Deutsch
Adventures Collection /advancedadventures
Von welchem Abenteuer träumst du?
Get inspired
1
Get inspired
/advancedadventures
Jedes Jahr werden unzählige kleine und grosse Abenteuer mit unserem Equipment erlebt. Einige dieser besonderen Erlebnisse haben wir auch dieses Jahr zu einem Magazin zusammengefasst. Es freut uns, dass du die dritte Auflage der / advancedadventures Collection in den Händen hältst. Unsere Hoffnung ist, dass sich jede/r einzelne Pilot/in wiederfinden kann und wir euch zu neuen Gleitschirmabenteuern inspirieren können. Meistens sprechen wir lieber über erfolgreiche, gelungene Geschichten. Aber ist wirklich immer alles perfekt? Nein, glauben wir. Daher befinden sich in dieser Ausgabe zwei Stories, die anders verlaufen sind als ursprünglich geplant. Erfolg und Misserfolg liegen oft nah beieinander, gerade bei Biwakabenteuern in unbekanntem, wildem Gelände. Manchmal macht dieses vermeintliche Scheitern ein Abenteuer erst zu etwas ganz Besonderem. Warum? Am Ende zählt das Erlebnis. Wir hoffen, dass wir dich für dein ganz persönliches #advancedadventures Abenteuer begeistern können. Ob es nach Plan verläuft oder nicht, spielt keine Rolle, denn Misserfolge sind fester Bestandteil von Erfolgen. Wir sind gespannt auf deine individuelle Geschichte und freuen uns, wenn du sie mit #advancedadventures verlinkst.
advance.ch /advancedadventures
#3
Adventures around the World 4
Alle oder nicht Warum VolBiv im Himalaya reine Teamsache ist
12
Into the Eclipse Bichos Reise in die Sonnenfinsternis
14
Unmögliches möglich machen
20
Chasing 100 Miles Eine persönliche Bestleistung
2
Inhalt
Die Suche nach Abenteuern in Patagonien
25
Jurassic Coastline Liebe auf den ersten Blick
30
Königlich schweben Teamwork am Ortler
33
Faszinierendes Lichtspiel Ski and Fly auf den Lofoten
41
Über dem Gletschermeer Das Glück in den Bergen
49
Träume wie Haselnüsse Ein Biwakabenteuer durch die norwegische Wildnis
54 Auszeit Climb&Fly zwischen beruflichen Verpflichtungen
56
Die vergessene Küste
12
Eine Entdeckungsreise durch Neuseeland
62
Tief im Kaukasus Biwakfliegen lässt sich nicht planen
14
Inhalt
33
3
49
25
30 62
41 54
4
20
56
advance.ch /advancedadventures
#3
Alle oder nicht
4
Alle oder nicht
#himalaya #volbiv #notasplanned
Warum VolBiv im Himalaya reine Teamsache ist
Fred Souchon, Marc Gallien und Martin Beaujouan brechen Richtung Westen zur indisch-nepalesischen Grenze auf. Sie wollen eine noch unerforschte Route im Herzen des Himalaya-Kamms in Richtung Zanskar fliegen. Der Biwak-Streckenflug birgt für das Team unerwartete Herausforderungen. Denn Gefühle und persönliche Entscheidungen sind bei jeder Expedition zu respektieren. Martin berichtet.
Alle oder nicht 5 Morgenstimmung Ăźber dem Mandy Ridge bei Bir.
advance.ch /advancedadventures
#3
Alle oder nicht 6
Atemberaubende Kulisse im Ladak: Der Zanskar trifft auf den Indus.
Alle oder nicht 7
advance.ch /advancedadventures
#3
Alle oder nicht 8
Unwirtliche Täler in der Gegend von Munsyari. Im Hintergrund das Nanda-Kot-Massiv.
Ich bin hoch motiviert, eines der entlegensten Täler der Erde unter einem Stück Stoff und an ein paar Leinen hängend zu erforschen. Martin Beaujouan
Nach ein paar Stunden steilem Anstieg erreichen wir Munsyari. Imposant ragt der schneebedeckte Nanda Devi in der Ferne auf. Mit 7.816 Metern ist er der höchste Berg im indischen Teil des Himalayas. Noch eine kurze Pause, dann heben wir von unserem hochgelegenen Startplatz ab. Die Dorfbewohner winken uns zum Abschied zu. Wir sind richtig gut drauf und freuen uns auf unser Zanskar-Abenteuer. In wenigen Minuten erreichen wir eine Höhe von 4.000 Metern. Die Luft ist hier deutlich kühler. Langsam arbeiten wir uns am Kamm in Richtung Westen vor. Fliegen in einem Dreierteam hat seine Tücken. Es ist fast unmöglich, dass wir alle zusammen den Bart gleich gut erwischen. Bis wir uns über jedem Sattel als Gruppe wieder finden, vergeht einige Zeit. Dann beginnt die Suche nach einem Lande- und Biwakplatz. Aber wo? Die Täler unter uns sind extrem tief, die Möglichkeiten äusserst begrenzt. Wir fliegen über einen Sattel und entdecken einen ostseitigen freien Platz am Hang. Könnte klappen. Der Landeplatz liegt zwar heute im Lee. Morgen ist das aber bestimmt ein guter Startplatz.
Crash-Landung im Lee Marc nimmt sofort Kurs. Er kämpft mit dem leeseitigen Einlanden – und legt einen Crash am Hang hin. Keine Frage, das ist eine echte Herausforderung. Fred und ich sind noch hoch in der Luft. Ich kann auf der anderen Seite sogar soaren. Aber wir haben beschlossen, zusammenzubleiben. Also runter auf den Boden. Ein starker Gegenwind von 25 km/h weht über die Kante. Dementsprechend fallen wir im Lee förmlich nach unten. Ich erwische die Aufwindkomponente des Rotors und kann auf der einzigen flachen Stelle des Platzes ausflaren. Geschafft! Bei Fred läuft’s nicht so gut. Er landet im Downwash, und beim Aufsetzen bekommt er die volle Wucht seines Eigengewichts und Gepäcks ab. „Das war eine verdammt harte Landung“, vertraut Fred mir später an. „Hat echt weh getan.“ Am nächsten Morgen ist sein Fuss blau und dick geschwollen. Wir können nicht weiterfliegen. Den ganzen Tag steigen wir 1.200 Meter durch wegloses Gelände ab bis zum nächsten Dorf. Mit Taxi und zu Fuss erreichen wir drei Tage später das Krankenhaus. Die Diagnose ist niederschmetternd: Fred hat sich einen Bruch am oberen Sprunggelenk zugezogen.
Alle oder nicht 9
Der Himalaya hat alles zu bieten, von steppenartiger Landschaft bis zu tiefverschneiten Gletschern.
Zanskar – ganz oder gar nicht Für Fred ist das Abenteuer hier zu Ende. Marc und ich ändern unseren Plan. Wir lassen uns per Eisenbahn und Flugzeug direkt zum Sahnehäubchen unseres VolBivAbenteuers im Himalaya bringen: Zans kar. Unser Startplatz liegt malerisch an der Stelle, wo das Zanskar-Tal auf den Indus trifft. Die Landschaft ist einfach nur grandios. Braun-graue Erdtöne in allen Schattierungen, grüne Pappeln und bunte Gebetsfahnen stehen in eindrucksvol lem Kontrast zum tiefblauen Himmel. Mit 30 Kilogramm Wasser im Gepäck fliegen wir los. Mit dem Ziel, eine der entlegensten Gegenden des Hochgebirges fliegerisch zu durchqueren. Die Bedingungen sind herausfordernd. Das Tal, das sich vor uns über Hunderte von Kilometern hinzieht, ist sehr eng.
noch, vor einem Flugfehler oder einer Fehl interpretation des Wetters. Trotzdem: Ich bin hochmotiviert, eines der entlegensten Täler der Erde unter einem Stück Stoff und an ein paar Leinen hängend zu erforschen. Marc hingegen scheint jetzt erst zu reali sieren, was Biwakfliegen im Himalaya be deutet. „Was hast du vor, Marc?“ Ich ahne es. „Mein Erfahrungstrip ist hier zu Ende, ich fliege zurück nach Leh“, antwortet er.
Die Diagnose ist nieder schmetternd: Fred hat sich einen Bruch am oberen Sprunggelenk zugezogen. Martin Beaujouan
Marc scheinen Zweifel zu überkommen. Ich übernehme die Initiative und gehe auf Kurs. Marc bleibt in der Thermik. Er kreist weiter einen Nullschieber, ohne an Höhe zu gewinnen. Was ist los mit ihm? Die letzten Tage haben an unseren Nerven gezehrt. Hin und wieder kamen Zweifel auf. Da ist die Angst vor Verletzung, oder schlimmer advance.ch /advancedadventures
#3
Alle oder nicht 10
Sonnenuntergangsstimmung auf dem Weg nach Manali.
Alleinflug als Option? Ich versuche meine Enttäuschung zu schlucken. Einerseits brenne ich für das Aben teuer. Die Gelegenheit, in dieser Region zu fliegen, wird sich so schnell nicht mehr ergeben. Aber Marc hat den Kocher und Topf im Gepäck – ohne heisses Wasser kein vernünftiges Essen! Zugegeben, ein egoistischer Gedanke. Dann denke ich an meine schwangere Frau Aurélie, die zuhause auf mich wartet. Ein Alleinflug im ZanskarTal könnte mein Familienleben empfindlich durcheinander bringen. Mein Blick schweift über das überwältigende HochgebirgsPanorama hier auf dem Dach der Welt. Dann drehe ich ebenfalls ab in Richtung Leh. Zurück in die Zivilisation Wir entscheiden, die restlichen Tage unseres dreiwöchigen Trips im Gleitschirmmekka Bir zu verbringen und reisen per Minibus an. Das letzte Stück der beschwerlichen Reise nehme ich vom 3.978 Meter hohen Rohtang-Pass fliegend in Angriff. Wenn wir schon einmal in Bir sind, dann ist das berühmte 200-Kilometer-Dreieck ein Muss. Einfach grandios! Anschliessend wagen wir uns trotzdem nochmals an ein
kurzes VolBiv-Abenteuer Richtung Manali und wieder zurück. Für ein Weilchen kreisen wir mit Geiern am Himmel. Ein besonders neugieriger fliegt gefährlich nah an mich ran – und verheddert sich glatt in den Leinen. Ein Blick nach oben, mein Puls schnellt in die Höhe. Der majestätische Vogel kämpft, Federn fliegen. Wenige Sekunden später zieht er unverletzt weiter. Puuh, das war knapp! Das Erlebnis wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Bei unserem Biwak-Abenteuer in Indien gab’s zwar keine Kilometer-Rekorde. Aber jede Menge Herausforderungen. Freds Verletzung und Marcs persönliche Ent scheidung machen die Grenzen und Risi ken vom Biwakfliegen deutlich. Und wenn man als Team unterwegs ist, müssen die Gefühle und Entscheidungen jedes Einzel nen respektiert werden. Wenn’s funktioniert, ist es magisch! Wenn’s nicht funktioniert, hat man immer einen Grund, es nochmal zu versuchen.
About Fred Souchon ist enthusiastischer Gleitschirmflieger, Alpinist und ausgebildeter Bergführer. Beruflich arbeitet er als Bergretter in Chamonix. Er hat Kirgisistan im Biwakflug durchquert. Martin Beaujouan ist Gleitschirmfluglehrer und betreibt eine Flugschule. Mit Fred zusammen hat er Kirgisistan im VolBiv-Flug durchquert. Mit Antoine Girard flog er 2.700 km durch Chile und Peru. Marc Gallien fliegt seit den 1980er-
Harte Landung im Lee. Fred zieht sich einen Bruch am Sprunggelenk zu.
Jahren und arbeitet seitdem als Fluglehrer. Er war beim ersten Flugversuch vom 6.768 Meter hohen Huascaran in Peru Alle oder nicht
dabei.
Film
11
youtu.be/YKB8a6zZsII Equipment
OMEGA X ALPS 2
LIGHTNESS 2 Nach drei Tagen kommt das Team in einem Krankenhaus an und Fred wird endlich richtig versorgt.
Freds Verletzung und Marcs persönliche Entscheidung machen die Grenzen und Risiken vom Biwakfliegen deutlich. Martin Beaujouan
advance.ch /advancedadventures
#3
12
Into the Eclipse
#paramotor #solareclipse #onceinalifetime
Into the Eclipse Bichos Reise in die Sonnenfinsternis
Am Tag der totalen Sonnenfinsternis bereitet sich Bicho Carrera auf einen besonderen Flug vor. Als der Mond vor die Sonne gleitet, schiebt sich der junge Chilene in vรถlliger Dunkelheit am Himmel auch noch dazwischen. Das Ergebnis: ein unvergessliches Erlebnis und beeindruckende Bilder.
Into the Eclipse
Das ist die Art von Abenteuern, wie man sie in seiner Karriere nur einmal erlebt. Victor „Bicho“ Carrera
13
About Bicho Carrera Der 23-jährige Profi pilot aus Chile verbringt den Südhalbkugel-Sommer in seiner Heimat und betreibt dort ein Tandem-Business. Im Nordhalbkugel-Sommer lebt er in Europa und bestreitet den Acro-Weltcup. In der Saison 2019 belegte er den zweiten Schlussrang der Worldcup-Gesamtwertung.
Film https://www.redbull.com/cl-es/ videos/viaje-al-centro-del-eclipse Equipment
OMIKRON
Im Zentrum Erlösung, als der Teamleiter vom Boden meldete: „Bicho, we got it.“ Sofort fiel alle Anspannung von ihm ab, die sich über Tage und Wochen aufgebaut hatte: die Reise von Europa nach Chile, fünf Tage Suche nach dem richtigen Startplatz, der schliesslich in dem ehemaligen Bergwerksort Condori aco gefunden wurde, unzählige Testflüge, zweieinhalb Minuten für das Shooting, der volle Einsatz des gesamten Teams. Uffffff. „Aber das Ergebnis passte.“ Dieser Tag war Sonnenfinsternis wie kein anderer. Für ein paar Minuten war „Es war meine erste Sonnenfinsternis“, be- Bicho ins Zentrum der Sonne geflogen. richtet der junge Chilene begeistert. In dem Moment, als sich der Mond vor die Sonne schob, war es ganz still, dunkel und kalt. „Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl da oben, es war ein irres Erlebnis.“ Gut, dass Bicho vorher nicht wusste, was ihn erwartete. „So war ich erst im entscheidenden Moment aufgeregt.“ Er hatte nur zwei einhalb Minuten Zeit, um sich oben am Himmel mit seinem Schirm richtig für die Kamera zu positionieren. Am 2. Juli 2019 fieberten Hunderttausende Menschen in Südamerika einem seltenen Naturspektakel entgegen. Genau um 16.49 Uhr schob sich in Chile der Mond zwischen Sonne und Erde. Eine totale Sonnenfinsternis entstand. Von diesem einzigartigen Naturphänomen brachte Victor „Bicho“ Carrera spektakuläre Bilder mit. Keiner kam im entscheidenden Moment der Sonne so nah wie der 23-jährige Gleitschirmflieger.
advance.ch /advancedadventures
#3
Unmögliches möglich machen
14
Unmögliches
#patagonia #climbandfly #extreme
Die Suche nach Abenteuern in Patagonien
Es gibt nur eine Handvoll Piloten, die jemals in Patagonien geflogen sind. Der Wind ist zu stark, zu unberechenbar das Wetter. Aaron Durogati probierte es trotzdem. Gemeinsam mit Daniel Ladurner reiste er nach Patagonien. Sie wollten auf den Cerro Torre – einen der schwierigsten Gipfel der Welt – klettern und gemeinsam per Tandem ins Tal fliegen.
UnmÜgliches 15 Aaron am Gipfel der Aguja de l’S, im Hintergrund der beeindruckende Cerro Torre.
advance.ch /advancedadventures
#3
Unmögliches 16
Aaron gelingt ein Start von der Aguja Saint Exupéry, die links vom Gleitschirm zu sehen ist.
Seillänge für Seillänge ging es nach oben. Nach über 13 Stunden in steilem Gelände schmerzten die Füsse, die Finger waren aufgerissen, der Kopf müde. Bereits hier war der Wind deutlich spürbar, immer wieder fuhr er durchs Seil, peitschte es nach oben. Am Gipfel stürmte es vollends. An einen Gleitschirmstart war bei 130 km/h nicht zu denken. Trotzdem, Aaron Durogati strahlte. Der Blick hier oben, mitten im patagonischen Los Glaciares Nationalpark, war atemberaubend.
Für mich war sofort klar, dass ich nicht ohne Schirm fahre. Einen Leichtschirm mitzunehmen zahlt sich immer aus. Aaron Durogati
Den Mut haben, Neues zu wagen Gemeinsam mit Daniel Ladurner flog Aaron An fang Januar nach Pata go nien. Der Plan: An den steilen Gra nit zacken im patagonischen Inlandeis zu klettern und mit viel Glück oben im Tandem zu starten. Der Cerro Torre zählt zu den un gewöhnlichsten Bergformationen unse rer Erde, sämtliche Routen auf den Gipfel sind Spitzenalpinisten vorbehalten. Nach Kletterei in Fels, Eis und teils senkrechtem Schnee wartet das Gipfelplateau, das Aaron bei seiner Recherche für einen Tan demstart geeignet schien.
Ungewissheit ist Abenteuer Abgesehen von diesen anspruchsvollen Startplätzen ist Patagonien zudem be rüchtigt für sein unberechenbares, schlechtes Wetter. Schlechtes Wetter bedeutet blitzartig aufkommende Stürme von bis zu 200 km/h. Jeder Fehler am Berg ist äusserst kritisch. Rettungsaktionen dauern Tage. Handyempfang? Fehlanzeige. Was treibt einen an, mit Gleitschirm an diesen abgeschiedenen Ort zu reisen? „Es ist das Abenteuer, das mich so reizt. Etwas zu machen, was noch niemand vor mir gemacht hat. Nicht genau zu wissen, ob ich fliegen kann oder nicht. Ich will das Unmögliche möglich machen.“
Unmögliches 17
Auf dem Weg zum Gipfel der Aguja Saint Exupéry muss das Team unter anderem einige Schneefelder traversieren.
Geniesse jeden Moment Den ursprünglichen Plan, den Cerro Torre zu erklettern, konnten die zwei Südtiroler letztendlich nicht verwirklichen – die Ver hält nisse waren ungünstig. Stattdessen kletterten die zwei auf die Aguja Poincenot. 130 km/h Wind am Gipfel machten einen Start unmöglich. Trotzdem, die Schönheit von Patagonien war atemberaubend. Oder mit Aarons Worten: „Schon allein auf dem Gipfel zu stehen ist ein Privileg.“
Patagonien ist nicht zum Fliegen gemacht. Aaron Durogati
Einige Tage später bahnte sich das nächste Wetterfenster an. Das Ziel war die Aguja Saint Exupéry in der Fitz-Roy-Gruppe. Aaron war bewusst: Wenn er einen Start versuchen sollte, würde die Fläche minimal sein. Zu klein für jeden Tandem. Er hatte daher seinen Soloschirm im Gepäck – Daniel würde mit einer befreundeten Seilschaft abseilen.
advance.ch /advancedadventures
#3
Das Privileg, fliegen zu dürfen „Es war einer der schwierigsten Starts, die ich jemals gemacht habe“, reflektiert Aaron. Jeder Fehler war lebensgefährlich. „Drei Meter, mehr Platz hatte ich nicht. Einen Schritt zu viel und ich wäre die Felswand hinunter gefallen.“ Nach über 15 Stunden Kletterzeit auf die Aguja Saint Exupéry gelingt Aaron das Unmögliche: Kurz unterhalb des Gipfels kann er starten. „Der Flug war atemberaubend, nach einem turbulenten Start wurde die Luft ruhiger und ich konnte die Fitz-Roy-Gruppe von einem ganz besonderen Blickwinkel betrachten.“
18
Unmögliches
Aarons Startplatz ist extrem klein und felsig – hinter ihm fällt die Wand ab.
Der weisse Kreis kennzeichnet Aarons Startplatz direkt unterhalb des Gipfels: Fehler sind hier unverzeihlich.
Ich suche das Abenteuer, die Herausforderung. Und fliegen in Patagonien ist ein unglaubliches Abenteuer. Aaron Durogati
Unten wartete er die halbe Nacht, bis seine Seilpartner eintreffen. Und wieder die Faszination, wie schnell man mit dem Gleit schirm ins Tal gelangt. „Ich wusste, dass die Chance eines Starts sehr gering war. Der Flug gehört mit zum Besten, was ich jemals erleben durfte.“ Wie der Wind an diesem Tag war? „Ich bin mit ca. 40 km/h im Lee gestartet, das war sehr sportlich. Wie gesagt, einer meiner schwierigsten Starts überhaupt.“
Unmögliches
Der Zustieg zur Aguja Saint Exupéry ist mühsam und lang: über sechs Stunden reine Gehzeit.
19
About Aaron Durogati ist seit 2009 Profi sportler und zählt zu den besten Gleitschirmpiloten weltweit, gewinnt 2013 und 2017 den Gesamtweltcup. Bis jetzt ist er der einzige Pilot, der zwei PWC-Superfinale für sich entscheiden konnte. Sein ausserordentliches Können hat er auch 2019 wieder bei den X-Alps
Das Team biwakiert am Laguna Sucia – ohne Zelt unter freiem Himmel, um Gewicht zu sparen.
unter Beweis gestellt. Neben dem Fliegen sind Klettern und Bergsteigen eine weitere grosse Leidenschaft des Südtirolers, natürlich am liebsten in Kombination mit dem Gleitschirm.
Film youtu.be/don4emZyB2w
Equipment
PI 2
Die Kombination aus Fliegen und Klettern in Patagonien ist fantastisch und gleichzeitig extrem herausfordernd. Aaron Durogati
STRAPLESS
advance.ch /advancedadventures
#3
20
Chasing 100 Miles
#keriovalley #xcflying #100miles
Chasing 100 Miles Eine persönliche Bestleistung
Der amerikanische Extremkletterer und Filmer Cedar Wright ist ins Kerio Valley nach Kenia gereist, um sich dort einen Traum zu erfüllen. Er will das erste Mal in seiner noch kurzen Flugkarriere die 100-Meilen-Grenze knacken. Mit dabei ist sein Mentor Nick Greece. Dass bei einem solchen Vorhaben nicht immer alles nach Plan läuft, gehört für Cedar zum Abenteuer „Streckenfliegen an exotischen Orten“ dazu. Durch und durch Filmer, hat er dieses Erlebnis in einen erfrischenden Clip mit viel a merik an is chem Humor verpackt. Lass dich mitreissen.
Chasing 100 Miles 21 Cedar fliegt entlang der Geländekante des Kerio Valley.
advance.ch /advancedadventures
#3
Das magische Ridge im Kerio Valley ist der Ort, um persönliche Rekorde zu knacken. Aber es ist gleichzeitig auch eine der turbulentesten FliegerEcken überhaupt.
An die Grenze oder drüber? Cedar ist wild entschlossen, bis an seine Grenzen zu gehen. 100 Meilen sind weit. Sind sie für ihn zu schaffen? Jedenfalls nicht heute, denn es wird zu turbulent und beide müssen landen. Das Maisfeld könnte als Notlandeplatz funktionieren. Bei
heftigem Rückenwind verliert Cedar für einen Moment die Kontrolle. Ruppig setzt er auf dem Boden auf. Überschlägt sich. Nick hält die Kamera unbeirrt drauf. „Holy shit!“, entfährt es Cedar. Ganz in amerikanischer Manier macht er gute Miene zur schmerzhaften Crashlandung. „Ich bin traumatisiert, mir reicht’s jetzt erst mal.“ Fast trotzig packt er seine Sachen zusammen. Das mit dem 100-Meilen-Langstreckenflug ging also fürs Erste in die Hose.
Das Gedächtnis eines Goldfischs Was macht einen guten Gleitschirmflieger aus? Nick: „Ein guter Paraglider hat das Gedächtnis eines Goldfisches.“ Aufstehen, das Gefühl des Scheiterns abschütteln, nach vorne blicken. Jetzt erst recht, denken sich die zwei Piloten. So schnell geben sie nicht auf. Ausrüstung, Schirm, persönliche Einstellung – passt. Heute folgt der zweite Versuch. Die Bedingungen geben den Piloten recht. Das Selbstvertrauen ist zurück. Mit einer gewissen Gelassenheit soaren sie am Grat entlang. Heute spulen sie die Meilen unter der Sonne Kenias regelrecht ab: 16… 32… 60 Meilen. Ekstatisch fliegen sie weiter.
22
Chasing 100 Miles
Nick Greece
Cedar Wright holt noch einmal tief Luft. Die Flugbedingungen an diesem frühen Mor gen sind gut. Am Startplatz haben sich auch unzählige junge Kenianer versammelt. Sein Begleiter und Mentor Nick Greece ist ebenfalls bereit. Die Kamera läuft. Eins, zwei, drei… dann heben die zwei Amerikaner nacheinander ab. Das Kerio-Valley-Naturreservat liegt ihnen zu Füssen. Woohoa! Cedar hat eine Vision. Er will seine persönliche Bestmarke knacken und seinen ersten 100-Meilen-Flug realisieren. „Im Kerio Valley fliegst du an einer windigen Geländekante entlang, die steil auf ein Hochplateau abfällt“, beschreibt Cedar die Strecke. „Es kann dort ziemlich turbu lent und unberechenbar werden, es gibt ein explosives Gemisch aus thermischen und dynamischen Aufwinden. Wenn du einen Klapper hast, hast du wenig bis keine Zeit, ihn abzufangen.“
Jeden Morgen versammeln sich junge Kenianer und wollen alles über den Gleitschirmsport erfahren.
About Cedar Wright liebt das Risiko. Als Ex tremkletterer und Gleitschirmpilot hat der Amerikaner einen ausgeprägten Hang zur Leidenschaft. Denn seine ulti mativen Abenteuer bringen ihn immer wieder in Situationen, die Leiden schaffen. Wenn er nicht am Himmel oder auf Bergen unterwegs ist, macht er Filme, Musik oder schreibt Geschichten. Glücklich, der persönliche Rekord von 100 Meilen ist geknackt.
Nick Greece gehört zu den besten Piloten Nordamerikas und hat schon zahlreiche Weltcup-Titel gewonnen. kleine Ecke und Ritze aus der Luft zu erkunden. Besonders stolz ist Nick auf seinen Reisepass, der voll ist mit exotischen Stempeln aus über 30 Ländern, in denen er geflogen ist.
23
Cedar Wright
Er liebt es besonders, jede noch so Chasing 100 Miles
100 Meilen zu fliegen ist für einen Gleitschirmflieger wie volljährig werden.
Film
Fühlt sich verdammt gut an. 100 Meilen zu fliegen sei für einen Gleitschirmflieger wie volljährig werden, vergleicht Cedar das Abenteuer. „Und wenn man abhebt, weiss man nie, wo man wieder landet.“ Du bist fast einen ganzen Tag in der Luft, „dafür musst du auch mental fit und ausdauernd sein.“ Genau diese körperliche und geistige Herausforderung treibt den Kalifornier an. „Du bist sieben bis acht Stunden unterwegs, ohne Motor.“ Für Cedar ist das der ultimative Abenteuersport, „genau das mag ich“.
Persönliche Rekorde knacken Heute läuft’s wie geschmiert. Die Thermik trägt die zwei Piloten in ungeahnte Weiten. Problemlos knacken sie die 100-MeilenMarke. Die Daumen gehen hoch. Enthu siastisch gleiten sie weiter – soweit der Wind sie bringt. 102… 105… am Ende legen sie sage und schreibe 117 Meilen (173,2 Kilometer) zurück. Cedar setzt sein breitestes Grinsen auf: „I FUCKIN‘ DID IT!“ So, als ob er es selbst kaum glauben kann. Nick, der die Idee für das Flugabenteuer ursprünglich einmal hatte, kommentiert das Ergebnis nüchterner: „Das ist der Ort, zu dem Menschen kommen, um persönliche Rekorde zu knacken.“
vimeo.com/269101883 Cedars Equipment
SIGMA 10
Cedar am Startplatz auf dem Weg zu seiner persönlichen Bestleistung.
advance.ch /advancedadventures
#3
Jurassic Coastline 24
Beängstigend und faszinierend gleichermassen – soarend an den Kreidefelsen ßber dem Meer.
#unitedkingdom #whitecliffs #roadtrip
25
Jurassic Coastline
Jurassic Coastline Liebe auf den ersten Blick
Ein Kalenderbild hat den Fotografen Adi Geisegger vor Jahren in seinen Bann gezogen. Bis er das Sujet endlich vor der eigenen Linse hatte, dauerte es. Mit Melanie Weber und dem Engländer Jack Pimblett reiste Adi zum Objekt der Begierde. Das Trio schöpfte alle fliege rischen Möglichkeiten aus, um die Kreidefelsen an der südenglischen Küste ins beste Licht zu rücken.
advance.ch /advancedadventures
#3
Jurassic Coastline 26
Ein Traum wird wahr: das Weltkulturerbe Jurassic Coastline aus nächster Nähe.
Mich hat dieses Kalenderfoto so fasziniert. Ich wollte dort unbedingt zum Fliegen und Foto grafieren hin. Letzten Sommer haben wir unsere Ausrüstung gepackt und sind losgefahren. Adi Geisegger
Wechselhaftes englisches Wetter Die Jurassic Coastline befindet sich am südenglischen Ärmelkanal und erstreckt sich über eine Länge von 150 Kilometern. Beim Recherchieren stellte sich heraus, dass an dieser Küste durchaus geflogen wird. Allerdings beschränkt sich die Fliegerszene auf einen kleinen Abschnitt. Adi aber möchte mehr, er möchte über die makellosen Felsabbrüche fliegen. Dort, wo die Kreidefelsen am eindrücklichsten sind. Wie auf dem Kalender. Das Bild, dass sich so sehr bei ihm eingeprägt hat.
Das Weiss leuchtet. Fällt ins Auge. Dane ben Blau. Ein helles, leuchtendes Meeres „Als ich meiner langjährigen Fliegerfreundin blau. Dann ist da noch Grün. Nicht irgend- Melanie Weber von der Idee erzählte, hatein Grün, sondern ein leuchtendes, kräfti- te sie Bedenken: Das englische Wetter ist ges Grün. Drei Farben, die einen perfek- unsicher. Was, wenn es nur regnet und wir ten Kontrast bilden. Die Rede ist von ei- nicht in die Luft kommen?“ „Wenn man es nem Kalenderfoto der Jurassic Coastline nicht probiert, dann kann es nicht klappen“, in England. Die schneeweisse, makellose war hingegen Adis Devise, und so wurde Steilküste zieht einen in den Bann, umge- die Planung konkreter. „Durch einen Zufall ben vom tiefen Blau des Meeres und dem lernte ich Jack Pimblett kennen. Der junge, satten Grün der Wiesen. Kein Wunder, aufsteigende Acroflieger war sofort bei undass Adi Geisegger beim Blick auf das serem Vorhaben dabei.“ Foto fasziniert war und der Wunsch entstand, diese kontrastreiche Landschaft im Jack, Melanie und Adi warten das passenSüden Englands mit dem Gleitschirm zu de Wetterfenster ab, um von Deutschland erkunden. nach England zu starten. Als sie ankamen,
Jurassic Coastline 27
Die Drei starten am offiziellen Startplatz, entfernen sich schnell vom normalen Fluggebiet und fliegen in Richtung Kreidefelsen und Meer.
prasselte der Regen nur so auf ihr Auto dach. Das vermeintliche Wetter fenster brachte typisches, englisches Wetter. „Ob Melanie recht behalten sollte?“ Adis Ge dan ken kreisten um den letzten Wet ter check – er versprach Besserung für den nächsten Morgen. Im Moment sah es nur nicht danach aus. „Hoffentlich irrten sich die Meteorologen nicht“ – waren die letzten Gedanken, bevor Adi in einen tiefen Schlaf fiel.
About Jack Pimblett fliegt seit dem Alter von drei Jahren, als ihn sein Vater das erste Mal mitnimmt. Mittlerweile ist er in den Top Ten des Acroweltcups und
Früh klingelte der Wecker. „Als ich aufwachte, lauschte ich. Rechnete damit, das Prasseln des Regens zu hören. Aber da war kein Prasseln mehr“, erinnerte sich Adi.
auf der ganzen Welt beim Gleitschirm fliegen unterwegs. Jack gibt sein Wissen ausserdem bei Coachings und Sicherheitstrainings weiter. Melanie Weber hat vor sieben Jahren
Über dem Weltkulturerbe Keine zwei Stunden, nachdem der Wecker geklingelt hatte, breiteten sie ihre Schirme aus. Der Wind war perfekt und sie fanden ideale Soaringbedingungen über den berühmten Kreidefelsen vor. Die Jurassic Coast line war unglaublich schön. Hier, im Auf wind band hängend, fühlten sie sich mehr als privilegiert. Waren glücklich. Der Wunsch, der vor einigen Jahren mit einem Kalenderfoto begann, erfüllte sich. „Wieder bot sich mir der perfekte
das Gleitschirmfliegen für sich entdeckt, als Hike&Fly-, Paramotor- und Streckenpilotin liebt sie es, neue Fluggebiete zu entdecken und so auf einen Trip wie diesen auf Entdeckungsreise zu gehen.
Equipment
Adi Geisegger fliegt seit den frühen 1990er Jahren Gleitschirm und Drachen. In den vergangenen Jahren ist der Fotograf und Filmer auch immer öfters mit dem Paramotor anzutreffen. EPSILON 9
SUCCESS 4
advance.ch /advancedadventures
#3
Jurassic Coastline 28
Flexibilität zahlt sich aus – dank des Paramotor gelingt ein Sonnenuntergangsflug.
Wenn man es nicht probiert, kann es nicht klappen. Adi Geisegger
Kontrast zwischen blauem Meer, weissen Felsen und grünen Wiesen. Dieses Mal bewunderte ich die Landschaft mit eigenen Augen, machte Fotos.“ Melanie, Jack und Adi starteten am normalen Startplatz, entfernten sich aber schnell von diesem. Je weiter sie wegkamen, desto höher wurde der Nervenkitzel. Toplanden war die einzige Landemöglichkeit. Unter ihnen das Meer, neben ihnen die Kreidefelsen. „Ich war ziemlich aufgeregt in Anbetracht unserer Exponiertheit. Gleichzeitig war es unglaublich schön, über die Felsen zu fliegen. Wir waren komplett allein“, schwärmt Melanie. „Ich weiss nicht, ob ein Pilot jemals solange und soweit über die Kreidefelsen geflogen ist. Ich hab jeden Moment genossen. Wahnsinn, was die Natur schaffen kann. Die strahlend weissen Felsabbrüche
gehören nicht ohne Grund zum UNESCOWeltkulturerbe“, erzählt Jack.
Fliegerische Möglichkeiten Pünktlich zum zweiten Frühstück landeten sie, blickten zurück auf einen wunderschönen Soaringflug. Freuten sich, dass das englische Wetter ihnen eine Flug möglichkeit gewährte und sie die Gelegenheit hatten, die Felsen so lang und genau aus der Luft zu betrachten. Abends bot sich erneut eine Chance, in die Luft zu kommen. Dieses Mal hatte es allerdings keinen Wind, glücklicherweise hatte das Trio Paramotoren dabei. Perfekt, um zu einem gemeinsamen Motorflug im Sonnenuntergang aufzubrechen. Die Drei genossen es, unabhängig von jeglichen
Jurassic Coastline 29
Windsystemen und Thermiken zu sein. Wieder flogen sie entlang der Kreidefelsen. Mit Motorunterstützung gab es kein Ner venkitzeln mehr, dafür entdeckten sie die Landschaft neu. Die untergehende Sonne tauchte alles in ein Farbenmeer aus Rot, Gelb und Orange. Mit dem allerletzten Licht landeten sie, blickten zurück auf einen wunderschönen Flugtag.
Wir hatten ideale Soaringbedingungen über den berühmten Kreidefelsen. Diese kontrastreiche Landschaft mit eigenen Augen zu sehen war noch schöner als das Kalenderfoto. Adi Geisegger advance.ch /advancedadventures
#3
Früh starten ist ein Muss beim Bergsteigen – bei Sonnenaufgang ist das Team bereits drei Stunden unterwegs.
30
Königlich schweben
#climbandfly #teamwork #pleasure
Königlich schweben Teamwork am Ortler
Mit 3.905 m ist der „König Ortler“ die höchste Erhebung Tirols. Majestätisch thront er über dem Suldental. Fanny Dünsser, Sesi Mackrodt, Ben Liebermeister und Raphaela Haug haben sich auf den Weg gemacht, um ihn zu erklimmen und anschliess end mit dem Gleitschirm ins Tal zu fliegen. Unter schiedliche Fähigkeiten, Rücksichtnahme und Glück sind die Bausteine eines ganz besonderen Tages. Raphaela erzählt.
gehts. Um uns herum tanzen die Lichter Hike&Fly ist meine persönliche Definition vom Gleitschirmfliegen. Daher bin ich so- der anderen Bergsteiger. Wir kommen gut fort dabei, als die Idee vom Ortler auf- voran, manche Passagen sichern wir, viele gehen wir seilfrei. Ich bin nervös, meine kommt. Fanny und ich haben weniger Flugerfahrung, sind dafür alpinistisch fit, wir Gedanken drehen sich bereits um den Flug. kümmern uns um den Aufstieg. Während „Beruhige dich, erst der Grat, dann der Flug. die Jungs, beide seit Jahren in der Luft, für Eins nach dem anderen“, sagt meine inneden Abstieg verantwortlich sind. re Stimme. Mein Blick schweift ab, zu den Bergen um uns herum. Und wieder einmal Die Audienz beim König muss ich feststellen, wie gern ich draussen Schon von weitem sahen wir die Hütte, bin. Der Schnee, das Eis, die Seracs, das links die Seracs und Gletscherabbrüche alles hat mich schon immer fasziniert. Zum von Königsspitze und Zebru. Vor uns liegt ersten Mal ist es mir egal, ob wir fliegen der Hintergrat, unser morgiges Ziel. In der oder nicht. Ich geniesse den Augenblick, Hütte angekommen, gehe ich nochmals es sind noch wenige Meter bis zum Gipfel. die Tour durch, fühle mich verantwortlich Als ich oben ankomme, blicke ich in strahfür den Aufstieg. Ich überdenke unseren lende Gesichter. Was für ein Tag! Zeitplan und entscheide mich für frühes Bettgehen und noch früheres Aufstehen. Gleitschirmfliegen ist pure Freude Die Anspannung ist bereits deutlich zu spü- So richtig geniessen kann ich den Gipfel ren. Fanny und ich haben Respekt vor dem allerdings nicht. Jetzt kam – zumindest Flug, die Jungs machen sich Gedanken für mich – der schwierigere Teil des Tages. über den Aufstieg. Und dennoch, für uns Der Flug. Wir packten unsere Sachen, gealle ist die Tour etwas ganz Besonderes. hen Richtung Startplatz. Umso näher wir kommen, desto mehr wird mir bewusst: Der Wecker klingelt früh am nächsten Mor Der Wind ist perfekt. Meine Aufregung gen. Noch ist es stockfinster. Wir stehen wird weniger, die Zuversicht grösser. Wir auf, packen unsere Sachen, genehmi- legen unsere Schirme aus – ein letztes gen uns ein schnelles Frühstück und los obligatorisches Selfie und dann: Start frei.
Königlich schweben
Raphaela Haug
Zeitsprung: Die Sonne strahlt auf unsere Rücken. Wir sind vor zwei Stunden am Gipfel gestanden, vor einer gelandet. Jetzt steht der Kaffee mit Apfelstrudel und extra Portion Sahne vor mir. Ich lasse die letzten Stunden Revue passieren. Heute haben wir alles erreicht. Mein ganz persönlicher Traum vom Gleitschirmfliegen – vom Gipfel in wenigen Minuten ins Tal. Und dennoch ist mir klar, dass es nicht immer so läuft. Wir könnten uns jetzt auch irgendwo im Abstieg befinden…
About
31
Es muss nicht immer extrem sein. Es sind die kleinen aussergewöhnlichen Dinge, die unser Leben so lebenswert machen.
Ich brauche genau zwei Schritte und fliege. Fühle mich frei, erlöst, schwebe über die Gletscherspalten und Seracs. Was für ein Geschenk. Wahrhaftig königlich.
Raphaela Haug ist im Allgäu aufge wachsen und hat mit dem Gleitschirm fliegen angefangen, um sich das Runter laufen zu ersparen. Ob Ortler, Mt. Blanc oder Hausberg – wenns sichs starten lässt, ist der Schirm im Gepäck. Sesi Mackrodt studiert in München und arbeitet als Testpilot beim DHV. Ob beim Acrofliegen, auf Strecke oder
Der Ortler bietet den perfekten Startplatz – ob ein Start gelingt, war bis zum Schluss nicht sicher.
beim Speedriden – am wohlsten fühlt er sich in der Luft. Ben Liebermeister fliegt seit über 20 Jahren. Am Anfang war er ambitioniert auf Strecke unterwegs, mittlerweile hat er meistens seinen Acroschirm im Gepäck oder ist beim Hike& Fly anzutreffen. Fanny Dünsser ist in den Bergen aufgewachsen. Um sich den Abstieg zu ersparen, hat sie mit Hike&Fly angefangen.
Equipment
PI 2
EASINESS 2
advance.ch /advancedadventures
#2
Faszinierendes Lichtspiel 32
Besonders die abendlichen Soaring Sessions haben ihren Reiz in Norwegen.
#lofoten #skiandfly #auroraborealis
33
Faszinierendes Lichtspiel
Faszinierendes Lichtspiel Ski and Fly auf den Lofoten
Regi Batt und Tobi Dimmler bereisten die norwegischen Lofoten. Weit oberhalb des Polarkreises erstreckt sich die Inselgruppe ins Europäische Nordmeer. Auf der Suche nach Neuland erlebten sie traumhafte Ski‘n Flys und Soaring Sessions. Ein Abenteuer in einer einzigartigen, monochromen Landschaft.
advance.ch /advancedadventures
#3
Faszinierendes Lichtspiel 34
Unglaubliches Naturschauspiel: Nebel, Wolken und Sonnenschein wechseln im Sekundentakt.
Faszinierendes Lichtspiel 35
advance.ch /advancedadventures
#3
36
Faszinierendes Lichtspiel
Bann. «Nordlichter sind ein unheimliches und faszinierendes Lichtspiel gleichermassen», schwärmte Regi.
Die ersten Höhenmeter mit Ski abfahren und dann mit dem Gleitschirm bis ans Meer fliegen.
Norwegen, Lofoten. Ein Fjord reiht sich an den anderen. Viele kleine Inseln mit Bergen, die aus dem Meer wachsen. Das Wetter ändert sich im Sekundentakt: Star ker Wind peitscht Eis und Schnee ins Gesicht, dann ist es windstill. Eben noch verborgene Felsen tauchen im Dunst auf, Sonnenstrahlen kämpfen sich durch die Wol ken decke und die Landschaft bekommt Konturen. Kurz darauf hüllt der Ne bel alles wieder ein. In klaren Polarnächten sind Nordlichter zu sehen. Zarte Schleier aus grünem Licht tanzen über den Himmel. Geisterhaft leuchtet die Umgebung. Diese kosmische Erscheinung, die durch ein spannendes Wechselspiel zwischen Erde und Sonne entsteht, zog auch Regi und Tobi in ihren
Die perfekte Kombination Am nächsten Tag strahlte ihnen die Sonne ins Gesicht, weisse Berge und blaues Meer bildeten einen wunderbaren Kontrast. Sie stiegen ins Auto und fuhren los. Die Strasse schlängelte sich entlang der Fjorde, hinter jeder Kurve ein neuer phantastischer Ausblick auf die Berglandschaft. Sie fuhren, bis sie einen Gipfel sahen, der ihnen zusagte. Parkten und starteten los. Mit Ski und Schirm. Über Forststrassen und durch seichte Birkenwälder stiegen sie stetig hinauf zum Gipfel. Anfänglich war die Landschaft nur überzuckert, je weiter sie nach oben kamen, desto mehr Schnee war unter ihren Skiern. Der Blick nach hinten zeigte Fjorde und Inselgruppen. Dazwischen das blau schimmernde Meer. Einsame Flüge Regi und Tobi hatten Glück. Das sonst so wechselhafte Wetter zeigte sich von seiner stabilen Seite. Prinzipiell lässt sich das Wetter auf den Lofoten nach der Windrichtung bestimmen. Westwind bedeutet wechselhaftes Wetter. Von starken Schneefällen bis zu sonnigen Auf hel lun gen ist alles möglich. Hingegen verspricht Nordost- bis Südostwind kaltes, trockenes Wetter mit vielen Sonnenstunden. Von dieser Wetterlage profitierten die Zwei und konnten viele einzigartige Touren unternehmen. Starteten je nach Verhältnis sen mal vom Gipfel, mal von weiter unten. Dabei waren sie meistens allein unterwegs.
Der Schnee am Gipfel war perfekt. Wir sind die ersten Höhenmeter abgefahren, als der Schnee schlechter wurde, haben wir unsere Gleitschirme ausgepackt und sind rausgestartet. Tobi Dimmler
37
Faszinierendes Lichtspiel
Polarlichter sind ein atemberaubendes Spektakel – zarte Schleier aus grünem Licht tanzen über den Himmel.
advance.ch /advancedadventures
#3
Faszinierendes Lichtspiel 38
Groundhandling Session im letzten Licht des Tages – in ein paar Stunden sind Polarlichter zu sehen.
Unsere Gleitschirme leuchteten regelrecht in der sonst so monochromen Landschaft. Regi Batt
Manch mal sahen sie andere Skitouren geher. Nie andere Gleitschirmpiloten.
Flexibilität zahlt sich aus Doch die vielen Sonnenstunden hatten auch ihre negative Seite. Der anfänglich magere Schnee schmolz, Felsen und Gras kamen mehr und mehr zum Vorschein. Es kam der Punkt, an dem sie Ski gegen Wanderschuhe tauschten. Aus Ski‘n Fly wurde Hike‘n Fly. «Da wir praktisch jeden Tag Sonnenschein genossen, tauschten wir die Skier nach etwa zehn Tagen gegen Wanderschuhe und erlebten ausgedehnte Soaring Sessions. Mich hat das schnell wechselnde Gesicht dieser Landschaft immer wieder aufs Neue fasziniert», erzählte Tobi.
Equipment
OMEGA X ALPS 2
PI 2
STRAPLESS
About Tobi Dimmler ist professioneller Tandempilot und Fotograf. Mit dem Gleitschirm beflog er schon die ganze Welt, hielt die besonderen Momente mit der Kamera fest. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, arbeitet und lebt der gebürtige Schweizer in Interlaken. Regi Batt kombiniert ihre Leidenschaft für den Ausdauersport seit 2012 mit dem Fliegen. Ob auf Hochtour, Ski oder Wanderungen, der Gleitschirm ist meistens mit dabei. Vor drei Jahren machte Faszinierendes Lichtspiel
sie ihr Hobby zum Beruf – seitdem arbeitet sie als professionelle Tandempilotin in Interlaken.
39
Regi geniesst die Landschaft während einem Spaziergang am Meer.
Das Erlebte während der Reise werden die Zwei so schnell nicht mehr vergessen.
Die Ausblicke auf Berge, Fjorde und Meer sind unbeschreiblich. Sie raubten uns immer wieder den Atem. Diese Kulisse aus der Luft zu betrachten, war unglaublich. Tobi Dimmler
advance.ch /advancedadventures
#3
Ăœber dem Gletschermeer 40
Auf dem Weg zum Finsteraarhorn, einem der abgelegensten 4000er der Alpen.
#climbandfly #soaringextreme #onceinalifetime
41
Über dem Gletschermeer
Über dem Gletschermeer Das Glück in den Bergen
Das 4.274 m hohe Finsteraarhorn thront über einer einmaligen Gletscherwelt im Herzen der Schweizer Alpen, weitab von jeglicher Zivilisation. Chrigel Maurer, Patrick von Känel und Sepp Inniger haben eine Gelegenheit beim Schopfe gepackt, die sich nicht alle Tage ergibt. Sie konnten von Grat zu Grat soarend bis zum Finsteraarhorn vordringen und den Gipfel überhöhen. Eine Geschichte, wie Spontanität und eine Portion Glück die Zutaten eines unvergesslichen Flugtages wurden.
advance.ch /advancedadventures
#3
Über dem Gletschermeer 42
Morgens um acht Uhr befindet sich das Trio über dem Schweizer Gletschermeer auf 4.400 m – eine unglaubliche Erfahrung.
Ăœber dem Gletschermeer 43
advance.ch /advancedadventures
#3
Über dem Gletschermeer 44
Vor dem Dessert erleben die drei einen wunderschönen Abendflug.
nicht vor dem bekannten Schweizer Drei gestirn Eiger, Mönch und Jungfrau, sondern gerade dahinter in dieser abgelegenen Gletscherwelt. Einfach schweben, sich im Wind nach oben arbeiten. Die Sonne langsam hinter den Gipfeln verschwinden sehen. Landen und pünktlich zum Dessert wieder zurück in der Hütte. Ein Traum. Ein Traum eines jeden Piloten.
Das war der schönste Flug meiner bisherigen Pilotenkarriere. Sepp Inninger
Nein, geplant war er nicht, der Überflug des Finsteraarhorns (4.274 m), höchster Gipfel des Berner Oberlandes. Eigentlich wollten Chrigel, Patrick und Sepp eine Bergtour auf den Mönch (4.107 m) machen und von dessen Gipfel ins Tal schweben. Kurz vor dem Start der X-Alps 2019 etwas Schönes unternehmen, positive Energie sammeln, Kraft tanken für das bevorstehende Rennen, einfach einen tollen Flug mit Freunden erleben. Doch dann kam alles anders…
Das Glück in den Bergen Die drei nehmen die letzte Bahn aufs Jung fraujoch. Steigen zur Mönchsjochhütte (3.650 m) auf. Während des Abendessens wurde gespasst, wie schön ein Sonnen untergangssoaring doch wäre. Für einmal
Spontan wird er wahr, der Traum. Ohne jegliche Planung. Plötzlich passt der Wind. Aus Spass wird Ernst, der Moment genutzt. Die drei entscheiden sich für ein spontanes Soaring zwischen Hauptspeise und Dessert. Sie legen ihre Schirme gleich neben der Hütte aus, starten und soaren, bis die Sonne verschwunden ist. „Das war der schönste Flug meiner bisherigen Pilotenkarriere“, sagt Sepp. „Er war zwar nicht lang. Aber am Abend noch so hoch aufsoaren zu können, war wirklich ein unbeschreibliches Gefühl.“
Erstens: Es kommt anders Während des Desserts dann der Wetter check für den nächsten Tag. Starker Nord ostwind. Zu stark, um am Mönch (4.107 m) zu starten und aus der falschen Richtung
Über dem Gletschermeer 45
Eine Notlandung über dem Gletschermeer hätte fatale Folgen.
obendrein. Aus der Traum vom morgend lichen Abgleiter ins Tal. Kurze Ratlosigkeit, dann wird umgeplant. „Wir entschlossen uns, zum Walchergrat aufzusteigen und von dort nördlich ins Tal zu fliegen“, erinnert sich Chrigel. Um sechs Uhr am nächsten Tag der Aufbruch zum Startplatz. Die ersten Sonnenstrahlen bereits im Gesicht. Noch ist sie kalt, die Sonne. Trotzdem, der wolkenlose blaue Himmel und die aufsteigende gelbe Kugel am Himmel motivieren. Die Vorfreude auf den Flug steigt, das zweite Frühstück im Tal wartet.
Zweitens: Als man denkt Schirm aufziehen, abheben, schweben. Schwe ben nach unten, dem geplanten zweiten Frühstück entgegen. Oder doch nicht? Es trägt. Es fliegt. Und wie es fliegt. Innerhalb 12 Stunden müssen die Piloten erneut umplanen. Spontan sein. Die Windkomponente an diesem frühen Morgen stimmt. Ohne jegliche Ab spra che fliegen Chrigel, Patrick und Sepp südwärts via Fiescherhorngruppe. Soarend am frühen Morgen. Die drei gewinnen an Höhe. Die Sonne wandert weiter über den Horizont, spendet jetzt Wärme. Mit dem Wind im Rücken geht es Richtung
Finsteraarhorn (4.274 m). Eines der abge legensten Gebiete der Schweiz. Eine Landung unten auf dem Gletscher würde fatale Folgen haben. Nicht nur wegen den Gletscherspalten, sondern auch wegen der Abgeschiedenheit. Zu Fuss wird ein ganzer Tag benötigt, um die Schutzhütte am Rande des Gletschers zu erreichen, sagt Chrigel. Ihre aktuelle Höhe lässt solche Gedanken schnell wieder verschwinden. Gemeinsam überfliegen sie den Gipfel. Das Gipfelkreuz wird kleiner, die einzelnen Spalten des Gletschers sind nicht mehr zu sehen. Ein einziges weisses Meer. Den Blick über die Schweizer Bergwelt schweifen lassen, träumen und dann zurück aufs Vario: 4.400 Meter über Meereshöhe. 7 Uhr morgens. Unglaublich.
Zu Fuss wird ein ganzer Tag benötigt, um die Schutzhütte am Rande des Gletschers zu erreichen. Chrigel Maurer
advance.ch /advancedadventures
#3
Über dem Gletschermeer 46
Früh brechen sie von der Hütte auf, wollen mit dem ersten Licht hinausfliegen.
Gemeinsam fliegen, ohne jegliche Erwartungen. Patrick von Känel
Patrick fasziniert im Nachhinein vor allem die Tatsache, „dass wir problemlos und völlig unerwartet übers Finsteraarhorn hinausschiessen konnten, als wäre das etwas ganz Normales. Die ganze Konstellation, als Freunde ohne jegliche Erwartungen gemeinsam mit so etwas belohnt zu werden, das war schon etwas ganz Besonderes.“ Und Sepp: „Der Finsteraarhorn-Flug hat den Vorabend nochmals getoppt. Kaum zu glauben! Es waren mit Abstand meine zwei schönsten Flüge bisher. Ein Privileg, so etwas zu erleben. Einfach nur Genuss pur. Pure Freude.“
Spontanität – den Moment leben Das Fazit? „Die heutige Gesellschaft will zu jedem Zeitpunkt alles planen und im Griff haben. Spontan entscheiden, sich den Gegebenheiten anpassen ist aber viel wichtiger. Spontane Zufälle annehmen und geniessen“, so der Ratschlag von Chrigel. Aus einem vermeintlich gemütlichen Ab gleiter wird ein Flug der Superlative. Ein Erlebnis, das nicht geplant werden und einem keiner nehmen kann. Die veränderte Wettersituation genutzt und sich spontan angepasst. Weg vom geplanten, vermeintlich sicheren und hin zum Abenteuer. Zum
Abenteuer direkt hinter der Haustüre, inmitten der Schweizer Viertausender-Giganten. Einsam und unglaublich beein druckend. Chrigel erinnert sich an ähnliche Situatio nen während seiner sechs X-Alps-Teilnah men: „Es gibt Situationen, bei denen du nicht verstehst, was los ist. Aber wenn es steigt, dann steig. Überleg nicht lange, ob es Thermikfliegen oder Soaren ist. Passe dich der Situation an und versuche nicht, die Situation dir anzupassen.“
About Chrigel Maurer Eine Woche nach dem Überflug des Finsteraarhorns hat der Adler von Adelboden an den X-Alps mit seiner Landung auf dem Titlis den Grundstein für den 6. Sieg in Serie gelegt. Mit dieser spektakulären Aktion hat er einmal mehr sein Gespür für alpines Fliegen unter Beweis gestellt. Patrick von Känel Der Frutigtaler ist gelernter Forstwart und arbeitet als Testpilot bei ADVANCE. Zudem ist er
Erhaben gleiten die Omega X-Alps über der weissen Landschaft.
erfolgreicher Wettkampf- und StreckenÜber dem Gletschermeer
flugpilot. Patrick hat 2019 als jüngster Teilnehmer die X-Alps bestritten. Mit seiner Ankunft im Ziel in Monaco als 8. hat er sich einen Traum erfüllt. Sepp Inniger Sepp ist ambitionierter Bergsteiger und Gleitschirmpilot. Am X-Alps 2019 war er Supporter von Patrick von Känel. Nur wenige Wochen
47
später stand er gemeinsam mit ihm und mit Chrigel Maurer auf dem Podest der Eiger-Challenge in Grindelwald.
Film youtu.be/0yVChUVF0qk
Pünktlich zum zweiten Frühstück landen Chrigel, Sepp und Patrick.
Equipment
OMEGA XALPS 3
LIGHTNESS XALPS 2019
Passe dich der Situation an und versuche nicht, die Situation dir anzupassen. Chrigel Maurer
advance.ch /advancedadventures
#3
Träume wie Haselnüsse 48
Tom und Mikael fliegen an Orten, an denen noch kein Mensch geflogen ist.
#norway #volbiv #crosscountry
49
Träume wie Haselnüsse
Träume wie Haselnüsse Ein Biwakabenteuer durch die norwegische Wildnis
Eichhörnchen horten Haselnüsse und holen sie im richtigen Moment aus ihrem Versteck. Genau so war es mit Tom Salamonsens Traum vom Biwakfliegen in Norwegen. Er war im Kopf, die Tour bereits geplant. Was fehlte, war nur noch der richtige Augenblick. Im Juli sollte es soweit sein. Tom holte seine Haselnuss aus dem Versteck und verwirklichte gemeinsam mit Mikael Benjamin Ulstrup seinen Traum vom Flug durch den norwegischen Femundsmarka Nationalpark.
advance.ch /advancedadventures
#3
Träume wie Haselnüsse 50
Über dem Femundsmarka Nationalpark erfüllt sich Tom den Traum vom Biwakfliegen in der abgeschiedenen Wildnis.
Träume wie Haselnßsse 51
advance.ch /advancedadventures
#3
Dieses Gefühl, wenn ein lang gehegter Traum Wirklichkeit wird. Unbeschreiblich.
52
Träume wie Haselnüsse
Tom Salamonsen
„Wir hatten einen sehr heissen Sommer, stabile Schichtungen und viel Wind“, erinnerte Tom sich. Die thermisch fliegbaren Orte waren rar. Für Trysil, einem kleinen Dorf in der Nähe des FemundsmarkaNationalparks, schien die Prognose jedoch vielversprechend. Fast mystisch liegt es im Südosten Norwegens, umgeben von mächtigen Wäldern. Ein Ort am Rande der Welt. Bären sind keine Seltenheit, Rentiere und Elche die Regel. Aufdrehen und wegfliegen ist mühsam. Zurücktrampen ein Alptraum. Wer hier auf Strecke gehen will, muss sich seiner Sache sicher sein. Die zwei Norweger wollten es wissen, entschieden sich, fernab der Zivilisation, ihr Biwakabenteuer zu beginnen. Sie legten ihre Schirme aus. Einer nach dem anderen hoben sie ab. Schwebten vom Trysilfjellet, dem Startplatz gleich neben der Ortschaft Trysil, hinein ins Abenteuer.
Mitten im Nirgendwo Kreis um Kreis schraubten sich die zwei Omega X-Alps 3 in den Himmel. Je höher sie kamen, desto weitläufiger wurde die Wildnis unter ihnen, die Abgeschiedenheit immer spürbarer. „Wir flogen gemeinsam, waren begeistert von der Aussicht. Die Freiheit, die einem ein Gleitschirm gibt, ist unbeschreiblich“, schwärmte Tom. Entlang einer Wolkenstrasse kämpften sie sich in Richtung Norden, bis nach Stunden endlich der Biwakplatz in Sichtweite kam. In einer Gegend, die kaum Menschen zu Gesicht bekommt – mitten im Nirgendwo. Die Zwei landeten in einem Mosaik aus Moos von dezentem Grün, in sattem Braun, bis zu tiefem Blau. Einer Landschaft von solcher Schönheit, dass es in Worte kaum zu fassen ist. „Ein Farbenmeer hiess uns willkommen, deutlich spürten wir die Wärme der Sonne. Südöstlich von uns lag der Femunden-See – in seinem ruhigen und klaren Wasser spiegelte sich die Landschaft wider“, erinnerte sich Tom. Mit jeder Minute, die verging, wurde es ein wenig kälter, bis schliesslich der gelb glühende Ball hinter dem Horizont verschwand.
Die Leichtigkeit des Moments Natürlich wären sie gerne länger geblieben, hätten die Wildnis, die wundervolle Stille an diesem Morgen weiter ausgekostet. Der Wind sollte jedoch im Tagesverlauf auffrischen. Zu hoch war das Risiko, nicht mehr starten zu können. Zu weit der Weg zur nächsten Strasse. Tom und Mikael brachen auf. Flogen weiter in Richtung Norden. Zeit spielte keine Rolle mehr, es zählte nur noch der Moment. In ihnen brannte das Verlangen, diese Wildnis mit der Leichtigkeit eines Gleitschirms weiter und weiter zu erkunden. Für immer in der Luft zu schweben.
About Mikael Benjamin Ulstrup und Tom Salamonsen begannen als Teenager mit dem Gleitschirmfliegen. Sie gehören zu den besten XC-Piloten Norwegens – haben zusammen
Rückkehr zur Erde Doch die Natur hatte andere Pläne. Während die zwei Männer den Was ser zulauf am Femunden-See, die nördliche Grenze des Nationalparks, überquerten, nahm der Wind kontinuierlich zu. Ähnlich wie bei einem schönen Traum, aus dem man widerwillig erwacht, zwang die Schwerkraft die beiden Piloten sanft zurück auf die Erde. Tom und Mikael blickten sich an, erfüllt von vollkommener Zufriedenheit. Ob das Eichhörnchen nach seiner Nuss Ähnliches verspürt?
10-mal die norwegische XC-Liga gewonnen und einige norwegische Rekorde aufgestellt. Mittlerweile sind die beiden bevorzugt mit Vol-Biv-Equipment in unbekannten Geländen unterwegs. Immer auf der Suche nach einem Abenteuer.
Film vimeo.com /353141763 Equipment
OMEGA X ALPS 3
LIGHTNESS 3
Träume wie Haselnüsse 53
Die Zwei haben sich diesen wunderschönen Biwakplatz im Vorfeld ausgesucht.
Tom und Mikael laufen nach ihrer Landung auf einen Hügel – dem Startplatz für den nächsten Tag.
advance.ch /advancedadventures
#3
Es gibt wenige Berge, die einen so markanten Kontrast bilden wie der Elbrus es tut.
54
Auszeit
#elbrus #climbandfly #topofeurope
Auszeit Climb& Fly zwischen beruflichen Verpflichtungen Es lässt sich darüber streiten, ob der im Kaukasus liegende Elbrus mit 5.642 m nun der höchste Gipfel Europas ist oder nicht. Fakt ist, dass der erloschene Vulkan aus zwei Gipfeln besteht – dem Westgipfel und dem Ostgipfel. Thomas Lämmle war schon oft als Guide am Elbrus. Zwischen seinen beruflichen Verpflichtungen am Berg gelangen ihm Starts von beiden Gipfeln. Dies weckte Hunger auf mehr beim erfahrenen Höhenbergsteiger.
reichsten deutschen Höhenbergsteigern, u.a. bestieg er zehn 8.000er ohne Zusatzsauerstoff. Seine Leidenschaft für das Gleitschirmfliegen entdeckte er vor über 30 Jahren. Besonders die Kombination von Höhenbergsteigen und Fliegen fasziniert ihn. Für 2020 plant er ein climb&fly im Himalaya.
Equipment
PI 2
EASINESS
Startklar: Fliegend zurück zum Basecamp.
Lust auf mehr September 2019. Thomas war aufgrund einer weiteren Führungstour am höchsten Gipfel Afrikas, dem Kilimanjaro ( 5.895 m ). Wieder gelang es ihm, sich zwischen den beruflichen Verpflichtungen eine Auszeit zu nehmen und einen Flug vom Gipfel zu realisieren. Zwei verschiedene Seven Summits innerhalb weniger Monate mit dem Gleitschirm. Welcher Gipfel wohl als nächstes kommt? „Von einem 8.000er zu fliegen, das wäre der Wahnsinn! Mal schauen, was die Zukunft bringt“, erzählte der begeisterte Höhenbergsteiger.
Im Doppelpack Juli 2019. Thomas war wieder beruflich im Kaukasus. Er hatte noch eine Rechnung offen: einen Flug vom Westgipfel. Er startete früh, wollte mit den ersten Sonnenstrahlen am Gipfel sein. Der Aufstieg war mühsam. Je weiter er nach oben kam, desto dünner wurde die Luft. Das Atmen fiel ihm schwer. Noch pfiff der Wind um Thomas Ohren. Ob das am Westgipfel anders sein wird? Als er oben ankam, herrschte schwacher SOWind. „Als ich realisierte, dass ich starten kann, breitete sich ein breites Lächeln über meinem Gesicht aus“, schwärmte Thomas strahlend. Hier oben, auf 5.642 Meter, dauert es, bis man abhebt und in der Luft ist.
Auszeit
Thomas Lämmle zählt zu den erfolg-
Er musste sehr schnell rennen. Langsam schwebte er das Tal hinaus, sah seine Auf stiegsroute von oben – vor nicht einmal zwei Stunden war er dort unten. Sein Blick schweifte ab, in die Ferne, zum Base-camp auf 2.500 Metern. Keine 30 Minuten nach dem Gleitschirmstart kam er heil dort an.
55
About
Juni 2019. „Ich war als Guide mit einer Gruppe unterwegs. Wir sind erfolgreich über die Nordseite auf den Gipfel gestiegen, haben weniger Zeit gebraucht als ursprünglich geplant. Am Ende blieb sogar noch der Reservetag übrig. Den habe ich genutzt und bin nochmal allein vom Basecamp auf 2.500 Metern in einem Push auf den Ostgipfel des Elbrus. So konnte ich mein persönliches Abenteuer umsetzen“, berichtete Thomas. Es war morgens kurz vor sechs Uhr, als er den Ostgipfel erneut erreichte. Die Sonne war gerade aufgegangen, gab die erste Wärme des Tages ab. Schön war es hier oben, mutterseelenallein. Dennoch, Thomas hielt sich nicht zulange auf, legte seinen Schirm aus und startete. Kurze Zeit später landete er am Ausgangspunkt. Der Kontrast könnte nicht grösser sein. Eben noch auf dem schneeweissen Gipfel und jetzt im saftigen, grünen Gras.
Allein am Gipfel bei perfektem Wind.
advance.ch /advancedadventures
#3
56
Die vergessene Küste
#newzealand #explore #roadtrip
Die vergessene Küste Eine Entdeckungsreise durch Neuseeland
Als Captain James Cook 1769 in Neuseeland anlandete, verstand er im Vogelgeschrei sein eigenes Wort nicht mehr. Seitdem gilt Neuseeland als die „Vogelinsel“. Mit Gleitschirmen machen Felix Wölk und Roman Berner einen Roadtrip an die Pazifikküsten der südlichen Hemisphäre, lernen das Element Luft von der stürmischen Seite kennen. Felix erzählt.
Die vergessene KĂźste 57 Die Te Waewae Bay - ein verlassener KĂźstenabschnitt in Neuseeland.
advance.ch /advancedadventures
#3
Die vergessene Küste 58
Sandy Mount – direkt über dem Meer geht es in die Luft.
Die vergessene KĂźste 59
advance.ch /advancedadventures
#3
Die vergessene Küste 60
Wenn man in der Luft ist, erfüllt sich in Neuseeland der Fliegertraum.
Der Nabelpunkt des Lebens ist die Bar der verlassenen Ortschaft Orepuki. Hier dreht sich die entschleunigte Welt um einen kleinen Fernseher, einen Billardtisch und den Zapfhahn. Felix Wölk
Still, in sich gekehrt blickt Alexander Tups über die triefenden Dächer von Dunedin. Seine Augen funkeln. Der Hobbyme teorologe weiss, dass kein Tief auf der Südinsel von langer Dauer ist. „Morgen geht Te Waewae Bay, ihr müsst heute los“, liest er aus dem Wolkenbruch über der Halbinsel von Otago. Alexander, selbst Pilot, bescherte uns im rauen Klima Südneuseelands vor zwei Tagen den ersten Flug in dieser Region. Eine stürmische Strömung staute sich an der Westseite der bis zu 3.800 Meter hohen neuseeländischen Alpen. An der Ostküste hatte sie in einem riesigen Leewirbel auf Nordost gedreht – ein enormes Kehr wasser der Lüfte entstand. Unterstützt durch die thermische Seebrise bildete sie am „Sandy Mount“ einen strammen Aufwind. Wir rangen dem Land drei fantastische Flugstunden über einer malerischen Inselwelt ab. Kurz danach entwurzelte ein Föhnsturm Bäume.
About Felix Wölk ist Gleitschirm- und Drachenflieger, Fallschirmspringer sowie Bergsportler der alten Schule. Seit zwei Jahrzehnten gehört er zu den renommiertesten Gleitschirmfotografen weltweit. Roman Berner ist in der Schweiz aufgewachsen und seit dem 18. Lebensjahr mit dem Gleitschirm unter wegs – immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Die Neuseeland reise wird ihm noch lange in Erinnerung bleiben.
Felix geniesst die Sonne beim Groundhandeln am Sandy Mount.
Im Windschatten des Strohballens In der Hoffnung auf einen Flug verbringen wir die Nacht im Kofferraum. Unser klappriger Blechhobel schaukelt im Wind wie eine Jolle auf hoher See. Als der Tag anbricht,
Die vergessene Küste
folgen wir stur der eisernen Fliegerregel: In schlechten Zeiten fertig machen, in guten Zeiten starten. Bei Windstärken von 50 km/h suchen wir eine Startmöglichkeit und werden fündig. Warten im Windschat ten eines Strohballens. Die antarktische Brise ist kalt und seltsam milchig. Wie ein eisiges Seidentuch umhüllt sie das Land, schluckt Farben und Kontraste.
61
Rau, wild, abgeschieden Die Scheibenwischer unseres Le gacy schau feln seit drei Stunden tapfer die Sicht frei. Unser Ziel ist die Te Waewae Bay an der äussersten Südküste Neusee lands. Sie wirkt wie das Ende der Welt. Nur noch wenige Farmer leben hier. Sie pflanzen Baumreihen zur Windbrechung, um die Schafherden zu schützen. Die massiven Nadelbäume wachsen unter lebenslanger Sturmlast in runden Bögen. Manche zersplittern und fallen im Kampf gegen die Naturgewalt wie Zinnsoldaten. Der Pazifik hat sich hier gierig in das Land gefressen. So entstand eine 15 Kilometer lange Klippe aus komprimiertem Sand. Ihre Form gleicht dem Abbruch eines kalbenden Gletschers. Die Te Waewae Bay ist wenig bekannt unter Gleitschirmfliegern. Zu windig, zu unbe rechenbar ist das Wetter dort, zu verlassen die angrenzende Ortschaft Orepuki. Eine fast vergessene Küste in der südlichen Hemisphäre.
Die Juwelen Neuseelands Es ist 2.30 Uhr nachmittags, als sich die Dichte der Schaumkronen auf der Meeres oberfläche verringert. Langsam dreht der Wind auf Südwest. Das Flugfenster, das sich offenbart, wirkt wie eine Perle, die jeder zeit zu Staub zerfallen kann. Wir starten und befinden uns in einem subantarktischen Luft spielplatz. Die Küs tenlinie der Te Waewae Bay trägt unsere Flügel kilometerweit, thermisch durchsetzt und weich wie Butter. Auf dem 46. Grad südlicher Breite reiten wir stundenlang die „Southerly Breeze“. Wir fühlen uns wie Vogelmenschen, frei, schwerelos und privilegiert. Ob die Vögel wohl die gleichen Glücksgefühle verspüren? James Cook jedenfalls musste sich 1769 ähnlich gefühlt haben wie wir jetzt.
Equipment
Das Flugfenster, das sich offenbarte, wirkte wie eine Perle. Wir genossen jeden Moment in der Luft. EPSILON 9
SUCCESS 4
Felix Wölk advance.ch /advancedadventures
#3
62
Tief im Kaukasus
#caucasus #volbiv #notasplanned
Tief im Kaukasus Biwakfliegen lässt sich nicht planen
Von der Grenzpolizei festgenommen, von Hirten verköstigt und vom Abwind gnadenlos erwischt: Wie wild, einsam und herausfordernd ein VolBiv-Abenteuer im Kaukasus sein kann, erfahren Robert Blum und Andi Egger. In Georgien kommen die zwei Allgäuer mehr als einmal an ihre Grenzen, stellen ihren ursprünglichen Plan aufgrund von Wetter und Wind immer wieder auf den Kopf. Und dies, obwohl sie alte VolBiv-Hasen sind und schon mehrmals ganz neue Routen in exotischen Ländern erstbeflogen haben.
Tief im Kaukasus 63 Die Landschaft im Kaukasus ist sehr abwechslungsreich, von grĂźnen Wiesen bis zu steilen Gletschern hat sie alles zu bieten.
advance.ch /advancedadventures
#3
Tief im Kaukasus 64
Die Ponchos gewähren perfekten Schutz vor dem kalten Nass.
Zu Fuss, mit Schirm und Zelt vom Schwar zen zum Kaspischen Meer, 1.500 Kilometer entlang des Kaukasus, das war Roberts Traum seit zehn Jahren. Die politisch unsichere Lage liess ein solches Vorhaben lange nicht zu. Deshalb meisterte Robert gemeinsam mit Andi in der Zwischenzeit andere VolBiv-Herausforderungen. Die beiden eröffneten spektakuläre Routen entlang des hohen Atlas in Marokko und beflogen den Himalaya. Nun wurde es Zeit, den Kaukasus-Plan nochmals aufzugreifen. „Im August 2019 kommen wir mitten in der Nacht in Kutaissi an. Ein netter Priester nimmt uns in den Morgenstunden mit in die Stadt. Der erste Kontakt mit Georgien und schon sind wir von der Hilfsbereitschaft der Leute begeistert. In einem unglaublich heis sen Bus geht‘s weiter nach Zagerie. Wie die Einheimischen sitzen wir auf Reissäcken. Zu Fuss steigen wir in der Mittagshitze zu einem Startplatz auf 2.000 Meter hoch und wollen das Biwakabenteuer beginnen. Die Schultern schmerzen, der Schweiss rinnt.“
In Russland geht offiziell gar nichts Die Vorbereitung war schwierig. Robert und Andi versuchten im Vorfeld Kontakte zu knüpfen, um eine Genehmigung für die russische Seite zu erhalten – leider erfolglos. Der ursprüngliche Plan, vom Schwarzen ans Kaspische Meer zu fliegen, war von russischer Seite nicht erlaubt. Sie mussten umplanen und entschlossen sich für einen kürzeren, 800 Kilometer langen Trip durch Georgien und Aserbaidschan. „Wir fliegen entlang der Fünftausender an unzähligen Gletschern vorbei. Die Land schaft ist extrem eindrucksvoll. Nach sechs Stunden Flugzeit haben wir 110 Kilometer geschafft. Leider ist das Wetter nicht auf unserer Seite. Immer wieder fallen Regentropfen und wir müssen Unterschlupf suchen. Zum Glück finden wir eine kleine Höhle.“
Planen, umplanen, neuplanen Immer wieder sitzen Robert und Andi wetterbedingt fest. Mehr als einmal reisen sie mit dem Bus zurück in die Hauptstadt Tiflis. Ihren Traum von einer West-Ost-Befliegung des Kaukasus mussten sie längst aufgeben. Sie planen um, wollen in der verbleibenden
Tief im Kaukasus 65
Andi und Robert nutzen ein kleines Wetterfenster, um in die Luft zu kommen.
Zeit so viel wie möglich im VolBiv-Modus Georgien bereisen. Daraus ergibt sich ein abwechslungsreicher Zickzack-Kurs durchs Land. So reisen sie per Anhalter nach Kachetien ganz im Osten und gelangen zu Fuss und in der Luft von den flachen Hügeln in die hohen Berge. „Als wir wieder in der Luft sind, steht die Sonne gut auf dem Westhang. Doch die Wolke über uns spricht nicht für diese Route. Der Abwind erwischt uns gnadenlos und wäscht uns 1.500 Höhenmeter hinun ter. Die Schlucht kommt immer näher, der Wald auch. Wir landen in einem felsigen Hang ein. Zum Glück sind wir beide Okay.“
Die Gastfreundschaft ist überwältigend; obwohl die Einheimischen selber nicht viel haben, wird alles geteilt.
Immer wieder fallen Regentropfen und wir müssen Unterschlupf suchen. Mal in einer kleinen Höhle, mal unter unserem Poncho. Die Zeit, die wir in der Luft verbringen, ist gering. Robert Blum advance.ch /advancedadventures
#3
Der Abwind erwischt uns gnadenlos und wäscht uns 1.500 Höhenmeter hinunter. Die Schlucht kommt immer näher, der Wald auch.
66
Tief im Kaukasus
Robert Blum
Autonom in der Wildnis Die beiden sind autonom unterwegs. Haben ihr Essen und Trinkwasser – bis zu 5 Liter pro Person und Tag – dabei. Schlafen meistens im Zelt, manchmal in Höhlen. Hin und wieder treffen sie auf Hirten und bekommen einmal mehr die überwältigende Gastfreundschaft zu spüren. Sie werden versorgt mit Käse, Gemüse, Eintopf und Schnaps und das, obwohl die Hirten selbst nicht viel haben. Wenn immer es fliegt, fliegen sie. Manchmal sind sie auch mehrere Tage am Stück zu Fuss unterwegs, denn es regnet oft. „Es kondensiert, wir gleiten los, ein lan ges Tal hinaus Richtung Norden, Richtung Russland. Immer wieder müssen wir durch dichte Wolken fliegen, mit dem Kompass im Whiteout Richtung halten. Plötzlich taucht eine Hütte auf. Andi landet als Erster, wird sofort von den Leuten dort an gehalten. Grenzpolizei. Sie wollen unse re Genehmigung sehen. Genehmigung? Haben wir nicht. Also erst mal Pässe weg, mitkommen. Nach zwei Stunden in der Hütte bekommen wir eine Genehmigung,
mit der wir uns eine Woche lang im Grenzgebiet zu Russland aufhalten dürfen. Glück gehabt.“
Ehrensache Wind und Wetter sind nicht planbar. Robert und Andi konnten die geplante Route von West nach Ost nicht in einem Stück absolvieren. Dafür war der Abenteuerfaktor auf ihrem Zickzack-Trip durch Georgien umso höher. Ehrensache, dass die beiden ihre nervenaufreibenden Erfahrungen einer anderen deutschen Expedition weitergegeben haben. Diese wollte praktisch gleichzeitig dasselbe Projekt in Angriff nehmen. Die Landsleute konnten schliesslich mit mehr Wetterglück einen Teil von Roberts Traum verwirklichen. Allerdings – dank der Informationen von Robert und Andi – in der entgegengesetzten Richtung.
Beim Biwakfliegen weiss man nie, was als nächstes kommt. Hier war es ein breiter Fluss ohne Brücke.
Tief im Kaukasus
Robert und Andi fliegen über den Gletscher hinweg. Hier landen zu müssen, hätte ernsthafte Konsequenzen.
67
About Robert Blum war einer der ersten deutschen Piloten, konnte 2013 die deutsche Streckenflugmeisterschaft für sich entscheiden und hält den deutschen Rekord im FAI-Dreieck mit 287 km. Am liebsten reist er mit seinem Gleitschirm in ferne L änder auf der Suche nach Neuland. Andi Egger ist meistens mit seinem Hike&Fly- bzw. dem Biwak-Equipment anzutreffen. Seit fast 20 Jahren ist Gleitschirmfliegen fester Lebensbestandteil von ihm.
Film Blauer Himmel ist ein selten gesehener Gast während der Expedition: Umso mehr wird er genossen.
youtu.be/5KVoZsQGl9Y Equipment
XI
LIGHTNESS 3
advance.ch /advancedadventures
#3
68
Impressum
Impressum
Herausgeber: ADVANCE Thun AG, Uttigenstrasse 87, 3600 Thun, Schweiz Idee & Konzept: Simon Campiche Redaktion: Raphaela Haug Layout: Bänz Erb Renderings: Mark Oertig Koordination: Tobias Rusterholz Lektorat: Hanspeter Haddenbruch, Stefan Gutmann Titelbild: Martin Beaujouan Get inspired | Foto: Tobi Dimmler Alle oder nicht | Text: Martin Beaujouan, Edith Rayner | Fotos: Martin Beaujouan Into the Eclipse | Text: Edith Rayner | Bilder: Alfred Jürgen Westermeyer Unmögliches möglich machen | Text: Raphaela Haug | Bilder: Aaron Durogati Chasing 100 Miles | Text: Edith Rayner | Bilder: Nick Greece, Cedar Wright Jurrasic Coastline | Text: Raphaela Haug | Bilder: Adi Geisegger Königlich schweben | Text: Raphaela Haug | Bilder: Sesi Mackrodth, Raphaela Haug Faszinierendes Lichtspiel | Text: Raphaela Haug | Bilder: Tobi Dimmler Über dem Gletschermeer | Text: Bruno Petroni, Raphaela Haug | Bilder: Sepp Inniger Träume wie Haselnüsse | Text: Tom Salamonsen, Raphaela Haug Bilder: Tom Salamonsen, Mikael Benjamin Ulstrup Auszeit | Text: Raphaela Haug | Bilder: Thomas Lämmle Vergessene Küste | Text: Felix Wölk, Raphaela Haug | Bilder: Felix Wölk Tief im Kaukasus | Text: Edith Rayner, Simon Campiche | Bilder: Robert Blum, Andi Egger Frühling 2020 © ADVANCE
advance.ch /advancedadventures
#2 #3
advance.ch /advancedadventures