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Zeitschrift für
ZVB
VERGABERECHT UND BAUVERTRAGSRECHT Josef Aicher, Michael Holoubek, Johannes Schramm, Bernt Elsner, Michael Fruhmann, Rudolf Lessiak, Andreas Kropik Redaktion und Schriftleitung Johannes Schramm, Josef Aicher Herausgeber
Jänner 2015 1 – 40
Vergaberecht
Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz Johannes Schramm/Hannes Pesendorfer £ 5 Umfang eines Gewerbes: Eingeschränktes Gewerbe und Montagerecht als Nebenrecht Christoph Wiesinger £ 11 BVwG – Transparenzerfordernisse beim Liefergegenstand Reinhard Grasböck £ 15 BVwG – Rechenfehler bei Eventualpositionen Georg Gruber/Thomas Gruber £ 17 BVwG – Unvollständiges Angebot durch Nullposition Dagmar Malin £ 21 LVwG Wien – Auch der Losentscheid kann zulässig sein Beatrix Lehner £ 23 LVwG Vlbg – Dem Angebot sind die Angaben der Ausschreibung zugrunde zu legen Albert Oppel £ 28 Service SERVICE – Eignung und Eignungsnachweise: Bewerberauswahl bzw Angebotslegung Albert Oppel £ 30 Bauvertragsrecht Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen Hans Gölles/Walter Reckerzügl £ 32 OGH – Publizität des Superädifikats Albert Oppel £ 36 MUSTER – Übernahmefiktion wegen Übernahme in die Verfügungsmacht des AG Johannes Bousek £ 39
ISSN 2077-849X
P.b.b. Verlag Manz 1230 Wien, Gutheil Schoder Gasse 17
01
http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL n=9978-3-2114-4-08853-8&utm_s_source=I source=IInserat&utm_mediWer http://www.maanz.nz.at/list.html?tisbbn=978um=App&utm_contebaut, nt=Textlink&utm_campaimuss gn=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=IInserat&utm_medi„Straube/Aicher“ um=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medilesen! um=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=IInserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL 853-8&&ututm_s_source=I source=IInserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-088853n=9978-3-214-08853-8&utm_source=I source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manza manz.at/list.html?tisbbn=978http://www.manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=I nserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL http://www.manz.nz.z.at/list.html?Straube/Aicher (Hrsg) http://www.mamanz. manz.at/list.html?tisbn=978-3-214-08853-8&utm_source=Inserat&utm_medium=App&utm_content=Textlink&utm_campaign=Buch-StraubeAicher-HB-BAU-I -9AL Loseblattwerk in 1 Mappe + CD-ROM inkl. 9. Akt.-Lfg. Stand Oktober 2014. EUR 198,– ISBN 978-3-214-08853-8
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Handbuch Bauvertrags- und Bauhaftungsrecht Band II – Rechtssicher bauen, inklusive 9. Aktualisierungslieferung
Der Weg zum rechtssicheren Bauen: Bauleistung umsichtig abwickeln, Baupreise klug kalkulieren, bei Mehrkosten richtig agieren, Vereinbartes durchsetzen, durch Warnpflicht Schaden abwenden, Haftungsrisiken erkennen u.v.m.! 9. Aktualisierungslieferung mit Überarbeitung der Kapitel • Baupreisbildung und Baupreisanpassung • Übernahme • Durchsetzung • Vorvertragliche Prüf- und Auf klärungspflicht Die Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Manfred P. Straube und Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher arbeiten zusammen mit einem Autorenteam aus der Baubranche, Wissenschaft, Rechtsanwaltschaft und Richtern. MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH tel + 43 1 531 61 100 fax + 43 1 531 61 455 bestellen@manz.at Kohlmarkt 16 ∙ 1014 Wien www.manz.at
[I M P R E S S U M ]
[EDITORIAL]
ZEITSCHRIFT FÜR VERGABERECHT UND BAUVERTRAGSRECHT 16. Jahrgang 2015 Medieninhaber: MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH. Sitz der Gesellschaft: Kohlmarkt 16, 1014 Wien, FN 124 181 w, HG Wien. Unternehmensgegenstand: Verlag von Büchern und Zeitschriften. Gesellschafter, deren Anteil 25% übersteigt: Manz Gesellschaft m. b. H., Wien, Beteiligung an Unternehmen und Gesellschaften aller Art, und Wolters Kluwer International Holding B. V. Amsterdam, Beteiligung an Unternehmen. Verlagsadresse: Johannesgasse 23, 1015 Wien (verlag@manz.at). Geschäftsleitung: Mag. Susanne Stein (Geschäftsführerin) sowie Prokurist Dr. Wolfgang Pichler (Verlagsleitung). Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher; Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek; RA Dr. Johannes Schramm, MBL; RA Dr. Bernt Elsner; Dr. Michael Fruhmann; RA Dr. Rudolf Lessiak; Univ.-Prof. DI Dr. Andreas Kropik. Schriftleitung: RA Dr. Johannes Schramm, MBL; Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher. Verlagsredaktion: Mag. Johannes Reiter, E-Mail: johannes.reiter@manz.at Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges. m. b. H., 3580 Horn. Verlags- und Herstellungsort: Wien. Grundlegende Richtung: Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht und die gesamte Beschaffungspraxis, im Besonderen für aktuelle Rechtsprechung und Entwicklung im Bundes-, Landesund Europarecht, sowie für das Bauvertragsrecht. Zitiervorschlag: ZVB 2015/Nummer. Anzeigen: Heidrun R. Engel, Tel: (01) 531 61-310, Fax: (01) 531 61-181, E-Mail: heidrun.engel@manz.at Bezugsbedingungen: Die ZVB erscheint 116 jährlich (1 Doppelheft). Der Bezugspreis 2015 beträgt E 258,– (inkl Versand in Österreich). Einzelheft E 28,20. Auslandspreise auf Anfrage. Nicht rechtzeitig vor ihrem Ablauf abbestellte Abonnements gelten für ein weiteres Jahr als erneuert. Abbestellungen sind schriftlich bis spätestens sechs Wochen vor Jahresende an den Verlag zu senden. Manuskripte und Zuschriften erbitten wir an folgende Adressen: Vergaberecht und Beschaffungspraxis: RA Dr. Johannes Schramm, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, E-Mail: zvb@ vergaberecht.at Bauvertragsrecht: RA Dr. Rudolf Lessiak, Börsegasse 10, 1010 Wien, E-Mail: lawyers@lessiak.at. Wir bitten Sie, die Formatvorlagen zu verwenden (zum Download unter www.manz.at/formatvorlagen) und sich an die im Auftrag des Österreichischen Juristentages herausgegebenen „Abkürzungsund Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen (AZR)“, 7. Aufl (Verlag MANZ, 2012), zu halten. Urheberrechte: Mit der Einreichung seines Manuskriptes räumt der Autor dem Verlag für den Fall der Annahme das übertragbare, zeitlich und örtlich unbeschränkte ausschließliche Werknutzungsrecht (§ 24 UrhG) der Veröffentlichung in dieser Zeitschrift, einschließlich des Rechts der Vervielfältigung in jedem technischen Verfahren (Verlagsrecht) sowie die Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, einschließlich des Rechts der Vervielfältigung auf Datenträgern jeder Art (auch einschließlich CD-ROM), der Speicherung in und der Ausgabe durch Datenbanken, der Verbreitung von Vervielfältigungsstücken an den Benutzer, der Sendung (§ 17 UrhG) und sonstigen öffentlichen Wiedergabe (§ 18 UrhG), ein. Gem § 36 Abs 2 UrhG erlischt die Ausschließlichkeit des eingeräumten Verlagsrechts mit Ablauf des dem Erscheinen des Beitrags folgenden Kalenderjahres. Dies gilt für die Verwertung von Datenbanken nicht. Der Nachdruck von Entscheidungen oder Beiträgen jedweder Art ist nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Verlags gestattet. Haftungsausschluss: Sämtliche Angaben in dieser Zeitschrift erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren, der Herausgeber sowie des Verlags ist ausgeschlossen. Grafisches Konzept: Michael Fürnsinn für buero8, 1070 Wien (buero8.com). Covergestaltung: bauer – konzept & gestaltung, 1040 Wien (erwinbauer.com). Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser! ZVB 2015/1
W
iesinger setzt sich in seinem Beitrag kritisch mit einer Entscheidung des BVwG zu verschiedenen gewerberechtlichen Fragen auseinander. Entgegen der Auffassung des BVwG vertritt er dabei zB die Meinung, dass gewerberechtliche Nebenrechte – hier konkret das Montagerecht – eng auszulegen sind. Grasböck bespricht eine Entscheidung des BVwG zu den Transparenzerfordernissen der Leistungsbeschreibung. Ist die Leistungsbeschreibung so intransparent und wenig konkretisiert, dass es einem AG nach seiner Willkür freistehen würde, Angebote auszuscheiden oder nicht, sind die Auftragsunterlagen für nichtig zu erklären. Ein Bieter gab im Preisblatt eine Pos mit „0,–“ an, da er die Aufwendungen dieser Position nicht selbst leisten würde. Das BVwG stellt fest, dass bei präkludierter Festlegung einer TCO-Rechnung in den Auftragsunterlagen ein Bieter alle für die AG anfallenden Kosten anzugeben hat, ganz egal, ob die Kosten an die AN zu bezahlen sind oder die AG diese auf eine andere Art zu tragen hat (Malin). Der stRsp folgend entschied das BVwG, dass ein Mitaddieren von Eventualpositionen bei fehlender Regelung in der Ausschreibung zwar richtiggestellt werden darf, aber nicht zur Vorreihung des Bieters führen kann (G. Gruber/Th. Gruber). Lehner bespricht eine Entscheidung des LVwG Wien, wonach bei (zulässiger) Wahl des Billigstbieterprinzips die Festlegung, dass bei Gleichpreisigkeit das Los entscheidet, zulässig ist. Oppel bespricht eine Entscheidung des LVwG Vorarlberg, wonach ein Angebot, in dem der Bieter bei der Kalkulation von günstigeren Annahmen (geringeren Kontaminationen) als in der Ausschreibung angegeben ausgeht, sowohl ausschreibungswidrig (§ 129 Abs 1 Z 7 BVergG) als auch spekulativ (§ 129 Abs 1 Z 3 BVergG) ist. Schramm/Pesendorfer setzen sich in einem Aufsatz mit den Auswirkungen der Fastweb-Entscheidung des EuGH auf die österreichische Rsp zur Antragslegitimation auseinander. Die im bauvertragsrechtlichen Teil abgedruckte Entscheidung des OGH befasst sich mit der Frage der Publizität des Superädifikats bei Personenidentität von Vermieterin und Vertreterin der Mieterin. Sie ist von Oppel glossiert. Gölles und Reckerzügl beschäftigen sich in ihrem Aufsatz mit der Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen. Von Bousek stammt ein Musterbrief zur Übernahmefiktion wegen Übernahme in die Verfügungsmacht des AG (Mitteilung des AN).
Johannes Schramm
Josef Aicher
Impressum abrufbar unter www.manz.at/impressum
ZVB [2015] 01
1
ZVB
[I N H A L T ] Ü Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Von Johannes Schramm und Josef Aicher
ZVB-Aktuell
............................................
4
Vergaberecht Beiträge Ü Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Eine Bestandsaufnahme
Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 4. 7. 2013 (C-100/12, Fastweb) herrschte Euphorie. Über die Anwendungsvoraussetzungen der dort entwickelten Grundgedanken besteht jedoch Uneinigkeit in der Rechtsprechung; klarstellende höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Der Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen der Antragslegitimation anhand der bisher ergangenen Rechtsprechung. Von Johannes Schramm und Hannes Pesendorfer
Ü Umfang eines Gewerbes: Eingeschränktes Gewerbe und Montagerecht als Nebenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
Anmerkungen zum Erk des BVwG vom 23. 6. 2014
Das BVwG hat in einem Erkenntnis die Grenzen des Montagerechts als Nebenrecht weit ausgelegt. Auch bei der Bestimmung des Umfangs eines eingeschränkten Gewerbes hat sich das BVwG großzügig verhalten. Das Erkenntnis wird hier im Rahmen einer umfassenden systematischen Auslegung der GewO kritisch beleuchtet. Von Christoph Wiesinger
ZVB-Leitsatzkartei Ü ZVB-LSK 2015/1 – 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
Rechtsprechung Ü Transparenzerfordernisse beim Liefergegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
BVwG 28. 10. 2014, W134 2011378–1
Mit Anmerkung von Reinhard Grasböck
Ü Rechenfehler bei Eventualpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734–2
Mit Anmerkung und Praxistipp von Georg Gruber und Thomas Gruber
Ü Unvollständiges Angebot durch Nullposition bei „Total Cost of Ownership“-Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
BVwG 22. 9. 2014, W187 2010665–2
Mit Anmerkung und Praxistipp von Dagmar Malin
Ü Auch der Losentscheid kann zulässig sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
LVwG Wien 23. 9. 2014, VGW-123/074/28992/2014
Mit Anmerkung und Praxistipp von Beatrix Lehner
Ü Dem Angebot sind die Angaben der Ausschreibung zugrunde zu legen . . . . .
28
LVwG Vlbg 21. 8. 2014, LVwG-314–004/R3–2014
Mit Anmerkung und Praxistipp von Albert Oppel
Serviceteil Ü Eignung und Eignungsnachweise Teil 2: Bewerberauswahl bzw Angebotslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
Von Albert Oppel 2
ZVB [2015] 01
[I N H A L T ]
Bauvertragsrecht Beitrag Ü Öffentliche Bauaufträge: Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
Die ÖNORM B 2111 enthält für die Anpassung von „veränderlichen Preisen“ eines Bauauftrags an Kostenveränderungen (plus oder minus) ausgewogene Regelungen. Die Alternative zu veränderlichen Preisen sind Festpreise. Im BVergG ist der Festpreis definiert als „der Preis, der auch beim Eintreten von Änderungen der Preisgrundlagen (wie insbesondere Kollektivvertragslöhne, Materialpreise, soziale Aufwendungen) für den vereinbarten Zeitraum unveränderlich bleibt“. Der Auftraggeber hat eine – allerdings beschränkte – Wahlfreiheit zwischen diesen beiden Preisarten, wofür § 24 Abs 7 BVergG Maßgaben enthält. Von Hans Gölles und Walter Reckerzügl
Rechtsprechung Ü Personenidentität zwischen Vermieterin und Vertreterin der Mieterin vermindert die Publizität des Superädifikats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
OGH 17. 9. 2014, 6 Ob 38/14 b
Mit Anmerkung und Praxistipp von Albert Oppel
Musterserie Ü Übernahmefiktion wegen Übernahme in die Verfügungsmacht des AG (Mitteilung des AN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Von Johannes Bousek
Standards Ü Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Ü Buchbesprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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[MitarbeiterInnen dieses Hefts] Mag. Johannes Bousek, Rechtsanwalt bei Lattenmayer, Luks, Enzinger Rechtsanwälte Dr. Hans Gölles, zertifizierter Sachverständiger und Schiedsrichter im Bauvertragsund Vergaberecht Mag. Reinhard Grasböck, Richter des Bundesverwaltungsgerichts Georg Gruber, Student der Rechtswissenschaften an der Universität Wien Mag. Thomas Gruber, Richter des Bundesverwaltungsgerichts Mag. Beatrix Lehner, Richterin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Dagmar Malin, Rechtsanwältin bei Schramm Öhler Rechtsanwälte Dr. Karlheinz Moick, Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft Dr. Albert Oppel, Richter des Verwaltungsgerichts Wien Mag. Hannes Pesendorfer, Rechtsanwalt bei Schramm Öhler Rechtsanwälte Dr. Walter Reckerzügl, zertifizierter Sachverständiger und bauwirtschaftlicher Gutachter Mag. Gregor Stickler, Partner bei Schramm Öhler Rechtsanwälte Dr. Christoph Wiesinger, WKO Wien, Geschäftsstelle Bau, Rechts- und Sozialpolitik Mag. Martina Windbichler, Rechtsanwaltsanwärterin bei Schramm Öhler Rechtsanwälte [Der Redaktionsbeirat] Dr. Stephan Denk, Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer Dr. Heimo Ellmer, Leiter der Abteilung Baunormung, Referent für Vergabewesen im österreichischen Normungsinstitut, Lektor an der FH Technikum Kärnten, Sachverständiger Dr. Hans Gölles, Sachverständiger für Vergabe- und Verdingungswesen, Mitglied der FNA 018 und 015 des Österreichischen Normungsinstituts Mag. Reinhard Grasböck, Richter des Bundesverwaltungsgerichts
ZVB [2015] 01
Doz. Dr. Brigitte Gutknecht, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien Univ.-Prof. DI Dr. Andreas Kropik, Professor für Bauwirtschaft und Baumanagement an der TU Wien, geschäftsführender Gesellschafter der Bauwirtschaftlichen Beratung GmbH mit Sitz in Perchtoldsdorf bei Wien, Sachverständiger Dr. Rudolf Lessiak, Rechtsanwalt und Seniorpartner einer Kanzlei mit Schwerpunkt im Vergaberecht Dr. Matthias Öhler, Rechtsanwalt und Partner bei Schramm Öhler Rechtsanwälte Mag. Franz Pachner, Mitglied des Geschäftsführenden Senats der B-VKK, BMWFJ, iR [BundesländerkorrespondentInnen] Mag. Otto-Imre Pathy, Landesverwaltungsgericht Vorarlberg Dr. Robert Berger, Amt der Salzburger Landesregierung Dr. Doris Hattenberger, Universität Klagenfurt MMag. Christian Kodric, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Mag. Beatrix Lehner, Richterin des Bundesverwaltungsgerichts (Außenstelle Graz) Dr. Albert Oppel, Richter des Verwaltungsgerichtes Wien Mag. Christian Ruzicka, Stadt Wien, MA 63 Dr. Sigmund Rosenkranz, Senatsvorsitzender des Landesverwaltungsgerichts Tirol Mag. Florian Schiffkorn, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung Mag. Manja Schlossar-Schiretz, Landesverwaltungsgericht Steiermark Mag. Karin Schnabl, Landesverwaltungsgericht Steiermark Dr. Volker Wurdinger, Landesverwaltungsgericht Tirol Die veröffentlichten Beiträge geben die persönliche Meinung der/des jeweiligen Autorin/Autors wieder, welche sich nicht unbedingt mit der Meinung der Behörde, der die/der jeweilige Autorin/Autor angehört, decken muss.
3
ZVB
[A K T U E L L E S ]
ZVB-Aktuell
Betreut von Franz Pachner
ZVB 2015/2
EuGH1) zum Ausschluss wegen fehlender Erklärungen im Angebot In den Ausschreibungsunterlagen war festgelegt, dass die Bieter „Ersatzerklärungen“ vorlegen müssen, mit denen nachgewiesen werden soll, dass die allgemeinen und besonderen Anforderungen erfüllt werden. Außerdem war geregelt, dass unvollständige Ersatzerklärungen oder solche, die nicht den Vorgaben entsprechen, zum Ausschluss führen, außer es handelt sich um rein formale Unregelmäßigkeiten. Ein Bieter wurde vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, weil er keine Ersatzerklärung betreffend strafrechtlicher Verfahren bzw Verurteilungen eines im Angebot genannten technischen Leiters vorgelegt hatte. Der Bieter war jedoch der Meinung, dass er die fehlende Erklärung nachreichen könne. Der EuGH führte aus, dass öffentliche AG an die von ihnen festgelegten Kriterien gebunden sind. Entsprechend den Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen war der Bieter auszuschließen, „weil er seinem Angebot keine Ersatzerklärung über die in diesem Angebot als technischer Leiter bezeichnete Person beigefügt hat. Insbesondere kann ein öffentlicher Auftraggeber, wenn er der Ansicht ist, dass dieser Mangel keine rein formale Unregelmäßigkeit darstellt, diesem Bieter nicht erlauben, diesem Mangel nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Angebote auf irgendeine Weise nachträglich abzuhelfen“. Da strittig war, ob das Verfahren eine Dienstleistungskonzession betrifft, hat der EuGH ergänzt, dass die obigen Ausführungen auch im Fall von Dienstleistungskonzessionen gelten würden, sofern „an der betroffenen Dienstleistungskonzession insbesondere wegen ihrer Bedeutung und des Ortes der Erbringung der von dieser umfassten Leistungen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse bestand“. Die Entscheidung könnte im Spannungsverhältnis zu der Judikatur des VwGH stehen, wonach eine Festlegung über das Ausscheiden des Angebots bei Fehlen eines Prüfberichts so auszulegen ist, dass der Mangel verbesserungsfähig sein kann.2) Karlheinz Moick
VwGH3) bejaht öffentliche Auftraggebereigenschaft von Ordensspitälern Ordensspitäler sind bisher idR davon ausgegangen, dass sie nicht zur Anwendung des BVergG verpflichtet sind. In einem Rechtsstreit vor dem UVS Oberösterreich klärte dieser zunächst die Frage, ob zwei Ordensspitäler in Wien und Oberösterreich öffentliche AG sind. Die Behörde kam zu dem Ergebnis, dass die beiden Spitäler Einrichtungen nach § 3 Abs 1 Z 2 BVergG sind und daher die Vorgaben des BVergG einzuhalten haben.4) Der VwGH bestätigte in seinem Erkenntnis den Bescheid des UVS Oberösterreich. Strittig waren in beiden Verfahren vor allem zwei der drei Voraussetzungen nach § 3 Abs 1 Z 2 BVergG: nämlich die Erfüllung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art und die überwiegende Finanzierung oder Aufsicht durch öffentliche AG. Zur ersten Voraussetzung führte der VwGH zunächst aus, dass beide Krankenanstalten eine gemeinnützige allgemeine Krankenanstalt betreiben, wobei sie dabei eine gesetzliche Betriebspflicht zur Aufrechterhaltung und Sicherstellung der medizinischen Versorgung trifft. Diese Aufgaben liegen im Allgemeininteresse. Weiters liegt das 4
Wesen der Gemeinnützigkeit darin, dass der Betrieb nicht auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet ist. Aus diesem Grund bejahte der VwGH das Vorliegen von Aufgaben „nicht gewerblicher Art“. Hinsichtlich der zweiten strittigen Voraussetzung führte der VwGH zwar – gestützt auf die Rsp des EuGH5) – zunächst aus, wann eine überwiegende Finanzierung durch öffentliche AG gegeben ist, dann aber stützte er sich in seiner Begründung auf die Alternative der Aufsicht durch öffentliche AG. Die Spitäler unterliegen nämlich der strengen wirtschaftlichen und organisatorischen Aufsicht durch den jeweiligen Landesgesundheitsfonds und der Gebarungskontrolle durch den Rechnungshof. Während sich der UVS Oberösterreich in seiner Begründung auf die Vorgaben der Vergaberichtlinie6) stützte, wonach in Österreich „alle Einrichtungen ohne industriellen oder kommerziellen Charakter, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen“, als öffentliche AG gelten, verweist der VwGH auf die Rsp des EuGH.7) Diese Aufsichtsrechte übersteigen eine „bloße nachträgliche Kontrolle“, welche als nicht ausreichend angesehen wird, bei weitem, da der Rechnungshof nicht nur die „ziffernmäßige Richtigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“ der Verwaltung prüft, sondern nach § 3 RHG auch jederzeit schriftliche Auskünfte einholen kann und Lokalerhebungen sowie Ortsaugenscheine durchführen darf. Somit ist aus Sicht des VwGH auch das Kriterium der Aufsicht durch öffentliche AG erfüllt.8) Da die Auftraggebereigenschaft aufgrund der bereits bestehenden Rsp beantwortet werden konnte, wurde abschließend der Vorlageantrag an den EuGH nicht für notwendig erachtet. Gregor Stickler/Martina Windbichler
VwGH:9) Einstweilige Anordnung im Revisionsverfahren Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die ASt bekämpfte vor dem BVwG die Zuschlagsentscheidung. Die Anträge der ASt wurden vom BVwG teilweise ab- und teilweise zurückgewiesen. Dagegen erhob die ASt die ordentliche Revision an den VwGH. Gleichzeitig beantragte die ASt bis zur rechtskräftigen Entscheidung des VwGH einstweilige Vorkehrungen zu treffen. Die ASt berief sich auf europäisches Primärrecht und die bisherige Judikatur, wonach sich der VwGH für zuständig erachte, „einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu treffen, dem Antragsteller eine Rechtsposition vorläufig einzuräumen, deren Einräumung mit dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde“.10) 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
9) 10)
EuGH 6. 11. 2014, C-42/13, Cartiera dell’Adda SpA. VwGH 12. 5. 2011, 2008/04/0087. VwGH 17. 9. 2014, 2013/04/0144. UVS Oberösterreich 18. 9. 2013, VwSen-550622/19/Wim/Bu, VwSen-550634/9/ Wim/Bu. Vgl EuGH 3. 10. 2000, C-380/98, University of Cambridge; 13. 12. 2007, C-337/ 06, Bayerischer Rundfunk; 11. 6. 2009, C-300/07, Oymanns. RL 2004/18/EG. EuGH 12. 9. 2013, C-526/11, Ärztekammer Westfalen-Lippe; 27. 2. 2003, C-373/ 00, Bestattung Wien. So schon EuGH 27. 2. 2003, C-373/00, Bestattung Wien, zu den Kontrollbefugnissen des Kontrollamts der Stadt Wien, welche den Tatbestand der „Aufsicht“ erfüllten. VwGH 29. 10. 2014, Ro 2014/04/0069. VwGH 13. 10. 2010, 2010/12/0169; vgl 4. 10. 2013, 2013/10/0171, jeweils mwN ua auf die Rsp des EuGH.
ZVB [2015] 01
[A K T U E L L E S ] Das BVwG legte den Antrag dem VwGH vor, da „das VwGG keine Rechtsgrundlage für das Verwaltungsgericht beinhalte, über einen derartigen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung [. . .] zu entscheiden“. Der VwGH hielt fest, dass die Erlassung einer einstweiligen Anordnung mangels Regelung im VwGG nur in unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht erfolgen könne. Vor der Einführung der mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit habe der VwGH seine eigene Zuständigkeit zur Erlassung einstweiliger Anordnungen angenommen.11) Da das VwGG (nach der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle12)) keine entsprechenden Zuständigkeitsregeln zur Erlassung einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren enthalte, sei zur Bestimmung der Zuständigkeit von der „sachnächsten“ Zuständigkeit auszugehen.13) Das jeweilige Verwaltungsgericht verfüge über „die genaueste Kenntnis über die der Revision zugrunde liegende Fallkonstellation“ und könne daher auch am schnellsten die erforderliche Interessenabwägung zur Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes vornehmen. Durch die Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit seien den Verwaltungsgerichten zudem Aufgaben im Revisionsverfahren übertragen worden.14) Das „sachnächste“ Gericht sei daher das Verwaltungsgericht. Seit der Einführung der mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit seien deshalb die Verwaltungsgerichte „in unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht zur Entscheidung über Anträge auf Erlassung
einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren“ zuständig.15) Damit werde auch den gebotenen Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität entsprochen. Darüber hinaus orientierte sich das Revisionsmodell an der zivilgerichtlichen Revision, wobei im zivilgerichtlichen System zur Entscheidung über Anträge auf vergleichbare einstweilige Verfügung grundsätzlich die Erstgerichte zuständig seien.16) Da die RevWerberin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Vorkehrung im Revisionsverfahren an den VwGH gerichtet habe, sei der Antrag mangels Zuständigkeit des VwGH zurückzuweisen. Johannes Schramm/Hannes Pesendorfer
11) Vgl VwGH 13. 10. 2010, 2010/12/0169; 4. 10. 2013, 2013/10/0171. 12) Im ME Verwaltungsgerichtsbarkeits-AusführungsG 2012, 420/ME 24. GP war gem § 30 a die Befugnis des Verwaltungsgerichts, einstweilige Verfügungen zu treffen, vorgesehen. Diese Regelung wurde letztlich aber nicht normiert. 13) Vgl VwGH 27. 6. 2007, 2007/04/0034 mwN. 14) Zu diesen Aufgaben zählen ua die Erstprüfung der eingebrachten Revision, die Erstellung einer Vorentscheidung (§ 30 a VwGG) und die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung. 15) Vgl EuGH 24. 10. 1996, C-72795, Kraaijeveld. 16) Offen bleibt, ob derartige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wiederum mit Revision beim VwGH anfechtbar sind und in diesen Revisionsverfahren neuerlich einstweilige Verfügungen beim Verwaltungsgericht beantragt werden können, was zu einer „Endlosschleife“ führen würde. Falls gegen diese „erstgerichtlichen“ Entscheidungen der Instanzenzug an den VwGH nicht offensteht (wofür die gesetzliche Grundlage fehlt und was europarechtlich und verfassungsrechtlich fragwürdig wäre), stünde wohl der Rechtszug zum VfGH offen.
[VERGABERECHT]
Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz Eine Bestandsaufnahme Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 4. 7. 2013 (C-100/12, Fastweb) herrschte Euphorie. Über die Anwendungsvoraussetzungen der dort entwickelten Grundgedanken besteht jedoch Uneinigkeit in der Rechtsprechung; klarstellende höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Der Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen der Antragslegitimation anhand der bisher ergangenen Rechtsprechung. Von Johannes Schramm und Hannes Pesendorfer
Inhaltsübersicht:
A. Voraussetzungen der Antragslegitimation
A. Voraussetzungen der Antragslegitimation 1. Verwaltungsgerichtshof 2. Bundesgerichtshof 3. Europäischer Gerichtshof – Fastweb B. Fallgruppen der bisherigen Judikatur zu Fastweb 1. Mehrere nicht auszuscheidende Bieter verbleiben im Verfahren 2. Gleichartige Gründe 3. Zweistufiger Rechtsschutz (Ausscheidensentscheidung – Zuschlagsentscheidung) C. Conclusio ZVB [2015] 01
1. Verwaltungsgerichtshof Laut BVergG kommen jene Bieter in den Genuss des vergaberechtlichen Rechtschutzes, Ü die ein Interesse am Abschluss des dem BVergG unterliegenden Vertrages behaupten1) bzw hatten2) und Ü denen durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ü
ZVB 2015/3 §§ 320 ff BVergG EuGH 4. 7. 2013, C-100/12, Fastweb; BGH 26. 9. 2006, X ZB 14/06; BKA 24. 7. 2013, BKA-VA.C-100/ 12/0001-V/7/ 2013; LVwG Vorarlberg 7. 8. 2014, LVwG-314 – 002/ S 1 – 2014; BVwG 31. 1. 2014, W139 2000171 – 1; VwGH 25. 3. 2014, Ra 2014/04/0001; BVwG 8. 8. 2014, W139 2006041 – 2
1) § 320 Abs 1 BVergG: Nachprüfungsverfahren. 2) § 331 Abs 1 BVergG: Feststellungsverfahren.
Ü Johannes Schramm und Hannes Pesendorfer Ü Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz
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[V E R G A B E R E C H T ] Antragslegitimation; Ausscheidung; Fastweb
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, fehlt die Antragslegitimation. Bietern, die aus dem Verfahren ausgeschieden wurden oder auszuscheiden sind, fehle die Antragslegitimation. Dies deshalb, da diesen Bietern kein Schaden entstehen könne, da solche Bieter für die Zuschlagsentscheidung nicht in Betracht kommen.3) Ob einem Bieter die Antragslegitimation zukommt, ist eine prozessuale Frage, welche das Gericht4) für Nachprüfungsverfahren, Provisorialverfahren und Feststellungsverfahren jeweils gesondert von Amts wegen zu prüfen hat. Auch wenn das Angebot nicht ausgeschieden wurde, fehle die Antragslegitimation, wenn sich aus den Akten ergebe, dass das Angebot offensichtlich auszuscheiden ist. Das Gericht ist verpflichtet, auch nicht erkannte Ausscheidensgründe wahrzunehmen. Dies diene der Sicherung eines wirksamen und raschen Nachprüfungsverfahrens.5) Der UVS Burgenland sowie das ehemalige BVA vertraten demgegenüber die Auffassung, dass die Antragslegitimation trotz Vorliegen eines zwingenden Ausscheidensgrundes dennoch besteht, wenn kein Angebot für den Zuschlag in Betracht kommt und das Verfahren daher ex lege zwingend zu widerrufen ist. Diesfalls sei das Vorliegen eines Schadens zu bejahen. Der Schaden bestehe darin, dass die Bieter in diesen Konstellationen die Möglichkeit hätten, den Zuschlag in einem neuen Vergabeverfahren zu erlangen. „Ein anderes Ergebnis würde nämlich – wie die Antragsteller zu Recht betonen – den gemeinschaftsrechtlichen Zielsetzungen eines effektiven Rechtsschutzes zuwiderlaufen (EuGH 19. 6. 2003, Rs C-249/01, Hackermüller und EuGH 19. 6. 2003, Rs C-410/01, Fritsch Chiari & Partner ua, in Sturm/Fink, Die Europäische Rechtsprechung zum Vergaberecht 528 f).“6) Diese Rechtsansicht deckt sich mit dem Begriff des „Schadens“, der alle Beeinträchtigungen der Möglichkeit, am Vergabeverfahren teilzunehmen und den Zuschlag zu erhalten, umfasst.7) Der VwGH hat diese Rechtsauffassung jedoch mehrfach verworfen, da ein Bieter, der nicht imstande ist, ein geeignetes Angebot zu legen, nicht schutzwürdig sei.8) Seither lehnten die Vergabekontrollbehörden die Antragslegitimation ab, wenn ein Bieter ausgeschieden wurde oder sich aus den Akten ergibt, dass er auszuscheiden gewesen wäre. Diese restriktive Rsp wurde in der Literatur kritisiert, unter anderem mit dem Hinweis, dass dann, wenn alle verbliebenen Angebote auszuscheiden sind und das Verfahren zwingend zu widerrufen wäre, es der AG in der Hand hat, willkürlich ein Angebot auszuwählen, ohne dass diese Entscheidung bekämpfbar wäre.9)
2. Bundesgerichtshof Der deutsche BGH geht davon aus, dass den Bietern ein Schaden entsteht, wenn alle Bieter auszuscheiden sind, denn „die Aufhebung einer Ausschreibung kann zu einer erneuten Ausschreibung der nachgefragten Leistung führen“. „Legt ein Bieter die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften dar und kommt danach als vergaberechtsgemäße Maßnahme die Aufhebung der Ausschreibung in Betracht, weil alle anderen Angebote 6
unvollständig sind, ist der Bieter regelmäßig unabhängig davon im Nachprüfungsverfahren antragsbefugt, ob auch sein Angebot an einem Ausschlussgrund leidet.“10) Ein Schaden drohe nämlich bereits dann, wenn die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können. Es sei nicht nur auf die Möglichkeit abzustellen, den ausgeschriebenen Auftrag gerade in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zu erhalten. Es müsse vielmehr ganz allgemein ein (drohender) Schaden dargelegt werden, für den die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften kausal ist. Es genüge deshalb, wenn es nach dem Vorbringen des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters möglich erscheint, dass das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.
3. Europäischer Gerichtshof – Fastweb Der EuGH bejahte die Antragslegitimation eines auszuscheidenden Bieters ebenso. Laut Fastweb11) ist die Antragslegitimation zu bejahen, wenn Ü die Ordnungsmäßigkeit des Angebots jedes dieser Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen desselben Verfahrens und aus gleichartigen Gründen in Frage gestellt wird.
Ü Denn in einem solchen Fall kann sich jeder Wettbewerber auf ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen berufen, was zu der Feststellung führen kann, dass es dem öffentlichen AG unmöglich ist, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen. Diese Entscheidung sorgte in der bis dahin gefestigten Rsp zur Antragslegitimation für Rechtsunsicherheiten und führt seither zu unterschiedlichen Erkenntnissen der Vergabekontrollgerichte. Mitunter war dies vermutlich auch die Folge der dazu ergangenen Aussendung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst bzw dessen Schlussfolgerungen aus der Entscheidung Fastweb: „So kann wohl insbesondere die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr aufrecht erhalten werden, wonach ein Bieter nicht schutzwürdig ist (und daher nicht geltend machen kann, dass auch andere bzw alle anderen Bieter auszuscheiden gewesen wären), wenn es ihm nicht gelingt, aufgrund einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Ausschreibung ein 3) Vgl für viele VwGH 15. 12. 2006, 2005/04/009; 24. 2. 2010, 2006/ 04/0160; der UVS Burgenland stellte sich dieser Rsp entgegen, 11. 3. 2008, VNP/11/2008.002/066; vgl weiter Walther/Hauck in Heid/Preslmayr (Hrsg), Handbuch Vergaberecht (2010) Rz 1795. 4) BVwG; LVwG. 5) Vgl für viele VwGH 1. 7. 2010, 2009/04/0207; 24. 2. 2010, 2006/ 04/0041; weiters Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel (Hrsg), BVergG 2006 (2012) § 320 Rz 49 ff. 6) BVA 26. 4. 2004, 12N-2/04 – 55; 11. 2. 2006, 15N-128/05 – 34 ua. 7) Vgl Thienel in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG 2006 § 320 Rz 7. 8) Vgl VwGH 11. 11. 2009, 2009/04/0240. 9) Vgl Walther/Hauck in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht Rz 1786. 10) BGH 26. 9. 2006, X ZB 14/06, wonach aus „Gründen des effektiven Rechtsschutzes“ die Antragsbefugnis nur fehlt, wenn offensichtlich keine Rechtsbeeinträchtigung vorliegt. 11) EuGH 4. 7. 2013, C-100/12, Fastweb.
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[V E R G A B E R E C H T ] für den Zuschlag geeignetes Angebot zu legen. [. . .] Nach Ansicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst gilt dies wohl nicht nur in Verfahren mit lediglich zwei Parteien, sondern immer dann, wenn der (präsumtive) Zuschlagsempfänger ein nicht zuschlagsfähiges Angebot gelegt hat und sich der Antragsteller auf ein – mit den Worten des EuGH – ‚berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots des anderen‘ beruft.“12) In der Literatur wurde die Entscheidung zunächst euphorisch aufgenommen.13) Durch das Urteil des EuGH (Fastweb) werde „der bisher unbefriedigenden Situation entgegengewirkt, dass ein Bieter den Zuschlag auch dann erhält, wenn in Bezug auf sein eigenes Angebot ein Ausscheidensgrund verwirklicht ist“.14) Die „Revolution“ der Antragslegitimationsjudikatur blieb bislang aber weitgehend aus.15)
B. Fallgruppen der bisherigen Judikatur zu Fastweb Ob und unter welchen Voraussetzungen die Antragslegitimation iS der Entscheidung Fastweb anzuwenden ist, wurde von der Rsp bislang uneinheitlich beantwortet. Die Rsp hat folgende Fallgruppen gebildet:
1. Mehrere nicht auszuscheidende Bieter verbleiben im Verfahren Die Vergleichbarkeit mit der Entscheidung Fastweb wurde überwiegend dann abgelehnt, wenn neben den Angeboten des ZE und ASt weitere Angebote im Verfahren vorhanden waren. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverhalt nicht vergleichbar sei, wenn mehr als zwei Angebote vorliegen.16) Die Antragslegitimation sei hingegen gegeben, wenn „bei der gebotenen Gleichbehandlung der Bieter hinsichtlich gleichartiger Ausscheidensgründe kein zuschlagsfähiges Angebot verblieben wäre und der Auftraggeber seine Ausschreibung daher zwingend widerrufen hätte müssen. [. . .] Sind jedoch Bieter im Vergabeverfahren verblieben, deren Angebote nicht auszuscheiden sind, so ist die Frage, ob der präsumtive Zuschlagsempfänger allenfalls auszuscheiden wäre, für den auszuscheidenden Antragsteller rechtlich irrelevant, weil er kein schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung der Frage haben kann, ob der Zuschlag an den präsumtiven Zuschlagsempfänger ergeht oder auf ein anderes im Vergabeverfahren verbliebenes zuschlagsfähiges Angebot zugeschlagen wird“.17) Vereinzelt blieb demgegenüber die Rechtsansicht, dass „das Urteil des EuGH in der Sache Fastweb dahingehend auszulegen ist, dass die Antragslegitimation eines auszuscheidenden Bieters jedenfalls zu bejahen ist, wenn der präsumtive Zuschlagsempfänger ebenfalls auszuscheiden wäre“.18) Dies unabhängig davon, ob im Verfahren weitere Bieter verblieben sind. Dass in jedem Fall dann die Antragslegitimation gegeben sei, wenn der präsumtive ZE auszuscheiden ist, ist dem Wortlaut der Entscheidung Fastweb nicht eindeutig zu entnehmen. Wenngleich auch der VfGH die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter bei der Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem Vergaberechtsschutz als im öfZVB [2015] 01
fentlichen Interesse gelegen erachtet,19) wäre eine generelle Antragslegitimation für den Fall, dass der präsumtive ZE auszuscheiden ist, allenfalls aus dem Primärrecht und dem unionsrechtlich geforderten wirksamen und effektiven Rechtsschutz ableitbar. „Bieter sollen vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers geschützt werden und es sollen Mechanismen geschaffen werden, um die effektive Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu verstärken. Ein solcher Schutz kann nicht effektiv sein, wenn sich der Bieter gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht auf diese Vorschriften berufen kann.“20) Dem steht jedoch entgegen, dass der Vergaberechtsschutz nur der Durchsetzung subjektiver Rechte und nicht der Kontrolle der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens diene.21) Dies führt (auch nach Fastweb) zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass dann, wenn nicht auszuscheidende Bieter im Verfahren verbleiben und das Verfahren nicht zu wiederrufen ist, die Zuschlagsentscheidung von der ASt mangels Antragslegitimation auch dann nicht bekämpfbar ist, wenn das Angebot der präsumtiven ZE ebenso auszuscheiden ist.22) Denkbar wäre es, das Interesse an der Beantwortung der Frage, ob der Zuschlag an den präsumtiven ZE ergeht, allenfalls aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu begründen. Ein Bieter hat naturgemäß kein Interesse daran, dass der Zuschlag einem Wettbewerber erteilt wird, obwohl dessen Angebot auszuscheiden wäre und er den Auftrag nicht erhalten dürfte. Etwaige sich daraus ergebende wettbewerbsrechtliche Verstöße müsste der Bieter jedoch vor den Zivilgerichten geltend machen, die jedoch gem § 341 Abs 2 BVergG die Feststellung von Vergaberechtswidrigkeiten durch die Verwaltungsgerichte voraussetzten. Diese kann der Bieter mangels Antragslegitimation aber nicht erwirken, weshalb der OGH23) zwar die Voraussetzung eines Feststellungsbescheids (nunmehr 12) BKA 24. 7. 2013, BKA-VA.C-100/12/0001-V/7/2013. 13) Vgl Rihs/Steiner, Fastweb: (R)Evolution der Antragslegitimation? ZVB 2014/3; Stickler, Die Antragslegitimationsjudikatur ist (teilweise) Geschichte! Paradigmenwechsel zu Gunsten der Bieter durch EuGH „Fastweb“? http://vergabeblog.manz.at 14) BVA 19. 8. 2013, N/0073-BVA/06/2013 – 77 ZVB 2014/5 (Prünster). 15) BVwG 28. 4. 2014, W134 2004838 – 1 ZVB 2014/85 (Grasböck). 16) Vgl BVwG 16. 4. 2014, W187 2003334 – 1: „Auf den vorliegenden Fall lässt sich dieses Urteil nicht übertragen, da sich acht Bieter daran beteiligten.“; BVwG 2. 7. 2014, W123 2007789 – 1: „Im gegenständlichen Vergabeverfahren verbleibt jedoch – selbst nach einem allfälligen Ausscheiden der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin – jedenfalls noch ein weiteres Angebot, das von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden wurde.“; so auch 24. 7. 2014, W138 2008591 – 1. 17) LVwG Wien 13. 3. 2014, VGW-123/077/10237/2014. 18) Vgl LVwG Vorarlberg 7. 8. 2014, LVwG-314 – 002/S 1 – 2014, dort waren ein 3. und 4. Bieter im Verfahren verblieben. 19) Vgl VfGH 15. 10. 2001, B 1369/01 ua. 20) VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0173. 21) Vgl VwGH 6. 3. 2013, 2010/04/0037. 22) Vgl BVA 19. 8. 2013, N/0073-BVA/06/2013 – 77 ZVB 2014/5 (Prünster). 23) OGH 28. 2. 2012, 4 Ob 216/11 k: „Da das Vergaberecht für die Klägerin somit keinen geeigneten Rechtsschutz bereitstellt, ist § 341 Abs 2 BVergG 2006 teleologisch zu reduzieren, das heißt das Erfordernis eines Feststellungsbescheids für die Zulässigkeit der gerichtlichen Verfolgung von Lauterkeitsverstößen auf jene zu beschränken, die zur Einleitung vergaberechtlicher Feststellungs- oder Nachprüfungsverfahren legitimiert sind.“; Schuhmacher/Glanzer, Be-
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[V E R G A B E R E C H T ] -erkenntnis) auf jene Kl einschränkt, die zur Einleitung vergaberechtlicher Feststellungs‑ oder Nachprüfungsverfahren legitimiert sind. Wenn aber bereits der VfGH24) den effektiven Vergaberechtsschutz bei den (nunmehr) Verwaltungsgerichten angesiedelt gesehen hat, ist – worauf auch Grasböck25) zutreffend hinweist – fraglich, ob der effektive Rechtsschutz gewährleistet ist, wenn die Bieter auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind. Auch wenn man zu dem Ergebnis gelangt, dass ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen immer dann besteht, wenn auch nur ein Angebot der Wirtschaftsteilnehmer auszuscheiden ist, ist daraus allein noch kein für die Bejahung der Antragslegitimation notwendiger drohender Schaden ableitbar. Unabhängig von der Anzahl der Bieter und ob deren Angebot sowie das Angebot des ASt auszuscheiden sind, wird es bei der Prüfung, ob ein Schaden vorliegt, nur darauf ankommen, ob es dem öffentlichen AG möglich ist, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen. Ist es dem AG unmöglich, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen, hat er das Verfahren zu widerrufen. Dies ist zwingend dann der Fall, wenn sämtliche Angebote auszuscheiden sind. Aber nicht nur zwingende Widerrufsgründe können dazu führen, dass keinem Angebot der Zuschlag erteilt werden kann. Auch dann, wenn für einen besonnenen AG der (fakultative) Widerruf des Verfahrens die einzig sinnvolle Handlungsalternative darstellt, kann es dem AG objektiv unmöglich sein, einem Angebot den Zuschlag zu erteilen.26) Der Schaden liegt im Verlust der Teilnahmemöglichkeit an einem neuen Vergabeverfahren, weshalb die Antragslegitimation in diesen Fällen zu bejahen sein wird.27)
2. Gleichartige Gründe Rsp dazu, ob die Angebote jedes der Wirtschaftsteilnehmer aus denselben Gründen oder gleichartigen Gründen auszuscheiden sind, fehlt weitgehend; die vorliegende Rsp ist uneinheitlich. Das BVA28) bejahte die Antragslegitimation bei unterschiedlichen Ausscheidensgründen der ASt und der präsumtiven ZE. Der drohende Schaden bestehe im Verlust der Teilnahmemöglichkeit an einem neuen Vergabeverfahren über den gleichen Auftragsgegenstand und damit einhergehend im Verlust der Möglichkeit einer allfälligen Zuschlagserteilung im Folgeverfahren. Dass es nicht darauf ankommen kann, welche Ausscheidensgründe vorliegen, verdeutlicht ein Vergabeverfahren, bei dem zunächst einer von zwei Bietern ausgeschieden wurde und nach Rechtskraft der Ausscheidensentscheidung die Rahmenvereinbarung mit dem verbliebenen Bieter abgeschlossen wurde. Einer der Bieter wurde gem § 129 Abs 1 Z 3, 5, 7 und Abs 2 BVergG ausgeschieden. Der ausgeschiedene Bieter bekämpfte zunächst die Ausscheidensentscheidung. Das BVwG29) bestätigte das Ausscheiden nach § 129 Abs 1 Z 5 BVergG und prüfte (aus prozessökonomischen Gründen) die anderen Ausscheidensgründe nicht. Nach Rechtskraft der Ausscheidensentscheidung wurde mit dem verbliebenen Bieter die Rahmenverein8
barung abgeschlossen. Der ausgeschiedene Bieter bekämpfte auch diese. Das BVwG30) verneinte die Antragslegitimation unter anderem mit der Begründung, dass nicht die gleichen Ausscheidensgründe festgestellt worden seien. Beim verbliebenen Bieter sei der Ausscheidensgrund des § 129 Abs 1 Z 5 BVergG nicht festgestellt worden; die sonstigen Ausscheidensgründe seien nicht mehr festzustellen. Das BVwG prüfte somit nicht, ob die restlichen Ausscheidensgründe des § 129 Abs 1 Z 3, 7 und Abs 2 BVergG beim verbliebenen Bieter vorlagen, obwohl die ASt aus diesen Gründen ausgeschieden wurde. Würde es tatsächlich darauf ankommen, ob die Ausscheidensgründe gleich sind, hätte das BVwG alle behaupteten bzw herangezogenen Ausscheidensgründe prüfen müssen, andernfalls ist der Vergleich, ob gleichartige Gründe vorliegen, nicht möglich. Unabhängig davon, ob das BVwG die Ausscheidensentscheidung im Verfahren gegen die Ausscheidensentscheidung bereits aus anderen Gründen bestätigt hat, müsste die Prüfung der Gleichartigkeit bzw müssten somit die Ausscheidensgründe erneut geprüft werden, um eine Umgehung zu verhindern. Andernfalls wäre eine Umgehung bzw ein Abschneiden des Rechtsschutzes leicht dadurch denkbar, indem von mehreren Ausscheidensgründen nur jene herangezogen werden, die beim jeweils anderen Bieter nicht vorliegen. Diesfalls wäre es dem AG wiederum möglich, willkürlich zwischen Ausscheidensgründen und Angeboten auszuwählen. Dies steht freilich in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Richtliniengebot des raschen Nachprüfungsverfahrens und zur Rsp, wonach das Gericht nicht ersatzweise die Angebote zu prüfen hat. Wenn aber die Antragslegitimation schon von vorneherein abgelehnt wird, kommt es erst gar nicht zu einem Nachprüfungsverfahren. Abgesehen davon kommt es auf das Interesse am Vertragsabschluss bzw darauf an, ob ein Schaden entstanden ist bzw droht. Da der Schadensbegriff alle Beeinträchtigungen der Möglichkeit, am Vergabeverfahren teilzunehmen und den Zuschlag zu erhalten, umfasst, ist wesentlich, ob das Verfahren zu widerrufen ist und ob dem Bieter die Teilnahmemöglichkeit an einem neuen Vergabeverfahren genommen wird. Aus welchen Gründen das Angebot des präsumtiven ZE auszuscheiden ist, hat auf das Ergebnis dieser Prüfung keinen Einfluss. Wird dem Bieter die Teilnahmemög-
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schränkungen des Rechtsschutzes nach UWG im Fall von Vergabeverstößen? ZVB 2011, 401 ff. Vgl VfGH 28. 11. 2002, B 1160/00. Vgl BVwG 28. 4. 2014, W134 2004838 – 1 ZVB 2014/85 (Grasböck). Vgl AB 1118 BlgNR 21. GP 54; OGH 3. 2. 2000, 2 Ob 20/00 f; weiters Stickler/Zellhofer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG 2006 §§ 138, 139 Rz 37, wonach strittig ist, ob deutlich unangemessene Preise den AG zu einem Widerruf nicht nur berechtigen, sondern auch verpflichten. So beispielsweise in BVA 19. 8. 2013, N/0073-BVA/06/2013 – 47, wobei dort auch fakultative Widerrufsgründe festgestellt wurden. BVA 19. 8. 2013, N/0073-BVA/06/2013 – 47: Die ASt wäre nach § 129 Abs 1 Z 7 BVergG, die präsumtive ZE nach § 129 Abs 1 Z 9 BVergG auszuscheiden gewesen. BVwG 31. 1. 2014, W139 2000171 – 1 ZVB 2014/40; VwGH 25. 3. 2014, Ra 2014/04/0001. BVwG 8. 8. 2014, W139 2006041 – 2.
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3. Zweistufiger Rechtsschutz (Ausscheidensentscheidung – Zuschlagsentscheidung) Die Entscheidung Fastweb lässt offen, zu welchem Zeitpunkt ein berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots der jeweils anderen geltend gemacht werden kann bzw ob sich daraus ein Recht auf Widerruf des Vergabeverfahrens ergibt.31) Insbesondere ist offen, ob die Grundsätze der Entscheidung Fastweb bereits bei Nachprüfung der Ausscheidensentscheidung heranzuziehen sind oder erst bei Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung. In der Praxis wirddie Ausscheidensentscheidung nicht zwingend gleichzeitig mit der Zuschlagsentscheidung gefällt. Ergehen die Entscheidungen gleichzeitig, ergeben sich keine weiteren faktischen Probleme. Fallen die Entscheidungen jedoch zeitlich auseinander, erleidet der ausgeschiedene Bieter ein Informationsdefizit, da er als nicht mehr Beteiligter des Vergabeverfahrens gilt und auch von der Zuschlagsentscheidung nicht mehr zu informieren ist. Der VwGH32) hatte bereits Gelegenheit, sich dazu zu äußern oder die Sache dem EuGH zur Klarstellung vorzulegen, wies die außerordentliche Revision jedoch zurück. Die behauptete fehlende Rsp zur Unterlassung des zwingend gebotenen Widerrufs sei nicht relevant, weil Sache des Nachprüfungsverfahrens alleine die Rechtmäßigkeit der bekämpften Ausscheidensentscheidung sei.33) Der ausgeschiedene Bieter erhält ab Rechtskraft der Ausscheidensentscheidung keine weiteren Kenntnisse über die Zuschlagsentscheidung. Selbst wenn ausgeschiedenen Bietern die Antragslegitimation iS der Entscheidung Fastweb zukommen sollte, wird es diesen Bietern mangels entsprechender Kenntnisse schwer möglich sein, rechtzeitig vergaberechtliche Rechtsschutzmittel zu ergreifen. Eine etwaige Antragslegitimation zur Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung wäre für diese Bieter mangels Kenntnissen über die Zuschlagsentscheidung faktisch wertlos. „Der unionsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz [. . .] setzt voraus, dass den betroffenen Bietern die Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nicht nur bekannt gegeben wird, sondern dass sie anhand ihrer Begründung auch in die Lage versetzt werden, rechtzeitig eine wirksame Nachprüfung dieser Entscheidung in die Wege zu leiten.“34) Die Bieter müssen „in die Lage versetzt werden, rechtzeitig eine wirksame Nachprüfung [. . .] in die Wege zu leiten“.35) Nur unter dieser Prämisse hält der EuGH das österreichische System der Präklusion für zulässig. Der EuGH geht nämlich davon aus, dass nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen im Rahmen der Nachprüfung der nächstfolgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung geltend gemacht werden können und so durch vorläufige Maßnahmen rechtzeitig und effektiv beseitigt und verhindert werden können.36) Auf den bedenklichen Verlust des effektiven Rechtsschutzes bei intransparenten Vergabeverfahren haben Grasböck/ ZVB [2015] 01
Gruber37) bereits hingewiesen. Grasböck38) hat zudem zutreffend festgehalten, dass der ausgeschiedene Bieter „mit der seinen effektiven Vergaberechtsschutz abschneidenden Intransparenz derart konfrontiert“ ist, dass er keinerlei Kenntnisse darüber erhält, die es ihm ermöglichen würde, zu prüfen, ob der Auftrag vergabekonform vergeben wird, was „gesteigert unfair“ erscheint. Laut RechtsmittelRL hat die Zuschlagsentscheidung an alle betroffenen Bieter zu ergehen, wobei nur jene Bieter betroffen sind, die nicht endgültig ausgeschlossen wurden.39) Die dieser Bestimmung zugrunde liegenden Wertungen können für diesen Fall aber nicht gegeben sein. Wenn einem Bieter trotz des Ausscheidens seines Angebots die Antragslegitimation zur Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung zukommt, muss er auch in die Lage versetzt werden, rechtzeitig eine wirksame Nachprüfung dieser Entscheidung in die Wege zu leiten. Die Werthaftigkeit des Rechtsschutzverfahrens ist jedoch dann nicht gegeben, wenn der Bieter keine Kenntnisse von der Zuschlagsentscheidung erhält. Ob dieses Informationsdefizit mit den primärrechtlichen Grundsätzen der Effektivität und Wirksamkeit des Rechtsschutzes in Einklang zu bringen ist, ist daher fraglich.
C. Conclusio Die bisher dazu ergangene Judikatur verneinte weitgehend die Vergleichbarkeit mit der Entscheidung Fastweb oder kam zu dem Ergebnis, dass die dort aufgestellten Voraussetzungen für die Bejahung der Antragslegitimation nicht vorliegen. Die von der Judikatur entwickelten Voraussetzungen für die Bejahung der Antragslegitimation iS der Entscheidung Fastweb vermögen nicht durchgehend zu überzeugen. Insbesondere, ob es auf die Gleichartigkeit der Ausscheidensgründe ankomme, ist fraglich. Die Antragslegitimation ist nach stRsp dann zu bejahen, wenn der ASt ein Interesse behauptet und ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Interesse besteht und ein Schaden droht iS der Entscheidung Fastweb (und des BGH sowie der früheren Rsp der Vergabekontrollbehörden) dann, wenn dem Bieter die Teilnahmemöglichkeit an einem neuen 31) So etwa der UVS Kärnten 7. 10. 2013, KUVS-K9 – 1867/16/2013, wonach die Grundsätze der Entscheidung Fastweb, auf das österreichische Recht angewendet, dem ASt ein Recht auf Widerruf einräumen. 32) VwGH 25. 3. 2014, Ra 2014/04/0001. 33) Vgl dazu auch VwGH 28. 1. 2004, 2003/04/0134, wonach erforderlichenfalls Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet zu lassen sind, um die Rechte, die das Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen einräumt, zu schützen. Dort kam der VwGH zu dem Ergebnis, dass die Bestimmung, mit der die Teilung der Entscheidungen in gesondert anfechtbare und nicht gesondert anfechtbare normiert ist, unangewendet zu lassen war. 34) VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0173; EuGH 4. 7. 2013, C-100/12, Fastweb; vgl weiters BVA 19. 8. 2013, N/0073-BVA/06/2013 – 47. 35) VwGH 9. 4. 2013, 2011/04/0173. 36) Vgl R. Madl in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht Rz 2059; EuGH 12. 12. 2002, C-470/99, Universale-Bau ua. 37) Grasböck/Gruber, Unzureichender Rechtsschutz bei intransparenten Vergabeverfahren mit nur einem Bieter, ZVB 2012/113; weiters VwGH 1. 7. 2010, 2009/04/0129 ZVB 2012/113 (Schramm/Mittermayr). 38) Grasböck/Gruber, Fastweb-Euphorie: unbegründet? ZVB 2014/85. 39) Vgl beispielsweise Art 2 a Abs 2 RL 2007/66/EG.
Ü Johannes Schramm und Hannes Pesendorfer Ü Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz
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[V E R G A B E R E C H T ] Vergabeverfahren genommen wird. Dies ist dann der Fall, wenn Ü der präsumtive ZE auszuscheiden ist und Ü es dem öffentlichen AG unmöglich ist, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen.
Dem öffentlichen AG ist es dann unmöglich, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen, wenn das Vergabeverfahren zu widerrufen ist. Wie viele Angebote im Verfahren verblieben sind, ist unerheblich, wenn es dem AG nicht möglich ist, ein Angebot auszuwählen. Darauf, ob gleichartige Ausscheidensgründe vorliegen, kommt es nicht an. Aus welchen Gründen die Angebote auszuscheiden sind bzw ausgeschieden wurden, hat auf die Frage, ob dem Bieter die Teilnahmemöglichkeit an einem neuen Vergabeverfahren genommen wurde bzw ob das Verfahren zu widerrufen ist und ob ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, keinen Einfluss. Ob dem ASt die Antragslegitimation zukommt, ist vom Gericht als Vorfrage von Amts wegen zu prüfen. Im Rahmen dessen hat das Verwaltungsgericht auch nicht herangezogene, sich offenkundig aus den Akten ergebende Ausscheidensgründe heranzuziehen. Davon zu unterscheiden ist die Prüfung, ob der präsumtive ZE auszuscheiden ist. Dies wird auf Basis des Vorbringens des ASt im Rahmen des amtswegig festzustellenden maßgeblichen Sachverhalts zu ermitteln sein, erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen.40) Die Antragslegitimation wird daher nicht schon deshalb zu verneinen sein, wenn sich nicht offenkundig aus den Akten ergibt, dass der prä-
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sumtive ZE auszuscheiden ist. Es mag sein, dass den Gerichten nicht die Kontrolle der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens obliegt und Nachprüfungsverfahren rasch durchzuführen sind. Wird ausgeschiedenen Bietern die Antragslegitimation aber per se abgesprochen, dürfte das Gericht die Zuschlagsentscheidung selbst dann nicht aufheben, wenn der präsumtive ZE offenkundig auszuscheiden ist. „Sehenden Auges“ wären Vergaberechtswidrigkeiten nicht bekämpfbar, was dem unionsrechtlich geforderten effektiven Rechtsschutz kaum entsprechen dürfte. Im Sinne eines wirksamen und effizienten Rechtsschutzes wäre es wünschenswert, die Prüfung der Antragslegitimation nicht zu restriktiv durchzuführen und die Antragslegitimation immer dann zu bejahen, wenn sich anhand eines schlüssigen und konkreten Vorbringens die Möglichkeit ableiten lässt, dass es dem AG unmöglich ist, einem Angebot den Zuschlag zu erteilen. Vor allem dann, wenn nur (mehr) zwei Bieter vorhanden sind und einer davon ausgeschieden wird, könnte die Antragslegitimation grundsätzlich bejaht werden, um einem etwaigen strategischen Ausscheiden vorzubeugen. Um ein rasches Verfahren zu gewährleisten, könnte sich die Prüfung, ob es dem AG unmöglich ist, ein Angebot auszuwählen, auf das substantiierte und konkrete Vorbringen des ASt beschränken, was beispielsweise bei bloß zwei Bietern jedenfalls zu keiner Verlängerung des Verfahrens führen würde.
40) Vgl VwGH 25. 9. 2012, 2008/04/0054.
Ü In Kürze
Ü Zum Thema
Die Entscheidung Fastweb hat bislang keine wesentliche Änderung der Antragslegitimationsjudikatur herbeigeführt. Stattdessen herrscht Rechtsunsicherheit, ob und unter welchen Voraussetzungen die Antragslegitimation iS der Entscheidung Fastweb vorliegt. Ein Schaden wird dem ausgeschiedenen oder auszuscheidenden Bieter dann nicht abzusprechen sein, wenn der präsumtive Zuschlagsempfänger auszuscheiden ist und es dem öffentlichen Auftraggeber unmöglich ist, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen. Sofern der Antragsteller zusätzlich ein Interesse am Vertragsabschluss behauptet (was in der Regel unproblematisch ist), wird die Antragslegitimation nicht auszuschießen sein.
Über die Autoren: Dr. Johannes Schramm ist Partner in der Kanzlei Schramm Öhler Rechtsanwälte in Wien. Kontaktadresse: Schramm Öhler Rechtsanwälte, Bartensteingasse 2, 1010 Wien. Mag. Hannes Pesendorfer ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Schramm Öhler Rechtsanwälte in Wien. Kontaktadresse: Schramm Öhler Rechtsanwälte, Bartensteingasse 2, 1010 Wien. Internet: www.schramm-oehler.at
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Ü Johannes Schramm und Hannes Pesendorfer Ü Antragslegitimation oder effektiver Rechtsschutz
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ZVB [2015] 01
[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ]
Umfang eines Gewerbes: Eingeschränktes Gewerbe und Montagerecht als Nebenrecht Anmerkungen zum Erk des BVwG vom 23. 6. 2014 Das BVwG hat in einem Erkenntnis die Grenzen des Montagerechts als Nebenrecht weit ausgelegt. Auch bei der Bestimmung des Umfangs eines eingeschränkten Gewerbes hat sich das BVwG großzügig verhalten. Das Erkenntnis wird hier im Rahmen einer umfassenden systematischen Auslegung der GewO kritisch beleuchtet. Von Christoph Wiesinger
ZVB 2015/4 §§ 29, 32, 150 Abs 19 GewO BVwG 23. 6. 2014, W134 2008035 – 2 Befugnis;
Inhaltsübersicht: A. Der Anlassfall B. Umfang einer eingeschränkten Gewerbeberechtigung 1. Systematik der GewO 2. Anmeldung eines Gewerbes 3. Umfang eines eingeschränkten Metalltechnikgewerbes a) § 29 GewO b) § 150 Abs 19 GewO C. Umfang des Montagerechts (§ 32 Abs 1 Z 6 GewO) D. Schlussbemerkung
A. Der Anlassfall Der der Entscheidung1) zugrunde liegende Sachverhalt ist recht einfach: Die ASFINAG schrieb die Errichtung von Wildschutzzäunen aus, wobei das Material für den Zaun vom AN zu liefern und auf ebenfalls zu errichtende Steher zu montieren war. Einer der Bieter hatte folgende Gewerbeberechtigungen: Ü Schlosser (mittlerweile „Metalltechnik für Metallund Maschinenbau“), eingeschränkt auf die Montage von Leitschienen; Ü Handelsgewerbe. Die ASFINAG schied diesen Bieter wegen fehlender Befugnis aus; dieser rief das BVwG an und jenes erklärte die Zuschlagsentscheidung an einen anderen Bieter für nichtig. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Tätigkeit bei der Errichtung von Leitschienen in etwa die gleiche wie bei der Errichtung von Wildschutzzäunen sei, weshalb unter Beachtung von § 29 GewO die Befugnis gegeben sei. Selbst bei Verneinung dieser Rechtsansicht könnte sich der Bieter auf seine Handelsgewerbeberechtigung iVm dem Montagerecht (§ 32 Abs 1 Z 6 GewO) stützen und damit die Leistung erbringen. In der bisherigen Literatur ist dieses Erk im Wesentlichen auf Zustimmung gestoßen. Grasböck lobt es vorbehaltslos;2) Oberzaucher/Lauchner sind zwar etwas vorsichtiger, stimmen dem Ergebnis letztlich aber zu.3) Diese Zustimmung vermag der Autor nicht einmal in Ansätzen zu teilen, wie im Folgenden dargelegt werden soll. ZVB [2015] 01
B. Umfang einer eingeschränkten Gewerbeberechtigung 1. Systematik der GewO
Umfang einer Gewerbeberechtigung; Montagerecht
Die GewO kennt seit der GewRNov 2002 BGBl I 2002/ 111 folgende Einteilung der Gewerbe (§ 5 GewO): Ü Reglementierte Gewerbe: das sind alle ausdrücklich in § 94 GewO als reglementierte Gewerbe normierten Gewerbe. Diese unterteilen sich nochmals in Handwerke und sonstige reglementierte Gewerbe, wobei diese Unterteilung für das im Folgenden zu behandelnde Problem unerheblich ist. Auch die Teilgewerbe (§ 31 GewO) sind in gewisser Weise den reglementierten Gewerben zuzurechnen, sollen aber im Folgenden ebenfalls außer Betracht bleiben, weil sie für den Umfang einer eingeschränkten Gewerbeberechtigung ebenfalls keine Bedeutung haben. Ü Freie Gewerbe sind alle Gewerbe, die keine reglementierten Gewerbe sind. Der wesentliche Unterschied zwischen den reglementierten Gewerben (samt Teilgewerben) und den freien Gewerben ist, dass für die Anmeldung eines reglementierten Gewerbes ein Befähigungsnachweis erforderlich ist, für die Anmeldung eines freien Gewerbes hingegen nicht (§ 5 Abs 2 GewO). Der Befähigungsnachweis ist allgemein in § 18 GewO geregelt und ist durch V des BMWFW für jedes Gewerbe gesondert festzulegen; er besteht in aller Regel aus einer Kombination von Prüfung und Praxiszeiten. Daneben lässt § 19 GewO auch einen individuellen Befähigungsnachweis (bis zur GewRNov 2002 „Nachsicht“) zu, bei dem die Gewerbebehörde die Befähigung – wie schon der Name sagt – individuell festzustellen hat. Kann dieser individuelle Befähigungsnachweis nur für Teiltätigkeiten erbracht werden, hat die Gewerbebehörde die Beschränkung auf Teiltätigkeiten festzustellen (§ 19 Satz 2 GewO). Das bedeutet, dass einem eingeschränkten Gewerbe jene Tätigkeiten, die nicht einmal dem im vollen Um1) BVwG 23. 6. 2014, W134 2008035 – 2 ZVB 2014/100 (Grasböck) = RPA 2014, 289 (Oberzaucher/Lauchner) = bbl 2014, 225. 2) Grasböck, BVwG: GewO – Anwendung, sachgerecht, ZVB 1014/ 100, 335. 3) Oberzaucher/Lauchner, Auch ein einschränkender Gewerbewortlaut ist liberal auszulegen, RPA 2014, 289 (291).
Ü Christoph Wiesinger Ü Umfang eines Gewerbes: Eingeschränktes Gewerbe und Montagerecht als Nebenrecht
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[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] fang angemeldeten reglementierten Gewerbe zukommen, auch nicht zukommen können. Der Unterschied zwischen einem Teilgewerbe und einem eingeschränkten Gewerbe ist, dass das Teilgewerbe gewissermaßen ein standardisierter Fall des eingeschränkten Gewerbes ist, bei dem die Einschränkung standardisiert ist und damit der Befähigungsnachweis in einer zwar vereinfachten, aber nicht mehr individuellen Form erbracht werden muss.
ter selbst bei der Gewerbeanmeldung so gewählt; wer einen größeren Umfang anbieten will, muss auch einen größeren Umfang anmelden. Auch die einschlägigen Rechtsvorschriften führen hier nicht weiter; in Betracht kommt hier ohnehin nur § 150 Abs 19 GewO, der sich aber mit der Abgrenzung des Metalltechnikers für Metall- und Maschinenbau zum Baumeister beschäftigt, nicht aber mit eingeschränkten Gewerbeberechtigungen innerhalb des Gewerbes Metalltechnik, und insoweit keinen Zweifelsfall aufwirft.
2. Anmeldung eines Gewerbes „Wer ein Gewerbe ausüben will, hat die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten“ (§ 339 Abs 1 GewO). Dies gilt nicht nur für reglementierte, sondern auch für freie Gewerbe. Bei der Anmeldung hat der Anmelder die genaue Bezeichnung des Gewerbes anzugeben (§ 339 Abs 2 GewO). Aufgrund dieser Anmeldung hat die Gewerbebehörde die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes zu prüfen; sind diese gegeben, hat sie den Anmelder in das Gewerberegister einzutragen und den Anmelder davon zu verständigen (§ 340 Abs 1 GewO). Sind die Voraussetzungen nicht gegeben, hat sie den Antrag bescheidmäßig abzuweisen (§ 340 Abs 3 GewO). Für bestimmte Gewerbe muss die Anmeldung in jedem Fall bescheidmäßig bewilligt werden (§ 340 Abs 2 GewO), was aber für den Umfang der Gewerbeberechtigung keine Rolle spielt4) und daher im Folgenden außer Betracht bleiben soll.
3. Umfang eines eingeschränkten Metalltechnikgewerbes a) § 29 GewO
Der Umfang aller Gewerbeberechtigungen wird in § 29 GewO in zwei Schritten geregelt: Ü In erster Linie ist – der Wortlaut des Gewerbes – im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften (das wäre im Anlassfall § 150 Abs 19 GewO) einschlägig.5) Ü Nur in Zweifelsfällen ist nach den übrigen Kriterien des § 29 GewO vorzugehen. Der dogmatische Kritikpunkt am Erk des BVwG ist in diesem Punkt also, dass dieses nicht darlegt, worin der Zweifelsfall bestehen soll, sondern ohne dessen Vorliegen zur Prüfung des Gewerbeumfangs sofort die weiteren Auslegungskriterien des § 29 Satz 2 GewO anzieht. Zu einer vorschnellen Interpretation des Zweifelsfalls ist aber auf § 349 Abs 3 GewO zu verweisen, der in solchen Fällen die Behörde verpflichtet, ein Verwaltungsverfahren zu unterbrechen und ein Umfangsverfahren nach § 349 GewO beim BMWFW einzuleiten.6) Der Zweifelsfall muss also schon ein gravierender sein und lässt sich mE nicht allein mit dem liberalen Geist der GewRNov 2002 begründen, zumal die Regelung nahezu wortgleich bereits in § 29 GewO 1973 enthalten war. Der vom Gesetz geforderte Zweifelsfall liegt mE hier vielmehr nicht vor. Die Einschränkung des Gewerbeumfangs auf die Errichtung von Leitschienen ist aus dem Wortlaut ziemlich klar erkennbar und der Wortlaut – siehe die Ausführungen unter 2. – wurde auch vom Bie12
b) § 150 Abs 19 GewO
Auch bei der Auslegung des § 150 Abs 19 GewO verkennt das BVwG die grundsätzliche systematische Stellung dieser Bestimmung. Dazu ist auf den Gewerbeumfang des Baumeisters zu verweisen, der in § 99 GewO geregelt wird; dieser unterscheidet zwischen der Planung und Berechnung (§ 99 Abs 1 Z 1 GewO), der Leitung (§ 99 Abs 1 Z 2 GewO) und der tatsächlichen Ausführung (§ 99 Abs 1 Z 3 GewO). Das Bauleitungsrecht ist offenbar jener Bereich, der in der Praxis am meisten Schwierigkeiten hervorruft. „Unter ‚Leitung‘ sind Maßnahmen zu verstehen, die darauf abzielen, dass ein Bau entsprechend den geltenden Vorschriften und in Übereinstimmung mit den Planunterlagen ausgeführt wird; Leitung setzt eine Anordnungsbefugnis voraus.“ 7) Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Recht zur Bauleitung in § 99 Abs 1 Z 2 GewO ausdrücklich genannt wird und diese Ziffer auch keine anderen Berechtigungen regelt, muss daher darunter etwas anderes zu verstehen sein als unter Planung, Berechnung und Ausführung, weil diese Tätigkeiten in einem Absatz, aber doch in verschiedenen Ziffern geregelt werden. Noch deutlicher wird dies, wenn man die Bestimmung zur Bauleitung für den Holzbau-Meister betrachtet. „Die im Abs 1 angeführten Arbeiten darf der Holzbau-Meister, wenn die Mitwirkung verschiedener Baugewerbe erforderlich ist [. . .], nur unter der Leitung eines Baumeisters ausführen“ (§ 149 Abs 3 GewO). Nun ist unter Beachtung des eben Ausgeführten die Regelung in § 150 Abs 19 GewO zu interpretieren: Der erste Satz dieser Bestimmung stellt nur klar, dass die Bauleitung dem Baumeister zukommt, die Ausführung der Metallbauarbeiten hingegen dem Metalltechniker. Der zweite Satz der Bestimmung regelt nur, dass bei einfachen Arbeiten der Metalltechniker nicht unter der Bauleitung des Baumeisters tätig werden muss (aber kann). Mit keinem Wort wird dabei aber der in § 99 Abs 1 Z 3 GewO geregelte Vorbehaltsbereich des Baumeisters zur Ausführung von Hochund Tiefbauarbeiten angesprochen. Die Regelung in § 150 Abs 19 GewO erweitert daher nicht den Umfang der ausführenden Arbeiten des Metalltechnikers, sie schränkt nur den Vorbehaltsbereich des Baumeisters bei derartigen Arbeiten hinsichtlich der Lei4) Zur Bedeutung eines Bescheides bei nachträglicher Einschränkung des Gewerbeumfangs vgl VwGH 12. 6. 2013, 2011/04/0186 ZVB 2013/141 (Wiesinger). 5) Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 (2011) § 29 Rz 4. 6) Zur diesbezüglichen Problematik näher: Wiesinger, Berührungspunkte von Gewerberecht und Vergaberecht. Teil 1 – Einführung und Gesamtdarstellung, ZVB 2008/79, 304. 7) Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 § 99 Rz 10.
Ü Christoph Wiesinger Ü Umfang eines Gewerbes: Eingeschränktes Gewerbe und Montagerecht als Nebenrecht
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[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] tung ein. Daher sind auch die Ausführungen zu den ei-
gentlich dem Baumeister vorbehaltenen Grabungsarbeiten des BVwG völlig unzutreffend. Solche Arbeiten dürfte der Metalltechniker nur im Rahmen der Vor-, Vollendungs- und Ergänzungsarbeiten (§ 32 Abs 1 Z 1 GewO) erbringen, wobei laut Sachverhalt der Umfang dieser Arbeiten 15% betrug, was nach der hM ein Anteil ist, der nicht mehr unter § 32 Abs 1 Z 1 GewO fällt.8) Nachdem dies schon für das uneingeschränkt angemeldete Gewerbe gilt, gilt dies gleichermaßen für ein eingeschränkt angemeldetes (dazu schon unter 1.).
C. Umfang des Montagerechts (§ 32 Abs 1 Z 6 GewO) Der Gesetzgeber verwendet den Begriff Montage an verschiedenen Stellen – auch in Materien, die mit dem Gewerberecht gar nichts zu tun haben – und die Begriffe sind nicht deckungsgleich. Selbst in der GewO wird neben dem Montagerecht als Nebenrecht das Recht des Gas- und Sanitärtechnikers zur Montage von sanitärtechnischen Einrichtungen (§ 110 Abs 1 Z 3 GewO) und des Steinmetzmeisters zur Montage von Metallverankerungskonstruktionen, Steinstufen, Stufenverkleidungen und Steinbelägen (§ 133 Abs 1 Z 1 GewO) normiert. Das alles führt dazu, dass hier wohl ein Zweifelsfall iSd § 29 GewO vorliegt, der zur Interpretation dieses Nebenrechts einen Blick auf die historische Entwicklung rechtfertigt. Das Montagerecht als Nebenrecht wurde nämlich nicht mit der GewRNov 2002 neu eingeführt, sondern war schon vorher in der GewO enthalten, und zwar in § 33 Z 9 GewO (sowohl GewO 1973 als auch GewO 1994). Damals war das Montagerecht ein Nebenrecht der Erzeuger, das dem Erzeuger die Montage der von ihm hergestellten Produkte erlaubte; darunter war aber nicht – so das Beispiel in den Materialien – die Montage von Dachziegeln durch ein Ziegelwerk zu verstehen.9) Dass mit der GewRNov 2002 das Nebenrecht erweitert wurde, ist zwar zutr, aber die Erweiterung betrifft nicht den Inhalt des Nebenrechts, sondern nur den Kreis der Berechtigten. Während also vor der GewRNov 2002 das Montagerecht den Händlern nicht zugestanden ist, steht es seither grundsätz-
lich auch den Händlern zu, da § 32 Abs 1 GewO im Einleitungssatz keine Unterscheidung von verschiedenen Gewerben anordnet.10) Wenn sich das BVwG auf Grabler/Stolzlechner/ Wendl zur Rechtfertigung des Umfangs des Nebenrechts beruft und dabei den Fall der Montage von Fenstern durch einen Händler anführt, hat es die Ausführungen missverstanden. Grabler/Stolzlechner/ Wendl weisen nämlich völlig zutr darauf hin, dass die Montage in einen vorhandenen (!) Blindstock zulässig ist. Sie weisen aber explizit darauf hin, welchen reglementierten Gewerben die Herstellung des Blindstocks dennoch vorbehalten bleibt. Im Anlassfall ging es nicht nur um die Montage des Zaunes auf vorhandene Steher, sondern auch um die Herstellung der Steher selbst. Alleine daraus ergibt sich, dass dies kein Fall des in § 32 Abs 1 Z 6 GewO geregelten Montagerechts ist.
D. Schlussbemerkung Die ASFINAG hatte mit ihrer ursprünglichen Entscheidung, den Bieter wegen fehlender Befugnis auszuscheiden, mE völlig recht. Das Erk des BVwG ist – wie hier dargestellt wurde – in allen wesentlichen Punkten unzutreffend. Die von Oberzaucher/Lauchner geäußerte Hoffnung, dass sich andere Senate dieser Judikaturlinie anschließen,11) wird vom Autor nicht geteilt; im Gegenteil – er hofft, dass sich andere Senate von den hier dargestellten Argumenten überzeugen lassen und anders entscheiden werden. Dem Autor sei an dieser Stelle etwas Polemik gestattet: Führt man die hier kritisierte Auslegungslinie fort, führt dies praktisch überhaupt zum Ende der GewO, denn mit dem allgemeinen Handelsrecht (§ 32 Abs 1 Z 10 GewO) und dem hier vertretenen Montagerecht (§ 32 Abs 1 Z 6 GewO) könnte dann jeder Gewerbetreibende eigentlich jede Bauleistung erbringen.
8) 9) 10) 11)
BVA 15. 6. 2010, N/0038-BVA/10/2010 – 44 ZVB-LSK 2011/13. Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 § 32 Rz 14. Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 Vor § 32 Rz 1. Oberzaucher/Lauchner, RPA 2014, 289 (291).
Ü In Kürze
Ü Zum Thema
Im Anlassfall ging es um die Auslegung von drei voneinander unabhängigen Rechtsfragen zur Befugnis, wobei nach hier vertretener Ansicht jene des BVwG unzutreffend ist: Ü Eine eingeschränkte Gewerbeberechtigung ist – hinsichtlich des Einschränkungswortlauts – primär an diesem zu prüfen (§ 29 Satz 1 GewO). Ist dieser eindeutig, kommt den weiteren Auslegungsmerkmalen des § 29 Satz 2 GewO keine Bedeutung zu. Ü Aus § 150 Abs 19 GewO lässt sich nur ableiten, dass Metalltechniker einfache Metallbauarbeiten auch ohne Bauleitung eines Baumeisters ausführen dürfen; ein Eingriff in den dem Baumeister vorbehaltenen Hochund Tiefbau erfolgt dadurch nicht (dies könnte nur über § 32 Abs 1 Z 1 GewO erfolgen). Ü Das Montagerecht des § 32 Abs 1 Z 6 GewO ist eng auszulegen und umfasst keinesfalls umfassende Bauarbeiten, die reglementierten Gewerben zugeordnet sind.
Über den Autor: Dr. Christoph Wiesinger ist Mitarbeiter in der Geschäftstelle Bau der Wirtschaftskammer Österreich in Wien. Kontaktadresse: WKÖ, Geschäftsstelle Bau, Schaumburgergasse 20, 1040 Wien. Vom selben Autor erschienen: Die Entwicklung des Baumeistergewerbes seit der Gewerbeordnung 1859, in Aktuelles zum Bau- und Vergaberecht. FS 30 Jahre ÖGEBAU (2008) 85; Berührungspunkte von Gewerberecht und Vergaberecht. Teil 1 – Einführung und Gesamtdarstellung, ZVB 2008/79; Umfang von Vor-, Vollendungs- und Ergänzungsarbeiten. Zugleich ein Beitrag zur Auslegung der „Vorgabe“ einer Befugnis in einer Ausschreibung, ZVB 2011/15; Die Grenzen des Generalunternehmerrechts, ZVB 2013/3.
ZVB [2015] 01
Ü Christoph Wiesinger Ü Umfang eines Gewerbes: Eingeschränktes Gewerbe und Montagerecht als Nebenrecht
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[L E I T S A T Z K A R T E I ]
ZVB-Leitsatzkartei
BVwG-Leitsätze betreut von Thomas Gruber LVwG Wien-Leitsätze betreut von Eva Schreiner-Hasberger und Albert Oppel
Nr 1 – 11
Ü Bundesvergaberecht
§ 79 Abs 6, § 126 Abs 4 BVergG
§ 321 BVergG
ZVB-LSK 2015/6
ZVB-LSK 2015/1
Präklusion; Bestandskraft
Wird eine Ausschreibung nicht angefochten, erlangt sie Bestandskraft und wird infolgedessen nach stRsp selbst dann unveränderliche Grundlage für die Prüfung und Bewertung der Angebote, wenn deren Bestimmungen unzweckmäßig oder gar vergaberechtswidrig sein sollten. BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2
rechnerisch fehlerhaftes Angebot
§ 126 Abs 4 BVergG enthält eine subsidiäre Regelung für den Fall, dass der AG – entgegen § 79 Abs 6 leg cit – keine Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen getroffen hat. Demnach ist die Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig; das rechnerisch fehlerhafte Angebot verbleibt im Wettbewerb und darf nicht ausgeschieden werden. Eine Vorreihung infolge einer vorgenommenen Berichtigung ist jedoch unzulässig. BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2
§§ 19, 321 BVergG
§ 79 Abs 6, § 126 Abs 4 BVergG
ZVB-LSK 2015/2
ZVB-LSK 2015/7
Bestandskraft; Gleichbehandlung der Bieter
Rechenfehler
Sowohl der AG als auch die Bieter sind an die in der Ausschreibung festgelegten Bestimmungen gebunden. Ein nachträgliches Abgehen von den Bestimmungen der Ausschreibung ist iS der Gleichbehandlung aller Bieter nicht mehr möglich.
Das BVergG enthält keine explizite Definition des Rechenfehlers. Die Materialien halten hierzu fest, dass es sich bei einem Angebot mit einem Rechenfehler um eine mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung des Bieters handelt.
BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2 § 19 BVergG ZVB-LSK 2015/3
Gleichbehandlung der Bieter
Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verlangt, dass alle Angebote den Vorschriften der Ausschreibungsunterlagen zu entsprechen haben, um einen objektiven Vergleich der Angebote zu ermöglichen. BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2 Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) ZVB-LSK 2015/4
Eventualposition; Bedarfsposition
Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) definiert die Eventualposition („Bedarfsposition“) folgendermaßen: Beschreibung einer zusätzlichen Leistung, die nur auf besondere Anordnung des AG zur Ausführung kommt. Nach Heiermann/Riedl/Rusam handelt es sich bei Bedarfspositionen (Eventualpositionen) um Leistungen, bei welchen bei Fertigstellung der Ausschreibungsunterlagen noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen. Die Entscheidung über die Ausführung trifft der AG idR erst bei Auftragserteilung oder während der Ausführung. BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2
BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2 § 79 Abs 6, § 126 Abs 4 BVergG ZVB-LSK 2015/8
Rechenfehler; Einrechnen von Eventualpositionen
Nach der Rsp des VwGH stellt das (irrtümliche) Mitaddieren oder Mitübertragen von (nach dem klaren sonstigen Inhalt des Angebots nicht mitzuaddierenden) Eventualpositionen einen Rechenfehler dar. Auf die Richtigkeit der rechnerischen Operation kommt es nach dieser Bestimmung nicht an. Werden aus Versehen die Eventualpositionen vor Abgabe des Angebots nicht wieder als Eventualpositionen gekennzeichnet und somit bei der Erstellung des Angebots diese Eventualpositionen in die Gesamtsumme des Angebots eingerechnet, so stellt dieses (irrtümliche) Einrechnen von Eventualpositionen in den Gesamtpreis einen Rechenfehler dar. BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2
Ü Landesvergaberecht § 2 Z 20 lit c, § 246 BVergG ZVB-LSK 2015/9
Eignungskriterien; Leistungsanforderungen
Eignungskriterien sind streng unternehmensbezogen und sind in die Vergangenheit gerichtet. Leistungsanforderungen sind per se auftragsbezogen; sie sind in die Zukunft gerichtet. Die AG hat in den Ausschreibungsunterlagen streng zwischen unternehmensbezogenen und auftragsbezogenen Anforderungen zu unterscheiden. LVwG Wien 23. 9. 2014, VGW-123/074/28998/2014
§ 2 Z 43 BVergG; Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) ZVB-LSK 2015/5
§ 2 Z 20 lit d BVergG
Eventualposition; Wahlposition
ZVB-LSK 2015/10
Eventualpositionen sind nicht vom Begriffsinhalt der Wahlposition umfasst, da diese Positionen nur bei tatsächlichem und zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht vorhersehbarem Bedarf beauftragt werden.
Losentscheid
BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2 14
Das Los bei Gleichpreisigkeit lässt keinen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand erkennen. Der Senat schließt sich im vorliegenden Fall der in der vergaberechtlichen Literatur überwiegend zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht an, dass bei verZVB [2015] 01
[L E I T S A T Z K A R T E I ] gleichbaren Angeboten und Gleichpreisigkeit sowie gewähltem Billigstbieterprinzip der Losentscheid vertretbar ist. LVwG Wien 23. 9. 2014, VGW-123/074/28998/2014 § 337 Abs 1 und 3 BVergG
Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren, alternativ den Ersatz des Erfüllungsinteresses vorsehen, steht die Festlegung des Ausschlusses von Kosten- und Schadenersatzansprüchen in der Ausschreibung der zitierten gesetzlichen Bestimmung entgegen. LVwG Wien 23. 9. 2014, VGW-123/074/28998/2014
ZVB-LSK 2015/11
Ausschluss von Schadenersatzansprüchen
Da § 337 Abs 1 und 3 BVergG bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen einen Anspruch auf
[BUNDESVERGABERECHT]
Rechtsprechung
Vergabe-Rechtsprechung betreut von Thomas Gruber
Ü Transparenzerfordernisse beim Liefergegenstand § 19 Abs 1 BVergG Das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags muss in jedem Stadium sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der potenziellen Bieter
Sachverhalt: Die Republik Österreich, vertreten durch das [. . .] und neun Bundesländer, alle vertreten durch die BBB, haben einen Lieferauftrag über die Lieferung von xxx.xxx digitalen Funkgeräten für Blaulichtorganisationen mit einem geschätzten Auftragswert von ca yyy Mio Euro im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung im OSB ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich ist am 7. 4. 2014, in der EU am 10. 4. 2014 erfolgt. Die ASt hat sich um die Teilnahme am Vergabeverfahren beworben und ist am 13. 6. 2014 zur Legung eines Erstangebots eingeladen worden. Die Aufforderung zur Angebotslegung mit Angebotsfrist 14. 7. 2014 ist am 13. 6. 2014 erfolgt. Mit der 1. Berichtigung am 30. 6. 2014 ist eine Erstreckung der Angebotsfrist auf 28. 7. 2014 erfolgt. Die Zurücknahme sämtlicher Ausschreibungsunterlagen der 1. Aufforderung zur Angebotslegung inklusive der dazu ergangenen Fragebeantwortungen und Berichtigungen ist am 29. 7. 2014 erfolgt, nachdem die ASt einen Nachprüfungsantrag gestellt hatte (W134 2009879). Eine neuerliche Aufforderung zur Angebotslegung ist am 20. 8. 2014 erfolgt (Schreiben der AG v 3. 9. 2014). Die Position B. 115 des Leistungsverzeichnisses lautet: „Kfz Handfunkgerätehalterung mit Ladefunktion und Antennenanschluss: Ladefunktion und Freisprechfunktion für Handfunkgerät Halterung inklusive Montagewinkel, Einbaukabelsatz für vvv, Anschluss für Außenantenne (ttt Signal). Jedenfalls muss aber sichergestellt sein, dass im Kfz eine präzise GPS Ortung möglich ist, ohne dass das Gerät an einer bestimmten Stelle im Fahrzeug montiert sein muss. Über die GPS Antenne des Handgerätes alleine kann eine solche Ortungsgenauigkeit nicht erreicht werden. Ist also kein Anschluss für das GPS Signal der Außenantenne vorhanden, ist über eine andere technische Lösung (zB GPS Repeater) sicherzustellen, dass die nötige OrZVB [2015] 01
ZVB 2015/5
als auch den Grundsatz der Transparenz wahren, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen.
§ 19 Abs 1 BVergG
tungsgenauigkeit erreicht wird. Benötigte Komponenten sind im Preisblatt unter Position A. 10 anzugeben.“ [. . .]
Liefergegenstand; Beschreibung;
Aus den Entscheidungsgründen:
BVwG 28. 10. 2014, W134 2011378 – 1
Transparenzerfordernisse
Die Ausschreibungsunterlagen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 22. 11. 2011, 2006/04/0024).
[Die Transparenzgrundlagen] Im besprochenen Erk hat § 19 Abs 1 BVergG lautet: das BVwG eine Aufforde„(1) Vergabeverfahren sind nach einem in rung zur Angebotsabgabe diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, aufgehoben, weil der Lieunter Beachtung der unionsrechtlichen fergegenstand nicht hinGrundfreiheiten sowie des Diskriminierungsreichend transparent beverbotes entsprechend den Grundsätzen des schrieben wurde. freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.“ § 96 Abs 1 BVergG lautet: „(1) Die Leistungen sind bei einer konstruktiven Leistungsbeschreibung so eindeutig, vollständig und neutral zu beschreiben, dass die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet ist. Eine konstruktive Leistungsbeschreibung hat technische Spezifikationen zu enthalten und ist erforderlichenfalls durch Pläne, Zeichnungen, Modelle, Proben, Muster und dergleichen zu ergänzen.“ Das Urteil des EuGH v 12. 12. 2002, C-470/99, Universale-Bau, lautet auszugsweise: „91. Denn der Grundsatz der Gleichbehandlung, der den Vergaberichtlinien zugrunde liegt, schließt eine Verpflichtung zur Transparenz ein, die es ermöglichen soll, die Beachtung dieses Grundsatzes zu überprüfen (ua Urteile vom 7. Dezember 2000 in der Rechtssache C-324/ 98, Telaustria und Telefonadress, Slg 2000, I-10745,
Ü Transparenzerfordernisse beim Liefergegenstand
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ZVB
[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] Randnr. 61, und vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-92/00, HI, Slg 2002, I-5553, Randnr. 45). 92. Diese dem öffentlichen Auftraggeber obliegende Verpflichtung zur Transparenz besteht darin, jedem potenziellen Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit zu gewährleisten, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden (vgl Urteil Telaustria und Telefonadress, Randnr. 62). 93. Das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags muss somit in jedem Stadium und insbesondere auch in dem der Auswahl der Bewerber in einem nicht offenen Verfahren sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der potenziellen Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen (in diesem Sinne – in Bezug auf das Stadium des Vergleichs der Angebote – Urteil vom 25. April 1996 in der Rechtssache C-87/94, Kommission/Belgien, Slg 1996, I-2043, Randnr. 54).“ Wie G. Gruber in Gruber/Gruber/Sachs, Europäisches Vergaberecht (2005) 88, zu Recht ausführt, entspricht die Pflicht zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter dem Wesen der Vergaberichtlinien und sie muss zusammen mit der Wahrung des Grundsatzes der Transparenz in jedem Abschnitt des Vergabeverfahrens beachtet werden, damit alle Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, wie überhaupt die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung die tragenden Prinzipien des öffentlichen Auftragswesens sind.
[Die fallspezifische Anwendung] In Pkt B. 115 Leistungsverzeichnis werden grundlegende Anforderungen an alle zu beschaffenden Endgeräte gestellt. Dort wird einerseits gefordert, dass im Kfz eine „präzise GPS Ortung“ möglich ist, ohne dass das Gerät an einer bestimmten Stelle im Fahrzeug montiert sein muss, und andererseits, dass, wenn kein Anschluss für das GPS-Signal der Außenantenne vorhanden ist, über eine andere technische Lösung sicherzustellen ist, dass die „nötige Ortungsgenauigkeit“ erreicht wird. Sowohl die Anforderung der „nötigen Ortungsgenauigkeit“ als auch die Anforderung der „präzisen GPS Ortung“ ist so intransparent und wenig konkretisiert, dass – würde die Ausschreibung so bestandfest werden und dementsprechend anzuwenden sein – es den AG nahezu nach ihrer Willkür freistehen
Anmerkung:
Ü 16
§ 96 Abs 1 BVergG verlangt iZm der konstruktiven Leistungsbeschreibung (= LB) grundlegend die eindeutige, vollständige und neutrale LB. § 96 Abs 2 Satz 1, 2 und 3 BVergG lauten: „Bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung haben die technischen Spezifikationen gemäß § 98 das Leistungsziel so hinreichend genau und neutral zu beschreiben, dass alle für die Erstellung des Angebotes maßgebenden Bedingungen und Umstände erkennbar sind. Aus der Beschreibung der Leistung müssen so-
Ü Transparenzerfordernisse beim Liefergegenstand
würde, Angebote von Bietern mit dem Argument, die nötige Ortungsgenauigkeit sei nicht erreicht bzw die präzise GPS-Ortung nicht möglich, auszuscheiden oder vice versa zu bevorzugen. Wie der EuGH in seinem Urteil v 12. 12. 2002, C-470/99, Universale-Bau, ausgesprochen hat, muss das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in jedem Stadium sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der potenziellen Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen. Könnte jedoch wie im gegenständlichen Fall wegen intransparenter Ausschreibungsanforderungen ein AG nahezu willkürlich entscheiden, ob er Angebote ausscheiden will oder nicht, sind die im genannten EuGH-Urteil geforderten Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz sowie § 19 Abs 1 BVergG verletzt und es ist gerade nicht gewährleistet, dass alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen. Dass diese oben genannten Überlegungen nicht nur theoretischer Natur sind, zeigen auch die Aussagen der AG in der mündlichen Verhandlung v 8. 10. 2014. Die AG gaben auf die Frage: „Wenn Sie in einem Angebot eine andere technische Lösung iSd Leistungsverzeichnisses B 115 angeboten erhalten, wie stellen Sie fest, dass die ‚nötige Ortungsgenauigkeit‘ iSd Leistungsverzeichnisses B 115 erreicht wurde?“ an, dass das Angebot geprüft würde, ob das Satellitensignal unverfälscht am Funkgerät im Kfz ankommt. Das Erfordernis, dass das Satellitensignal unverfälscht am Funkgerät im Kfz ankommen muss, ist jedoch den Ausschreibungsunterlagen nicht zu entnehmen. Die beiden intransparenten Ausschreibungsanforderungen der „nötigen Ortungsgenauigkeit“ und der „präzisen GPS Ortung“ führen auch dazu, dass die erforderliche Vergleichbarkeit der Angebote nicht gewährleistet ist; weiters ist die in § 96 Abs 1 BVergG geforderte eindeutige Beschreibung der Leistung nicht gegeben (vgl VwGH 22. 4. 2010, 2008/04/0077; 28. 3. 2008, 2006/04/0030). Die ASt ist somit durch die angefochtene gesondert anfechtbare Entscheidung in den von ihr geltend gemachten Rechten verletzt worden. Diese Rechtswidrigkeit ist iSd § 325 Abs 1 BVergG für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss. [. . .]
wohl der Zweck der fertigen Leistung als auch die an die Leistung gestellten Anforderungen in technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer und funktionsbedingter Hinsicht soweit erkennbar sein, dass die Vergleichbarkeit der Angebote im Hinblick auf die vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungs- oder Funktionsanforderungen gewährleistet ist. Leistungs- und Funktionsanforderungen müssen so ausreichend präzisiert werden, dass sie den Bewerbern und Bietern eine klare Vorstellung über den Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Vergabe des Auftrages ermöglichen.“
ZVB [2015] 01
[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] Wenn das BVwG im besprochenen Erkenntnis ausgeführt hat: „Sowohl die Anforderung der ‚nötigen Ortungsgenauigkeit‘ als auch die Anforderung der ‚präzisen GPS Ortung‘ ist so intransparent und wenig konkretisiert, dass – würde die Ausschreibung so bestandfest werden und dementsprechend anzuwenden sein – es den Auftraggebern nahezu nach ihrer Willkür frei stehen würde, Angebote von Bietern mit dem Argument, die nötige Ortungsgenauigkeit sei nicht erreicht bzw die präzise GPS Ortung nicht möglich, auszuscheiden oder vice versa zu bevorzugen.“, wurde damit gerade zentral der Transparenzgrundsatz gem Art 2 RL 2004/18/EG angewendet, wie er vom EuGH bereits zum Primärrecht aus dem Diskriminierungsverbot abgeleitet und angewendet wurde, und wie ihn (sc: Transparenzgrundsatz) der nationale Gesetzgeber insb auch in den vorababgedruckten Teilen des § 96 BVergG einfachgesetzlich positiviert hat. Insoweit das BVwG gegenständlich § 19 Abs 1 BVergG zitiert, ist auf den EuGH1) zu verweisen, der den Transparenzgrundsatz eben aus dem Diskriminierungsverbot (und damit vice versa Gleichbehandlungs-
grundsatz2)) ableitet, womit sich zB de lege ferenda die Frage stellen könnte, ob nicht Vergabegrundsätze, wie in Art 2 RL 2004/18/EG niedergeschrieben, bei wortlautgetreuer Umsetzung in einer Nachfolgebestimmung zu § 19 BVergG doch einiges der ohnehin oft beklagten Gesetzestextmasse (zB auch im Bereich der Ordnungsthemen des § 96 leg cit) ersparen könnten.3) Das vorliegende Erk mag jedenfalls auch als Bsp dafür dienen, dass das BVwG für seinen Zuständigkeitsbereich von einem AG verlangt (hat), präzise zu sagen, was er genau beschaffen will. Reinhard Grasböck
1) C-324/98, Telaustria. 2) Zur argumentativen unabdingbaren Junktimierung zwischen Gleichheit, Gleichbehandlung und rechtswidriger Diskriminierung über das Vergaberecht hinaus s zB A. Schramm in Holoubek et al, GRC-Kommentar Art 20 Rz 5 bzw Kaufmann-Bühler in Lenz/ Borchardt, EU-Verträge6 Art 9 EUV Rz 4. 3) Zu unmittelbar wortlautmäßigen Normierungen des Diskriminierungsverbots s §§ 11, 19, 141, 145, 177, 187 und 280 BVergG; zu einer mittelbaren im Text enthaltenen Normierung s insbesondere § 2 Z 20 lit a – d BVergG; zum Transparenzgedanken s die mehrfach normierte individuell-konkrete Begründungspflicht von Vergabeentscheidungen bzw die erforderliche Konkretheit von Ausschreibungsteilen in zB §§ 96, 97 und 98 Abs 1 und 2 BVergG.
Ü Rechenfehler bei Eventualpositionen 1. Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) Es handelt sich bei Eventualpositionen um Leistungen, bei welchen bei Fertigstellung der Ausschreibungsunterlagen noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen. Die Entscheidung über die Ausführung trifft der AG in der Regel erst bei Auftragserteilung oder während der Ausführung.
2. § 2 Z 43 BVergG; Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) Eventualpositionen sind nicht vom Begriffsinhalt der Wahlposition umfasst, da diese Positionen
Sachverhalt: Der AG hat die gegenständlichen Leistungen im Vergabeverfahren „Göllersbach Wasserverband, Rückhaltefläche und Bauaufweitung am Gmoosbach, Erd- und Baumeisterarbeiten“ im Wege eines offenen Verfahrens ausgeschrieben. Die Ausschreibung enthält keinen Hinweis, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd § 126 Abs 4 BVergG ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist. In den allgemeinen Vorbemerkungen findet sich lediglich ein Verweis auf die ÖNORM B 2110. Auch diese enthält keine Regelungen im Hinblick auf die Vorgehensweise gem § 126 Abs 4 BVergG. Das Kurzleistungsverzeichnis enthält acht mit „E“ gekennzeichnete Positionen. Auch im Langtextverzeichnis finden sich diese Positionen. Bis auf die Position 300404 a „Abtransport dichte Transportbehälter“ sind alle oben geZVB [2015] 01
Ü ZVB 2015/6
nur bei tatsächlichem und zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht vorhersehbarem Bedarf beauftragt werden.
3. § 79 Abs 6, § 126 Abs 4 BVergG Wenn der AG keine Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen betreffend die Berichtigung eines Rechenfehlers getroffen hat, verbleibt das rechnerisch fehlerhafte Angebot im Wettbewerb und darf nicht ausgeschieden werden. Eine Vorreihung infolge einer vorgenommenen Berichtigung ist jedoch unzulässig.
§ 2 Z 43, § 79 Abs 6, § 126 Abs 4 BVergG; Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) BVwG 23. 10. 2014, W123 2011734 – 2 Eventualposition; Wahlposition; rechnerisch fehlerhaftes Angebot
nannten Positionen ausdrücklich mit „E“ gekennzeichnet. Im Kurzleistungsverzeichnis findet sich bei den mit „E“ gekennzeichneten Positionen beim jeweiligen Positionspreis Folgendes: „XXXXXXXXXXXX“. Aus dem Angebot der präsumtiven ZE (Bieterin Nr 2) geht Folgendes hervor: Die präsumtive ZE hat die mit „E“ gekennzeichneten Positionen ausgepreist und beim Berechnen des Gesamtpreises mitaddiert. Der Angebotspreis inkl 20% Umsatzsteuer lautet (anonymisiert): E x + 47.387,87. Am 22. 8. 2014 fand die Angebotsöffnung statt. Der Niederschrift ist zu entnehmen, dass eine Teilnehmerin der ASt anwesend war. Folgende Preise inkl USt wurden verlesen: Bieterin Nr 1: E x + 63.544,86 Bieterin Nr 2: E x + 47.387,87 (Variante: E x + 8.787,23) Bieterin Nr 3: E x + 16.674,73 Ü Ü Rechenfehler bei Eventualpositionen
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[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] Dem korrigierten Prüfbericht v 8. 9. 2014 ist Folgendes zu entnehmen: „1.5 Prüfung und Reihung der Bieter Die Angebote wurden nach der Eröffnung einer rechnerischen und sachlichen Prüfung [. . .] unterzogen. Bei den beiden Angeboten der Bieterin Nr 2. wurden die Eventualpositionen in die Angebotssumme eingerechnet – dies wurde richtig gestellt. Das Alternativangebot Bieterin Nr 2. war nicht zulässig und war auszuscheiden. Diese falsche Aufsummierung veränderte die Reihung dahingehend, dass das Angebot der BieDas BVergG enthält keine terin Nr 2. das Billigste ist. explizite Definition des [. . .] Rechenfehlers. Die Mate1.5.2 Angebot der Bieterin Nr 2. rialien halten hierzu fest, Das Leistungsverzeichnis ist rechnerisch in dass es sich bei einem Angebot mit einem ReOrdnung bis auf die ausgefüllten Eventualpochenfehler um eine mit eisitionen [. . .], welche in die Angebotssumme nem evidenten Erklägerechnet wurden – diese wurden [. . .] korrirungsirrtum behaftete Wilgiert und die Angebotssumme Netto sowie lenserklärung des Bieters Brutto neu errechnet. Die Änderung beträgt handelt. E 33.301.35. An der Reihung verändert sich dieses Angebot um einen Rang auf Rang 1.“ Mit Schreiben v 8. 9. 2014 (Betreff „Korrektur zur Vergabeempfehlung“) wurde dem Bieter mitgeteilt, dass dem Hauptangebot der Bieterin Nr 2 – nach Ausscheiden ihres Variantenangebots – mit einer Angebotssumme von E x + 14.086,52 nach Ablauf einer 7-tägigen Stillhaltefrist der Zuschlag erteilt werden solle. Das BVwG hat dem Antrag der Bieterin Nr 3 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung stattgegeben und die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Bieterin Nr 2 für nichtig erklärt.
Aus den Entscheidungsgründen:
[Zum AG] AG iSd § 2 Z 8 BVergG ist der Wasserverband Göllersbach. Dieser ist ein Wasserverband nach § 87 Abs 1 und § 88 Abs 1 WRG (vgl dazu § 1 Satzung des AG) und daher gemäß der stRsp AG gem § 3 Abs 1 Z 2 BVergG (s dazu Holoubek/Fuchs in Schramm/Aicher/ Fruhmann/Thienel, BVergG § 3 Rz 88). Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gem § 4 BVergG. Nach den Angaben des AG liegt ein Vergabeverfahren im USB vor.
[Allgemeines] Zunächst ist festzuhalten, dass die gegenständliche Ausschreibung nicht angefochten wurde und sohin Bestandskraft erlangt hat und infolgedessen nach stRsp selbst dann unveränderliche Grundlage für die Prüfung und Bewertung der Angebote ist, wenn deren Bestimmungen unzweckmäßig oder gar vergaberechtswidrig sein sollten (s VwGH 7. 11. 2005, 2003/04/ 0135; dem folgend ua BVA 16. 4. 2008, N/0029-BVA/ 09/2008 – 27 ZVB 2008, 209 [Hackl]). Sowohl der AG als auch die Bieter sind an die in der Ausschreibung festgelegten Bestimmungen gebunden. Ein nachträgliches Abgehen von den Bestimmungen der Ausschreibung ist im Sinne der Gleichbehandlung aller Bieter nicht mehr möglich (vgl EuGH 25. 4. 1996, C-87/94, Wallonische Busse, Rz 89). Bei der Erstellung der Angebote sind die Bieter auch im Verhandlungsverfahren an die 18
Ü Rechenfehler bei Eventualpositionen
Ausschreibung gebunden und dürfen davon nicht abweichen (BVA 16. 8. 2012, N/0070-BVA/10/2012 – 39 mwN; 14. 12. 2012, N/0102-BVA/09/2012 – 46). Umso mehr gilt dies aber – wie gegenständlich – für das offene Verfahren, wonach gem § 101 Abs 4 BVergG während eines offenen Verfahrens mit den Bietern über eine Angebotsänderung nicht verhandelt werden darf (Verhandlungsverbot!). Auch ist auf § 106 Abs 1 BVergG hinzuweisen, wonach sich der Bieter bei offenen oder nicht offenen Verfahren bei der Erstellung des Angebots an die Ausschreibungsunterlagen zu halten hat. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden (s dazu bereits BVA 26. 9. 2009, N/0056-BVA/13/2009 – 24). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verlangt, dass alle Angebote den Vorschriften der Ausschreibungsunterlagen zu entsprechen haben, um einen objektiven Vergleich der Angebote zu ermöglichen (EuGH 22. 6. 1993, C-243/89, Kommission/ Dänemark). Alle Bieter müssen darauf vertrauen können, dass der AG seine eigenen Ausschreibungsbedingungen einhält (ua BVA 25. 11. 2009, N/0110-BVA/ 09/2009 – 28; Latzenhofer in Gast (Hrsg), BVergG-Leitsatzkommentar § 321 E 53). Das bedeutet in weiterer Folge auch, dass es dem BVwG verwehrt ist, derart bestandskräftige Entscheidungen im Zuge der Anfechtung späterer Auftraggeberentscheidungen inzident in Prüfung zu ziehen (s grundlegend VwGH 15. 9. 2004, 2004/04/0054; 7. 9. 2009, 2007/04/0090; 27. 6. 2007, 2005/04/0234; 7. 11. 2005, 2003/04/0135; für viele ua BVA 8. 2. 2008, N/0008-BVA/06/2008 – 29, mwN).
[Wahlposition & Eventualposition] Gem § 2 Z 43 BVergG ist eine Wahlposition die Beschreibung einer Leistung, die vom AG als Teil einer Variante zur Normalausführung vorgesehen ist. Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050 (2006) definiert die Eventualposition („Bedarfsposition“) folgendermaßen: Beschreibung einer zusätzlichen Leistung, die nur auf besondere Anordnung des AG zur Ausführung kommt. Nach Heiermann/Riedl/Rusam handelt es sich bei Bedarfspositionen (Eventualpositionen) um Leistungen, bei welchen bei Fertigstellung der Ausschreibungsunterlagen noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen. Die Entscheidung über die Ausführung trifft der AG in der Regel erst bei Auftragserteilung oder während der Ausführung (Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB A10 § 9 Rz 134). Der AG weist in der Stellungnahme v 18. 9. 2014 selbst darauf hin, dass die ausgeschriebenen Leistungen zahlreiche Eventualpositionen (mit „E“ gekennzeichnet) enthalten. In der Folge führte er aber – ohne dies näher zu begründen – aus, dass die Darlegungen zur „Wahlposition“ funktional auch auf Eventualpositionen zutreffen würden bzw Eventualpositionen als „Wahlpositionen“ zu verstehen seien. Entgegen diesen Ausführungen sind aber Eventualpositionen nicht vom Begriffsinhalt der Wahlposition umfasst, da diese Positionen nur bei tatsächlichem und zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht vorhersehbarem Bedarf beauftragt werden (Pachner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG § 2 Z 43 Rz 2). ZVB [2015] 01
[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] [Umgang mit rechnerisch fehlerhaften Angeboten] Gem § 79 Abs 6 BVergG ist in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote gem § 126 Abs 4 leg cit ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist. Nach dieser Bestimmung ist der AG verpflichtet, in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd Abs 4 leg cit ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG § 126 Rz 32). § 126 Abs 4 BVergG enthält eine subsidiäre Regelung für den Fall, dass der AG – entgegen § 79 Abs 6 leg cit – keine Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen getroffen hat. Demnach ist die Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig; das rechnerisch fehlerhafte Angebot verbleibt im Wettbewerb und darf nicht ausgeschieden werden. Eine Vorreihung infolge einer vorgenommenen Berichtigung ist jedoch unzulässig (Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG § 126 Rz 33). Das BVergG enthält keine explizite Definition des Rechenfehlers. Die Materialien halten hierzu fest, dass es sich bei einem Angebot mit einem Rechenfehler um eine mit einem evidenten Erklärungsirrtum behaftete Willenserklärung des Bieters handelt (ErläutRV 1171 BlgNR 22. GP 69). Nach der Rsp des VwGH stellt das (irrtümliche) Mitaddieren oder Mitübertragen von (nach dem klaren sonstigen Inhalt des Angebots nicht mitzuaddierenden) Eventualpositionen einen solchen Rechenfehler dar. Auf die Richtigkeit der rechnerischen Operation kommt es nach dieser Bestimmung nicht an. Werden aus Versehen die Eventualpositionen vor Abgabe des Angebots nicht wieder als Eventualpositionen gekennzeichnet und somit bei der Erstellung des Angebots diese Eventualpositionen in die Gesamtsumme des Angebots eingerechnet, so stellt dieses (irrtümliche) Einrechnen von Eventualpositionen in den Gesamtpreis einen Rechenfehler iSd § 94 Abs 4 BVergG 2002 dar (VwGH 27. 6. 2007, 2005/04/0111; vgl zu dieser Rsp auch Hackl/Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/ Thienel, BVergG § 79 Rz 154 bzw Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG § 129 Rz 125 sowie Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht3 [2010] Rz 1382). Die in § 126 Abs 4 letzter Satz BVerG 2006 enthaltene subsidiäre Regelung findet auf den gegenständlichen Sachverhalt Anwendung, da der AG – entgegen § 79 Abs 6 BVergG 2006 – keine Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen getroffen hat, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd Abs 4 leg cit ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist. Unstrittig ist ferner, dass die präsumtive ZE die – laut Ausschreibungsvorgaben (vgl „XXXX“) nicht einzurechnenden – Eventualpositionen in den Gesamtpreis eingerechnet hat, womit aber – nach der Rsp des VwGH – ein Rechenfehler beim Angebot der präsumtiven ZE vorliegt. Die vom AG durchgeführte Korrektur überschreitet jedenfalls die Grenze des § 126 Abs 4 BVergG. Die Vorreihung der präsumtiven ZE hätte somit – aufgrund der subsidiären Regelung in ZVB [2015] 01
§ 126 Abs 4 letzter Satz BVerG – nicht vorgenommen werden dürfen, womit aber bereits aus diesem Grunde die Zuschlagsentscheidung mit Rechtswidrigkeit behaftet und auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss iSd § 325 Abs 1 Z 2 BVergG ist. Entgegen dem Vorbringen des AG wurde nämlich durch das Herausrechnen der Eventualpositionen beim Angebot der präsumtiven ZE die Wettbewerbssituation der Bieter sehr wohl berührt, da – nach erfolgter Korrektur des AG – ein Bietersturz zugunsten der präsumtiven ZE eingetreten ist.
[Eventualpositionen in den Gesamtpreis einzurechnen?] Gem § 106 Abs 1 BVergG hat sich der Bieter bei offenen oder nicht offenen Verfahren bei der Erstellung des Angebots an die Ausschreibungsunterlagen zu halten. Der vorgeschriebene Text der Ausschreibungsunterlagen darf weder geändert noch ergänzt werden. Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen hat nach stRsp und dem einschlägigen Schrifttum auch im Vergaberecht nach den Regeln der §§ 914 f ABGB zu erfolgen (VwGH 21. 11. 2011, 2006/04/0024; 25. 1. 2011, 2006/04/0200; BVA 14. 6. 2012, N/0048-BVA/03/ 2012 – 23 ua; 18. 1. 2008, N/0118-BVA/04/2007 – 36; 11. 1. 2008, N/0112-BVA/14/2007 – 20; 28. 6. 2007, N/0057-BVA/11/2007 – 25; Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1). Ausschreibungsunterlagen sind demnach nach ihrem objektiven Erklärungswert zu interpretieren. Es ist daher zunächst vom Wortlaut in seiner üblichen Bedeutung auszugehen. Dabei ist die Absicht der Parteien zu erforschen und sind rechtgeschäftliche Erklärungen so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war und somit, wie diese ein redlicher Erklärungsempfänger zu verstehen hatte. Dabei kommt es nicht auf den von einer Partei vermuteten Zweck der Ausschreibungsbestimmungen an, sondern ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibung maßgeblich (s VwGH 19. 11. 2008, 2007/04/ 0018 und 2007/04/0019; 29. 3. 2006, 2004/04/0144, 0156, 0157; ebenso ua BVA 11. 1. 2008, N/0112-BVA/14/ 2007 – 20; 2. 5. 2011, N/0021-BVA/10/2011 – 33 mwN). Soweit der AG vorbringt, dass keine ausdrücklichen Festlegungen darüber getroffen worden seien, ob die mit „E“ gekennzeichneten Positionen in den Gesamtpreis einzurechnen seien oder nicht, und somit offenbar davon ausgeht, dass die Ausschreibungsunterlagen den Bietern die Möglichkeit gegeben hätten, die mit „E“ gekennzeichneten Positionen in den Gesamtpreis mitzuaddieren oder nicht, verkennt er zunächst die Begriffsdefinition von „Eventualpositionen“ (vgl dazu bereits die obigen Ausführungen) und ferner, wie die vorliegenden Ausschreibungsvorgaben für einen redlichen Erklärungsempfänger zu verstehen waren. Auch wenn man – mit dem AG – davon ausgeht, dass in der Ausschreibung nicht explizit auf die ÖNORM A 2050 und die ÖNORM B 2063 verwiesen wurde und zudem das BVergG den Begriff der „Eventualposition“ nicht definiert, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass die in der ÖNORM A 2050 enthaltene DeÜ Rechenfehler bei Eventualpositionen
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[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] finition zur Eventualposition bzw Bedarfsposition (vgl Pkt 3.15.3) nicht für das allgemeine vergaberechtliche Verständnis herangezogen werden darf; Gleiches gilt für die einschlägigen Kommentare zur Definition von Eventual- bzw Bedarfspositionen. Dass auch die gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen dahingehend zu verstehen sind, dass die mit „E“ gekennzeichneten Positionen nicht in den Gesamtpreis einzurechnen waren, ergibt sich bereits offenkundig aus den differenzierten Vorgaben des AG im KurzLV. Daraus ist ersichtlich, dass ausschließlich die mit „E“ gekennzeichneten Positionen in der Spalte „Positionspreis“ den Hinweis „XXXXXXXXX“ enthielten, während bei den übrigen („normalen“) Positionen eine „freie“ Fläche zum Einsetzen (vgl „. . .“) vorgegeben war. Für einen redlichen Erklärungsempfänger konnten diese bestandkräftigen Vorgaben in der Ausschreibung nur dahingehend verstanden werden, dass die mit „E“ gekennzeichneten Positionen nicht in den Gesamtpreis einzurechnen waren, ansonsten wäre die vom AG selbst vorgenommene Differenzierung sinnentleert. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass die beiden übrigen Bieter des Vergabeverfahrens (ASt und Bieterin Nr 1) die Ausschreibungsvorgaben korrekterweise verstanden und die Spalte „Positionspreis“ bei den mit „E“ gekennzeichneten Positionen freigelassen haben. Auch wenn – wie der AG nunmehr vorbringt – dieses ausgepreiste Leistungsverzeichnis-Formular nicht abzugeben gewesen sei, sondern lediglich das zweiseitige Angebotsformular, ändert das nichts am Ergebnis der Beurteilung. Die auf Seite 57 auszufüllende Zusammenstellung der Preise stellt lediglich eine Zusammenfassung der auszupreisenden Positionspreise dar und beruht daher letztlich auf den seitens der Bieter auszufüllenden Angaben. Sowohl die handschriftlich ausgefüllte Angebotssumme auf Seite 57 des LV als auch die computerausgedruckte beim Angebot der präsumtiven ZE ergeben den Gesamtpreis von E x + 47.387,87 (inkl USt). Dieser Preis enthielt die mit „E“ gekennzeichneten Positionen und wurde auch bei der Angebotsöffnung verlesen. Zu diesem Zeitpunkt war die präsumtive ZE jedenfalls noch (nach der ASt) zweitgereihte Bieterin. Eine Vorreihung zugunsten der präsumtiven ZE hätte – aus den bereits oben ausgeführten Gründen – nicht erfolgen dürfen.
Anmerkung:
Ü 20
Im ggst Fall enthielt die Ausschreibung keinen Hinweis, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote iSd § 126 Abs 4 BVergG ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist. Die präsumtive ZE hat Eventualpositionen beim Berechnen des Gesamtpreises mitaddiert; der AG korrigierte die Angebotssumme und reihte das Angebot an die erste Stelle vor. Durch das Herausrechnen der Eventualpositionen beim Angebot der präsumtiven ZE ist somit – nach erfolgter Korrektur des AG – ein Bietersturz zugunsten der präsumtiven ZE eingetreten. Eventualpositionen werden nicht im BVergG definiert, jedoch legt Pkt 3.15.3 ÖNORM A 2050
Ü Rechenfehler bei Eventualpositionen
[VwGH Judikatur] Soweit der AG schließlich auf das zitierte VwGH-Erk v 27. 6. 2007, 2005/04/0111, hinweist und vermeint, dass der dort behandelte Sachverhalt mit dem gegenständlichen Fall vergleichbar wäre, verkennt der AG seine eigenen (Nicht)Vorgaben in der gegenständlichen Ausschreibung. Entgegen dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt wurde im vom VwGH zu beurteilenden Fall die Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers iSd § 126 Abs 4 letzter Satz BVergG explizit für zulässig erklärt. Zudem befand sich der (damalige) Rechenfehler – wie der VwGH ausführte – innerhalb der Toleranzgrenzen des § 94 Abs 4 BVergG 2002 (nunmehr § 126 Abs 4 BVergG 2006). Im gegenständlichen Fall überschreitet die korrigierte Angebotssumme der präsumtiven ZE die 2%-Grenze jedoch deutlich. Auch aus diesem Grunde sind die beiden Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar.
[Entfall der mündlichen Verhandlung] Gem § 316 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 kann – soweit dem weder Art 6 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen – die Verhandlung ungeachtet eines Parteiantrags entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben oder dass er abzuweisen ist. Die Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung liegen im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren vor. Sämtliche entscheidungsrelevanten Unterlagen ergaben sich aus den Schriftsätzen der Parteien sowie dem vorgelegten Vergabeakt. Das Parteiengehör gem § 45 Abs 3 AVG zugunsten des AG sowie der präsumtiven ZE wurde durch Übermittlung sämtlicher Schriftsätze der ASt in Verbindung mit der Möglichkeit zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme jedenfalls gewahrt. Abgesehen davon handelt es sich bei den vom Senat zu beurteilenden Fragestellungen (Definition eines Rechenfehlers, Interpretation von Ausschreibungsbestimmungen) um reine Rechtsfragen. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass weder der AG noch die präsumtive ZE einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem § 316 Abs 2 BVergG gestellt haben; die präsumtive ZE sah sogar ausdrücklich davon ab.
(2006) fest, dass eine Eventualposition eine Beschreibung einer zusätzlichen Leistung, die nur auf besondere Anordnung des AG zur Ausführung kommt, darstellt. § 126 Abs 4 BVergG enthält eine subsidiäre Regelung für den Fall, dass der AG keine Festlegungen betreffend Rechenfehler in den Ausschreibungsunterlagen getroffen hat. Demnach ist die Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig; das rechnerisch fehlerhafte Angebot verbleibt im Wettbewerb und darf nicht ausgeschieden werden. Eine Vorreihung infolge einer vorgenommenen Berichtigung ist jedoch unzulässig. Die Vorreihung der präsumtiven ZE hätte somit nicht vorgenommen werden dürfen.
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[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] Praxistipp: BVergG ausgeschieden werden und ob eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers zulässig ist.
AG sollten in den Ausschreibungsunterlagen angeben, ob rechnerisch fehlerhafte Angebote gem § 126 Abs 4
Georg Gruber/Thomas Gruber
Ü Unvollständiges Angebot durch Nullposition bei „Total Cost of Ownership“Festlegung § 106 Abs 8, § 129 Abs 1 Z 3, 7 BVergG Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kosten an die AN zu bezahlen sind oder die AG diese auf eine andere Art zu tragen hat. Die AG drückt damit aus, dass sie wissen will, welche Kosten der Lösungsvorschlag des Bieters i n s g e s a m t verursacht, gleich wem sie diese Kosten bezahlt. Daher verlangt sie insbesondere im Preisblatt auch die Angabe von
Sachverhalt:
[Ausschreibung] Die Pensionsversicherungsanstalt führte unter der Bezeichnung „Pull-printing-Lösung samt Multifunktionsdrucker und Verbrauchsmaterial“ ein oV im OSB nach dem Bestbieterprinzip zur Vergabe einer Rahmenvereinbarung (Lieferauftrag) durch. Nach Durchführung der Angebotsprüfung teilte die AG dem Bieter X mit, dass sie dessen Angebot ausscheide. Dies begründete sie einerseits mit dem Nichtausfüllen einer Zeile im Preisblatt (konkret die Zeile 51 = Preisposition „Kosten für die Server die für die ‚pull printing‘ Lösung laut Angaben des Anbieters bereit zu stellen sind auf 60 Monate gerechnet“), andererseits mit der nicht nachvollziehbaren Erklärung des Angebotspreises in der Aufklärung (weitere Ausscheidungsgründe werden hier nicht besprochen). Gleichzeitig gab die AG die Zuschlagsentscheidung bekannt. Gegen die Ausscheidungsentscheidung und die Zuschlagsentscheidung brachte X einen Nachprüfungsantrag beim BVwG ein.
[Nachprüfungsantrag] Die ASt rügte unter anderem, dass sie die Aufwendungen der Preisposition Zeile 51 (= „Kosten für die Server die für die ‚pull printing‘ Lösung laut Angaben des Anbieters bereit zu stellen sind auf 60 Monate gerechnet“) nicht selbst leiste und sie deshalb nicht verpflichtet sei, die Kosten dafür anzugeben.
Aus den Entscheidungsgründen: Vorweg ist festzuhalten, dass die Ausschreibung nicht rechtzeitig angefochten wurde und daher bestandsfest ist (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029). [Verweis auf einschlägige Judikatur]. Damit ist der objektive Erklärungswert der Ausschreibung zu ermitteln. [. . .] Nach Pkt 1.1.1 Ausschreibung ist das Angebot „den nachstehenden Bedingungen entsprechend vollständig auszufertigen“. Unter den nachstehenden Bedingungen sind die weiteren Festlegungen der Ausschreibung zu verstehen. Vollständig bedeutet, dass alle von der AG verlangten Angaben zu machen und alle Stellen, an denen ZVB [2015] 01
Kosten, die der Bieter nicht trägt, die die AG jedoch aufgrund der Lösung des Bieters tragen muss, um ein funktionierendes System zur Verfügung zu haben. Kann der Bieter die Kosten nicht selbst ermitteln, steht es ihm frei, für die von ihm benötigten Hardware- und Softwarekomponenten die der AG entstehenden Kosten vor Angebotslegung zu erfragen.
die AG Angaben der Bieter erwartet, auch auszufüllen sind. Nach Pkt 1.1.9 Ausschreibung erklärt sich der Bieter bereit, „die ausgeschriebenen Lieferungen bzw Leistungen zu den offerierten Preisen zu erbringen“. Weiters erklärt er, dass er „die Ausschreibung kennt und dass diese genügt, ein in jeder Weise einwandfreies und verbindliches Angebot zu erstellen“. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass das Angebot alle nötigen Leistungen enthalten muss, um die von der AG verlangte Gesamtleistung zu erbringen. Die Preise müssen alle Leistungen erfassen. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Preise, die der AN verlangen kann. Weiters erklärt er, dass er auf Grundlage der Ausschreibung ein Angebot erstellen kann. Dieses Angebot muss einwandfrei und verbindlich sein. Nach Pkt 1.9 Ausschreibung bestätigt der Bieter, dass er alle für die Lieferung und Leistungserbringung maßgeblichen Umstände festgestellt und die für die Angebotserstellung maßgeblichen Unterlagen eingehend geprüft hat. Somit bestätigt die ASt, dass sie weiß, was sie anzubieten hat, die Randbedingungen kennt und sich über alles informiert hat, das für die Erbringung der Leistung maßgeblich ist. Damit bestätigt sie, dass sie in der Lage ist, ein vollständiges und allen Leistungsanforderungen entsprechendes Angebot zu erstellen. Daran ändert auch die Aussage in der mündlichen Verhandlung, dass sich die ASt das Preisblatt zuletzt ansieht, nichts. [. . .] Nach Pkt 7.3 Ausschreibung muss ein Angebot ua aus dem vollständig ausgefüllten Preis- und Arbeitsblatt bestehen. Nach Pkt 7.10.1 wird zur Bewertung der Angebote ua der Projektpreis herangezogen. Dieser wird nach Pkt 7.10.1 A über eine TCO-Rechnung nach dem Fragenkatalog und dem Preisblatt ermittelt. Unter TCORechnung wird eine „Total Cost of Ownership“-Rechnung verstanden. Darunter sind alle für die AG anfallenden Kosten zu verstehen. Die einzelnen Kostenbestandteile sind auch nach Bedeutung für die Auswahl des für die AG besten Angebots gewichtet, bevor der Preis in die Gesamtsumme einfließt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kosten an die AN zu bezahlen sind oder die AG diese auf eine andere Art zu tragen hat. Die AG drückt Ü Unvollständiges Angebot durch Nullposition bei „Total Cost of Ownership“-Festlegung
Ü ZVB 2015/7 § 106 Abs 8, § 108 Abs 1 Z 4, § 129 Abs 1 Z 3, 7 BVergG BVwG 22. 9. 2014, W187 2010665 – 2 externe Kosten; Gesamtkosten; Preisblatt; unvollständiges Angebot
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[B U N D E S V E R G A B E R E C H T ] damit aus, dass sie wissen will, welche Kosten der Lösungsvorschlag des Bieters insgesamt verursacht, gleich wem sie diese Kosten bezahlt. Es handelt sich dabei nicht um eine Bewertung anhand des Angebotspreises. Durch die Berücksichtigung möglicher ‚externer‘ Kosten stellt eine Bewertung nach dem Projektpreis in Wahrheit bereits eine Auswahl nach dem Bestbieterprinzip dar (VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0104). Daher verlangt sie insbesondere im Preisblatt wie in Zeile 51 auch die Angabe von Kosten, die der Bieter nicht trägt, die die AG jedoch aufgrund der Lösung des Bieters tragen muss, um ein funktionierendes System zur Verfügung zu haben. Kann der Bieter die Kosten nicht selbst ermitteln, steht es ihm frei, für die von ihm benötigten Hardware- und Softwarekomponenten die der AG entstehenden Kosten vor Angebotslegung zu erfragen. Schließlich verlangen die unter dem Titel „Lies mich“ dem Preisblatt in der Excel-Tabelle vorangestellten Erläuterungen für das Ausfüllen des Preisblatts, dass alle grün hinterlegten Felder ausgefüllt werden. Auch damit steht fest, dass diese Felder auszufüllen und Preise in diesen Positionen anzugeben waren. Die Zeilen [. . .] und 51 enthalten solche grünen Felder. Die ASt hat sie entweder nicht ausgefüllt oder mit 0 ausgepreist. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass sich aus der Zusammenschau der Festlegungen der Ausschreibung ergibt, dass der Bieter eine Lösung erarbeiten muss, alle Kosten erfassen muss, die bei der Umsetzung dieser Lösung entstehen, und sowohl die von ihm selbst erbrachten und verrechneten Kosten als auch die der AG bei der Umsetzung dieser Lösung entstehenden Kosten als Projektkosten oder Kosten aufgrund einer TCO-Rechnung angeben muss. Erst aufgrund dieser Zusammenstellung kann die AG naturgemäß beurteilen, welches Angebot für sie das vorteilhafteste ist. Daher muss ein Bieter [. . .] alle in der Ausschreibung verlangten Positionen ausfüllen, so auch die strittige Zeile 51 des Preisblatts. Anders kann die AG die ihr entstehenden Gesamtkosten nicht beurteilen, da nur diese für sie bei der Umsetzung des Projekts von Interesse sind. Diese Anforderung der Ausschreibung findet in § 106 Abs 1 BVergG ihre Deckung, wonach sich ein Bieter im offenen Verfahren an den Text der Ausschreibung halten und gem § 106 Abs 3 BVergG ein Angebot für die Gesamtleistung abgeben muss. Gem § 107 Abs 2 BVergG muss das Angebot vollständig sein. Das bedeutet auch, dass alle Positionen ausgefüllt sein müssen. Gem § 108 Abs 1 Z 4 BVergG sind die Preise im Leistungsverzeichnis oder im Kurzleistungsverzeichnis an den hiefür vorgesehenen Stellen einzutragen oder [es ist] zu erklären, warum kein Preis angegeben ist. Der Bieter erklärt auch gem § 108 Abs 2 BVergG mit der Abgabe des Angebots, dass er die Bestimmungen der Ausschreibung kennt. Somit verpflichtet das BVergG die ASt, die Preise in ihrem Angebot anzugeben. Unterlässt [sie] dies, ist dies wohl ein klar zum Ausdruck gebrachter Widerspruch zur Ausschreibung, insbesondere wenn [sie] dies in der Aufklärung bestätigt (VwGH 21. 3. 2011, 2007/04/0007). Zu Zeile 51 ist weiters anzumerken, dass die Kosten von der AG nicht beziffert sind. In der Ausschreibungsunterlage ist jedoch in Pkt 8.1 grob umschrieben, welche Systemumgebung die AG verwendet. In Pkt 8.2.1 Ausschreibungsunterlage ist die Plattform be22
schrieben, auf der die zu installierende Anwendung in der Zentrale laufen soll. Die ASt hat – anders als die AG – keinen Zugriff auf die Preise [. . .]. Allerdings ist – wie oben dargestellt – eine Preisangabe eindeutig gefordert. Die ASt hat sich weder vor Angebotslegung noch im Zuge der Aufklärung um die Bezifferung dieser Position bemüht. Dass die AG die Kosten für den Server wissen will, ist im Zuge der Projektkosten selbstverständlich. [. . .] Auch wäre eine nachträgliche Bezifferung dieser Kosten im Zuge der Aufklärung unzulässig. [. . .] Verlangt der AG nun Preise in einem Angebot, steht es dem Bieter nicht offen, die in Preispositionen ausdrücklich abgefragten Preise in andere Positionen umzulagern oder als Aufschläge zu kalkulieren. Schließlich ist die Ausschreibung gem § 123 Abs 1 BVergG Maßstab für die Prüfung der Angebote, wobei der AG gem § 123 Abs 2 Z 4 und 5 BVergG die Angemessenheit der Preise und die Vollständigkeit des Angebots prüfen muss. Damit wäre die ASt verpflichtet gewesen, einen Preis in Zeile 51 einzutragen. Bei Zweifeln an der Angemessenheit der Preise oder von Teilpreisen (VwGH 28. 9. 2011, 2007/04/0102) muss der AG diese im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung gem § 125 BVergG prüfen. [. . .] Insbesondere bei Nullpositionen ist dieser Zweifel angebracht und kann – mangels Kennzeichnung wesentlicher Positionen – die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung gem § 125 Abs 3 Z 3 BVergG rechtfertigen. Das BVwG kann sich im Rahmen der Nachprüfung nicht darauf beschränken, zu überprüfen, ob der AG die nötigen Schritte im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung unternommen hat, sondern muss vielmehr die strittigen Preise inhaltlich prüfen (VwGH 22. 6. 2011, 2007/04/0076). [. . .] Da von den Bietern eine selbständige Lösung gefragt war, konnte die AG auch im Rahmen des Gesamtprojekts erwarten, dass ein Bieter die Kosten der Umsetzung dieses Projekts angibt. Dass sich die AG dabei einen Teil der Ressourcenvorhaltung, nämlich die Einrichtung und den Betrieb der Server, selbst vorbehalten hat und von Bietern nur die Angabe, welche Hard- und Software erforderlich ist und wieviel sie kostet, verlangt hat, liegt in ihrer Disposition. Da die Ausschreibung bestandsfest geworden ist, kann ein – wie in der Ausschreibung gefordert – vollständiges Angebot nur darin bestehen, alle geforderten Angaben zu machen. Unbestritten hat die ASt weder im Angebot noch in der Aufklärung die Zeile 51 ausgefüllt, obwohl sie spätestens in der Aufklärung angab, zusätzliche Server zu benötigen, sodass das Angebot unvollständig ist und in Widerspruch zur Ausschreibung steht. Es verwirklicht den Ausscheidensgrund des § 129 Abs 1 Z 7 BVergG. [. . .] Die AG verlangte eine Erklärung der Preise iSd § 125 BVergG. Dem kam die ASt nicht nach, da sie keine nachvollziehbare Aufklärung dafür gab, warum sie die Zeile 51 mit 0 ausgepreist hat, sondern im Gegenteil angegeben hat, dass sie sehr wohl Serverkomponenten – ungeachtet ihrer technischen Umsetzung – benötigt. Dass diese Kosten im Rahmen des Gesamtprojekts verursachen, ist evident und bedarf keiner weiteren Erörterung. Daher ist der Preis nicht betriebswirtschaftlich nachvollziehbar zusammengesetzt und erklärt. Damit ist auch der Ausscheidensgrund des § 129 Abs 1 Z 3 BVergG verwirklicht. [. . .]
Ü Unvollständiges Angebot durch Nullposition bei „Total Cost of Ownership“-Festlegung
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[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] Anmerkung:
Praxistipp:
Indem die Bieterin eine Zeile des Preisblatts mit 0 ausfüllte und trotz Aufforderung keine nachvollziehbare Erklärung dazu abgeben konnte, war das Ausscheiden ihres Angebots rechtens. Denn aus der Zusammenschau der Festlegungen dieser Ausschreibung ergab sich, dass Ü der Bieter eine Lösung erarbeiten musste, Ü alle Kosten erfassen musste, die bei der Umsetzung dieser Lösung entstehen, und Ü sowohl die von ihm selbst erbrachten und verrechneten Kosten als auch die der AG bei der Umsetzung dieser Lösung entstehenden Kosten als Projektkosten oder Kosten aufgrund einer TCO-Rechnung angeben musste.
Das BVwG stellte fest, dass bei (präkludierter) Festlegung einer TCO-Rechnung in der Ausschreibung ein Bieter alle für die AG anfallenden Kosten anzugeben hat, ganz egal, ob die Kosten an die AN zu bezahlen sind oder die AG diese auf eine andere Art zu tragen hat. Das kann für den Bieter in der Praxis einen erheblichen Mehraufwand bei Angebotserstellung bedeuten. So muss er „externe“ Kosten – sofern sie nicht in den Ausschreibungsunterlagen angegeben sind – auf eigene Faust eruieren. Daher gilt hier einmal mehr, dass Bieter so früh wie möglich ua entsprechende Anfragen an die AG stellen müssen, um rasch an die benötigten Informationen zu gelangen und so rechtzeitig entweder ein vollständiges Angebot abgeben zu können oder gegebenenfalls die Festlegung einer TCO-Rechnung in der Ausschreibungsunterlage mittels Nachprüfungsantrag zu bekämpfen.
Ü
Dagmar Malin
Ü Auch der Losentscheid kann zulässig sein 1. § 2 Z 20 lit c BVergG Eignungskriterien sind die vom Auftraggeber festgelegten, nicht diskriminierenden, auf den Leistungsinhalt abgestimmten Mindestanforderungen an den Bewerber oder Bieter, die gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nachzuweisen sind.
2. § 2 Z 20 lit d BVergG Bei der Zuschlagserteilung auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis ist das einzig zulässige Zuschlagskriterium der Preis.
3. § 231 Abs 1 BVergG Der Sektorenauftraggeber hat festzulegen, mit welchen Nachweisen Unternehmer, die an einem Vergabeverfahren teilnehmen, ihre berufliche Befug-
Sachverhalt: Die Antragsgegnerin, eine Sektorenauftraggeberin, leitete Mitte 2014 ein offenes Verfahren im USB ein. Auftragsgegenstand war ein Dienstleistungsauftrag (Betrieb von Anrufsammeltaxis mit Kleinbussen auf bestimmten Strecken). Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit dem niedrigsten Gesamtpreis erteilt werden.
[Nachprüfungsantrag] Die Ausschreibung wurde von der ASt fristgerecht beeinsprucht.
[Vorbringen der Antragstellerin: Unzulässige Eignungsanforderungen] Die AG hatte festgelegt, dass keines der zum Einsatz kommenden Kraftfahrzeuge älter als Baujahr 2012 sein dürfte. Diese Festlegung sei jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Die AG setze selbst oft Busse ein, die älter als Baujahr 2012 sind. Des Weiteren sei die Festlegung, wonach bei zwei identen niedrigsten Gesamtpreisen der ZE per Los erZVB [2015] 01
ZVB 2015/8
nis, berufliche Zuverlässigkeit, finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie technische Leistungsfähigkeit zu belegen haben.
4. § 337 Abs 3 BVergG Alternativ zu dem Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren hat der übergangene Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen das BVergG oder die aufgrund des BVergG ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses.
mittelt werden sollte, sachlich nicht gerechtfertigt. Es wäre für die AG möglich gewesen, sachliche Kriterien in die Ausschreibung aufzunehmen. Hinsichtlich der Widerrufsbestimmungen wurde von der ASt vorgebracht, dass die Festlegung, wonach Ansprüche auf Kosten- bzw Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Widerruf ausgeschlossen sind, § 337 BVergG widerspricht.
§§ 1, 2 Abs 4, § 7 Abs 2, §§ 11, 13, 15, 16 Abs 1, §§ 20, 23, 24, 25, 26 WVRG; § 1 Abs 1, § 2 Z 16 lit a sublit aa, Z 20 lit c und d, §§ 163, 164, 165, 187, 230, 231, 235, 236, 245 f, 337, 341 BVergG LVwG Wien 23. 9. 2014, VGW-123/074/ 28992/2014 Zulässigkeit des Losentscheids bei Gleichpreisigkeit; Abgrenzung von Anforderung an die Eignung und die Leistung
[Vorbringen der Antragsgegnerin] Die AG habe ein Fahrzeugalter festgelegt, um damit einen Qualitätsstandard festzulegen. Das Erscheinungsbild der Fahrzeuge wäre wichtig, da davon auch die Fahrgastzufriedenheit abhänge. Das Abstellen auf das Baujahr sei auch in der Vertragsabwicklung leicht überprüfbar und durchsetzbar. Die Argumentation, dass auch die Fahrzeuge der AG älter wären, sei insofern nicht zielführend, als es sich hier um Omnibusse und nicht um Kleinbusse handeln würde, die anders zu beurteilen wären. Ü Ü Auch der Losentscheid kann zulässig sein
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ZVB
[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] Zur Zuschlagsempfängerermittlung per Los bei Gleichpreisigkeit brachte die AG vor, dass die Festlegung von anderen Kriterien nicht möglich sei, da dies bei einer Ausschreibung nach Billigstbieterprinzip nicht zulässig wäre. Der Losentscheid sei die einzig zulässige Methode, sich für den Fall der Gleichpreisigkeit abzusichern und einen Widerruf zu verhindern. Auch der Ausschluss von Schadenersatzansprüchen ist nach Ansicht der AG rechtskonform. Der Widerruf würde nur aus sachlichen Gründen erfolgen, eine Schadenersatzklage nach dem BVergG sei insofern gar nicht zulässig, da hierfür festgestellt werden müsste, dass der Widerruf rechtswidrig gewesen sei. Eine Beschwer der ASt durch diese Regelung sei nicht gegeben.
[Entscheidung des Leistungsanforderungen sind klar von Eignungsanforderungen abzugrenzen. Bei Gleichpreisigkeit ist der Losentscheid, wenn nicht anders möglich, zulässig.
Landesverwaltungsgerichts Wien]
Das LVwG Wien gab dem Nachprüfungsantrag statt und erklärte die Zuschlagsentscheidung für nichtig.
Aus den Entscheidungsgründen: [. . .]
[Sachverhalt; Beweiswürdigung] Nach Einsicht in den Vergabeakt, der im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die der Gegenseite jeweils mit der Gelegenheit zur Äußerung zugestellt wurden, den als unbedenklich anzusehenden Urkunden und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung steht nachfolgender Sachverhalt fest: Die Antragsgegnerin ist Sektorenauftraggeberin und führt ein Vergabeverfahren nach den vergaberechtlichen Bestimmungen für Sektorenauftraggeber zum Betrieb von Anrufsammeltaxis in Wien, gegenständlich „Betrieb der A [. . .]“, als offenes Verfahren und Dienstleistungsauftrag im USB. Der Zuschlag soll dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden (Billigstbieterprinzip). Die Ausführung dieser Dienstleistung soll mittels Kleinbussen mit acht Sitzplätzen (exklusive Fahrerplatz) erfolgen. Die Fahrzeuge müssen behindertengerecht sein. Wesentlich für die AG bei Leistungserbringung sind ein angenehmes und qualitativ angemessenes Erscheinungsbild, da die A wie auch die Linienbusse ein bestimmtes Licht auf die Antragsgegnerin werfen, sowie die Fahrgastzufriedenheit. Ebenso ist der Antragsgegnerin die Erreichung und Einhaltung geltender Abgasnormen wichtig. Die Antragsgegnerin hat in die Ausschreibung unter Pkt 1.2.3 WSTW 9310 Teil 1 (Seite 5) folgende Festlegung aufgenommen: „1.2.3 technische Leistungsfähigkeit Keine besonderen Anforderungen, sofern in der öffentlichen Bekanntmachung oder in der Ausschreibung keine anders lautenden Festlegungen getroffen sind Als anders lautende Festlegung wird getroffen: Der Bieter hat folgende Nachweise zu erbringen und nachstehende Eignungskriterien zu erfüllen: 1.) Eignungskriterium und Nachweis: Schriftliche Erklärung, dass keines der zum Einsatz kommenden Fahrzeuge älter als Baujahr 2012 sein wird.“ 24
Ü Auch der Losentscheid kann zulässig sein
Die Antragsgegnerin legte zum Beweis dafür, dass das festgelegte Qualitätskriterium in dieser konkreten Formulierung ausgestaltet wurde, weil es überprüfbar und durchsetzbar sein soll, im Nachprüfungsverfahren den mit einem vertraglich verpflichteten Betreiber einer A-Route geführten Mail-Verkehr vor. In diesem wird der dort genannte Betreiber zur Einhaltung des festgelegten Qualitätsstandards aufgefordert. Der Senat sah darin die zum Ausdruck gebrachte Intention der Antragsgegnerin, mit dieser Anforderung ein im Erfüllungsstadium des Auftrags durchsetzbares Kriterium schaffen zu wollen. Den in der mündlichen Verhandlung seitens des Antragstellervertreters gemachten Ausführungen, dass das Nichterfüllen eines Eignungskriteriums den Bieter bereits an der erfolgreichen Teilnahme am Vergabeverfahren hindere, während eine Leistungsanforderung (erst) ein Thema der Vertragsabwicklung ist, war daher zu folgen, da aufgrund der in den Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben der Antragsgegnerin an der Intention der Antragsgegnerin, mit der gewählten Formulierung eine Bestimmung für die (spätere) Auftragserfüllung festlegen zu wollen, kein Zweifel übrig blieb. Die Parteien des Nachprüfungsverfahrens stimmten in der mündlichen Verhandlung überein, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren der Fall der Gleichpreisigkeit unwahrscheinlich ist. Und obgleich es nach Kenntnisstand der Antragsgegnerin bisher keine Fälle von Gleichpreisigkeit und Billigstbieterprinzip bei der Antragsgegnerin gegeben hat, hat die Antragsgegnerin für den Fall, dass Angebote mit ident niedrigstem Gesamtpreis einlangen, folgende Regelung in ihrer Ausschreibung unter Pkt 1.9.4 WSTW 9310 Teil 2 (Seite 6) vorgesehen: „1.9 Prüfung der Angebote [. . .] 1.9.4 Für den Fall, dass kein Angebot mit dem niedrigsten Preis ermittelt werden kann, weil Angebote mit ident niedrigstem Gesamtpreis einlangen, entscheidet das Los. Die Auslosung findet unter Teilnahme der betroffenen Bieter statt.“ In der mündlichen Verhandlung konkretisierte die AG zu diesem Punkt, dass der Zuschlag dann auf das mittels Los gezogene Angebot lauten soll. Pkt 3 WSTW 9310 Teil 2 (Seite 7) der Ausschreibung lautet: „Die Ausschreibung kann widerrufen werden, wenn dafür sachliche Gründe sprechen. Sachliche Gründe, die einen Widerruf rechtfertigen, sind jedenfalls eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (zB eine massive Einschränkung der aus derzeitiger Sicht vorliegenden Mittel), Versagung bzw verspätete Erlangung der für die ausgeschriebenen Arbeiten erforderlichen behördlichen Genehmigung(en), nachträgliche Unmöglichkeit der Umsetzung der ausgeschriebenen Leistung (zB Nichtvorliegen der erforderlichen sachenrechtlichen bzw schuldrechtlichen Rechte der L.), zu teure Angebote (das billigste Angebot übersteigt die interne Kostenschätzung erheblich) und eine berechtigte Beschwerde eines Bieters, die eine Neuausschreibung erforderlich macht. Ansprüche der Bieter (Bietergemeinschaften) auf Kosten-/Schadenersatz im ZusammenZVB [2015] 01
[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] hang mit dem Widerruf des vorliegenden Vergabeverfahrens sind ausgeschlossen.“ Die Widerrufsgründe sind unstrittig nicht abschließend aufgezählt. Aus Sicht der Antragsgegnerin waren diese zunächst zwar sachlich gerechtfertigt, doch trat die Antragsgegnerin im Schriftsatz v 19. 9. 2014 und in der mündlichen Verhandlung der Anfechtung diesem Punkt im Nichtigerklärungsantrag der ASt nicht mehr entgegen, womit für den Senat die Rechtswidrigkeit als gegeben angesehen wurde und sich ein weiteres Eingehen auf diesen Anfechtungspunkt hinsichtlich des Vorbringens in den Schriftsätzen erübrigt. Gegen diese Bestimmungen der Ausschreibung richtete die ASt rechtzeitig ihren Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Nichtigerklärung der Ausschreibung, in eventu im Antrag genannter Festlegungen in der Ausschreibung sowie Pauschalgebührenersatz. Die beantragte einstweilige Verfügung wurde mit Beschluss v 8. 8. 2014 erlassen.
[Rechtliche Würdigung] [. . .] Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Sektorenauftraggeberin gem § 165 BVergG, die ein Vergabeverfahren im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag im USB führt. Der Zuschlag soll auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis lauten. Der rechtzeitig eingebrachte (§ 24 Abs 4 WVRG) Nichtigerklärungsantrag richtet sich gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung gem § 2 Abs 1 Z 16 lit a sublit aa BVergG und weist auch sonst die nach § 23 Abs 1 WVRG erforderlichen Inhalte auf. Die Pauschalgebühren wurden entrichtet. I. Zur Festlegung in der Ausschreibung in Pkt 1.2.3 WSTW 9310 Teil 1 mit dem Wortlaut: „Eignungskriterium und Nachweis Schriftliche Erklärung, dass keines der zum Einsatz kommenden Kraftfahrzeuge älter als Baujahr 2012 sein wird.“ Die ASt meint zunächst in ihrem Nichtigerklärungsantrag, dass diese Altersvorgabe entgegen § 231 BVergG sei, da Eignungsnachweise nur so weit festgelegt werden dürften, als es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei, sowie diese den Grundsätzen des § 187 BVergG entsprechen müssten. Zudem handle es sich bei der Altersvorgabe um kein Eignungskriterium, sondern um eine Leistungsbeschreibung,und werde aus dem allgemeinen Erfordernis einer neutralen Leistungsbeschreibung (§ 246 Abs 1 BVergG) die für AG einschränkende Vorgabe abgeleitet, bei Verwendung technischer Spezifikationen den Wettbewerb nur so weit einzuschränken, als dies aus dem Auftragsgegenstand heraus gerechtfertigt sei. Die Altersvorgabe widerspreche jedoch diesen Grundsätzen, sei überschießend und nicht geeignet, die von der AG erläuterten Ziele zu erreichen.
[Zur Altersvorgabe „nicht älter als Baujahr 2012“] Aus Sicht des Senates ist mit der konkret zu beurteilenden Festlegung, „Schriftliche Erklärung, dass keines der zum Einsatz kommenden Kraftfahrzeuge älter als Baujahr 2012 sein wird“, eine Mindestanforderung im Leistungsgegenstand geschaffen. Diese steht im Einklang mit den ZVB [2015] 01
vergaberechtlichen Grundsätzen. Gem § 246 Abs 4 BVergG haben Leistungs- und Funktionsanforderungen, soweit dies aufgrund der Aufgabenstellung möglich ist, Anforderungen an die Umweltgerechtheit der Leistung zu beinhalten. § 187 Abs 5 BVergG normiert, dass im Vergabeverfahren nach Möglichkeit auf die Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht zu nehmen ist. Die Antragsgegnerin argumentierte im Nachprüfungsverfahren zusammengefasst, dass sie bestrebt sei, Abgasnormen einzuhalten bzw zu erreichen und ihrer Vorreiterrolle im Umweltbereich gerecht zu werden. Dem Einwand der ASt in der mündlichen Verhandlung, dass mit der Vorgabe „nicht älter als Baujahr 2012“ diese technischen Ziele nicht erreicht werden könnten, wozu ein Auszug aus Wikipedia v 23. 9. 2014 zur Abgasnorm und Euroklassen vorgelegt wurde, konnte nicht gefolgt werden. Der Auszug gibt in Tabellen wieder, ab wann welche Euro-Normen gelten, zB „Emissionsgrenzwerte für PKW mit Ottomotor“, „Norm Euro 5“: Typprüfung: ab 1. 9. 2009 und Erstzulassung: ab 1. 1. 2011 oder „Norm Euro 6“: Typprüfung: ab 1. 9. 2014 und Erstzulassung: ab 1. 9. 2015. Die Ausschreibung verlangt weder einen bestimmten Motortyp noch eine bestimmte Abgasnorm, sondern stellt auf ein bestimmtes Baujahr ab. Der Senat ging daher davon aus, dass mit der Anforderung, kein Fahrzeug älter als Baujahr 2012 einzusetzen, ein technischer Standard festgeschrieben werden sollte, den die AG bei Durchführung des Auftrags verlangt und mit welchem bestimmte technische Werte als Stand der Technik zu einem bestimmten Zeitpunkt, gegenständlich das Baujahr, einhergehen. Die im Nichtigerklärungsantrag vorgebrachte Ungleichbehandlung aller Bieter oder Wettbewerbsbeschränkung durch die Vorgabe eines bestimmten Baujahrs in der Ausschreibung konnte vom Senat im Grundsatz aus folgenden Erwägungen ebenso nicht nachvollzogen werden: Der AG ist bei Festlegung seines Leistungsgegenstandes grundsätzlich frei, soweit das Diskriminierungsverbot sowie die Grundsätze der Warenund Dienstleistungsfreiheit beachtet werden (Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht3 Rz 990). Auch ist es grundsätzlich Sache des AG, die Mindestanforderungen der Leistung, die er beschaffen will, festzulegen (VwGH 20. 12. 2005, 2003/04/0149). Auch der EuGH erblickte im Urteil v 17. 9. 2002, C-513/99, Concordia Bus, keine Diskriminierung, wenn von der AG ausgeschriebene gasbetriebene Busse nur von einer sehr kleinen Zahl von Unternehmern geliefert werden konnten. Im Ergebnis lag daher in der Anforderung der Ausschreibung, dass kein Fahrzeug älter als Baujahr 2012 eingesetzt werde, unter der Voraussetzung, dass diese entweder als Eignungsoder Leistungsanforderung ausgestaltet und diese Einordnung auch durchgehalten wird, keine vergaberechtlich bedenkliche Festlegung der AG. Außerdem gab die ASt in der mündlichen Verhandlung an, Fahrzeuge nicht älter als Baujahr 2012 anbieten zu können. Eine Wettbewerbsbeschränkung ist damit vorliegend nicht gegeben.
[Zur Vermengung Eignungskriterium und Leistungsanforderung] Der Senat sah hingegen in der konkreten Umsetzung dieser Anforderung, wonach eine „Schriftliche Erklärung, dass keines der zum Einsatz kommenden Kraftfahrzeuge Ü Auch der Losentscheid kann zulässig sein
25
ZVB
[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] älter als Baujahr 2012 sein wird“, vom Bieter verlangt wird, aus nachstehenden Erwägungen eine unzulässige Vermengung zwischen Eignungskriterium und Leistungsbeschreibung. Die AG gab in der mündlichen Verhandlung an, hiermit eine Eigenerklärung iSd § 231 Abs 2 BVergG festgelegt zu haben. § 231 Abs 2 BVergG normiert, dass die Bieter durch „die Vorlage einer Erklärung belegen, dass sie die vom Sektorenauftraggeber verlangten Eignungskriterien erfüllen und die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen können“. Nach § 231 Abs 3 BVergG kann der Sektorenauftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen die Vorlage bestimmter Nachweise von bestimmten Bewerbern oder Bietern verlangen, sofern dies nach Auffassung des Sektorenauftraggebers erforderlich ist. Gem § 248 Abs 6 BVergG sind in die Ausschreibungsunterlagen die als erforderlich erachteten oder die auf Aufforderung durch den Sektorenauftraggeber nachzureichenden Nachweise gem § 231 BVergG aufzunehmen. In der mündlichen Verhandlung nannte der Antragsgegnervertreter Nachweise, welche auf Verlangen vom Bieter als Beleg seiner Eignung vorzulegen sein würden, wie zB Zulassungsschein, Kauf- oder Leasingvertrag oder Vorvertrag. Eine solche Aufzählung erforderlicher und vorzulegender Nachweise findet sich entgegen der Bestimmung des § 248 Abs 6 BVergG in der Ausschreibung nicht, weshalb die Festlegung dieser technischen Anforderung in der Ausschreibung als Eignungskriterium aus Sicht des Senates unvollständig und inkonsequent erscheint. Eignungskriterien betreffen die Prüfung bzw die Auswahl der Bieter selbst und nicht deren Angebot (VwGH 26. 6. 2009, 2009/04/0024). Sie stellen ein Musskriterium im Vergabeverfahren dar, welches mit Zuschlagserteilung und Abschluss des Leistungsvertrags endet. Eignungskriterien sind nach der Legaldefinition des § 2 Z 20 lit c BVergG in Verbindung mit den Gesetzesmaterialien streng unternehmensbezogen, sie beziehen sich auf die grundsätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Bieter (sog subjektive Kriterien) und sind in die Vergangenheit gerichtet. Bei der Eignungsprüfung hat die AG die Leistungen und das Verhalten der Bieter bei bisherigen Auftragserfüllungen in der Vergangenheit zu prüfen (Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht3 Rz 1259). Die Eignung muss im offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen. Die Bieter können ihre Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit gem § 231 Abs 2 BVergG durch Vorlage einer Erklärung belegen (Eigenerklärung). Stellt sich die Eigenerklärung im Verlauf des Vergabeverfahrens als gänzlich oder teilweise unrichtig heraus, so kann dies den Ausschluss des Unternehmens nach § 229 Abs 1 Z 5 oder 7 BVergG nach sich ziehen. Stellt sich die Unrichtigkeit erst nach Zuschlagserteilung heraus, ist die AG zur Anfechtung des Vertrages grundsätzlich gem § 871 ABGB berechtigt. Leistungsanforderungen sind per se auftragsbezogen und haben neutral und hinreichend genau formuliert zu sein. Die Leistung kann gem § 245 Abs 1 BVergG wahlweise funktional oder konstruktiv beschrieben werden. Leistungsanforderungen sind in die Zukunft gerichtet, da sie die Erfüllung des erst zu vergebenden Auftrags determinieren. 26
Ü Auch der Losentscheid kann zulässig sein
In der angefochtenen Bestimmung der Ausschreibung wird mittels einer formell als Eigenerklärung in der Ausschreibung festgelegten Anforderung zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Angebotsöffnung eine schriftliche Erklärung vom Bieter (Eigenerklärung) verlangt. Diese schriftliche Erklärung ist jedoch inhaltlich als auftragsbezogene Verpflichtungserklärung für eine zum Zeitpunkt der Auftragserfüllung, somit in der Zukunft liegende Leistungsbereitschaft ausgestaltet. Die AG hat in den Ausschreibungsunterlagen jedoch streng zwischen unternehmensbezogenen und auftragsbezogenen Anforderungen zu unterscheiden. Da durch die formelle Einordnung als Eignungskriterium und inhaltliche Ausgestaltung als Leistungsanforderung ein Eignungskriterium und eine Leistungsanforderung vermengt wurden, war die Bestimmung als vergaberechtswidrig für nichtig zu erklären. II. Zur Festlegung in der Ausschreibung in Pkt 1.9.4 WSTW 9310 Teil 2 mit dem Wortlaut: „Für den Fall, dass kein Angebot mit dem niedrigsten Preis ermittelt werden kann, weil Angebote mit ident niedrigstem Gesamtpreis einlangen, entscheidet das Los. Die Auslosung findet unter Teilnahme der betroffenen Bieter statt.“ Die Sektorenauftraggeberin kann frei wählen, ob Billigst- oder Bestbieterprinzip zur Anwendung gelangen soll. An diese Festlegung ist die AG für die Dauer des Vergabeverfahrens gebunden. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegnervertreter für den Senat nachvollziehbar darlegen können, warum für den gegenständlichen Leistungsgegenstand das Billigstbieterprinzip gewählt wurde. Gem § 271 Abs 1 Z 2 BVergG ist unbeschadet anderer Rechtsvorschriften über die Vergütung bestimmter Dienstleistungen der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen. Unbestritten ist, dass die in den Schriftsätzen herangezogene Judikatur des VwGH (28. 3. 2008, 2005/04/0013) auf einen ganz konkreten Fall abstellt, welcher gegenständlich nicht vorliegt. Im gegenständlichen Fall ist ebenso unbestritten geblieben, dass der Losentscheid bei Gleichpreisigkeit bei Anwendung des Billigstbieterprinzips ein letztes Mittel darstellt, um das Vergabeverfahren nicht widerrufen und neu ausschreiben zu müssen. Nicht gefolgt werden konnte der Argumentation der ASt, wonach die Losentscheidung ein Zuschlagskriterium darstelle. Gem § 2 Z 20 lit d BVergG sind Zuschlagskriterien nicht diskriminierende und mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien und ist bei der Wahl des Angebots mit dem niedrigsten Preis einziges Kriterium der Preis. Das Los bei Gleichpreisigkeit lässt keinen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand erkennen. Beim Billigstbieterprinzip ist einzig der Preis ausschlaggebend und sind keine weiteren Zuschlagskriterien zulässig. Darin erblickt der Senat auch den wesentlichen Unterschied zu der von der ASt als einschlägig erachteten Entscheidung des VKS Wien 4. 11. 2010, VKS-10236/10, in welcher neben ein Zuschlagskriterium, nämlich das längere Zahlungsziel, als letztes Mittel die Losentscheidung getreten ist. Das dort zitierte Zuschlagskriterium des längeren Zahlungsziels wurde daher als im Zusammenhang ZVB [2015] 01
[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] mit dem Auftragsgegenstand stehend angesehen, während im vorliegenden Fall beim Billigstbieterprinzip neben der Losentscheidung kein weiteres auftragsbezogenes Kriterium in der Ausschreibung genannt wurde. Damit schließt sich der Senat im vorliegenden Fall der in der vergaberechtlichen Literatur überwiegend zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht an, dass bei vergleichbaren Angeboten und Gleichpreisigkeit sowie gewähltem Billigstbieterprinzip der Losentscheid vertretbar ist (vgl Hackl, Nochmals: Billigstbieterprinzip – Rien ne va plus? ZVB 2012/43; Lehner/Oppel, Gleichpreisigkeit im Billigstbieterprinzip, ZVB 2011/73). Die Losentscheidung unter Teilnahme der betroffenen Bieter war als ausreichend transparent anzusehen, weil die betroffenen Bieter dem Losvorgang beiwohnen können und diesen unmittelbar beobachten können. Die Entscheidung durch Los war entgegen dem Vorbringen der ASt auch nicht als diskriminierend im Sinn einer Ungleichbehandlung der Bieter anzusehen, da dem Wesen der Losentscheidung der Zufall immanent ist. Im Ergebnis war daher die beantragte Nichtigerklärung dieser Festlegung abzuweisen. III. Zur Festlegung in der Ausschreibung in Pkt 3 WSTW 9310 Teil 2 mit dem Wortlaut: „Die Ausschreibung kann widerrufen werden, wenn dafür sachliche Gründe sprechen. Sachliche Gründe, die einen Widerruf rechtfertigen, sind jedenfalls eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (zB eine massive Einschränkung der aus derzeitiger Sicht vorliegenden Mittel), Versagung bzw verspätete Erlangung der für die ausgeschriebenen Arbeiten erforderlichen behördlichen Genehmigung(en), nachträgliche Unmöglichkeit der Umsetzung der ausgeschriebenen Leistung (zB Nichtvorliegen der erforderlichen sachenrechtlichen
bzw schuldrechtlichen Rechte der L.), zu teure Angebote (das billigste Angebot übersteigt die interne Kostenschätzung erheblich) und eine berechtigte Beschwerde eines Bieters, die eine Neuausschreibung erforderlich macht. Ansprüche der Bieter (Bietergemeinschaften) auf Kosten-/Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Widerruf des vorliegenden Vergabeverfahrens sind ausgeschlossen.“ Aus Sicht des Senats indizieren die angeführten Widerrufsgründe lediglich eine sachliche Rechtfertigung, welche im konkreten Anlassfall seitens der Vergabekontrollbehörde in einem Feststellungsverfahren zu prüfen wäre. Da § 337 Abs 1 und 3 BVergG bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren, alternativ den Ersatz des Erfüllungsinteresses vorsehen, steht die Festlegung des Ausschlusses von Kosten- und Schadenersatzansprüchen in der Ausschreibung der zitierten gesetzlichen Bestimmung entgegen, weshalb dem Standpunkt der ASt zu folgen und der letzte Satz dieses Punktes nichtig zu erklären war. Auf das weitere Vorbringen zu dieser Festlegung in den erstatteten Schriftsätzen war in Anbetracht des Zugestehens der Antragsgegnerin nicht weiter einzugehen. Die seitens der ASt in ihren Schriftsätzen beantragten Beweise waren ob des in der mündlichen Verhandlung geklärten Sachverhalts sowie der unbestrittenen Feststellungen nicht durchzuführen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 16 Abs 1 WVRG, wonach die auch nur teilweise obsiegende ASt Anspruch auf Ersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren hat. [. . .]
Anmerkung:
die angefochtene Bestimmung aufgrund der unzulässigen Vermengung von Eignungs- und Leistungsanforderung für nichtig.
Zur Festlegung eines Baujahrs
Die AG hat mit der Festlegung, dass die Bieterin sich im Verfahren verpflichten solle, bei der Leistungserbringung nur Fahrzeuge mit Baujahr 2012 einzusetzen, eine Ausführungsbestimmung aufgenommen. Es handelt sich hier somit um einen Teil der Leistungsanforderung. Die AG selbst sieht hier jedoch eine Eignungsanforderung. Die schriftliche Erklärung, welche die Bieter abzugeben haben, wird als Eigenerklärung qualifiziert. Als Eignungsnachweise sollten in der Folge Unterlagen wie Vorverträge oder Zulassungsscheine vorgelegt werden. Derartige Festlegungen fehlen aber in der Ausschreibung. Damit wäre eine Anforderung dieser Unterlagen und eine Eignungsprüfung anhand dieser Nachweise unzulässig. Gerade bei der Festlegung von Kriterien und Leistungsanforderungen ist besonders auf eine klare Trennung und Ausformulierung zu achten. Den Unternehmern muss klar sein, welche Anforderungen an die Eignung gestellt werden, nach welchen Kriterien ihre Angebote beurteilt werden und welche Anforderungen bei der Leistungserbringung zu erfüllen sind. Diese müssen letztlich auch bei der Kalkulation des Angebotspreises berücksichtigt werden. Der Senat erklärte
ZVB [2015] 01
Grundsätzlich hätte der erkSen die Festlegung bei ordentlicher Ausgestaltung zugelassen. Die Argumentation, wonach die AG bestimmte Umweltstandards habe sicherstellen wollen und daher festgelegt habe, dass keiner der Kleinbusse älter sein darf als Baujahr 2012, ist mE jedoch nicht konsistent. Es bleibt selbstverständlich dem AG überlassen, festzulegen, dass konkrete Emissionswerte nicht überschritten werden sollen. Aber hierfür gäbe es durchaus geeignetere Festlegungen als das Baujahr. Gänzlich ungerechtfertigt erscheint die Festlegung im Ergebnis aber jedoch keineswegs. Der AG ist das Erscheinungsbild der Busse auch aufgrund der eigenen Reputation wichtig, es wäre aber mit erheblichem Aufwand verbunden, wenn der Zustand jedes einzelnen Fahrzeugs kontrolliert werden müsste. Eine Festlegung wie „guter Zustand“ wäre vermutlich auch aufgrund des unklar definierten Kriteriums anfechtbar und würde spätestens bei der Leistungserbringung zu Streitigkeiten führen. Insofern hat die AG mit dem Abstellen auf ein Baujahr sicher eine für sie praktikable Regelung getroffen, mit der sowohl Umweltgedanken als auch ein gewis-
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[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] ser Anspruch an den Zustand der Fahrzeuge umgesetzt werden können. Fraglich bliebe bei einer solchen Leistungsanforderung (inhaltlich sollte es wohl eine solche sein) aber, wie die AG ihre Ansprüche umsetzen könnte, wenn ein Fahrzeug zum Einsatz kommen soll, das zwar nicht älter als Baujahr 2012, aber schon massiv abgenutzt ist und somit nicht mehr den Qualitätsansprüchen genügt. Eine Handhabe hätte sie hier – soweit sich die Bestimmungen der Entscheidung entnehmen lassen – jedenfalls nicht. Zur Festlegung des Losentscheids
Ü
ZVB 2015/9 §§ 125, 129 Abs 1 Z 3 und 7 BVergG LVwG Vlbg 21. 8. 2014, LVwG-314 – 004/ R3 – 2014 vorgegebene Risikoeinschätzung
Es ist zutreffend, dass der VwGH in einer Entscheidung des Jahres 2005 die Auswahl von Bietern in einem Verhandlungsverfahren durch Losentscheid als zulässig erachtet hat.1) Wie das erkennende Gericht allerdings zutreffend ausführt, ging der VwGH in der Entscheidung davon aus, dass es keine Alternative zum Losentscheid gegeben hatte. Im damaligen Fall handelte es sich um ein Verhandlungsverfahren und standen sich nicht vergleichbare Angebote gegenüber. Der VKS Wien hat 2010 die Heranziehung des Losentscheids als unzulässig erachtet.2) Damals hatte die AG das Bestbieterprinzip gewählt und ein Qualitätskriterium (Zahlungsziel) festgelegt. Bei Gleichstand sollte auch hier der Losentscheid zum Einsatz kommen. Der VKS Wien meinte vollkommen zu Recht, dass es der AG möglich gewesen wäre, weitere Kriterien festzulegen, und der Losentscheid somit nicht sachlich gerechtfertigt wäre. Grundsätzlich ist dem erkSen beizupflichten, dass eine Benachteiligung eines Bieters durch den Losentscheid nicht eintreten kann, umso mehr als die Transparenz des Vorgangs gewährleistet sein soll. Allerdings bleibt die Frage offen, ob es für die AG nicht zumutbar wäre – und diese auch entsprechend dazu anzuhalten wäre –, die Ausschreibung eben nicht nach dem Bil-
Zum Ausschluss von Schadenersatzansprüchen
Wie sich aus der Begründung ergibt, dürfte die AG in der mündlichen Verhandlung selbst zugestanden haben, dass die Bestimmung, mit der Schadenersatzansprüche ausgeschlossen wurden, rechtswidrig ist. Nur weil in der Ausschreibung nur sachliche Gründe für den Widerruf genannt sind, heißt das noch lange nicht, dass sie in der Folge nicht doch vergaberechtswidrig widerruft. Des Weiteren kann die AG die Streichung der Bestimmung ohnehin gelassen sehen: wenn sie sich rechtskonform verhält, sind Schadenersatzansprüche ja schon dem Grunde nach ausgeschlossen.
Praxistipp: Ü Es ist auf eine klare Abgrenzung von Eignung und Leistungsanforderung zu achten. Ü In der Ausschreibung sind die Nachweise zu nennen, die vom Bieter zum Nachweis der Eignung verlangt werden. Ü Sofern Gleichpreisigkeit befürchtet wird, sollte ein zusätzliches Kriterium gefunden werden. Ü Kann kein Kriterium gefunden werden, ist der Losentscheid bei entsprechender Transparenz zulässig. Beatrix Lehner
1) VwGH 28. 3. 2008, 2005/04/0013 RPA-Slg 2012/40 = RPA-Slg 2012/41 = RPA-Slg 2012/42. 2) VKS Wien 4. 11. 2010, VKS-10236/10 RPA-Slg 2011/52.
Ü Dem Angebot sind die Angaben der Ausschreibung zugrunde zu legen 1. §§ 125, 129 Abs 1 Z 7 BVergG
2. §§ 125, 129 Abs 1 Z 3 BVergG
Geht der Bieter in seinem Angebot, wenn auch auf sein Risiko, von einer geringeren Kontamination des Aushubmaterials und damit von geringeren Entsorgungskosten aus als in der Ausschreibung angegeben, so ist sein Angebot ausschreibungswidrig.
Geht der Bieter in seinem Angebot, wenn auch auf sein Risiko, von einer geringeren Kontamination des Aushubmaterials und damit von geringeren Entsorgungskosten aus als in der Ausschreibung angegeben, so stellt dies eine Form von Spekulation dar und der Angebotspreis ist spekulativ.
Sachverhalt:
Der AG nahm daher für den Fall, dass das Straßenstück in einem solchen Ausmaß kontaminiert ist (was er aber nicht sicher wusste), in die Ausschreibung eine Zusatzposition auf, welche die Entsorgung der Packlage auf einer Reststoffdeponie, soweit dies aufgrund der Kontamination erforderlich sein sollte, beinhaltete.
[Ausschreibung] Ausgeschrieben war ein Bauauftrag im USB im offenen Verfahren, und zwar Straßenbauarbeiten mit einem Auftragswert von rund 1 Mio Euro. Diese Straßenbauarbeiten umfassten ua die Entsorgung der im Baulosbereich befindlichen makadamisierten Packlage. Laut Ausschreibung wurde die unter der alten Fahrbahn befindliche Packlage mittels einer Kernbohrung untersucht, weist an der untersuchten Stelle einen PAK-Gehalt („Teergehalt“) von 355 auf und muss – soweit sie auch an anderen Stellen einen derartigen PAK-Gehalt aufweisen sollte – auf einer Reststoffdeponie anstatt bloß auf einer Bodenaushubdeponie entsorgt werden. 28
ligstbieterprinzip, sondern nach dem Bestbieterprinzip durchzuführen. ME ist es nicht auszuschließen, dass ein Gericht bei ähnlichem Sachverhalt nicht zu einem anderen Ergebnis kommen könnte. Besser wäre es jedenfalls, ohne Losentscheid zu einem Ergebnis zu kommen.
Ü Dem Angebot sind die Angaben der Ausschreibung zugrunde zu legen
[Angebot des ASt] Der ASt ging jedoch aufgrund einer günstigeren Einschätzung davon aus, dass die Packlage den Grenzwert für die Entsorgung auf einer Bodenaushubdeponie nicht überschreitet und daher auf einer solchen entsorgt werden kann. ZVB [2015] 01
[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] Der ASt kalkulierte daher sein Angebot unter der Annahme, dass er die Packlage auf einer Bodenaushubdeponie entsorgen könne. Im K-7-Blatt merkte er an, dass das gesamte Bodenaushubmaterial auf einer solchen Deponie entsorgt werden könne, weshalb der Aufpreis für die Entsorgung auf einer Reststoffdeponie E 0,– betrage.
[Ausscheidensentscheidung] Nach einer vertieften Angebotsprüfung erließ die AG eine Ausscheidensentscheidung. Das Angebot der ASt widerspreche den Ausschreibungsbestimmungen, weil die Ausschreibungsbestimmungen die Kalkulation einer Entsorgung auf einer Reststoffdeponie vorgesehen hätten, der ASt stattdessen aber die – kostengünstigere – Entsorgung auf einer Bodenaushubdeponie kalkuliert habe.
[Argumentation des ASt] Der ASt argumentierte in seinem Nachprüfungsantrag iW, es würde sich lediglich um seine internen Kalkulationsannahmen handeln, die ausschließlich sein unternehmerisches Risiko wären. Die Ausschreibung habe ergänzend zu Pkt 7.2.2 ÖNORM B 2110 vorgesehen, dass die kalkulatorischen Ansätze des Bieters in keinem Fall Vertragsbestandteil und somit auch nicht für den zu erbringenden Leistungsumfang (Bau-Soll) herangezogen werden. Daher gehe eine etwaige Fehleinschätzung ausschließlich zulasten des ASt.
Aus den Entscheidungsgründen:1)
[Keine Deckung in der Ausschreibung] Die Annahme des ASt, dass die gesamte Tragschicht mangels Grenzwertüberschreitung auf einer Bodenaushubdeponie deponiert werden kann und nicht auf einer Reststoffdeponie deponiert werden muss, findet nunmehr aber in den Ausschreibungsunterlagen keine Deckung. Der AG wollte sich gerade für den Fall einen Preis anbieten lassen, dass Material auf einer Reststoffdeponie gelagert werden muss.
bahn-Tragschicht zugrunde liegen würde, hätte der ASt nicht zu Recht die Annahme treffen können, dass die gesamte Tragschicht auf eine Bodenaushubdeponie verbracht werden kann. In den Ausschreibungsunterlagen wird nämlich auf die oberwähnte Untersuchung der Makadamschicht (PrüfbeNicht durch die Ausschreiricht M) verwiesen, wonach diese aufgrund bung gedeckte günstigere deren Teergehalts nicht den Anforderungen Annahmen durch den Bieter können Spekulationen des Anhangs „G“ für mineralische Baurestdarstellen. massen aus dem Tiefbau des Österreichischen Baustoff Recycling Verbandes entspricht; der AG hat den Bietern innerhalb der Angebotsfrist diesen Prüfbericht M übermittelt, aus welchem sich ergibt, dass der PAK-Wert 355 beträgt. Der ASt hätte somit insgesamt bei Erstellung seines Angebots nicht davon ausgehen dürfen, dass er die gesamte Tragschicht auf einer Bodenaushubdeponie deponieren darf.
[Ausschreibungswidriges Angebot] Nach Ansicht des LVwG verstößt das Angebot des ASt gegen die Kalkulationsvorschriften und ist dieses Angebot daher als ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot iSd § 129 Abs 1 Z 7 BVergG zu qualifizieren.
[Einheitspreisvertrag] Im vorliegenden Fall hat der AG hinsichtlich der Positionsnummer XX einen Einheitspreisvertrag ausgeschrieben. Die Angebotsbewertung erfolgt somit zu den vom AG im Leistungsverzeichnis vorgegebenen Mengen, die Abrechnung des Einheitsvertrags aber aufgrund der tatsächlich erbrachten Mengen. Beim Einheitspreisvertrag sind nämlich lediglich der Einheitspreis, nicht aber die Mengen verbindlich. Folge davon ist aber, dass der Abrechnungspreis vom Angebotspreis differieren kann; dies je nachdem, ob die vorgegebenen Mengen im Leistungsverzeichnis auch tatsächlich im vorgegebenen Umfang oder eben in geringerem oder größerem Umfang zu erbringen und abzurechnen sind.
[Irrtum des ASt]
[Spekulative Preisgestaltung]
Der ASt hat sich auf den Beurteilungsnachweis der Fa W gestützt, der sich aber nach den Ausführungen des AG nicht auf die Fahrbahn bezieht. Auch aus den Ausschreibungsunterlagen ergibt sich, dass der Beurteilungsnachweis W sich auf das Aushubmaterial bezieht, das auf einer dafür genehmigten Bodenaushubdeponie abgelagert werden kann, wohingegen sich der Prüfbericht M auf den Fahrbahnbereich bezieht, dessen verunreinigte Makadamschicht auf einer geeigneten Deponie entsorgt werden soll. Im Übrigen ergibt sich auch aus diesem Beurteilungsnachweis W selbst, dass Gegenstand der Untersuchung ua nicht eine Packlage, sondern lediglich ein Frostkoffer ist. Auch aus den Angaben des Vertreters des ASt in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der ASt nicht davon ausgegangen ist, der Beurteilungsnachweis W betreffe die Makadamschicht.
Die spekulative Preisgestaltung ist ein Sonderfall des betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbaren Angebotspreises. Es sind aber nur derartige Preisgestaltungen von der Ausscheidungssanktion erfasst, die den Grundsätzen eines ordentlichen Unternehmers widersprechen. Die vom ASt vorgenommene Kalkulation in der genannten Positionsnummer XX widerspricht deshalb den Grundsätzen eines ordentlichen Unternehmers, weil der ASt davon ausgegangen ist, dass die gesamte Tragschicht mangels Grenzwertüberschreitung auf einer Bodenaushubdeponie (PAK-Grenzwert: 20) abgelagert werden kann, obwohl zumindest der Prüfbericht M vorgelegen ist, nach welchem die Tragschicht einen PAK-Wert von 355 aufgewiesen hat. Der ASt konnte somit nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht ausschließen, dass eine nicht unbeträchtliche Menge an entsprechend kontaminiertem Material auftreten
[Wenn man vom Irrtum absieht] Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass dem Beurteilungsnachweis der W teilweise auch die FahrZVB [2015] 01
1) Das Zitat ist in der Fußnote.
Ü Dem Angebot sind die Angaben der Ausschreibung zugrunde zu legen
29
ZVB
[L A N D E S V E R G A B E R E C H T ] werde. Diesen Umstand hat der ASt aber bei seiner Kalkulation vollkommen außer Acht gelassen. Der ASt hat somit insgesamt damit spekuliert, dass unter der Positionsnummer XX keine Menge abzurechnen bzw kein Material auf eine Reststoffdeponie zu verbringen sein werde. Dazu kommt, dass es im Fall der Zugrundelegung eines fiktiven, auf Grundlage der
spekulativen Annahme des ASt errechneten Angebotspreises des zweitbilligsten Bieters zu einem Bietersturz kommen würde. Insgesamt war daher das Angebot des ASt wegen Verstoßes gegen die Kalkulationsvorschriften auszuscheiden.2)
Anmerkung:
ren Angebotspreises und damit auch der Ausscheidensgrund gem § 129 Abs 1 Z 3 BVergG vor.
Ausschreibungswidriges Angebot
Angebote müssen miteinander vergleichbar sein. Andernfalls ist ein fairer Vergabewettbewerb nicht möglich. Damit korrespondiert die Verpflichtung des AG, Ausschreibungsunterlagen so auszuarbeiten, dass die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist und die Preise ohne Übernahme unkalkulierbarer Risiken ermittelt werden können.
Ü
Einerseits war daher der AG wohl verpflichtet, den PAK-Gehalt des abzutragenden Fahrbahnuntergrundes zu untersuchen und das Ergebnis in den Ausschreibungsunterlagen anzugeben, um den Bietern keine unkalkulierbaren Risiken zu übertragen. Das hat der AG auch getan. Andererseits ist der Bieter dann aber auch verpflichtet, sein Angebot auf der Grundlage dieser Angaben auszuarbeiten. Tut er das nicht, dann führt er die Angaben des AG ad absurdum und sein Angebot ist mit den anderen Angeboten nicht vergleichbar. Es ist daher mE nur konsequent, wenn das LVwG insoweit von einem nicht ausschreibungskonformen Angebot ausgegangen ist und die auf § 129 Abs 1 Z 7 BVergG gestützte Ausscheidensentscheidung bestätigt hat.
2) Vgl zB VwGH 13. 6. 2005, 2005/04/0001.
Dazu ist anzumerken, dass zweifelsohne eine mangelhafte Kalkulation vorliegt, weil die der Ausschreibung zufolge anfallenden Entsorgungskosten nicht kostendeckend kalkuliert worden sind. Zu einer Spekulation wird die nicht kostendeckende Kalkulation dadurch, dass der Bieter den Eintritt von Umständen erwartet – also spekuliert –, unter denen sich seine Kalkulation ausgehen würde. Kalkulationsfehler, Unterangebot und Spekulation liegen somit nahe beisammen.
Praxistipp: Ü Legt der AG in seiner Ausschreibung zugrunde, dass das zu entsorgende Material eine bestimmte Kontamination aufweist, dann darf der Bieter seinem Angebot nicht die Annahme einer geringeren als der angegebenen Kontamination zugrunde legen. Ü Geht der Bieter von günstigeren Annahmen aus als in der Ausschreibung angegeben, so liegt grundsätzlich ein ausschreibungswidriges Angebot vor. Ü Die Spekulation des Bieters mit günstigeren Verhältnissen als angegeben wird gegebenenfalls auch als spekulative Preisgestaltung gewertet. Albert Oppel3)
Spekulative Preisgestaltung
Dem Erkenntnis zufolge hat der ASt spekuliert. Es liege spekulative Preisgestaltung als Sonderfall eines betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehba-
3) Der Beitrag gibt lediglich die persönliche Ansicht des Autors wieder.
[SERVICETEIL]
Eignung und Eignungsnachweise Teil 2: Bewerberauswahl bzw Angebotslegung1) ZVB 2015/10
Betreut von Albert Oppel
A. Allgemeines Bei der Bewerberauswahl bzw Angebotslegung haben Bieter ihre Eignung nachzuweisen. Der zweite Teil des Beitrags zu Eignung und Eignungsnachweisen behandelt einige dabei auftretende grundsätzliche Fragen, nämlich die Eigenerklärung, die Eintragung in ein einschlägiges Verzeichnis und die Frage der Verbesserbarkeit von Mängeln. 30
B. Eigenerklärung 1. Abgabe der Eigenerklärung Bewerber und Bieter (im Folgenden: Bieter) haben das Recht, ihre Eignung anstatt durch Vorlage der vom AG 1) Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Ansicht des Autors wieder.
ZVB [2015] 01
[S E R V I C E T E I L ] festgesetzten Nachweise vorerst durch eine Eigenerklärung nachzuweisen. In einer solchen Eigenerklärung haben die Bieter zu erklären, dass sie die vom AG verlangten Eignungskriterien erfüllen und die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen können. Außerdem haben sie die Befugnisse, über die sie verfügen, anzugeben. Die Erläuternden Regierungsvorlagen2) geben folgenden Text als Beispiel einer ausreichenden Eigenerklärung an: „Ich, (Name des Unternehmers), erkläre hiermit, dass ich die vom Auftraggeber (Name des Auftraggebers) in der Ausschreibung (Zl. der Ausschreibung) verlangten Eignungskriterien erfülle und die darin festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich nachbringen kann. Ich verfüge über folgende Befugnis(se): (Es folgt eine Aufzählung der Befugnisse).“
Vorlage einer mangelfreien Eigenerklärung zugänglich ist oder der Bieter stattdessen gleich zur Vorlage der Nachweise aufzufordern ist, wurde in der Literatur relativ ausführlich behandelt.4) Den von Schramm5) und Lehner6) abgeleiteten Ergebnissen kann wohl gefolgt und idR die Vorlage der Nachweise verlangt werden. Fordert jedoch der AG stattdessen eine Verbesserung der Eigenerklärung, so dürfte – weil das Gesetz dies wohl nicht ausschließt – darin auch keine rechtswidrige Vorgangsweise liegen. In einem solchen Fall wird also der Bieter den Mangel durch Vorlage einer verbesserten Eigenerklärung beheben können. Wird er jedoch wegen des Mangels der Eigenerklärung sogleich zur Vorlage der Nachweise aufgefordert, so wird er gut beraten sein, die geforderten Nachweise auch vorzulegen und nicht stattdessen zu versuchen, eine verbesserte Eigenerklärung vorzulegen.
3. Aufforderung zur Vorlage der Nachweise 2. Detailfragen Nach dem ursprünglichen Konzept des § 70 Abs 2 BVergG umfasste die Eigenerklärung auch die Subunternehmer.3) Der Bieter hatte also gegebenenfalls auch zu erklären, dass der von ihm eingesetzte Subunternehmer die Eignungskriterien erfüllt, sowie dessen Befugnisse anzugeben, andernfalls die den Subunternehmer betreffenden Nachweise bereits vorzulegen waren. Durch die Novelle BGBl I 2012/10 wurde jedoch in § 83 Abs 3 BVergG die Möglichkeit geschaffen, dass auch Subunternehmer eine Eigenerklärung abgeben können. Es ist somit nicht mehr notwendig, dass Bieter ihre Eigenerklärung auch für ihre Subunternehmer abgeben. Problematisch erscheint die Eigenerklärung dann, wenn der Bieter iSd § 70 Abs 5 BVergG aus gerechtfertigten Gründen die vom AG festgesetzten Nachweise nicht vorlegen kann, jedoch über andere gleichwertige Nachweise verfügt. Eine etwaige Erklärung, dass er die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen kann, wäre in diesem Fall wahrheitswidrig und daher nicht zulässig. Eine wahrheitsgemäße Angabe, dass der Bieter über einzelne Nachweise aus anzugebenden Gründen nicht verfügt und stattdessen über anzugebende andere, gleichwertige Nachweise verfügt, dürfte zulässig sein, zumal der AG ohnedies im Bedarfsfall die Vorlage der entsprechenden Nachweise verlangen kann. Die Aufzählung der Befugnisse, über die der Bieter verfügt, dürfte trotz des weiter gehenden Wortlauts nur in dem Ausmaß erforderlich sein, in dem die Befugnisse für den zu vergebenden Auftrag relevant sind. Es wäre nämlich wenig sinnvoll, würde man bei der Ausschreibung beispielsweise von Bewachungsdienstleistungen von den Bietern verlangen, dass sie außer der einschlägigen Befugnis für etwa das Bewachungsgewerbe auch alle allenfalls vorhandenen nicht einschlägigen Befugnisse von Gastgewerbe über Gärtner bis zu winterlicher Straßenreinigung auflisten sollen. Es spricht aber auch nichts dagegen, dass der Bieter den Gesetzeswortlaut wörtlich nimmt und auch sämtliche Befugnisse, die keinerlei Bezug zur ausgeschriebenen Leistung haben, auflistet, zumal dies keinen Mangel der Eigenerklärung darstellt. Der Frage, ob eine mangelhafte Eigenerklärung einem Verbesserungsauftrag iS einer Aufforderung zur ZVB [2015] 01
Verlangt der AG schließlich die Vorlage der Nachweise, so muss der Bieter diese unverzüglich vorlegen können. Schließlich hat er ja in der Eigenerklärung auch angegeben, dass er die Nachweise auf Aufforderung unverzüglich vorlegen kann. Der AG ist daher regelmäßig berechtigt, dem Bieter eine kurze Frist von idR wenigen Tagen für die Vorlage der Nachweise zu setzen. Ein Erkenntnis des LVwG Stmk7) scheint auf den ersten Blick den Eindruck zu erwecken, es sei unzulässig, auf die Aufforderung zur Abgabe von Nachweisen einen Nachweis vorzulegen, der nach dem für das Vorliegen der Eignung relevanten Zeitpunkt (im Anlassfall nach der Aufforderung zur Abgabe des Erstangebots) datiert ist. Das LVwG Stmk stützt seine Ansicht auf zwei Erkenntnisse des VwGH,8) in denen der VwGH jeweils einen Nachweis der technischen bzw finanziellen Leistungsfähigkeit, der nach dem für die Eignung relevanten Zeitpunkt datiert war, nicht akzeptiert hat. Bei genauem Lesen dieser drei Erkenntnisse wird jedoch eine feine Differenzierung sichtbar: Entscheidend ist, dass die Eignung zu dem in § 69 BVergG genannten Zeitpunkt vorliegen muss, also zB beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung. Der nachgereichte Nachweis muss belegen, dass zu diesem Zeitpunkt die Eignung vorgelegen ist. In den Fällen, die den drei Erkenntnissen zugrunde gelegen sind, wurden jeweils Nachweise vorgelegt, die nicht nur zu einem späteren Zeitpunkt datiert waren, sondern vor allem das Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen für den Zeitpunkt der Ausstellung des Nachweises belegt haben. Sie stellten daher jeweils keinen Nachweis für das Vorliegen der Eignung zum eignungsrelevanten Zeitpunkt dar.9) Ü 2) ErläutRV 2009 zu § 70 Abs 1 und 2. 3) Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG2 § 70 Rz 27. 4) Schramm, Einzelfragen zu Eignungsnachweisen und zur Eignungsprüfung nach der BVergG-Novelle 2009, ZVB 2010/133; Lehner in Schwartz, BVergG2 § 70 Rz 9. 5) Schramm, ZVB 2010/133. 6) Lehner in Schwartz, BVergG2 § 70 Rz 9. 7) LVwG Stmk 8. 1. 2014, 44.7 – 351/2014 ZVB 2014/89 (Schlamadinger/Gföhler). 8) VwGH 11. 11. 2009, 2009/04/0203; 24. 2. 2010, 2005/04/0253. 9) Vgl auch Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG2 § 70 Rz 38.
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[S E R V I C E T E I L ] Bieter werden daher gut beraten sein, ihre Eignung möglichst nicht mit Nachweisen zu belegen, die erst auf die Aufforderung des AG, solche Nachweise vorzulegen, ausgestellt werden und demnach ein Ausstellungsdatum aufweisen, das nach dem in § 69 BVergG genannten Zeitpunkt liegt. Zu erwähnen ist schließlich, dass die Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen kein Mangelbehebungsauftrag ist und daher im Fall der Vorlage von mangelhaften Nachweisen grundsätzlich ein Verbesserungsauftrag zu ergehen hat.10)
C. Allgemein zugängliches Verzeichnis Bieter haben unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit, ihre Eignung durch die Eintragung in ein allgemein zugängliches Verzeichnis nachzuweisen. Die Gesetzesmaterialien geben als Beispiel den Auftragnehmerkataster Österreich (ANKÖ)11) an. Voraussetzung ist zunächst, dass die Eignungsnachweise im Verzeichnis in der vom AG verlangten Aktualität und mit den vom AG verlangten Inhalten12) vorhanden sind. Erfüllen die im Verzeichnis bereitgehaltenen Nachweise diese Anforderungen nicht, so genügt es, wenn sie auf Aufforderung durch den AG innerhalb einer angemessenen Frist aktualisiert bzw ergänzt werden.13) Voraussetzung ist weiters, dass der AG die im Verzeichnis hinterlegten Unterlagen unmittelbar abrufen
kann. Der AG ist nicht verpflichtet, eine solche unmittelbare Zugriffsmöglichkeit selbst aktiv herbeizuführen.14)
D. Nachweismängel sind grundsätzlich verbesserbar Die Eignung selbst muss ab dem in § 69 BVergG angeführten Zeitpunkt vorliegen, also zB beim offenen Verfahren ab dem Zeitpunkt der Angebotsöffnung, beim Verhandlungsverfahren ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Der Nachweis der Eignung muss sich auf den oben angeführten Zeitpunkt beziehen, also zB beim offenen Verfahren auf den Zeitpunkt der Angebotsöffnung. Im Idealfall liegen die Nachweise zu diesem Zeitpunkt bereits vor. Mängel der Eignung sind nicht behebbar. Mängel des Nachweises der Eignung sind hingegen grundsätzlich behebbar. Die dahinter stehende Idee ist, dass Eignungsnachweise nur Hilfsmittel sind, mit deren Hilfe das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Eignung ermittelt wird.15) 10) Lehner in Schwartz, BVergG2 § 70 Rz 12. 11) https://www.ankoe.at (abgefragt am 26. 11. 2014). 12) Der AG hat zB bestimmte Anforderungen an Referenznachweise festgelegt. 13) Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG2 § 70 Rz 44. 14) Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG2 § 70 Rz 50. 15) Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG2 § 70 Rz 38.
[BAUVERTRAGSRECHT]
Öffentliche Bauaufträge: Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen ZVB 2015/11 § 24 Abs 7, § 78 Abs 3 BVergG; § 871 Abs 1 und 3 ABGB OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g Kalkulierbarkeit von Festpreisen; Unkalkulierbarkeitsrisiko bei Baukostenveränderungen; Bauvertrag mit Einheitspreisen
Die ÖNORM B 21111) enthält für die Anpassung von „veränderlichen Preisen“ 2) eines Bauauftrags an Kostenveränderungen (plus oder minus) ausgewogene Regelungen. Die Alternative zu veränderlichen Preisen sind Festpreise.3) Im BVergG ist der Festpreis definiert als „der Preis, der auch beim Eintreten von Änderungen der Preisgrundlagen (wie insbesondere Kollektivvertragslöhne, Materialpreise, soziale Aufwendungen) für den vereinbarten Zeitraum unveränderlich bleibt“. Der Auftraggeber hat eine – allerdings beschränkte – Wahlfreiheit zwischen diesen beiden Preisarten, wofür § 24 Abs 7 BVergG4) Maßgaben enthält. Von Hans Gölles und Walter Reckerzügl
Inhaltsübersicht: A. Regelung der ÖNORM B 2111 B. OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g C. Vergabe- und zivilrechtliche Überlegung 1. Unzulässige Vertragsklausel gem § 99 BVergG?
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1) Umrechnung veränderlicher Preise von Bauleistungen – Werkvertragsnorm, Ausgabe 2007. 2) Siehe § 2 Z 26 lit g BVergG. 3) Siehe § 2 Z 26 lit c BVergG. 4) „Zu Festpreisen ist auszuschreiben, anzubieten und zuzuschlagen, wenn den Vertragspartnern nicht durch preisbestimmende Kostenanteile, die einer starken Preisschwankung unterworfen sind, unzumutbare Unsicherheiten entstehen. In diesem Fall ist zu veränderlichen Preisen auszuschreiben, anzubieten und zuzuschlagen. Der Zeitraum für die Geltung fester Preise darf grundsätzlich die Dauer von zwölf Monaten nicht übersteigen.“
Ü Hans Gölles und Walter Reckerzügl Ü Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen
ZVB [2015] 01
[B A U V E R T R A G S R E C H T ] 2. Unzulässige Vertragsklausel wegen Unkalkulierbarkeit? 3. Kalkulierbarkeit einer Aneinanderreihung von Festpreis und veränderlichem Preis?
A. Regelung der ÖNORM B 2111 Nach Pkt 4.1.3. ÖNORM B 2111 ist eine Festlegung, dass für Leistungen eine gewisse Zeit Festpreise gelten, welche in der Folge zu veränderlichen Preisen werden, unzulässig. Diese Einschränkung ist aus bauwirtschaftlich kalkulatorischer Sicht jedenfalls sinnvoll und angemessen. Unabhängig davon stehen dem AG bei der Ausschreibung grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Berücksichtigung der steigenden Kosten während der Bauzeit (Leistungsfrist) zur Verfügung: Ü Vertrag mit Festpreisen: Festpreise gelten grundsätzlich nur, wenn sie ausdrücklich vereinbart sind. In diesem Fall übernimmt der AN das Risiko für die Kostenveränderung und berücksichtigt dieses Risiko in Form eines Festpreiszuschlags auf die Preise, die vom Bieter per Ende der Angebotsfrist ermittelt worden sind. Ü Vertrag mit veränderlichen Preisen: Wenn der Bauvertrag auf Basis veränderlicher Preise vereinbart ist, gilt „automatisch“ mit der Vereinbarung der ÖNORM B 2110 auch die ÖNORM B 2111 als mitvereinbart (Pkt 5.1.3 Z 9 ÖNORM B 2110). Gem Pkt 6.3.1.1 ÖNORM B 2110 gilt als Zweifelsregelung, wenn also im Vertrag keine Festlegung erfolgt ist, dass bei einer Leistungsfrist von mehr als sechs Monaten nach Ende der Angebotsfrist veränderliche Preise zugrunde liegen (dies für die gesamte Leistungsfrist).
B. OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g Sachverhalt: Abweichend von der Vorgabe der ÖNORM B 2111 vereinbarten die Vertragspartner aufgrund der Ausschreibungsunterlagen, dass die im Angebot und/oder Auftrag ausgepreisten Einheitspreise Festpreise bis zwölf Monate nach Ende der Angebotsfrist seien; danach erfolge eine Valorisierung. Entscheidung: Die Aufteilung der Preisrisikotragung in der Weise, dass Änderungen des allgemeinen Preisgefüges bis zu einem Zeitpunkt (zulasten des Unternehmers) für die Entgeltbestimmung unbeachtlich seien, Preisänderungen nach diesem Zeitpunkt aber (zulasten des Bestellers) bei der Entgeltbestimmung berücksichtigt werden sollen, beurteilte der OGH als gedankliches Zwischenmodell zwischen Festpreisvereinbarungen und Preisgleitklauseln, das als solches weder im Verdacht schwerwiegender inhaltlicher Unausgewogenheit noch auch bei Aufnahme in Formularerklärungen im Verdacht der Unüblichkeit steht; der Vereinbarung längerer Festpreisfristen ist dabei im Zweifel eine bewusste Risikoaufteilung zu unterstellen (OGH 6 Ob 662/86 wbl 1987, 38).5)
C. Vergabe- und zivilrechtliche Überlegung Ob die Vertragsklausel „12 Monate Festpreise und anschließend veränderliche Preise gemäß ÖNORM ZVB [2015] 01
B 2111“ allenfalls eine sittenwidrige (§ 879 Abs 1 ABGB) oder eine ungewöhnliche Vertragsklausel in AGB (§ 879 Abs 3 ABGB) ist, kann man aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersuchen.
1. Unzulässige Vertragsklausel gem § 99 BVergG? In dem vom OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g, entschiedenen Fall wurde bloß die Frage der Sittenwidrigkeit wegen Überschreitung der (beschränkten) Gestaltungsfreiheit des AG im Rahmen des § 99 BVergG von der Kl releviert. In diesem Zusammenhang verneinte der OGH eine Sittenwidrigkeit.
2. Unzulässige Vertragsklausel wegen Unkalkulierbarkeit? Ein weiterer Anknüpfungspunkt ergibt sich aus § 24 Abs 7 und § 78 Abs 3 BVergG. In § 78 Abs 3 leg cit ist normiert: „Die Ausschreibungsunterlagen sind so auszuarbeiten, dass [. . .] die Preise ohne Übernahme nicht kalkulierbarer Risken [. . .] ermittelt werden können.“6) Die Regelung der ÖNORM B 2111, dass Preisbasis einer Umrechnung veränderlicher Preise das Datum des Endes der Angebotsfrist ist und eben nicht das Datum des Endes einer Festpreisfrist von zwölf Monaten, stellt eine Bestimmung dar, die die Kalkulierbarkeit gewährleisten soll. Ob eine „Kombi-Regelung“ des öffentlichen AG (wie im vom OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g judizierten Fall) noch nicht gegen das Gebot in § 78 Abs 3 BVergG verstößt, wäre im jeweiligen Einzelfall konkret zu prüfen. Im vom OGH judizierten Fall wurde dies von der Kl aber nicht releviert. Vom BKA-VD wurde in einem Interpretierenden Rundschreiben v 11. 11. 20087) an öffentliche AG (Bund, Länder sowie Gemeinden) mitgeteilt, dass eine vergaberechtliche Unzulässigkeit wegen Unkalkulierbarkeit vorliegt, wenn eine Hintereinanderreihung einer Festlegung von Festpreisen und veränderlichen Preisen erfolgt. Für zulässig erachtet der BKA-VD eine Konstellation, nach der ein Teil der (Einheits-)Preise als Festpreise für zwölf Monate und die restlichen Preise mit stark schwankenden Kostenbestandteilen als veränderliche Preise schon während der Festpreisfrist (also parallel nebeneinander) festgelegt werden. Dem BKA-VD ist uE zuzustimmen.
3. Kalkulierbarkeit einer Aneinanderreihung von Festpreis und veränderlichem Preis? Wie sieht die Kalkulierbarkeit iSd § 78 Abs 3 iVm § 24 Abs 7 BVergG iZm dem Thema Preisumrechnung aus? Für die Einheitspreise wird nach der Praxis in der ersten Stufe ein Preis mit Wert zum Ende der Angebotsfrist kalkuliert und in der nächsten Stufe hierzu ein „Festpreiszuschlag“ für die voraussichtlich zu erwartenden Kostensteigerungen für den Anteil der Leis5) Siehe Gölles, Öffentliche Bauaufträge: Abweichung von geeigneten Leitlinien wie ÖNORMEN zulässig? ecolex 2014, 954. 6) Siehe Fruhmann/Gölles/Pachner/Steiner, BVergG 20063 485. 7) Siehe Fruhmann/Gölles/Pachner/Steiner, BVergG 20063 342.
Ü Hans Gölles und Walter Reckerzügl Ü Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen
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[B A U V E R T R A G S R E C H T ] Ende der Angebotsfrist
Stichtag für die Preisbildung
Kostensteigerung
Baubeginn
Bauende SOLL
Schwerpunkt
Festpreiszeitraum tL
Unterdeckung
Überdeckung
Festpreiszuschlag
Abbildung 1: Festpreis für gesamte Leistungsfrist
Ende der Angebotsfrist
Stichtag für die Preisbildung
Baubeginn
Bauende SOLL
Schwerpunkt
Festpreiszeitraum
Veränderl. Preise
Unterdeckung Kostensteigerung
Überdeckung
Unterdeckung
Festpreiszuschlag
Ansteigende Vergütung Abbildung 2: permanente Unterdeckung nach Ende der Festpreisfrist durch Aneinanderreihung
tungen innerhalb der Festpreisfrist als Prognose ermittelt und auf die Einheitspreise per Ende der Angebotsfrist aufgeschlagen. Damit ist die sich von Monat zu Monat entwickelnde Gesamt-Kostensteigerung für den Anteil der Leistungen innerhalb der Festpreisfrist im Festpreiszuschlag abgebildet. Somit geben die Festpreise grundsätzlich den Wert zum Zeitpunkt des Leistungsschwerpunkts8) innerhalb der Festpreisfrist wieder, aber nicht den Wert zum Ende der Festpreisfrist. 34
Im Idealfall kann sich die Überdeckung vor dem Leistungsschwerpunkt mit der Unterdeckung nach dem Leistungsschwerpunkt aufheben (s Abbildung 1). Bedenklich ist es nun, wenn die Valorisierung der der Festpreisperiode folgenden Phase von veränderlichen Preisen nicht auf den (kalkulierten) Wert zum 8) Vereinfacht zB auch per Mitte des Festpreiszeitraums – vgl Pkt 6.3.1.2 ÖNORM B 2110.
Ü Hans Gölles und Walter Reckerzügl Ü Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen
ZVB [2015] 01
[B A U V E R T R A G S R E C H T ] Leistungsschwerpunkt innerhalb der Festpreisfrist, sondern auf den Wert zum Ende der Festpreisfrist abgestellt wird – wie es in OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/ 13 g vorliegt. Damit wird nämlich für die Phase der veränderlichen Preise beim Entgelt idR von vorneherein eine Unterdeckung der Kostensteigerung bewirkt. Die nächste Grafik zeigt diese Problematik auf, wobei hier noch gar nicht berücksichtigt ist, dass infolge der Schwellenwertregelung der ÖNORM B 2111 die Steigerung der Vergütung in der Phase der veränderlichen Preise natürlich nicht linear der Kostensteigerung folgen wird (s Abbildung 2). Eine „rein mathematische Kalkulierbarkeit“ des Festpreiszuschlags mit Preisbasis per Ende der Festpreisfrist scheint zwar möglich zu sein, aber nicht eine „kostennahe Kalkulierbarkeit“. Voraussetzung für eine möglichst kostennahe Kalkulation der Preisbasis per Ende der Festpreisfrist wäre die Abschätzung der Kostenentwicklung über den Festpreiszeitraum hinaus bereits zum Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist; gerade zur Vermeidung dieses idR unkalkulierbaren – nämlich über einen längeren Zeitraum unsicherer abschätzbaren – Kostensteigerungsrisikos werden Verträge mit veränderlichen Preisen abgeschlossen, wenn die Leistungsfrist einen mit einigermaßen geringem Risiko überschaubaren Zeitraum überschreitet. Für den Bieter (den späteren Werkunternehmer/ AN) besteht bei einem Festpreisvertrag eine mehr oder weniger große Unsicherheit hinsichtlich des Abweichens der tatsächlichen Kostensteigerung von der im Festpreiszuschlag kalkulierten Kostensteigerung. Daraus ergibt sich aber im Fall dieser Kombination von Festpreisphase mit anschließender Phase mit veränderlichen Preisen der Effekt, dass eine eventuelle Abweichung von der De-facto-Kostensteigerung innerhalb
der Festpreisfrist sich in die darauf folgende Phase veränderlicher Preise fortschreibt, also die Abweichung (plus oder minus) noch größer wird – dies umso mehr bei einer Konstellation wie beim vom OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g, judizierten Fall. Die Kalkulation des Festpreiszuschlags liegt idR in der Sphäre des Bieters – hierfür wohl vorausgesetzt, dass der AG nicht das Kostensteigerungsrisiko über Gebühr verschärft. Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls wird uE zu prüfen sein, ob eine Vertragsklausel, die Festpreise mit veränderlichen Preisen kombiniert, vergaberechtlich noch zulässig ist oder eben nicht mehr, wenn ursächlich der öffentliche AG eine Sorgfaltspflicht verletzt hat – einerseits bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen (§ 24 Abs 7 und § 78 BVergG) sowie andererseits bei der Festlegung der „Bestimmungen über den Leistungsvertrag“ (§ 99 BVergG). Eine bauwirtschaftlich korrekte Kalkulation bei dem hier beschriebenen Fall einer Kombination von Festpreis für zwölf Monate und anschließend veränderlichen Preisen für die restliche Bauzeit ist ohne Übernahme unkalkulierbarer Risken nur dann möglich, wenn in den Ausschreibungsunterlagen als Preisbasis für die Phase der veränderlichen Preise der Zeitpunkt des Leistungsschwerpunkts jener Leistungen festgelegt wird, die innerhalb der Festpreisfrist zu erbringen sind. Die folgende Abbildung zeigt diese Situation auf. Hier müsste sich allerdings zwangsläufig mit dem Ende der Festpreisfrist ein Preissprung ergeben, um am Beginn des Zeitraums der veränderlichen Preise mit einer korrekten Basis für die weitere Umrechnung zu starten.
Ende der Angebotsfrist
Stichtag für die Preisbildung
Baubeginn
Bauende SOLL
Schwerpunkt
Festpreiszeitraum
Veränderl. Preise
Ansteigende Vergütung Kostensteigerung
Überdeckung
Unterdeckung
Festpreiszuschlag
Abbildung 3: Sprunghaft ansteigende Vergütung zum Ende der Festpreisfrist bei Zugrundelegung des Leistungsschwerpunkts als Preisbasis für die „angehängten“ veränderlichen Preise Ü ZVB [2015] 01
Ü Hans Gölles und Walter Reckerzügl Ü Kalkulierbarkeit einer Kombination von Entgelt zu Festpreisen mit veränderlichen Preisen
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ZVB
[B A U V E R T R A G S R E C H T ]
Ü
Ü In Kürze
Ü Zum Thema
Die Festlegung der ÖNORM B 2111, die eine Kombination eines Festpreises mit anschließenden veränderlichen Preisen für unzulässig erklärt, ist im Sinne der Kalkulierbarkeit von Preisveränderungen während der Bauzeit (Leistungsfrist) vernünftig und stellt eine Regelung der Angemessenheit dar. Im Fall des OGH 24. 10. 2013, 6 Ob 70/13 g, in dem die Preisbasis für die Periode der veränderlichen Preise mit dem Zeitpunkt des Endes der Festpreisperiode bauwirtschaftlich falsch gewählt ist, ergibt sich für den Bieter zwangsläufig ein unkalkulierbares Risiko, weil die hellseherische Fähigkeit des Bieters überfordert wird. Es ist somit jeweils Frage einer Einzelfallprüfung, ob durch eine kombinierte Aneinanderreihung einer Periode mit festen Preisen und einer Periode mit veränderlichen Preisen unkalkulierbare Risken auf den Bieter (den späteren AN) übertragen werden.
Über die Autoren: Dr. Hans Gölles ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Autor von Fachpublikationen zum Bauvertrag und zum Vergabewesen, Schiedsrichter im Bauvertragsbereich und in der Unternehmensberatung tätig. E-Mail: office@goelles-sv.at Dr. Walter Reckerzügl ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, tätig als bauwirtschaftlicher Gutachter für die Auftragnehmer- und Auftraggeberseite, Autor zahlreicher bauwirtschaftlicher Publikationen. E-Mail: office@reckerzuegl.at
Rechtsprechung ZVB 2015/12 §§ 435, 456 ABGB OGH 17. 9. 2014, 6 Ob 38/14 b Publizitätserfordernis bei Superädifikaten
Ü Personenidentität zwischen Vermieterin und Vertreterin der Mieterin vermindert die Publizität des Superädifikats 1. § 435 ABGB Die Parteieneinigung, dass ein Gebäude ein Superädifikat sein soll, muss vor Baubeginn erfolgen.
2. § 435 ABGB Bei der Parteieneinigung, dass ein Gebäude ein Superädifikat sein soll, steht eine Personenidentität zwischen der Vermieterin und der Vertreterin der
3. § 456 ABGB Ist ein Bauwerk kein Superädifikat, so kann an einem solchen ein Pfandrecht auch nicht gutgläubig erworben werden.
Sachverhalt:
[Klage der Bank]
[„Zwischenschaltung“ einer GmbH]
Die Bank ging davon aus, dass ihre noch offene Forderung aus dem Kredit durch ihr Pfandrecht am „Superädifikat“ besichert sei, und klagte bei sonstiger Exekution in das „Superädifikat“.
Mag. S (Gesellschafterin) war einerseits Liegenschaftseigentümerin und andererseits Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der W GmbH (Schuldnerin). Die Gesellschafterin schloss mit der Schuldnerin, vertreten durch die Gesellschafterin, einen Mietvertrag für die Dauer von 50 Jahren ab, dem Die Eigenschaft als Superzufolge die Schuldnerin die Liegenschaft ädifikat erfordert ein Minmietete, um auf ihr ein Miet-, Wohn- und destmaß an Publizität. Geschäftshaus als Superädifikat zu errichten.
[Errichtung des „Superädifikats“ und „Pfandbestellung“] Die Schuldnerin errichtete dieses Gebäude. Dafür nahm sie bei der Kl, einer Bank, einen Kredit auf und räumte der Kl als Sicherheit ein Pfandrecht an dem „Superädifikat“ ein. Die Pfandbestellungsurkunde wurde bei Gericht hinterlegt. Eine Eintragung des Gebäudes als Superädifikat im Grundbuch erfolgte allerdings nicht.
[Insolvenz und Verkauf der Liegenschaft mit Gebäude] In der Folge wurde über die Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Gesellschafterin verkaufte die Liegenschaft samt dem darauf befindlichen „Superädifikat“ bzw Gebäude an die Nebenintervenientin. 36
Mieterin der für die Begründung eines Superädifikats erforderlichen Publizität entgegen.
[Zum Gerichtsverfahren] Die für den OGH entscheidende Frage war, ob das „besicherte“ Gebäude ein Superädifikat ist. Im ersten Rechtsgang hatte der OGH den Vorinstanzen ergänzende Feststellungen zum Sachverhalt aufgetragen. Diese lagen nun vor. Im zweiten Rechtsgang verneinte der OGH das Vorliegen eines Superädifikats und wies das Klagebegehren ab.
Aus den Entscheidungsgründen:1)
[Die Parteieneinigung muss vor Baubeginn erfolgt sein] Der OGH hat bereits in seinem Aufhebungsbeschluss2) klargestellt, dass Superädifikate (Überbauten) Bauwerke sind, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen (sofern sie nicht Zugehör eines Baurechts sind). Sie sind damit nicht Bestandteil der Liegenschaft, auf der sie errichtet 1) Der Text enthält Judikatur- und Literaturzitate. Diese werden im Folgenden in den Fußnoten wiedergegeben. 2) 13. 9. 2012, 6 Ob 108/12 v.
Ü Personenidentität zwischen Vermieterin und Vertreterin der Mieterin vermindert die Publizität des Superädifikats
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[B A U V E R T R A G S R E C H T ] wurden, sondern sonderrechtsfähig. Das Fehlen dieser Belassungsabsicht muss zwar grundsätzlich äußerlich erkennbar sein, also durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist; die fehlende Belassungsabsicht kann aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden, so etwa aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Erbauer bestehen. Es kann daher auch durch Parteieneinigung sonderrechtsfähige Bauwerke geben. Diese Parteieneinigung muss aber jedenfalls vor Entstehung des Bauwerks, also vor Baubeginn, erfolgt sein, wird doch das Bauwerk mit Baubeginn individualisiert. Eine nachträgliche Vereinbarung ist somit nicht mehr geeignet, aus einer rechtlich unselbstständigen eine rechtlich selbstständige Sache zu machen. Sind Bauwerke durch ihre Aufführung bereits Bestandteil des Grundstücks geworden, können sie später auch nicht einvernehmlich zu sonderrechtsfähigen Superädifikaten gemacht werden; maßgeblicher Zeitpunkt ist der Beginn der Arbeiten am Bauwerk. Die Beweislast für die fehlende Belassungsabsicht trifft denjenigen, der sich auf die Superädifikatseigenschaft eines in fester und solider Bauweise ausgeführten Gebäudes beruft; dies ist im vorliegenden Verfahren die Kl als Pfandgläubigerin der Schuldnerin. Die im ersten Rechtsgang offengebliebene Frage der Reihenfolge von Mietvertragsabschluss und Baubeginn ist nun dahin geklärt, dass der Baubeginn erst nach Abschluss des Mietvertrags stattfand. Dies würde für eine Superädifikatseigenschaft des errichteten Gebäudes sprechen, womit dem Klagebegehren tatsächlich stattzugeben wäre.
[Die Personenidentität schadet] Im zweiten Rechtsgang hat sich der Fokus der rechtlichen Beurteilung allerdings auf den Umstand verlagert, dass bei Abschluss des Mietvertrags insofern Personenidentität von Vermieterin und Mieterin vorlag, als die Gesellschafterin zum einen Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Mieterin und zum anderen Vermieterin war, und dass sich diese Personenidentität auch auf die Frage der (fehlenden) Belassungsabsicht auswirken müsse. Die Vorinstanzen nahmen zu dieser Frage zwar nicht ausdrücklich Stellung, die Nebenintervenientin berief sich aber darauf, dass „betreffend das Vorliegen der fehlenden Belassungsabsicht nicht auf die (unkontrollierbare) innere Absicht des Erbauers abzustellen [sei], sondern [dass] es auf die objektiv erkennbaren Umstände an[komme]“. Dem ist zu folgen: Der OGH3) hat darauf abgestellt, dass „Gesellschafter- beziehungsweise Geschäftsführeridentität bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des [dort abgeschlossenen] Pachtvertrags und der Einräumung der Möglichkeit der Errichtung von Superädifikaten auf der Liegenschaft bestand“; daher sei „die fehlende Belassungsabsicht deshalb zu verneinen, weil die Eigentümerin allfälliger Superädifikate aufgrund der Personenidentität quasi ‚sich selbst‘ das Grundbenutzungsverhältnis hätte verlängern können beziehungsweise beenden müssen“. Diese Auffassung lässt sich durchaus mit der hA in Einklang bringen, wonach es bei der Belassungsabsicht nicht auf die unkontrollierbare innere Absicht des ErZVB [2015] 01
bauers, sondern auf objektiv erkennbare Umstände ankommt. Das Fehlen der Belassungsabsicht muss in äußerlich kundbarer Weise zutage treten, weil auch im Recht der Superädifikate ein Mindestmaß an Publizität gewahrt bleiben soll.4) Die erforderliche Absicht der nicht ständigen Belassung des Gebäudes muss sich objektivieren lassen, nämlich durch ein von vornherein zeitlich begrenztes, vom Grundeigentümer eingeräumtes Grundbenutzungsrecht.5) Entscheidend ist, dass das Gebäude nur so lange bleiben darf, wie der Grundstückseigentümer das Grundstück zur Verfügung stellt.6)
[Ein jederzeit „mit sich selbst“ veränderbarer Mietvertrag] Gerade solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Aufgrund der Personenidentität der Liegenschaftseigentümerin mit der Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Erbauerin kann nämlich das Grundbenutzungsrecht der Erbauerin allein durch deren Willensentschluss verlängert werden. Damit hängt nach den zugrundeliegenden Rechtsverhältnissen die Belassung des Gebäudes allein vom Willen einer natürlichen Person ab, die die erbauende Gesellschaft beherrscht und allein vertritt. Der Abschluss eines solchen, jederzeit durch die Erbauerin „mit sich selbst“ veränderbaren Mietvertrags macht ein Fehlen der Belassungsabsicht nach außen nicht erkennbar.7)
[Zum Pfandrecht] Auch wenn die Kl im Revisionsverfahren auf ihre Behauptung eines gutgläubigen Erwerbs des Pfandrechts am Bauwerk gem § 456 ABGB nicht mehr zurückkommt, ist der Vollständigkeit halber auf die Ausführungen des erkSen im Aufhebungsbeschluss zu verweisen. Dort wurde bereits klargestellt, dass die Annahme einer Gutgläubigkeit der klagenden Bank dahin, dass es sich beim Bauwerk tatsächlich um ein rechtswirksam begründetes Superädifikat handelte, „einer besonderen Begründung“ bedürfte, sei die Bank damals doch maßgeblich in die Ausgestaltung der konkreten rechtlichen Konstruktion, die offensichtlich der Steuerersparnis gedient haben dürfte, (zumindest) eingebunden gewesen. Eine solche besondere Begründung findet sich in den Ausführungen der Vorinstanzen nicht, abgesehen davon, dass der gute Glaube im Sachenrecht nur das Vorhandensein des Eigentums des Vormanns ersetzen, nicht aber sonstige rechtliche Defizite ausgleichen kann.8) Liegt kein Superädifikat vor, ist weder ein derivativer noch ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb möglich. Ü
3) 8. 3. 2007, 2 Ob 242/05 k. 4) RIS-Justiz RS0009865; Hinteregger in Schwimann/Kodek, ABGB II4 (2012) § 435 Rz 2; Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 435 Rz 5 (Stand Februar 2014, www.rdb.at); Rechberger/Oberhammer in Kletečka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 93. 5) 3 Ob 516/90 SZ 63/100. 6) 28. 5. 1991, 5 Ob 98/90; Hinteregger in Schwimann/Kodek, ABGB II4 § 435 Rz 2. 7) So auch Eliskases, Kreditbesicherung durch Superädifikate, ecolex 2014, 74. 8) Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek, ABGB II4 § 367 Rz 1; Graf, Das nur scheinbare Superädifikat als Kreditsicherheit, ecolex 2014, 78.
Ü Personenidentität zwischen Vermieterin und Vertreterin der Mieterin vermindert die Publizität des Superädifikats
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[B A U V E R T R A G S R E C H T ] Anmerkung: Ausnahmen vom Grundsatz „superficies solo cedit“
In Österreich gilt der Grundsatz, dass Bauwerke auf einer Liegenschaft dem Eigentümer der Liegenschaft gehören („superficies solo cedit“). Dieser Grundsatz ist durch vier Ausnahmen durchbrochen: Diese Ausnahmen sind das gesonderte Eigentum an unterirdischen Bauwerken („Kellereigentum“, zB an einer Tiefgarage),9) das gesonderte Eigentum an Maschinen (etwa ein Backofen oder eine Kühlanlage),10) das Baurecht11) und eben das Superädifikat.12) Die erforderliche Publizität erfolgt grundsätzlich beim „Kellereigentum“ durch Eröffnung einer Grundbuchseinlage,13) bei Maschinen durch Anmerkung im Gutsbestandsblatt (A2-Blatt),14) beim Baurecht sowohl durch eine Grundbuchseinlage für das Baurecht als auch durch Eintragung im Lastenblatt der Liegenschaft15) und beim Superädifikat durch Urkundenhinterlegung nach dem Urkundenhinterlegungsgesetz.
Im Gegensatz zu den drei erstgenannten Ausnahmen ist das Superädifikat nicht Gegenstand des Grundbuchs. Die Urkundenhinterlegung ist in der Bauwerksdatei einzutragen, wobei für jedes Bauwerk eine eigene Karteikarte angelegt wird.16) Darüber hinaus erfolgt jedoch eine Ersichtlichmachung im Grundbuch (Gutsbestandsblatt).
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Originäre Begründung von Eigentum am Superädifikat
Ein Superädifikat entsteht mit seiner Errichtung. Dies setzt einen Vertrag zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Errichter voraus, dem zufolge das zu errichtende Superädifikat nur vorübergehend als Superädifikat auf der Liegenschaft verbleiben soll. Dieser Vertrag muss vor Baubeginn abgeschlossen sein, da andernfalls das unfertige Bauwerk bereits Zubehör der Liegenschaft geworden ist und dies nicht reversibel im Sinne der Errichtung eines Superädifikats ist.17) Die Publizität tritt oft durch eine „labile Bauweise“ in Erscheinung, zB bei einer Schrebergartenhütte.18) Wie im Anlassfall können jedoch derzeit auch fest gemauerte Bauwerke, die nicht ohne Zerstörung der Substanz entfernt werden können, ein Superädifikat sein. Für die Publizität muss in diesen Fällen oft der Vertrag zwischen Liegenschaftseigentümer und Errichter ausreichen, zumal Urkundenhinterlegung und Ersichtlichmachung im Grundbuch nicht rechtsbegründend sind. Es bestehen jedoch Bestrebungen, Superädifikate auf Bauwerke mit „labiler Bauweise“ einzuschränken, wodurch Bauwerke in massiver Bauweise nur mehr mit einem Baurecht oder als „Kellereigentum“ verselbständigt werden könnten.19) Derivativer Erwerb von Rechten an Superädifikaten
Ein derivativer Erwerb von Rechten an Superädifikaten ist grundsätzlich nur durch Urkundenhinterlegung möglich. Die Urkundenhinterlegung ist regelmäßig der Modus für den Erwerb des dinglichen Rechts. Eigentum an einem Superädifikat kann also nicht durch Kauf und Übergabe erworben werden. Für den Eigentumsübergang sind vielmehr der Abschluss des Kaufvertrags und die Urkundenhinterlegung erforderlich.
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Auch die Verpfändung eines Superädifikats ist nicht durch Pfandbestellungsvertrag und Übergabe möglich. Erforderlich sind Pfandbestellungsvertrag und Urkundenhinterlegung. Ein strenger Maßstab
Bei formaljuristischer Betrachtung scheinen die Parteien alles richtig gemacht zu haben, um ein Superädifikat zu errichten und an diesem ein Pfandrecht zu begründen: Ein zeitlich befristeter Mietvertrag über die Liegenschaft wurde vor Baubeginn geschlossen. Vermieter und Mieter waren verschiedene Parteien, woran die Stellung der Vermieterin als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der als Mieterin auftretenden GmbH nichts ändert. Und auch das Pfandrecht am Superädifikat scheint durch Urkundenhinterlegung korrekt begründet zu sein. Der OGH hat den zeitlich befristeten Mietvertrag jedoch nicht als ausreichende Grundlage für die Errichtung eines Superädifikats anerkannt. Die Vermieterin hat als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin die Mieterin beherrscht, weshalb die zeitliche Befristung nicht ausreichend war. Der Vermieterin wäre es nämlich auf diese Weise offengestanden, den Mietvertrag jederzeit zu verlängern. Damit fiel die Basis weg, auf der die Begründung eines Superädifikats beruhte. Wäre das Bauwerk nicht in massiver Bauweise errichtet worden, sondern in labiler Bauweise, also beispielsweise als Schrebergartenhäuschen, so hätte bei sonst gleichem Sachverhalt durchaus ein Superädifikat vorliegen können. Die mangelnde Belassungsabsicht wäre in diesem Fall weniger aus der Befristung des Mietvertrags, sondern hauptsächlich aus der labilen Bauweise hervorgegangen.20) Bei massiver Bauweise ist jedoch der Maßstab strenger, die Verflechtung von Vermieterin und Mieterin schadet. Wird der Mietvertrag als Grundlage für die Errichtung eines Superädifikats nicht anerkannt, so ergibt sich alles Weitere von selbst. Das Bauwerk ist Zubehör der Liegenschaft. Ein Pfandrechtserwerb am Superädifikat ist auch nicht gutgläubig möglich, weil es kein Superädifikat gibt. Der Hinweis auf den sachenrechtlichen Gutglaubenserwerb geht ins Leere, weil man 9) § 300 ABGB; weiterführend zB Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 199. 10) § 297 a ABGB; weiterführend zB Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 189; Kodek in Schwimann, ABGB Taschenkommentar2 § 297 a. 11) BauRG; weiterführend zB Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 329 ff. 12) § 435 ABGB, weiterführend zB Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 342 ff. 13) Näher Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 199. 14) Näher Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 189. 15) Näher Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 335. 16) Näher Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 349. 17) Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 344 unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0012258. 18) Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 797; Rassi, Grundbuchsrecht2 Rz 345. 19) Koziol – Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Rz 798. 20) Nach Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 435 Rz 6 mwN, kann sich die mangelnde Belassungsabsicht nämlich auch in der Bauweise bzw dem äußeren Erscheinungsbild des Bauwerks ausdrücken. Bauwerke in massiver Bauweise sind insoweit für eine etwaige Eigenschaft als Superädifikat besonders kritisch.
Ü Personenidentität zwischen Vermieterin und Vertreterin der Mieterin vermindert die Publizität des Superädifikats
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[B A U V E R T R A G S R E C H T ] nicht gutgläubig Rechte an einer Sache erwerben kann, wenn es die Sache nicht gibt.
Praxistipp: Ü Superädifikate entstehen mit ihrer Errichtung. Ü Grundlage für die Errichtung eines Superädifikats ist ein Vertrag zwischen Liegenschaftseigentümer und Errichter, der vor Baubeginn abgeschlossen sein und eine deutliche Befristung enthalten muss.
Ü Bei Superädifikaten in massiver Bauweise können personelle Verflechtungen zwischen Vermieter und Mieter bewirken, dass die Befristung des Vertrages nicht anerkannt wird und somit die Grundlage für die Errichtung eines Superädifikats fehlt. Albert Oppel21)
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21) Der Beitrag gibt lediglich die persönliche Ansicht des Autors wieder.
[MUSTERSERIE]
Übernahmefiktion wegen Übernahme in die Verfügungsmacht des AG (Mitteilung des AN) Von Johannes Bousek ZVB 2015/13
Bei Bauwerkverträgen wird eine förmliche Übernahme die Regel sein. Entweder wurde sie ohnedies vertraglich vereinbart oder deren Notwendigkeit ergibt sich aus Art und Umfang der Leistung. Ansonsten ist auch eine formlose Übernahme möglich bzw wird
eine solche in verschiedenen Fällen „fingiert“. Als übernommen gilt eine Leistung etwa dann, wenn sie seitens des AG bereits in seine Verfügungsmacht übernommen wurde.
Übernahmefiktion wegen Übernahme in Verfügungsmacht Briefkopf B (Auftragnehmer, AN) A (Bauherr, BH) Postvermerk [EINSCHREIBEN]1) Ort, Datum Betreff Bauvorhaben [BEZEICHNUNG], [ADRESSE] Übernahme vom [DATUM] Hinweis Nachdem wir Ihnen mit Schreiben vom [DATUM] die Fertigstellung unserer Leistung angezeigt2) haben, konnten wir nun auch feststellen, dass bereits seit dem [DATUM] die Arbeiten, die auf unserer Leistung aufbauen, durchgeführt werden.3) Da Sie somit unsere Leistung in Ihre Verfügungsmacht übernommen haben, halten wir der Ordnung halber das Datum der Übernahme mit [DATUM wie oben] fest. Folgen Mit diesem Tag sind alle mit der Übernahme verbundenen Rechtsfolgen, wie Beginn der Gewährleistungsfrist4) und Gefahrenübergang,5) verbunden. Unsere Schlussrechnung6) übermitteln wir Ihnen mit gesonderter Post. Ü
1) Mit der Übernahme sind wesentliche Rechtsfolgen verbunden. Sofern es daher keinen einvernehmlich abgestimmten Übernahmetermin oder -zeitpunkt geben sollte oder ein Ereignis eintritt, aufgrund dessen von einer davon abweichenden Übernahme auszugehen ist, muss allein aus Gründen der Rechtssicherheit das Ereignis, das den Eintritt der Rechtsfolgen auslöst, bestimmt und dem Vertragspartner gegenüber festgehalten werden. 2) Eine Verpflichtung des AN, die Fertigstellung seiner Leistung dem AG schriftlich mitzuteilen, gibt es ausdrücklich nur im Anwendungsbereich der ÖNORM B 2110 und auch dort nur dann, wenn eine förmliche Übernahme vereinbart oder nach Art und Umfang der Leistung üblich ist (Pkt 10.3.1). Es empfiehlt sich dennoch in allen Fällen, also selbst dann, wenn die Fertigstellung der Leistung unmittelbar auch seitens des AG wahrgenommen wurde, eine Fertigstellungsmitteilung zu erstellen, um zu dokumentieren, dass Vertragsfristen eingehalten wurden, das Gewerk nun zur Übernahme (etwa durch Übernahme in die Verfügungsmacht des AG) bereit steht etc. 3) Mangels förmlicher Übernahme bedarf es anderer „Zeichen“, dass das Gewerk vollendet ist. Zur Vollendung genügt es nicht, dass die Leistung des AN abgeschlossen ist, sondern muss dies der AG auch hinreichend bestimmt zur Kenntnis nehmen. Dies kann ausdrücklich erfolgen (etwa durch eine entsprechende Bestätigung) oder auch schlüssig. In Betracht kommen hier verschiedenste Verhaltensweisen, wie etwa unter Umständen die Bezahlung des Werklohns, eine Inbetriebnahme, die Beauftragung eines Folgegewerks (zB des Bodenlegers, nachdem der AN den Estrich hergestellt hat) etc. 4) Die Gewährleistungsfrist beginnt mit der Übernahme der Leistung (Pkt 10.6.1 ÖNORM B 2110; § 933 ABGB). 5) Mit der Übernahme erfolgt der Gefahrenübergang der Leistung (Pkt 10.6.1 ÖNORM B 2110; § 1168 a ABGB). 6) Die Gesamtleistung ist in der Schlussrechnung abzurechnen (Pkt 8.3.4 ÖNORM B 2110), welche – sofern im Vertrag keine andere Frist vereinbart wurde – spätestens zwei Monate nach der vertragsgemäßen Erbringung der Leistung vorzulegen ist (Pkt 8.3.6.2 ÖNORM B 2110). Im Anwendungsbereich der ÖNORM ist ein Werklohnanspruch daher jedenfalls nicht sofort mit Fertigstellung und/oder Übergabe fällig. Nach § 1170 ABGB ist das Entgelt (bereits) nach vollendetem Werk zu entrichten, es kann aber auch hier zur „Vollendung“ noch eine Übergabe (oder gegebenenfalls eine entsprechende Fiktion) erforderlich sein – was bei Bauleistungen der Regelfall sein wird – bzw auch eine Rechnungslegung innerhalb einer verkehrsüblichen Frist.
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[M U S T E R S E R I E ]
Ü [LITERATUR
Ü Über den Autor Mag. Johannes Bousek ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lattenmayer, Luks, Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien. Kontaktadresse: Lattenmayer, Luks, Enzinger Rechtsanwälte GmbH, Mahlerstraße 11, 1010 Wien. Tel: +43 (0)1 513 17 84, Fax: +43 (0)1 513 75 94 E-Mail: office@LLEanwaelte.at Internet: www.lleanwaelte.at
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auf Seiten des Bauherren und ist auf seine Bedürfnisse ausgerichtet, dennoch ist sie von der Stammorganisation des Bauherren strikt getrennt. Als Weiterentwicklung des Leistungsbilds „Projektsteuerung“ steht dem Bauherrenmanagement – ebenso strikt getrennt – das „Bauprojektmanagement“, nämlich die operative Managementeinheit auf der Ebene der Planung und Errichtung, gegenüber. Das Buch beschränkt sich nicht darauf, die vorgeschlagene Projektorganisation darzustellen, sondern erklärt auch alle wesentlichen Managementinstrumente und den Projektablauf. Schließlich werden die Leistungsbilder und Grundzüge der Beschaffung des Bauherren- und des Bauprojektmanagements beschrieben. Friedrich Prem richtet sich vor allem an Führungskräfte von Unternehmen, die vor einer komplexen Bauherrenaufgabe stehen. Sein Managementsystem soll gerade jene unterstützen, die nicht routinemäßig und vorrangig Bauherrenaufgaben wahrnehmen. Ihnen, aber auch jenen „Baumanagementprofis“, die Interesse an neuen Wegen haben, sei die Lektüre ans Herz gelegt. Gregor Stickler
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