SV-Genderreport 2016

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Eine Erhebung zum Geschlechterverhältnis in der österreichischen Schüler_innenvertretung.

Schuljahr 2015/2016


Impressum

Medieninhaberin, Herausgeberin, Verlegerin: Aktion kritischer Schüler_innen Bundesorganisation | Chefinnenredaktion: Janina Hellwagner | Layout: Alexander Hoor | Redaktion: AKS Bundesorganisation | Quellen: SV-Genderreport der AKS, Statistik Austria, Frauenbericht 2012 des Bundesministeriums für Frauen und Öffentlichen Dienst, Österreichisches Parlament | Aktion kritischer Schüler_innen, Amtshausgasse 4, 1050 Wien, Österreich | ZVR: 270200209 | DVR: 0763586

Wien, März 2016

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Vorwort

der Bundesministerin für Bildung und Frauen Liebe Leserinnen, liebe Leser, für mich als Frauenministerin ist es besonders wichtig, die Öffentlichkeit über Geschlechterunterschiede zu sensibilisieren. Der Genderreport über die Geschlechterverhältnisse in der österreichischen SchülerInnenvertretung leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Je mehr Gleichstellung in einem Land passiert, desto erfolgreicher ist das Land. Die Gleichstellung von Frauen und Männern bedeutet in vieler Hinsicht sowohl eine höhere Lebensqualität als auch mehr Entscheidungsfreiheit und Spielraum für die eigene Lebensgestaltung. Um gleichberechtigt handeln zu können ist es unerlässlich, dass Mädchen und junge Frauen in der SchülerInnenpolitik mitentscheiden und mitreden. Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass junge Frauen ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und somit auch die Schule zu einem gerechten Ort wird, wo junge Frauen und Mädchen die Möglichkeit haben ihre Ideen und Blickweisen gleichberechtigt zu verwirklichen und einfließen zu lassen. Der vorliegende Report ist notwendig, um die Ist-Situation darzustellen und um Strategien und Verbesserungen im Bereich SchülerInnenvertretung zu erkennen.

Foto: Astrid Knie

Eure,

Gabriele Heinisch-Hosek Frauen- und Bildungsministerin

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Vorwort

der Aktion kritischer Schüler_innen Dass Frauen in unserer Gesellschaft noch immer benachteiligt werden, belegen zahlreiche Studien und Statistiken. Im österreichischen Nationalrat sind von 183 Abgeordneten 56 weiblich, das sind 30,06 Prozent. Damit liegt Österreich weit unter dem europäischen Durchschnitt. Doch die Benachteiligung von Frauen beginnt nicht erst ab dieser Ebene, sondern schon viel früher. In der Sekundarstufe II gibt es in Österreich mehr Schülerinnen als Schüler, trotzdem spiegelt sich dies nicht in den Vertretungsorganen wider. Der SV-Genderreport soll das Geschlechterverhältnis in der österreichischen Schüler_ innenvertretung auf Schul-, Landes- und Bundesebene beleuchten und Lösungsansätze bieten. Diese Erhebung dient nicht dazu, Frauen in eine Opferrolle zu drängen, viel mehr sollen sie motiviert werden, sich in der Schüler_innenvertretung zu engagieren. Der SV-Genderreport soll zudem alle dazu anregen, über gesellschaftliche Rollenbilder und Vorurteile zu reflektieren und diese aufzubrechen. Es ist ein längst notwendiger Schritt, gleiche Ausgangschancen für alle zu schaffen. Die Schule muss dieser Aufgabe gerecht werden, also Ungleichgewichten entgegenwirken und ein gesellschaftliches Umdenken fördern. Je früher Menschen lernen, Gleichberechtigung zu leben, desto eher kann diese Realität werden.

Foto: AKS

Gerade daher muss Gleichberechtigung auch der Schule ein Anliegen sein. Aktuelle Machtverhält-nisse, nicht nur in der Politik, sondern auch an der eigenen Schule und der überschulischen Schü-ler_innenvertretung müssen offengelegt und hinterfragt werden.

Janina Hellwagner Frauen*sprecherin der AKS

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Einleitung ´ Die größte Berufsgruppe Österreichs wird bei den meisten Statistiken, in denen Geschlech-terverhältnisse analysiert oder erhoben werden, nicht genannt. In Österreich gibt es insgesamt 1,1 Millionen Schüler und Schülerinnen. Die Schüler_innenvertretung, kurz SV, stellt auf Schul-, Landes und Bundesebene wichtiges Sprachrohr für Schüler_innen dar. Dass Schule kein abgetrennter Raum der Gesellschaft ist und sich dort ebenso gesellschaftliche Ungleichheiten manifestieren und Stereotype genauso wie Vorurteile und Rollenbilder vorherrschen, zeigen die Parallelen zwischen der SV und anderen politischen Vertretungsgremien. Diese Strukturen werden im SV-Genderreport aufgezeigt. Dieser spiegelt die ungleichen Geschlechterverhältnisse in den Vertretungsgremien von Schüler_innen wider. Ziel des SV-Genderreport ist es einerseits, die unausgeglichenen Geschlechterverhältnisse als Missstände anzuerkennen und außerdem, die Ursachen für diese Verhältnisse zu beleuchten, Gründe für deren Struktur zu benennen und Lösungsansätze zu finden. Dieser Bericht zeigt die Anzahl biologisch männlicher und weiblicher Kandidat_innen zur Schulsprecher_innenwahl, sowie das Verhältnis von Männern und Frauen in der gewählten Schüler_innenvertretung. Diese Zahlen stehen in Relation zur Gesamtanzahlt der weiblichen und männlichen Schüler_innen der befragten Schulen.

Frauen ans Steuer!

Die Reproduktion von Rollenbildern durch Medien und Erziehung hat Auswirkungen auf alle Menschen und deren Wahrnehmung der Geschlechter. Unterschiedliche Eigenschaften und Rollen werden einander zugeschrieben, damit einhergehend auch die Vorstellung, wer in welchen Bereichen als kompetent wahrgenommen wird. Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Stärke, Ernsthaftigkeit und auch sogenannte Führungskompetenzen werden eher Männern zugeschrieben. Diese Rollenbilder haben starke Auswirkungen auf das Wahlverhalten bei der Schüler_ innenvertretungswahl. Es ist wichtig, Schüler und Schülerinnen anzuregen, gängige Stereotype und Rollenbilder zu hinterfragen und ein Bewusstsein für ungerechtfertigte und einschränkende Rollenzuschreibungen zu entwickeln. Denn dahingehende Sensibilisierungsarbeit kann als Maßnahme zur Änderung der momentanen Strukturen gesehen werden, und ungleichberechtigenden Tendenzen in der Schule sowie der Gesellschaft entgegenwirken.

Berufsschulen

Berufsschulen konnten aus organisatorischen Gründen nicht in die Erhebung miteinbezogen werden. Die Wahlmodi sowie die Struktur ließen es leider nicht zu, einen vollständigen Überblick zu erheben, der Schlüsse zulassen würde. Folglich wurde auf allen Vertretungsebenen, sowohl auf Schul-, als auch Landes und Bundesweit, nur die erhobenen Daten aus Allgemein bildenden höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) berücksichtigt und zur Analyse herangezogen.

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Ebenen der Schüler_innenvertretung Die Schüler_innenvertretung

Für Schülerinnen und Schüler stellt die Schule einen Lebensraum dar, in dem sie einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Es ist also unvermeidbar, Verbesserungen im Schulalltag zu ermöglichen, sodass die Schule zu einem Ort wird, in dem man die ohnehin vielen Stunden gerne und in angenehmer Atmosphäre verbringt. Doch die Interessen der Schüler_innen unterscheiden sich oftmals von denen der Lehrer_innen, der Verwaltung und der Eltern. Für schulspezifische Forderungen ist hier der Schulsprecher oder die Schulsprecherin gefragt, der_die die Interessen der gesamten Schüler_innenschaft vor den Eltern und den Lehrpersonen vertritt und durchsetzt. Im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) hat hier der_die Schulsprecher_in und seine beiden aktiven Stellvertreter_ innen die Möglichkeit dazu. Hier werden schulbezogene Anliegen zwischen Lehrpersonal, Eltern und Schüler_innen diskutiert und abgestimmt. Die Wahl der SV-Mitglieder, die die Schüler_innen im SGA vertreten, läuft von Schule zu Schule unterschiedlich ab. Es gibt Schulen, an denen kandidieren die Personen mit einem Hearing, in dem sie ihre Projekte vorstellen und ihre Motivation für das Amt erklären. An anderen Schulen wird wiederum nur die Möglichkeit gegeben, sich kurz vorzustellen. Zum Teil sind noch nicht einmal alle Schüler_innen einer Oberstufe wahlberechtigt, sondern nur die Klassensprecher_innen, obwohl dieser Umstand gegen die aktuelle Gesetzeslage verstößt. Doch egal, ob die SV-Wahl nach Gesetz abläuft oder nicht, die gewählte Vertretung wird in die landesweite Wähler_ innenevidenz eingetragen und hat dadurch das Recht, für die Landesschüler_innenvertretung zu kandidieren. Wählen darf diese jedoch nur der_die Schul-sprecher_in.

Überschulische Vertretung Landesschüler_innenvertretung (LSV) Jedes Bundesland hat eine Landesschüler_innenvertretung (LSV). Sie besteht aus drei Bereichen: Allgemein bildende höhere Schulen (AHS), Berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) und Berufsschulen (BS), wobei jeder Bereich aktiv – je nach Bundesland - vier bis acht Mitglieder hat. Die Aufgabe der LSV ist es zum einen, die Interessen der Schülerinnen und Schüler vor dem Landesschulrat zu vertreten und zum anderen, die einzelnen Schüler_innenvertretungen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die Wahl zur Landesschüler_innenvertretung erfolgt immer am Ende des Schuljahres. Kandidieren können alle Schüler_innen, die in jenem Schuljahr in der SV aktiv waren. Wählen können jedoch nur die amtierenden Schulsprecher_innen. Bundesschüler_innenvertretung (BSV) Die Bundesschüler_innenvertretung setzt sich aus den drei Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes und aus ein bis zwei Vertreter_innen der Zentrallehranstalten, die rechtlich keinem Landesschulrat, sondern direkt dem Bildungsministerium unterstellt sind, zusammen. Diese werden also nicht mehr eigens gewählt. Dadurch, dass es für die BSV keine direkten Wahlen gibt, wird das Geschlechterverhältnis der Bundesschüler_ innenvertretung erst nach den jeweiligen Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung sichtbar.

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Die insgesamt 29 Mitglieder wählen am Anfang des Schuljahres aus ihrem Kreis den_die Bundesschulsprecher_in und drei Bereichssprecher_innen (AHS-Bereich, BMHS-Bereich, BS-Bereich), die auch gleichzeitig die Stellvertreter_ innen des_der Bundesschulsprecher_in darstellen. Die Bundesschüler_innenvertretung hat vom Gesetz her vor allem die Aufgabe, die Interessen der Schüler_innen vor dem Bildungsministerium und der Öffentlichkeit zu vertreten. Mit engagierten Vertreter_innen ist es auch hier möglich innovative Projekte zu verwirklichen.

Grafik: AKS

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Überblick Es wurden 876 AHSen und BMHSen der Sekundarstufe II angefragt, 204 Schulen nahmen an der Erhebung teil. Diese umfassen 107.781 Schüler_innen. Durch die Erhebung der Kandidaturen, Geschlechterverhältnisse in der Schüler_innenvertretung und dem biologischen Geschlecht der Schulsprecher_innen, wurde ein Durchschnitt erfasst. Die Ergebnisse decken sich mit Erfahrungswerten, die durch jahrzehntelange Arbeit mit und in der österreichischen Schüler_innenvertreutng gesammelt wurden und machen die Zahlen zulässig. Anzahl der Frauen in Prozent

Anzahl der Männer in Prozent

Schüler_innen

54.984

51,01%

52.797

48,99%

Kandidiert

579

44,37%

726

55,63%

SV

182

45,50%

218

54,50%

2. Stv.

98

49,75%

99

50,25%

1. Stv.

84

41,38%

119

58,62%

Schulsprecher_in

72

35,47%

131

64,53%

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AHS Bereich (90) - Stichprobe: Anzahl der Frauen in Prozent

Anzahl der M채nner in Prozent

Sch체ler_innen

28.292

53,58%

24.513

46,42%

Kandidiert

219

38,15%

355

61,85%

SV

73

41,01%

105

58,99%

2. Stv.

42

47,73%

46

52,27%

1. Stv.

31

34,44%

59

65,56%

Schulsprecher_in

27

30,00%

63

70,00%

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BMHS Bereich (113) - Stichprobe: Anzahl der Frauen in Prozent

Anzahl der M채nner in Prozent

Sch체ler_innen

26.692

48,55%

28.284

51,45%

Kandidiert

360

49,25%

371

50,75%

SV

109

49,10%

113

50,90%

2. Stv.

56

51,38%

53

48,62%

1. Stv.

53

46,90%

60

53,10%

Schulsprecher_in

45

39,82%

68

60,18%

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Schüler_innenvertretung auf Landesebene

Schultyp

Frauen

Männer

Landesschulsprecher_in

AHS

3

5

weiblich

BMHS

5

3

weiblich

AHS

2

3

weiblich

BMHS

3

2

männlich

AHS

4

4

männlich

BMHS

4

4

männlich

AHS

5

3

weiblich

BMHS

5

3

männlich

AHS

3

5

männlich

BMHS

4

4

weiblich

AHS

3

1

weiblich

BMHS

1

3

männlich

AHS

2

4

männlich

BMHS

4

2

männlich

AHS

2

2

weiblich

BMHS

3

1

männlich

AHS

1

4

männlich

BMHS

2

3

männlich

Burgenland

Kärnten/Koroška

Wien

Niederösterreich

Oberösterreich

Salzburg

Tirol

Vorarlberg

Steiermark

Gesamt (Landesschulsprecher_innen) AHS

5

4

BMHS

2

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Anzahl der Frauen in Prozent Anzahl der M채nner in Prozent AHS LSV

25

44,64%

31

55,36%

BMHS LSV

31

55,36%

25

44,64%

LSV Gesamt (AHS, BMHS)

56

50,00%

56

50,00%

Landesschulsprecher_innen (AHS, BMHS)

7

38,89%

11

61,11%

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Interpretation der Ergebnisse Oft heißt es, dass Frauen einfach kein Interesse haben, wenn gefragt wird, warum der weibliche Anteil in Spitzenpositionen so gering ist. Auch in der schulischen Vertretung scheint diese Aussage auf den ersten Blick zu stimmen. Lediglich 35,47% der Schulsprecher_innen sind weiblich. Betrachtet man nur die Allgemein bildenden höheren Schulen liegt der Prozentsatz der Schulsprecherinnen sogar nur bei 30,00%. Fasst man jedoch die Anzahl an Kandidaturen von Schülerinnen zu den SV-Wahlen ins Auge, so erkennt man dass sich dieses Geschlechterverhältnis nicht auf einen Mangel an Interesse zurückführen lässt, sondern sich eher das Phänomen der gläsernen Decke zeigt. Die gläserne Decke bezeichnet in unserer Gesellschaft eine Struktur, die Frauen daran hindert hohe Positionen einzunehmen. Je höher die Position wird, desto weniger Frauen nehmen sie ein. So gibt es auch in der SV insgesamt um 15,76% weniger Frauen. Vergleicht man die Anzahl der biologisch weiblichen und männlichen Schulsprecher_ innen beträgt der Unterschied sogar 29,06%. Während die Führungsposition in der Schüler_innenvertretung der befragten Schulen 131 Mal Männer innehaben, gibt es hingegen nur 76 weibliche Schulsprecherinnen. Dieses Faktum kann als direkte Auswirkung fehlender Vorbilder für Frauen gesehen werden. Der Umstand, dass wenige Schülerinnen in die SV und noch weniger zur Schulsprecherin gewählt werden, kann als demotivierend und einschüchternd für andere Schülerinnen gesehen werden, weshalb sich diese die nötigen Kompetenzen nicht zutrauen, um eine Aufgabe als Vertreterin der Schüler_innen einzunehmen. Diagonal dazu gibt es einen Überhang an männlichen Vorbildern, die Schülern Mut machen und sie in ihrer ohnehin schon anerzogenen Rolle der Selbstbewussten noch mehr bestätigen. Vorbilder zu haben, die einem_r Mut machen, sind auf jeden Fall gutzuheißen und auch wichtig, allerdings muss es diese ausgeglichen für Schüler und Schülerinnen geben. Nur so kann unfairen Strukturen entgegengearbeitet werden. Hinzu kommt, dass Burschen aufgrund gesellschaftlicher Strukturen und Rollenbildern ohnehin schon mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen sowie Durchsetzungsvermögen anerzogen bekommen. Mädchen lernen hingehen still und brav zu sein, anstatt sich für ihre Meinungen stark zu machen. Daraus folgt, dass es für Frauen nicht nur tendenziell eine größere Hemmschwelle gibt, sich zur Wahl als Schulsprecherin aufstellen zu lassen, sondern Männern auch eher Führungskompetenzen zugesprochen werden. Oft wird es Frauen immer noch nicht zugetraut, eine leitende Funktion einzunehmen, und stattdessen wird der männliche Gegenkandidat Wahlsieger. Diese Unsicherheit seitens der Schülerinnen stellt einerseits einen hemmenden Faktor und gleichzeitig eine diskriminierende Struktur dar. Wie die Ergebnisse zeigen, gibt es die sogenannte gläserne Decke also bereits in der Schule.   Betrachtet man die Zahlen der Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden höheren und mittleren Schulen (BMHS) differenzierter, wird dieses Phänomen noch stärker sichtbar. Obwohl Frauen im AHS Bereich mit einem Anteil von 54% mehr als die Hälfte der Schüler_innen aufweisen, beträgt die Prozentzahl der Schulsprecherinnen lediglich 30%. Hingegen hat sich das Geschlechterverhältnis der Vertretung im AHS Bereich auf Landesebene deutlich gebessert. Bei den Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung ist es üblich, dass sich Teams zur Kandidatur zusammenfinden. Ob dabei auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung geachtet wird, ist vom jeweiligen Team abhängig. Hier entscheiden sich die wahlberechtigten Schüler_innen jedoch oft nicht mehr zwischen mehreren Kandidat_innen, sondern wählen in den meisten Fällen einen Teamvorschlag. Daher ist es hier umso wichtiger junge Frauen bewusst zu fördern und zu stärken. Die Dringlichkeit solcher Maßnahmen konnte der SV-Genderreport 2014/15 bereits aufzeigen. Die positive Verbesserung zeigt erneu die Notwendigkeit solch einer Analyse.

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Im BMHS Bereich ist die Anzahl aller Schülerinnen und Schüler nahezu ausgeglichen, doch sobald es zu Funktionen auf Vertretungsebene kommt, wird der Anteil an Frauen immer geringer. So beträgt die Anzahl weiblicher Schulsprecherinnen in Berufsbildenden höheren und mittleren Schulen nur noch 39,82%. Je höher die Vertretungsebene wird, desto weniger Frauen finden sich in den Vertretungsgremien wieder. So sind von den 9 Landesschulspecher_innen der verschiedenen Bundesländer nur 2 biologisch weiblich und 7 biologisch männlich. Dadurch, dass die Bundesschüler_innenvertretung (BSV) nicht eigens gewählt wird, sondern sich aus den Landesschulsprecher_innen zusammensetzt, sind Frauen im BMHS Bereich auch auf bundesweiter Ebene stark unterrepräsentiert. Auch der Bundesschulsprecher, welcher ebenfalls eine BMHS besucht, ist, wie bereits im Vorjahr, wieder männlich. Das unausgewogene Geschlechterverhältnis im BMHS Bereich legt den Verdacht nahe, dass besonders an Berufsbildenden Schulen noch weibliche Vorbilder fehlen. Nimmt man auf die verschiedenen Schulschwerpunkte Rücksicht, kommt zudem hinzu, dass vor allem an Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) Frauen in der Schüler_ innen kaum repräsentiert sind. Dies kann erneut auf gesellschaftliche Strukturen zurückgeführt werden, da die HTL häufig als hochwertiger angesehen wird und man hier wiederrum Männern eher Stärke zutraut.

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Frauen- und Mädchenförderung Der SV-Genderreport soll nicht nur eine Erhebung sein, die aufzeigt, dass es bereits im Bildungssektor zum Phänomen der gläsernen Decke kommt. Er soll außerdem dazu dienen, dass Ableitungen getroffen werden und Maßnahmen zur Frauen- und Mädchenförderung ergriffen werden. Anstatt gesellschaftliche Missstände zu reproduzieren, eignet sich der schulische Rahmen um diese kritisch zu hinterfragen. Daher ist die Bewusstseinsbildung direkt in der Schule ein wichtiger Prozess. Ein Ansatzpunkt sind die Schulbücher. Schülerinnen und Schüler werden von Schulbüchern geprägt, die wiederum die derzeitig gesellschaftliche Norm widerspiegeln. Hier werden oft Stereotypen reproduziert und gefestigt. Eine Auseinandersetzung mit Stereotypen in den Schulbüchern, reicht jedoch nicht aus. Es braucht ebenfalls eine weitere Sensibilisierung von Schulbuch-Autor_innen, Lehrpersonen und Schüler_innen. Ein nächster Schritt wäre, die reflexive Koedukation verstärkt anzuwenden. Geschlechtergetrennter Unterricht stellt ein Element dieser dar. Mit dem Modell der reflexiven Koedukation soll die koedukative Praxis weiterentwickelt und neu gestaltet werden. Ziel ist es, ein gleichberechtigtes Zusammenleben und -lernen beider Geschlechter zu erreichen, sowie geschlechtsstereotype Rollenzuweisungen aufzulösen und alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen zu fördern. Beispielsweise können Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, durch Stärkung junger Frauen in geschlossenen Lerngruppen, gesteigert werden. Schon seit mehreren Jahren sollte es bereits sogenannte Genderbeauftragte an allen Schulen geben. Deren Aufgabe ist es, im Bereich von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten oder Konflikten Bewusstsein für die unterschiedlichen Aspekte des Themas „Gender“ zu schaffen. Genauso liegt es im Aufgabenbereich der Genderbeauftragten, Schwerpunkte zu setzen und diese zu koordinieren, um Sensibilisierungsarbeit zu fördern, sowie die sogenannte Genderkompetenz - die Fähigkeit, relevante Geschlechteraspekte zu erkennen und gleichstellungsorientiert zu bearbeiten - der Schüler_innen und Lehrer_innen zu fördern. An vielen Schulen wird Genderbeauftragten kein Platz eingeräumt, die meisten Schüler_innen wissen nicht, dass es so eine Person an ihrer Schule gibt, oder es gibt sie de facto auch gar nicht. In Folge dessen kommt auch die diesbezügliche Sensibilisierungsarbeit zu kurz. Der Handlungsspielraum von Genderbeauftragten muss ausgebaut werden, denn nur so kann bewusste Aufklärungsarbeit an Schulen geleistet werden. Eine weitere Methode, um mehr Frauen in die Vertretungsgremien zu bringen, ist die Einführung einer Frauenquote auf allen Ebenen der Schüler_innenvertretung. Diese würde garantieren, dass mehr Schülerinnen in der SV/LSV/BSV vertreten sind, und so ihre Kompetenz beweisen können, sowie auch Schülerinnen repräsentiert werden. Dadurch würde einerseits der Idee, Frauen hätten weniger Führungskraft und andererseits dem Fehlen weiblicher Vorbilder effektiv entgegengewirkt werden. Eine Quotierung soll nicht das Ziel darstellen, sondern dient vielmehr als Mittel, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnisse sicherzustellen. Eine zusätzliche Regelung, dass auf einen biologisch männlichen Schulsprecher nicht erneut ein Mann folgen kann würde das Problem der überwiegenden Mehrheit biologisch männlicher (Landes-)Schulsprecher lösen.

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Schlussfolgerung Es ist uns wichtig, mit dem SV-Genderreport aufzuzeigen, dass die Schule kein von gesellschaftlichen Mechanismen abgetrennter Raum ist und sich gesellschaftliche Benachteiligungen, Missstände und Diskriminierungen auch in der Schule abzeichnen. Politischer Bildung wird in unserem Schulsystem immer noch nicht die Relevanz entgegengebracht, die ihr zusteht. In der Sekundarstufe II der Allgemein Höher Bildenden Schulen gibt es noch nicht einmal ein eigenes Fach für Politische Bildung. Dabei ist es wichtig, dass die Schule auch ihrem politischen Bildungsauftrag nachkommt und Jugendliche zu kritischen und sensiblen Menschen macht, die bestehenden Ungleichheiten und Machtverhältnissen entgegenwirken. Und nicht nur das: Gleichberechtigung muss von der Schule ernstgenommen und im Alltag gelebt werden. Sexismus und männerdominierte Strukturen dürfen keinen Platz haben. Wie die Erhebung zeigt, verringert sich der Frauenanteil, je höher die Vertretungsebene ist. Die Reproduktion gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse in der Schule führt dazu, dass junge Menschen schon früh ein männerdominiertes Vertretungs- und Politikverständnis vermittelt bekommen, nicht nur in der politischen Sphäre, sondern auch direkt in ihrem eigenen Umfeld. Diesen Umstand gilt es zu verändern! Daher ist es wichtig, direkt an den Schulen anzusetzen und sich verstärkt für die Aufhebung von Geschlechterungleichheiten einzusetzen. Denn nur eine progressive Schule kann eine Gesellschaft schaffen, in der allen die gleichen Chancen zustehen!

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