Tiger-Tourismus in Indien: Wirksamer Schutz vor der Ausrottung?

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Foto: Martin Harvey, WWF Canon

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Tiger sind die einzigen Katzen, die gern schwimmen

Tiger-Tourismus in Indien: Wirksamer Schutz vor der Ausrottung? Kann das verstärkte Interesse von Touristen/innen den bengalischen Tiger vor der Ausrottung bewahren? Von Marcus Bauer

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er Königstiger hat schon bessere Zeiten erlebt. Laut der letzten amtlichen Erhebung gibt es in Indien noch knapp über 1.400 Exemplare. Zehntausende sollen es noch vor einem Jahrhundert gewesen sein. Der Tiger war so gegenwärtig, dass er als Symbol von Würde, Ausdauer und enormer Stärke zum Nationaltier von Indien ernannt wurde. Beliebt war er vor allem bei den Reichen und Mächtigen, für die die Trophäenjagd ein beliebtes Freizeitvergnügen darstellte. Von den „einfachen Leuten“ in den indischen Dörfern wurde der Tiger als Nachbar respektiert und verehrt, aber auch gemieden und gefürchtet. Eine Begegnung zwischen Menschen und der Großkatze hatte jedenfalls in den meisten Fällen einen tödlichen Ausgang – für die eine oder die andere Seite. Die Jagd auf den Tiger ist mittlerweile international geächtet. Die Spezies steht auf der Liste der bedrohten Arten, und der Handel mit Tiger-Teilen wie Fell oder Zähnen ist verboten. Viele der einstigen Jagdgebiete wurden

zu Schutzreservaten erklärt, um dem schrumpfenden Bestand an Wildtieren einen Rückzugsort in ihrer natürlichen Umgebung zu erhalten.

29 Reservate In Indien wurde die Rettung des Tigers 1973 durch die Errichtung des „Project Tiger“ auf höchster staatlicher Ebene angesiedelt, um eine existenzfähige Tigerpopulation für wissenschaftliche, wirtschaftliche, ästhetische, kulturelle und ökologische Zwecke sicherzustellen. Weiterhin sollten für alle Zeiten Gebiete von biologischer Bedeutung als Naturerbe zum Nutzen, zur Bildung und zur Freude der Menschen bewahrt bleiben. 2006 umfassten die 29 Tiger-Reservate Indiens eine Fläche von 38.620 Quadratkilometern – etwas mehr als ein Prozent der Gesamtfläche Indiens (und etwa 90 Prozent der Fläche der Schweiz oder der Niederlande). Und im Januar 2008 wurde gemeldet, dass für den Tigerschutz bis 2013 sechs Milliarden Indische Rupien aufgewendet werden sollen. Trotz dieser beachtlichen

Maßnahmen stellen die rasante wirtschaftliche Entwicklung des Landes, der explosionsartige Bevölkerungszuwachs und soziale Disparitäten Herausforderungen für einen effektiven Artenschutz dar. Während sich eine steigende Anzahl von indischen Bürgern/innen aus der städtischen Mittelschicht einen Freizeitbesuch in einem Tiger-Reservat leisten kann, sind immer noch viele Menschen auf die natürlichen Ressourcen in den Schutzgebieten als Lebensgrundlage angewiesen.

Tourismus hat Ausgleichsfunktion In dieser Situation verspricht man sich vom Tourismus eine Ausgleichsfunktion. Von Besuchern/innen eingenommenes Geld soll das Parkmanagement beim Naturschutz unterstützen und den Anwohnern/innen des Parks zu alternativen Einkommen verhelfen. Durch so genannte „Eco-Development Commitees“ wird in den Dörfern im Umfeld des Parks die Bevölkerung ausgebildet und gefördert. Anwoh-


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ner/innen arbeiten als Gästeführer/ innen, Jeep-oder Boot-Fahrer oder als Elefantenführer. Sie halten die Wege innerhalb der Parks frei, patrollieren die Außengrenzen der Schutzgebiete, produzieren Kunsthandwerksprodukte und / oder bieten Lebensmittel und Verpflegung an. Für ihre Tätigkeiten erhalten sie eine Vergütung – entweder von der Parkverwaltung oder direkt aus dem Verkauf – und profitieren so von ihrer Umwelt, ohne sie zu schädigen. Mit wachsender Intensität zieht der Tourismus vor allem im Beherbergungsgewerbe auch Kapital und Interesse von außerhalb des originären Einflussbereiches an. Nun gilt es, diese arbeitsintensiven Betriebe in die Regionalentwicklungsmaßnahmen einzubinden, damit der Tourismus auch in größerem Maßstab seiner Verteil- und Ausgleichsfunktion gerecht wird und damit als Mittel des Naturschutzes wirksam werden kann.

Travel Operators for Tigers: Touristiker/innen mit Verantwortung Diesem Gedanken fühlen sich die „Travel Operators for Tigers“ (TOFT) verpflichtet, ein Zusammenschluss von Reiseveranstaltern und Beherbergungsbetrieben mit engen Verbindungen zu Indien. Für sie stellt der Schutz des bengalischen Königstigers und seiner natürlichen Umgebung auch ein wirtschaftliches Interesse dar. Die relative Wahrscheinlichkeit, in den Schutzgebieten Wildtiere zu sichten sowie der regelmäßige und problemlose Zugang zu den Parks sind in ihrem Fall ökonomisch relevante Faktoren. Und da mit höherem Standard im Beherbergungssektor auch die Investitionsdauer steigt und teilweise mehrere Jahrzehnte umfasst, ist die nachhaltige Nutzung der Schutzgebiete hier eine betriebswirtschaftliche Basiskompomente. Das Engagement von TOFT konzen-

triert sich momentan auf sechs Parks. Diese Schutzgebiete liegen entlang der touristischen Routen im Zentrum Nordindiens. Ein Großteil des indischen Tiger-Tourismus findet hier statt, die Reservate sind integraler Bestandteil vieler Rundreisen. Als Interessenvertretung übt TOFT durch Medien-, Kampagnen- und LobbyArbeit Einfluss auf die öffentliche und politische Wahrnehmung aus. Der Dachverband fordert und unterstützt verantwortungsvollen Tiger- und Natur-Tourismus. So werden mithilfe eines Zertifizierungs-Systems, PUG

Rating genannt, teilnehmende Betriebe hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, ihres Respekts für die Umwelt – innerhalb und außerhalb des Betriebes – und ihrer sozialen Verantwortung klassifiziert. Bisher beschränkt sich die Zertifizierung auf Beherbergungsbetriebe. Das Rating wird als Instrument verstanden, das es Besucher/innen und Geschäftspartnern/innen ermöglicht, die Nachhaltigkeit touristischer Leistungen in ihre Buchungsentscheidung einfließen zu lassen. Umgekehrt bietet es touristischen Leistungsträgern einen Anreiz, sich verstärkt mit


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Tiere und Tourismus

den drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung auseinander zu setzen und ihr Engagement auch nach außen möglichst gewinnbringend zu kommunizieren.

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Große Herausforderungen durch Gesellschaftsentwicklung Durch die große Dynamik auf dem Subkontinent ist der Schutz und damit der dauerhafte Erhalt des Nationaltieres vor große Herausforderungen gestellt: Wirtschaftlicher Aufschwung verbunden mit dem Ausbau von Infrastruktur; eine rasant wachsende Bevölkerung, die sich innerhalb der letzten 50 Jahre verdreifacht hat und weiter rapide anwächst; ein geringer Entwicklungsstand der besonders in ländlichen Gebieten meist nach wie vor eine alternativlose Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen bewirkt, um nur einige wichtige Faktoren zu nennen. Der Tiger ist keine Schmusekatze: Es gilt ein Neben- und Miteinander von Mensch und gefährlichem Raubtier zu ermöglichen. Das ist keine einfache Aufgabe in einem Land, in dem viele Menschen vor unmittelbareren Problemen stehen als dem Artenerhalt.

Tourismus – wertvolles Instrument für den Artenschutz? Wenn verantwortungsbewusster Tourismus glaubhaft, nachweislich und dauerhaft eine Brücke schlagen kann zwischen dem Selbsterhaltungstrieb von Menschen in der Nachbarschaft von Schutzgebieten und dem dauerhaften Schutz dieser Ökosysteme, dann ist er ein wertvolles Instrument für den Artenschutz. Diese Ansprüche an den Tiger-Tourismus sind allerdings nicht leicht zu erfüllen: Längst nicht alle Anbieter von Tiger-Touren

Junger Tiger: Blick in eine ungewisse Zukunft

stellen kurzfristigen Profit zugunsten einer langfristigen Schutzstrategie zurück. Nicht alle Leistungsträger sind dazu fähig, den Touristen/innen ein unvergessliches Erlebnis in einem Reservat zu bieten, auch wenn bei einer Tour kein Tiger entdeckt werden kann, was vorkommt! Und nicht alle Touristen/innen haben die Kraft, eine solche „Enttäuschung“ wegzustecken. Eines steht fest: Der Tiger ist ein Aushängeschild des indischen Tourismus. Die aktive Einbindung des Tourismus in den Tigerschutz hat zumindest das Potenzial, dem bengalischen Tiger das Schicksal seiner balinesischen, javanesischen und kaspischen Artgenossen zu ersparen – diese Arten sind bereits ausgestorben beziehungsweise konnten der Bejagung und dem Konkurrenzdruck durch die menschliche Besiedlung nicht standhalten. Dazu ist allerdings aktives Engagement der Touristiker/innen für den langfristigen Schutz ihrer Ressourcen, in dem Fall der Tiger und ihrer Lebensräume, Voraussetzung. Denn falls die Begegnung Tiger – Tourismus für

eine Seite schlecht ausgeht sollte, dann vermutlich nicht in erster Linie für den Tourismus …

Autor Marcus Bauer ist freiberuflicher Tourismus-Berater und Journalist mit Schwerpunkt Südasien. Seit 2005 über die indische Organisation Help Tourism am Aufbau und der Entwicklung mehrerer Tourismus-Projekte und Destinationen beteiligt. Er ist Absolvent des Masterstudienganges „Nachhaltiges Tourismusmanagement“ an der Fachhochschule Eberswalde. u

Kontakt marcus@agricolus.de u

u Mehr Informationen: Travel Operators for Tigers: http://www.toftigers.org/ Project Tiger Official Website: http://projecttiger.nic.in/ Wildlife Protection Society of India WPSI: http://www.wpsi-india.org/wpsi/ index.php


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