… denn das Gute liegt so nah? Tourismus und Migration

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… denn das Gute liegt so nah? In vielen Ländern des Südens entwickeln sich immer größere kaufkräftige und reisefreudige Mittelschichten. Gleichzeitig lockt das Image vom „reichen Norden“ auch immer mehr Migrant/innen. Wie damit umgehen? Anregungen von Marcus Bauer Die Aussicht auf den unmittelbaren und persönlichen Zugang zur Entdeckung und zum Genuss der Ressourcen des Planeten ist ein Recht, das allen Bewohnern der Welt in gleicher Weise offen steht; die zunehmend extensive Beteiligung am nationalen und internationalen Tourismus sollte als eine der bestmöglichen Formen der Nutzung der ständig zunehmenden Freizeit angesehen und es sollten ihr keine Hindernisse in den Weg gelegt werden; UNWTO – The Global Code of Ethics for Tourism – Artikel 7: Das Recht auf Tourismus

m Januar 2007 verkündete die Welttourismusorganisation UNWTO erneut einen Rekord. 842 Millionen internationale Touristenankünfte waren im vorangegangenen Jahr zu verzeichnen. Der Löwenanteil der Reiseströme geht von den Ländern der industrialisierten Staaten im Norden aus. Die so genannten Entwicklungsländer des Südens gewinnen als Zielgebiete der Reisen an Bedeutung.

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Falls man sich als Reisende/r in der Ferne nicht nur der Muße an diversen Stränden hingibt, sondern jenseits von abgeschotteten „All-inclusiveGhettos“ mit Einheimischen in Kontakt kommt, ergeben sich oft Fragen wie „Woher kommst du?“, „Wie lange bist du schon unterwegs?“, „Wie lange dauert der Flug von Europa hierher?“ und weiterführend: „Wieviel kostet ein Flugticket?“ oder „Kann ich dich einmal in Europa besuchen kommen?“, was oft zu einer gewissen Erklärungsnot führt. Das Flugticket allein hat oft mehr gekostet als ein lokales Jahresge-

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halt in Ländern des Südens. Die Einreisebestimmungen der Industriestaaten erschweren den Gegenbesuch. Dennoch: Wer genug Geld und Muße hat, die Welt zu bereisen (oft ausgestattet mit teurer Trekking-Bekleidung, GPS und anderem Equipment, das von weniger Wohlhabenden als „teurer Luxus“ gedeutet werden kann), prägt so in den Ländern des Südens das Bild vom „goldenen Westen“, ebenso wie diverse internationale TV-Serien, Modemagazine und Werbeplakate. Folglich wird der „goldene Westen“ oder auch „der reiche Norden“ zur Traumdestination derer, die nach monatelangen Irrwegen ein Ruderboot besteigen oder über Grenzzäune klettern.

Reisemotive von Tourist/innen und Migrant/innen Die Motive der Migrant/innen und Tourist/innen, eine Reise anzutreten, ähneln sich bei genauerer Betrachtung auf erstaunliche Weise: Weg von einem Leben, das (vermeint-

lich) wenig Entwicklungschancen bietet, hin zu Abenteuer, Exotik und neuen Erfahrungen. Einzig die Antriebskraft ist eine andere: In den Industriestaaten ist man oft des Überflusses und auch des stressreichen Arbeitsalltags überdrüssig und sucht in der Ferne das einfachere, entspannte Leben – mit all den dazugehörenden kulturellen, sozialen, landschaftlichen und architektonischen Reichtümern. In den ökonomisch weniger entwickelten Gebieten ist man dagegen das „einfache Leben“ mit seinen alltäglichen Einschränkungen leid und sehnt sich nach den Annehmlichkeiten und Perspektiven, die „der Norden“ (angeblich) bietet. Beide Ansätze romantisieren jeweils die Ferne, und das Gute scheint sowohl für Tourist/innen als auch Migrant/innen selten nah zu liegen.

lichen Industriestaaten als begehrte, devisenkräftige Zielgruppe meist keine Schwierigkeiten haben, Visa für Urlaubsreisen in Länder des Südens zu erhalten oder gar von Visapflicht befreit sind, zeigt die EU Reisenden aus anderen Weltregionen ein anderes Gesicht: Die EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere die Schengen-Länder, versuchen sich durch strenge Visavorschriften vor unerwünschten Einreisen aus ökonomisch schwächeren Staaten zu „schützen“. Die Bewohner/innen dieser Staaten werden unter den Generalverdacht gestellt, Möchtegern-EUEinwanderer oder Einwanderinnen zu sein. Durch schärfere Kontrollen an den Außengrenzen vermitteln die EUStaaten aber auch – quasi als Begleiteffekt – den Reiz des Besonderen.

„...in der festen Überzeugung, dass der Tourismus durch die direkten und spontanen Kontakte, die er zwischen Männern und Frauen verschiedener Kulturen und Lebensweisen vermittelt und die nicht nur aus den Medien bezogene Eindrücke sind, eine entscheidende Kraft für den Frieden und ein Faktor der Freundschaft und Verständigung zwischen den Völkern der Welt ist;“ UNWTO – The Global Code of Ethics for Tourism (Präambel)

Die internationalen Grenzen werden durch den stetig wachsenden Reiseverkehr immer durchlässiger, allerdings idealtypisch als semipermeable Membran. Während Reisende aus den westlichen bzw. nörd-

Tourismus – keine Einbahnstraße Ein schwieriger, wenn nicht unmöglicher Balanceakt: „Man kann nicht die Grenzen öffnen für den Warenverkehr, die


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