ADVENTURES COLLECTION B Y A DVA N C E 2021
Foto ADI GEISEGGER
Advanced Adventures
2
Get inspired
Eine turbulente Zeit liegt hinter uns. Es war ein Jahr voller Herausforderungen und Einschränkungen. Vielleicht gerade deshalb das grosse Verlangen nach Outdoor-Erlebnissen und Flugabenteuern? Die ungebrochen hohe Nachfrage nach Gleitschirm-Equipment ist sicher ein Zeichen dafür. Viele Pilotinnen und Piloten haben die Zeit genutzt, um mit unserem Equipment tolle Flugabenteuer zu realisieren. Wiederum haben wir einige dieser packenden Stories gesammelt und aufbereitet. Erzählt wird nicht nur von lokalen Flügen und Micro Adventures vor der eigenen Haustür. Einige Pilotinnen und Piloten haben sich trotz Reisebeschränkungen in die Ferne gewagt. Und noch was: Unser Magazin erscheint in einem komplett überarbeiteten Layout. Die Neukonzeption hat uns viel Spass gemacht und sie gestaltet die Lektüre noch intensiver. Steig ein, wir sind sicher, dass dich unsere Piloten-Stories zu eigenen Gleitschirmabenteuern inspirieren, sei es in deiner Nähe oder in weiter Ferne. Wir sind gespannt auf deine individuelle Geschichte und freuen uns natürlich, wenn du sie mit #advancedadventures verlinkst.
3
INHALT
Advanced Adventures
6
20
ZWISCHEN HIMMEL & HÖLLE
POWER COUPLE
Felix Wölk und Pablo Heidenreich
Céline Mehouas und Sébastien
erleben in Guatemala ein
Remillieux reisen mit dem
Abenteuer aus Luft und Feuer,
Tandem von ihrem Dorf in
das an der Wolkenbasis zur
Südfrankreich dem Alpenbogen
Gratwanderung wird.
entlang bis nach Slowenien.
26 12
32
42 TAGE UMWEG
BIKE TO FLY
Olga von Plate erzählt
Patrick von Känel erzählt von
eindrücklich von ihrer Reise
einer Bike-Tour der anderen
von Salzburg bis Freiburg.
Art, bei der er inklusive Bike
Ein Biwakflug als Umzug.
abhebt und so ein Hindernis
SKI & FLY CIRCUIT
überwindet.
Andy Busslinger, Fred Souchon und Kari Eisenhut wollen mit Ski und Gleitschirm das Mont-BlancMassiv umrunden.
4
Inhalt
36
GUMBALL TRANSALP RALLY Acht VolBiv-Enthusiasten brechen im französischen Streckenflug-Mekka Saint André zur ersten selbsternannten Gumball Transalp Rally auf.
50
GETEILTE FREUDE AM BERG Eine bunt gemischte sechsköpfige Truppe von Piloten und Alpinisten ist aufgebrochen, um auf die 4.158 m hohe Jungfrau in der Schweiz zu steigen.
42
58
ÜBER DEN VULKANEN
URBAN STYLE
Melanie Weber und Adi
Adi Geisegger und Michi
Geisegger lassen sich die
Maurer realisieren ein
Äolischen Inseln von Local
spektakuläres Fotoshooting
Antonio Lo Duca zeigen.
mitten in München.
64
ALLEIN IN DER WILDNIS
Björn Klaassen lässt sich in der grönländischen Wildnis aussetzen. Bepackt mit Schirm und allem, was man braucht, um zwei Wochen auf sich alleine gestellt zu sein.
5
Text FELIX WÖLK Fotos FELIX WÖLK
Advanced Adventures
6
Zwischen Himmel und Hölle Auf Guatemalas Vulkanen
A U F
Himmel & Hölle
G U A T E M A L A S
V U L K A N E N
Z W I S C H E N
FELIX WÖLK Felix ist Gleitschirm- und Drachenflieger, Fallschirmspringer sowie Bergsportler der alten Schule. Seit zwei Jahrzehnten gehört er zu den renommiertesten Gleitschirmfotografen weltweit.
PABLO HEIDENREICH Pablo fliegt seit 2011 und hat vor vier Jahren seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Als Fluglehrer ist er im Sommer in den Alpen unterwegs, im kalten europäischen Winter treibt es ihn nach Süd- und Mittelamerika.
Advanced Adventures
Bei der Befliegung des 3.976 Meter hohen
„Der Volcán de Fuego ist der aktivste Vulkan Mittelamerikas, keine zwei Kilometer entfernt, spuckt er kontinuierlich Lavafetzen und glühende Felsen aus.“
Acatenango geraten Felix Wölk und Pablo Heidenreich in einen mittelamerikanischen Hexenkessel. Ein Abenteuer aus Luft und Feuer, das an der Wolkenbasis zur Gratwanderung wird. Durch die hellhörige Zeltwand schallen die Eruptionen des Volcán de Fuego. Kaum zwei Kilometer entfernt lässt uns der Schlund des aktivsten Vulkans Mittelamerikas keinen Schlaf. Ich öffne den Reissverschluss des Zelteingangs, um das feurige Spektakel zu beobachten: Lavafetzen und glühende Felsen regnen aus einem verglimmenden Funkenball. Kurz beleuchten sie blutrot die schwarzen Flanken eines 3.830 m hohen Kegels, an dem qualmende Felsen talwärts kugeln. Ich zwinge mich die Augen zu schliessen. Kaum akklimatisiert, plagt mich die innere Unruhe unseres bevorstehenden Abenteuers. Für den kommenden Morgen ist ein windstilles Wetterfenster prognostiziert, das letzte. Danach dominiert der Nordwind tagelang. Es wird unser dritter Versuch einer Befliegung des Acatenango – und unsere letzte Chance.
8
Zwischen Himmel und Hölle Auf Guatemalas Vulkanen
AM VULKAN
Pablo und ich versuchen die Luft
Es ist vier Uhr früh. Ob ich geschlafen
anhand der Wolkenbilder zu lesen. Die
habe, weiss ich nicht. Pablo packt bereits
Einschätzung der Situation ist delikat.
den Rucksack. Dann stapfen wir los in die
Früh morgens sollte es fliegbar sein, hoffen
finstere Nacht. Im Licht der Stirnlampen
wir. Schnell sind wir startklar. Den dritten
wirbelt jeder Schritt Lavasand auf. Das
Abstieg vor Augen fülle ich das Segel. Nach
Atmen fällt schwer. Auf 3.800 Meter
fünf Schritten hebe ich vom Kraterrand ab,
befinden wir uns in der kargen,
leise ahnend, dass es ein Abenteuer mit
unfruchtbaren Region des Vulkans, der sich
der Brechstange wird.
aus der pazifischen Küstenebene erhebt. Der Aufstieg in diese Höhe war eine Reise
EINE ATMOSPHÄRE –
durch verschiedene Klimazonen: Aus
ZWEI WELTEN
der Hitze der Täler wanderten wir durch
Ein himmlischer
das fruchtbare Ackerland. Dann durch
Flug beginnt. Die
triefenden Urwald mit einer Luftfeuchte
weisse Masse unter
von nahezu hundert Prozent. Es folgt eine
uns. Sie scheint
Zone mit rätselhaft totem Gehölz, das wohl
ganz Guatemala
einem Ascheregen zum Opfer fiel. Erst
zu bedecken.
auf 3.700 Meter Höhe beginnt das Ödland
Doch der Blick in
des Hochgebirges, das hier aus Sand und
die Tiefe macht
Lavafels besteht.
mich skeptisch. Im
„Wir wussten, dass wir nur noch diese eine Chance hatten um den 3.976 m hohen Acatenango zu befliegen. Jetzt oder nie.“
Minutentakt ändert DIE
sich das Wolkenbild.
UNKALKULIERBARE
Nach 15 Minuten
„Pablo und ich fliegen in die Ungewissheit, die mit ihrem verführerischen Glanz um 6:45 Uhr zu sehr lockte.“
PRACHT
ohne jegliche Luftbewegung erreichen
Als wir den Krater
wir das Wolkenniveau. Das Tor in eine
erreichen, dämmert
andere Welt. Jene unter der Basis, in der
es. Der Wind scheint
ein Traum zum Albtraum wird. Augenblicke
heute tatsächlich zu
später stehen wir im Wind. Ich trete den
schlafen. Wir spüren
Beschleuniger. Dann drückt mich eine
nur leichte Böen. Im
unsichtbare Wand im Rückwärtsgang nach
Takt von wenigen
Süden. Ich funke mit Pablo. Er kämpft
Minuten spuckt
hinter mir im Gegenwind und wird immer
der Fuego dichte
kleiner. 70 km/h Nordwind liest er auf
Aschewolken in
seinem GPS. Wir zögern nicht, drehen ab
den Morgenhimmel.
und flüchten vor dem Düseneffekt der
In der Tiefe liegt Guatemala unter einer
Vulkankegel in die Ebene. Mit 110 km/h
geschlossenen Wolkendecke. Am Horizont
über Grund rauschen wir Richtung Pazifik.
rast die äquatornahe Sonne in den Tag. Ein
Die Luft wird unruhiger. Ich beginne zu
Schwall von Farbe, Zeichnung und Kontrast
steigen, trete die Speedbar, dann knallt mir
überflutet das weisse Meer.
der erste Klapper um die Ohren.
9
Advanced Adventures
10
Zwischen Himmel und Hölle Auf Guatemalas Vulkanen
E Q U I P M E N T
Der Föhnwind aus Norden wird von
„Als mein Vario hysterisch pfeift, wird mir klar: Wir befinden uns im Hexenkessel der Winde.“
einer Sperrschicht
SIGMA 11
auf den Bereich unter
Ambitious Cross Country
der Basis komprimiert. Bei 70 km/h gibt es Wellen und Rotoren.
LIGHTNESS 3
Aus Süd drückt
Ready to Transit
vom Pazifik eine Seebrise dagegen. Wir befinden uns inmitten der giftigen Konvergenzen,
„Als ich in den Himmel blicke, ist die einzige Kondensation eine kilometerlange Lenticularis, die am Horizont wie ein Geschwür an einem Berg klebt.“
die unter einem Inversionsdeckel brodeln. Es wird ernst. Pablo wurde verblasen. Ich sehe ihn wild pendelnd 400 Meter höher, weit südlich. Mich trifft der nächste unsichtbare Hammerschlag. Mein Profil ist nur noch ein Knäuel. Ok, warten, füllen, anfahren lassen. Im Rückwärtsflug beginnt ein Ringen um jeden Zentimeter. In harten NonstopTurbulenzen kämpfe ich gegen das Steigen und die Schläge. Ich pendle wild. Um Klapper in Schräglage zu vermeiden, verfolge ich bald eine verwegene Taktik: Ich lasse Klapper geschehen und versuche sie kontrolliert im Lot zu füllen. Immer
KOMPLEXITÄT ABENTEUERFLIEGEREI
wieder steige ich wie eine Rakete, immer
Im öffentlichen „Chicken Bus“ tingeln Pablo
wieder sind alle Zellen leer. Meine
und ich zurück nach Antigua. Pablo zitiert
Nerven sind am Limit. Ich zwinge mich zu
ungläubig aus seinem GPS: „Start 6 Uhr 45.
rhythmischer Pressatmung und eiserner
Maximales Steigen 11,4 m/s. Maximaler
Konzentration. Etwa 100 Meter über Grund
Wind 72 km/h.“ Er zieht ironisch Resümee:
trete ich entschlossen in die Speedbar
„Ein schöner Morgenflug.“ Ich sinniere,
und vernichte in Bodennähe mit einem
denn ich habe den anspruchsvollsten
pulsierenden Profil 50 Höhenmeter ohne
Gleitschirmflug meiner 28-jährigen
Klapper. Dann habe ich Vorwärtsfahrt.
Karriere durchstanden. Ein berechenbarer
Ich schaffe es auf ein Feld, stehe in
Gleitschirm und etwas Glück liess letztlich
einer Ostböe und habe kurz später
alles gut gehen. Mir wurden heute
Bodenkontakt. Eine Seite zweimal wickeln,
die Risiken der Abenteuerfliegerei ins
die andere am A-Gurt packen! Ich reisse
Gedächtnis gerufen: Die Fremde mit ihren
brachial alles runter und taumle rückwärts.
komplexen lokalen Wettersystemen,
Das Segel knallt auf den Boden. Ich stehe.
der fehlende Erfahrungsschatz im
Wenngleich auf weichen Knien. Ausgelaugt
Unbekannten, der Zeit- und Erfolgsdruck
funke ich Pablo an. Er spricht und steht auf
als Fotograf.
zwei Beinen. Erleichtert falle ich ins Gras, atme durch.
11
Advanced Adventures
SKI & FLY CIRCUIT
A L
U
M
E
D
I
N
M
E N
B L A und ist Lehrer von Beruf. In seiner Freizeit ist er am liebsten selbst beim Gleitschirmfliegen.
KARI EISENHUT Kari ist der Gründer der Flugschule Chillout-Paragliding in der Schweiz und leitet diverse Weiterbildungen. Ausserdem ist er Testpilot bei ADVANCE.
FRED SOUCHON Fred ist enthusiastischer Gleitschirm flieger, Alpinist und ausgebildeter Bergführer. Beruflich arbeitet er als Bergretter in Chamonix.
12
T
renommiertesten Gleitschirmfotografen
N
Andy gilt als einer der
O
N
C
M
ANDY BUSSLINGER
Text RAPHAELA HAUG Fotos ANDY BUSSLINGER
Ski & Fly Circuit Einmal um den Mont Blanc
13
„
Advanced Adventures
Andy Busslinger, Fred Souchon und Kari Eisenhut wollen mit Ski und Gleitschirm das Mont-Blanc-Massiv umrunden. Dabei geht es weder um die grosse sportliche
Es war eine ganz andere Art des Reisens. Hoch, runter, unser Ziel war es, immer weiter zu kommen und am Ende wieder am Startpunkt rauszukommen. – ANDY BUSSLINGER –
Leistung, noch um eine fliegerische Knacknuss. Ihre selbst auferlegte Spiel regel: Erlaubt ist alles, was Spass macht. Sie nutzen für den Aufstieg Skilifte, Bahnen und öffentliche Verkehrsmittel, um dann über griffige Pisten, durch leichten Pulverschnee und mit dynamischen Flügen abzusteigen und an den nächsten Ort zu kommen. Der Weg ist das Ziel, und dieser dauert ganze drei Tage. Pistenpläne und Skigebietskarten liegen auf dem Tisch. Im Wintersport hochklingende Destinationen wie Chamonix, Albertville, Megève und Courmayeur werden genannt. Das Trio brütet am Vorabend in Freds Chalet in Chamonix über den Karten. Sie lassen der Kreativität freien Lauf, welche Bahnen, Skilifte und Zugstrecken sie wie Perlen an eine Kette reihen, um verschiedene Skigebiete in zwei Ländern so zu nutzen, dass sie einmal rund um das Mont-BlancMassiv reisen können. Fred ist der Local, Kari und Andy haben schon in Schweizer Skigebieten Erfahrungen in dieser Disziplin gesammelt.
14
Ski & Fly Circuit Einmal um den Mont Blanc
DIE ETWAS ANDERE ART DES REISENS Klick. Klick. Die Skischuhe sind in die
Zwei Gondeln und einen Gleitflug später
Bindung eingerastet. Es kann losgehen.
sind die drei an der Bellevue-Bergstation.
Das Trio startet nördlich von Chamonix
„Die Aussicht hier oben ist herrlich. Der
im Dorf Vallorcine. Sie nehmen den Lift
Mont Blanc ist direkt vor unserer Nase,
auf den Gipfel des Tête de Balmes: Hier
hoch oben am Grat bläst der Wind den
herrschen an diesem frühen Morgen
frischen Schnee weg. Die Schneefahnen
optimale Windbedingungen. Die Schirme
sind gigantisch. Fliegen dort oben wäre
werden aufgezogen und die drei können
heute unmöglich. Umso faszinierender,
eine perfekte Soaring- und Snowkite-
dass hier auf 1.800 Meter gute
Session geniessen. Nach über einer Stunde
Bedingungen herrschen“, erzählt Andy.
in der winterlichen Landschaft geht es zurück ins Tal. Nächster Stopp: Chamonix.
15
„
Advanced Adventures
Wenn nachmittags die Pisten leer sind, kannst du selber entscheiden, ob du lieber fliegen oder Ski fahren möchtest. Das ist schon ziemlich cool! – FRED SOUCHON –
16
Ski & Fly Circuit Einmal um den Mont Blanc
A L
U
M
E
D
I
N
M
E N
SCHWERELOSIGKEIT klingelt der Wecker. Ein langer und schöner
O
N
N
C
M
Der zweite Tag startet früh, um sieben Uhr Tag wartet auf das Trio im Val d’Arly. Oben am Startplatz: Rückenwind. Im Lee gelegen, ist der Flug, der sie nach Megève bringen soll, dem Untergang geweiht. Sie müssen ein Stück absteigen und können bei leichtem Seitenwind starten. Ein paar Liftanlagen, einige Sonnenstunden und Glücksmomente später geniessen Fred, Kari und Andy erneut eine Snowkite-Session. Langsam neigt sich der Nachmittag dem Ende zu, mit ihm verabschieden sich die letzten Sonnenstrahlen. Die Pisten sind fast menschenleer. Was gibt es da Schöneres, als grosse Kurven zu fahren, immer wieder abzuheben und das Gefühl der Schwerelosigkeit voll und ganz auszukosten? Anschliessend landen die drei in Albertville, tauschen die griffige Piste gegen die grüne Landewiese. Der Sprung zwischen den Jahreszeiten in wenigen Minuten, auch das ist die Magie des Gleitschirmfliegens.
17
T
B L A
Advanced Adventures
E Q U I P M E N T
PI 2 Light Versatility
STRAPLESS 2 Ultralight Mountaineer
ZWISCHEN ZWEI WELTEN Die Reise geht weiter nach La Rosière. In der Ferne zeigt
rückt immer näher, nimmt mehr und mehr einen Platz in
sich der Mont Blanc von seiner steilen und wilden Seite.
der Landschaft ein. Er ist da, majestätisch und imposant.
Die über 2.000 m hohe furchteinflössende Südwand
Mit der Heilbronner-Seilbahn geht es auf 3.462 Meter.
erschwert den Zugang zum berühmten Gipfel erheblich.
Sie katapultiert uns regelrecht in die Hochgebirgswelt.
„Ein Berg, der so bekannt ist, von unterschiedlichen Seiten
Die Aussicht hier ist schlichtweg phänomenal. Hier oben
zu sehen, hat mich schon fasziniert. Unsere Ski&Fly-Tour
herrschen perfekte Bedingungen. „Ein letztes Mal werden
hat uns in kürzester Zeit an die unterschiedlichsten Orte
wir unsere Schirme am Col des Flambeux aufziehen.
gebracht“, erzählt Fred. Der nächste Start befindet sich
Hinein geht es in die gewaltige Gletscherwelt. Über
bereits auf italienischer Seite und bringt die drei ins
das Vallée Blanche gleiten wir nach Chamonix. All die
Aostatal. Italienischer Kaffee, schmale Gassen und der
gigantischen hohen Berge neben uns: Dent du Géant,
Geruch von frischem Gebäck liegt in der Luft. Von hier
Grandes Jorasses, Aiguille Verte … Einfach überwältigend“,
geht es mit dem Bus nach Courmayeur. Der Mont Blanc
schwärmt Fred.
18
„
Ski & Fly Circuit Einmal um den Mont Blanc
Es ist kein aussergewöhnlich hohes Ski- und Flugniveau erforderlich, dafür braucht es aber viel Platz im Kopf, um all die tollen Eindrücke und Erlebnisse speichern zu können. – KARI EISENHUT –
19
Text SIMON CAMPICHE Fotos SÉBASTIEN REMILLIEUX, CÉLINE MEHOUAS
Advanced Adventures
Pilot oder Navigator? Oder doch umgekehrt? Je nach Tagesform und im Rollentausch reisen Céline Mehouas und Sébastien Remillieux von ihrem Dorf in Südfrankreich an den Alpen entlang bis nach Slowenien. Am Ziel sind es 530 am Tandem geflogene plus 430 zu Fuss zurückgelegte Kilometer. Wo sonst VolBiv-Abenteurer beim Entscheiden auf sich allein gestellt sind, ergänzt sich das Duo ideal. Das erweitert das Spektrum der Möglichkeiten und bereichert das gemeinsame Abenteuer – geteilte Freude ist nunmal doppelte Freude.
MIT DEM TANDEM AM ALPENBOGEN ENTLANG
Céline Mehouas Sébastien Remillieux
20
Power Couple Mit dem Tandem am Alpenbogen entlang
Céline Mehouas und Sébastien Remillieux leben in Barcelonnette in Südfrankreich und sind als Physiotherapeuten tätig. Sie fliegen seit ca. 8 Jahren Gleitschirm und haben beide das Tandem-Brevet. Sie haben bereits erste Erfahrungen im Tandem-VolBiv gesammelt, indem sie gemeinsam die Pyrenäen durchquert haben.
21
Advanced Adventures
E Q U I P M E N T
PIBI Family Affair
COMPANION SQR LIGHT
22
Power Couple Mit dem Tandem am Alpenbogen entlang
8 TAGE ANSTATT 8 STUNDEN
Der Urlaub hat
Der Start verläuft holprig. Eine
begonnen“, sagt Céline.
Hitzewelle fällt über Europa herein,
Sie geniessen vor
die Luftmasse wird zusehends
allem auch die Zeit im
stabiler. Es fliegt nicht richtig und ist
Freien und schlafen im
zu heiss zum Wandern. Die 36 bis
Zelt. Der Tagesablauf
40 kg an Flug- und Biwakausrüstung,
pendelt sich langsam
die sie gemeinsam tragen, fallen
ein: Schlafplatz suchen,
ins Gewicht. „Eine ganze Woche
Zelt aufstellen, kochen,
benötigen wir, um von unserer
schlafen, alles einpacken,
Heimat Barcelonette auf die nördliche
planen und entscheiden.
Seite der Französischen Alpen zu
Aber wie sieht eigentlich
EMOTIONEN UND MÜDIGKEIT
gelangen. Die gleiche Strecke bin ich
die Rollenverteilung aus? „Wir
Céline und Sébastien sind bereits
ein Jahr zuvor in weniger als acht
entscheiden gemeinsam und
16 Tage unterwegs. Müdigkeit
Stunden geflogen“, erzählt Sébastien
wechseln uns bei allem ab, in der
macht sich langsam breit. „Wir
etwas frustriert, „da rückt das
Luft wie am Boden. Sébastien ist aber
kompensieren diese, indem wir
Ziel Slowenien natürlich gleich in
derjenige, der vorwärts pushed und
versuchen, methodisch zu bleiben,
die Ferne. Dennoch haben wir
die Initiative zum Fliegen ergreift.
damit uns keine Fehler passieren“,
versucht, die Tage so zu nehmen,
Ich hingegen sichere manchmal
sagt Céline. Ob es einen Tiefpunkt auf
wie sie kommen.“
etwas ab und bremse ihn ein wenig“,
der Reise gab? „Ja“, sagt Sebastien,
schmunzelt Céline. Die Strecke
„ich habe einmal vergessen, vor
„Mit dem 94-km-Flug konnte ich meinen weitesten Tandemflug realisieren.“ – SÉBASTIEN REMILLIEUX –
durch Norditalien legen
dem Start den Rucksack richtig
die beiden weitgehend
zu befestigen. Wir hatten grosses
fliegend zurück. Die
Glück, denn ich konnte ihn in der
„Wir haben acht Tage für eine Strecke gebraucht, die ich letztes Jahr in acht Stunden realisieren konnte. Das ist schon frustrierend.“
Bedingungen sind
Luft festhalten und befestigen. Das
vielversprechend, auch an
war jedoch der Moment, wo sie
dem Tag, wo Céline und
ihren Emotionen freien Lauf liess
Sébastien den Comersee
und mir hemmungslos ihre Meinung
im Flug queren und in
zu diesem Versehen sagte … Das ist
das Veltlin einbiegen,
die Kehrseite, wenn man als Paar
ist die Thermik stark
unterwegs ist“, schmunzelt er.
– SÉBASTIEN REMILLIEUX –
und winddurchsetzt, die Flugbedingungen anspruchsvoll. Sébastien ist bei diesem Flug „Pilot
DER BEGINN DER FERIEN
in Command", zum Glück, denn Céline
Die Moral der beiden steigt mit
mag solche Bedingungen weniger.
zunehmender Flughöhe, konkret
Aber die beiden kommen gut voran
mit dem Erreichen der Hochalpen.
und am Nachmittag taucht mit dem
Beeindruckend ist ihr erster grosser
Piz Bernina der östlichste 4000er der
Streckenflug entlang des südlichen
Alpen auf. Ein weiterer Meilenstein,
Mont-Blanc-Massivs bis weit nach
ein befriedigender Moment. Zur Feier
Italien hinein. „Wir haben nun die
dieses 94-km-Fluges gönnt sich das
Heimat endgültig hinter uns gelassen
Duo italienisches Eis.
und entdecken ab jetzt neues, unbekanntes Gelände.
23
Advanced Adventures
JETZT ODER NIE Céline landet den PIBI am Morgen des 22. Tages in Österreich. Slowenien ist nicht mehr weit, aber
FILM ANSCHAUEN
der Himmel grau. Laufen ist angesagt. Nach einem unerwarteten Flug am nächsten Tag entdecken sie auf der Karte einen potentiellen Startplatz nahe der slowenischen Grenze. „Morgen oder nie“, lässt Sébastien verlauten. Denn die Wettervorhersagen für die folgenden Tage sehen düster aus. Doch der Startplatz muss zuerst erreicht werden, es liegen 15 km Luftlinie und 1.000 Höhenmeter dazwischen und es ist bereits 18.30 Uhr. Gesagt, getan. Nach einer vom Mond erhellten Monsterwanderung erreichen die beiden um 3:30 Uhr den Startplatz. Viel Zeit zum Schlafen haben sie nicht – beim Sonnenaufgang manövriert Céline den Tandem bereits gekonnt zwischen Bäumen und Skilift in die Luft. Ein zehnminütiger Gleitflug folgt und die beiden setzen ihre Füsse auf slowenischem Boden auf. Das Ziel ist erreicht. Noch ein paar Kilometer zu Fuss bis zur nächsten Bushaltestelle. Dann ist Schluss. Mit Bus und Zug fahren die zwei zurück und sind drei Tage später wieder bei der Arbeit. In den letzten dreieinhalb Wochen haben sie nur im Moment gelebt, der pure Luxus. „Sébastien wollte gar nicht mehr nach Hause“, verrät uns Céline und lacht.
„Auf dieser Reise haben wir so viel über uns selbst und das Fliegen gelernt; durften wunderschöne Orte in den Alpen entdecken, an die wir gerne zurück wollen.“ – CÉLINE MEHOUAS –
24
Power Couple Mit dem Tandem am Alpenbogen entlang
25
Advanced Adventures
EIN BIWAKFLUG ALS UMZUG
Nach vier Jahren bei Salzburg in Österreich beschliesst Olga von Plate im Sommer 2019 wieder zurück nach Freiburg in Deutschland zu ziehen. Mitten in der Nacht kommt ihr der Gedanke, die 700 km einfach zu Fuss und mit dem Gleitschirm zurückzulegen. Nach den vielen tausend und zehntausenden Kilometern, die sie beruflich im vergangenen Jahr gefahren und geflogen ist, hat Olga die Nase voll von unserer schnelllebigen Welt. Sie will reisen. So langsam, dass man den Wolken beim Ziehen zuschauen kann. So zeitlos, dass man trödeln darf.
26
Ein paar Tage Bedenkzeit und die Idee wird zum Plan. Das fühlt sich verdammt gut an: umziehen
OLGA VON PLATE
im Schneckentempo. Es liegen
Olga von Plate ist leidenschaftliche Bergsteigerin und Gleitschirmpilotin. Besonders reizen sie lange
anderthalb Monate Zeit vor mir,
Biwakabenteuer, das Material reduziert auf ein
in der nichts geplant ist, ausser
Minimum. Alles, was gebraucht wird, passt in den
irgendwann anzukommen. Obwohl,
Rucksack. Im echten Leben ist die Freiburgerin
eigentlich noch nicht mal das.
Kamerafrau und Fotografin im Berg- und
Einfach nur unterwegs sein. Es
Extremsportbereich.
dauert ein paar Tage, bis der Stress der letzten Wochen abfällt und ich zur Ruhe komme. Das Flugwetter ist nicht gerade auf meiner Seite,
LUXUS OFFIZIELLER STARTPLATZ
ich muss geduldig 0,3-m-Bärte und
Nach zehn Tagen komme ich am Achensee erstmalig
Nullschieber ausdrehen und komme
in den Genuss eines offiziellen Startplatzes:
nur langsam voran, was meinem
Gemähter, ebener Rasen ohne Steine, endlos Platz
Ehrgeiz schwerfällt. Aber das Wetter
zum Laufen, Windfahnen überall, andere Piloten,
und meine schlechte Kondition lassen
die man beobachten kann … Was für ein Luxus! Erst
mir gar keine andere Wahl.
jetzt wird mir klar, mit was für üble Startplätze ich sonst klar kommen muss. Das Flugwetter schaut gar nicht so schlecht aus und ich will weiter Richtung Westen fliegen. Nur wenige Piloten wagen heute den
Manchmal ärgere ich mich über
Sprung über den Achensee, keiner schafft es weiter.
die schlechte fliegerische Ausbeute
Es ist sehr bockig in der Luft, ich kann aber gut Höhe
und das langsame Vorankommen.
tanken. Leider finde ich keinen Thermikanschluss.
Aber dann sag ich mir wieder, dass
Ich weiss, dass das Flugwetter die nächsten Tage
ich nicht aufgebrochen bin, um
miserabel wird, und so muss ich mich in der Luft
möglichst schnell anzukommen.
blitzschnell entscheiden, wo ich absaufen will. „Lieber durchs Karwendel wandern als das schnöde Inntal entlang latschen“, denke ich, mache eine 180-GradKehre und fliege zum Landeplatz am Achensee. Ich bin enttäuscht und wütend auf mich, dass ich heute nicht weiter geflogen bin. Sogar so sehr, dass ich mein Dogma breche und mit der Seilbahn fahre. Natürlich
Beim Biwakfliegen lernt man
bringt das überhaupt nichts und ich stehe eine Stunde
geduldig und offen zu sein
später wieder am Landeplatz.
für das, was kommt. Planen kann man herzlich wenig.
ABER WENN MAN SICH EINMAL
DRAUF EINGELASSEN HAT, IST JEDER TAG EIN GESCHENK. 27
Text OLGA VON PLATE Fotos OLGA VON PLATE, ADI GEISEGGER
42 Tage Umweg Ein Biwakflug als Umzug
Advanced Adventures
MAN MUSS NUR LOSGEHEN …
DER REST
KOMMT VON GANZ ALLEIN. Morgens laufe ich planlos los; weiss nie, wo ich abends mein Lager aufschlagen werde. Und genau das macht es so schön. Der Tag
GLEITSCHIRMFLIEGEN BEDEUTET FREIHEIT UND RUHE
entwickelt sich so im Laufe
Zu Fuss gehts weiter zum Wettersteinmassiv, und
der Stunden.
nach acht Tagen Schirm tragen fand ich es nur fair, dass er mich auch mal wieder trägt: In der „Neuen Welt“ auf der Südseite der Zugspitze starte ich raus und komme bis an den Heiterwanger See bei Reutte. Wie schön es ist, endlich wieder in der Luft zu sein, zu fliegen. Wenn man etwas mehr Ehrgeiz hätte wie ich und körperlich fitter wäre, könnte man in der gleichen Zeit sicher dreimal so weit kommen. Aber effizient
E Q U I P M E N T
sein muss man schon den Rest des Jahres und ich geniesse die selbsterteilte Langsamkeit. Riskante
XI
Toplandemanöver und reingewürgte Hanglandungen
Allround Tourer
reizen mich immer weniger und so lande ich oft abends im Tal und steige lieber am nächsten Morgen gemütlich wieder auf. Oft werde ich von Wanderern und Gleitschirmfliegern angesprochen, und der Vergleich mit den X-Alps lässt nicht lange auf sich warten. Täglich hatte ich im Sommer den Livetracker der X-Alps verfolgt und bewundere die Leistung der Sportler und Supporter. Gleichzeitig finde ich diese Veranstaltung aber auch abschreckend, weil sie im Widerspruch zu dem steht, was für mich Gleitschirmfliegen bedeutet: Freiheit und Ruhe.
28
LIGHTNESS 3 Ready to Transit
42 Tage Umweg Ein Biwakflug als Umzug
EIN HAUFEN STOFF Nach dreieinhalb Wochen kann ich aus meinem Gurtzeug, 1.800 Meter über der Erde, das erste Mal den Bodensee am Horizont sehen und beschliesse spontan, den Rest Direttissima nach Freiburg zu gehen anstatt noch weiter in die Zentralschweiz zu fliegen. Das letzte Stück, nochmal besonders bewusst und mit leichtem Gepäck, zu gehen. Im letzten Fluggebiet vor dem Bodensee gönne ich mir nochmal drei Tage Seilbahn-Fliegen. Einfach so zur Gaudi. Meinen letzten Flug mach ich von Andelsbuch über Dornbirn an die Schweizer Grenze, packe etwas wehmütig meinen Flügel ein und gebe ihn einem Freund. Es ist nur ein Haufen clever zusammengenähter Stoff, aber für mich ist er ein guter Freund geworden. Ein treuer Wegbegleiter, eine warme Zudecke, mein Flügel zur Freiheit. Er hat mich auf dieser Reise viele Kilometer durch die Luft getragen, ich konnte mich immer auf ihn verlassen.
EIN TREUER WEGBEGLEITER, EINE WARME ZUDECKE, MEIN FLÜGEL ZUR FREIHEIT.
29
Advanced Adventures
42 TAGE UMWEG IN DIE NEUE HEIMAT So langsam fange ich an zu begreifen, dass ich die rund 700 km wirklich zu Die Wutachschlucht markiert das Tor
Fuss hierher gelaufen und geflogen bin.
zum Schwarzwald. Nach und nach
Man kennt den einen Lebensort und
kommen mir immer mehr Ortsnamen
den anderen; sogar einige Gegenden
bekannt vor – immer weniger brauche
dazwischen, und man ist unzählige Male
ich die Karte zum Navigieren. Meine
mit dem Auto daran vorbei gefahren.
Mutter und Freunde begleiten mich die
Aber zu Fuss reihen sich alle diese Orte
letzten Tage.
und Erlebnisse wie eine vollständige Perlenschnur hintereinander auf. Der letzte Morgen hat einen besonderen Zauber: Heute weiss ich zum allerersten Mal morgens, wo ich abends sein werde. Ein letztes Mal Rucksack packen und Wasserflasche auffüllen. 42 Tage nach dem Start in Berchtesgaden schlendern wir, fast beiläufig, auf den belebten Freiburger Münsterplatz. Ich ziehe die Schuhe aus und gehe barfuss die letzten Meter zum Münsterportal. Wir umarmen uns fest, müssen lachen und weinen gleichzeitig.
30
42 Tage Umweg Ein Biwakflug als Umzug
MIT EINEM PAAR WANDERSCHUHEN, EINEM GLEITSCHIRM UND FRISCHER BERGLUFT KOMMT MAN SCHON ZIEMLICH WEIT!
Der Wiedereinstieg ins sesshafte Leben fiel mir erstaunlich schwer. Die Geschwindigkeit, mit der die Welt sich plötzlich wieder drehte, hat mich ziemlich überfordert. Die Eile und Effizienz unseres täglichen Lebens kam mir absurd unmenschlich vor.
Als ich einige Zeit später meine Umzugskisten in Berchtesgaden einsammelte, fragte ich mich, ob ich nicht die Hälfte von meinem Zeug ausmisten könnte. Was braucht man schon, um glücklich zu sein?
31
Advanced Adventures
DIE ETWAS ANDERE ART DES ABSTIEGS Der Sigriswilergrat hoch über dem Schweizer Thunersee lädt mit seinem flowigen Trail zum Biken ein. Das einzige Problem: Eine Felswand versperrt den Weg zum Weiterkommen. Um den Trail trotzdem fahren zu können, nimmt Patrick von Känel seinen Gleitschirm mit. Dank einer ausgeklügelten
E Q U I P M E N T
Konstruktion kann er inklusive Bike abheben, unterhalb der
PI 3
Felswand wieder einlanden und
Light Versatility
zurück vor die Haustüre unten am See fahren.
STRAPLESS 2 Ultralight Mountaineer
32
ADVANCE:
… und dann bist du direkt bei dir zu
Patrick, wie kommt man auf die Idee,
Hause gestartet?
Fliegen und Biken zu verbinden?
Ich bin nach Oberhofen am Thunersee gezogen, weil das eine ziemlich privilegierte Lage ist. Da kannst du einfach alles direkt von der Haustür aus machen. Es gibt viele bekannte Trails zum Biken, das Niederhorn bei Interlaken bietet unendliche Flugmöglichkeiten, und ich blicke direkt auf den See, so verpasse ich keinen Wind fürs Kiten mehr. Daher starte ich für meine meisten Abenteuer direkt von zu Hause aus – klar, dass das bei der Bike&FlyAktion auch so sein musste.
Schon ein bisschen verrückt …
Die ursprüngliche Idee kam von meinem X-Alps-Supporter Andy Jäggi. Er hat immer so coole Ideen. Lacht. Also warum nicht mal mit einem Bike zum Fliegen gehen? Ich habe bei schönem Wetter eh immer ein Entscheidungsproblem, was ich machen will, dann ist es umso cooler, zwei Sportarten zu kombinieren.
33
Text RAPHAELA HAUG Fotos JOHANNES CHARROIS, CHICSHOT.CH
Bike to Fly Die etwas andere Art des Abstiegs
Advanced Adventures
PATRICK VON KÄNEL Arbeitet als Testpilot bei ADVANCE. Zudem ist er erfolgreicher Wettkampfund Streckenflugpilot. An den X-Alps 2021 erreichte er das Floss in Zell am See als Zweiter.
34
Bike to Fly Die etwas andere Art des Abstiegs
Wie bist du auf die Strecke
Wie hast du schlussendlich Bike und
Was war für dich die grösste
gekommen?
Schirm verbunden?
Herausforderung? Starten? Landen?
Das war gar nicht so schwer. Der Sigriswilergrat liegt direkt über meinem Wohnort und ist ziemlich markant. Da muss man einfach mal hoch. Die Ridge lädt richtig zum Biken ein, ein absoluter Traum. Leider kommt irgendwann eine Felswand, die nur mit dem Gleitschirm überwunden werden kann. Danach gibt es wieder perfekte, flowige Trails. Da kam mir die Idee mit dem Bike von Andy wieder in den Sinn. Am Anfang war ich mir nicht so sicher, wie ich Bike und Schirm verbinden soll. Und wo ich genau starten und landen will.
Mit vier Gleitschirmleinen, die ich selber gebastelt habe. Bis ich damit fertig war, vergingen einige Stunden. Ich habe zwei Leinen um das Sattelrohr gebunden, die anderen zwei am Lenker befestigt. Die Enden habe ich dann jeweils in die Hauptkarabiner gehängt. Es hat ziemlich lang gedauert, bis ich die Länge der Leinen richtig eingestellt hatte. Waren die Leinen zu lang, bin ich nicht mehr ans Pedal gekommen. Wenn sie zu kurz eingestellt sind, sitzt du während dem Flug auf dem Sattel. Das ist mega unangenehm. Am Ende waren alle vier Leinen unterschiedlich lang und das Bike trotzdem perfekt unter mir. Lacht.
Oder ganz etwas anderes?
FILM ANSCHAUEN
35
Das gesamte Projekt war schon anspruchsvoll. Es hat mich einige Nerven gekostet, bis ich das Bike am Gleitschirm befestigt hatte. Dann bin ich einige Male gestartet und wieder topgelandet, um sicher zu gehen, dass alles passt. Das Landen selber war eher weniger herausfordernd. Vielen Dank Patrick für das Interview, wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Projekt.
Für mich war es ein richtig cooles Abenteuer, das mit Leidenschaft, Ausdauer und dank guter Freundschaft realisiert werden konnte. Schön auch, dass Jöschu das ganze mit der Kamera festgehalten und einen Film realisiert hat.
AC H T
P I LOT E N ,
E I N E
VO L B I V- M I SS I O N
GUMBALL TRANSALP RALLY TIM PENTREATH Tim fliegt seit über 30 Jahren Gleitschirm und ist ein langjähriger ADVANCE Ambassador. Seine grosse Passion sind mehrtägige VolBiv-Trips in den Alpen.
DAS TEAM Rhys Fisher, Tim Pentreath, Chris Ashdown, Steve Wagner, Tony Chapman, Ian McHardy, Feite Klijnstra, Nigel Cooper
36
Text SIMON CAMPICHE Fotos TIM PENTREATH, CHRIS ASHDOWN
Advanced Adventures
Gumball Transalp Rally Acht Piloten, eine VolBiv-Mission
FILM ANSCHAUEN
Acht VolBiv-Enthusiasten brechen im französischen Streckenflug-Mekka Saint-André zur ersten selbsternannten Gumball Transalp Rally auf. Sie wollen eine Alpentransversale in Angriff nehmen, bei der sich jeder in seinem eigenen Rhythmus fortbewegt. Nach Möglichkeit bestreiten sie Streckenabschnitte gemeinsam oder treffen sich unterwegs zum Biwakieren. So die Idee. Ob sie aufgegangen ist und wie sich das neue VolBivFormat entwickelt hat, erzählt der Initiator des Projekts, Tim Pentreath.
IT’S NOT A RACE, IT’S A RALLY Nachdem ich im Juli 2019 mit vier Freunden ein fantastisches VolBiv-Abenteuer erlebt hatte, wollte ich mehr Piloten zum Biwakfliegen motivieren. Ein solches Abenteuer zusammen vorzubereiten und dann gemeinsam zu starten, senkt die Hemmschwelle für jeden einzelnen beträchtlich. Getreu der Philosophie der Gumball 3000: „It’s not a race, it’s a rally“. Diese legendäre Strassenrally führt einmal im Jahr durch verschiedene Länder, und der gesellschaftliche Teil ist ebenso wichtig wie die Fahrt. So war die Gumball Transalp Rally
T I M ’ S E Q U I P M E N T
als VolBiv Projekt geboren.
OMEGA XA 3
Es sollte also jeder Teilnehmer selber entscheiden, wie er das
Challenge Yourself
VolBiv-Abenteuer gestalten will: z.B. puristisch, also komplett unabhängig und ausschliesslich aus eigener Kraft oder etwas entspannter mit Hilfe von öffentlichen Transportmitteln. Die Absicht war, sich unterwegs gegenseitig Tipps zu geben, im Idealfall zusammen zu fliegen oder zu biwakieren. Saint-André in Südfrankreich hat sich als Ausgangspunkt bewährt. Als imaginäres Ziel haben wir Chamonix am Fusse des Mont Blanc definiert. Und wenn es noch weiter gehen sollte, umso besser.
37
LIGHTNESS 3 Ready to Transit
Advanced Adventures
EIN FULMINANTER START
BIER AM LAC D’ANNECY
Trotz COVID-Restriktionen
Am nächsten Tag konnten die verbleibenden
Piloten
und nicht gerade
sechs Gumballer wieder beträchtlich Airtime
vielversprechenden
sammeln. Vier Teilnehmer verteilten sich dann
ermutigen, ein VolBivAbenteuer zu erleben. Sich
Wetterprognosen trafen
am Abend über eine grössere Strecke zwischen
Nigel, Chris, Tony, Feite, Rhys,
den französischen Süd- und Nordalpen. Chris
Ian, Steve und ich, also acht
und mir gelang es nochmals, um die 140 km zu
voll motivierte Gumballers,
fliegen. Wir landeten unabhängig voneinander
in Saint-André ein. Nach
in der Nähe von Albertville, nahe dem
einem ersten gemeinsamen
Milestone Chamonix. Begegnet sind wir uns
Abendessen liessen wir uns
trotzdem nicht, ich war etwas früher dran und
gemeinsam vorzubereiten und zusammen aufzubrechen senkt die Hemmschwelle, ein solches Abenteuer in Angriff zu nehmen.“
am Abend zum Startplatz Le
der Lac d’Annecy lag in Marschweite. Somit
Chalvet fahren, wo alle in
konnte ich mein Bier am Abend am Landeplatz
ihrem Zelt die erste Nacht
Doussard geniessen. Chris hingegen wanderte
verbrachten. Für einige war
Richtung Saint Gervais.
„Ich wollte
– TIM PENTREATH
es die VolBiv-Feuertaufe, und das Biwakmaterial wurde
TAG DER WIEDERVEREINIGUNG
einer ersten Bestandsprobe
Den bevorstehenden Regentag nutzten alle
unterzogen. Die
dazu, sich in eine optimale Position zu bringen.
Flugwetterprognose für den
Dabei bildeten sich im weit verteilten Feld
nächsten Tag schaute nicht
wieder zwei Gruppen, Chris und ich hingegen
gerade vielversprechend
waren allein und jeder suchte einen Startplatz
aus, aber gegen Mittag
in seiner Nähe auf. Der folgende Tag hielt, was
erhörten die Wettergötter
er versprach. Ich konnte an Chamonix vorbei
unsere Gebete.
bis in die Schweiz fliegen, wo ich mich nach einem weiteren Ruhetag wieder mit Chris in
Wir gelangten kurz
Verbier traf. Die anderen Gumballer waren,
nacheinander in die Luft, die
in zwei Gruppen aufgeteilt, ebenfalls in der
Basis stieg auf 3.600 Meter
Nähe von Chamonix. Zwei von ihnen wollten
und gemeinsam brachen
weitermachen und auch die Schweiz erreichen,
wir Richtung Norden
für die anderen war das französische Bergdorf das Ziel und somit Schluss.
auf. Am Abend zeigte sich bereits das ganze Spektrum eines solchen Gruppenabenteuers. Bei sechs der acht Teilnehmer standen um die 100 km auf den Varios. Eigentlich ein gelungener Start. Nur leider hatte ein Pilot eine harte Landung und musste ins Krankenhaus. Ein anderer hat im Outback den Thermikanschluss verpasst – eine längere Wanderung war die Konsequenz.
„Dass am ersten Tag bereits sechs Gumballer annähernd 100 km fliegen konnten, war wirklich ein gelungener Start. Jeder ist für sich geflogen und trotzdem konnten wir voneinander profitieren.“ – CHRIS ASHDOWN –
38
Gumball Transalp Rally Acht Piloten, eine VolBiv-Mission
„Wir haben uns unterwegs verloren und später in kleineren Gruppen wieder zusammengefunden. Es war gut zu wissen, nicht alleine unterwegs zu sein, obwohl im Flug natürlich jeder auf sich selbst gestellt ist.“ – TIM PENTREATH –
39
Advanced Adventures
„Als mich Tim fragte, ob ich bei der ersten Gumball Transalp Rally mitmache, war ich zuerst skeptisch. Bin ich einer solchen Herausforderung überhaupt gewachsen? Denn ich bin in meiner bisherigen Flugkarriere noch nie annähernd 100 km geflogen. Dann aber sagte ich zu mir selbst: Hey, ich werde nicht jünger, und wenn ich diese Chance nicht wahrnehme, bereue ich es vielleicht für immer. Als ich dann gleich beim ersten Flug mit Hilfe von Tim und Nigel bis auf 3.600 m aufdrehte und mit 87 km meinen weitesten Flug realisierte, war ich überglücklich. Das war mehr, als ich mir je erhofft hatte. So ging es dann weiter, am zweiten Tag gab es nochmals ‚personal best‘ mit über 143 km. Danach kam leider das schlechte Wetter. Ich legte einen Teil der Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück und flog kleinere Distanzen. In Verbier traf ich wieder auf Tim. Der nächste Tag war dann das absolute Highlight dieses Trips: wir flogen über den Aletschgletscher in Fiesch und landeten am Abend im Tessin. Erneut ‚personal best‘, einfach nur WOW. Nach der Landung brauchte ich zuerst einen Moment, um das alles mental verarbeiten zu können.“ – CHRIS ASHDOWN –
40
Gumball Transalp Rally Acht Piloten, eine VolBiv-Mission
EINSEITIGES GLÜCK Chris und ich wanderten am Morgen von Tag 6 gemeinsam an den Startplatz von Verbier. Aufgrund des stärkeren Windes nördlich der Alpen entschieden wir uns für eine südliche Route. Es war ein guter Plan, denn am Abend hatte ich nach über 190 km Flugstrecke Bellinzona im Tessin erreicht, Chris war nahe dran. Mit dem von Westen heranziehenden, schlechteren Wetter war das Glück auf unserer Seite. Während wir beide in grossen Schritten die Schweiz und anschliessend Norditalien durchquerten, wurden unsere Freunde, die sich immer noch in der Nähe von
ENDSPURT
Chamonix befanden, durch das schlechte
Nun zeichnete sich für mich ein neues
Wetter leider gegroundet.
Ziel ab: soweit wie möglich in die Nähe von Venedig zu gelangen. Von dort aus würde ich mit dem Flieger nach Hause kommen. Je näher ich an die Po-Ebene kam, umso stabiler wurde die Luftmasse und umso kürzer wurden die Flüge. Meine Glückssträhne neigte sich dem Ende zu. Ein sehr turbulenter 4,5-Stunden-Flug über nur 30 km brachte mich an Tag 10 in die Nähe von Bassano del Grappa. Das war ein guter Schlusspunkt und ich freute mich über meine persönliche Bilanz: 800 km in acht Flügen. Auch die Gruppenbilanz liess sich sehen, immerhin haben sechs von acht Gumballer den Meilenstein Chamonix erreicht. Und wo ist eigentlich Chris? Erst auf meiner Zugfahrt nach Venedig habe
„Die Gumball Transalp Rally hat mich in jeder Hinsicht umgehauen. Worte können nicht beschreiben, wie aufregend es war. Danke an Tim für die Initiative. Ich freu mich schon jetzt auf eine neue Gumball Transalp Rally im 2021.“ – CHRIS ASHDOWN –
ich erfahren, dass er etwas westlicher bei Bergamo ebenfalls die Po-Ebene erreicht hat und von dort nach Hause flog. Well done Chris! Auf ein Wiedersehen bei der Gumball Transalp Rally 2021.
41
Advanced Adventures
42
Text RAPHAELA HAUG Fotos ADI GEISEGGER
Über den Vulkanen Eine Reise auf die Äolischen Inseln
ÜBER
DEN VULKANEN EINE REISE AUF DIE ÄOLISCHEN INSELN
MELANIE WEBER Melanie hat vor sieben Jahren das Gleitschirmfliegen für sich entdeckt, als Hike&Fly-, Paramotor- und Streckenpilotin liebt sie es, neue Fluggebiete zu entdecken und so auf einen Trip wie diesen auf Entdeckungsreise zu gehen.
ADI GEISEGGER Adi fliegt seit den frühen 1990er Jahren Gleitschirm und Drachen. Seit einigen Jahren ist der Fotograf und Filmer auch immer öfters mit dem Paramotor anzutreffen.
ANTONIO LO DUCA Antonio fliegt seit über 20 Jahren. Beim Fliegen faszinieren ihn vor allem die 3. Dimension und die neuen Grenzen, die sich entdecken lassen.
43
Advanced Adventures
Lokaler Fisch, frische Zitronen, guter Wein … Die sieben Äolischen Inseln im Süden von Italien verkörpern durch und durch mediterranes Flair. Adi Geisegger und Melanie Weber reisen auf die Hauptinsel Lipari und besuchen Antonio Lo Duca. Im Gepäck: zwei XI Leichtschirme. Ihr Ziel: gemeinsam mit dem lokalen Piloten die Insel aus der Luft erkunden.
44
Über den Vulkanen Eine Reise auf die Äolischen Inseln
„Melanie und ich sind von Antonios Prognose sofort begeistert. Sollten wir gleich am nächsten Tag in die Luft kommen? Sein Vorschlag ist, durch einen der weissen Canyons an den Startplatz zu laufen.“
„Ziemlich rasant nähern wir uns der Küstenlandschaft. Der salzige Meerwind bläst uns ins Gesicht, als wir mit dem Speedboot von Milazzo nach Lipari, eine der sieben Äolischen Inseln, fahren“, berichtet Adi Geisegger.
Auf der Insel angekommen, werden
Die Insel leuchtet schon von Weitem
die zwei von Antonio Lo Duca in
in grellem Weiss. Einst wurde hier der
Empfang genommen. Den sizilianischen
schneeweisse Bimsstein abgebaut und in
Gleitschirmpiloten durften Adi und Melanie
die ganze Welt verschifft. Geblieben sind
während einer Sizilienreise kennen
kilometerlange Canyons, die sich über die
lernen. Damals schwärmte er von den
Insel ziehen.
Flugbedingungen auf den Äolischen Inseln. Drei Jahre später wollen Adi und Melanie sich endlich selbst ein Bild über das Fluggebiet machen und freuen sich, dass Antonio sie am Hafen im Lipari in Empfang nimmt. Überschwänglich begrüsst er die zwei und verspricht bestes Flugwetter für
E Q U I P M E N T
den nächsten Tag. XI Allround Tourer
LIGHTNESS 3 Ready to Transit
45
Advanced Adventures
„Wir sind am Strand gelandet. Der Aperol zum Tagesausklang stand schon bereit.“
Adi, Melanie und Antonio brechen vom
„Melanies gelber Schirm bietet einen
Strand in Canneto auf. Sie wollen dem
herrlichen Kontrast zu alledem.
Canyon ca. drei Kilometer lang folgen bis
Fast schon kitschig.“
auf den Startplatz Monte Saint Angelo
Mit etwas Glück kann man über
auf 594 Metern. Die Schlucht ist einige
dem Vulkan aufdrehen und zu den
hundert Meter tief. Die Einmaligkeit des
Nachbarinseln fliegen. Für das Trio reicht
Gesteins ist hier noch faszinierend und
es heute nicht. Dennoch, die drei können
gleichzeitig beängstigend.
einen wunderschönen Soaringflug mit Blick
Je weiter sie nach oben kommen, desto
aufs Meer geniessen und landen am Strand
mehr weitet sich die Landschaft und gibt
von Canneto.
den Blick frei auf die sechs umliegenden
Nach diesem einmaligen Flug sind Adi,
Inseln. Ein Hauch von mediterranem Flair
Melanie und Antonio mehr als euphorisch.
kommt auf. Hier oben verändert sich
Sie checken den Wetterbericht, und siehe
allmählich das Gestein. Aus Bimsstein
da, er verspricht perfekte Flugbedingungen
wird das Vulkangestein Obsidian.
für die Nachbarinsel Vulcano. Aber das ist
Einmal gestartet offenbart sich ein
eine andere Geschichte. Zuerst geniessen
unglaublicher Blick. „Unter uns sind
die drei ihren Aperol, stossen auf einen
schneeweisse Canyons gepaart mit grünen
schönen Flug an, während sie den Blick
Sträuchern und Bäumen. Vor uns das
über das Meer streifen lassen.
dunkelblaue Meer, und in der Ferne fällt der Blick auf die Insel Stromboli mit dem aktiven Vulkan“, schwärmt Adi.
46
Über den Vulkanen Eine Reise auf die Äolischen Inseln
47
Advanced Adventures
48
Über den Vulkanen Eine Reise auf die Äolischen Inseln
49
Advanced Adventures
Mit dem Tandem vom Schweizer 4000er
Text RAPHAELA HAUG Fotos HANES KÄMPF, NICOLA HEINIGER, SEPP INNIGER
Geteilte Freude am Berg
Mit dem Gleitschirm vom vergletscherten Gipfel ins Tal schweben: Der Traum von Bergsteigern und Piloten gleichermassen. Eine bunt gemischte, sechsköpfige Truppe von Piloten und Alpinisten ist aufgebrochen, um auf die 4.158 m hohe Jungfrau in der Schweiz zu steigen. Vier Gleitschirme hoben vom Gipfel ab, und sechs strahlende Gesichter landeten eine Stunde später in Interlaken, dem Herzen des Berner Oberlandes.
50
Geteilte Freude am Berg Mit dem Tandem vom Schweizer 4000er
DAS TEAM Sepp Inniger, Hanes Kämpf und Nicola Heiniger sind Teampiloten bei ADVANCE. Jil Schmid und Andrina Frutiger durften im PIBI Leichttandem mit vom Gipfel fliegen. Joel Siegenthaler ist auch Gleitschirmpilot und selbst geflogen.
51
Advanced Adventures
„Einem Nichtflieger dieses Erlebnis, diese unbeschwerte Art des Abstiegs, zu vermitteln, ist eine besondere Freude.“ – NICOLA HEINIGER –
Die Rottalhütte thront hoch über Stechelberg. Bis man sie erreicht, vergehen gut fünfeinhalb Stunden. Eine Zeit, die meist mühsam ist, denn die Rucksäcke sind schwer beladen mit der gesamten Hochtourenausrüstung. Wer auf die Rottalhütte steigt, macht dies meistens mit einem ganz bestimmten Ziel im Kopf: Die Jungfrau – der höchste Gipfel des weltbekannten Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau im Berner Oberland.
52
Geteilte Freude am Berg Mit dem Tandem vom Schweizer 4000er
53
Advanced Adventures
DER EFFIZIENTESTE WEG
3 UHR – DER WECKER KLINGELT
Auch das Sechsergespann Sepp Inniger,
Der Innere Rottalgrat wird mit ZS/4a
Nicola Heiniger, Jil Schmid, Joel
bewertet und bietet interessante,
Siegenthaler, Hanes Kämpf und Andrina
anspruchsvolle Kletterei. Oft ist er
Frutiger haben die Jungfrau als Ziel.
ausgesetzt, Schwindelfreiheit ist hier
Als Krönung auf dem schnellsten Weg
ein Muss. Eisige Passagen wechseln mit
ins Tal. Daher haben sie neben der
felsigen, was einen ständigen Wechsel
allgemeinen Hochtourenausrüstung auch
zwischen Steigeisen- und BergschuhKlettern mit sich bringt. Der grösste Teil
Gleitschirmequipment dabei. „Die Idee, nicht nur vom Gipfel zu starten, sondern
„Die Leichtgleitschirm
des Grates wird am Seil geklettert, die
auch noch zur Hütte zu fliegen, hatte ich
ausrüstung mit PIBI, SQR
schwierigsten Passagen sind zusätzlich
schon länger“, grinst Nicola, „da nicht alle
Rettung und zweimal STRAPLESS wiegt zwar
mit Fixseilen abgesichert. Ein früher
nur 7 kg. Aber mit
Start ist bei so einer Tour unabdingbar.
Leichttandems und zwei Soloschirme
Hochtourenausrüstung
„Wir hatten einen super Abend, aber die
dabei. Gemeinsam sind wir um 13 Uhr
und Kleidung sind die
Nacht war sehr kurz. Um vier Uhr in der
in Interlaken gestartet und mit Zug und
Rucksäcke dann doch
Früh sind wir an der Hütte losgelaufen“,
Bahn zum Startplatz gefahren. Dank super
schwer. Da war es
berichtet Nicola, „bis zum Gipfel sind es
Gleitschirm fliegen, hatten wir zwei PIBI
Abendthermik konnten wir alle bis fast zur Hütte auf 2.756 m hochfliegen – am Ende waren es noch 300 Höhenmeter, die wir bewältigen mussten anstatt 1.800.
natürlich super, dass wir am Tandem zur Hütte hochfliegen konnten.“ – JIL SCHMID –
Ziemlich cool!“
54
1.400 Höhenmeter.“
Geteilte Freude am Berg Mit dem Tandem vom Schweizer 4000er
E Q U I P M E N T
PIBI Family Affair
STRAPLESS 2 & STRAPLESS BI 2 Ultralight Mountaineer
55
Advanced Adventures
56
Geteilte Freude am Berg Mit dem Tandem vom Schweizer 4000er
IM LICHT DER SONNE Schritt für Schritt geht es durch die Nacht,
„Sobald die ersten Sonnenstrahlen deine Haut wärmen, ist alles vergessen: das frühe Aufstehen, die Müdigkeit. Was bleibt, ist die Freude auf den Gipfel.“
dem Schein der Stirnlampe folgend. Die – JOEL SIEGENTHALER –
ersten Meter sind noch einfach, dann wird es schwieriger und das Team seilt an. Sichern sich Seillänge um Seillänge nach oben. Manchmal sind Steigeisen aufgrund der eisigen Passagen nötig, meistens klettern die Sechs aber in
ÜBER DEM SCHWEIZER DREIGESTIRN
ihren Bergschuhen. Ganz langsam wird
„Die Kletterei war schon anstrengend.
es heller, die Dämmerung setzt ein. Das
Aber als wir uns dem Gipfel näherten, war
Licht der Stirnlampe wird nicht mehr
jegliche Anstrengung vergessen. Ganz oben
gebraucht, das frühe Aufstehen mit
zu stehen ist immer etwas Besonderes“,
einem wunderschönen Sonnenaufgang
berichtet Hanes. Das Team startet einige
belohnt. „Wenn es langsam Tag wird und
Höhenmeter unterhalb des Gipfels im
die Sonne aufgeht, das ist immer ein ganz
Schnee – an diesem Morgen herrscht
besonderer Moment für mich“, erzählt
Aufwind, perfekte Startbedingungen auch
Sepp. Das Team kommt gut voran. Weit
für den Tandem. Früh morgens können sie
ist es nicht mehr bis zum Gipfel und der
am Gipfel entlang soaren und anschliessend
Tag ist noch früh. Ob der Wind oben einen
vor der Nordwand des Mönch in Richtung
Start zulässt?
Interlaken fliegen. Eine knappe Stunde nachdem die sechs gestartet sind, landen sie in Interlaken. Mitten in der Stadt auf einer grünen Wiese. Gerade eben noch im Schnee und jetzt zurück in der Zivilisation. Der Traum eines jeden Bergsteigers: Einfach und leicht ins Tal gleiten nach einem wunderbaren Gipfelerfolg. Sich den mühsamen Abstieg sparen. „Wenn man solche Erlebnisse mit guten Freunden teilen kann, ist das noch fantastischer“, schwärmt Sepp.
57
Advanced Adventures
EIN FOTOSHOOTING MITTEN IN MÜNCHEN
Text ED EWING Fotos ADI GEISEGGER
URBAN STYLE EINE GESCHICHTE, ZUR VERFÜGUNG GESTELLT VOM CROSS COUNTRY MAGAZIN.
Adi Geisegger und Michi Maurer verwandeln die bayerische Hauptstadt über Nacht in ein Groundhandling-Studio. „Ich hatte diese Idee während des Lockdowns, als München ruhig war“, sagt Adi Geisegger, „Ich wollte mit dem Gleitschirm in der Grossstadt spielen, mit den Millionen von Lichtern im Hintergrund. Als ich Michi anrief und ihm davon erzählte, war er hell begeistert. Das war der Beginn eines aussergewöhnlichen Shootings.“
OLYMPIASTADION Das Bild ist auf einem kleinen Hügel oberhalb des Münchner Olympiastadions entstanden. „Das war einer der besten Spots, hoch über allen Gebäuden. Dank der erhöhten Lage war der Wind schön laminar. Michi konnte dort ewig groundhandeln“, sagt Adi, „deshalb waren wir drei oder vier Stunden lang dort oben, von 19 Uhr bis nach Sonnenuntergang haben wir mit dem Flügel gespielt. Ein toller Tag und eine noch bessere Nacht! Wir konnten die Stadt auf einmal in einer ganz anderen Art und Weise erkunden. Und das Beste obendrauf, die Bilder, welche dabei entstanden sind, sind einzigartig.“
58
Urban Style Ein Fotoshooting mitten in München
59
Advanced Adventures
60
Urban Style Ein Fotoshooting mitten in München
61
Advanced Adventures
E Q U I P M E N T
BMW-HAUPTQUARTIER
ALPHA 7
Die beiden haben um 18 Uhr abends angefangen und
Come fly with me
bis 4 Uhr morgens fotografiert. Eine der Locations war die BMW-Zentrale. „Es ist ein unglaubliches Gebäude, die Farben der Lichter ändern sich alle zehn Minuten“, schwärmt Adi. Erstaunlicherweise wurden sie von niemandem aufgehalten. „Wir dachten, wir hätten einen Versuch und müssen dann weglaufen. Am Ende konnten wir vier Szenen
SUCCESS 4 Safety & Comfort first
fotografieren. Der Sicherheitsdienst hat sich nicht wirklich um uns gekümmert.“ Das Gleiche passierte beim Dreh auf den Stufen des Friedensengels. „Wir haben um 3 Uhr morgens gedreht, von
AUF DER BRÜCKE
Taxifahrern beobachtet. Dann kam zwar die Polizei
„Das Bild auf der Brücke war ein echt
und stellte ein paar Fragen. Am Ende meinten sie:
anspruchsvoller Schuss! Der Wind strömte
‚Macht weiter, habt Spass!‘“
durch die Strassen, es gab viele Turbulenzen. Wir mussten auf den richtigen Moment warten, um die günstigste Windrichtung zu bekommen. Für diese Aufnahme haben wir drei Stunden gebraucht – nur zwei Minuten lang kam der Wind aus der richtigen Richtung. Das Gebäude ist das Schloss Nymphenburg, ein grosses Schloss mitten in München.“
62
Urban Style Ein Fotoshooting mitten in München
MICHI MAURER
ADI GEISEGGER
Gleitschirmfliegen ist Michi Maurers Beruf.
Adi fliegt seit den frühen 1990er Jahren Gleitschirm
Er ist ein erfahrener Wettkampfpilot und
und Drachen. In den vergangenen Jahren ist der
leitet das Testteam bei ADVANCE.
Fotograf und Filmer auch immer öfters mit dem Paramotor anzutreffen.
63
Advanced Adventures
EIN ABENTEUERTRIP
Text BJÖRN KLAASSEN Fotos BJÖRN KLAASSEN
DURCH SÜDGRÖNLAND
64
Allein in der Wildnis Ein Abenteuertrip durch Südgrönland
Björn Klaassen lässt sich in der grönländischen Wildnis aussetzen. Bepackt mit einem PI 2, seinem Zelt, dem Schlafsack und allem, was man sonst noch braucht, um zwei Wochen auf sich alleine gestellt zu sein. Sein Plan: von Aappilattoq nach Ulamertorsuaq gelangen, nur zu Fuss und mit dem Gleitschirm. Eine persönliche Grenzerfahrung.
65
Advanced Adventures
Die Rotorblätter der Bell 212 drehen sich immer schneller, die Turbinen auf Höchstleistung – der schwere AirGreenland-Helikopter hebt ab. Ich winke den beiden Piloten zu und stehe alleine im südgrönländischen Aappilattoq, unweit des Kap Farvel entfernt. 90 Einwohner, ein letzter Aussenposten der Zivilisation. Ein paar bunte Häuser, eine Kirche und eine kleine Fischfabrik, umrahmt von spitzen Bergen, begrenzt durch das Meer – beeindruckend. Ich schnappe meinen Rucksack und laufe den Weg vom Heliport in die Siedlung hinunter. Dort treffe ich Timo. Er wird mich mit dem Boot zu meinem Ausgangspunkt bringen. Von dort an werde
MIT DEM BOOT INS ABENTEUER
ich auf mich allein gestellt sein.
Im Boot erwähnt Timo beiläufig, dass im Nachbarfjord ein
„Die Eisberge aus der Luft haben mich extrem
Eisbär gesichtet worden sei. „Hast Du ein Messer dabei?“
beeindruckt. Ausmasse und Farben sind gigantisch –
Bei dieser Frage greife ich instinktiv zu meinem Messer
buchstäblich sehr cool!“
in der Hosentasche. „Wenn ich mit dieser Klinge einen Eisbären in die Flucht schlage, schaffe ich es bestimmt auf die Titelseite jeder Tageszeitung“, denke ich mir. Zehn Minuten später legen wir an. Timo wünscht mir noch viel Glück, sagt mir, dass es ‚ziemlich crazy‘ ist, was ich hier mache und rast davon. Nun gibt es kein Zurück mehr – es gibt nur noch eine Richtung: Ulamertorsuaq. „Ich habe alles Notwendige dabei: Gleitschirm, Gurtzeug, Zelt, Schlafsack, Kocher und Essen – so optimiert, dass Gewicht, Zuverlässigkeit und Haltbarkeit im Einklang sind. Trotzdem ist mein Rucksack mindestens 25 kg schwer.“
66
Allein in der Wildnis Ein Abenteuertrip durch Südgrönland
67
Advanced Adventures
68
Allein in der Wildnis Ein Abenteuertrip durch Südgrönland
Der Motor von Timo verhallt. Zurück bleiben Stille, ein bleierner Himmel, mein Rucksack und ich. Ich folge dem Fluss auf der rechten Seite und laufe bis zum Abend immer tiefer in das Tal hinein. Melancholische Stimmung – Schneebänder spiegeln sich im Wasser. Am Rand eines Sees finde ich eine ebene Fläche auf einer wunderbaren Wiese. Optimal, um mein kleines Zelt für die Nacht aufzustellen. Am nächsten Tag ist mein Rucksack noch immer mindestens 25 Kilo schwer und das Gelände wird anspruchsvoll. Ein anstrengender Aufstieg steht bevor. Am Abend dann die Belohnung: ich entdecke meinen spektakulärsten Campsite ever. In einer
DAS ZELT, MEIN BESTER FREUND
mit weichen Krähenbeeren bewachsenen, breiten
Ganze drei Tage und Nächte verbringe ich hier oben
Felsspalte hoch über dem Fjord schlage ich mein Zelt
und warte, bis der Regen endlich wieder aufhört.
auf – es passt genau hinein. Die Aussicht ist schlicht
Ich geniesse diese Zeit, ganz allein über dem Fjord,
phänomenal.
weit weg von jeglicher Zivilisation inmitten einer phänomenalen Wolkenstimmung. Zwischendurch kann ich mich nach geeigneten Startplätzen umschauen. Endlich, am Tag fünf meiner Reise, steht der Wind optimal an. Wäre da nicht die Wolke, die sich unter mir ständig aufbaut. Keine Sicht – kein Start – es ist nasskalt. Ich warte und warte … Nach über zwei Stunden reisst es kurz auf, meine Gelegenheit. Nichts wie raus! Take off und ich verlasse fliegend und jubelnd diesen einzigartigen Platz in Richtung Westen. Unter der Wolke verliere ich kaum an Höhe und am Hang piepst es sogar zaghaft – phantastisch der Blick über den Fjord aus der Vogelperspektive. Die Flugzeit bis zur Landung beträgt mit 650 Höhenmetern kaum 20 Minuten. Es ist trotzdem einer meiner grossartigsten Flüge. Der Plan ist aufgegangen. Sanft setze ich gegen den Wind auf. Ein Gefühl wie nach meinem ersten 100-Kilometer-Flug. Unbeschreiblich.
69
Advanced Adventures
DAS GLÜCK AUF MEINER SEITE Durch das Tal Itillersuaq geht es nach Tasiusaq. Hier gibt es wieder ein kleines Dorf, gut für mich – meine Essensvorräte sind fast aufgebraucht. Angesichts des Warenangebots bin ich etwas ernüchtert. Trockennahrung gibt es nicht wirklich. Somit erreicht mein Rucksack wieder sein Ausgangsgewicht mit seltsamen Lebensmitteln wie tiefgefrorene, rotgefärbte dänische Würstchen. Dafür werden hier im Tasiusaq die Flanken der Berge optimal vom täglichen Fjordwind angeströmt. Ich kann im Jojo-Stil immer wieder fliegen. Also Berg rauf, runter zum Strand fliegen und weiter. Irgendwann erscheint in der Ferne der Ulamertorsuaq. Ungläubig schaue ich zum Gipfel, denn nur ein schmaler Sonnenstreifen beleuchtet den Gipfelaufbau. Im letzten Licht baue ich
„DIE FLUGZEIT BIS ZUR LANDUNG BETRÄGT MIT 650 HÖHENMETERN KAUM 20 MINUTEN. ES IST TROTZDEM EINER MEINER GROSSARTIGSTEN FLÜGE. EIN GEFÜHL WIE NACH MEINEM ERSTEN 100-KILOMETER-FLUG.“
mein Zelt auf. Alsbald offenbart sich ein sensationelles Himmelspektakel – überall Polarlichter. Die grünen Schleier zucken
EPILOG
und tanzen über meinem Kopf. Ich kann
Ich blieb noch ein paar Tage am Ulamertorsuaq und flog von
mein Glück kaum fassen. Eine unglaubliche
verschiedenen Bergflanken. Trotz
Zufriedenheit macht sich in mir breit. Mein
insgesamt durchwachsenen Wetters
Ziel Ulamertorsuaq ist in Reichweite.
konnte ich ein paar Thermikbärte auskurbeln. Mit bis zu 3 m/sec ging es in Richtung Basis. Diese Soloreise war so dermassen intensiv, herausfordernd und frei, dass es nur schwer in Worte zu fassen ist. Die meiste Zeit bin ich gelaufen, ich wäre gern mehr geflogen. Dennoch, jeder einzelne Flug war sensationell. Insgesamt war ich fünf Wochen unterwegs, zuerst mit Kajak und Gleitschirm, später dann auf der zweiwöchigen hier beschriebenen Tour nur mit dem Gleitschirm.
FILM ANSCHAUEN
70
Impressum
IMPRESSUM HERAUSGEBER Advance Thun AG, Uttigenstrasse 87, 3600 Thun, Schweiz IDEE & KONZEPT Simon Campiche LAYOUT 3DELUXE RENDERINGS Mark Oertig KOORDINATION Tobias Rusterholz, Raphaela Haug LEKTORAT Hanspeter Haddenbruch FOTO UMSCHLAG Felix Wölk
SOMMER 2021 ©ADVANCE
71
advance.swiss
#advancedadventures