannten Aufwendungen hinaus, auf Ebene der Gesellschafter nicht abzugsfähig. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist bei einem „Pauschalierer“ im Falle einer Immobilienveräußerung (auch aus dem Sonderbetriebsvermögen) die Ermittlung eines Buchwerts notwendig, obwohl die AfA bereits abpauschaliert ist.
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ERTRAGSTEUERN
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CHECKLISTE
Basispauschalierung gem § 17 EStG
Diese Checkliste erläutert anknüpfend an den vorigen Beitrag die wichtigsten Begriffe zur Basispauschalierung. JÜRGEN REINOLD
Basispauschalierung 1.
Voraussetzungen
&
& &
&
&
2.
Bindungsfrist
&
&
3.
Pauschale Ausgaben
&
&
Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22) oder aus Gewerbebetrieb (§ 23). Keine Buchführung (weder Pflicht noch freiwillig). Umsätze iSd § 125 Abs 1 BAO (dh Entgelt ohne USt)1) des Betriebs2) des vorangegangenen Wirtschaftsjahres3) betragen nicht mehr als g 220.000,–.4) Inanspruchnahme der Basispauschalierung geht bereits aus der Steuererklärung hervor. Bei Erfüllung der Voraussetzungen ist die Basispauschalierung für alle Rechtsformen zugänglich (Einzelunternehmer, Mitunternehmerschaften, nicht buchführungspflichtige Körperschaften).5) Wechsel von der vollständigen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zur Basispauschalierung und umgekehrt ist bis zur Rechtskraft des Bescheids möglich.6) Wurde die Basispauschalierung einmal beansprucht und wird in der Folge davon abgegangen (Gewinnermittlung durch Buchführung oder vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung), so ist ein neuerlicher Übergang zur Basispauschalierung gem § 17 Abs 3 EStG durch denselben Steuerpflichtigen frühestens nach Ablauf von fünf Wirtschaftsjahren zulässig.7) 12% von den Einnahmen/Umsätzen iSd § 125 Abs 1 BAO, maximal jedoch g 26.400,–. 6% von den Einnahmen/Umsätzen iSd § 125 Abs 1 BAO, maximal jedoch g 13.200,– für p Tätigkeiten iSd § 22 Z 2 EStG (wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Hausverwalter), p Einkünfte aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung (bspw Marktforscher, Unternehmensberater),8) p Einkünfte aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit.9)
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MMag. Jürgen Reinold ist Mitarbeiter einer großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzrecht an der Universität Wien. 1) Durchlaufende Posten iSd § 4 Abs 3 EStG stellen keine Umsätze gem § 125 Abs 1 BAO dar. 2) Bei Mitunternehmerschaften ist die Umsatzgrenze (bei zwei oder mehreren betrieblichen Tätigkeiten) auf die gesamte Mitunternehmerschaft zu beziehen. Vgl EStR 2000 Rz 4104. 3) Sollten keine Vorjahresumsätze vorhanden sein (bspw bei Betriebseröffnung), kann die Pauschalierung dennoch in Anspruch genommen werden, selbst wenn der Umsatz im ersten Jahr E 220.000,– übersteigt. Vgl VwGH 25. 10. 2011, 2008/15/0200. 4) Zur Grenze krit Prodinger, Umsatzgrenze und Basispauschalierung, SWK 2008 S 292 (S 292 ff). 5) Vgl EStR 2000 Rz 4105. 6) Vgl EStR 2000 Rz 4133. 7) Vgl EStR 2000 Rz 4134. Der Rücktritt von einer erstmalig beanspruchten Basispauschalierung stellt keinen „Übergang“ auf eine andere Form der Gewinnermittlung iSd § 17 Abs 3 EStG dar und löst folglich keine fünfjährige Sperrfrist aus. Vgl Doralt in Doralt/Ruppe, Steuerrecht I11 (2013) Rz 240. 8) Siehe dazu EStR 2000 Rz 7937 f. 9) Siehe dazu EStR 2000 Rz 5262 ff.
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ERTRAGSTEUERN
4.
Abpauschalierte Betriebsausgaben10)
& & & & & & & & & & & & & & & & & & &
5.
Zusätzlich zur Pauschalierung abzugsfähige Betriebsausgaben
&
&
&
&
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10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17)
Abschreibungen (§§ 7, 8 und 13 EStG) Restbuchwerte abgehender Anlagen Fremdmittelkosten Miete und Pacht Post und Telefon Betriebsstoffe (Brenn- und Treibstoffe) Energie und Wasser Werbung Rechts- und Beratungskosten Provisionen (ausgenommen mengenabhängige Einkaufsprovisionen) Büroausgaben Prämien für Betriebsversicherungen Betriebssteuern Instandhaltung, Reinigung durch Dritte Kraftfahrzeugkosten Reisekosten (einschließlich Tages- und Nächtigungsgelder) Trinkgelder Investitionsbedingter Gewinnfreibetrag Taxikosten11) Ausgaben für den Eingang an Waren (Anschaffungskosten inklusive Anschaffungsnebenkosten), Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch iSd § 128 BAO einzutragen sind oder einzutragen wären.12) Ausgaben für Löhne (laufende Bezüge oder in sonstiger Form ausbezahlte Bezüge iSd § 67 EStG) samt Lohnnebenkosten (wie bspw Dienstgeberanteil zur gesetzlichen SV, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds, KommSt, Betriebsratsumlage, Wiener U-Bahn-Abgabe).13) Ausgaben für Fremdlöhne, soweit sie unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand des Unternehmens bilden (bspw Arbeitskräftegestellungen, Fremdlöhne für die Güterproduktion, sofern sie zwingend zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Umlaufvermögens gehören).14) Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung iSd § 4 Abs 4 Z 1 EStG, ebenfalls Pflichtbeiträge an eine Betriebliche Vorsorgekasse iS des BMSVG sowie Beiträge nach einer Option in die Selbständigenvorsorge.15) Umsatzsteuer bei Bruttoverrechnung.16) Grundfreibetrag im Rahmen des Gewinnfreibetrags (somit maximal E 3.900,–).17)
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EStR 2000 Rz 4127. VwGH 20. 1. 2005, 2004/14/0110. Vgl EStR 2000 Rz 4117 ff. Vgl EStR 2000 Rz 4119 ff. Vgl EStR 2000 Rz 4124. Vgl EStR 2000 Rz 4126. Vgl EStR 2000 Rz 4131. Vgl EStR 2000 Rz 3822 iVm Rz 3824.
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UMSATZSTEUER
§ 2 Abs 2 Z 2 UStG; Art 11 Mehrwertsteuer-Richtlinie Organschaft; Umsatzsteuer
EuGH-Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft: Besteht legistischer Urteil vom 9. 4. 2013, C-85/11, Anpassungsbedarf? Mit Kommission/Irland, hat der EuGH ent-
schieden, dass die Einbeziehung nichtsteuerpflichtiger Personen in eine „Mehrwertsteuergruppe“, die als ein Steuerpflichtiger behandelt wird, zulässig ist.1) In einer Serie weiterer Urteile v 25. 4. 2013 (C-65/11, Kommission/Niederlande; C-74/11, Kommission/Finnland;2) C-86/ 11, Kommission/Großbritannien, und C-95/11, Kommission/Dänemark) hat der EuGH diese Rechtsauffassung wiederholt. Die Rechtsprechung gibt Anlass, die nationale Rechtslage auf ihre Unionsrechtskonformität hin zu prüfen und allfällige praktische Auswirkungen zu untersuchen. SABINE KANDUTH-KRISTEN
A. Rechtsgrundlagen Gem § 2 Abs 2 Z 2 UStG wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, „wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, dass sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, dass sie keinen eigenen Willen hat (Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.“ Liegen die Voraussetzungen der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung vor, treten die Wirkungen der Organschaft zwingend ein, sie sind von Amts wegen zu beachten.3) Es bedarf weder eines Antrags noch einer bescheidmäßigen Festsetzung durch die Finanzverwaltung. Das Vorliegen einer Organschaft bewirkt, dass die juristische Person (Organgesellschaft) und der Unternehmer (Organträger) als ein Unternehmen zu behandeln sind. Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt.4) Art 11 Abs 1 der MwSt-SystRL5) lautet dagegen wie folgt: „Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend „Mehrwertsteuerausschuss“ genannt) kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.“6) Abs 2 der Bestimmung sieht vor, dass ein MS, der die in Abs 1 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch nimmt, die erforderlichen Maßnahmen treffen kann, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen. Ziel des Art 11 MwSt-SystRL ist eine Verwaltungsvereinfachung oder Verhinderung bestimmter Arten von Missbrauch, etwa durch Aufspaltung eines Unternehmens zwischen mehreren StPfl, um in den Genuss einer Sonderregelung zu kommen.7) In der Rechtsprechung des UFS werden die unionsrechtlichen Regelungen als Rahmen betrachtet, der den 44
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MS bei der Ausgestaltung der „Organschaft“ Spielräume offenlässt. So meint etwa der UFS Wien8), dass das österr wie das deutsche nationale Recht diesen Spielraum nur teilweise ausnützen, weil die nach § 2 Abs 2 UStG bzw § 2 Abs 2 Nr 2 dUStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Univ.-Prof. Dr. Sabine Kanduth-Kristen, LL. M., StB, ist Universitätsprofessorin am Institut für Finanzmanagement der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Abteilung für Betriebliches Finanz- und Steuerwesen. 1) Siehe dazu Mooshammer/Niedermair, EU Tax Update – Juni 2013, taxlex-EU 2013/70. 2) In dem Fall war weiters darüber zu befinden, ob die Beschränkung der Behandlung einer Gruppe von Unternehmen als ein StPfl gem Art 11 Abs 1 der MwSt-SystRL auf Unternehmen des Finanz- und Versicherungssektors unionsrechtskonform ist. Art 11 Abs 2 MwSt-SystRL gestattet es den MS, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung des Abs 1 vorzubeugen. Der Kommission gelang es im Verf nicht darzutun, dass die von der Republik Finnland vorgenommene Beschränkung des Regimes auf den Finanz- und Versicherungssektor nicht idS begründet war, so dass der EuGH keinen Verstoß gegen Unionsrecht ortete. Ebenso EuGH 25. 4. 2013, C-480/10, Kommission/ Schweden (s dazu Mayr, Umsatzsteuer-Update: Aktuelles auf einen Blick, SWK 2013, 883). 3) Vgl Ruppe/Achatz, UStG4 § 2 Rz 103. 4) Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als Unternehmer. 5) RL des Rats 2006/112/EG v 28. 11. 2006, konsolidierte Fassung v 1. 1. 2013. 6) Zur Entstehungsgeschichte s Schlussanträge GA Niilo Jääskinen 27. 11. 2012, C-85/11, Kommission/Irland, Rz 29 bis 34; weiters Erdbrügger, Deutsche Regelungen über die Umsatzsteuer-Organschaft aufgrund neuer EuGH-Rechtsprechung unerwartet auf dem Prüfstand, DStR 2013, 1575. Eine vorhergehende Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses ist auch bei wesentlichen Änderungen bestehender Regelungen für MwSt-Gruppen erforderlich (vgl Mitteilung der Kommission v 2. 7. 2009, KOM(2009) 325 endg, Pkt 3.1). 7) Vgl EuGH 9. 4. 2013, C-85/11, Kommission/Irland, Rz 47. Siehe auch Mitteilung der Kommission v 2. 7. 2009, KOM(2009) 325 endg, Pkt 2. 8) 5. 6. 2007, RV/1111-W/05. Ebenso sieht dies der BFH im Urteil v 3. 4. 2008, V R 76/05 BStBl II 2008, 905.
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Ges voraussetze. Vor dem Hintergrund der nunmehr vorliegenden EuGH-Urteile ist aber davon auszugehen, dass das Unionsrecht keinen Spielraum eröffnet. Der EuGH betont die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmung und führt aus, dass nach Art 11 Abs 1 der MwSt-SystRL mehrere Personen von einem MS zusammen als ein StPfl behandelt werden können, wenn sie im Gebiet dieses MS ansässig, und, obwohl rechtlich unabhängig, durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Die Anwendung des Artikels ist nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig.9) Den Wirtschaftsteilnehmern dürfen auch nicht weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe aufgebürdet werden (etwa Ausübung einer bestimmten Tätigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche).10) Das unionsrechtlich statuierte Wahlrecht bezieht sich nur darauf, ob ein MS Mehrwertsteuergruppen als StPfl innerstaatlich anerkennen will, nicht hingegen auf die Ausgestaltung der Regelung, die sich an den unionsrechtlichen Vorgaben orientieren muss.11)
2. Sachliche Anwendungsvoraussetzungen
1. Persönlicher Anwendungsbereich
Das nationale Recht spricht von einer finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers. Der Begriff „Eingliederung“ suggeriert dabei ein Über- und Unterordnungsverhältnis. Gem UStR 2000 Rz 236 bedeutet finanzielle Eingliederung kapitalmäßige16) Beherrschung, die bei einer Beteiligung von 75% vorliegt und bei Beteiligungen über 50% und unter 75% bei besonders starker Ausprägung der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung angenommen wird. Eine andere Art der finanziellen Verbindung (zB durch Franchiseverträge) wird nicht als ausreichend erachtet.17) Eine wirtschaftliche Eingliederung zwischen Organträger und Organgesellschaft liegt vor, wenn zwischen diesen ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang besteht und ihre Tätigkeiten aufeinander abgestellt sind und sich gegenseitig ergänzen.18) Bei einer reinen Beteiligungsholding sind diese Voraussetzungen nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht erfüllt.19) Keine wirtschaftliche Eingliederung ist nach der Rsp weiters gegeben, wenn eine bloße Aufteilung der Märkte und somit eine bloße Nebenordnung vorliegt.20) Eine organisatorische Eingliederung ist anzunehmen, wenn die tatsächliche Durchsetzung des Willens des beherrschenden Unternehmers bei der beherrschten Ges
Nach nationalem Recht kann Organträger jeder Unternehmer sein. Einschränkungen bzgl der Rechtsform bestehen nicht. Die Verwaltungspraxis schließt allerdings etwa Beteiligungsholdings von der Organträgerfunktion aus, weil diese keine Unternehmereigenschaft besitzen und es an der wirtschaftlichen Eingliederung fehle.12) Gleiches gilt für hoheitlich tätige KöR mangels Unternehmereigenschaft im Hoheitsbereich.13) Organgesellschaft kann nach nationalem Recht jede juristische Person sein. Personengesellschaften können folglich nicht Organgesellschaften sein. Gem UStR 2000 Rz 233 kommen KöR (mangels Möglichkeit der Eingliederung) und Betriebe gewerblicher Art von KöR (mangels Vorliegens einer juristischen Person) nicht als Organgesellschaften in Betracht. Weiters wird aus der Formulierung in § 2 Abs 2 UStG, wonach eine gewerbliche und berufliche Tätigkeit bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Z 2 nicht selbständig ausgeübt wird, geschlossen, dass die Organgesellschaft Unternehmereigenschaft besitzen muss. Dagegen sieht das Unionsrecht keine Einschränkung auf eine bestimmte Rechtsform vor. Die Einschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften dürfte daher, da eine Rechtfertigung dieser Beschränkung iSd Art 11 Abs 2 MwSt-SystRL nicht ersichtlich ist, unionsrechtswidrig sein.14) Aus den Urteilen des EuGH in den oa Rs ergibt sich weiters, dass die Einbeziehung Nichtsteuerpflichtiger in die Mehrwertsteuergruppe nicht gegen Unionsrecht verstößt. Vielmehr müsste umgekehrt der Ausschluss Nichtsteuerpflichtiger – als Einschränkung gegenüber dem Wortlaut des Art 11 Abs 1 MwSt-SystRL – gem Art 11 Abs 2 MwSt-SystRL mit der Vermeidung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen begründet werden.15) Eine solche Begründung sehen in dem U C-85/11 weder Generalanwalt Niilo Jääskinen noch der EuGH selbst.
9) Vgl EuGH 9. 4. 2013, C-85/11, Kommission/Irland, Rz 36. 10) Vgl EuGH 25. 4. 2013, C-480/10, Kommission/Schweden, Rz 35. Ebenso argumentiert GA Niilo Jääskinen in Rz 55 der Schlussanträge v 27. 11. 2012 zu dieser Rs. 11) Vgl Küffner/Streit, Einbeziehung eines Nichtsteuerpflichtigen in eine Organschaft, UR 2013, 403. Ein Herausgreifen einzelner Aspekte aus der Organschaftsregelung ist ebenso nicht zulässig (vgl Dahm/ Hamacher, Umsatzsteuerliche Organschaft – Reform wider Willen, IStR 2013, 823). 12) Vgl UStR 2000 Rz 237. 13) Vgl Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStGON2.04 § 2 Rz 170 und 186 (Stand 1. 6. 2013, rdb.at). 14) GlA Küffner/Streit, UR 2013, 403 f; Slapio, Umsatzsteuerliche Organschaft – auf zu neuen Ufern? UR 2013, 411; Bürgler in Berger/Bürgler/ Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2.04 § 2 Rz 183 (Stand 1. 6. 2013, rdb.at). 15) So auch Slapio, UR 2013, 409 f. Einen Verstoß gegen das Unionsrecht durch Ausschluss Nichtsteuerpflichtiger aus der Organschaft orten auch Küffner/Streit, UR 2013, 403; Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2.04 § 2 Rz 186/1 (Stand 1. 6. 2013, rdb.at). 16) Maßgeblich ist nicht nur die Beteiligungshöhe, sondern auch das Ausmaß der mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte. 17) Anders Mitteilung der Kommission v 2. 7. 2009, KOM(2009) 325 endg, Pkt 3.3.4. 18) Vgl VwGH 23. 3. 2010, 2005/13/0021; UFS Klagenfurt 12. 6. 2009, RV/0434-K/07. 19) Siehe UStR 2000 Rz 237. Im Begutachtungsentwurf des Salzburger Steuerdialogs, Ergebnisunterlage USt, vertrat das BMF in Pkt 2 die Auffassung, dass auch hinsichtlich einer geschäftsleitenden Holding und der mit ihr finanziell verbundenen Tochtergesellschaften mangels wirtschaftlicher Eingliederung (Unterordnung der Organgesellschaften) iS aufeinander abgestellter, sich gegenseitig ergänzender wirtschaftlicher Tätigkeiten keine Organschaft vorliegt. Im Begutachtungsverfahren wurde diese Auffassung kritisiert. In der endgültigen Ergebnisunterlage ist der Punkt nicht mehr enthalten. 20) Vgl UFS Wien 18. 8. 2003, RV/0903-W/02 und RV/0904-W/02, mit Hinweis auf das zum UStG 1972 ergangene Erk des VwGH v 19. 7. 2000, 98/13/0117.
B. Abweichungen zwischen Unionsrecht und nationalem Recht
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durch organisatorische Maßnahmen (zB personelle Verflechtung) gesichert ist.21) Das Unionsrecht sieht vor, dass die Personen zur Annahme eines Mehrwertsteuerpflichtigen durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sein müssen. Ein Verhältnis der Über- bzw Unterordnung kommt hier nicht zum Ausdruck.22) Es wird dementsprechend nicht zwischen übergeordneter Person (Organträger) und untergeordneter Person (Organgesellschaft) unterschieden. Vielmehr könnte eine enge finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehung auch in einem Verhältnis der Nebenordnung bestehen. Im Bereich der sachlichen Anwendungsvoraussetzungen ist die nationale Bestimmung bzw deren Interpretation daher ebenfalls zu eng gefasst.23)
3. Rechtsfolgen Nach nationalem Recht „absorbiert“ der Organträger als Unternehmer die Organgesellschaften, die selbst mangels Selbständigkeit keine Unternehmereigenschaft aufweisen. Nach Unionsrecht sind die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eng miteinander in Beziehung stehenden Personen als ein Unternehmer zu behandeln. Mehrere eng miteinander verbundene Mehrwertsteuerpflichtige werden somit zu einem neuen einzigen StPfl verschmolzen.24) Die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe begründet die Steuerpflicht dieser Gruppe und beendet die eigenständige Steuerpflicht derjenigen Gruppenmitglieder, die zuvor mehrwertsteuerpflichtig waren.25) Auch im Bereich der Rechtsfolgen sind nationales Recht und Unionsrecht daher nicht vollkommen deckungsgleich.
C. Legistischer Anpassungsbedarf Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass im Bereich der umsatzsteuerlichen Organschaft aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben legistischer Handlungsbedarf gegeben ist. Dies betrifft sowohl den persönlichen Anwendungsbereich als auch die sachlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft. Im Hinblick auf die Wirkungen der Organschaft sollte zudem – ähnlich wie im Falle der körperschaftsteuerlichen Gruppenbesteuerung – eine zeitnahe bescheidmäßige Feststellung über das Vorliegen einer Organschaft im Veranlagungsverfahren oder über Antrag des StPfl bereits während des Veranlagungszeitraums vorgesehen werden.26) Dies wäre vor allem zur Erhöhung der Rechtssicherheit und mit Blick auf die Ziele der Regelung – Verwaltungsvereinfachung und im Einzelfall Missbrauchsvermeidung – sowie deren weitreichende Folgen wünschenswert.
D. Konsequenzen für die Praxis StPfl können sich – soweit eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Bestimmungen nicht möglich ist – unmittelbar auf Art 11 Abs 1 der MwSt-SystRL berufen, da es sich, sofern sich ein MS grds zur Anwendung der an sich fakultativen 46
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Norm entschließt, um eine unbedingte und hinreichend bestimmte Regelung handelt.27) Dies gilt etwa für die auf nationaler Ebene derzeit nicht mögliche Einbeziehung Nichtsteuerpflichtiger bzw nichtjuristischer Personen (als Organgesellschaften) in eine Organschaft.28) Betroffen sind davon Beteiligungsholdings, gemeinnützige Einrichtungen hinsichtlich ihres ideellen Bereichs, KöR mit ihrem Hoheitsbereich, Personengesellschaften als Organgesellschaften etc. Zur Bildung einer Organschaft müssen zwar auch die sachlichen Voraussetzungen erfüllt sein, aber auch hier wird eine Berufung auf die unionsrechtlichen Regelungen, die nicht starr auf ein Über-/Unterordnungsverhältnis abzielen, möglich sein.29) Ein Vorteil der Einbeziehung Nichtsteuerpflichtiger in die Organschaft liegt darin, dass Leistungen innerhalb des Organkreises an das nichtsteuerpflichtige und damit grds nicht vorsteuerabzugsberechtigte Mitglied als nicht steuerbare Innenumsätze gelten und damit umsatzsteuerlich unbelastet bleiben.30) Dies schafft keine ungerechtfertigten Steuervorteile, sondern entspricht dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wonach es durch konzerninterne Strukturierungen bzw die Installation selbständiger Gesellschaften innerhalb einer Unternehmensgruppe im Bereich der USt nicht zu einer Mehrbelastung im Vergleich zur Durchführung der Tätigkeit innerhalb einer einzigen Gesellschaftsform kommen soll.31) Auch wird das Recht auf Vorsteuerabzug durch die Einbeziehung Nichtsteuerpflichtiger in die Organschaft nicht erweitert.32) Soweit nämlich umsatzsteuerbelastete Vorleistungen an den Organkreis mit nicht der MwSt
21) Vgl UStR 2000 Rz 239. 22) Vgl Slapio, UR 2013, 409, wonach sich auch aus dem EuGH-Urteil v 18. 10. 2007, C-355/06, van der Steen, keine Rückschlüsse auf das Erfordernis einer Über-/Unterordnung ziehen lassen. 23) Ebenso zur vergleichbaren deutschen Rechtslage von Streit, Ist die umsatzsteuerliche Organschaft noch europarechtstauglich? UStB 2013, 299 f. Mit Zweifeln an der Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit dem Unionsrecht weiters Slapio, UR 2013, 411 f. 24) Vgl Mitteilung der Kommission v 2. 7. 2009, KOM(2009) 325 endg, Pkt 3.2. Siehe auch EuGH 22. 5. 2008, C-162/07, Ampliscientifica Srl. 25) Vgl Schlussanträge GA Niilo Jääskinen 27. 11. 2012, C-85/11, Kommission/Irland, Rz 42. 26) Vgl Erdbrügger, DStR 2013, 1576 f. 27) Ebenso Küffner/Streit, UR 2013, 404 mwH; Slapio, UR 2013, 411; von Streit, UStB 2013, 301 f. Allgemein dazu s Ruppe/Achatz, UStG4 Einf Rz 25. 28) So hat etwa auch das FG München (13. 3. 2013, 3 K 235/10; Revision zugelassen) erkannt, dass die Regelung des § 2 Abs 2 Nr 2 Satz 1 dUStG – nachdem sich die Kl darauf berufen hat – unionsrechtskonform dahingehend zu erweitern ist, dass auch eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co KG in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein kann. 29) Vgl Dahm/Hamacher, IStR 2013, 823. 30) Daraus resultieren auch Cash-Flow-Vorteile für das die Innenleistung erbringende Mitglied (vgl Schlussanträge GA Niilo Jääskinen v 27. 11. 2012 in der Rs C-85/11, Kommission/Irland, Rz 45). 31) Vgl Schlussanträge GA Niilo Jääskinen v 27. 11. 2012 in der Rs C-85/ 11, Kommission/Irland, Rz 49. Siehe auch Erdbrügger, DStR 2013, 1579. 32) Vgl Schlussanträge GA Niilo Jääskinen v 27. 11. 2012 in der Rs C-85/ 11, Rz 43.
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unterliegenden Tätigkeiten33) in Zusammenhang stehen, steht das Recht auf Vorsteuerabzug nicht zu.34) 33) Zur Unterteilung des nichtunternehmerischen Bereichs in einen unternehmensfremden und einen unternehmenseigenen Bereich vgl Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG (2012) § 2 Rz 182: Bei Verwendung von Gegenständen für den nichtunternehmerischen, aber unternehmenseigenen Bereich steht kein Vorsteuerabzug zu und es findet keine Eigenverbrauchsbesteuerung statt (vgl auch von Streit, UStB 2013, 301). 34) Vgl dazu auch von Streit, UStB 2013, 297 f.
Ein Missbrauch ist daher in der Einbeziehung Nichtsteuerpflichtiger in eine Mehrwertsteuergruppe nicht zu sehen. Vorteile können sich systemkonform eventuell im Bereich der Gemeinkosten des nichtsteuerpflichtigen Mitglieds durch eine anteilige Vorsteuerentlastung ergeben.35) 35) Vgl Slapio, UR 2013, 410: Dieser Vorteil ist systemimmanent und kann sich auch bei nicht voll vorsteuerabzugsberechtigten Mitgliedern der Organschaft ergeben. Siehe auch Schlussanträge GA Niilo Jääskinen v 27. 11. 2012 in der Rs C-85/11, Kommission/Irland, Rz 46 ff.
SCHLUSSSTRICH
Die nationale Organschaftsregelung in § 2 Abs 2 Z 2 UStG ist nicht unionsrechtskonform ausgestaltet. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH erscheint eine umfassende Anpassung der Regelung erforderlich. Zudem sollte im Sinne einer Erhöhung
der Rechtssicherheit auch für die umsatzsteuerliche Organschaft, ähnlich wie für die Gruppenbesteuerung gem § 9 KStG, eine zeitnahe bescheidmäßige Feststellung als Anwendungsvoraussetzung vorgesehen werden.
Sind der VwGH und die Finanzgerichte noch am Puls der Beitrag stellt einerseits Kriterien für die Begründung der Ansässigkeit Zeit? imDieserDBA-Recht anhand einer VwGH-Entscheidung ) – mit überraschendem 1
Ergebnis – dar. Andererseits setzt er sich kritisch mit einer kürzlich ergangenen UFS-Entscheidung2) iVm dem Verlangen der Behörde, die Hintermänner einer Domizilgesellschaft namhaft zu machen, auseinander.
INTERNATIONALES STEUERRECHT
DBA Irland Wohnsitz; Ansässigkeit; Empfängerbenennung; Domizilgesellschaft
ROLAND MACHO / GERHARD STEINER
A. Fall A: VwGH zur Ansässigkeit 1. Sachverhalt Ein in Ö nichtselbständig tätiger Tischler wurde im März 2005 arbeitslos und bezog bis 15. 9. 2005 Arbeitslosengeld. Weil er keine entsprechende Arbeit in Ö fand, entschloss er sich, ein (unbefristetes) Dienstverhältnis als Tischler in Irland (I) anzutreten. Beim Wegzug vergaß (?) er, eine „Hauptwohnsitzabmeldung“ durchzuführen. In I war er vom 19. 9. 2005 bis 14. 12. 2007 als Möbeltischler beschäftigt. Gemeinsam mit drei Lehrerinnen bewohnte er ein angemietetes Haus. Sein Einfamilienhaus in Ö betreuten während der Abwesenheit seine Eltern. Anschlüsse im Haus wie Telefon und Internet wurden abgemeldet. Die Funktion als Kassier der Freiwilligen Feuerwehr legte er zurück (nicht jedoch die Mitgliedschaft). In den Urlaubszeiten kehrte er stets nach Ö zurück. Ab dem 15. 12. 2007 lebte der Tischler wieder in Ö und bezog hier bis zum 3. 2. 2008 Arbeitslosengeld. In den ESt-Bescheiden 2005 bis 2007 behan-
delte das Finanzamt den Tischler als in Ö ansässig. Die Bezüge aus I stellten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (nsA) dar. Die irische Steuer wurde auf die öESt angerechnet. Der UFS sah hingegen aufgrund der Auslandstätigkeit eine Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen, da es nicht entscheidend sei, ob der Tischler Ö „auf ewig“ habe verlassen wollen. Es gehe nur darum, wo er während seiner Berufstätigkeit in I den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gehabt habe. Die in I erzielten Einkünfte aus nsA seien sohin in Ö nicht zu besteuern.
2. Wohnsitz und Ansässigkeit Gem Art 13 Abs 1 DBA-Irland v 24. 5. 1966, BGBl 1968/66 idF des Änderungsprotokolls v 19. 6. 1987, Mag. Roland Macho ist Teamleiter Ausland in der Großbetriebsprüfung, Standort Ost. HR Gerhard Steiner ist Mitglied des Fachbereichs der Großbetriebsprüfung. 1) Vgl VwGH 25. 7. 2013, 2011/15/0193, sowie UFS Graz 9. 1. 2001, RV/0100-G/10. 2) Siehe UFS Wien 27. 11. 2012, RV/0896-W/07 (Stattgebung).
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BGBl 1989/12, sind Löhne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus nsA bezieht, nur in diesem Staat zu besteuern. Der andere Vertragsstaat hat nur dann und insoweit ein Besteuerungsrecht, als die Tätigkeit in seinem Gebiet ausgeübt wird. Art 22 Abs 1 normiert für jene Fälle, in denen eine in Ö ansässige Person Einkünfte bezieht, die in I besteuert werden dürfen – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – die Anrechnungsmethode. Entscheidend ist, wo der AbgPfl während seiner Tätigkeit in I iSd Art 2 A ansässig war. Nach Art 2 A Abs 1 gilt eine Person als „in einem Vertragsstaat ansässig“, wenn sie nach dem Recht dieses Staats aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Orts ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Verfügt eine natürliche Person – wie im vorliegenden Fall – in beiden Vertragsstaaten über einen Wohnsitz (Wohnstätte), so gilt sie gem Art 2 A Abs 2 lit a als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Für die Beurteilung dieser Frage ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt.3) Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei idR eine geringere Bedeutung zu als persönlichen. Unter Letzteren sind jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser/kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen.4) Wirtschaftliche Bindungen gehen va von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist. Nachrangig wären gem lit c der gewöhnliche Aufenthalt und lit d die Staatsbürgerschaft zur Entscheidungsfindung heranzuziehen. Als ultima ratio wird auf das „Bemühen“ der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten (in Ö das BMF) vertraut, eine mögliche Doppelbesteuerung zu verhindern.
3. Sachverhaltsfragen und Lösungswege Hat der Tischler während seiner Auslandstätigkeit den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen über einen längeren Beobachtungszeitraum nach I verlagert und ist er dort (von 9/2005 bis 12/2007) ansässig geworden? Oder geht es nur darum, wo während der Berufstätigkeit der Mittelpunkt der Lebensinteressen war? Lt Loukota/Jirousek (Internationales Steuerrecht Z 4 Rz 11) ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen. Für die Verlagerung der Ansässigkeit sprechen die Dauer der Auslandstätigkeit (mehr als zwei Jahre), das unbefristete Dienstverhältnis sowie der Umstand, dass der Tischler alleinstehend ist. Ein substantielles Vorbringen über konkrete persönliche Beziehungen 48
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in I konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Übliche Kontakte zu Arbeitskollegen und Mitbewohnern fallen lt VwGH nicht als persönliche Beziehungen ins Gewicht. Umstände, die für eine durchgehende Ansässigkeit in Ö sprächen, wären der Nichtverkauf (Nichtvermietung) des Hauses in Ö bzw der aufrechte Wohnsitz in Ö. Das Haus ist während seines Aufenthalts in I leer gestanden und weder vermietet noch zum Verkauf angeboten worden. Er betrachtete es als Wertanlage, das nur bei finanzieller Notwendigkeit verkauft werden sollte. Die Vermietung dachte er nicht an, weil die Suche nach einem Mieter zu schwierig und zu teuer gewesen wäre. Das mit einer Vermietung verbundene Risiko (überproportionale Wertminderung) schätzte er jedenfalls höher ein als einen möglichen Mietertrag.
4. Die – überraschende – Lösung des VwGH Der VwGH sah noch ein wichtiges (das entscheidende) Indiz, nämlich im Umstand, dass der Tischler unmittelbar anschließend an das Dienstverhältnis zum irischen Arbeitgeber Arbeitslosengeld nicht etwa in I, sondern in Ö bezogen hat.5) Der Bezug des Arbeitslosengeldes in Ö spricht daher für den in Ö gelegenen Mittelpunkt der Lebensinteressen. Bei Abwägung der Gesamtheit der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Tischlers ergibt sich, dass auch im Streitzeitraum Ö der bedeutungsvollere für den Tischler gewesen ist. Es war auch auf den Umstand Bedacht zu nehmen, dass er während seiner Berufstätigkeit in I nicht die Absicht hatte, dauerhaft dort zu bleiben, sondern sich bereits in Vertragsverhandlungen über eine weitere Berufstätigkeit im Ausland befunden hat. Die Einkünfte aus nsA aus I unterliegen somit der unbeschränkten Steuerpflicht in Ö.
B. Fall B: UFS zur Empfängerbenennung 1. Sachverhalt, Feststellungen bzw Berufungsbegehren Im Zuge einer Außenprüfung (AP) bei einer GmbH wurden Zinsen iVm Darlehensverbindlichkeiten bzw sonstigen Verbindlichkeiten gegenüber einer Schweizer AG als Betriebsausgaben geltend gemacht. Bis zum Tag der Schlussbesprechung wurden weder der Darlehensvertrag für den behaupteten Kredit noch Vereinbarungen oder relevante Dokumente iVm der als „sonstige Verbindlichkeit“ (mittels Buchungsanweisung eingebucht) bezeichneten Bilanzposition vorgelegt. Aufgrund des seitens der AP ermittelten Sachverhalts (ua Wirtschaftsauskünfte) handelte es sich bei der Schweizer Gesellschaft um eine Domizilgesellschaft, welche weder über ein eigenes Büro noch über eigenes Personal verfügte. Nachdem das geprüfte Unternehmen dem Begehren der AP auf Empfängerbenennung nicht nachgekommen ist, wurden seitens 3) Vgl Hofstätter/Reichel, EStG § 1 EStG Rz 9. 4) VwGH 20. 2. 2008, 2005/15/0135; vgl zu Mitgliedschaften in Vereinen uÄ Vogel/Lehner, DBA5 (2008) Art 4 Rz 192. 5) Vgl VwGH 22. 2. 2012, 2009/08/0293, mit Hinweisen auf den EuGH (s Judikatur).
INTERNATIONALES STEUERRECHT
der AP die geltend gemachten Betriebsausgaben (Zinsen) steuerlich nicht anerkannt. In der Berufung führte die Berufungswerberin ua aus, dass seitens der FinVerw offensichtlich ein Irrtum bezüglich der Bezeichnung „Domizilgesellschaft“ und „Briefkastenfirma“ vorliege. „Domizilgesellschaften“ genießen nach Schweizer Kantonsteuerrecht dann Steuervorteile, wenn deren überwiegende Tätigkeit im Ausland stattfindet. Es liege somit eine tätige (aktive) Gesellschaft vor und keine „Briefkastenfirma“. Die Forderung der Behörde, die Besitzer der Inhaberaktien der Schweizer AG zu benennen, stelle eine Ermessensüberschreitung dar und sei zudem als unbilliges Verlangen zu werten.
2. Die UFS-Entscheidungsgründe Aufgrund der im Verwaltungsverfahren vorgelegten sonstigen Unterlagen6) kam der Berufungssenat zu dem Schluss, dass es sich bei der Schweizer AG um keine bloße „Briefkastenfirma“ gehandelt habe. In seiner Begründung verweist der UFS ua auf VwGH-Entscheidungen,7) wonach „Domizilgesellschaften“ (mit wirtschaftlichen Aktivitäten „offshore“) nicht als reine „Briefkastenfirma“ (ohne wirtschaftliche Aktivitäten) einzustufen seien. Demnach reicht nach Ansicht der Gerichte somit die Benennung einer Domizilgesellschaft als Empfänger aus. Nur bei Vorliegen einer reinen „Briefkastenfirma“ sei das Empfängerbenennungsverlangen zulässig. Die geltend gemachten Betriebsausgaben (Zinsen) hielten (nach Ansicht des UFS) auch einer – nach den allgemeinen Vorschriften des Ertragssteuerrechts – durchgeführten Überprüfung stand. Dafür reichten dem UFS die im Arbeitsbogen der AP befindlichen Lastschriftanzeigen bzw Belege iVm Auslandsüberweisungen, welche (nach Ansicht des UFS) „das tatsächliche Bestehen des Darlehensvertrages und den laufenden Zinsendienst durch die Beschwerdeführerin hinreichend belegen“. Auch hinsichtlich der Zinshöhe (Angemessenheitsprüfung der Höhe nach) äußerte sich der UFS mit den Worten „erscheint dem Berufungssenat nicht fremdunüblich“.
3. Kritische Anmerkungen Eine der schärfsten Bestimmungen, welche der Gesetzgeber der FinVerw im Kampf gegen „Steuervermeider“ eingeräumt hat, ist (war?) die Sanktion bei fehlender Empfängerbenennung iSd § 162 BAO.8) In mehreren (älteren) Erk9) hat der VwGH speziell bei Einschalten von Sitzgesellschaften10) unter Hinweis auf die §§ 162 und 167 BAO ausgeführt, dass mit der Namhaftmachung von Personen, die als Empfänger bezeichnet werden, der Abzug von Schulden noch nicht gesichert sei, wenn maßgebliche Gründe die Vermutung rechtfertigen, dass diese nicht die Empfänger seien, da Ziel des Abgabenverfahrens die Erforschung der materiellen Wahrheit und nicht die Herbeiführung eines formal verstandenen Aussageergebnisses sei. In der Folge wird nicht näher auf die – nach Ansicht der Verfasser – eher als „Haarspalterei“ zu bezeichnenden Unterschiede zwischen „Sitz- bzw Do-
mizilgesellschaften“ und „Briefkastenfirma“ (s dazu FN 11!) eingegangen.11) Dies würde den Umfang dieses Beitrags sprengen.12) Entscheidungswesentlich sind uE vielmehr jene Unterlagen, welche – nach dem Auffliegen diverser Schmiergeldaffären13) – von den in der Folge eingerichteten Compliance-Abteilungen14) der Unternehmen (vor Eintritt in die Geschäftsbeziehung) im Rahmen der entwickelten Dokumentationsprozesse aufliegen sollten (müssten). Ziel dieser Maßnahmen ist es, derartige dubiose Geschäftspraktiken15) durch bestimmte organisatorische Maßnahmen (s Abbildung auf der Folgeseite) hintanzuhalten. Es handelt sich somit nicht in erster Linie um eine steuerrechtliche Problemstellung, denn die Unternehmen müssen einerseits sicherstellen, dass nicht einer ihrer Mitarbeiter „am Kuchen mitnascht“, andererseits wird dem Thema (Tax-)Compliance16) heutzutage in zahlreichen Unternehmen große Aufmerksamkeit geschenkt, denn sowohl nationale als auch internationale Vorschriften schreiben die „Compliance“ den Unternehmen mittlerweile explizit vor.17)
6) Offenbar wurden diese Unterlagen erst im weiteren Verfahren nach Abschluss der AP vorgelegt – es handelte sich ua um alte Prospekte aus den 80er-Jahren. 7) VwGH 29. 9. 2004, 2001/13/0013, bzw VwGH 19. 12. 2007, 2005/13/0030. 8) Gem § 162 Abs 1 BAO kann (Ermessen!) die Behörde die genaue Bezeichnung der Gläubiger bzw Empfänger von Aufwendungen verlangen. § 162 Abs 2 BAO normiert bei fehlender Empfängerbenennung die Nichtanerkennung als zwingende Rechtsfolge. Siehe ua VwGH 27. 4. 1962, 1656/59. 9) Vgl bspw VwGH 13. 11. 1985, 84/13/0127. 10) Anderer Begriff für Domizilgesellschaft. Vgl auch http://de.wikipedia. org/wiki/Domizilgesellschaft bzw http://taxaid.ch/Was-sind-diesteuerlichen-Vorteile-einer-Domizilgesellschaft.php (Stand 8. 12. 2013). 11) In der Schweizer „Sonntagszeitung“ wurde am 8. 4. 2012 der Artikel „Tausende von illegalen Briefkastenfirmen“ publiziert. In diesem Artikel wird ua ausgeführt, dass „es sich in den allermeisten Fällen um Domizilgesellschaften – im Volksmund Briefkastenfirmen – handelt.“ Siehe www.sonntagszeitung.ch/wirtschaft/artikel-detailseite/ ?newsid=213268 (Stand 9. 12. 2014). 12) Sind Domizilgesellschaften die Einkünfte iSd § 2 EStG zuzurechnen und wenn ja, wo liegt der Ort der Geschäftsleitung iSd § 27 BAO? 13) Siehe http://derstandard.at/1277337368392/ Wirtschaftsskandale-schaden-Standort-Oesterreich (Stand 9. 12. 2014). 14) „Compliance“ ist in der betriebswirtschaftlichen Fachsprache der Begriff für die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien in Unternehmen, aber auch von freiwilligen Kodizes. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Compliance_(BWL) (Stand 9. 12. 2014). 15) UA fallen eben genau derartige Zahlungen an Domizilgesellschaften zur Verschleierung von Korruption und (steuer-)strafrechtlichen Delikten darunter. 16) Vgl Heißner/Benecke, Compliance-Praxis im Wandel: von der reinen Kontrolle zum Integrity Management, BB 2013, 2923 ff; weiters Zöchling, Tax Controlling in der Praxis – wie man in Unternehmen die Steuern steuert, SWK-Spezial 2012. 17) Vgl 2. Frankfurter Compliance-Dialog – Tax Compliance – abgehalten am 26. 11. 2013. Siehe www.ruw.de/compliance-dialog/ Frankfurter-Compliance-Dialog-Programm.pdf (Stand 9. 12. 2014).
taxlex 2014
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INTERNATIONALES STEUERRECHT
Abbildung: Steiner
4. Analyse In der Fülle der Entscheidungen des VwGH bzw UFS sticht eine UFS-Entscheidung besonders hervor.18) In der ggst Entscheidung ist eindrucksvoll dokumentiert, dass es seitens des Referenten fallweise besonderer Kreativität bedarf, einen komplexen Sachverhalt aufzubereiten und zu würdigen. Diese Art der Aufbereitung bzw Bearbeitung ließ der Berufungssenat uE nach in der besprochenen Entscheidung vermissen, denn dubiose Sachverhaltselemente lagen jedenfalls in Hülle und Fülle vor.19) Selbstverständlich ist vorweg eine fundierte Sachverhaltsermittlung durch die 1. Instanz unbedingt erforderlich,20) wobei das von der OECD entwickelte Handbuch „Bestechung für die Betriebsprüferpraxis" hilfreich sein könnte.21) Allerdings bleibt zu hoffen, dass das neu geschaffene BFG iS der Rechtsstaatlichkeit entsprechende Qualitätsstandards entwickelt. Praxistipp Fall A: Auf arbeitslose Personen sind grds die Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats anzuwenden (EuGH 11. 11. 2004, C-372/02, AdanezVega, Rz 25). Der Wohnort bestimmt sich danach, wo sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen befindet. Familiäre Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie Gründe, die ihn zur Abwanderung bewogen haben, und die Art seiner Tätigkeit sind zu berücksichtigen (EuGH Adanez-Vega, Rz 37). Der Übergang der Kosten für die Leistungen bei Arbeitslosigkeit vom MS der letzten Beschäftigung auf den MS des Wohnorts ist bei Arbeitnehmern, die enge Bindungen zu dem Land beibehalten, in dem sie sich niedergelassen haben und gewöhnlich aufhalten, grds gerechtfertigt (EuGH 17. 2. 1977, 76/76, Silvana di Paolo). 50
taxlex 2014
Fall B: Zahlreiche Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren (vorwiegend im Strafrecht) haben zT unmittelbare Auswirkungen auf die Beurteilung, ob Zahlungen steuerlich absetzbar sind oder nicht.22) Im Rahmen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes einerseits, aber auch im Rahmen der einschlägigen Bestimmungen im (Finanz-)Strafrecht könnten die verantwortlichen Firmenvertreter künftighin iVm Feststellungen der AP in beträchtlichen Argumentationsnotstand kommen.23) Die maßgeblichen Entscheidungsträger sollten daher rechtzeitig Vorsorge treffen, dass ihnen kein Organisationsverschulden vorgeworfen werden kann.24)
18) Vgl UFS Wien 23. 4. 2004, RV/0546-W/02, zur Nichtabzugsfähigkeit von Zahlungen an eine Domizilgesellschaft mit dem Sitz in Panama gem § 162 BAO. 19) ZB fällt auf, dass die beschwerdeführende GmbH lediglich Umsätze iHv ca E 300.000,– bis 400.000,– hatte, die als Betriebsausgaben geltend gemachten (den Berufungsgegenstand bildenden) Zinsen an die Domizilgesellschaft jedoch nahezu einen Jahresumsatz erreichten! Es lagen keine klaren und eindeutigen schriftlichen Vereinbarungen vor (nahe Angehörigenjudikatur). Weitere Indizien sprechen für ein massives Naheverhältnis zwischen den Gesellschaftern der GmbH und der Domizilgesellschaft. UE ist die Begründung des UFS außerdem aufgrund von Schachtelsätzen schwer lesbar bzw grammatikalisch mangelhaft. 20) Im ggst Fall lagen uE wesentliche Indizien dafür vor, die Ermittlungen im Umfeld der Gesellschafter der GmbH als „Hintermänner“ der Schweizer AG voranzutreiben und eventuell (finanz-)strafrechtliche Maßnahmen zu überlegen. 21) Vgl http://www.oecd.org/ctp/exchange-of-tax-information/ 50472951.pdf (Stand 9. 12. 2014). 22) Als Beispiel sei hier das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz (KorrStRÄG 2012 BGBl I 2012/61) erwähnt. 23) Siehe VbVG (BGBl I 2005/151). 24) Vgl www.bindergroesswang.at/fileadmin/Inhalte/Presse/ Pressespiegel/2011/2011 – 12-21_eco.nova_ueber_business_ as_usual.pdf (Stand 9. 12. 2014).
INTERNATIONALES STEUERRECHT SCHLUSSSTRICH
Fall A: Der VwGH folgt dem Grundsatz, dass der Staat, der „Leistungen“ für seinen AbgPfl bereitstellt, auch die Steuern von diesem AbgPfl bekommen soll. Überlegenswert wäre beim Anknüpfungspunkt für die Ansässigkeit (und wohl auch der Realität Folge leistend), ob die persönliche Beziehung (grundsätzlich) immer wichtiger als die wirtschaftliche Beziehung, ist. Dies wird gerade in Zeiten von „All-in-Verträgen“ und von „Expats-Verträgen“ immer häufiger in den Vordergrund gerückt. Fall B: Die analysierte UFS-Entscheidung ist Wasser auf die Mühlen jener, die weiterhin korrumpieren
und betrügen wollen. Im Lichte der zahlreichen Korruptions- und Wirtschaftsskandale, welche Österreich in den letzten Jahren erschüttert haben, ist sie jedenfalls das falsche Signal. Der erst kürzlich veröffentlichte Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International sollte uns alle endlich wachrütteln (s http:// diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1493552/ Korruptionsindex_Osterreich-sturzt-weiter-ab? from=gl.home_politik. Österreich ist demnach bereits auf Platz 16 zurückgefallen).
EU Tax Update – Jänner 2014
EU TAX UPDATE
HARALD MOSHAMMER / JUTTA NIEDERMAIR
RAT UND KOMMISSION taxlex-EU 2014/1
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Rat Durchführungsbeschlüsse des Rates &
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Mit Entscheidung des Rates v 15. 11. 2013 wird Rumänien weiterhin ermächtigt, einen Übergang der Steuerschuld bei Lieferungen von bestimmten Holzerzeugnissen vorzusehen.1) Mit Entscheidung des Rates v 15. 11. 2013 wird Luxemburg ermächtigt, StPfl mit einem Jahresumsatz von höchstens E 25.000,– von der MwSt zu befreien.2) Mit Entscheidung des Rates v 15. 11. 2013 wird Italien ermächtigt, den Schwellenwert für Kleinunternehmer von E 30.000,– auf E 65.000,– zu erhöhen.3) Mit Entscheidung des Rates v 15. 11. 2013 wird Italien weiterhin ermächtigt, das Vorsteuerabzugsrecht bei Ausgaben für Kfz, die nicht aus-
Univ.-Ass. Dr. Harald Moshammer, P LL. M. (JKU), LL. M. (WU), Tissot Steuerberatungs GmbH, und Dr. Jutta Niedermair, LeitnerLeitner Linz. Das EU Tax Update erscheint quartalsweise in der taxlex und beinhaltet wichtige europarechtliche Beschlüsse und Entscheidungen. 1) Durchführungsbeschluss des Rates vom 15. 11. 2013 zur Ermächtigung Rumäniens, die Anwendung einer von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichenden Regelung zu verlängern, ABl L 2013/316, 31 (27. 11. 2013). 2) Durchführungsbeschluss des Rates vom 15. 11. 2013 zur Ermächtigung Luxemburgs, eine von Artikel 285 der Richtlinie 2006/112/ EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung einzuführen, ABl L 2013/316, 33 (27. 11. 2013). 3) Durchführungsbeschluss des Rates vom 15. 11. 2013 zur Ermächtigung der Italienischen Republik, eine von Artikel 285 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Sonderregelung weiter anzuwenden, ABl L 2013/316, 35 (27. 11. 2013).
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schließlich für geschäftliche Zwecke verwendet werden, auf 40% zu begrenzen.4) Mit dem Durchführungsbeschluss des Rates v 15. 11. 2013 wird das Vereinigte Königreich ermächtigt, das Vorsteuerabzugsrecht bei Ausgaben für gemietete oder geleaste Kfz auf 50% zu begrenzen, wenn der Mieter oder Mietkaufnehmer das Fahrzeug nicht ausschließlich geschäftlich nutzt.5) Gem den MwSt-Bestimmungen über den Ort einer Dienstleistung iZm einem Grundstück ist die MwSt auf die Benutzungsgebühr der ÖresundFestverbindung teils an Dänemark und teils an Schweden zu zahlen. Mit dem Durchführungsbeschluss des Rates v 15. 11. 2013 werden Dänemark und Schweden ermächtigt, abweichend von der Verpflichtung, wonach ein StPfl sein Recht auf Abzug oder Erstattung der Vorsteuer in dem MS ausüben muss, in dem die MwSt entrichtet wurde, vorzusehen, dass ein StPfl sich nur an eine einzige Verwaltung zu wenden braucht, um die gesamte Steuer zurückzuerhalten.6)
4) Durchführungsbeschluss des Rates vom 15. 11. 2013 zur Änderung der Entscheidung 2007/441/EG zur Ermächtigung der Italienischen Republik, eine von Artikel 26 Absatz 1 lit a und Artikel 168 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung anzuwenden, ABl L 2013/316, 37 (27. 11. 2013). 5) Durchführungsbeschluss des Rates vom 15. 11. 2013 zur Änderung der Entscheidung 2007/884/EG zur Ermächtigung des Vereinigten Königreichs, eine von Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 168 und Artikel 169 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung anzuwenden, ABl L 2013/316, 41 (27. 11. 2013). 6) Durchführungsbeschluss des Rates vom 15. 11. 2013 zur Ermächtigung des Königreichs Dänemark und des Königreichs Schweden, die Anwendung einer von den Artikeln 168, 169, 170 und 171 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichenden Regelung zu verlängern, ABl L 2013/316, 39 (27. 11. 2013).
taxlex 2014
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EU TAX UPDATE
taxlex-EU 2014/2
Kommission Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss zur Ermächtigung Polens, eine abweichende Regelung anzuwenden Von der Kommission wurde am 27. 11. 2013 ein Vorschlag7) für einen Durchführungsbeschluss des Rates verabschiedet, in dem Polen ermächtigt werden soll, abweichend von Art 168 RL 2006/112 den Abzug der MwSt auf den Kauf, den ig Erwerb, die Einfuhr, auf Miete oder Leasing bestimmter Kfz sowie auf mit diesen Fahrzeugen verbundene Ausgaben auf 50% zu beschränken, wenn diese Fahrzeuge nicht ausschließlich für geschäftliche Zwecke genutzt werden.
URTEILE UND BESCHLÜSSE DES EUGH taxlex-EU 2014/3
C-249/12 und C-250/12, Corina-Hrisi Tulică und Călin Ion Plavoşin Vereinbarter Preis: Brutto- oder Nettobetrag In seinem Urteil v 7. 11. 20138) hält der EuGH fest, dass es sich bei einem Preis, der ohne jeglichen Hinweis auf die MwSt festgelegt wurde, um einen Bruttobetrag handelt (dh inkl USt), wenn der Lieferer nicht die Möglichkeit hat, die nachträglich von der Steuerbehörde verlangte MwSt vom Erwerber wiederzuerlangen. Etwas anderes gilt dann, wenn der Lieferer nach nationalem Recht die Möglichkeit hat, die USt nachträglich vom Erwerber des Gegenstands einzufordern.
der Immobilie vorsieht, hat eine solche Möglichkeit dem EuGH zufolge nämlich nie bestanden.10) taxlex-EU 2014/5
C-494/12, Dixons Retail Lieferung von Gegenständen bei missbräuchlicher Benutzung einer Bankkarte In seinem Urteil v 21. 11. 201311) erklärt der EuGH, dass die körperliche Übertragung eines Gegenstands auf einen Käufer, der eine Bankkarte als Zahlungsmittel missbräuchlich benutzt, eine „Lieferung von Gegenständen“ darstellt. Dies deshalb, weil sich der Begriff „Lieferung von Gegenständen“ nicht auf die Eigentumsübertragung in den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Formen bezieht, sondern jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die missbräuchliche Benutzung einer Bankkarte ist vom Diebstahl von Waren, die nicht unter den Begriff „Lieferung von Gegenständen“ fällt, zu unterscheiden. Der Diebstahl von Waren befähigt den Täter nämlich nicht, über die Waren wie ihr Eigentümer zu verfügen. Die Zahlung eines Dritten nach Maßgabe eines zwischen ihm und dem Lieferer dieses Gegenstands geschlossenen Vertrags – wonach der Dritte dem Lieferer die Gegenstände zu bezahlen hat, die dieser an Käufer, die eine solche Karte als Zahlungsmittel benutzen, verkauft hat – bildet dabei die Gegenleistung für den Umsatz. Die spätere Entdeckung, dass der Kaufpreis mittels missbräuchlich benutzter Karten bezahlt worden war, ändert daran nichts.
taxlex-EU 2014/4
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taxlex 2014
C-322/11, K Keine Verlusthereinnahme trotz „finaler“ Verluste
taxlex-EU 2014/6
In seinem Urteil v 7. 11. 2013 hält der EuGH9) fest, dass eine Steuerregelung dem Unionsrecht entspricht, die es einer im Wohnsitzmitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht gestattet, ausländische Verluste aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen von den im Wohnsitzmitgliedstaat zu versteuernden Einkünften aus beweglichem Vermögen in Abzug zu bringen, während dies grds möglich wäre, wenn sich das unbewegliche Vermögen im Wohnsitzmitgliedstaat befände. Die im Ausgangsfall vorliegende Ungleichbehandlung wird mit den Grundsätzen der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis und der Kohärenz gerechtfertigt. Der betroffene StPfl K hat dabei geltend gemacht, dass den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht genügt werde, wenn ein Verlust – wie in seinem Fall – endgültig sei. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann jedoch nicht angenommen werden, dass ein StPfl wie K die Möglichkeiten der Berücksichtigung von Verlusten in dem MS, in dem sich die Immobilie befindet, ausgeschöpft hat. Da der MS, in dem die Immobilie belegen ist, nämlich keine Möglichkeit der Berücksichtigung von Verlusten aus der Veräußerung
In seinem Urteil v 28. 11. 201312) erklärt der EuGH, dass Art 132 Abs 1 lit i, Art 133 und 134 der RL 2006/112/EG dahin auszulegen sind, dass auch private Dienstleister, die die Bildungsdienstleistungen zu gewerblichen Zwecken erbringen, von der Mehrwertsteuerbefreiung umfasst sein können. Der gewerbliche Charakter dieser Tätigkeit schließt nicht aus, dass es sich dennoch um eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit handelt. Allerdings ist eine Mehrwertsteuerbefreiung, die allgemein für sämtliche Bildungsdienstleistungen unabhängig davon gilt, welches Ziel die privaten Einrichtungen verfolgen, die diese Leistungen erbringen,
C-319/12, MDDP Steuerbefreiung für Bildungseinrichtungen
7) Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates zur Ermächtigung Polens, eine von Artikel 26 Absatz 1 lit a und Artikel 168 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung einzuführen, KOM(2013) 831 endg. 8) EuGH 7. 11. 2013, C-249/12 und C-250/12, Tulică und Călin Ion Plavoşin. 9) EuGH 7. 11. 2013, C-322/11, K. 10) Rz 74 ff des Urteils. 11) EuGH 21. 11. 2013, C-494/12, Dixons Retail. 12) EuGH 28. 11. 2013, C-319/12, MDDP.
EU TAX UPDATE
mit der RL 2006/112/EG unvereinbar. Dies deshalb, weil die in Art 132 Abs 1 lit i RL 2006/112/EG genannten Bildungsdienstleistungen nur dann befreit sind, wenn sie eine vergleichbare Zielsetzung wie die Einrichtungen des öffentlichen Rechts haben. Ein StPfl, der für die von ihm erbrachte Leistung auf Basis einer unionsrechtswidrigen nationalen Vorschrift von der Befreiung Gebrauch macht, kann nicht zugleich unter Berufung auf diesen Verstoß das Recht auf Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Allerdings kann der StPfl sich auf die Unvereinbarkeit der Befreiung mit Art 132 Abs 1 lit i RL 2006/112/ EG berufen, damit sie nicht auf ihn angewandt wird. In diesem Fall unterliegen die Bildungsdienstleistungen des StPfl der MwSt, und er kann daher das Recht auf Abzug der auf der Eingangsstufe entrichteten MwSt in Anspruch nehmen.
taxlex-EU 2014/9
VORLAGEFRAGEN UND VERTRAGSVERLETZUNGSVERFAHREN
Die Kommission beantragt festzustellen,17) dass Luxemburg dadurch gegen Unionsrecht verstoßen hat, dass es einen Mehrwertsteuersatz von 3% auf digitale Bücher (oder elektronische Bücher) angewandt hat.
taxlex-EU 2014/7
C-444/13, Imre Solyom, Luiza Solyom Brutto- oder Nettopreis Das Tribunal Brașov (Rumänien)13) möchte wissen, ob es sich um einen Brutto- oder Nettopreis handelt, wenn die Parteien in einem Kaufvertrag einen endgültigen und unwiderruflichen Preis vereinbaren und der Kaufvorgang anschließend von den Steuerbehörden wegen der Qualifikation des Verkäufers als steuerpflichtige Person als steuerbar angesehen wird.14) taxlex-EU 2014/8
C-479/13, Kommission/Frankreich Steuersatzermäßigung für E-Books Die Kommission beantragt festzustellen,15) dass Frankreich dadurch gegen Unionsrecht verstoßen hat, dass es einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf digitale Bücher (oder elektronische Bücher) angewandt hat.
C-492/13, „Traum“ EOOD Steuerbefreiung für ig Lieferung Das Administrativen sad – Varna (Bulgarien) möchte va wissen,16) ob die Grundsätze der Steuerneutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes durch eine Verwaltungspraxis und eine Rsp verletzt werden, wonach es dem Verkäufer iZm einer ig Lieferung obliegt, die Echtheit der Unterschrift des Erwerbers festzustellen und die Frage zu klären, ob sie von einer die Gesellschaft vertretenden Person, einem ihrer Angestellten mit entsprechender Position oder einer bevollmächtigten Person stammt. taxlex-EU 2014/10
C-502/13, Kommission/Luxemburg Steuersatzermäßigung für E-Books
taxlex-EU 2014/11
C-505/13, Levent Redzheb Yumer Unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung In der Rs Levent Redzheb Yumer18) wird insb gefragt, ob es mit Art 2 AEUV und der GRC vereinbar ist, dass für dieselbe Art von Tätigkeit in Abhängigkeit von der Rechtsform der Ausübung dieser Tätigkeit und der Registrierung unterschiedliche Steuersätze festgelegt werden. 13) ABl C 2013/325, 14 (9. 11. 2013). 14) Siehe dazu oben EuGH 7. 11. 2013, C-249/12 und C-250/12, Tulică und Călin Ion Plavoşin. 15) ABl C 2013/344, 46 (23. 11. 2013). 16) ABl C 2013/344, 48 (23. 11. 2013). 17) ABl C 2013/344, 49 (23. 11. 2013). 18) ABl C 2013/344, 50 (23. 11. 2013).
Steuerkarussell
STEUERKARUSSELL
Veranstaltungsvorankündigung Am 7. März 2014 findet die nunmehr 19. Finanzstrafrechtliche Tagung in Linz, unter der fachlichen Leitung von Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner, statt. Die hochkarätige Fachtagung widmet sich heuer den Themen: & Offshore-Strukturen – abgabenrechtliche Grenzen/finanzstrafrechtliche Risiken; & Mandant und Berater: Grenzen des gegenseitigen berechtigten Vertrauens; & Abgabenhinterziehung/Betrug in Unternehmensbilanz, Konzernbilanz und Steuerbilanz;
Der Einfluss der Charta der Grundrechte der EU auf das nationale Strafrecht. In bewährter Weise werden wieder aktuelle wissenschaftliche Forschungsergebnisse und praktische Erfahrungen ausgetauscht und diskutiert. Für die Tagung konnten namhafte Referenten gewonnen werden: & Mag. Heribert Bach, LeitnerLeitner &
taxlex 2014
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STEUERKARUSSELL & &
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FINANZSTRAFRECHT
FinStrG; BAO; StPO; StGB
Mag. Rainer Brandl, LeitnerLeitner Prof. Dr. Gerhard Dannecker, Universität Heidelberg Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel, Universität Graz Mag. Gerald Gahleitner, LeitnerLeitner Univ.-Prof. Dr. Eduard Lechner, Universität Wien Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner, LeitnerLeitner Univ.-Prof. Dr. Katharina Pabel, Universität Linz
Programm und nähere Information: www.leitnerleitner.com Anmeldung: meeting.leitner@leitnerleitner.com Teilnahmegebühr: E 456,– inkl USt/Person; Richter, Staatsanwälte, Finanzbeamte E 306,– inkl USt/Person; Studenten bis 26 Jahre kostenfrei & Veranstalter: LeitnerLeitner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Universität Linz
Finanzstrafrechtlicher Rechtsprechungs- und Literaturüberblick mit Anmerkungen (Teil 2) Die vorliegende Zusammenstellung schließt an die in taxlex 2013, 432 publizierte Rechtsprechungs- und Literaturübersicht an. Die Übersicht erfolgt entsprechend der Gliederung von Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht;3 soweit dienlich, erfolgen auch Hinweise auf grundlegende deutsche Judikatur und Literatur. Oktober 2012 bis September 2013 ROMAN LEITNER / RAINER BRANDL
B. Zum Besonderen Teil des FinStrG 1. Literaturhinweis Möhrenschlager, Richtlinien-Vorschlag zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, wistra 2012, XI.
2. Finanzvergehen als Allgemeindelikt Bei Sonderdelikten handelt es sich um solche Delikte, bei denen nur Täter sein kann, wer bestimmte persönliche Eigenschaften aufweist. Die Sonderdeliktseigenschaft bedeutet jedoch nicht, dass als Täter nur in Betracht kommt, wer eine bestimmte Tathandlung setzt (zB eine Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verletzt, § 33 Abs 1 FinStrG), denn dann wäre jeder Tatbestand ein Sonderdelikt. Als Musterbeispiel eines Allgemeindelikts lässt sich daher der Tatbestand der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) nennen. Tatsubjekt kann sein, „wer [. . .] unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht“ eine Abgabenverkürzung bewirkt. Es ist nicht Tatbestandsvoraussetzung, dass der AbgPfl „seine“ Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verletzt. Verlangt wird bloß, dass „eine“ derartige Pflicht verletzt wird, gleichgültig welchem AbgPfl diese Pflicht zuzuordnen ist. Der Täter eines Finanzvergehens braucht daher nicht zugleich auch der AbgPfl zu sein. 54
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Abgabenhinterziehung gem § 33 FinStrG ist als Sonderdelikt zu qualifizieren. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen, insb im Fall der Unterlassungsstrafbarkeit werden von Schmoller analysiert und die gegenteilige Ansicht von Seiler widerlegt (Schmoller, Abgabenhinterziehung – Allgemeindelikt oder Sonderdelikt, SWK 2013, 1250; Seiler, Kann jemand wegen Abgabenhinterziehung bestraft werden, wenn ihn gar keine Abgabenpflicht trifft? SWK 2013, 843).
3. Abgabenhinterziehung – Allgemeindelikt oder Sonderdelikt? Entgegen Seiler (SWK 2013, 843) ist § 33 FinStrG in Übereinstimmung mit Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht3 (2008), und Leitner/Plückhahn, Finanzstrafrecht kompakt (2012), als Sonderdelikt zu klassifizieren. Täter kann nur eine Person sein, die eine spezifische abgabenrechtliche Anzeige, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht trifft, weil eine solche gesetzlich auferlegt oder vertretungsweise (einvernehmlich) übernommen wurde. Eine Person ohne spezifisch abgabenrechtliche Pflicht kann den Tatbestand des § 33 FinStrG nicht verwirklichen; fügt sie allerdings durch Täuschung Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei LeitnerLeitner. Mag. Rainer Brandl ist Steuerberater bei LeitnerLeitner.
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der Abgabenorgane dem Staat einen Vermögensschaden zu, kommt Betrug gem § 146 StGB in Betracht. Für die Strafbarkeit der Beteiligung an einer Abgabenhinterziehung oder einem anderen Finanzvergehen bietet – ungeachtet der Sonderdeliktseigenschaft – § 11 FinStrG eine ausreichende rechtliche Grundlage (Schmoller, Abgabenhinterziehung – Allgemeindelikt oder Sonderdelikt, SWK 2013, 1250).
ESt-Veranlagung zu berücksichtigen sein, so verstößt er gegen seine abgabenrechtlichen Pflichten. Ein AbgPfl handelt in jedem Falle schuldhaft, wenn er die ihm bekannten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Miteigentümer einer Liegenschaft (Wohnung) dem FA im Zuge der ESt-Veranlagung nicht bekannt gegeben hat (UFS Graz 7. 5. 2012, RV/0660-G/11; UFSjournal 2012, 445).
4. Recht zum Vorsteuerabzug und wissen bzw wissen müssen von der Einbindung in eine Steuerhinterziehung
7. Versuch und Vollendung der Abgabenhinterziehung
Ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer von der Einbindung in eine USt-Hinterziehung wusste oder wissen musste, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Indizien zu prüfen. Das Tatgericht darf sich nicht auf eine isolierte Bewertung einzelner Indizien beschränken. Die einzelnen Indizien ergeben sich jeweils aus den konkreten Umständen des Einzelfalls (s dazu die umfangreiche Auflistung möglicher Indizien im gegenständlichen Beitrag). Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vor, kann der Leistungsempfänger nach den Umständen des konkreten Falls zwar verpflichtet sein, sich über den leistenden Unternehmer Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Es kann jedoch nicht generell eine derartige Prüfung durch den Leistungsempfänger verlangt werden, da die Aufdeckung von Steuerhinterziehung etc vielmehr Aufgabe der nationalen Steuerverwaltung ist. Bevor sich die Frage der Gutgläubigkeit des Unternehmers stellt, sind allerdings die objektiven Kriterien des Vorsteuerabzugs zu klären (insb Bezug einer Leistung für das Unternehmen, formgerechte Rechnung; Madauß, Recht zum Vorsteuerabzug, NZWist 2013, 102).
5. Definition der Tat iSd § 33 Abs 1 FinStrG iZm KESt-Verkürzungen Die KESt ist eine selbst zu berechnende Abgabe, womit die Abgabenschuld (anders als bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben) nicht infolge eines individuellen Verwaltungsakts, sondern unmittelbar aufgrund des Gesetzes entsteht. Gem § 96 Abs 1 Z 1 lit a EStG ist diese Abgabe binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge iVm einer entsprechenden Anmeldung (§ 96 Abs 3 EStG) unter der Bezeichnung „Kapitalertragsteuer“ abzuführen. Selbständige Tat iSd § 33 Abs 1 FinStrG ist daher insoweit das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen KESt-Abfuhr unter Verletzung der diesbezüglichen Anmeldungspflicht (Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 32; OGH 22. 11. 2012, 13 Os 107/12 b [13 Os 108/12 z]).
6. Einkommensteuererklärungspflicht Auch in Fällen, in denen Einkünfte gem § 188 BAO (einheitlich und gesondert) zu ermitteln sind, ist der AbgPfl verhalten, diese Einkünfte im Zuge der EStVeranlagung zu erklären. Tut er dies nicht, weil er annimmt, das Ergebnis des Feststellungsverfahrens werde ohnedies von Amts wegen gem § 295 BAO bei der
Werden bescheidmäßig festzusetzende Abgaben durch Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen verkürzt, ist die Tat grds mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist vollendet. Kommt es danach zur bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung in richtiger Höhe, prävaliert § 33 Abs 3 lit a Fall 1 FinStrG, womit die Tat ins Versuchsstadium zurücktritt. Diese Lösung des OGH ist nach Ansicht Scheils als kreativ zu beurteilen und erzielt durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Abs 3 lit a Fall 1 leg cit zu Lasten des zweiten Falls nichts als vernünftige Ergebnisse, die sich auch noch zum Vorteil des Beschuldigten auswirken (OGH 14. 7. 2011, 13 Os 41/11 w JBl 2012, 810 [mit Anm Scheil]).
8. Vollendungszeitpunkt bei zu veranlagenden Abgaben; Abgrenzung Versuch/Vollendung; Strafbemessung Der durch eine unrichtige Steuerklärung herbeigeführte Erfolg tritt mit (Erlassung und) Rechtskraft der entsprechenden Steuerbescheide ein. Da das Erstgericht keine Feststellungen getroffen hat, ob Abgabenbescheide erlassen worden sind und ob allenfalls erlassene Bescheide in Rechtskraft erwachsen sind, enthält sie insoweit keine tragfähige Basis für die Abgrenzung zwischen versuchter sowie vollendeter Tat und solcherart für das Vorliegen des gem § 23 Abs 2 FinStrG auch im Finanzstrafrecht zu beachtenden Milderungsumstands des § 34 Abs 1 Z 13 StGB. Anmerkung: Nunmehr hat der Gesetzgeber im Rahmen des AbgÄG 2012 klargestellt, dass es auf die Rechtskraft des Bescheids nicht ankommt („Bekanntgabe“; OGH 22. 11. 2012, 13 Os 113/12 k).
9. Definition Gewerbsmäßigkeit; Verletzung des Tabakmonopols; Wertersatz; Günstigkeitsvergleich iZm FinStrG-Nov 2010 Gewerbsmäßige Begehung (§ 38 Abs 1 FinStrG) setzt ua die Intention voraus, sich eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen. Allein der zeitlich indifferente Hinweis auf „in Hinkunft“ beabsichtigte „Zigarettenschmuggelfahrten“ reicht unter diesem Aspekt nach Ansicht des OGH als Basis für die Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG nicht aus. Anmerkung: Die Absicht, sich eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen. muss auch darauf gerichtet sein, dass diese Einkommensquelle auf kriminelle Weise (bei Abgabenhinterziehung gem § 33 FinStrG somit durch Bewirken einer Abgabenverkürzung) erwirttaxlex 2014
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schaftet wird. Dabei genügt das Anstreben auch nur eines Zuschusses zum sonstigen Einkommen des Täters; das Verhältnis zwischen den sonstigen Einkünften des Täters und dem aus Straftaten erstrebten Einkommen ist irrelevant, falls nur das kriminelle Nebeneinkommen die Bagatellgrenze übersteigt (RIS-Justiz RS0086912; OGH 22. 11. 2012, 13 Os 46/12 g).
10. Schätzung; Beweislast der Behörde Im Finanzstrafverfahren trägt die Beh – anders als im Abgabenverfahren – die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung, sodass eine Abgabenhinterziehung nur dann angenommen werden kann, wenn sich aufgrund entsprechender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sagen lässt, dass seine Verantwortung nach menschlichem Ermessen nicht richtig sein kann. Die Tatsache, dass Geschäftsvorgänge nicht in die Buchhaltung aufgenommen wurden oder Mängel der Aufzeichnungen festzustellen waren, reicht für sich allein noch nicht, um einen Verkürzungsvorsatz anzunehmen. Vielmehr bedarf es der Feststellung, welche finanzstrafrechtlich zu verantwortenden Vorgänge zu den festgestellten Verkürzungen geführt haben. Die Finanzstrafbehörde trifft die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung in dem Sinn, dass der geschätzte Betrag mit der Wirklichkeit solcherart übereinstimmt, dass die Verantwortung der Beschuldigten (auch hinsichtlich der Höhe der Verkürzung) so unwahrscheinlich ist, dass sie nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann (VwGH 17. 10. 2012, 2009/16/0190 SWK 2013, 600).
11. Vermögenszurechnung bei Sparbüchern Sind Angaben, wer über Sparbücher verfügungsberechtigt gewesen sei, widersprüchlich, kommt dem Umstand, dass eine Person über dieses gleich einem Eigentümer verfügt hat, indem sie die Zinsen behoben und mit anderen Sparbüchern auf ein einziges Sparbuch zusammengeführt hat, ebenso Indizwirkung für die Zurechnung zu wie der Wahl eines auf den Vornamen der Person lautenden Losungsworts des neuen Sparbuchs (VwGH 28. 2. 2012, 2008/15/0005).
12. Literaturhinweis: Steuerliche Korrekturvorschriften bei Offshore-Gesellschaften Steiner führt die „Waffen“ der österr Betriebsprüfung an, welche auf Basis der aktuellen Rechtslage bereits jetzt der Betriebsprüfung „das nötige Handwerkszeug“ liefern, um den „Steuerverweigerern“ das Handwerk zu legen (Steiner, Die Auswirkungen von „Offshore-Leaks“ auf aktuelle Betriebsprüfungen, taxlex 2013, 249).
13. Aggressive Steuerplanung Unübersehbar ist, dass Abgrenzungen zwischen zulässigen Steuergestaltungen am Anfang und Abgabenhinterziehungen am anderen Ende einer Skala der Handlungsbeurteilung in der breiten Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen werden, ebenso wenig wie die dazwischenliegenden Schattierungen von Steueroptimierungen, welche nicht per se als inkriminierend zu beurteilen sind, sondern sich vielmehr erst durch die Ausgestaltung im Einzelfall auf die Seite der 56
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Zulässigkeit oder der Verkürzung/Hinterziehung neigen. Mit derartigen Gestaltungen („aggressive Steuerplanung“) können nicht nur steuerliche Vorteile lukriert werden, sondern auch die Umgehung arbeitsund sozialrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil grds nichtselbständiger Personen zumindest in Kauf genommen werden, was zu weiteren Einsparungseffekten führt. Besonders in der abgabenrechtlichen Prüfung erscheint es wieder unumgänglich zu werden, auch zeitraubendere Recherchen durchzuführen, um gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und andere für derartige Gestaltungen gewählte und durchaus auch schon bekannte Konstrukte und deren steuerliche Auswirkungen zu überprüfen. Es müssten daher gerade für diese komplexeren Prüfungshandlungen die Personaleinsparungen bzw die restriktive Personalpolitik als kontraproduktiv hinterfragt werden. Auf der anderen Seite sollte sich der Finanzstrafgesetzgeber in Ansehung der zunehmenden Verwissenschaftlichung des gesamten Steuerrechts überlegen, ob er nicht die Strafbarkeitsschwelle für alle AbgPfl mit jener der berufsmäßigen Parteienvertreter gleichsetzt (vgl § 34 Abs 3 FinStrG) und auf diese Weise auch eine rechtliche Schieflage beseitigt (Hacker, Herausforderungen der Finanzverwaltung im Lichte vermehrt bekannt gewordener Abgabenvermeidungen – aggressiver Steuerplanungen [ATP], ÖStZ 2013, 302).
14. Literaturhinweis Müller, Grenzgänge – über Steuermoral, Steuerrecht und Strafrecht, ÖStZ 2013, 328.
15. Gewinnverlagerung als Scheingeschäft Eine deutsche Produktionsgesellschaft hat gemeinsam mit einem Angestellten eine Erfindung gemacht. Die Verwertung dieser Erfindung erfolgte nicht über die Produktionsgesellschaft, sondern über eine eigens dazu gegründete Schweizer AG. Dass es sich bei den von der Produktionsgesellschaft an die Schweizer AG gezahlten Transferzahlungen um ein Scheingeschäft bzw um Scheinhandlungen handeln könnte, ergibt sich nach dem BGH aus folgenden Umständen: & rückdatierte Verträge, & unklare Bezeichnung der Vertragspartner sowie des Vertragsgegenstands, & unwahre Behauptung, die Schweizer AG hätte die Erfindung mitentwickelt, & Vernichtung der ursprünglichen Verträge. Naheliegend ist, dass es sich bei den Transferzahlungen um aufgrund eigener Rechte oder Leistungen direkt erzielte Einkünfte handelt, die der Einkommensbesteuerung zu unterziehen gewesen wären. Entscheidend ist somit die Frage der Zurechnung der Einkünfte aus diesen „Transferzahlungen“. Anmerkung: Werden Einkünfte aufgrund von Scheingeschäften in eine Oasengesellschaft abgesaugt, so ist die Korrektur auf Scheingeschäft zu stützen und keinesfalls auf Missbrauch (BGH 26. 7. 2012, 1 StR 492/11; wistra 2012, 477).
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16. Zurechnung von Einkünften zum eigentlichen Machthaber Der Bf führte nach Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens sein Einzelunternehmen fort, indem er seine Schwester als Strohfrau vorschob, welcher in der Folge die Unternehmensgewinne zugerechnet wurden. Der Bf als eigentlicher Machthaber machte im Rahmen von Arbeitnehmerveranlagungen Gutschriften geltend. Zurechnungssubjekt von Einkünften sei im vorliegenden Fall der Bf, da dieser über die Art der Erzielung der Einkünfte und damit über die Einkünfte disponieren könne. § 22 BAO sei entgegen den Ausführungen des Bf nicht einschlägig. Aufgrund des nach außen in Erscheinung tretenden Verhaltens des Bf konnte die Beh im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Recht von vorsätzlichem Handeln ausgehen (VwGH 24. 1. 2013, 2011/16/0156).
17. Rückwirkende Rechnungsberichtigung Der BFH (20. 7. 2012, V B 82/11) hält es für möglich, dass eine ursprünglich fehlerhafte Rechnung mit Rückwirkung berichtigt werden kann, wenn die ursprüngliche Rechnung zumindest die Mindestanforderungen einer Rechnung erfüllt hat (unter Hinweis auf EuGH 15. 7. 2010, C-368/09, Pannon Gép). Anmerkung: Diese rückwirkende Korrekturmöglichkeit sehen auch die UStR in Rz 1831 f vor. Im Erk v 20. 4. 2006, 2004/15/0113, hat der VwGH noch festgehalten, dass diese als Erlass publizierte Auffassung des BMF gesetzwidrig sei. Im Lichte der Rsp des EuGH und BFH dürfte die in UStR Rz 1831 vorgesehene Korrekturmöglichkeit allerdings Deckung im Gemeinschaftsrecht finden (Gaedke, Ist eine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich? SWK 2012, 1540).
18. Endgültiger Abgabenausfall ist nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 33 FinStrG Da das Erstgericht festgestellt hat, dass zumindest zeitweilig Verkürzungen von USt-Vorauszahlungen bewirkt wurden, war die wegen des nicht endgültigen Abgabenausfalls eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen. Verspätete USt-Zahlungen ändern nichts an der jeweiligen Tatvollendung (§ 33 Abs 3 lit b FinStrG; vgl dazu Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 30, 38) und mindern den strafbestimmenden Wertbetrag nicht (zur strafmildernden Berücksichtigung des bloß vorübergehenden staatlichen Einnahmeausfalls vgl § 23 Abs 2 Satz 2 FinStrG idF BGBl I 2010/104; ErläutRV 874 BlgNR 24. GP 6; Lässig in WK2 FinStrG § 23 Rz 3; Brandl/Leitner ua, Die Finanzstrafgesetz-Novelle 2010, SWK-Spezial [2010] 30 f; OGH 22. 11. 2012, 13 Os 97/12 g).
lohnabrede besteht (Klein/Jäger § 370 Rz 411; Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht 2012, 182). Anmerkung: Ergänzend ist auf die grundlegenden Ausführungen des BFH (21. 2. 1992, VI R 41/88) hinzuweisen, wonach bei Schwarzlohnzahlungen keine Nettolohnvereinbarung vorliegt, wenn AG und AN einvernehmlich zur Hinterziehung der LSt zusammenwirken. Bei derartigen Absprachen liege weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Nettolohnvereinbarung vor, da die Steuern gerade nicht (!) abgeführt werden sollten und damit die Rechtsfolge einer Nettolohnvereinbarung, nämlich die Befreiung des AN von seiner Beitragslast und LStPfl, gerade nicht eintreten solle. Diese Ausführungen sind auch auf Österreich übertragbar; hinsichtlich der in § 62 a EStG normierten Fiktion ist fraglich, ob diese überhaupt eine Verkürzung iSd FinStrG begründen kann (Gehm, Problemfeld Schätzung im Steuer- und Steuerstrafverfahren, NZWiSt 2012, 408).
20. Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer Die Hinterziehung von EUSt entfällt nicht deshalb, weil Vorsteuerabzugsberechtigungen hinsichtlich der entrichteten EUSt bestehen. Denn dieser Vorsteuerabzug lässt die im Rahmen der Zollanmeldung bei Einfuhr der Waren begangene Hinterziehung der EUSt unberührt und führt allenfalls zu einer Schadenswiedergutmachung. Die Umsatzbesteuerung bei der Einfuhr der Waren und der Vorsteuerabzug nach deren Weiterveräußerung beruht mithin auf unterschiedlichen wirtschaftlichen Sachverhalten, die nicht nur zeitlich auseinanderfallen, sondern auch in unterschiedliche Steueranmeldungen Eingang finden. Anmerkung: Die Rechtsansicht des BGH entspricht auch der stRsp in Österreich sowie der Verwaltungspraxis. Zur Kritik vgl Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht3 Rz 1211; BGH 26. 6. 2012, 1 StR 289/12.
21. Tatbegriff bei Hinterziehung von Eingangsabgaben Bewirkt der Anmelder durch wahrheitswidrige Angaben in der Zollanmeldung eine Verkürzung an Eingangsabgaben, so ist die Abgabe dieser (unrichtigen) Zollanmeldung (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) selbständige Tat im materiellen Sinn und solcherart kleinstes Sachverhaltselement. Demgemäß muss bei einem Schuldspruch nach § 35 Abs 2 FinStrG jede einzelne inkriminierte Zollanmeldung durch subsumtionstaugliche Feststellungen individualisiert werden, womit bei Tatmehrheit die bloß pauschale Konstatierung des gesamten strafbestimmenden Wertbetrags nicht hinreicht (OGH 16. 5. 2013, 13 Os 30/13 f).
19. Schwarzlohnabrede ist keine Nettolohnabrede
22. Unrichtige Ursprungsangaben anlässlich der Einfuhr nicht nach § 48 a FinStrG strafbar
Bei der Schwarzlohnabrede ist hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die LSt davon auszugehen, dass der ausgezahlte Lohn der Bruttolohn ist und keine Netto-
Die anlässlich der Einfuhr abgegebene unrichtige Ursprungsangabe erfüllt nicht den objektiven Tatbestand des § 48 a FinStrG, da weder ein Präferenztaxlex 2014
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nachweis noch eine Lieferantenerklärung zu Unrecht erstellt, noch in einem Verf betr Erstellung von Präferenznachweisen unrichtige Angaben gemacht oder sonst in anderer Weise an solchem mitgewirkt wurde. Dieses Handeln wäre allenfalls unter das Tatbild des § 35 Abs 2 FinStrG (Hinterziehung von Eingangsabgaben) bzw § 36 Abs 2 FinStrG (fahrlässige Verkürzung von Eingangsabgaben) zu subsumieren. Handelt es sich bei den Waren aber um (abgabenfreie) Rückwaren, mangelt es am Tatbestandsmerkmal der Abgabenverkürzung. Bei Vorsatz könnte eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 FinStrG vorliegen (UFS Feldkirch 11. 4. 2013, FSRV/0001-F/13).
es ist auf jenen Zeitpunkt abzustellen, ab dem die strafbare Unterlassung beendet ist. Bei § 48 b FinStrG handelt es sich um kein Dauerdelikt, sondern um ein Zustandsdelikt, das mit Verlassen des Ein- bzw Ausreiseorts in die bzw aus der EU ohne Anmeldung von Barmitteln von mindestens E 10.000,– vollendet und beendet ist. Damit beginnt aber auch die Verjährungsfrist zu laufen, auch wenn aus zollrechtlicher Sicht die Anmeldepflicht noch fortbestehen mag (Leitner/Salfer, Verjährung der Verletzung von Verpflichtungen im Bargeldverkehr, SWK 2013, 407; aA Twardosz/Schratter, Verjährung illegaler Bargeldtransfers über die Grenze, SWK 2013, 35).
23. Verjährung illegaler Bargeldtransfers über die Grenze Entgegen der in der Lit vertretenen Ansicht kommt es für den Beginn der finanzstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung von Finanzvergehen iSd § 48 b FinStrG nicht darauf an, ob die abgabenrechtliche bzw zollrechtliche Pflicht noch aufrecht ist, sondern
LOHNSTEUER & SOZIALVERSICHERUNG §§ 16, 20, 33 EStG Zumutbarkeit; Unzumutbarkeit; Pendlerrechner; Wegstrecke; Zeitfenster; Massenbeförderungsmittel; amtlicher Ausdruck
ordnung veröffentlicht. Mit dieser Verordnung werden großteils die bisherigen Regelungen der Lohnsteuer-Richtlinien, die für den Steuerpflichtigen nur Infocharakter haben (hatten), in eine Verordnung übergeführt. Nachstehend finden Sie eine Übersicht mit den wichtigsten Infos zur Verordnung.1) STEFAN STEIGER
Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und retour umfasst die gesamte Wegstrecke, die unter Verwendung eines Massenbeförderungsmittels (ohne Schiff und Luftfahrzeug), unter Verwendung eines privaten Pkw oder auf Gehwegen zurückgelegt werden muss, um in der kürzestmöglichen Zeitdauer die Arbeitsstätte von der Wohnung aus zu erreichen. Dies gilt auch für die Retourfahrt. Für die Ermittlung ist ein Zeitfenster von 60 Minuten vor dem tatsächlichen Arbeitsbeginn und vom tatsächlichen Arbeitsende zu berücksichtigen. Fährt innerhalb dieses Zeitfensters kein öff Verkehrsmittel, so ist die Benützung generell unzumutbar (§ 2 PendlerV). Sind die zeitlichen und örtlichen Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung während des gesamtaxlex 2014
Der Beitrag setzt die in taxlex 2013, 432 erschienene Rechtsprechungs- und Literaturübersicht zum Finanzstrafgesetz fort. Die Teile 3 und 4 behandeln Verfahrens- und Wirtschaftsrecht bzw neue Gesetze.
Die Pendlerverordnung – 19. 9. 2013 wurde mit dem eine erste Übersicht Mit BGBl II 2013/276 die Pendlerver-
A. Wie wird die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berechnet (§ 1 PendlerV)?
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SCHLUSSSTRICH
ten Kalendermonats im Wesentlichen gleich und ergeben sich abweichende Entfernungen (basierend auf das 60-Minuten-Zeitfenster), ist jene Entfernung maßgebend, die sich aufgrund der längeren Zeitdauer ergibt. Sind die Umstände nicht im Wesentlichen gleich, ist jene Entfernung maßgebend, die im Kalendermonat überwiegend zurückgelegt wird. Liegt kein Überwiegen vor, ist jene Entfernung maßgebend, die sich aufgrund der längeren Zeitdauer ergibt. Ist die Benützung des Massenbeförderungsmittel zumutbar (s § 2 PendlerV), so bemisst sich die Entfernung nach den Streckenkilometern des Massenbeförderungsmittels und allfälliger zusätzlicher Straßenkilometer und Gehwege. Beträgt die Gesamtstrecke StB Dr. Stefan Steiger ist Geschäftsführer der Elixa SteuerberatungsGmbH, Fachvortragender und Fachbuchautor, insb auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts. Weiters ist er Landespräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder im Burgenland. 1) Auf den § 4 PendlerVO („Familienwohnsitz“) wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.
zumindest 20 km, sind angefangene km auf volle km aufzurunden. Ist die Benützung unzumutbar (s § 2 PendlerV), so bemisst sich die Entfernung nach der kürzesten Straßenverbindung. Beträgt die Gesamtstrecke zumindest 2 km, sind angefangene km auf volle km aufzurunden.
B. Wann liegt die Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit eines Massenbeförderungsmittel vor (§ 2 PendlerV)? Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels liegt vor, wenn & für zumindest die Hälfte der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw retour kein Massenbeförderungsmittel zur Verfügung steht oder & beim StPfl eine dauernde starke Gebehinderung vorliegt und ein Ausweis darüber vorliegt oder & die Unzumutbarkeit der Benutzung des Massenbeförderungsmittels wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder wegen Blindheit für den StPfl im Behindertenpass eingetragen ist. Kommt einer der oa drei Punkte nicht zur Anwendung, so ist die Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit nach folgenden Punkten zu bestimmen: & Bis zu einer Zeitdauer von 60 Min ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets zumutbar. & Bei einer Zeitdauer von mehr als 120 Min ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels stets unzumutbar. & Bei einer Zeitdauer von mehr als 60 bis maximal 120 Min ist auf die entfernungsunabhängige Höchstdauer abzustellen. Diese beträgt 60 Min zuzüglich einer Minute pro km der Entfernung, jedoch maximal 120 Min. Beispiel: Die Strecke Wohnsitz bis Arbeitsstätte (35 km) lässt sich in 47 Min in der kürzestmöglichen Zeit erreichen. Da die Zeitdauer höchstens 60 Min dauert, ist die Benützung zumutbar. Die Strecke Wohnsitz bis Arbeitsstätte (55 km) würde mit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels (Bus, Zug oder U-Bahn) 115 Min dauern. In diesem Fall nimmt man den „Sockel“ von 60 Min und addiert 55 Min (= 55 km) dazu. Dies ergibt 115 Minn und dies ist unter 121 Min, somit ist die Benützung wieder zumutbar.
Die Zeitdauer umfasst die gesamte Zeit, die vom Verlassen der Wohnung bis zum Arbeitsbeginn bzw vom Arbeitsende bis zum Eintreffen bei der Wohnung verstreicht; sie umfasst auch Wartezeiten. Stehen Massenverkehrsmittel zur Verfügung, ist der Ermittlung der Zeitdauer die Benützung des schnellsten öff Verkehrsmittels zugrunde zu legen. Diese Daten sollten zukünftig vom Pendler-Rechner „ausgeworfen“ werden. Wenn die zeitlichen und örtlichen Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung während des gesamten Kalendermonats im Wesentlichen gleich sind, sich aber unterschiedliche Zeitausmaße ergeben, ist die längere Zeitdauer maßgebend. Sind die Umstände nicht im Wesentlichen gleich, ist jene Zeit maßgebend, die überwiegend erforderlich ist, um im Lohnzahlungszeitraum die Entfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte bzw retour zurückzulegen. Liegt kein
Überwiegen vor, ist die längere Zeitdauer maßgebend.
LOHNSTEUER & SOZIALVERSICHERUNG
C. Wozu kann der Pendler-Rechner eingesetzt werden (§ 3 PendlerV)? Der Pendler-Rechner ist einerseits für die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw retour und andererseits für die Beurteilung, ob die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar oder nicht zumutbar ist, anzuwenden (allerdings nur für die Verhältnisse innerhalb von Österreich). Die V bestimmt, dass dem Pendlerrechner jene Verhältnisse zugrunde zu legen sind, die für den abgefragten Tag bestehen. Weiters wird bestimmt, dass bei gleichbleibenden Verhältnissen während eines Lohnzahlungszeitraums die am abgefragten Tag im Pendler-Rechner bestehenden Verhältnisse auch für die Ermittlung des Penderpauschals und des Pendlereuros heranzuziehen sind. Bei gleichbleibendem Verhältnis hinsichtlich des Wohnorts und des Arbeitsverhältnisses und bei gleichbleibendem Angebot an öff Verkehrsmitteln wird damit angenommen, dass das Ergebnis des Pendler-Rechners für den abgefragten Tag auch für den zu berücksichtigenden Zeitraum richtig ist. Sofern infolge zeitlich unterschiedlicher Abfragen unterschiedliche Ergebnisse vorliegen, wird festgelegt, dass das im selben Kalenderjahr abgefragte Ergebnis maßgeblich sein soll. In allen anderen Fällen ist die zeitnähere Abfrage maßgebend. Beispiel: Erfolgt daher beispielsweise am 4. 4. 2014 eine Abfrage durch den StPfl und wird der Ausdruck für die Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros herangezogen, so kann eine erneute Abfrage im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung (in einem späteren Jahr) bei Vorliegen von anderen „Werten“ keine Veränderung des Pendlerpauschals bringen. Ebenfalls würde es zu keiner rückwirkenden Änderung des Pendlerpauschals kommen, wenn das FA am 4. 7. 2014 eine Abfrage durchführt und diese andere „Werte“ zeigen würde.
Grundsätzlich (s oben) gilt das Ergebnis des Pendler-Rechners, außer in jeden Fällen, in denen entweder die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw retour oder die Beurteilung, ob die Benützung des Massenbeförderungsmittels unzumutbar ist, nicht den maßgeblichen Verhältnissen entspricht. Dieser Nachweis kann vom StPfl nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erbracht werden. Der Ausdruck des ermittelten Ergebnisses des Pendler-Rechners gilt als amtlicher Vordruck iSd § 16 Abs 1 Z 6 lit g EStG. Wird das Pendlerpauschale nicht im Rahmen der monatlichen Gehaltsabrechnung berücksichtigt (in diesem Fall liegt der Vordruck bei der Personalverrechnung), hat der AN einen Ausdruck des ermittelten Ergebnisses des Pendler-Rechners für Zwecke der Berücksichtigung bei der Einkommensteuerveranlagung aufzubewahren.
D. Ab wann gelten diese neuen Regelungen (§ 5 PendlerV)? Gem § 5 der V ist selbige für Lohnzahlungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2013 enden; für taxlex 2014
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LOHNSTEUER & SOZIALVERSICHERUNG
Einkommensteuerveranlagungen bei der Veranlagung für das Jahr 2014. Allerdings ist die V solange nicht anzuwenden, als der Pendler-Rechner nicht im Internet auf der Homepage des BMF zur Verfügung gestellt wird. Leider gibt es hier kein genaues Datum – aus gut informierten Quellen habe ich erfahren, dass dies voraussichtlich erst im zweiten Halbjahr 2014 erfolgen soll. Wird der Pendler-Rechner erst nach dem 31. 12. 2013 online gestellt (was anzunehmen ist), gelten folgende Übergangsbestimmungen: & Die V ist rückwirkend für den Zeitraum von 1. 1. 2014 bis zur Zurverfügungstellung des Pendler-Rechners anwendbar, wenn diese für den StPfl mit keinen steuerlichen Nachteilen verbunden ist. & Trifft Z 1 zu, hat eine Aufrollung so bald als möglich, jedoch spätestens bis 30. 9. 2014, zu erfolgen, sofern die technischen und organisatorischen Voraussetzungen dazu beim AG vorliegen und ein aufrechtes Dienstverhältnis bei demselben AG besteht. & Wurde bereits vor der Anwendbarkeit der V vom AN eine Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschals (L34-Formular) abgegeben, so hat dieser einen Ausdruck des ermittelten Ergebnisses des Pendler-Rechners bis spätestens 30. 6. 2014 beim AG abzugeben. In der Praxis bedeutet dies Folgendes: Solange der Pendler-Rechner noch nicht online ist, ändert sich nichts. In der Personalverrechnung kann daher auch weiter das Pendlerpauschale berück-
sichtigt werden. Aufgrund der Regelungen, die mE fast immer eine Besserstellung gegenüber der derzeitigen LStR-Regelung bringen, wird durch die V nur in Ausnahmefällen eine Schlechterstellung eintreten. In diesem Fall kann dies aber nicht rückwirkend erfolgen. Möglich wäre aber auch, dass der Personalverrechner in Absprache mit dem StPfl das Pendlerpauschale sowie den Pendlereuro ab der Jänner-2014-Abrechnung vollständig entfernt und mit Inkrafttreten der V selbige im Rahmen einer Aufrollung abrechnet. Die Aufrollung hat aber bis spätestens 30. 9. 2014 zu erfolgen. Aufgrund der Neuregelung hat der StPfl dem Personalverrechner bis spätestens 30. 6. 2014 einen Ausdruck des Pendler-Rechners zu übermitteln. Ist dies nicht der Fall, so sind mE das Pendlerpauschale sowie der Pendlereuro bei der Abrechnung ab Juli 2014 bei der Personalverrechnung nicht mehr zu berücksichtigen. Der StPfl kann dies dann im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung nachholen. Ich nehme auch an, dass der kommende LSt-Wartungserlass zumindest für ein paar offene Fragen Klarstellungen treffen wird. SCHLUSSSTRICH
Die Pendlerverordnung tritt mit der Onlinestellung des Pendler-Rechners in Kraft. Ob die Umsetzung trotz vieler Zweifelsfragen in der Praxis „reibungslos“ funktioniert, bleibt abzuwarten.
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Autoren dieser Ausgabe: Mag. Kathrin Bayer / Mag. Rainer Brandl / Mag. Alexander Brenneis / Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel / Prof. (TU Graz eh) Dr. Georg Eisenberger / Mag. Sandra Grill / Ass.-Prof. Dr. Barbara Gunacker-Slawitsch / Dr. Christian Huber / Univ.-Prof. Dr. Sabine Kanduth-Kristen, LL.M / Mag. Richard Kettisch / Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner / HR Dr. Christian Lenneis / Mag. Harald Moshammer, P LL.M. (JKU), LL.M. (WU) / Dr. Jutta Niedermair / Mag. Wiebke Peperkorn / HR Mag. Roland Macho / Dr. Peter Pichler / Mag. Marcus Schinnerl / Dr. Stefan Steiger / HR Dr. Gerhard Steiner / MMag. Michael Petritz / Dr. Michael Rauscher / MMag. Jürgen Reinold / Dr. Peter Unger
NEU BEI MANZ: Drs (Hrsg)
Betriebspensionsrecht Hofbauer/Krammer
Lohnsteuer 2014 Tannert/Kotschnigg (Hrsg)
Finanzstrafgesetz Mühlberger/Pilz/Rathgeber
Die Abgabenordnung – Neuer Leitfaden für Gemeinden Stingl/Nidetzky
Handbuch Immobilien & Steuern, 23. Auflage Gasser
Liechtensteinisches Stiftungsrecht P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien, Erscheinungsort Wien
05 Z 036143 M ISSN 1813-4432