BÜHNE FREI FÜR DEN WILDEN KERL , WASSER MARSCH
FÜR FRISCHEN FISCH UND SÜSSER DIE WEINE NIE
SCHMECKEN. AUF DEN WEG MACHEN, IM ESSZIMMER
SPASS HABEN UND SCHAFNASEN SCHNUPPERN.
8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Ausgabe 15
Steirereck Wien
The All Star Squad
Giannis Antetokounmpo
Chloe Kim
Erling Haaland
Perfektion für die Ewigkeit KRONE 1010 Wien, Kärntner Straße 41, T 01 512 33 22 und An den besten Adressen Deutschlands und in New York, Paris, London, Madrid – WEMPE.COM
S Magazin, Ausgabe 15
S ie halten gerade die 15. Ausgabe des S Magazin in Händen, und das freut uns ungemein. Denn nach den schwierigen Jahren der Pandemie, in denen nebst Kochen und Bewirten auch das Publizieren eines Magazins wie diesem nicht ganz einfach war, sind Schaffensfreude und Tatendrang nun wieder nahezu uneingeschränkt möglich und umsetzbar.
Was uns und dieses Magazin von Anfang an begleitet, sind die vier ewig gleichen großen Kapitel: Wer & warum, Wovon & wie viel, Wie & für wen, Wohin & zurück In diesen Themenkomplexen beleuchten wir nicht zuletzt Menschen, die mit ihren Visionen und ihrer Leidenschaft neue Standards setzen, andere inspirieren und oft auch prägen. Ihr Fokus auf Qualität erschafft Gemeinschaften, die weit über das jeweils persönliche Umfeld hinausgehen.
Als Köche und Gastgeber sind wir sehr häufig mit diesen Schlagworten konfrontiert: Wer & warum? Wovon & wie viel? Es folgen unzählige Einschätzungen, die richtig getroffen, viele Abzweigungen, die richtig genommen werden müssen. Denn nur korrektes Entscheiden macht es uns letzten Endes möglich, zeitgemäße, sinnstiftende sowie nachhaltige Orte der Gastfreundschaft und des Genusses erschaffen und erhalten zu können.
Das Wie ist unsere Authentizität, und die bedingt auch meist die Entscheidung für wen. So dürfen wir diesmal beispielsweise mit Alois Wilfling einen Vordenker und Pionier auf die Bühne bitten, der im Porträt so treffend als „Goldgräber längst vergessener und verlorener Apfelsorten“ beschrieben wird. Aber auch Gerhard Wolf, der in dieser Ausgabe ebenfalls porträtierte Fischzüchter aus der niederösterreichischen Ramsau, beschreitet einen Weg, den wir als seine Abnehmer von Herzen gerne mitgehen.
Bleibt noch das Wohin, bleibt noch das Zurück. Auf unserem Lebensweg stehen wir immer wieder an unterschiedlichen Weggabelungen, und meist entscheiden wir dann intuitiv. Und oft haben wir das Glück, dass uns diese Entscheidungen dorthin führen, wo wir magische Momente erleben dürfen. Eine solche Entscheidung war, dass wir als Familie gemeinsam mit örtlichen Bauern und dem Visionär Karl Wenzel am Pogusch die Idee des Bründelwegs umgesetzt haben, wo die Sinne auf Wanderschaft gehen.
Und das Zurück? Im Idealfall immer auch ein Stück weit zurück zu den Wurzeln. Auf das Wesentliche besinnen, auf das Ursprüngliche, denn nicht zuletzt das ebnet den Weg in die Zukunft.
EDITORIAL
BIRGIT UND HEINZ REITBAUER
7 S MAGAZIN VOR-SÄTZE
INHALT
10 EIN LEBEN LANG
Warum das Restaurant ein Ort ist, an dem es um mehr als Essen und Trinken geht.
Von Christian Seiler
12 FUND-STÜCKE
Edles, Schönes, Schmackhaftes –Tipps für ein genussvolles Sein.
1 Wer & warum
32 GE GEN DEN STROM Da s Wasser muss passen. Und ständig fließen. Zum Wohle von Gerhard Wolfs Fischen.
Von Tobias Müller
40 HIRSCHBIRNE TRIFFT SCHAFNA SE
Zu G ast beim Steirer Alois Wilfling, den man getrost als Goldgräber alter Apfelsorten bezeichnen kann.
Von Ute Woltron
48 TOTAL UNTERSCHÄTZT
Weil Salz nicht einfach nur Salz ist. Eine Bestandsaufnahme von A – Z.
Von Katharina Seiser
54 ESSEN CANCELN, ABER RICHTIG
Wie man den Bösewichten bei Tisch den Kampf ansagen kann – ein Essay.
Von Katharina Seiser
2 Wovon & wie viel
56 WILDER KERL
Er i st ein eigenwilliger Typ –der Knoblauch im Porträt.
Von Ute Woltron
64 EIN KOLBEN NAMENS KUKURUZ
Vier kleine Rezepte mit Mais, dem weltweit am meisten geernteten Getreide.
3 Wie & für wen
70 DER WEG IST DAS ZIEL
Einma l rund um den Pogusch –Wandern mit Aussicht und Einkehr.
Von Achim Schneyder
78 CHEEEESE
Wie das Handy die kulinarische Szene veränderte – ein Essay. Von Uschi Korda
80 GAUMENSPIEL
B itte zu Tisch – neun Rezepte aus dem Steirereck.
8 S MAGAZIN INHALT / IMPRE SSUM
100
KOMM, SÜSSER WEIN
Edelste Tropfen, die es auch einem Sommelier nicht leicht machen.
Von Sebastian Hofer
4 Wohin & zurück
110 BIS ANS ENDE DER WELT
D ie Hubers, das Esslokal und der Traum von der großen Fahrt. Von Achim Schneyder
118 DER HUNGER DER REICHEN
Wie sich die Metropole Mailand auch kulinarisch zur Weltstadt mauserte. Von Severin Corti
128 DIE PARFÜMS DER KÜCHE UND EIN ABEND VOLLER LIEBE Geschmackserinnerungen von Modedesignerin Lena Hoschek. Von Michael Hufnagl
130 ANDERSWO RESERVIERT
B irgit und Heinz Reitbauer verraten, wo es ihnen besonders schmeckt.
Impressum
MEDIENINHABER:
ALBA Communications GmbH
GESCHÄFTSFÜHRENDE
GESELLSCHAFTER:
Alexandra Seyer-Gmeinbauer, Reinhold Gmeinbauer
Seilerstätte 7, 1010 Wien, albacommunications.at
HERAUSGEBER:
Birgit und Heinz Reitbauer
CHEFREDAKTION:
Achim Schneyder
CHEFIN VOM DIENST:
Rebecca Wiederstein
AUTORINNEN, AUTOREN:
Severin Corti
Sebastian Hofer
Michael Hufnagl
Uschi Korda
Ursula Macher
Tobias Müller
Achim Schneyder
Christian Seiler
Katharina Seiser
Ute Woltron
FOTOGRAFEN:
Letizia Cigliutti
Klaus Fritsch
Philipp Horak
Thomas Schauer
Mirco Taliercio
BILDNACHWEIS:
Seite 48 52, iStock
DESIGN:
brand unit – network for branding, design and content, brand-unit.com
KREATIVDIREKTION:
Albert Handler
ARTDIREKTION:
Annija Česka
Ula Krzyżak
ANZEIGEN:
Reinhold Gmeinbauer
Matthias Führer
LEKTORAT:
Romana Gillesberger
LITHOGRAFIE:
Mario Rott
DRUCK:
Print Alliance
HAV Produktions GmbH
Druckhausstraße 1, A-2540 Bad Vöslau
FN 426711t – LG Wr. Neustadt printalliance.at
9
EIN LEBEN LANG
TEXT: CHRISTIAN SEILER
Warum das Restaurant ein Ort ist, an dem es um mehr als Essen und Trinken geht.
Ein gutes Restaurant ist eine geheimnisvolle Zentrifuge, eine Zeitmaschine. Du gehst als junger Mann hinein und kommst als alter Mann heraus. „Wissen Sie“, sagst du einmal zur Chefin, „ich hab’ jetzt einen Job ganz in der Nähe, das wird toll“, und dass es dann in Wirklichkeit gar nicht so toll ist, musst du gar nicht erzählen, weil man es daran erkennt, mit wem du kommst und wie oft und mit welchem Gesicht. Stolz erscheinst du nach einer langen Pause zum ersten Mal mit deinem Baby, hältst es für selbstverständlich, dass es ausgiebig bewundert wird und ein bisschen später lädt dich das Baby, weil es nämlich erwachsen geworden ist, zum ersten Mal seinerseits auf ein Beuschel ein und ihr teilt eine Flasche Riesling von Martin Muthenthaler und das Baby weiß nicht nur, was gut ist, sondern zahlt die Zeche.
Ein gutes Restaurant ist, um den großen Joseph Mitchell und dessen Porträt des New Yorker Ori ginals „Old Mr. Flood“ zu paraphrasieren, „keine einzelne“ Zuflucht. „In ihr vereinigen sich Züge verschiedener alter“ Zufluchten, die wir ins Herz geschlossen haben und in denen wir unsere Zeit verbringen.
Natürlich geht man ins Restaurant, um gut zu essen. Es gibt Funktionsgaststätten, wo du bekommst, was du bestellst, nicht mehr, nicht weniger. Es gibt aber auch Orte, wo mir etwas anderes ebenso viel zu bedeuten beginnt wie die Speisen auf dem Teller, auch wenn diese gut, besser, vielleicht sogar hochrangig zufriedenstellend sind.
Da ist das Licht, das warm durch die hohen Fenster fällt und Muster auf dem Boden zeichnet. Der Schmäh der Kellner, vielfach erprobt, und das Lächeln der Wirtin, die mich erkennt, sich den Gruß per Namen, mit dem Wirte ihre Gäste adeln, aber noch für später aufhebt. Auch das gehört übrigens zu den Feinheiten guter Gastgeber, dass sie wissen, wann sie ihren Gästen die richtige Portion Vertraulichkeit zumuten. An manchen Orten wirst du viel zu schnell wie ein Stammgast behandelt und selbst -
verständlich nimmst du mangelnde Balance störend wahr. An manchen Orten braucht es ein beträchtliches Rechnungsvolumen oder einen Auftritt in der „ZIB 2“, um beim Maître für einen Schimmer des Wiedererkennens zu sorgen. Und da ist das Nicken anderer Gäste, die man am selben Ort schon einmal gesehen hat und mit denen man ungeschaut etwas gemeinsam hat, nämlich eine Meinung: Man isst hier gut, nicht wahr? Und schön ist es auch, bis bald, wir sehen uns.
Kein Ort bündelt Biografien besser als das Restaurant. Ich sehe Menschen an ihrem Tisch sitzen und ich kann sofort ihre Lebensgeschichten decodieren. Plötzlich hat der Typ, der sonst immer unmöglich angezogen ist, glattrasierte Wangen und er trinkt kein Bier mit einem Kumpel, sondern Champagner mit einer jungen, adretten Frau, die ihn verdächtig lächelnd mustert und ihrerseits gerade einen Film ablaufen lässt (ich kann ihn wie eine Denkblase im Comic direkt über ihrem Kopf schweben sehen): Wie wäre denn so ein Leben mit dem da? Ach. Seufz.
Menschen, die ein gutes Restaurant betreiben, stellen die Lebensgeschichten ihrer Gäste in Mahlzeiten her. Taufe, Erstkommunion, Maturafeier, Verlobung (ein und derselben Person wohlgemerkt). Gäste, die immer weniger essen und eines Tages nicht mehr kommen, nie mehr kommen. Stammgäste, die nach einem Knatsch im Nirwana des Draußen verschwinden. Prominente, die zuerst ihre Bedeutung im Gesicht tragen und erst später ihr eigenes Gesicht.
Die Zentrifuge der Zeitmaschine springt an. Erinnerungen aus dem Inneren der Restaurants kochen hoch. Betroffenheiten, Schnurren und Triviales mischen sich auf aberwitzige Weise und du kannst dir vorstellen, wie die Chefin einmal Auskunft über dich selbst geben wird: „Nein, ich weiß auch nicht, der ist schon lange nicht mehr da gewesen.“ Oder: „Schauen Sie, da drüben sitzt er ja, nur seine Haare sind ein bisschen grau geworden.“
10 S MAGAZIN STAMM-GAST
Wirte sind Freunde auf Zeit, so wie das Restaurant temporäre Heimat ist. Sie sind da, wenn man sie braucht und wir brauchen sie ja nur selten, damit sie unseren Liebeskummer mit einem Glas Schnaps lindern. Meistens brauchen wir nur ein bisschen mehr vom Saibling im Bienenwachs oder ein Stück Blunzenbrot, im schlimmsten Fall haben wir das Portemonnaie vergessen und müssen für diesmal anschreiben lassen – in diesem Fall empfiehlt es sich übrigens, wenn die Wirtin unseren Namen doch schon einmal gehört hat.
Was bedeutet es eigentlich, Stammgast zu sein? Dieses Etikett verdienen die Gäste, die buchstäblich jede Woche einmal zur selben Zeit am selben Tisch sitzen und die Speisekarte studieren, um sich aus dem Vertrauten das Überraschendste auszuwählen. Es gibt aber auch gelegentliche Stammgäste. Ich würde den Moment dieses Aufstiegs von der Laufkundschaft zum Fast-schon-Stammgast auf den Moment datieren, wenn man Freunde mitbringt. Ein Restaurant, wohin man Menschen führt, ist schließlich auch ein kleiner Nebenschauplatz der eigenen Seelenlandschaft und du bist nicht nur Gast, sondern auch Gastgeber – und an den Tischen, Wänden, im Foyer und rundherum sammeln sich eigene Erinnerungen wie ein imaginärer Firnis. Darüber und darunter liegen die Erinnerungen unzähliger anderer Gäste. Das Restaurant ist im Endeffekt ja nichts anderes als die Summe all dessen, was hier gelacht und geliebt und gefeiert und geträumt und gestritten und gelästert wurde. Und weil man hier so erstaunliche Dinge erlebt hat, versucht man, sich den Ort einzuprägen, Detail für Detail, so wie man ein Gedicht auswendig lernt oder ein Lied, zum Beispiel „Scenes from an Italian Restaurant“ von Billy Joel: „A
bottle of white, a bottle of red Perhaps a bottle of rose instead We'll get a table near the street
In our old familiar place
You and I, face to face, mmm
…“
… 11
Mmm
ES WERDE LICHT
NEBEN PFLANZEN UND KUNSTWERKEN VERLEIHEN SIE IHREM ZUHAUSE ERST DEN RICHTIGEN PEPP: LAMPEN MIT AUSSERGEWÖHNLICHEN SCHIRMEN, JE NACH INDIVIDUELLEM GESCHMACK. ZU FINDEN SIND SIE BEI PALAIS INTERIORS IN WIEN.
Das Zuhause spiegelt die eigene Persönlichkeit wider. Umso wichtiger ist es, die eigenen vier Wände so zu gestalten, dass man sich darin auch wohlfühlt. Wobei es in Zeiten der Massenproduktion immer schwieriger wird, leistbare Unikate zu finden. Genau das ist auch der Grund, warum sich das Wiener Unternehmen „Palais Interiors“, angesiedelt in der Passage des Palais Ferstel in der Wiener Herrengasse, auf Lampenschirme spezialisiert hat. Denn: Ein Lampenschirm kann einem Raum den wichtigen letzten Schliff verleihen. Ein Schmuckstück quasi, das selbst dann leuchtet, wenn das Licht nicht eingeschaltet ist. Im Betrieb werden alte Lampenschirme restauriert und in feinster Handarbeit ganz nach Kundenwunsch wieder zum Leben erweckt – jegliche Stoffe, Formen, Innenfolien und Accessoires sind dabei frei wählbar. Und wem ein Lampenschirm alleine nicht reicht, der findet im Palais auch zahlreiche Geschenkideen, Möbel, Geschirr und vieles mehr. Mit Sophie Clary-Aldringen steht übrigens eine Interior Designerin mit Rat und Tat zur Seite, die ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet jahrelang in England gesammelt hat.
12 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
Palais Interiors, Herrengasse 14, Passage Palais Ferstel, 1010 Wien
kohlmarkt 7 1010 wien tel +4315339007 shop@schullin.com www.schullin.com
IN DUFTIGEN HÖHEN
IM STEIRISCHEN MÜRZSTEG HAT EIN PENSIONIERTER BUNDESHEER-OFFIZIER 2012 SEINE GEHEIME LEIDENSCHAFT ENTDECKT. UND STELLT KOSMETIK HER, DIE IN DER NASE NACH NATUR „SCHMECKT“.
Einen grünen Daumen hatte Erwin Krall schon immer. Also absolvierte der Bundesheer-Offizier neben seinem Brotberuf eine Ausbildung zum diplomierten Aromapraktiker und startete vor mehr als zehn Jahren mit 32.000 Stöcken oder 160.000 Einzelpflanzen das Projekt „Berglavendel“ in der Hochsteiermark. Mit dem Ziel, biologische, regionale und alpine Pflanzenwirkstoffe zu zeitgemäßer und wirksamer Naturkosmetik zu verarbeiten. Heute firmiert die Linie unter dem Namen „Soavo“ –einer Symbiose der Worte Suavis (Klarheit, Wohlklang und Harmonie, die würzig-frische Süße alpiner Kräuter und Blüten) und Savon (die Tradition ihrer kosmetischen Verwendung).
Die Palette der Produkte reicht von Hand Wash, Lotion und Shampoo bis hin zu Ölen und Duftwassern, das Aroma ist zart und fein – genau das, wonach Steirereck-Chefin Birgit Reitbauer für Zimmer und Gastronomie am Pogusch und in Wien gesucht hatte. Neben der Regionalität überzeugte letztendlich auch die Nachhaltigkeit der „Soavo“-Kollektion. Denn: Für Betriebe gibt es alle Produkte zum Nachfüllen.
Weitere Infos: soavo-skincare.com
14 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
IM ZEICHEN DER ZEIT
RADIKAL ANDERS UND DURCH UND DURCH FASZINIEREND – BINNEN WENIGER JAHRE HABEN ES DIE „RESSENCE“-UHREN DES DESIGNERS BENOÎT MINTIENS ZUM KULTOBJEKT GESCHAFFT.
Eigentlich ist Benoît Mintiens Industriedesigner. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass der Belgier in puncto Uhrmacherkunst seine ganz eigenen Vorstellungen hat. Als er seine „Ressence“ 2019 im Rahmen der Messe Basel erstmals präsentierte, war klar, dass es Mintiens weder um feinste Mechanik noch um klassische Eleganz geht. Vielmehr rückt er in seinem Design Ergonomie und ungewöhnliche Ziffernblätter in den Vordergrund. So übernehmen ineinander rotierende Scheiben die Zeitanzeige, auf die Krone wird verzichtet, die Einstellung erfolgt über den Gehäuseboden.
Hinter dem abgespeckten Design der „Ressence“Uhren stehen komplexe Technik und rein mechanische Uhrwerke. Für den präzisen Takt sorgt also ein mechanisches Schweizer Uhrwerkskaliber, das seine Information auf die konvexen Scheiben des Anzeigensystems überträgt. Das neue Modell Type 1° Round setzt die reduzierte Inkarnation der Zeit fort. Hier verschmelzen Saphirglas und Gehäuse nahtlos zu einem schlichten Minimalismus.
Uhrmachermeister Hübner, Graben 28, Telefon: +43 (0)1 533 80 65, zeit.at
16 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
AUTO STAHL Wien 22
Schillingstraße 4, 1220 Wien
Tel.: +43 (1) 33 122 DW 552
E-Mail: sales@autostahl.com
autostahl.com
Defender: Kraftstoffverbrauch (kombiniert, gewichtet): 15,1–2,5 l/100 km, CO₂-Emissionen (kombiniert, gewichtet): 340–57 g/km, Stromverbrauch (kombiniert, gewichtet): 26,1–24,2 kWh/100 km, nach WLTP. Weitere Informationen unter www.autoverbrauch.at. Symbolfoto.
AUTO STAHL Wien 23
Brunner Straße 81a, 1230 Wien
Tel.: +43 (1) 205 1515 DW 552
E-Mail: sales@autostahl.com
Virtueller Land Rover Showroom Wien 23
VOR IDEEN SPRÜHEN
MANUEL RESSI, EHEMALIGER SOUSCHEF DES STEIRERECK UND HEUTE MIT DEM „BÄRENWIRT“ IN HERMAGOR ERFOLGREICH, BRINGT SALZ IN EINER NEUEN FORM AUF DIE TELLER: FLÜSSIG UND IN DREI GESCHMACKSRICHTUNGEN.
Zwischen der ursprünglichen Idee und der finalen Umsetzung liegen durchaus ein paar Jahre: Schon während seiner elfjährigen Tätigkeit im Steirereck im Stadtpark machte sich Manuel Ressi so seine Gedanken, Salz einfach zu verflüssigen, um den Geschmack besser zu verteilen. Richtig zur Sache ging es dann aber erst ab 2016, als der Kärntner sich mit seinem eigenen Betrieb, dem „Bärenwirt“ in Hermagor, selbstständig machte. Ressi tüftelte und experimentierte, fermentierte Zitronen, reicherte die Säfte mit einer guten Portion unjodiertem Speisesalz an und füllte sie in eine Sprühflasche. Heute kommen im „Bärenwirt“ nur noch Flüssigsalze aus der Flasche auf den Tisch, neben Zitrone gibt es jene auch in der Geschmacksrichtung Pfefferoni (etwa für Gulasch, Pasta) oder – der jüngsten Kreation – einer Mischung aus steirischem Kren und burgenländischem Wasabi. Neben dem Geschmack überzeugen die Salze übrigens auch in puncto Nachhaltigkeit: Denn die Rückstände der Säfte werden behutsam getrocknet, pulverisiert und als Würzmittel verwendet.
Zu bestellen unter: shop.baerenwirt-hermagor.at
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EXKLUSIVE
REIFEPRÜFUNG
IN EINER EHEMALIGEN HOTELKÜCHE IN ALTMÜNSTER TÜFTELT EIN TRIO AN NEUEN GESCHMÄCKERN WIE MISOPASTEN, SOJASAUCE UND CO. EINER DAVON IST LUKAS NAGL, 'GAULT&MILLAU-KOCH DES JAHRES UND EHEMALIGER CHEF POISSIONNIER IM STEIRERECK.
Es gibt nichts, das es nicht gibt. Oder anders ausgedrückt, das es nicht geben könnte. Das war der Ansatz von Lukas Nagl, seit zehn Jahren Chefkoch im „Bootshaus“ am Traunsee, Lebensmitteltechnologe Viktor Gruber und Designerin Christine Brameshuber, die zur Gründung von „LUVI Fermente“ (LUVI steht für Lukas und Viktor) führte. Nagl hatte sich bereits während seiner Zeit im Steirereck ausgiebig mit dem Thema Fermentation beschäftigt und traf 2016 auf Gruber, „der mir ein paar Sachen zum Probieren gebracht hat – und dann haben wir beschlossen: Machen wir was draus.“ Heute sind an die 15 Produkte auf dem Markt, die nahezu allesamt einen regionalen Touch haben. Lediglich die Cashewnüsse und der Reis kommen von auswärts, letzterer seit Jahren von einem Biobauern nahe Mailand. Fermentiert wird in einer ehemaligen Hotelküche in Altmünster, wo die Misopasten nach dem Cutten mehrere Monate lang in großen Kesseln reifen. Fixe Zeiten gibt es hier aber nicht. Nagl: „Das ist wie beim Wein – du musst rechtzeitig seinen Höhepunkt erkennen.“
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IM KAMPTAL PRODUZIEREN WINZERIN BARBARA ÖHLZELT UND GASTRONOM KARL SCHWILLINSKY VERJUS, DER WEIT MEHR KANN, ALS NUR GETRUNKEN ZU WERDEN. IN DER KÜCHE DES STEIRERECK ZÄHLT ER LÄNGST ZU DEN BASISPRODUKTEN.
Oft reicht ein kleiner Stupser, um Vergessenes wieder in Erinnerung zu rufen. Im Falle von Barbara Öhlzelt und Karl Schwillinsky kam der Mitte der 2000er, und zwar von keinem Geringeren als Hans Haas. Der Spitzenkoch animierte das Paar, dem lange aus der Mode gekommenen Verjus eine Chance zu geben. Gesagt, getan: 2007 wurde die Produktion gestartet. Und der Erfolg gab den beiden schnell recht. Der „grüne Saft“, aus Zweigelt oder Grünem Veltliner gewonnen, wurde bald ein Renner, weil er sich perfekt zum Einlegen, Marinieren und Fermentieren eignet. Mit mehr als 300 verbrauchten Litern pro Jahr zählt besagter Verjus aus Zöbing im Kamptal auch längst zu den Basisprodukten in der Küche des Steirereck. Anders als bei Essig und Zitrus ist die Aromatik des Safts aus unreif geernteten Trauben weich und rund – was ihn zur zusätzlichen Alternative und zum idealen Säureträger für Speisen macht, die von Wein begleitet werden. Nur eines darf man keinesfalls: Essig zu ihm sagen. Verjus ist nicht vergoren, enthält keinen Alkohol und kein Histamin.
Weitere Infos unter: verjus.at
22 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
Willkommen im führenden Auktionshaus im Zentrum Europas
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ZIMT MIT ZUCKER
ES MUSS NICHT IMMER RUND UM WEIHNACHTEN SEIN: STEIRERECK-MITARBEITER SIMON STEINDL VERPASSTE DER ZIMTRINDE NEUE KLEIDER UND MACHTE AUS IHR EINE ERFRISCHENDE LIMONADE.
Es war eine ganz normale Familienzusammenkunft, die Familie Steindl vor vier Jahren auf eine Idee brachte: Alle sind sie leidenschaftliche Esser und Trinker, warum also nicht eine Firma gründen, die sich damit beschäftigt? Nun ist es aber so, dass Sohn Simon – seit zwei Jahren im Steirereck beschäftigt – schon von Berufs wegen immer das Besondere sucht. Vor einem Jahr brachte das Unternehmen dann eine Zimtlimo auf den Markt, die unter dem Namen „Simons Vielfalt Nr. 1“ firmiert. Die Idee dahinter ist eine einfache: „Ich mag Zimt sehr gerne“, erklärt Steindl, „und ich wollte ihn anders präsentieren als ein Gewürz, das man vor allem wegen Weihnachten kennt.“ Also als Limonade. Schließlich sind dem Getränk da wenig Grenzen gesetzt. Steindl: „Die Limo ist superspritzig und erfrischend, passt gut zu Weißwein und Rum, aber auch zu Kokos, Datteln und Co.“ Er selbst genießt seine Kreation – hergestellt aus einem Zimtrindensirup, Apfelsaft und Zitrone – am liebsten „eiskalt aus der Flasche“.
Zu bestellen unter: viviamo-genuss.at
24 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
TREFFPUNKT FÜR KUNSTBEGEISTERTE
DAS DOROTHEUM IST NICHT NUR DAS ÄLTESTE, SONDERN AUCH EINES DER INTERNATIONAL FÜHRENDEN AUKTIONSHÄUSER DER WELT. UND BIETET ZAHLREICHE HIGHLIGHTS FÜR KUNSTLIEBHABER UND SAMMLER.
Es war einer dieser besonderen Momente im Dorotheum. Im voll besetzten Auktionssaal war es mucksmäuschenstill, die Gebote kletterten höher und höher, bis über die Millionengrenze. Schlussendlich erfolgte der Zuschlag weit über den Erwartungen und unter großem Applaus: Maria Lassnigs Gemälde „Wilde Tiere sind gefährdet“ (siehe Bild) erzielte in einer „Contemporary Week“ des Traditionshauses knapp 1,4 Millionen Euro und brach gleich drei Rekorde: Erstens war es das teuerste Gemälde des Jahres in Österreich, zweitens der höchste Preis, der weltweit je in einer Auktion für das Werk eines zeitgenössischen österreichischen Kunstschaffenden bezahlt wurde. Und drittens war es ein Weltrekord für eine Arbeit der spät anerkannten Künstlerin, die 2013 bei der Kunstbiennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde.
Ob Zeitgenössische Kunst oder Alte Meister, Antiquitäten oder Juwelen, Armbanduhren oder Wein – das Dorotheum ist ein Dorado für Liebhaber schöner Dinge und bietet 700-mal im Jahr spannende Auktionen – live im historischen Palais in der Wiener Innenstadt, aber auch online: Einfach durch die Kataloge blättern und fündig werden.
Dorotheum
1010 Wien, Dorotheergasse 17, dorotheum.com
26 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
FLÜSSIGES GOLD
SEIT MEHR ALS 650 JAHREN WIRD IM OBEREN MÜHLVIERTEL LEINÖL GEPRESST. DANK JAHRHUNDERTELANGER ERFAHRUNG, WEICHEM WASSER UND FEINSTEN SAATEN KOMMT ES AUCH VOLLKOMMEN NATURBELASSEN AUF DEN TELLER.
Leinöl, so viel ist gewiss, ist eines der gesündesten Öle, die es gibt. Reich an ungesättigten Fettsäuren (Omega-3 und Omega-6) hilft es, den Cholesterinspiegel in Balance zu halten und das Herz-Kreislauf-System zu stärken. Zudem ist das aus der Leinpflanze gewonnene Öl, auf das schon die alten Ägypter schworen, ein wahrer Genussbringer. Vor allem im Steirereck am Pogusch kommt das flüssige Gold gerne zum Einsatz, und zwar jenes aus der Haslacher Mühle. Diese wurde 1379 erstmals urkundlich erwähnt und ist seit mehr als 250 Jahren mit dem Namen Koblmiller verbunden. Gunther Koblmiller war es auch, der dem regionaltypischen, naturreinen und kaltgepressten Öl zuletzt zu einer Renaissance verholfen hat. Und die hat es sich auch verdient. Am Pogusch wird Leinöl gern im Zusammenspiel mit Salaten eingesetzt, seine Herbheit verleiht jedem Gericht – auch Fisch und Gemüse – eine besondere Note. Wer das Öl mit gerösteten Aromen kombiniert, erkennt dessen feinen, nussigen Geschmack. Und den empfiehlt es sich, auch so oft als möglich zu genießen, denn: Leinöl hat eine sehr geringe Haltbarkeit, die Flasche sollte nach dem Öffnen jedenfalls im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Zu bestellen unter: oelmuehle-haslach.at
28 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
Das Wasser zum Essen.
nachhaltig #jungbleiben
*50% der CO 2 -Emissionen ve r glichen mit 2005 r eduziert & 50% k ompensiert.
In der Zeit zwischen 1777 und 1783 schrieb ein gewisser Herr Schubart, Christian Friedrich Daniel mit Vornamen, ein Gedicht. Es hieß „Die Forelle“ und fand sich 1783 im Schwäbischen Musen-Almanach erstmals in gedruckter Form wieder. Das freilich bedeutete noch keinen Weltruhm, den erlangte der Text erst, nachdem er zwischen November 1816 und Juli 1817 von einem gewissen Herrn Schubert, Franz mit Vornamen, vertont worden war. „An einem Bächlein helle …“ kennt heut’ fast jedes Kind, und auch ein Wolf weiß ein Lied von diesem Fisch zu singen …
Wer & warum
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48 TOTAL UNTERSCHÄTZT
32 GEGEN DEN STROM
54 ESSEN CANCELN, ABER RICHTIG S. 40 HIRSCHBIRNE TRIFFT SCHAFNASE 31 S MAGAZIN FISCH & FRUCHT
S.
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GEGEN DEN STROM
32 S MAGAZIN FRISCH-FISCH
TEXT: TOBIAS MÜLLER
FOTOS: MIRCO TALIERCIO
GERHARD WOLF ZÜCHTET IN DER RAMSAU SAIBLINGE UND FORELLEN, FÜR DIE STEIRERECK-CHEF HEINZ REITBAUER GERN JEDEN MEERESFISCH STEHEN LÄSST. WIE WOLF DAS HINKRIEGT?
MIT RICHTIG GUTEM, STÄNDIG FLIESSENDEM WASSER.
33
01-03 Das Wasser rinnt aus den Kalkalpen direkt in Wolfs Becken, jede Sekunde kommen 216 frische Liter nach – die Fische stehen damit ständig in der Strömung.
Wie gut Gerhard Wolfs Fische sind, merkt man am schnellsten, wenn man sie roh probiert. Ihr Fleisch hat dann einen zart-knackigen Biss und gleichzeitig eine buttrige Cremigkeit, die ziemlich umwerfend ist. Sie schmecken nach Fisch mit einem Aroma so frisch wie das Wasser, aus dem sie gekommen sind. Wolfs Verkaufstaktik ist daher einfach: „Bei mir gibt’s keine Preisliste“, sagt er. „Erst kostest du den Fisch und dann reden wir.“ Nicht dass er es nötig hätte, irgendwen von seinen Fischen zu überzeugen. Sie sind so begehrt, dass Wolf stets ausverkauft ist.
Wenn Sie in einem Spitzenrestaurant in Wien oder Niederösterreich Forelle oder Saibling bestellen, dann sind die Chancen gut, dass die Fische von Wolf stammen. Das Landhaus Bacher gehört ebenso zu seinen Kunden wie der Floh in Langenlebarn, der Heurigenhof Bründlmayer oder der Meinl am Graben. Vergangenen Sommer hat Wolf seine Fische sogar zu Hubert Wallner an den Wörthersee geliefert. Der größte Teil aber geht an Heinz Reitbauers Steirereck in Wien. Anfangs lieferte er nur gelegentlich Saiblinge, nach und nach bestellte Reitbauer aber immer mehr – mittlerweile kommen alle Salmoniden, die im Steirereck serviert werden, von Wolf.
Wolf ist um die 60, groß und breit, mit seiner Halbglatze, den kräftigen Händen und dem bulligen Gesicht sieht er ein wenig aus wie ein niederösterreichischer Tony Soprano, bloß ungleich herzlicher. Seine Fischzucht liegt in der Ramsau, etwas südlich von Hainfeld, eine Stunde südwestlich von Wien und mehr als eine Stunde von Wolfs Wohnhaus in der Wachau entfernt. Die Gegend ist durch und durch unspektakulär: grüne, bewaldete Hügel, Dörfer mit Meinl-Kaffee-Schildern, Kriegerdenkmälern und pastellfarbenen Einfamilienhäusern und hin und wieder kleine Schlösser und Herrenhäuser, die an die Zeit des Eisen- und Holzhandels hier erinnern.
Was Wolf hierher gebracht hat, ist das Wasser. Als geborener Kremser vergleicht er es gern mit edlen Lagen beim Wein: „Was wir hier haben, ist mindestens dem Hirtzberger seine Ried Singerriedel“, sagt er und meint damit jene Wachauer Lage, aus der einer der teuersten Weine Österreichs kommt. „Wir hängen hier am gleichen Grundwasserstock, aus dem auch das Wiener Hochquellwasser kommt.“ Es rinnt aus den Kalkalpen direkt in Wolfs Becken, jede Sekunde kommen 216 frische Liter nach. Die Fische stehen damit ständig in der Strömung und schwimmen dagegen an – die viele Bewegung ist wichtig für die feste Konsistenz und den intensiven Geschmack des Fleischs.
„Das Fleisch der Fische ist überdurchschnittlich kompakt in Konsistenz und Geschmack“, sagt Steirereck-Chef Reitbauer. „Kein anderer Forellen- und Saiblingzüchter, mit dem wir zusammengearbeitet haben, hat über die Jahre eine so hohe Qualität halten können.“
„Bei mir gibt’s keine Preisliste. Erst kostest du den Fisch und dann reden wir.“
34 S MAGAZIN FRISCH-FISCH
36 S MAGAZIN BERUFS-FISCHER FRISCH-FISCH
04–05 Einen Teil der Fische beizt und räuchert Wolf selbst in der Ramsau – das Ergebnis lässt die allermeisten Räucherlachse ziemlich alt aussehen.
Reitbauer serviert im Steirereck kaum Meeresfisch, sondern fast nur österreichische Süßwasserfische, Salmoniden sind daher die wichtigsten Fische in seiner Küche. Wolfs Bachsaibling etwa wird im heißen Bienenwachs gegart, was ihm eine besondere Mürbheit und ein tolles Aroma verleiht – das Gericht steht schon seit über einem Jahrzehnt auf der Speisekarte und ist so etwas wie das Signature Dish des Restaurants geworden. Die Forellen werden vor allem für die Meierei roh gebeizt und dann dünn wie Lachs aufgeschnitten.
Im Steirereck-Wirtshaus am steirischen Pogusch hängt Reitbauers Grillmeister Manuel Weißenböck gern besonders stattliche Fische von zwei Kilo und mehr in der Früh in den Kamin des riesigen Grills und holt sie erst spätabends wieder heraus. Währenddessen garen sie bei etwa 40 Grad über zwölf Stunden im sanften Rauch zu zarter Perfektion. „Das ist bombastisch, der beste warm geräucherte Fisch, den man sich vorstellen kann“, schwärmt Reitbauer.
Richtig gutes Wasser, ist Wolf überzeugt, ist das Allerwichtigste für richtig gute Fische. Es muss nicht nur sauber, sondern auch kalt und sauerstoffreich sein, wie es erst wird, wenn es einige Zeit im passenden Gestein verbracht hat. „Der Granit des Waldviertels zum Beispiel speichert nicht gut genug, das Wasser dort ist für Salmoniden ungeeignet“, sagt Wolf. „Du kannst dort gute Karpfen züchten, aber Forellen und Saiblinge werden nichts.“ Und der PH-Wert muss passen: Das Wasser darf weder zu sauer noch zu basisch sein, ein Wert um die sieben, also neutral, ist ideal.
Wolfs Zuchtanlage liegt auf einer Wiese zwischen Ramsaubach und bewaldetem Hang, 13 Becken, manche länglich-rechteckig, andere fast rund, ungefähr eineinhalb Meter tief und bis zu 23 Meter lang. In einem dreht ein Schwarm Bachsaiblinge gemächlich seine Runden, so nah an der Oberfläche, dass die schwarzen Rücken der Fische wie die Buckel von Walen aus dem Wasser ragen, in einem anderen wirbelt eine Gruppe Forellen auf Futtersuche so wild durcheinander, dass das Wasser schäumt. „Das sind die Gebirgsforellen“, sagt Wolf, „die sind immer hungrig.“
Rückblickend wirkt es ein bisschen so, als wären Gerhard Wolf und die Fische füreinander bestimmt gewesen. Als kleiner Bub bei den Pfadfindern lernte er die Natur kennen und lieben und träumte davon, einen Fischteich zu haben, mit einem asiatischen Teehaus darauf. Später, als er nach der Hotelfachschule fünf Jahre auf ein Kreuzfahrtschiff ging, um sich die Welt anzusehen, verfiel er dem Räucherlachs am Frühstücksbuffet.
Trotzdem wurde nach den Wanderjahren erst ein Reisebürobesitzer, dann ein Eventmanager aus ihm – als er zweimal das Münchner Olympiastadion für eine Veranstaltung mit 40.000 Leuten mietete, merkte er, dass sein Körper da nicht mehr lange mitmachen wird. Krank auf seiner Couch liegend sah er im Fernsehen einen Bericht über den „Alpenlachs“, einen Seesaibling, der unter diesem Markennamen in einer Art Franchise-System gezüchtet und vertrieben wird. Am nächsten Tag kaufte er sich einen solchen Fisch, kostete – und wusste, was er künftig tun wollte.
Als alter Pfadfinder besorgte Wolf sich zunächst eine ÖsterreichKarte, auf der alle Flüsse eingezeichnet waren, und suchte dort nach
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06–08 Es sind viele Kleinigkeiten, die den Fischen das Leben schöner und sie damit später schmackhafter machen.
theoretisch passenden Stellen für die Zucht: Orte mit der richtigen Geologie und ausreichend gutem Wasser. Dann setzte er sich ins Auto, fuhr die Täler ab – und wurde in der Ramsau fündig.
Seine erste Fischernte brachte er zu Thomas Dorfer ins Landhaus Bacher, einem der besten Restaurants Niederösterreichs – und gewann sofort einen bis heute begeisterten Kunden. Seither hat er keinem Restaurant seine Ware mehr direkt angeboten – seine Fische sind so gut, dass sie sich von selbst verkaufen. Wenn Köche das Landhaus Bacher verlassen, bestellen sie oft auch an ihrem neuen Arbeitsplatz Fische von Wolf oder sie erzählen ihren Kollegen davon, die sich dann bei ihm melden.
Als Wolf vor 18 Jahren mit der Fischzucht begann, hatte er wenig Ahnung von der Branche und hielt sich schlicht an die Vorgaben des Alpenlachs-Verbands. Mittlerweile hat er dank viel Erfahrung seine eigene Methode gefunden. Neben richtig gutem Wasser und Bio-Standards – mehr Platz für die Tiere, keine Medikamte, Biofutter mit höherem Fischmehlanteil – sind es viele Kleinigkeiten, die den Fischen das Leben schöner und sie damit später schmackhafter machen: die Netze etwa, die Wolf im Sommer zur Beschattung über die Teiche spannt, damit die Tiere es auch zu Mittag dunkel und kühl haben wie in einem wilden Gebirgsbach, oder die Beckenböden mit runden Kieseln und die Wände aus moosbewachsenem Holz, an denen die Tiere sich nicht verletzen können.
Für die letzten fünf Tage ihres Lebens kommen die Fische in ein anderes, ständig schattiges Becken mit Quellwasser und werden nicht mehr gefüttert, damit sie so ruhig wie möglich werden. Dann werden sie einzeln herausgeholt und direkt neben dem Becken mit der Hand abgeschlagen. „Die richtige Schlachtung ist essenziell für die Fleischqualität“, sagt Wolf. „Das Abschlagen per Hand ist viel besser als die Tötung mit Strom, die in großen Zuchten oft üblich ist.“
Wolf züchtet ausschließlich Forellen und Saiblinge, meist vier bis fünf verschiedene Arten. Je nach Jahreszeit hat er andere Fische im Angebot, weil keine Fischart zum gleichen Zeitpunkt laicht und daher zu einem anderen Zeitpunkt am besten schmeckt. Die Bergforelle laicht im Herbst und schmeckt im Frühjahr am besten, die Seeforelle laicht im Frühjahr und hat daher ihren geschmacklichen Höhepunkt im Herbst.
Wer selbst einmal das Vergnügen haben will, mit Wolfs Fischen zu kochen: Eine kleine Menge verkauft er jeden Samstag an einem Stand auf dem Wiener Karmelitermarkt. Achtung: Vorbestellung dringend empfohlen!
Auch Fische sind ein saisonales Produkt –zu jeder Jahreszeit schmecken sie anders, mal besser und mal schlechter.
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Auf steirischen Streuobstwiesen lassen sich mitunter wahre Schätze heben und fast vergessene, teils nur noch in Form ein paar weniger Bäume erhalten gebliebener Apfelsorten finden.
Eva & Adam nennt sich Alois Wilflings Initiative, die den alten Köstlichkeiten Respekt zollt und sie wieder aufleben lässt.
HIRSCHBIRNE TRIFFT SCHAFNASE
TEXT:
UTE WOLTRON, FOTOS: PHILIPP HORAK
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01-04 Die Optik gibt Auskunft über die Sorte, vor allem aber der Geschmack, wie man Eva & Adam-Gründer Alois Wilfling ansehen kann.
Nach manchen Schätzen muss man nicht graben. Man muss sie nur aufklauben, pflücken und beherzt hineinbeißen. Dann die Augen schließen, genießen und etwas kosten, das nach fast Vergessenem schmeckt. Vielleicht nach dem Säuerlichen im Apfelstrudel der Oma. Oder nach dem leichten Rosenaroma, das in den getrockneten Apfelringen der Tante Poldi steckte. Oder nach langen, wilden Kindertagen auf Feldwegen und Kuhweiden, wo überall noch Apfelbäume standen, von denen man sich bediente, weil man hungrig war oder durstig oder einfach nur, weil die Äpfel goldig und rot und verheißungsvoll in der Sonne glänzten. Die einen waren süß und ganz weich, die anderen sauer und knackig. Es gab welche mit ledriger Schale, die eigentlich nicht besonders appetitlich wirkten, die aber noch besser schmeckten als alle anderen.
Kurzum, die unterschiedlichen Geschmacksvarianten sonnengereifter Äpfel zahlloser Sorten vergisst man sein Lebtag nicht und so mancher sucht nach bestimmten Aromen, wo auch immer es Äpfel zu kosten gibt, doch meistens ist die Suche vergebens. Denn im Supermarkt liegen zwar auch schöne Äpfel im Regal, aber es sind immer dieselben paar Sorten und diesen lang vermissten Geschmack findet man kaum je darunter. Besagter Reichtum hängt jedoch tatsächlich immer noch in den Apfelbäumen, er liegt auf den Streuobstwiesen und es ist als Glücksfall zu bezeichnen, wenn jemand kommt und diesen Schatz hebt.
Den Steirer Alois Wilfling kann man getrost als den Goldgräber der fast schon vergessenen und verlorenen Apfelsorten bezeichnen. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass der Apfel, das beliebteste Obst überhaupt, nicht nur von Kennern wieder
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Pomologen bestimmen die Sorten nicht nur über die Form des Apfels und über die Beschaffenheit und Färbung der Schale, sondern auch über das Aussehen der Apfelkerne.
als das erkannt und geschätzt wird, was er ist: eine pomologische Kulturerrungenschaft ersten Ranges und in einer Sortenvielfalt vorhanden, von der man träumen darf. An die 2000 unterschiedliche Apfelsorten gab es noch vor wenigen Jahrzehnten hierzulande, darunter viele regionale Sorten, um die sich die längste Zeit kaum jemand kümmerte und die in Vergessenheit gerieten und von den Bauernhöfen und Streuobstwiesen verschwanden. Was für ein Verlust!
Wilfling ist eigentlich Botaniker und verbrachte, wie er selbst sagt, als Spezialist für Pilze und Flechten viele Jahre in internationalen Forschungseinheiten in den USA, in Großbritannien und Australien als „Laborratte im Neonlicht“. Doch er war und blieb immer auch der Sohn eines Baumwarts und vormaligen Obstbauern und er hatte den Umgang mit Obstbäumen ab dem Alter beigebracht bekommen, in dem Kinder das Gehen lernen.
Der richtige Schnitt, das Veredeln, das Bestimmen von Hölzern und Knospen, das Lesen in Ästen und Kronen – es ist eine eigene Wissenschaft und der Verlust der Vielfalt auf den steirischen Wiesen, so befand er, sei nicht länger tatenlos hinzunehmen. Wilfling begab sich über viele Jahre immer wieder auf die Suche nach verloren geglaubten Sorten, bereiste an die 5000 Bauernhöfe in der Steiermark und organisierte ab 2009 Apfelausstellungen, wie etwa die Apfelschau mit dem Titel „Hirschbirne trifft Schafnase“ in Graz. Er bestimmte die Sorten, legte sich eine umfangreiche Bibliothek zu. Und immer kamen die Leute händeringend mit der Frage auf ihn zu, wo man denn diese großartigen Äpfel heute noch bekommen könne.
Ihr Problem wurde gelöst: Seit 2020 betreibt Wilfling mit einem rein akademischen und hochprofessionellen Team ein Apfellager, in dem die aus
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allen Gräben, Tälern und Hügeln der Steiermark zusammengetragenen Raritäten aufgebahrt in Holzkisten lagern wie andernorts Juwelen. Das Prinzip funktioniert wie eine Drehscheibe: Die Bauern melden ihre Äpfel ein und bringen Kostproben. Die Sorten werden bestimmt und von „Eva & Adam“, so der Name der Initiative, aufgekauft. Je nach Sortenrarität bekommen die Lieferanten das Zehn- bis Vierzigfache des Preises dafür, der normalerweise für ein Kilo Äpfel bezahlt wird. So manchem Landwirt dürfte in den letzten Jahren melancholisch ums Herz geworden sein, eingedenk der aufgegebenen Streuobstwiesen und der viel zu vielen gefällten, weil zu Unrecht nicht mehr wertgeschätzten Bäume.
Die Kundschaft aus nah und fern darf jedenfalls wieder aus dem vollen Sortiment und Reichtum schöpfen und sie wird zudem gut informiert. Für jede der Sorten wurde ein präziser Steckbrief ausgearbeitet, denn die Apfelvielfalt spiegelt sich auch in unterschiedlicher Nutzung und Lagerung wider. Man muss sich schon auskennen. So gibt es etwa sehr früh reifende Sorten, wie den möglicherweise noch relativ bekannten Klarapfel, die sofort verspeist werden müssen. Andere reifen wiederum sehr spät, viele benötigen zudem nach dem Pflücken eine Phase des Nachreifens, um ihren vollen, prallen Geschmack zu erlangen. Nur ein Beispiel: Der Steirische Passamaner ist ein gelb-grün-roter Apfel und eine echte Rarität. In kalten Winternächten bildet er auffällige helle Punkte in der roten Deckfarbe, weshalb ihn Wilfling als die „Bachforelle unter den Äpfeln“ bezeichnet: „Die Sorte braucht zur vollen Entwicklung mehr als andere kräftige Kälteimpulse. Erst nach wirklich kalten Nächten bildet sie ihr charakteristisches Farbmuster und ihr Aroma aus.“ Erst ab Neujahr, so wissen die Apfelgourmets, sollte man diese Spezialität aus dem Lager holen und genießen.
Insgesamt 93 Merkmale, die sogenannten Deskriptoren, sind definiert, anhand derer Pomologen wie Wilfling die Sorten bestimmen und erläutern. Das beginnt mit der Beschaffenheit und Optik der Schale, der Form des Apfels, der Tiefe der Stielgrube auf der einen Seite und dem Aussehen der Kelchblättchen auf der anderen. Auch die Kerne, unter dem Mikroskop betrachtet, liefern Aufschluss. Und da Wilfling ein wissenschaftlich geschulter Akademiker ist, gründete er kurzerhand ein Forschungslabor in
05 Hochbetrieb im Apfellager von Eva & Adam: Die Spezialisten unter den Apfelliebhabern wissen, welche Sorten beispielsweise bis in den Frühling gelagert werden können und welche sofort gegessen gehören.
Gleisdorf, das sich unter anderem mit der Bestimmung, aber auch mit der Bestandsaufnahme der Apfelund anderer Obstbäume befasst.
Denn die noch vorhandenen Bäume nicht nur zu retten, sondern sie auch über Veredelung zu vermehren, ist das eigentliche Thema und das vorrangige Ziel all der Anstrengung. „Wir wollen die Sorten vor allem erhalten“, sagt Wilfling, „wir sind ja keine Obsthändler!“ Das Projekt „Eva & Adam“ funktioniert denn auch eher wie eine NGO, die gerade so viel verdient, dass das Apfellager, die Datenbank, der Versand weiter betrieben werden können. Eigentlich steckt viel unbezahlte Arbeit dahinter, doch der Lohn kommt mitunter unerwartet und auf anderem Wege. So fand Wilfling vor ein paar Jahren etwa fünf alte Apfelbäume in einem Pfarrhof, die er zu seinem Entzücken als bereits verloren geglaubte Silberberger Maschanzker identifizieren konnte. Dank Veredelung wird es die noch in den 1930er-Jahren bekannte und beliebte Sorte auch weiterhin geben, ebenso wie die Hartberger Mostbirne, die er ebenfalls wieder auftreiben und identifizieren konnte.
Die Streuobstwiesen allerorten wieder aufleben zu lassen, das alte Wissen zu erhalten, die Schönheit der Vielfalt zu vermitteln, das sind große Aufgaben. Alois Wilfling und sein Team haben in den vergangenen Jahren an die 50.000 Obstbäume entweder selbst gepflanzt oder für Unterstützung und Ratschlag gesorgt, Pflanzpläne für unterschiedliche Lagen und Böden erstellt und Streuobst-Initiativen mit ihrem Wissen unterstützt. Das Apfellager von „Eva & Adam“ ist gewissermaßen auch ein Marketingtool für die gemeinschaftliche Anstrengung. Wer aber sind, neben der Spitzengastronomie, die Kunden? „Alle“, sagt Wilfling. „Alle, denen wichtig ist, dass sie was Gutes essen, darunter viele alte Leute, die den Sorten ihrer Kindheit nachjagen.“ Die Äpfel können vor Ort gekauft und via Internet bestellt werden. Die Lieferung erfolgt in schönen Holzbehältnissen, in denen die Äpfelchen, einzeln händisch sorgfältig verpackt wie in Bonbonnieren, zur Verkostung bereitliegen.
Für den Nachwuchs unter den Apfelconnaisseurs sind diese Sorten-Boxen Goldes wert, denn hier kann man sich durchkosten, informieren und schließlich die Entscheidung treffen, welche Bäume
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06-08 Altes Wissen und einen erstaunlichen Sortenreichtum finden Wilfling und sein Team oft auch in uralten Aufzeichnungen vormaliger Obstbauern.
man denn setzen und großziehen will. Die bereits erwähnten Sortensteckbriefe geben genau Aufschluss über den Zeitpunkt der Pflück- und Genussreife, über Lagerung und Seltenheitsgrad der Sorte. Wer also gleich ein paar Bäume pflanzen oder im Idealfall eine Streuobstwiese anlegen will, kann die Phase der Apfelernte über viele Monate ausdehnen und aus der Fülle unterschiedlichsten Geschmacks schöpfen. Sobald die ersten Äpfel reifen, dürfen dann die Unterschiede verkostet werden, die selbst an einem einzigen Baum zu erschmecken sind. Denn die Früchte auf der Sonnenseite schmecken immer noch ein bisschen anders als die im Schatten gereiften, sie sind süßer und weniger herb.
Zu guter Letzt noch ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Vorzug alter Sorten: Sie sind nachweislich gesünder als die meisten der hochgezüchteten
Industrieäpfel, da sie noch deutlich mehr Phytonährstoffe enthalten, wobei rund die Hälfte davon in der Schale steckt. Und wenn man sich immer schon gefragt hat, warum manche Äpfel recht schnell braun werden, wenn man hineinbeißt und andere nicht, so kommt hier die Lösung des Rätsels: Weil sie noch mehr Gerbstoffe enthalten und auch die sind gesund. Das wissen die Mäuse im Keller noch besser als wir Menschen, denn die, so berichtet Wilfling, haben in den alten Kellern der Bauern immer nur die gerbstoffreichen Sorten gefressen und die anderen links liegen lassen.
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01 Die Farbe von Salz sagt nichts über seinen gesundheitlichen Wert aus, jedoch viel über seine Herkunft und Zusammensetzung. Rosa kann es aus Salzbergwerken in Pakistan wie Altaussee genauso sein wie aus der Camargue dank spezieller Meeresalgen.
TOTAL UNTERSCHÄTZT
Es ist die wichtigste Zutat in den Speisekammern weltweit und wird trotzdem – wenn überhaupt – meist nur als Salz ohne weitere Angaben wie Herkunft, Sorte oder Kristallform bezeichnet. Dabei sind Geschichte, Geschmack, Konsistenzen und Einsatzzwecke von Salz unendlich vielfältig.
TEXT: KATHARINA SEISER
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Ursprünglich bedeutete Salz Wohlstand, heute Junk Food. Dazwischen liegt die kulinarische Wahrheit, in allen möglichen Salzkonzentrationen.
AALTAUSSEE ist der einzige Ort in Österreich, an dem auch Natursalz trocken abgebaut wird. Nach jahrelangen Sondierungsbohrungen haben die Salinen 2021 wieder eine Ader gefunden, deren Salzgehalt hoch und rein genug für diese anspruchsvolle Art der Salzgewinnung ist. Die Brocken werden aus dem Berg gehauen, vor Ort sortiert, vermahlen und auch –wegen idealer Bedingungen, das Salz dort ist 250 Millionen Jahre alt – gelagert und erst bei Bedarf als orange-bräunliche Kostbarkeit zutage transportiert
B
BACKEN Salz ist als universellste Zutat in keiner Küche und beinahe keinem Gericht verzichtbar, auch nicht beim Backen. Das wissen alle, die versehentlich das Salz im Buchtel- oder Brotteig vergessen haben. Richtwert: zwei Prozent von der Mehlmenge. Dass toskanisches Brot ab dem Mittelalter ohne Salz gebacken wurde, hat keinen kulinarischen, sondern einen finanziellen Hintergrund: In der Toskana konnte man sich die hohen Steuern auf Salz zu der Zeit nicht leisten.
CCAMARGUE Berühmt für ein wegen einer speziellen Algenart leicht rosa gefärbtes und dort in den riesigen Salzgärten von AiguesMortes seit Jahrtausenden gewonnenes Meersalz. Besonders das Fleur de Sel verführt nicht nur mit seiner Farbe, sondern auch mit harmonischem, nicht zu spitzem Geschmack.
DDÜRRNBERG bei Hallein beherbergt seit 2020 eine Manufaktur für Salzflocken, die aus vor Ort gewonnener naturbelassener Sole in Handarbeit produziert werden. Mittels Pfannensiedeverfahren, wie es zum Beispiel auch beim berühmten englischen Maldon Sea Salt gemacht wird, hier eben aus Steinsalz. Die Manufaktur ist als Schaubetrieb konzipiert und die großen, pyramidenförmigen, fein knuspernden Salzflocken sind die aufregendste Neuigkeit der jüngeren österreichischen Salzgeschichte.
EEI ist ohne Salz beinahe unvorstellbar und eines jener einfachen Gerichte neben Butterbrot oder
gekochten Erdäpfeln, das sich besonders gut zur genussvollen Verkostung verschiedener Salze bzw. Herkünfte eignet.
FFASS Das berühmteste Salzfass stammt vom italienischen Goldschmied Benvenuto Cellini und wird bald 500 Jahre alt: Die Saliera wurde 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien gestohlen, stand dann unter dem Bett ihres Diebes, ist aber mittlerweile wieder in der Kunstkammer zu sehen. Salzbehälter aus Holz mit integriertem Deckel sind vielleicht weniger wertvoll, aber im Alltag sehr praktisch, weil sie nicht korrodieren können und das Holz außerdem leichte Feuchtigkeitsschwankungen ausgleicht. Wer mit den Fingern salzt, was zwecks besseren Gefühls empfehlenswert ist, sollte bei rohem Fisch und Fleisch aus Hygienegründen jedoch immer mit sauberen Fingern in den Behälter greifen oder vorab eine kleine Menge herausgeben, der Rest davon wandert ins nächste Nudelkochwasser.
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Jedes Steinsalz ist Meersalz. Himalayasalz kommt aus Pakistan. Trocken abgebautes
Steinsalz ist heute eine Rarität, nass abgebautes und chemisch aufbereitetes die Regel. Ziemlich kompliziert für so eine unscheinbare Zutat.
GGESCHMACK verstärkt Salz von allen anderen Lebensmitteln und unsere Lust darauf ist logisch: Wir brauchen Salz zum Überleben. Das Empfinden von Salzintensität und die Präferenz für den Salzgehalt von Speisen sind jedoch individuell sehr verschieden, weshalb es absurd wäre, Nachsalzen als Beleidigung der Küche zu interpretieren. Und Salz selbst kann von spitz und scharf beim üblichen industriell gewonnenen Speisesalz über mild und mineralisch, wie das von Heinz Reitbauer bevorzugte Karpatensalz (ein Steinsalz wie jenes aus den Alpen), oder meeresduftig wie Fleur de Sel aus der Guérande bis zu intensiv schwefelig wie indisches Kala Namak schmecken.
HHIMALAYA stand die letzten Jahrzehnte für besonders begehrtes Steinsalz aus Pakistan, aber selbst wenn es kulinarisch wertvoll sein sollte, sind gesundheitsbezogene Aussagen Humbug. Für die Deckung des Bedarfes von Mineralstoffen und Spurenelementen abseits von Natrium ist Salz ungeeignet.
IINDUSTRIE Nur wenige Prozent des rund um den Globus gewonnenen Salzes landen in Salzstreuern und -fässern, das meiste davon wird als Industrie- und Gewerbesalz sowie als Auftausalz verwendet. Weltweit stammen rund zwei Drittel aus Steinsalz, trocken und nass abgebaut, ein Drittel aus Meersalz. J
JOD Speisesalz wird in Österreich und anderen (Binnen-)Ländern zur Vorbeugung von Jodmangel und daraus resultierenden Erkrankungen jodiert. Die Maßnahme ist umstritten, wird aber nach wie vor von der WHO und anderen Organisationen für notwendig gehalten. Wer regelmäßig Algen und/oder Meeresfisch isst, dürfte ausreichend mit Jod versorgt sein. Außerdem wird in Industrie und Gastronomie üblicherweise jodiertes Salz verwendet.
KKAPERN werden ebenso wie viele andere Lebensmittel (Sojasauce, Oliven, Rohschinken, Sardellen, Kimchi, Matjes, Salami, Miso, Sauerkraut, Fischsauce ...)
durch Salz konserviert. Nach dem Einsalzen verlieren die Lebensmittel Wasser, was ihre Haltbarkeit erhöht und einige davon fermentieren, weil weniger salzempfindliche Mikroorganismen überleben, was durch die Milchsäure und weitere Fermentationsprodukte zu noch vollerem Geschmack führt.
LLECKSTEINE fürs Weidevieh wurden tatsächlich einmal unter der Hand als einzig naturbelassenes Salz aus österreichischen Salzbergwerken gehandelt. Mittlerweile wird wieder Natursalz abgebaut – und der Bedarf an Lecksteinen für die Landwirtschaft ist größer, als ihn die kostbaren heimischen Vorkommen decken könnten. Lecksteine werden daher auch importiert.
MMALDON ist das wohl berühmteste Gourmetsalz Europas. Es wird aus Meersalz, das offen gekocht wird (die in Natursole immer auch enthaltenen Bitterstoffe werden im Prozess ausgefällt), hergestellt. Die sich bei Sättigung und richtiger Temperatur formenden
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02 Unendlich faszinierend: Pyramidensalzflocken entstehen, wenn Sole in der genau richtigen Konzentration bei der genau richtigen Temperatur erhitzt wird.
pyramidenförmigen Kristalle werden abgeschöpft, getrocknet und in aller Welt geliebt. Es gibt viele andere Hersteller von Pyramidensalzflocken (in Amerika hat Jacobsen einen ähnlich guten Ruf), aber jene von Maldon gelten als die größten, schönsten, zartesten und mildesten. Die österreichische Antwort darauf wird seit 2020 in Dürrnberg bei Hallein hergestellt.
NNIGARI ist jenes Bittersalz, das traditionell als Nebenprodukt bei der Salzgewinnung aus Meersalz anfällt und zum Dicklegen von Sojamilch für die Tofuherstellung verwendet wird.
OOBST und Salz haben eine ganz spezielle Beziehung. Drei Beispiele: Im Iran werden mit Wonne Weichseln in Salz getunkt. Nicht ganz reife Wassermelonen bekommen mit ein paar Salzflocken ein Upgrade, das jedes Mal wieder verblüfft. Und: Bitterstoffe in Grapefruits werden durch Salz im Zaum gehalten. Allen gemein ist: Salz verstärkt den Grundgeschmack von Lebensmitteln, intensiviert in ei-
nem Wechselspiel der Geschmacksrezeptoren Süße, weshalb Salzkaramell so besonders attraktiv ist, und federt eben Bitterstoffe ab.
PPRISE ist eine völlig unzulängliche Mengenangabe für Salz, weil beinahe immer zu wenig (außer bei einer Süßspeise für eine Person). Volumenangaben sind auch nicht hilfreich, weil je nach verwendetem Salz das Volumen und damit der eigentliche Salzgehalt extrem unterschiedlich sein kann. Salz
sollte daher in Gramm und/oder wenn in Messlöffeln, dann unter Angabe des verwendeten Salzes (zum Beispiel feines Meersalz oder eine Marke) angegeben werden. Bei diesem Buchstaben muss auch das Thema Plastik angesprochen werden: Mikroplastik ist theoretisch in jedem Meersalz enthalten, praktisch gibt es (noch) keine Richtlinien für Grenzwerte und damit auch keine Deklaration. Steinsalz und Salz aus Binnengewässern sind davon nicht oder deutlich weniger (durch Produktion/Verpackung) betroffen.
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03 Meersalz galt lange als das bessere Salz. Die Verschmutzung mit Mikroplastik trübt nicht nur die Weltmeere, sondern auch den Genuss.
QQUELLER ist wie Portulak und Stangensellerie ein erstaunlich salziges Gemüse, was man beim Abschmecken von Gerichten bedenken muss.
RREIS als Rieselhilfe braucht nur, wer einen Salzstreuer verwendet. Durch dessen Löcher passt aber nur industriell hergestelltes Siedesalz oder trocken abgebautes, fein vermahlenes Steinsalz. Alle anderen Meersalze oder Salzflocken haben eine gröbere oder ungleichmäßige Textur und zum Teil auch Restfeuchte, lassen sich daher besser mit den Fingern dosieren.
S
SALZGURKEN stammen zwar nicht aus dem Salzkammergut, sondern eher aus Osteuropa, sind jedoch nichts für salzsensitive Menschen. Auch Salami, Sardellen und Schinken können sehr salzig sein, was sie nicht gerade für eine salzarme Küche empfiehlt, die zum Glück nur wenige Menschen wirklich einhalten müssen. Worauf sich aber alle einigen können, ist: dass man durch Schwitzen Salz verliert, Stockfisch ohne Salz keiner wäre,
TNudelwasser den Salzgehalt von Meerwasser haben soll, Salz aus Salinen stammt, sich Salzflocken in jeder Küche, aber besonders auf einem gegrillten Steak vom Freilandrind und auch auf Schokolade gut machen und in Salzgärten keine Rosen wachsen. Und dass Salat gesalzen gehört, woher übrigens auch sein Name kommt.
TEXTUR Wenn Salz zu mindestens 98 Prozent aus Natriumchlorid besteht, möchte man meinen, dass es bei den zig verfügbaren Salzspezialitäten nur mehr um die Textur geht. Das stimmt zum Teil: Fleur de Sel, durch natürliche Verdunstung gewonnen, und pyramidenförmige Pfannensalzflocken sind Beispiele für zart knuspernde Salze. Die winzigen Anteile anderer Mineralien, Algen u. a. wirken
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sich aber tatsächlich auf den geschmacklichen Charakter der Salze aus. Wer’s nicht glaubt, muss nur eine exakt gleichprozentige Lösung des Salzes in Wasser erzeugen und diese verkosten.
UUMEBOSHI sind unreife, kleine Marillenverwandte, die mit Shisoblättern eingesalzen, fementiert und getrocknet werden und in der japanischen Küche nicht nur aus kulinarischen, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen sehr beliebt sind. Sie schmecken extrem salzig und sauer. Damit wird klar, warum Reis in Japan als Begleiter solcher Speisen nie gesalzen wird. Der weltweite Fermentationshype hat zur Folge, dass nun auch hierzulande alle möglichen Früchte in diesem Stil eingelegt werden.
VVERSALZEN ist versalzen, und die Empfehlungen, etwa Eiweiß in klaren Suppen mitzukochen oder Erdäpfel in Ragouts etc. zu reiben, helfen nur bedingt. Was hilft, ist, zum richtigen Zeitpunkt und bei lange (und vor allem offen) kochenden Gerichten zu Beginn
Weltweit
geliebte Fermentationsprodukte sind ohne Salz undenkbar: egal ob Sojasauce oder Salzzitronen, Sauerkraut oder Käse, Umeboshi oder Salzgurken. Y
auf keinen Fall zu viel zu salzen, weil durch Konzentration der Flüssigkeit der Salzgehalt steigt. Je nach verwendetem Salz sollte man nach dem Salzen auch immer warten, bis es sich komplett aufgelöst hat und erst dann ein weiteres Mal abschmecken.
WWIRSING wird zwar üblicherweise nicht zu Sauerkraut, steht hier aber als hübscher Kohl stellvertretend für Sauerkraut und Kimchi. Denn diese beiden Säulenheiligen der weltweiten Fermentationsgeschichte brauchen Salz, um zu solchen zu werden.
YUZU KOSHŌ ist eine traditionell japanische Würzpaste aus Yuzu (begehrte Zitrusfrucht mit unverwechselbarem Schalenaroma), Chili und Salz, die ihre Anziehungskraft – wie sollte es anders sein – aus der Fermentation erhält. Man würzt damit zum Beispiel Suppen, Miso, Gerichte mit Hühnerfleisch, Saucen zum Dippen. Es gibt sie in einer frischeren grünen Variante (mit früh geernteten grünen Yuzus) und in Orangerot (mit reifen Yuzus).
ZXIMÉNEZ ist eine Traubensorte für Sherry und dieser kann in der trockenen Ausprägung (besonders als Manzanilla und Fino) deutlich salzig schmecken. Verantwortlich dafür sind sowohl hohe Salzgehalte in den Böden der Weingärten als auch die Reife der Weine unter Florhefe, die diesen Geschmackseindruck noch verstärkt.
ZITRONEN in Salz eingelegt sind in Nordafrika eine der wichtigsten Würz-Zutaten und in jeder Speisekammer zu finden. Sie werden aus frischen Bio-Zitronen (am besten Meyer-Zitronen) und grobem Salz hergestellt, einen Monat bei Zimmertemperatur fermentiert und danach im Kühlschrank gelagert. Man verwendet üblicherweise nur die abgelöste Schale samt weißem Albedo, nicht das Fruchtfleisch. Man kann jedoch auch ganze Salzzitronen(viertel) samt Fruchtfleisch (aber ohne Kerne) und Sole zu einer leicht zu dosierenden Salzzitronenpaste mixen.
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ESSEN CANCELN, ABER RICHTIG
TEXT: KATHARINA SEISER
Fett, Eier, Brot, Nudeln, Zucker und Salz weglassen kann jeder. Bei den echten Bösewichten wird’s komplizierter.
Menschen, Veranstaltungen, Werke canceln, das gehört zum guten Ton, wenn man woke ist und Zeit hat, auf Social Media mitzuverfolgen, wer oder was gerade des Cancelns würdig ist. Die Cancel-Sau durchs Dorf zu treiben, das hat aber mit dem Essen begonnen. Dinner-Cancelling war als elegante Diätform Ende des 20. Jahrhunderts sehr in, dann wie jede Diät vergessen, ist nun als Intervallfasten aber wieder da. Davor, währenddessen und danach ging es weniger um gesamte Mahlzeiten, die zwecks Selbstoptimierung zu unterbleiben hätten, sondern um einzelne als schädlich postulierte Lebensmittel oder -gruppen.
Da war zuerst einmal das Fett. Butter galt als Sündenfall aus gesättigten Fettsäuren, Margarine als Rettung (oder Buße). Jetzt gibt es den Marktführer auch in einer Version mit Butteranteil. Butter ist längst rehabilitiert, langsam wird auch die Qualität in Österreich besser (abhängig von Haltung und Futter der Tiere und Herstellungsprozess). Menschen, die sich zusätzlich zum Buttersemmerl Frühstückseier verwehrten, galten als charakterstark, das böse Cholesterin sollte kein Unheil im Körpertempel anrichten. Dummerweise erzeugt dieses vorsintflutliche Bio-Relikt „Körper“ Cholesterin zum überwiegenden Teil selbst, weil es dringenden Bedarf daran hat, vor allem fürs Gehirn. Ohne Fette und Fettbegleitstoffe verhungert und verblödet die Menschheit.
Apropos Semmerl: Nachdem die Fettphobie ein wenig abgenutzt war und sich Fettersatzstoffe wie Olestra in Amerika als das Gegenteil von gesund herausgestellt hatten, kamen die Kohlenhydrate inklusive Gluten und Zucker dran. Nudeln, Brot und Mehlspeisen wurden vom Teufel erfunden. Ein Wunder, dass Italien noch existiert. Es ist viel einfacher, aus Überforderung aus dem unerschöpflichen Füllhorn natürlicher Zutaten eine ganze Gruppe herauszucanceln, als sich genauer anzuschauen, was denn die Ursachen für Unverträglichkeiten sein könnten. Es ist recht einfach: Reduktion auf nur wenige, immer gleiche Nahrungsmittel und die so billig wie möglich, was nur durch Tempo und Hilfsmittel möglich ist. Dabei gehen jedoch wertvolle Inhaltsstoffe verloren, andere können in zu kurzer Zeit nicht gesundheitsförderlich umgewandelt werden: Vor allem beim Brot ist längere Teigführung essenziell, damit es gut verträglich wird. Die Abwechslung würde auch für Süßungsmittel
gelten: Es gibt viel mehr als weißen Kristallzucker, keines davon ist per se böse. Weil auch Eiweiß allein nicht zum Leben ausreicht, haben die Menschen auf allen Kontinenten Techniken und Rezepte entwickelt, Kohlenhydrate aus Getreide, Reis und Knollen gut verfügbar zu machen. Daraus sind die beliebtesten Gerichte entstanden: Nudeln im Osten wie im Westen – und die, die bei Hunger am schnellsten helfen, nämlich Brot und Brei.
Korngröße ist auch das Stichwort für den Gottseibeiuns der gefürchteten Lebensmittel: Salz. Dabei ist es notwendig, um zu überleben. Das Problem ist nicht das Maldon-Salzfässchen auf dem Tisch oder das grobe Meersalz fürs Nudelwasser. Das Problem sind überwürzte (zu süße, zu fette und zu salzige) Fertiggerichte und Snacks, die nicht nur Elektrolythaushalt und Stoffwechsel durcheinanderbringen, sondern Esskultur und kulinarisches Erbe mit einer ganzen Armada an nur dem Herstellungsprozess, der Haltbarkeit und der Marge der Unternehmen geschuldeten Zusätzen gefährden: Nicht das Bio-Freilandei mit Steinsalzflocken oder die Pasta aus Senatore-Cappelli-Hartweizen, der Grießschmarren mit selbst eingekochtem Pfirsichkompott oder die großzügige Verwendung kaltgepresster Pflanzenöle in Salaten und Gemüse gerichten sind das Problem. Sondern Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, die immer mangelnde Produktqualität, Aromen, die immer das Fehlen echten Geschmacks kaschieren. Emulgatoren, die Zutaten in einer Bindung halten, für die man in der eigenen Küche nur einen Schneebesen bräuchte. Isolierte Pflanzenproteine, die für Imitate tierischer Produkte verwendet werden, weil massentauglich designte Würstel gewinnbringender zu verkaufen sind als knackfrische Erbsen oder urban gezüchtete Kräuterseitlinge. Farbstoffe, Säureregulatoren, Stabilisatoren, Verdickungsmittel, Konservierungsmittel – sie alle sind nur dafür da, plastikverpackte Produkte mit standardisiertem Geschmack zum schnellen Auftanken allzeit bereit und unnötig lang haltbar zu machen. Wann haben wir das Einkaufen frischer Zutaten verlernt? Nicht das Dinner und jede andere frisch zubereitete Mahlzeit gehört gecancelt, sondern jene Industrie, die seit Jahrzehnten an der Demontage von sorgfältig erzeugten Lebensmitteln, der Marginalisierung des Kochens und gemeinsamen Essens verdient.
54 S MAGAZIN MOGEL-PACKUNGEN
Im Jahre 1897 schrieb ein gewisser Herr Stoker, Bram mit Vornamen, einen Roman. Das Buch trug den Titel „Dracula“ und in diesem Werk hatte sich ein gewisser Professor van Helsing, Abraham mit Vornamen, mit Untoten, sprich mit Vampiren, herumzuschlagen. Und dabei brachte der Professor ihn ins Spiel, nämlich den Knoblauch, das transsilvanische Hausmittel gegen die Blutsauger. In Indien wiederum wird Knoblauch noch heute außen an Haustüren aufgehängt, um Bewohner vor bösen Eindringlingen zu schützen. Und das ist noch lange nicht alles, was der „Knofel“ kann …
Wovon & wie viel
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WILDER KERL
55 S MAGAZIN KNOFEL & KOLBEN
S. 64 EIN KOLBEN NAMENS KUKURUZ
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WILDER KERL
Nur wenige wissen, dass der Knoblauch, dieser eigenwillige Geselle, über die Jahrhunderte die unterschiedlichsten Varianten ausgebildet hat, die kaum je den Handel erreichen.
Dabei unterscheiden sich all diese Sorten in Aussehen, Farbe, Größe und Geschmack, auch wenn die Worte fehlen, um diese Aroma-Universen zu beschreiben.
TROCKEN UND WARM So ein Knoblauchzopf ist nicht nur hübsch anzuschauen, diese traditionelle Art der Lagerung macht auch Sinn. Denn gut belüftet will die Knolle aufbewahrt werden, auf keinen Fall zu kalt und unbedingt trocken, denn andernfalls setzt in den einzelnen Knoblauchzehen die Keimung ein. Das beeinträchtigt Geschmack und Aroma und muss unbedingt verhindert werden. Geflochten wird der Zopf mit den Blättern, auch Häute genannt.
TEXT: UTE WOLTRON
FOTOS: KLAUS FRITSCH
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Er ist in jedem Küchenschrank der Welt zu finden. Oft hängt er zu schönen Zöpfen geflochten über dem Herd oder liegt griffbereit neben den Zwiebeln im Topf und in den Gemüseladen. Jeder kennt ihn und die meisten haben davon gehört, dass der Knoblauch nicht nur kulinarisch einiges zu bieten hat, sondern auch überaus gesund ist. Vielleicht ist zudem noch bekannt, dass seine Zehen schon seit Jahrtausenden angebaut werden und dass das Lauchgewächs zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit zählt. Manchmal, wenn man Glück hat, bekommt man ihn sogar frisch und saftig zu kaufen, meist jedoch liegt er getrocknet in seinen feinen, papierartigen Hüllen im Gemüseregal. Doch darüber hinaus macht man sich kaum je Gedanken über die scharf-würzigen Knollen, die weltweit so vielfältig als Würze selbstverständliche Verwendung finden. Dabei ist der Knoblauch eine der geheimnisvollsten Pflanzen in unserem Küchensortiment und er gibt jenen, die ihn ziehen und vermehren, immer wieder Rätsel auf.
Das beginnt damit, dass der Knoblauch eine asexuelle Pflanze ist. Er vermehrt sich vegetativ. Warum, das weiß keiner. Der Knoblauch treibt zwar hübsche kugelige Blüten, doch er hat irgendwann in seiner Kulturgeschichte aufgehört, Samen auszubilden. Er vermehrt sich lediglich über Zehen und über die winzigen Brutknollen, die er reichlich in seinen Blüten bildet. Er klont sich gewissermaßen selbst und das bringt Vor- und Nachteile mit sich.
Der Vorzug besteht darin, dass er mangels Samen nie gekreuzt, veredelt oder sonst wie hochgezüchtet werden konnte und somit der wilde Kerl geblieben ist, der er immer schon war. Entsprechend reichhaltig sind seine bekömmlichen Inhaltsstoffe. Denn im Gegensatz zu anderem Gemüse, das sich der Mensch über Züchtungen gewissermaßen nach seinen Geschmacksvorlieben zurechtgelegt und verändert hat, indem etwa die Bitterstoffe reduziert, der Zuckergehalt erhöht wurde, ist der Knoblauch immer noch ursprünglich und so prall gefüllt mit wilden Nährstoffen wie eh und je.
Die Wissenschaft befasst sich schon seit Langem eingehend mit seinen Vorzügen für die Gesundheit, deren Wirkungsfeld so weit ist, dass hier der Platz fehlt, alle Wohltaten aufzuzählen. Doch dass Knoblauch gesund ist, war ohnehin seit Menschengedenken bekannt. Ursprünglich in Zentralasien beheimatet, begann der Knoblauch bereits in der Antike, als natürliche Medizin die Welt zu erobern. In alten chinesischen Schriften wird er ebenso erwähnt wie in dem um 1550 vor unserer Zeitrechnung verfassten ägyptischen Papyrus Ebers, der zu den ältesten erhaltenen medizinischen Schriften zählt. Im Grab Tutanchamuns fand man Knoblauchknollen ebenso wie im Palast von Knossos. Der Talmud preist seine antiparasitäre Wirkung und auch in der Bibel wird von Knoblauch als Stärkungsmittel ägyptischer Sklaven berichtet.
Die griechischen Athleten nahmen vor den Olympischen Spielen vermehrt Knoblauch zu sich, um sich zu ertüchtigen. Hippokrates pries seine Heilkräfte bei Lungenleiden und Verdauungsthemen, Dioskurides, Plinius, die Ärzte des indischen Ayurveda, Hildegard von Bingen und zahllose andere Heilerinnen und Mediziner versäumten es nie, auf die reinigende, kräftigende und der Gesundheit dienliche Wirkung der scharfen Knolle hinzuweisen. Die Briten nannten den Knoblauch während des Zweiten Weltkriegs „russisches Penizillin“, weil russische Sanitäter mangels Antibiotika Wunden mit rohem Knoblauch behandelten. Tatsächlich wirkt der im Knoblauch in Vorstufen vorhandene, erst mit der Zerkleinerung der Zehen gebildete Stoff Allicin stark antibiotisch und hat zudem den Vorzug, dass es im Gegensatz zu Pharmaprodukten kaum Resistenzen gibt.
KNOBLAUCHBLÜTE
Diese Blüten sind die Wiege einer neuen Knoblauchgeneration, doch sind sie auch ein Rätsel. Denn sie produzieren keine Samen wie andere Blüten, es findet keine Bestäubung statt. Es bilden sich stattdessen kleine Brutknollen, aus denen später neue Knoblauchknollen heranwachsen. Wann und warum der Knoblauch aufgehört hat, Samen zu produzieren, bleibt derweil ein Rätsel.
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Doch obwohl sich die „stinkende Rose“, wie er in der Antike genannt wurde, nicht veredeln und durch Züchtung verändern lässt, ist Knoblauch keinesfalls gleich Knoblauch. Tatsächlich gibt es ihn in unterschiedlichsten, regional über lange Zeit auf natürlichem Weg entstandenen Sorten, die sich sowohl in Aussehen als auch in Geschmack und Schärfe deutlich voneinander unterscheiden.
Grundsätzlich kennen wir zwei KnoblauchTypen: Der sogenannte Kultur- oder Gartenknoblauch, Allium sativum var. sativum, ist derjenige, der am häufigsten erhältlich ist. Er wird als Softneck bezeichnet. Der seltenere Schlangenknoblauch, Allium sativum var. ophioscorodon, heißt Hardneck. Aufmerksamen Knoblauchkonsumenten könnte der Unterschied bereits aufgefallen sein: Der Softneck besteht aus mehreren konzentrischen Ringen von Zehen, schuppenartig angeordnet, außen dick, innen dünner werdend. Der kleinere Hardneck hingegen bildet meist nur einen einzelnen Ring von Zehen und ordnet die um einen hohlen Stängel an.
Wie erwähnt haben sich regional über die Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende, unterschiedliche Sorten und Selektionen entwickelt, so etwa in Asien und in traditionell knoblauchversessenen Ländern wie Frankreich und Italien. Doch das Knoblauch-Mekka der Vielfalt liegt im Osten, vor allem in Russland und in der Ukraine. Erich Stekovics, seit geraumer Zeit damit befasst, den heimischen Markt mit lokalem Gourmetknoblauch und mit unterschiedlichen Knoblauchsorten zu versorgen, verweist auch auf die aufkeimende nordamerikanische Knoblauchkultur, die sich der Sache auf wissenschaftlicher Basis annimmt. Die Grundlage dafür sind die alten, unverfälschten Sorten aus Osteuropa und über ihr Auffinden und Sammeln gibt es eine feine Anekdote:
Noch zu Zeiten des Kalten Krieges gelangten mit sowjetischen Schiffsleuten, die den heimatlichen Hafen nie ohne einen ordentlichen Vorrat an Knoblauch verließen, ein paar Knollen nach Amerika, wo der Zufall sie in die Hände und Kochtöpfe kulinarisch bewanderter Leute spielte. Die waren augenblicklich von der überraschenden Intensität und der Güte des Geschmacks begeistert und wollten sofort Saatzehen importieren, was allerdings zu dieser Zeit nicht möglich war. Als der Eiserne Vorhang fiel, machte sich eine Gruppe von Agrarexperten auf den Weg in die Ukraine zu eben jenem Knoblauchbauern, dessen Knollen sie verkostet hatten. Allein –der wollte seinen Knoblauch nicht verkaufen, er gehöre der Familie, erklärte er. Als man ihm jedoch für jede Knoblauchknolle eine Ziege versprach, willigte er in den Tauschhandel ein. Schließlich wanderten 100 Knoblauchknollen über den Atlantik und der Bauer hatte 100 Ziegen mehr.
Einige Zeit später versuchten Botaniker aus Lemberg, die ukrainische Knoblauchvielfalt zu erforschen und riefen die Gemüse- und Bauerngärtner der Nation auf, doch bitte Proben ihrer Produkte einzuschicken. Aber niemand meldete sich. Erst als unter den Einsendern eine Verlosung von Mobiltelefonen angekündigt wurde, kam die Sammlung in Schwung und schließlich konnten etwa 360 unterschiedliche Knoblauchsorten identifiziert werden.
VIELDIMENSIONAL
Die Sortenvielfalt des Knoblauchs erreicht so gut wie nie den Handel, doch es gibt ihn in unterschiedlichsten Formen und Farben. Die einen sind etwa blau gestreift, die anderen kräftig rosa gefärbt, andere wiederum sind semmelbraun, wobei die Färbung der Haut wenig über den Geschmack aussagt. Auch der weist große Unterschiede in Schärfe, Süße, Aroma aus, doch dazu fehlen die Worte, um den Geschmack zu beschreiben.
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Erich Stekovics selbst hat in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Sorten experimentiert, die sich in Farbe, Größe und Geschmack, aber auch was die Lagerfähigkeit betrifft, deutlich unterscheiden. Doch leider, meint er, gebe es kein Vokabular, um die diversen Aromen zu beschreiben: „Aber fest steht, dass man diese alten Sorten nicht mit dem Knoblauch vergleichen kann, den man normalerweise im Geschäft kauft. Eine Zehe davon ist so intensiv wie zehn herkömmliche.“ 99 Prozent der modernen Sorten stammen übrigens aus China, das mit einer Produktion von etwa 21 Millionen Tonnen jährlich der mit gewaltigem Abstand größte Produzent weltweit ist. Zum Vergleich: Indien rangiert auf Platz zwei, produziert jedoch lediglich 1,4 Millionen Tonnen.
Stekovics meint, keine andere Feldfrucht sei schwieriger zu ziehen als der Knoblauch. Für ihn stellt der Knoblauchanbau gar die Königsdisziplin dar. Da es nicht wirtschaftlich ist, reifen Knoblauch zu teilen und die einzelnen Zehen anzubauen, setzt er auf die Brutknollen in den Blüten. Sie werden im Sommer mit dem reifen Knoblauch geerntet und im September gleich wieder angebaut. Bis zum nächsten Juni wachsen sie jeweils zu einer kleinen Zehe heran, dem sogenannten Rundling. Dieser wird geerntet und ein Jahr später abermals gestupft, erst dann wächst er sich zu einer schönen, großen, vielzehigen Knoblauchknolle aus. Das fertige Produkt erfordert also zweimal Anbau und zwei Ernten. Ziemlich aufwendig.
Als einzige Feldfrucht durchlebt der Knoblauch alle vier Jahreszeiten bis zu seiner Erntereife und nur wenn ihm die Bodenbeschaffenheit und die Witterungsbedingungen behagen, wirft er entsprechend Ertrag ab. Im Herbst wird er gepflanzt, da mag er es feucht, damit er einwurzeln kann. Im Winter braucht er möglichst viel Kälte, gerne bis zu minus 20 Grad, denn dann ruht er und will nicht von Schädlingen wie der Knoblauchfliege belästigt werden. Das Frühjahr sollte feucht, aber nicht zu warm ausfallen, denn dann wächst er am besten. Und im Sommer benötigt er Wärme und Trockenheit, um auszureifen.
Viel Handarbeit erfordert der Knoblauchanbau und nur wenn die Witterungsbedingungen über alle Jahreszeiten passen, ist mit einer ertragreichen Ernte zu rechnen. Die erfolgt, sobald die äußeren drei Häute der Knolle trocken sind. Der frische Knoblauch schmeckt übrigens weniger intensiv als der gelagerte. Bis zu 30 Prozent ihres Gewichts verliert die Knolle und entsprechend konzentrierter und schärfer wird ihr Aroma. Apropos Lagerung: Keinesfalls gehören die Zehen in den Kühlschrank, dort ist es ihnen zu feucht, sie treiben aus und werden muffig. Der richtige Lagerort ist warm und trocken.
Noch ein paar Tipps für Knoblauchfetischisten: Eine erprobte Methode, um den Geruch des Knoblauchs zu vertreiben, ist das Kauen von frischer Petersilie. Wirkt tatsächlich, ist gesund und schmeckt gut. Wer viele Zehen schälen will, was vor allem bei kleineren Sorten ein wenig mühsam werden kann, legt den Knoblauch zuvor am besten für ein, zwei Stunden in kaltes Wasser, dann löst sich die Schale fast von selbst. An der Frage, ob der Knoblauch gehackt werden muss oder gepresst werden darf, scheiden sich seit jeher die Geister. Die Kulinarik neigt dem Hacken zu. Die Ernährungsexperten dem Pressen, und zwar aus folgendem Grund: Das so gesunde Allicin entsteht erst, wenn die Zellstruktur aufgebrochen wird und die Aminosäure Alliin und das Enzym Alliinase miteinander in Kontakt kommen. Sofortiges Erhitzen zerstört das Enzym, das Allicin hingegen ist hitzebeständig. Deshalb sollte man den zerkleinerten Knoblauch erst ein paar Minuten rasten lassen und dann erst in Topf und Pfanne werfen.
ZWEI TYPEN
Neben dem Softneck nimmt der zierlichere HardneckKnoblauch eine Sonderrolle ein. Sein hohler Mittelhalm, über den der Softneck nicht verfügt, wirkt wie ein Belüftungsröhrchen, wie ein feiner Kamin, der die Knolle belüftet und diese Knoblauchvarianten haltbarer macht. Darüber hinaus, so die Ernährungswissenschaft, verfügt der Hardneck womöglich über noch mehr gesunde Inhaltsstoffe als der Softneck.
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EIN KOLBEN NAMENS KUKURUZ
DA WERDEN KINDHEITSERINNERUNGEN WACH, ODER?
AN ZEITEN, ALS MAN MAISKOLBEN VOM FELD MITGEHEN LIESS, ZU HAUSE KOCHTE ODER GRILLTE, MIT BUTTER BESTRICH, MIT SALZ NICHT SPARTE, KEIN BESTECK BENÖTIGTE UND KORN UM KORN GENOSS. DAS GETREIDE AUS DER FAMILIE DER SÜSSGRÄSER KANN ABER NOCH EINIGES MEHR. SEHEN SIE SELBST, MACHEN SIE'S NACH.
FOTOS: PHILIPP HORAK
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ZUCKERMAIS-MUSCHELKALTSCHALE
ZUTATEN
- 20 Zuckermaiskolben (frisch/in der Schale)
ANMERKUNGEN
Der mehlig schmeckende Rohsucco verändert durch die Hitze seinen Geschmack und wird zu einem süßlichen, gelben, leicht gebundenen Saft.
Temperaturkontrolle ist wichtig, denn bei zu viel Hitze bindet die Stärke des Succos zu stark und bei zu wenig Hitze verliert er den stärkehaltigen Geschmack nicht und der Succo bleibt zu flüssig.
ZUBEREITUNG
TIPP
Die Zuckermaiskörner mithilfe eines Messers vom Kolben lösen und die ausgelösten Körner entsaften. GAREN DES MAIS-ROHSUCCOS ZU SÜSSEM MAISSAFT
Den anfallenden Trester des entsafteten Maises ein weiteres Mal durch den Entsafter lassen, weil noch sehr viel Geschmack und Flüssigkeit in diesem Trester stecken!
Den Rohsucco durch ein Haarsieb passieren. Anschließend den Saft in einen Koch-Vakuumbeutel geben und vakuumieren.
Den verschweißten, luftfreien Beutel im Wasserbad bei 80 °C mindestens 4 Stunden garen.
- 400 ml Mais-Succo (gegart)
- 100 ml Muschel-Kochsud
ZUCKERMAIS-MUSCHELKALTSCHALE (ABMISCHEN)
Beides kalt vermengen und bei Bedarf mit Salz abschmecken. Je nach Intensität der Muscheln/des Fonds mehr oder weniger Kochsud hineingeben.
Die Kaltschale sollte primär nach süßlichem Mais schmecken und erst im Abgang sollte ein dezentes Muschelaroma spürbar sein.
Am besten geeist mit ausgelösten Muscheln servieren.
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POLENTA-CHIPS
ZUTATEN
- 55 g Polenta weiß
- 250 ml Wasser
- 1 Prise Karpatensalz
- Pflanzenöl zum Frittieren
ZUBEREITUNG
Das Wasser zum Kochen bringen, Salz zugeben, Polenta einrühren und 3 Minuten unter ständigem Rühren köcheln lassen. Danach in größere runde Becher abfüllen und mehrmals auf den Boden klopfen, damit keine Lufteinschlüsse in der Masse verbleiben.
Anschließend vollständig durchfrieren lassen. Die gefrorene Masse aus der Form lösen, leicht antauen lassen und mit der Aufschnittmaschine in möglichst dünne Scheiben schneiden. Diese auf eine Silikon-Kautschuk-Folie zum Trocknen auflegen. Nun mit einem Gitter beschweren und im Dehydrator trocknen.
Die getrockneten Scheiben nach wenigen Stunden aus dem Dehydrator nehmen und bei 160 °C im Pflanzenöl kurz frittieren. Die knusprigen Scheiben auf Küchenpapier ausfetten lassen.
S MAGAZIN 66 SÜSS-GRAS
KNUSPRIGER MAIS (NIXTAMALISIERT)
ZUTATEN
- 5 Maiskolben (frisch)
- 50 g Kalk
- 1750 ml Wasser
ZUBEREITUNG
MAIS (VORBEREITEN)
Die frischen Maiskolben von den Blättern befreien und anschließend die Maiskörner vom Kolben schneiden. Alle Zutaten gut vermengen, bis sich der Kalk aufgelöst hat. Für 1–2 Tage gekühlt lagern, dabei zweimal täglich umrühren.
ANMERKUNG Diesen Prozess nennt man Nixtamalisation
Der Löschkalk spaltet die Stärke im Mais auf und macht den Mais verdaulich. Wenn getrockneten, ungemahlenen Maiskörnern in Wasser gelöschter Kalk oder Holzasche zugesetzt wird und diese darin eingeweicht werden, quellen sie auf. Dadurch wird das im Mais enthaltene Niacytin in Nicotinsäure umgewandelt, der Kalziumgehalt steigt, die enthaltenen Proteine sind für Menschen besser verwertbar. Außerdem lösen sich die mit dem Korn verwachsenen Spelzen und können leicht entfernt werden. Darüber hinaus entstehen gute Klebereigenschaften, welche für daraus hergestellte Backwaren wichtig sind.
- Pflanzenöl zum Frittieren
- Karpatensalz
MAIS (KOCHEN UND TROCKNEN)
Das Wasser abgießen und den Mais in reichlich Salzwasser weich kochen.
Anschließend gut mit fließendem, kaltem Wasser abspülen. Den gekochten, gespülten Mais auf Dehydrator-Matten lose verteilen und für ca. 2–4 Stunden bei 55 °C trocknen lassen.
MAIS KNUSPRIG (FERTIGSTELLEN)
Das Pflanzenöl in einer hohen Kasserolle auf 190 °C erhitzen. Den getrockneten Mais mithilfe eines Spitzsiebes im heißen Fett kurz aufpoppen lassen.
Auf Küchenpapier entfetten und anschließend unter einer Wärmelampe austrocknen lassen.
Zum Abschluss leicht salzen.
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MAIS-MEERFENCHEL-ZWIEBEL-GEBÄCK
ZUTATEN
- 25 g Sumac
- 6,2 g Piment d‘Espelette
- 3,8 g Paprikapulver (geräuchert)
- 7 g Karpatensalz
- 1 Zwiebel (weiß)
- 4 Meerfenchel-Zweige (gezupft, ohne dicke Stiele)
- 8 Babymaiskolben
- Tempuramehl
- Wasser
- Karpatensalz
- Tempuramehl
- Gewürzmischung
ZUBEREITUNG
GEWÜRZMISCHUNG
Alle Zutaten im Mixer zu einem feinen Pulver mixen.
Die weiße Zwiebel halbieren und in 3 mm dünne Streifen schneiden. Den Babymais aus der Schale lösen und der Länge nach in sechs Teile schneiden.
Im Verhältnis 3 Teile Zwiebel : 3 Teile Babymais : 1 Teil Meerfenchel abmischen.
TEMPURATEIG
Nachdem jeder Tempurateig eine unterschiedliche Zusammensetzung hat, einfach der jeweiligen Anleitung auf der Rückseite der Packung folgen.
MAIS-MEERFENCHEL-ZWIEBEL-GEBÄCK (FERTIGSTELLEN)
Das Mais-Meerfenchel-Zwiebel-Gemüse mit dem Tempuramehl leicht stauben und einmal durchmischen, sodass überall Tempuramehl anhaftet.
Im Anschluss etwas vom gerührten Tempurateig über das Gemüse verteilen und behutsam durchmischen.
ANMERKUNG Es sollte so viel Teig über das Gemüse gegeben werden, dass alles schön „mariniert“ ist, ohne dass zu viel Tempura anhaftet.
Nun das Tempura-Gemüse in 6–7 cm große Silikon-Savarin-Formen kreisförmig einfüllen.
Anschließend kurz anfrosten, sofort aus der Form lösen und im angefrorenen Zustand direkt ins 170 °C heiße Fett einlegen. Für 4–6 Minuten goldgelb ausbacken.
Das Gebäck abtropfen lassen und beidseitig großzügig mithilfe eines Teesiebes mit dem Gewürzpulver bestäuben und sofort servieren.
S MAGAZIN 68 SÜSS-GRAS
Ein gewisser Plinius, der Ältere wohlgemerkt, der von 23 bis 79 lebte, berichtet in seinen Schriften von einem Volksstamm zwischen Marseille und Lyon, der künstlich Trockenbeerenauslesen herstellte, indem er die Stängel bis ins Mark einschnitt, sodass die Trauben eintrockneten, ehe sie geerntet wurden. Süßwein hat also eine verdammt lange Geschichte. In Österreich datiert die Geburtsstunde der Süßen mit 1526, als am Hofe des Freiherrn von Leisser in Donnerskirchen erstmals Wein aus extrem spät gelesenen Beeren gekeltert wurde. Und darauf stoßen wir jetzt an …
Wie & für wen
70 DER WEG IST DAS ZIEL S. 100 KOMM, SÜSSER WEIN S. 78 CHEEEESE …
80 GAUMENSPIEL
69 S MAGAZIN WEG & WEIN
S.
S.
3
DER WEG IST DAS ZIEL
SCHNÜRT EURE SCHUHE ODER ZIEHT SIE EUCH AUS, JETZT
WIRD GEWANDERT. LOS GEHT’S BEIM WIRTSHAUS STEIRERECK UND DANN VORBEI AN BRÜNDLN RUND UM DEN POGUSCH.
23.000 SCHRITTE LEBENSFREUDE, UNGLAUBLICHE AUSBLICKE, BEGEISTERNDE EINDRÜCKE UND ÜBERRASCHENDES WIE EIN NICHT GANZ ALLTÄGLICHES BANKERL.
70 S MAGAZIN RUND-GANG
TEXT: ACHIM SCHNEYDER, FOTOS: MIRCO TALIERCIO
01–02 Karl Wenzel geht den Bründlweg immer und immer wieder – und das meist barfuß. Und dann genießt er den Ausblick, wie hier am frühen Morgen, als unten noch der Nebel hängt.
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Sobald der Frühling ins steirische Land gezogen ist und die Temperaturen einen ins Freie locken, entledigt sich Karl Wenzel seines Schuhwerks und geht fortan fast nur noch barfuß. „Weil’s“, so sagt der Karl, „die g’sündeste Art der Fortbewegung ist.“ Und da stört’s ihn auch nicht, „wenn so mancher hinter vorgehaltener Hand sagt, dass ich einen Huscher hab’ …“.
Hat er aber nicht, einen Huscher nämlich, vielmehr hat er Ideen. Und so kam es eines langen Abends im Jahre 1999, dass der Karl und sein guter Freund Heinz Reitbauer, Seniorchef vom Wirtshaus Steirereck
am Pogusch, in ebendiesem Wirtshaus saßen und bei Wein oder Bier oder auch beidem darüber sinnierten, wie man die unmittelbare Umgebung ihrer gemeinsamen Heimat, der östlichen Obersteiermark, auch Hochsteiermark genannt, noch attraktiver, noch besucherfreundlicher gestalten könnte. „Ein romantischer Genusswanderweg rundherum um den Pogusch mit Blick aufs Mur- und Mürztal und rüber zum Hochschwab, das wär’ doch was“, will der Heinz damals gesagt und der Karl will gemeint haben, dass ihm so etwas eh auch schon länger vorschweben würde. „Mit Start und Ziel bei deinem Wirtshaus.“ „Ganz genau, hier beim Wirtshaus. Start und Ziel.“
Einigen wir uns also darauf, dass die beiden Visionäre die Idee gemeinsam hatten. Und es war eine gute Idee, eine sehr gute, es war ein Plan. Einer, der gleichsam lieber gestern als heute verwirklicht werden sollte und wollte. Der Karl machte sich also hurtig auf den Weg, barfuß vermutlich, graste die angrenzenden Bauern und Grundbesitzer ab und leistete wesentliche Vorarbeit, um bis zu einer gemeinsamen Sitzung beim Himmelreichbauer alle ins Boot geholt zu haben. Es sollte gelingen. Und mehr als das, die Bauern und Grundbesitzer gaben bei der entscheidenden Sitzung nicht nur ihr finales Einverständnis,
sie beteiligten sich auch aktiv und stellten – wie auch die umliegenden Gemeinden – Geldmittel zur Realisierung dieses Weges zur Verfügung, zumal es ihr Schaden auf Sicht nicht sein sollte, denn wo ein Wanderer wandert, da braucht’s natürlich eine Labestation. Oder gleich mehrere. Und so ein Bauer hat meist allerhand an Köstlichkeiten zu bieten. Speck und Schmalz und Bratlfett’n, Schweinsbraten, Krapfen, Saft und Most und eventuell auch ein Schnapserl. Es ging schließlich tatsächlich alles überaus rasch über die Bühne und am 29. August 1999 wurde der – wie er korrekt heißt – „Romantische Bründlweg“ feierlich seiner Bestimmung übergeben. Länge elf Kilometer, Lage zwischen 1.023 und 1.218 Metern Seehöhe und
03–04 Gemeinsam mit Pogusch-Wirt Heinz Reitbauer sen. hat Karl Wenzel (Bild) den Bründlweg „erfunden“.
An die Heilkraft des Wassers kann man, muss man aber nicht glauben ...
72 S MAGAZIN RUND-GANG
05 Jause mit Ausblick. Am Rührerhof, einer der urigen Labestationen, die den Bründlweg säumen, kehrt es sich w underbar ein. Most und Saft, Krapfen und Bratlfett’n – alles vom Feinsten.
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gesäumt von zahlreichen Bründln, also Brunnen und Quellen, deren jeweiliges Wasser – so steht’s auf kleinen Taferln geschrieben – wahlweise bei Müdigkeit, Kopfschmerzen, Verstopfung oder anderen kleineren Unannehmlichkeiten heilsame Wirkung haben soll. Und ausgewiesen ist dieser Weg ausdrücklich auch als Barfußweg.
Es gibt zwei Möglichkeiten, den Bründlweg zu beschreiten, wofür, sagt jedenfalls der Karl, ungefähr 23.000 Schritte und – egal ob mit oder ohne Schuh’ –rund dreieinhalb Stunden reine Gehzeit veranschlagt
werden müssten. „Je nachdem, wie gut einer zu Fuß ist. Meine Angaben gelten für durchschnittlich geübte Wandersleut’ …“ Zwei Möglichkeiten also: im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn. Im Uhrzeigersinn bedeutet, dass sich die Vorfreude auf die aus gutem Grund längst legendäre Eierlikörschnitte beim Himmelreichbauer im wahrsten Sinn des Wortes schrittweise steigert und die süße Köstlichkeit letztendlich die Belohnung kurz vor dem Ziel darstellt, gegen den Uhrzeigersinn wiederum hat den Vorteil, dass man die Eierlikörschnittenkalorien gleich wieder verbrennt. Mehrfach vermutlich.
Ganz so wie anno 1999 präsentiert sich der Bründlweg heute freilich nicht mehr, denn inzwi -
schen ist er um so manche Attraktion reicher. Gleich beim Einstieg etwa – und wir lustwandeln heute im Uhrzeigersinn – befindet sich ein Teich, den man auf einem 40 Meter langen, 2013 errichteten, rechts und links eingezäunten und mit Schotter, Sand und Holz ausgelegten Unterwassersteg wadeltief durchwaten kann. Kneippstation quasi. Und wenn man das Schuhwerk schon einmal ausgezogen hat, könnte man’s – je nach Jahreszeit und Wetter – auf den kommenden Etappen ja zumindest versuchsweise dabei belassen. Auf dem Weg zu den Wasserrädern etwa und weiter zur zweiten Kneippstation oder überhaupt
gleich bis zum Schäffer-Huber oder zum Hochegger, wo ein erstes Getränk winkt, ein kleiner Imbiss oder gleich was G’scheites. Einer von beiden hat immer offen, die Ruhetage sind abgestimmt. Und bis dorthin hätte man, den aus Glasflaschen fabrizierten Wegweisern im Uhrzeigersinn folgend, rund 90 Gehminuten in den Beinen.
„Der Hocheggerhof liegt auf 1.185 Metern und hier heroben wird Wein angebaut“, erzählt der Karl. „Der Weingarten ist somit der höchstgelegene Weingarten der Steiermark, vielleicht sogar Österreichs –mit Welschriesling und Blaufränkisch.“ Und gleich noch eine rekordverdächtige Besonderheit findet sich nur rund 300 Meter vom Hochegger entfernt,
74 S MAGAZIN RUND-GANG
06–07 Sehenswürdigkeiten am Wegesrand: Da wäre einmal die längste Sitzbank von überhaupt und außerdem noch eine Weltkugel vom Künstler Dismas Sachan.
nämlich das längste Sitzbankerl des Landes. „Wenn nicht überhaupt der ganzen der Welt“, vermutet der Karl, seines Zeichens übrigens Obmann des Vereins „Romantischer Bründlweg“. Unglaubliche 98,15 perfekt an das Gelände angepasste Meter misst dieses Unikat aus Lärchenholz, das – und darauf ist sein Schöpfer, der Romantiktischler Lambert Hölzl, besonders stolz – „ohne eine einzige Schraube und ohne einen einzigen Nagel auskommt. Ich hab’ alle Teile nur mit Holzstiften zusammengesteckt.“ Nimmt man hier Platz und schaut runter ins Mürztal, könnte man durchaus auch auf seinem eigenen Platz sitzen. Beim
und Stieglitzhütte? Oder vorher doch noch ein kurzer Abstecher talwärts zum Rührerhof, der ein Stück abseits liegt vom eigentlichen Weg? Nein, keine Frage: unbedingt Rührerhof, unbedingt Abstecher! Allein der Bauernkrapfen wegen. Und wegen der Bratlfett’n. Und weil das selbstg’machte Brot so unglaublich gut ist und auch der Apfelmost. Aber: Platz lassen im Baucherl. Weil wer weiß, gibt’s beim Himmelreichbauer vielleicht grad heut’ einen frischen Schweinsbraten aus dem Holzofen mit Kraut und Knödel. Und dann wär’ da ja noch die Sache mit der Eierlikörschnitte. Und außerdem: Haben
Hochegger nämlich kann man nicht nur essen und trinken, man kann auch ein metallenes Taferl käuflich erwerben, seinen Namen mit einer dafür vorgesehenen Maschine einstanzen und das Taferl dann –wo halt ein schönes Platzerl frei ist – auf die lange Bank nageln.
Von dieser langen Bank ist es nicht allzu weit zum sogenannten und holzbaulich-künstlerisch ausgewiesenen Wanderer-Kreisverkehr und dort stellt sich dann die Frage: gleich geradeaus und vorbei an der riesigen Metallskulptur in Form einer Weltkugel vom Künstler Dismas Sachan und weiter Richtung Herrbauer und Wildtiermuseum und Himmelreichbauer und Kapelle und Karlsplatz und Köhlerhütte
Wandersfrau und Wandersmann im Steirereck nicht auch einen Tisch reserviert …?
Nein, nicht vorgreifen, weitermarschieren. Denn gerade auf den letzten Kilometern, beginnend beim Herrbauer, wird das Programm dann tatsächlich noch ein wenig dichter. Da nämlich wartet in einer Pfahlbauhütte das Jagd- und Wildtiermuseum, das zwar weder ein höchstgelegenes wie der Weingarten noch ein längstes wie das Bankerl ist, nein, es ist vielmehr ganz winzig klein für ein Museum und vermutlich deshalb so charmant. Der Clou: Das Museum stellt von außen einen Hochsitz dar und als solcher ist dieser Hochsitz der größte in Europa. Der Karlsplatz wiederum ist eine Obmann Karl Wenzel
08–09
Die ein wenig abseits vom Weg gelegene Himmelreichkapelle hat eine überaus interessante Geschichte. Am besten, man lässt sie sich vom Himmelreichbauer erzählen ...
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gewidmete Aussichtsplattform mit einem mindestens zwei Meter großen und aus Holz geschnitzten rechten Fuß. Ein Barfuß sozusagen. Und dahinter, gut zehn Gehminuten weiter oben und mitten im Wald, versteckt sich auf 1.213 Metern die Himmelreichkapelle. Aber warum gerade hier?
Hans Weissenbacher, der Altbauer des vor bald 500 Jahren erbauten und bis heute stromlosen Fürstnerhofs am Himmelreich, erzählt die Geschichte, während seine Frau Franziska tatsächlich gerade mit einem Schweinsbraten im Holzofen zugange ist
und Tochter und Juniorchefin Huberta die Gäste im Garten bewirtet. „Irgendwann lang früher“, sagt der Hans, „stand dort oben eine hölzerne Marienstatue, die eines Tages in ein Bauernhaus übersiedelt wurde, worauf die alte, dreistämmige Lärche, die ebenfalls dort oben stand, zu welken begann. Und dann brach auch noch eine Seuche aus. Die Bevölkerung war entsprechend verzweifelt und gelobte, gegen die Pest ein hölzernes Marterl zu errichten und auch die Statue wieder aufzustellen. Und was geschah? Die Seuche verflüchtigte sich und auch die alte Lärche begann wieder zu grünen. 1674 suchte dann neuerlich eine Seuche die Gegend heim und als diesmal auch die für die Bauern so lebenswichtigen Tiere verendeten,
gelobten die Menschen aus der Region, anstatt des alten Marterls eine kleine Kapelle aus Holz zu errichten. Auch diesmal wendete sich alles rasch wieder zum Besseren und bald wurde der Platz im Wald als Gnadenstätte verehrt. 1886 wurde die hölzerne Kapelle dann durch eine gemauerte Kapelle ersetzt und im selben Jahr eingeweiht. Tja, und da steht sie immer noch. Ob’s stimmt oder nicht, eine schöne Geschichte ist’s allemal … Jetzt ein Schnapserl?“ Gerne.
Ins Wirtshaus Steirereck ist’s von hier aus – im Bründlweg-Uhrzeigersinn – nur noch eine halbe
Stunde. Wenn überhaupt. „Ich hab’ einen Tisch bei den Reitbauers bestellt“, sagt der Karl, der uns gegen den Uhrzeigersinn und barfuß zum Himmelreichbauer entgegengekommen ist. Echt jetzt? „Ja, aber eh erst für am Abend.“
Das sollte sich ausgehen. Und außerdem: Die Eierlikörschnitte war aus und Bewegung haben wir heut auch schon ausreichend gemacht. Und schön war’s. Wahnsinnig schön. Auf dem Weg, der unser Ziel war.
76 S MAGAZIN RUND-GANG
10–12 Strom gibt’s keinen beim Himmelreichbauer, aber braucht’s den? Nein, denn Seniorchefin Franziskas Schweinsbraten ist auch aus dem Holzofen eine Wucht. Und ihr Mann Hans (rechts) ein nimmermüder Wirt.
77
TEXT: USCHI KORDA
CHEEEESE …
Nach der Zeitwende oder: Wie das Smartphone die kulinarische Szene veränderte.
„Halt! Stopp! Noch nicht reinstechen!“ Fast hätte mir Kollege K. auch noch auf die Finger geklopft. Er schrieb – zu dieser Zeit – eine regelmäßige Kolumne über Essen und Trinken in einem österreichischen Nachrichtenmagazin und ich durfte ihn erstmals beim Besuch eines neuen Lokals begleiten. Sofort ließ ich die Gabel fallen und meine Wangen liefen verschämt rot an. Nicht nur, weil ich dem Kollegen unbedacht fast den Job vermasselt hätte, auch weil plötzlich alle Augen im Restaurant auf uns gerichtet waren. Dessen ungerührt wies mich K. an, den Lampenschirm über dem Tisch schräg zu halten, rückte meinen Teller in den Lichtkegel, zückte den Fotoapparat und drückte ab, damit die Leserinnen und Leser später auch optisch einen Eindruck von unserem Essen bekommen konnten.
Das war vor rund 15 Jahren, Kameras hatten bereits einen Chip statt eines Films, Smartphones aber noch keine guten Kameras. Das sollte sich bald ändern und damit auch das Verhalten der Gäste in Restaurants. Mittlerweile fallen ja eher diejenigen auf, die nicht zum Handy greifen, um ihr Essen zu fotografieren und es stellt sich die Frage: Wer zum Teufel schaut sich das alles an?
Offensichtlich viele, weil heute kaum etwas im Internet so beliebt ist wie die Abbildungen von Essen. 204 Millionen Fotos fanden sich vor Kurzem unter dem Hashtag „foodporn“ neben 327 Millionen Verlinkungen unter #food auf Instagram. Und eine kleine Umfrage im Freundeskreis ergab: Mit nichts holt man sich leichter Likes in sozialen Medien als mit Food-Fotos.
78 S MAGAZIN EAT-ART
Es sei zu einem Phänomen geworden, sagte bereits zu Beginn des Booms Trendforscherin Hanni Rützler, dass sich die Menschen immer mehr über das Essen definieren würden. Waren es einst ModeCodes oder Musik-Stile, mit denen man Individualität ausdrückte, heißt es heute: So ist mein Essen, so bin ich. Knapp mehr als die Hälfte der Fotos werden stolz aus den eigenen Küchen gepostet, der Rest hält fest, was in Restaurants auf den Tisch kommt. Erzählte man früher gerne, was man da und dort gegessen hatte und holte sich bei der Erinnerung daran den Geschmack genussvoll wieder auf die Zunge, zeigt man heute einfach das Foto auf seinem Handy.
Da hatten es die Maler einst viel schwerer. Selbst mit Gehilfen brauchte es Monate, bis etwa Caravaggio seinen „Obstkorb“ oder Raffael das kulinarische Gelage beim „Hochzeitsbankett von Amor und Psyche“ mit präzise gesetzten Lichteffekten und in voller Pracht dargestellt hatten. Die Bilder blieben daher, was sie immer waren: meisterhafte Unikate.
Kleine Meisterwerke des Genusses entstehen auch in den Spitzenküchen dieser Welt. „Das Auge isst zuerst“, sagte der römische Feinschmecker Apicius im 1. Jahrhundert vor Christus und betonte damit erstmals das Zusammenspiel von Optik und Geschmack.
Die Pretiosen der Haute Cuisine aber sind flüchtig. Wer einmal Löffel oder Gabel darin versenkt, darf sich auf das folgende Spiel der Geschmäcker freuen. Die Optik hat dann aber ausgespielt, also wird sie – Klick, Klick – am besten vorher festgehalten. Es soll Spitzenlokale geben, so erzählt man jedenfalls, in denen es als Fauxpas gilt, ein Gericht nicht zu fotografieren. In anderen wiederum sollen den Gästen gleich beim Eingang Utensilien wie kleine Tischstative, Lampen und Filter ausgehändigt werden, damit das Menü auch wirklich instagerecht ins plakative Licht gerückt werden kann. Was kommt als Nächstes? Restaurants, die ihren Gästen sofort nach der Bestellung die Fotos der zu erwartenden Speisen aufs Handy schicken? Bestens inszeniert natürlich und in datenfreundlicher Auflösung, damit man sie im Nu weiterschicken oder für die InternetGefolgschaft hochladen kann.
Überhaupt gilt Insta – wie man gerne kurz und flapsig als Eingeweihter dazu sagt – in der Kulinarik-Szene momentan als Nabel der Welt. Dort lassen sich Trends ablesen, auch solche, mit denen man sich gar nicht mehr zu befassen braucht. So erzählte mir ein holländischer Starkoch im Verlauf eines Interviews ganz nebenbei, dass er auf der Suche nach einem neuen Küchenkonzept mit seiner Crew zuerst einmal ein Monat lang Instagram durchsuchte.
Nicht zur Inspiration, vielmehr um zu filtern, was bereits so inflationär ist, dass man die Finger davon lassen kann. Denn nichts wird lieber kopiert als eine gute Idee.
Es galt zwar einst als Ehre, wenn eine gelungene Komposition von diesem oder jenem Koch, sagen wir einmal, nachempfunden wurde, innerlich kochte aber so manch Urheber vor Wut. Unvergessen die Tiraden, die man lostrat, wenn man den österreichischen Spitzenkoch Werner Matt auf seine SellerieVelouté ansprach: ein Signature Dish, das bald zuhauf kopiert wurde, am liebsten in der Variante, es in einer ausgehöhlten Sellerieknolle zu servieren.
Spitzenrestaurants könnten heute zwar ihre Gäste bitten, einen Abend lang nicht zu fotografieren, dann würden sie allerdings um einen nicht unerheblichen kostenlosen Werbeeffekt umfallen. Und wenn wir ehrlich sind: Selbst wenn sich der eine oder andere aufgrund eines Fotos daran macht, ein Gericht nachzubasteln, es wird zumeist bei der Optik bleiben. Die Kunst des Könners lässt sich nicht allein an einem Foto ablesen. Die Harmonie von Aromen, das geglückte Zusammenspiel von Konsistenzen und die überraschende Kombination von Zutaten sind einfach nur live das volle Vergnügen.
Den Kollegen K. begleite ich noch immer ab und zu bei seinen Lokalaugenscheinen. Ich mittlerweile routiniert im Besteckliegenlassen und Lampenhalten, er mittlerweile ausgestattet mit einem Smartphone samt ausgezeichneter Kamera. Vom Rest der Gäste unterscheiden wir uns nur noch, weil wir dabei leidenschaftlich übers Essen und Kochen reden und uns dem realen Genuss hingeben. Und wenn an den Nachbartischen jemand ein Handy zum Fotografieren zückt, hat sich im Freundeskreis das geflügelte Wort etabliert: „Schau mal, da macht einer den K.!“
USCHI KORDA reist, isst und trinkt gerne und sie schreibt darüber, vorwiegend in Magazinen. Einige der Kochbücher, die unter ihrer Regie entstanden, wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Wienerin hat vor Kurzem ihren Lebensmittelpunkt teilweise nach Triest verlegt, wegen der Küche, des Meers und des Flairs.
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GAUMENSPIEL
Sie sind ein sehr vertrautes Paar, die ZUNGE und der GAUMEN, und nehmen sie zum Essen Platz, spielʼn sie mit Knospen und Papillen das immerschöne Spiel der Spiele: SCHMECKEN. „Koste“, sagt die Zunge und drückt die Erbse auf den Gaumen, dass beide glücklich sind. Und in der nächsten Runde dann sindʼs Wachtelei und Wiesenklee.
REDAKTION: ACHIM SCHNEYDER
80 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
GAUMENSPIEL
„Hast du gehört“, fragt der Gaumen, „was uns der Koch versprochen hat?“ „Ja“, sagt die Zunge, „neun Gänge insgesamt. Ob das nicht etwas viel ist?“ Da lacht der Gaumen und zitiert den Dichter Giovanni Boccaccio (1313–1375): „Es ist besser, zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat.“ Da stimmt die Zunge zu.
FOTOS: THOMAS SCHAUER
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82 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
EINE REISE DURCH ÖSTERREICH UND DARÜBER HINAUS
1 Junge Erbsen mit Apfel, Meyer-Zitrone & Bronzefenchel
2 Lauwarmer Paradeiser-Salat mit Maiwipferl & Estragon
3 Pochiertes Wachtelei mit Wildkräuter-Spinat
4 Knuspriger Wiesenklee mit geröstetem Germ & Sumac
5 Über Holzkohle gegrilltes Karpfen-Ripperl mit Ananaskirschen-Saft
ESSKULTUR:
Im Laufe von Jahrhunderten hat Österreich eine vielfältige kulinarische Identität entwickelt. Verwurzelt in der K.-u.-k.-Monarchie, ist sie ihrer Entwicklungsgeschichte nach durch die Einflüsse der Kronländer und Königreiche eine Vielvölkerküche mit eigenständigen regionalen Spezialitäten, welche sich nicht auf einige wenige Gerichte oder Regionen reduzieren lässt. Viele Geschmäcker, Produkte oder Zubereitungsarten können wir heute geografisch zuordnen. Diese verschiedenen Geschmäcker schaffen aber auch grenzübergreifende Verbindungen zu unseren Familien und zu unserer Geschichte und sind wiederum ein Spiegelbild unserer Lebenskultur.
Im Übrigen: Die Wiener Küche ist die einzige weltweit, die einen Städtenamen trägt. Sie entstand vor mehr als 200 Jahren beim Wiener Kongress an den Wiener Herden, wo die verschiedensten Küchen in friedlicher Mission ihre Traditionen und Geschmäcker teilten und somit den Ruhm der Wiener Küche begründeten.
ANANASKIRSCHEN-SAFT, 4 PORTIONEN
ZUTATEN
- 1 weiße Zwiebel (geschält & grob geschnitten)
- 1 Knoblauchzehe (geschält & grob geschnitten)
- 2 0 g Traubenkernöl
- 250 g gelbe Fleisch-Paradeiser (grob geschnitten)
- 2 00 g Wasser
- 150 g Verjus
- 70 g Ananaskirschen
- 140 g Blütenhonig
- Karpatensalz
- Maisstärke zum Binden
ZUBEREITUNG
Die Zwiebel und den Knoblauch im Traubenkernöl bei mittlerer Hitze farblos weich schmoren.
Paradeiser und Ananaskirschen im Thermomix für 5 Sekunden mixen und zu den Zwiebeln hinzufügen.
Langsam zum Kochen bringen und bei mittlerer Hitze um ein Drittel einkochen lassen.
Anschließend durch ein Spitzsieb passieren.
Mit Honig und Salz abschmecken, bei Bedarf mit etwas Maisstärke binden und durch ein belgisches Sieb passieren.
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84 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
GRÜNSPARGEL MIT BLAUMOHN, MARILLE & VOGERLSALAT
1 Im Salzteig gebackener und über Holzkohle gegrillter Grünspargel mit geröstetem Blaumohn
2 Vogerlsalat-Emulsion
3 Gedörrte Marillen
4 Grünspargel-Salat mit Blaumohnöl, Waldhonig & Limette
5 Mohnmiso-Hollandaise
Wein 2021 Roero Arneis, Valfaccenda / Canale – Piemont
WALDVIERTLER MOHN:
Ist reich an ungesättigten Fettsäuren und enthält wertvolle Mineralstoffe und Vitamine. Vom Mohnhof Gressl/NÖ
IM SALZTEIG GEBACKENER UND ÜBER HOLZKOHLE GEGRILLTER GRÜNSPARGEL MIT GERÖSTETEM BLAUMOHN, 4 PORTIONEN
ZUTATEN
- 24 Grünspargel-Stangen
Grünspargel (zuputzen):
Die eventuell leicht holzigen Stielenden des Grünspargels abschneiden.
Das untere Drittel der Spargelstangen schälen und anschließend die Stangen auf ca. 12 cm Länge portionieren.
Anmerkung: Die Spargel-Enden in gut gesalzenem Wasser bissfest kochen, in Eiswasser abschrecken und für den Spargelsalat beiseitestellen.
- 250 g Weizenmehl (glatt)
- 80 g Karpatensalz
- 150 ml Wasser
- 24 Grünspargel-Stangen (portioniert)
- 50 ml Blaumohnöl
- 25 ml Limettensaft (frisch gepresst)
- 25 ml Blütenhonig
- 4 EL Blaumohn (ganz)
Salzteig:
Mehl und Salz miteinander vermengen, in einen Rührkessel geben und das Wasser hinzufügen.
Für 15 Minuten auf mittlerer Stufe mit einem Knethaken zu einem geschmeidigen Teig verarbeiten, bis sich dieser leicht aus dem Kessel lösen lässt.
Grünspargel (im Salzteig einschlagen):
Den Salzteig ca. 1 cm dick ausrollen und in Boden- und Deckel-Teigplatte teilen.
Den ausgerollten Boden auf ein mit Backpapier belegtes Backblech geben und die portionierten Grünspargel-Stangen nebeneinander auflegen.
Anschließend mit dem Teigdeckel zudecken und die Seiten gut andrücken.
Grünspargel (im Ofen garen):
Den Grünspargel im Salzteig im vorgeheizten Backrohr bei 160 °C je nach Spargelstärke für 15 bis 20 Minuten garen.
Nach dieser Garzeit sollte der Spargel einen leichten Biss aufweisen, da dieser in der Abkühlphase noch etwas nachgart.
Nun den Spargel mit dem Salzteig so rasch wie möglich abkühlen lassen, um den Garprozess schnellstmöglich zu unterbrechen.
Ideal wäre dies in einen Schockfroster/Tiefkühler.
Den abgekühlten Spargel anschließend aus dem Salzteig lösen.
Tipp: Mit einer Garnadel bzw. einem kleinen, dünnen Messer den Garpunkt kontrollieren.
Anmerkung: Der Grünspargel darf allerdings auch nicht zu bissfest gegart werden, denn seinen vollen Geschmack entwickelt er erst, wenn er weich gegart ist.
Blaumohn-Vinaigrette:
Honig und Limettensaft gut vermischen und auf mittlerer Stufe das Blaumohnöl langsam zu einer Emulsion einmontieren.
Den Blaumohn in einer Pfanne ohne Fett rösten, bis dieser leicht Farbe genommen hat.
Kurz vor dem Servieren den in Salzteig gegarten Grünspargel beidseitig kurz, scharf über Holzkohle angrillen.
Anschließend mit der Blaumohn-Vinaigrette einpinseln und mit dem gerösteten Blaumohn bestreuen.
ZUBEREITUNG
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86 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
CAVIAR & LINSEN MIT BANANE & SPECK
1 Beluga-Linsen mit Muskatblüte & Pinienrosmarin
2 Osietra Gold Caviar
3 Pilzcrème mit Baby-Banane
4 Karamellisierte Pistazien
5 Schnittlauch-Blüten
6 Auszug vom luftgetrockneten Schinken mit Bananen-Essig & Schnittlauch-Öl
7 Neusetzer Rückenspeck
8 Getrocknete Weißfische
Wein 2019 Freude, Werlitsch – Ewald Tscheppe / Glanz a.d. Weinstraße – Steiermark
PINIENROSMARIN:
Dieser bis zu 80 cm hoch wachsende Rosmarin ist wahrscheinlich der edelste aller Rosmarin-Arten. Die weichen, feinnadeligen Blätter besitzen ein blumig-harziges, einzigartiges Aroma, das unweigerlich an Pinien erinnert! Aus den Steirereck-Gärten.
BELUGA-LINSEN MIT MUSKATBLÜTE & PINIENROSMARIN, 4 PORTIONEN
ZUTATEN
- 100 g Beluga-Linsen
- 550 ml Wasser
- Linsen-Kochwasser
- 10 g Sepia-Tinte
- ca. 10 ml Bio-Soja-Sauce (Reisetbauer & Trettl)
- 1 Msp. Macis-/Muskatblüte (gemahlen)
- 2 Pinienrosmarin-Zweige - Maisstärke zum Binden - Karpatensalz
ZUBEREITUNG
Beluga-Linsen (kochen):
Die Linsen im Wasser für ca. 6 Stunden einweichen und anschließend im Einweichwasser 10 Minuten weich köcheln. Nach dem Kochvorgang Linsen und Kochwasser trennen und separiert beiseitestellen.
Dashi (Sud):
Das Wasser mit dem Rosmarin in einer flachen Kasserolle fast auf das Minimum einkochen lassen und danach den Rosmarin entfernen.
Mit Tinte, Soja-Sauce, Karpatensalz und Macis abschmecken und mit der Maisstärke zu einer dickflüssigen Glace abbinden. Anschließend die Linsen darin einlegen und gemeinsam aufkochen. Mit der Soja-Sauce und dem Karpatensalz abschmecken.
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88 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
RÄUCHERAAL MIT ALBINA-VEREDUNA-RÜBE, MELANZANI & MEYER-ZITRONEN
1 Räucheraal-Gemüse mit Süßerdäpfel, Melanzani, Schwarzkohl & Salzzitrone
2 Mit Meyer-Zitronen-Molke glacierte, ofengegarte Albina-Vereduna-Rübe
3 Mit Hot-Lemon-Chili eingelegte, gedämpfte und gebratene Rosa-Bianca-Melanzani
4 Mit Perilla-Verjus eingelegte Albina-Vereduna-Rübe
5 Orangen-Tagetes
6 Süßerdäpfel-Petersilien-Emulsion mit Orangen-Tagetes-Öl
Wein 2018 Intuition Foudre, Sextant – Julien & Carole Altaber / Burgund – Frankreich
ALBINA-VEREDUNA-RÜBE/WEISSE RÜBE:
Diese alte holländische Varietät hat einen sehr mild-süßlichen Rote-Rüben-Geschmack ohne erdige Noten. Die mittelgroßen, schneeweißen Rüben besitzen eine den Süßerdäpfeln ähnliche Konsistenz und ihnen wird eine entschlackende Wirkung nachgesagt. Von Robert Brodnjak/NÖ
ZUTATEN
- 1 Albina-Vereduna-Rübe/ Weiße Rübe
- Karpatensalz - Olivenöl
ZUBEREITUNG
Albina-Vereduna-Rübe (garen):
Die Rübe säubern, waschen und auf einem Stück Alufolie platzieren. Salzen, mit Olivenöl benetzen und in die Folie einschlagen.
Im Konvektomaten/Ventilator Stufe 3 bei 200 °C je nach Rübengröße 70–100 Minuten backen.
Herausnehmen und in der geschlossenen Folie überkühlen lassen.
Tipp: im lauwarmen Zustand schälen
Die gegarte, geschälte Albina-Vereduna-Rübe in fingerdicke Scheiben schneiden und mit einem tränenförmigen Ausstecher in die gewünschte Form bringen.
- 100 ml Verjus weiß (Öhlzelt)
- 6 g Shiso/Perilla (rot)
- Shiso-/Perilla-Verjus
- Albina-Vereduna-Tränen
- Maisstärke
- Kristallzucker
- Karpatensalz
Den Shiso säubern, eventuell waschen, mit dem Verjus auf hoher Stufe vakuumieren und bei 85 °C im Wasserbad für 10 Minuten garen.
Den Vakuumbeutel herausheben, abkühlen und für mindestens 6 Stunden gekühlt durchziehen lassen.
Die Rüben-Tränen im Verjus einlegen und bedeckt über Nacht kühl stellen.
Die Rüben aus dem Verjus nehmen. Den Verjus mit etwas Maisstärke kurz aufkochen/abziehen, mit Salz und Zucker abschmecken und die eingelegten Tränen darin glacieren.
MIT PERILLA-VERJUS EINGELEGTE ALBINA-VEREDUNA-RÜBE , 4 PORTIONEN 89
90 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
SCHWEINS-SCHLEPP MIT MANGOLD, PERILLA & JOHANNISBEEREN
1 Confierter, ausgelöster und knusprig gebratener Schweins-Schlepp
2 Kohlsprossen-Crème
3 Warm marinierter Mangold & Blattkohl
4 In Verjus eingelegte schwarze Johannisbeeren
5 Knusprig gebackener Perilla
6 Schweinssaft mit Perilla-Öl
Wein NV Honey Barrel Nr. 8 „Sherry & Single Malt Whisky“, Der Belgier – Raf Toté / Wien
PERILLA/SHISO/JAPANISCHER MAJORAN:
Wird oft zum Färben von konservierten Früchten verwendet. Kreuzkümmel-Aroma. Aus dem Steirereck-Garten
SCHWARZE JOHANNISBEERE:
Sie wird auch Ahlbeere oder Cassis genannt und hat von allen Gartenfrüchten den höchsten Gehalt an Vitamin C.
CONFIERTER, AUSGELÖSTER UND KNUSPRIG GEBRATENER SCHWEINS-SCHLEPP, 4 PORTIONEN
ZUTATEN
- 4 S tk. Schweins-Schlepp (ca. 400 g) gesäubert
- 1000 ml Wasser
- 8 0 g Karpatensalz
ZUBEREITUNG
Schweins-Schlepp beizen:
Das Karpatensalz in kaltem Wasser auflösen und den gesäuberten Schlepp in Salzwasser zugedeckt, gekühlt für 24 Stunden beizen. Nach dieser Zeit den Schlepp herausnehmen, gut abtrocknen und für 30 Minuten lufttrocknen lassen.
Tipp: Das kurze Lufttrocknen bewirkt, dass die restliche Feuchtigkeit bestmöglich austritt.
- 4 S tk. Schweins-Schlepp (gebeizt)
- 750 ml Pflanzenöl
Schweins-Schlepp konfieren:
Das Pflanzenöl auf 90 °C erhitzen und den Schlepp darin für ca. 4 Stunden konfieren. Dabei von Zeit zu Zeit umrühren, um ein Anlegen auf dem Topfboden zu verhindern. Den weichen Schlepp aus dem Öl heben, einen Längsschnitt setzen und den Schlepp als Ganzes vom Knochen lösen.
Tipp: Der Schlepp lässt sich nur im heißen Zustand auslösen.
Schweins-Schlepp (auslösen):
Den ausgelösten Teil auf Knorpel kontrollieren und auf ein Blech mit Backpapier flach nebeneinander, mit der Hautseite nach unten auflegen. Mit einem weiteren Backpapier bedecken und mit einem flachen Blech sowie einem Gewicht beschweren. Über Nacht gekühlt pressen.
Schlepp (knusprig braten):
Den Schlepp zwischen 2 Stück Backpapier auf einem Plattengrill bei 200 °C für 6 Minuten beschwert knusprig braten. Anschließend in die gewünschte Stückgröße portionieren.
Anmerkung: Ein Salzen des Schlepps ist nicht mehr notwendig, da das Fleisch durch das Beizen schon ausreichend Salz aufgenommen hat.
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92 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
ZIEGENKITZ-SCHULTER MIT JUNGEN ERBSEN, RHABARBER & PIMPINELLE
1 In Joghurtmolke geschmorte Ziegenkitz-Schulter
2 Konfierter Wachtelei-Dotter
3 Glacierte junge Erbsen & Zuckerschoten
4 Mit Monarden & Lavendelblüten-Verjus eingelegter rosa Rhabarber
5 Bärlauch-Tempura
6 Marinierter, gebleichter Löwenzahn
7 Pimpinelle
8 Geschäumter Sauerampfer
9 Ziegenkitz-Schmorsaft
10 Pimpinelle-Öl
Wein 2014 St. Laurent „Zagersdorf“, Rosi Schuster / St. Margarethen – Burgenland
PIMPINELLE/KLEINER WIESENKNOPF:
Dieses mild-würzige Salatkraut besitzt einen gurkenähnlichen Geschmack, wächst in vielen Hausgärten und zählt zur Familie der Rosengewächse.
GESCHÄUMTER SAUERAMPFER, 12 PORTIONEN
ZUTATEN
- 120 g Schalotten (fein geschnitten)
- 25 g Butter - 6 g Bärlauch (fein geschnitten)
- 100 g Noilly Prat
- 1/2 Lorbeerblatt
- 1 TL Pfeffer schwarz (ganz)
- 5 00 g Geflügelfond
ZUBEREITUNG
Basis-Ansatz:
Die Butter aufschäumen, Schalotten zufügen und glasig anschwitzen. In den letzten 30 Sekunden den geschnittenen Bärlauch zugeben.
Mit dem Noilly Prat mehrmals ablöschen und den Alkohol vollständig verkochen lassen.
Mit dem Geflügelfond aufgießen und die Gewürze hinzufügen.
Bei mittlerer Hitze ca. auf die Hälfte, zu einer kräftigen Intensität einkochen und anschließend durch ein belgisches Sieb passieren.
- 3 0 g Spinatblätter (gesäubert & gewaschen)
- 70 g Sauerampferblätter (gesäubert & gewaschen)
- 25 g Eiswasser
- 75 g Schlagobers
- 1 P rise Karpatensalz
- 75 g Sauerampfer-Wasser
Sauerampfer-Wasser:
Alle Zutaten gemeinsam für kurze Zeit sehr fein mixen und danach durch ein belgisches Sieb passieren.
Sauce (fertigstellen):
Die Saucen-Basis erwärmen und das Obers sowie eine Prise Salz zufügen. Unmittelbar vor dem Servieren das Sauerampfer-Wasser sowie 1 Flocke Butter beigeben und aufschäumen.
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94 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
GEEISTE ZEDER MIT ELSBEEREN & MELISSE
1 Zedern-Zapfen-Eis mit leicht gedörrten Elsbeeren & kandierten, unreifen Trauben
2 Weiße Ribisel
3 Eingelegte, warme Elsbeeren mit Verjus & Elsbeer-Sirup
4 Zitronenmelisse
5 Elsbeeren-Destillat
Wein NV Hiru „Malawi Green & White Peony“, Ama Brewery / Spanien
LIBANON-ZEDER:
Die einjährigen, männlichen, ca. 10 cm großen, grünen Zapfen besitzen einen feinharzig–zitrusartigen Geschmack. Die Textur der Zapfenlamellen ähnelt im kandierten Zustand eingelegten ArtischockenBlättern. Geerntet von einer 200 Jahre alten Libanon-Zeder im Garten der Kreisky Villa in Wien.
ZEDERN-ZAPFEN-EIS, 12 PORTIONEN
ZUTATEN
- 100 g Zedern-Zapfen (frisch, in mittelgroße Stücke zerteilt)
- 5 00 ml Läuterzucker 1:1
- 5 00 g Heumilch
- 125 g Obers
- 75 g Zedern-Zapfen (vom Sirup)
- 550 g Zedern-Milch
- 7,5 g Pektin NH Nappage
- 37,5 g Kristallzucker
- 100 g Zedern-Sirup
- 250 g Naturjoghurt 3,6 %
ZUBEREITUNG
Zedern-Zapfen-Sirup:
Die Zapfen-Stücke in ein Einmachglas geben und mit dem heißen Läuterzucker übergießen. Für mindestens 3 Tage gekühlt durchziehen lassen.
Vor dem Gebrauch den Sirup abseihen und die Zapfen für die Milch beiseitestellen.
Zedern-Zapfen-Milch:
Milch, Obers und die eingelegten Zedern-Zapfen gemeinsam aufkochen, vom Feuer ziehen und 24 Stunden bedeckt, gekühlt ziehen lassen.
Nach dieser Zeit durch ein feines Sieb passieren und die Zapfen dabei bestmöglich ausdrücken.
Zedern-Zapfen-Eis (fertigstellen): Zucker und Pektin trocken vermengen.
Die Zedern-Milch mit der Zucker-Pektin-Mischung aufkochen und für 1 Minute durchkochen, damit das Pektin bindet. Anschließend die Masse überkühlen lassen und mit einem Stabmixer das Joghurt sowie den Zedern-Sirup einmixen. In der Eismaschine frieren.
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96 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
HIMBEEREN MIT MALVENBLÜTE, KOKOSNUSS & ORANGEN-TAGETES
1 Vanille-Crème
2 Kokos-Pekannuss-Praliné
3 Himbeer-Marmelade
4 Kokoswasser-Baiser
5 Blütenvielfalt & Orangen-Gewürztagetes
6 Malvenblüten-Himbeersauce
7 Orangen-Gewürztagetes-Öl
8 Kokoseis mit getrockneter Malvenblüte
Wein 2021 Rosenmuskateller, Kloster am Spitz – Thomas Schwarz / Purbach – Burgenland
ORANGEN-GEWÜRZTAGETES:
Aromatische, einjährige, kissenförmige Würzpflanze, ursprünglich aus Mittelamerika. Die Blüten sind goldfarben, orange oder zitronengelb, besitzen ein Orangenschalen-Aroma und sind mit der bekannten Balkonblume verwandt. Die feinen, farnartigen Blätter duften fruchtig-würzig, erinnern an Orangen und Mandarinen und finden als Gewürz wie als Tee Verwendung. Aus den Steirereck-Gärten.
KOKOS-PEKANNUSS-PRALINÉ, 12 PORTIONEN
ZUTATEN
- 125 g Kokosflocken
- 75 g Pekannüsse
- 35 g Butter (geklärt)
- 5 0 g Kristallzucker
- 1 P rise Karpatensalz
- 1 Vanilleschote (ausgekratzt)
- 25 g Valrhona Dulcey-Schokolade
ZUBEREITUNG
Kokosflocken und Pekannüsse separiert im vorgeheizten Backrohr bei 160 °C für 4–10 Minuten kräftig rösten.
Die noch heißen Nüsse mit dem Zucker und der Butter in einer Kasserolle karamellisieren.
Die karamellisierten Nüsse gemeinsam mit der Vanille und der Schokolade für mehrere Minuten im Mixer zu einer feinen Paste mixen.
Die noch heiße Praliné-Masse in entsprechende Silikonformen so dünn wie möglich abfüllen.
Bei Zimmertemperatur kurz überkühlen lassen und anschließend gekühlt durchziehen lassen.
Anmerkung: Die Masse sollte heiß in die Silikonformen abgefüllt werden.
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98 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE
Rezept
BLÜTEZEIT MIT KIRSCHE, DUFTVEILCHEN, ROSE, APFEL & LÖWENZAHNBLÜTE
1 Kirschblüten-Crème-Schokolade mit Blütenpollen
2 Duftrosen-Baiser mit eingelegtem Rhabarber
3 Apfelblüten-Granitée mit Eisbegonie
4 Löwenzahn-Gebäck
5 Geeiste, gelierte Duftveilchen
KIRSCHBLÜTEN-CRÈME-SCHOKOLADE, 75 PRALINEN
ZUTATEN
- 100 g Läuterzucker (1:1)
- 25 g Kirschblüten
- 150 g Obers
- 150 g Butter - 75 g Kristallzucker
- 220 g Virunga-Schokolade 70 % (Original Beans)
- 6 0 g Dotter
- 9 0 g Eiweiß
- 70 g Kirschblüten-Sirup
- Butter zum Ausfetten
- Kakaopulver zum Wälzen
- Kirschblüten-Honig
ZUBEREITUNG
Kirschblüten-Sirup:
Den Läuterzucker mit den gesäuberten Kirschblüten vakuumieren und gekühlt für 96 Stunden beizen lassen.
Kurz vor dem Gebrauch durch ein belgisches Sieb passieren.
Kirschblüten-Crème-Schokolade (herstellen):
Obers mit Butter und Zucker in einer Kasserolle einmal aufkochen und anschließend von der Hitze ziehen.
Die Schokoladen-Stücke hinzufügen und mithilfe eines Schneebesens die Obers-Butter-Mischung einrühren.
Anschließend Dotter und Eiweiß in die Schokoladenmasse einrühren und mit dem Kirschblüten-Sirup abschmecken.
Entsprechende Silikon-Formen mit Butter ausfetten und die heiße Masse in die Formen abfüllen.
Mit Frischhaltefolie abdecken und bei 90 °C im Dampf je nach Formgröße 20–25 Minuten garen.
Aus dem Dampf nehmen, Folie entfernen und über Nacht kühl stellen.
Kirschblüten-Crème-Schokolade (fertigstellen): Die erkaltete Schokolade aus der Form lösen, in Kakaopulver wälzen und kurz vor dem Servieren mit dem Honig füllen.
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KOMM, SÜSSER WEIN
AUSERLESENER ANFANG, WAHNSINN IM WERDEN, GOLDENES FINALE: WAS KÖNNEN ÖSTERREICHS SÜSSWEINE – UND WARUM MACHEN SIE ES DEM SOMMELIER MANCHMAL GAR SO SCHWER?
TEXT: SEBASTIAN HOFER
GLAS-WEISE S MAGAZIN 100
FOTOS: PHILIPP HORAK
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01 René Antrag, Sommelier des Steirereck, schätzt Süßweine sehr, aber: „Früher war die Sache einfacher.“
Trockenbeerenauslesen sind ja ein klassischer Fall von: Wie kommt man bitte auf sowas?
Eine Warnung vorweg: Wir werden es auf den folgenden Seiten mit Verrückten zu tun bekommen. Schließlich wird es auf diesen Seiten um Süßwein gehen und wer von Süßwein spricht, muss von Wahnsinn reden. Das ist nicht negativ gemeint, im Gegenteil: Es ist ein Ausdruck von Bewunderung. Denn ja, der Aufwand, der betrieben werden muss, bis eine Trockenbeerenauslese ins Glas findet, lässt sich in keine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung gießen. Der Weg, der dabei zurückgelegt wird, muss jedem rational denkenden Menschen wie ein Irrlauf erscheinen. Es handelt sich außerdem um einen klassischen Fall von: Wie kommt man bitte auf sowas? Also darauf, heillos vertrocknete Weintrauben irgendwann tief im Spätherbst halt doch noch vom Stock zu schneiden, wo man sie aus unerfindlichen Gründen so lange hat hängen lassen, und sie wider jede Weinbauvernunft abzupressen. Oder, noch irrer, dabei auch jene Trauben zu verarbeiten, die im feuchten Herbstnebel schon einen beträchtlichen Flaum angesetzt haben und darunter auch nicht mehr ganz hundertprozentig taufrisch wirken.
Ein anderes Wort für diesen Wahnsinn lautet: Luxus. Purer, unverfälschter Luxus. Höchste Verfeinerung. Womit wir auch schon bei der Farbe wären, die da aus den Gläsern glänzt, die René Antrag, Sommelier des Steirereck, gerade auf den Tisch stellt. Auf frisch gebügelter Tischwäsche in strahlendem Blütenweiß leuchtet: Gold. Flüssiges Gold. Süßweine aus Österreich, in ihrer ganzen Bandbreite. Und die ist übrigens beträchtlich. „Wir reden hier bitte nicht nur von der klassischen Trockenbeerenauslese aus dem Seewinkel“, mahnt Antrag. „Ich möchte gern das ganze Spektrum vor den Vorhang holen, nicht nur die eh weltberühmten Süßweine von Kracher oder Tschida. Die haben ihren Ruf ganz zu Recht, aber daneben gibt es halt doch noch allerhand zu entdecken.“ Sagt’s, und schenkt ein.
„Und schon nähern wir uns der Crux dieser Geschichte“, spricht der Sommelier ein heikles Thema an: Süßweine sind – im Rahmen eines mehrgängigen Menüs – alles andere als Selbstläufer, ja insgesamt ein etwas heikles Thema. Sie sind tendenziell aus der Mode gekommen seit der, nun ja, guten alten Zeit, in der die Gänseleber im zweiten Gang ihren Stammplatz hatte. Dazu konnte auch schon früh im Menü eine Beerenauslese serviert werden, aber: „Die Küche hat sich weiterentwickelt“, sagt René Antrag – und sie hat seine Aufgabe damit ein bisschen schwieriger gemacht. Aber das heißt eben auch: spannender. Die Dramaturgie einer Weinbegleitung über sechs, sieben, acht Gänge lässt sich heutzutage nicht mehr in den alten Leitplanken abfahren. „Früher war die Sache ziemlich klar: erst leicht-frisch Weiß, dann kräftig Weiß, dann Rot und am Ende ein opulenter Süßwein. Das ist heute nicht mehr so einfach. Selbst die Desserts sind weniger süß, manchmal fast gemüsig. Insgesamt geht der Trend in Richtung Leichtigkeit und Eleganz, darauf muss auch eine Weinbegleitung reagieren.“
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Ein anderes Wort für diesen Wahnsinn lautet: Luxus.
Purer, unverfälschter Luxus.
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02 Einige der höchstprämierten Süßweine der Welt stammen aus Österreich – insbesondere aus dem burgenländischen Seewinkel.
Aber wer René Antrag kennt, weiß, dass er sich zu helfen weiß, genauer gesagt: uns – und auch schon den 2021er „Schöner Riesling“ von Peter Veyder-Malberg aus Spitz in der Wachau im Glas schwenkt. „Den hat Peter 2014 erstmals gemacht, im Grunde als Zufallsprodukt. In dem Jahrgang kamen gerade in den kühleren Wachauer Riesling-Lagen nur wenige Trauben zur Hochreife, so war die Säure sehr präsent. Also hat sich Peter am deutschen Kabinett-Stil orientiert und den Wein mit einem gewissen Restzucker ausbalanciert.“ Dazu wird die Gärung – durch frühe Filtration und Schwefelung – gestoppt, bevor der komplette Fruchtzucker in Alkohol umgewandelt ist. Die scheinbare Notlösung erwies sich als Glücksgriff, wird seither jährlich produziert – und bringt Antrag zum Schwärmen: „Das ist kein Süßwein im engeren Sinn, das ist ein Weißwein mit Restzucker, da geht es um Eleganz, Leichtigkeit und Frische. Der hat auch wenig Alkohol, 9 Prozent; das ist lebendig, frisch, mit Zitrusaromen und einem zarten Zuckerspitzerl, insgesamt kernig und knackig. Das ist ein Süßwein, den man auch ganz entspannt nachmittags auf der Terrasse trinken kann und den ich mir gut zu zart marinierten, leicht exotischen Fischgerichten vorstellen kann.“
Benachbartes Weinbaugebiet, ähnliche Geschichte, ganz andere Baustelle: Auch der Grüne Veltliner Ried Lamm Auslese 2009 vom Weingut Bründlmayer aus Langenlois kam eher zufällig zustande, es wird dies allerdings ein Einzelfall bleiben. Einige Chargen hochreifes Traubenmaterial von der Ried Kammerner Lamm, das für den klassischen, trockenen Grünen Veltliner Lamm gedacht gewesen wäre, sind damals nicht komplett durchgegoren und wurden – nach sechs Monaten in 300-LiterHolzfässern und weiteren eineinhalb Jahren im großen Holzfass – separat abgefüllt. Antrag dekantiert den Wein in die Karaffe – ja, auch süße Weine brauchen Luft! – und kostet: „Da reden wir jetzt schon über einen gereiften Wein, das hat auch sekundäre Aromen wie Tabak, weißer Pfeffer, dazu Quitten, Birnen, ein bisschen Weihrauch. Das ist nicht plump süß, sondern vom Veltliner dominiert, mit Würze und superfrischer Säure. Ein geiler Wein. Den kannst du mit dieser Würze fast wie ein Chutney einsetzen. Wir empfehlen ihn auch zu Käse, denn er kann die ganze Bandbreite begleiten.“ Die scheinbar klassische Kombination Käse-Süßwein ist nämlich nicht so unkompliziert, wie man gemeinhin annimmt. Vor allem, wenn es sich um eine Selektion vom Käsewagen handelt. Zu Blauschimmel und gut gereiftem Hartkäse lassen sich Süßweine sicher sehr gut einsetzen, „aber auch dann sollte der Wein eine gewisse Reife haben und weniger primäre Frucht. Jüngeren Käsen oder gar einem Frischkäse bekommt eine zu stark ausgeprägte Süße aber weniger gut.“
Zeit für ein paar Basics: Das Naturwunder der Süßweinwerdung beruht im Wesentlichen darauf, dass die Flüssigkeit in der Beere konzentriert wird, wodurch der Zucker- im Verhältnis zum Wassergehalt zunimmt. Begünstigt wird dieser Prozess von der Edelfäule Botrytis cinerea, die die Beerenschale perforiert, wodurch Wasser entweichen und sich die Beere in Richtung Rosine entwickeln kann. Je nach Herstellungsmethode und Höhe der Zuckergradation werden verschiedene Prädikate ausgezeichnet: Bei den fruchtsüßen Weinen, die ohne Botrytis gelesen werden, spricht man von Spätlesen oder Auslesen, bei den edelsüßen (mit Botrytis) von Beeren- oder Trockenbeerenauslesen.
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03 René Antrag: „Für mich ist das Wichtigste bei einem Süßwein, dass er Frische, Eleganz und eine gewisse Zugänglichkeit hat.“
Speziell in Österreich galt Restzucker jahrelang fast schon als Weinfehler.
Letztere sind übrigens in Österreich seit ziemlich genau 500 Jahren dokumentiert. Anno 1526 wurde am Hof des damaligen Freiherrn von Leisser in Donnerskirchen aus eingetrockneten Beeren ein Wein gekeltert, der sich als dermaßen wohlschmeckend erwies, dass der Fürst Paul Esterházy 1653 den kompletten Bestand aufkaufte und – gut gelagert – zu besonderen Anlässen ausschenken ließ. Der Weinlegende nach kam diese 1526er Trockenbeerenauslese auf Burg Forchtenstein bis ins Jahr 1852 zum Einsatz. Die Lagerfähigkeit hochwertiger Süßweine ist nicht nur legendär, sie ist auch faktisch gut dokumentiert. Reifere Süßweine legen ihre fruchtige Süße im Lauf der Jahre zugunsten herbaler, gedörrter, auch teeartiger Aromen ab. Man muss trotzdem keine 300 Jahre warten, um einen solchen Wein mit Gewinn zu trinken. Man kann auch einfach sofort eine Flasche von Andi Kollwentz’ Beerenauslese Scheurebe 2016 aufmachen. „Das ist nicht so konzentriert süß wie eine Trockenbeerenauslese“, sagt René Antrag und versteht das als Qualitätsurteil. „Für mich ist das Wichtigste bei einem Süßwein, dass er Frische, Eleganz und eine gewisse Zugänglichkeit hat. Das ist bei diesem Wein superschön gelungen. Das ist spät im November gelesen, auf mittlerem Hang am Leithagebirge, teilweise schon mit Botrytis, aber am Ende wird es nie plump ausladend oder opulent.“
Das wiederum soll auf gar keinen Fall heißen, dass Trockenbeerenauslesen an sich plump seien oder in Sachen Finesse zu wünschen übrig ließen. Zum Beweis hat René Antrag drei herausragende Exemplare mitgebracht, das erste davon gleich ein Sonderfall namens Ruster Ausbruch. Diese Süßwein-Spezialität (im Prinzip eine auf die Spitze getriebene Trockenbeerenauslese) wird von Ruster Winzern schon seit Jahrhunderten hergestellt, doch erst seit dem Jahr 2020 ist der Ruster Ausbruch als geschützte Herkunftsbezeichnung Teil des österreichischen DAC-Systems. Ein wichtiger Schritt in Richtung Kontinuität und Wertschätzung, nicht nur für Kurt Feiler-Artinger. Sein Ruster Ausbruch Essenz 2018 vom Weißburgunder steht gewissermaßen an der Spitze der Süßweinpyramide, wie René Antrag erklärt: „Die Essenz ist beim Ruster Ausbruch noch einmal einen Tick höher angesetzt, was die Zuckerkonzentration betrifft. Da kommt es beim Pressen wirklich nur mehr tröpfchenweise heraus. Im Schnitt rechnet Kurt Feiler-Artinger für einen Liter Ruster Ausbruch mit fünf Kilo Botrytis-Trauben. Hier gerät man dann schon in eine Dichte hinein, wo die alkoholische Gärung fast nicht mehr stattfinden kann, deswegen hat der Wein auch nur 6,5 Prozent Alkohol und einen sehr hohen Restzuckeranteil. Das ist schon hochkonzentriert, allerdings eben gepaart mit einer entsprechenden Säure, die für Eleganz sorgt. Das geht in Richtung Steinobst, Mostbirne, hat auch eine ganz cremige, seidige Textur, fantastisch.“
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Weine wie diese begründeten – nicht zuletzt dank ihrer Beliebtheit am kaiserlichen Hof – einst den Ruhm und Reichtum Rusts. Die Süßweine aus dem ungarischen Tokaj etwa haben eine buchstäblich reiche habsburgermonarchische Geschichte. Edler Wein war, tatsächlich über Jahrhunderte, in erster Linie Süßwein. Auch deshalb gibt das zwiespältige Image, das Süßweine bei vielen zeitgenössischen Weintrinkern haben, Rätsel auf. Einerseits gehören sie zu den wertvollsten, auch teuersten Weinen der Welt. Dennoch werden sie in aller Regel unterschätzt, sofern nicht gerade Château d’Yquem auf dem Etikett steht oder Egon Müller-Scharzhof. Speziell in Österreich galt Restzucker jahrelang fast schon als Weinfehler, waren etwa Rieslinge im deutschen Kabinett-Stil nur schwer vermittelbar (inzwischen kommen sie auch hier wieder in Mode). Umso schwerer wiegt dieses Vorurteil angesichts der Tatsache, dass einige der höchstprämierten Süßweine aus Österreich stammen, namentlich die Trockenbeerenauslesen aus dem Seewinkel, von den Illmitzer Weltstars Hans Tschida und Gerhard Kracher – und voilà: Wie aufs Stichwort folgt nun der zweite Wein aus René Antrags Trockenbeerenauslese-Auswahl, Gerhard Krachers Welschriesling Trockenbeerenauslese 2015 „ Zwischen den Seen“ Nummer 2. Kurze Erklärung bitte, Herr Antrag: „Gerhards Vater Alois hat in den 1990er-Jahren begonnen, seine Trockenbeerenauslesen nach ansteigender Intensität durchzunummerieren. Die Serie ‚Zwischen den Seen‘ ist im Stahltank oder großem Holzfass ausgebaut, ‚Nouvelle Vague‘ im Barrique. Bei allen diesen Weinen kann man sehr schön erleben, wie unterschiedlich sich die verschiedenen Rebsorten in der Edelsüße entwickeln. Außerdem wird man feststellen, wie perfekt das Terroir des Seewinkels für solche Weine geeignet ist: sandige Böden, etwas Kalkeinfluss, das sorgt für salzige Textur und Komplexität, dazu das für die Botrytis entscheidende Wechselspiel von feuchtem Frühnebel und trockenen Nachmittagen.“ Tatsächlich sind die großen Süßweingebiete in der Regel an Seen oder Flüssen gelegen, am Neusiedler See eben oder auch an Gironde und Mosel.
Oder am Sulzbach bei Straden natürlich, mitten im steirischen Vulkanland. Nun gut, die mikroklimatische Bedeutung dieses Gewässers mag überschaubar sein, die Qualität der Trockenbeerenauslesen, die am Stradener Weingut Frauwallner entstehen, spricht aber für sich. Großer Auftritt für den Sauvignon Blanc Trockenbeerenauslese Ried Buch 2017, ein letztes großes Schwärmen von René Antrag: „Sauvignon Blanc bringt, ähnlich wie Welschriesling, genug Säure mit, um als Trockenbeerenauslese richtig spannend zu werden. Das hier geht eben nicht in Richtung Honig, das hat eine Kräuterigkeit, auch tropische Früchte. Die Ried Buch zählt übrigens zu den Toplagen der Frauwallners. Das hat auch etwas Salziges, ein wenig Zitronenabrieb. Natürlich hat das schon einen gewissen Punch, vom Restzucker her, bleibt aber immer straff und auf Zug.“
Mit einer Portion Wahnsinn ist offenbar wirklich alles möglich. Gold aus der Südsteiermark. Verrückt.
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Ein gewisser Herr Huber, Roland mit Vornamen, schrieb im Jahr 2006 ein Bewerbungsschreiben. Und bekam den Job. Von da an kochte er – wenn auch nur ein Jahr – im Steirereck, ehe er und seine Frau Barbara über allerlei Umwege in Hadersdorf am Kamp landeten und das „Esslokal“ eröffneten. Ein Glücksfall, denn die erstmalige Selbstständigkeit der beiden garantiert dem Gast Freudensprünge der Sinne, wovon sich jüngst auch ein gewisser Herr Reitbauer, Heinz mit Vornamen, überzeugte. Es muss also nicht zwingend Mailand sein, obwohl’s dort auch sehr gut schmeckt …
Wohin & zurück 4
S.
S. 128
DIE PARFÜMS DER KÜCHE UND EIN ABEND VOLLER LIEBE S MAGAZIN KLEINES DORF & GROSSE STADT
ANS ENDE DER WELT
110 BIS
ANDERSWO RESERVIERT
DER HUNGER DER REICHEN 109
S. 130
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TEXT: ACHIM SCHNEYDER
FOTOS: MIRCO TALIERCIO
VON HADERSDORF
01–03 Roland und Barbara haben sich ein kleines Paradies erschaffen. Und in nicht allzu ferner Zukunft wird das Lokal auch über Gästezimmer verfügen.
DIES IST DIE GESCHICHTE VON DEN HUBERS. VON BARBARA, DIE 2003 ALS ERSTE WEIBLICHE SERVICEKRAFT IM STEIRERECK IHREN DIENST ANTRAT, UND VON ROLAND, DER 2006 ALS JUNGER KOCH BEI DEN REITBAUERS ANHEUERTE. NUR EIN JAHR
SPÄTER VERLIESSEN DIE BEIDEN DEN STADTPARK – HAND IN HAND UND SEHR VERLIEBT. UND HEUTE BETREIBEN SIE ALS EHEPAAR DAS WUNDERBARE ESSLOKAL IN HADERSDORF AM
KAMP UND TRÄUMEN EINEN WOHNMOBILEN TRAUM.
BIS ANS ENDE DER WELT
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Barbara und Roland, sie ein 1979er-, er ein 1983er-Jahrgang, scharrten voller Tatendrang in den Startlöchern. Der Schwarze Engel, das ehemalige Wirtshaus im alten Streckhof am Hauptplatz zu Hadersdorf, war nach nicht einmal vier Monaten Umbauzeit und ganz nach den Vorstellungen der neuen Pächter in ein wahres Schmuckstück verwandelt worden und auch der erste Großeinkauf war erledigt. „Das Kühlhaus war voll bis unters Dach“, sagt Roland. Die Tische und Sessel waren ebenfalls zurechtgerückt, die Stoffservietten gebügelt, Besteck und Gläser poliert, der Wein war bereit, geöffnet zu werden und die Vorfreude auf den ultimativen Schritt in die gemeinsame Selbstständigkeit riesengroß. Ein paar Tage noch, dann würde das neue Restaurant namens Esslokal seine ersten Gäste begrüßen, denn was sollte jetzt noch groß schiefgehen? Man schrieb Mitte März 2020.
Tja, was sollte jetzt noch groß schiefgehen … Alles quasi. Denn wie ein Keulenschlag traf der erste Lockdown des Landes quasi über Nacht nicht zuletzt die Gastronomie, sämtliche Betriebe sperrten zu und die perplexen Hubers gar nicht erst auf. „Das war schon ein bisserl ein Wahnsinn“, erinnert sich Barbara an das Ende vom Anfang. „Wir haben uns also hing’setzt, ich hab’ zwei Gläser Wein eing’schenkt und dann haben wir nachgedacht.“ Allzu lange sollte diese Nachdenkphase allerdings nicht dauern, denn rasch war jener Beschluss gefasst, den damals so viele gefasst hatten: umstellen auf Take-away. „Wobei ,umstellen‘ für uns ja nicht wirklich gegolten hat …“, sagt Roland und bereitet, während er weitererzählt, in der offenen Küche gleich hinter dem Entrée allerlei Köstlichkeiten vor, denn für Mittag haben sich die ehemaligen Chefs angekündigt, die Reitbauers.
„Das Problem war, dass uns ja noch keiner kannte, zumindest nicht in geöffnetem Zustand. Also haben wir eine Lockdown-Speisekarte aus dem Ärmel geschüttelt und diese via soziale Medien und Newsletter rasch noch unters Volk gebracht. Und dann … Na geh, so ein Mist …“ „Und dann“, übernimmt Barbara quasi volley, weil dem Roland grad eine kleine Schüssel runtergefallen ist und er ein bisserl fluchen muss, „ist es so richtig über uns hereingebrochen. Am ersten Tag des Lockdowns hatten wir unglaubliche 250 Bestellungen. Aber wir waren nur zu zweit, der Roland und ich. Dann haben wir in unserer Not meine Schwester und einen Freund um Hilfe gebeten und die Situation zu viert so gut es ging gerettet. Und es ging erstaunlich gut. Und gut ging es weiter.“
Jetzt geht die Türe auf und Heinz Reitbauer steht im Lokal, das an diesem Tag zu Mittag eigentlich geschlossen hat, aber für die Reitbauers macht man gerne eine Ausnahme. Wobei es entgegen der ursprünglichen Planung nur ein Reitbauer ist, der den ehemaligen Mitarbeitern den Premierenbesuch abstattet, denn der Heinz muss die Birgit nach der herzlichen Begrüßung gleich einmal entschuldigen. Eine Grippewelle hat das Steirereck-Servicepersonal heimgesucht, die Chefin ist also unabkömmlich. „Sehr schade“, sagen die Hubers. „Ja, sehr schade“, sagt Heinz. „Vor allem, weil’s ihr bei euch genauso gut gefallen würde, wie es mir hier gefällt.“ Und nach einer kurzen Pause: „Das sind ja alles Spoerris, die da an den Wänden hängen, oder?“ „Ja“, sagt Barbara, „und die Skulpturen auf dem Boden sind auch von ihm.“
04 Ein bestens eingespieltes
Team: Roland Seite an Seite mit Clemens Greylinger, der seinem Chef seit der Eröffnung des Lokals mehr ist als ein bloßer Assi.
112 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
Dass tatsächlich so viele Werke des weltbekannten bildenden Künstlers Daniel Spoerri ausgerechnet hier zu bestaunen sind, hat einen guten Grund. Spoerri, 1930 in Rumänien geboren, Schweizer Staatsbürger und Erfinder der sogenannten Eat Art, lebt seit 2007 in Wien und erwarb 2009 zwei Gebäude am Hadersdorfer Hauptplatz. Zum einen das ehemalige Kloster aus dem 13. Jahrhundert, heute das Ausstellungshaus Spoerri, zum anderen das ehemalige Kino, heute das Esslokal. „Das Kino befand sich im ersten Stock und war das erste Stummfilmkino Niederösterreichs“, sagt Barbara. „Inzwischen ist’s unser Festsaal.“
05 Kleinigkeiten, die im Geschmack ganz, ganz groß sind: Paradeiser etwa, eingelegt und mit Ingwer, Sesam und Koriander auf die kulinarische Spitze getrieben.
Und dann ist es so weit, Heinz und Hubers nehmen Platz an einem runden Tisch im Eck an einem jener alten Fenster, deren Scheiben noch mundgeblasenes Glas schmückt. „Es gibt aber nur ein bisserl was, ein paar Kleinigkeiten zum Kosten“, sagt Roland fast entschuldigend, untertreibt damit allerdings maßlos, denn dieses Bisserl wächst sich zu einem fantastischen großen Ganzen aus: Velouté vom Kaisergranat mit Sate und Kaffirlimette, also eine französische Soße als Suppe serviert; French Toast mit Schweinebauch, Pfefferoni und Ananas; Croustades mit Thai Beef, Basilikum und Bittersalaten; Gyoza-Tascherl mit Ahornsirup, Kohlrabi und Bonito; eingelegte Paradeiser mit Ingwer, Sesam und Koriander; Grüner Spargel mit Shiso-Vinaigrette, Zitrus und MisoKaramell; Kagoshima-Wagyu mit Tropea-Zwiebeln, Judasohren und Cochayuyo; gedämpftes Spitz kraut mit Yuzu, Shiitake und Wiener Aromaten; Kochsalat mit Fingerlimetten, Kaviar des Feldes und Räucheraal.
„Respekt und Bewunderung“, sagt Heinz und legt die Serviette zur Seite, „das war ganz große Klasse.“ Und diese Begeisterung kommt von Herzen.
„Ich glaub’ ja, dass ich immer noch im Steirereck wär’, wenn du mir nicht in die Quere gekommen wärst“, sagt Barbara zu Roland, als Heinz wieder auf dem Weg nach Wien ist. „Meinst wirklich?“
„Ja, mein ich …“ Dieses In-die-Quere-Kommen sollte die beiden freilich dennoch nicht bremsen, im Gegenteil. Barbara und Roland verschlug es unmittelbar nach dem Steirereck ins Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach, wo zu dieser Zeit Dieter Müller Küchenchef und Patron des dank ihm mit drei Michelin-Sternen geadelten Gourmetrestaurants war. „So toll das dort auch war, finanziell war’s weniger erfreulich“, sagt Barbara, eine gebürtige Salzburgerin aus Großarl, die ursprünglich übrigens ganz andere Pläne hatte. „Ich wollte nach Wien, um an der Angewandten Kunst zu studieren und bis es so weit war, mit diversen Jobs in der Gastronomie ein bisserl was verdienen. Und dann bin ich in der Gastronomie hängengeblieben.“ Nach Wien wollte sie nach zwei „Flatterjahren“, wie sie diese Zeit nennt, zwar immer noch, bloß nicht mehr an die Angewandte, sondern ins Steirereck. „Wenn schon, denn schon, denn das Steirereck war für mich eines Tages das Ziel aller Ziele.“
Aber zurück ins Schlosshotel Lerbach, respektive auch schon wieder weg von dort. Im Pfefferschiff in Salzburg ließ sich nämlich mehr verdienen und so gingen die beiden zwischenzeitlich an der Salzach an Bord. „Dann hab’ ich aber erfahren, dass im Kloster Und in Krems ein Chefkoch gesucht wird, also hab’ ich mich beworben. Und wurde genommen. Und die Barbara auch.“ Barbara war allerdings schon recht bald danach schwanger und nach einem Jahr im Kloster kam die erste der
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114 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
Kunst findet sich hier nicht nur auf den Tellern, Kunst findet sich hier nahezu überall. Und zwar in Form von Bildern und Skulpturen von Daniel Spoerri, dem Erfinder der sogenannten Eat Art.
06–07 Der ehemalige Chef wird verwöhnt. Heinz Reitbauer überzeugt sich im Esslokal mit großer Freude vom Können seiner ehemaligen Schützlinge.
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Zwanglos soll’s zugehen im Esslokal. Man soll Spaß haben und sitzen bleiben wollen und darf durchaus auch mal laut sein.
beiden gemeinsamen Töchter zur Welt. Roland wiederum begann zu dieser Zeit, von Krems nach Wien zu pendeln, weil er das Kloster Und mit dem Le Ciel im Grand Hotel in der Hauptstadt tauschte. „Eigentlich waren wir ja auf der Suche nach einer Wohnung in Wien, aber dann hab’ ich im Internet ein Haus in Engabrunn im Bezirk Krems gefunden, und zwar den ehemaligen Weinkeller vom Stift Herzogenburg“, sagt Barbara. „Und das war ein Haupttreffer, auch wenn der Roland weitere Jahre nach Wien pendeln musste.“
116 S MAGAZIN HAUS-BESUCH
08–09 Kostproben aus dem kulinarischen Schaffen von Roland, dass sich der Tisch so richtig biegt. Und eines Tages werden sich die Hubers belohnen und eine große Reise tun.
Jahre, in denen – vor allem beim Roland – der Wunsch nach Selbstständigkeit ein immer größerer wurde und als eines Tages im von Engabrunn keine vier Kilometer entfernten Hadersdorf ein ehemaliges Wirtshaus zu haben war, schauten sich die beiden dieses Wirtshaus an. „Aber lange haben wir nicht geschaut“, sagt Barbara. „Im Gegenteil, wir haben es gesehen und gewusst: Das ist es, das machen wir.“
Und wie sie das machen! Famos machen sie’s. Sie, die zu diesem Zeitpunkt längst diplomierte Sommelière, die im neuen kulinarischen Domizil ihre kreativ-gestalterischen Fähigkeiten eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte, und er, der Oberösterreicher, der bald nach der Kochlehre in Salzburg und dem Bundesheer ins Steirereck ging und gut 15 Jahre später im Esslokal, das übrigens auch über einen zauberhaften Hofgarten verfügt, binnen kürzester Zeit vier Hauben erkochte. Der Gault&Millau schreibt dazu Folgendes: „Als erstes Haus am Platz –nicht nur am Hauptplatz von Hadersdorf – hat sich Roland Hubers wunderbares Restaurant etabliert. Das liegt auch am geschmackvollgemütlichen Interieur und dem freundlich-entspannten Service, aber vor allem an der fantastischen Küche, die klassische Einordnungen wie ,modern‘, ,traditionell‘, ,regional‘ oder ,asiatisch‘ hinter sich lässt, indem sie das Beste aus allen Welten nicht beliebig, sondern in absolut individueller Stilistik bietet.“
„Vor allem aber soll’s bei uns zwanglos zugehen“, sagt Barbara. „Lachen, vielleicht auch mal laut sein, das sollen und dürfen unsere Gäste, sie sollen sich wohlfühlen. Essen und alles, was dazu gehört, soll nicht nur beste Qualität garantieren, es soll Spaß machen, man soll sitzen bleiben wollen.“ Und dann, ganz zum Schluss, verrät sie noch etwas: „Damit ich der Selbstständigkeit wirklich zustimme, bedurfte es eines Kompromisses und Roland musste zustimmen, dass wir eines Tages, wenn unsere Töchter, die jetzt zehn und elf sind, ihr eigenes Leben führen, ein großes Wohnmobil kaufen, losfahren, bis ans Ende der Welt reisen und nicht wissen, wann wir wieder zurückkommen. Das war und ist mein großer Traum und zum Glück träumt der Roland ihn mit.“
Na dann, liebe Hubers, gute Reise! Aber lasst euch mit der Abfahrt bitte wirklich noch gut ein Jahrzehnt lang Zeit …
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DER HUNGER
TEXT: SEVERIN CORTI
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01–04 Es gibt auch in Mailand Köche und Köchinnen, die es wissen wollen. Von rechts: Cesare Battisti vom Ratanà, Diego Rossi in seiner Trippa-Küche, Romito-Statthalterin Gaia Giordano im Spazio und Alberto Toè vom Horto
DER REICHEN
Mailand ist die mit Abstand reichste Stadt Italiens, ein global wirksames Kraftwerk der Industrie, Hochfinanz, Mode, Kunst und Kreativität. Nur für gutes Essen war bislang nicht wirklich Platz. Zum Glück ändert sich das gerade. Lokalaugenschein in einer Metropole, die schön langsam fein zu speisen lernt.
FOTOS: LETIZIA CIGLIUTTI
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„Mailand, das ist nicht Italien“, heißt es oft. Und es stimmt: Eine echte, auf den Primat des Geldes und der Effizienz fokussierte Großstadt, eine auch ethnisch wild durchmischte Metropole mit voll ausgebautem U-Bahn-Netz, mit breiten Boulevards und einem Rhythmus, der vom frühen Morgen weg kaum Zeit für das lässt, was der Italiener „cortesia“ nennt (und damit jene menschenfreundliche Zugewandtheit meint, die von lateinischen Menschen als unverzichtbarer Lack der Zivilisiertheit über alle Interaktion gepinselt wird) – die gibt es in Italien sonst nicht. Das Wetter kann auch ganz schrecklich unitalienisch sein, mit Tagen und Wochen des berüchtigten lombardischen Nebels, der sich weder lichten noch frische Luft in die notorisch zugestaute Millionenstadt bringen will.
Aber Mailand ist halt wirklich wichtig. Das Herz der italienischen Wirtschaft schlägt hier: Industrie, Banken, Mode, Design und die Kreativität ganz allgemein. „Ohne Mailand könnten wir Italien vergessen“, sagt der Barkeeper in der Bar Basso, während er den nächsten Negroni Sbagliato im riesigen, gut 30 Zentimeter hohen Stielglas mit einem Schlenker aus der Spumante-Flasche vollendet, „Mailand ist der Platz, wo Italien den Turbo eingeschaltet hat.“
Dabei wirkt gerade die Bar Basso, seit 1947 an der Ecke der Via Plinio und Enrico Nöe im Univiertel Città Studi, wie ein Gegenentwurf zu dieser Diagnose. Der Platz scheint im Wesentlichen unverändert, in der Zeit stehen geblieben – und ist heute dennoch der Hotspot der Design-Community und ein Fixpunkt im allabendlichen Aperitivo-Circuit. Fast alles scheint hier museal, von den ältlichen, in weiße Cameriere-Jacketts gehüllten Barmen bis zu den kleinen, stets eine Idee abgestanden wirkenden
Häppchen, die zu den Drinks serviert werden. Nur das Publikum zeigt, wiewohl auch nicht immer jung, stets die neuesten, scharf konturierten Haarschnitte, das bunteste Schuhwerk, die extravaganteste Couture, die man abseits der Via Monte Napoleone finden kann.
Der Negroni Sbagliato wurde hier in den Tiefen der 1970er infolge eines Irrtums „erfunden“ – statt Gin schwappte ein eiliger Keeper der Legende nach Spumante in die Campari-Wermut-Mixtur. Und siehe da: Das schäumende Missgeschick schmeckte. Leichter, spritziger und insgesamt italienischer als das für seine hinterfotzig-köstliche Wirkung berühmte Original war es auch.
Zum Mythos der gar intensiv mit dem Business beschäftigten Metropole gehört auch, dass die Restaurants der Stadt die längste Zeit keinen guten Ruf hatten. Nach Mailand fährt man nicht des Essens wegen, sondern trotzdem – weil man eben hermuss. Teuer, gerne ein wenig prätentiös, selbstverliebt in die wenigen lokalen Spezialitäten wie den Schnitzel-Avatar Costoletta und den safrangelben, mit reichlich Ochsenmark auch kalorienmäßig aufgeladenen Risotto alla milanese: So wird das Essen in der Metropole des reichen Nordens seit Jahrzehnten verunglimpft.
Seit ein paar Jahren aber tut sich was. Nominell einfache Trattorien einerseits, hoch ambitionierte Ableger einiger der spannendsten Köchinnen und Köche des Landes andererseits, aber auch das eine oder andere ethnische Restaurant mit hochseriösem Anspruch zeigt, dass eine schnelle Stadt wie Mailand sich endlich Zeit für richtig gutes Essen nehmen will.
120 S MAGAZIN GENUSS-REISE
Bei der Porta Romana etwa ordiniert Diego Rossi in seiner Trattoria Trippa. Das Lokal verwaltet die mit Abstand begehrtesten Tische von ganz Mailand – das Ambiente aber ist kaum anders als in der Osteria um die Ecke: schummriges Licht, rohe, dunkel gebeizte Wirtshaustische, eine halboffene Küche, aus der das Neonlicht in den Gastraum plärrt – und eine Kassa beim Eingang, damit auch keiner vergisst, zu zahlen. Hier einen Tisch zu ergattern, ist aber eine echte Aufgabe: Die wenigen Plätze sind so begehrt, dass sie ausnahmslos online und ausnahmslos drei Wochen im Voraus gebucht werden können. Sie sind binnen Sekunden vergriffen. Diego Rossi muss über den anhaltenden Hype lächeln: „Ich wollte bloß einen authentischen Ort schaffen, ein Wirtshaus, in dem ich frei von Regeln und Normen sein darf.“ Dass er genau damit zur exklusivsten Adresse der Stadt wurde, kann er nur als Ironie ablegen.
Die Speisekarte gibt sich, wie es sich für eine Trattoria gehört, explizit bescheiden: Cotechino, die legendäre Kopfwurst, ist, mit der KnochenmarkSauce Pearà, knapp blanchiertem Cime di Rapa und ordentlich Kren, um 18 Euro die teuerste Speise. Als Antipasto ist Trippa fritta Pflicht, frittierte Kutteln, die mit Büscheln an Rosmarin serviert werden und im Mund geradezu abenteuerlich knusprig zu nichts als einer Ahnung jenes inwandigen Aromas zersplittern, für das der Labmagen geliebt und gefürchtet wird. Auch das Vitello tonnato, kraftvoll rosa gebraten, hauchdünn aufgeschnitten und mit einer federnd-luftigen, mit Sardellen angereicherten Mayonnaise betupft, mit einer Idee dunklen Bratensafts beträufelt und explosiv aromatischen Kapern besetzt, gerät zur aufregenden Neufassung eines Klassikers: bar jeden Firlefanzes, großzügig dimensioniert, ohne falsche Traditionshörigkeit ganz darauf fokussiert, die Zutaten und die Idee des Rezepts zum Leuchten zu bringen.
05–07 Das Trippa verwaltet die wohl begehrtesten Tische der Stadt – und serviert handfest renovierte Klassiker wie Trippa fritta mit Rosmarin oder Vitello tonnato aus dem Rohr.
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08–11 Alberto Noè (r.) ist Norbert Niederkoflers Statthalter in dessen Horto. Oben: Erdäpfel-Fichtennadel-Tortellini in Forellenfond mit Forellenkaviar. Ganz rechts: Risotto di Silene mit Kefirschnee
Solche Derbheiten können aber nicht davon ablenken, wie viele der Gerichte sich dem guten Essen hier auf der fleischlosen Seite nähern. Diego Rossi ist seit dem Vorjahr Vegetarier (und hat seither gut 15 Kilo abgenommen) – es wäre scheinheilig, wenn dies in der Küche folgenlos bliebe. Artischocken werden „Cacio e uove“, in cremiger, vom Pecorino aromatisch-wuchtig aufgeladener Eierspeis, serviert. Ribollita, die nominell ärmliche Gemüsesuppe mit altem Brot, wird als Hauptgang aufgetragen, nur mit Bohnen, Kohl, Karotten und Peperoncino – aber wunderbar cremig, rund und wohlig, sodass der Teller viel zu schnell leer ist. Kohlsprossen, allerbeste, milde, frische Ware, werden ganz simpel mit Bechamel bedeckt – allerdings mit einer, die ohne Scheu mit der schweinischen Chilicreme N’duja abgeschmalzen wurde.
Die Jahre in der Sternegastronomie hat Diego Rossi beim Südtiroler Dreisterner Norbert Niederkofler abgedient, der St. Kassian und sein luxuriöses
Refugium St. Hubertus mit kommendem Winter verlassen wird – dem Vernehmen nach aber schon eine neue, ebenfalls in ein Hotel integrierte, standesgemäße Bleibe gefunden hat. In Mailand ist Niederkofler aber auch gelandet. Sein Horto (aus dem Lateinischen für Garten) ist ein spektakuläres Dachgartenrestaurant mit prächtigem Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Westalpen ebenso wie auf die Kuppel der Galleria Vittorio Emanuele II, das historische Luxus-Shoppingzentrum der Milanesen.
Die Küche im Horto verantwortet der junge Alberto Toè aus Conegliano, die Zutaten entstehen ausnahmslos in einem Umkreis von 100 Kilometern, was beispielhaft nachhaltig ist, aber Meeresfisch ausschließt. Das mag in Mailand, der Stadt mit dem größten und exklusivsten Fischmarkt ganz Italiens (und einem der besten der Welt), einigermaßen exzentrisch wirken – aber Exzentrik ist bekanntlich kein schlechter Generator von Aufmerksamkeit.
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Niederkofler setzt in der Metropole auf streng lokale Zutaten.
Also werden hier Zander, Reinanke und Forelle aus dem nahen Iseo-see aufgetischt, die die Mailänder sonst eher nicht zu kosten bekommen. Natürlich stehen auch große Glasballons mit allerhand Fermentiertem pittoresk auf dem Anrichtetisch. So geht sich eine fein ziselierte, hart am Wind der Trends segelnde Küche aus, die auf schlanke Linie (kein Zucker in den Desserts!), Klimaverantwortung und die Prinzipien der „Philosophy of Ethical Time“ (ein von Niederkofler entworfene Selbstverständnis der zeitgerechten Küche, Anm.) setzt, aber dennoch nicht auf Distinktionsmerkmale wie Kaviar verzichten muss. Dementsprechend dicht sind die Tische mit eleganten „Ladies who lunch“ der besten Mailänder Gesellschaft besetzt, dementsprechend elegant und weltläufig wird hier den ultralokalen Zutaten gehuldigt, die das Umland einer Millionenmetropole eben hergibt.
Cagliata, fein gestockte Milch, wird mit einer Art Carpaccio vom Rind belegt, darunter schillert
Paradeisconfit, obendrauf dürfen sich die Störeier mit Maronikren vergnügen – wilde Kombination, mit Eleganz für die Welt der feinen Küche gezähmt. Tortellini mit einer Fülle aus Erdäpfeln und Fichtennadeln entwickeln in einem dunkel-würzigen Forellenfond faszinierende Aromentiefe, knackig ploppender Forellenkaviar steuert jodig-frische Noten bei. Den Frühling in Geschmack und Bild bringt Risotto di Silene auf den Teller, tiefgrün von zart säuerlichen, wilden Leimkraut-Trieben, großartig al dente und doch cremig der Reis, witzig der flockig gefrorene Kefir, der bei Tisch darübergelöffelt wird, auf dass er im Grünen schmelze wie der Schnee auf Niederkoflers heimatlichen Almen.
Aber grün ist nicht rot, also sollte sich davor oder danach ein Abstecher ins nahe Camparino ausgehen, die spektakulär schöne historische Bar des Aperitivo-Abfüllers von Weltruf, der seiner Heimatstadt hier, direkt auf der Piazza del Duomo, eine echte Schmuckschatulle von einer Tränke geschenkt hat.
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12–13 Pracht-Aussicht auf den Duomo (links) Oben: Pasta Cacio e pepe, Chicoree mit Erdnüssen, gegrillter Grünkohl & Makrele
14–16 Sommeliere Caterina Poma verfügt über einen extensiven Naturweinkeller im Ratanà. Unten rechts: Risotto alla milanese
Es ist wirklich so: Der Campari Seltz schmeckt dort irgendwie noch roter als überall sonst auf der Welt und sei es, weil die Bar-Signora im scharf geschnittenen Sakko ihn mit solch himmlisch-lässiger Eleganz schaumig aufzuspritzen vermag.
Gleich ums Eck, mit Pracht-Ausblick auf den berühmten Platz und seinen abenteuerlich gotisch ziselierten Dom, zeigt Italiens bester Koch Niko Romito, dass er nicht nur in der klösterlichen Abgeschiedenheit seines Refugiums in den Abruzzen wahre Wunderdinge fabriziert. Dieser Magier des Geschmacks ist bis heute wohl der einzige Koch, der die Produktversessenheit und Purezza der italienischen Küche ganz ohne modische Pirouette in die Sphären der Hochküche zu übersetzen versteht. Mit dem Spazio Niko Romito hat er Mailand eine ebenso entspannte wie hochklassige Dependance geschenkt, in der um einen Bruchteil der Fine-DiningPreise tatsächlich eine Ahnung von Romitos Genie erlebbar wird.
Mit Chefköchin Gaia Giordano hat Romito seine langjährige rechte Hand nach Mailand entsandt. Die Frau ist, durchaus im Gegensatz zum Meister, ein wahrer Sonnenschein von einem Wesen, noch dazu sitzt ihr der Schalk im Nacken. Auf Meeresfisch zu verzichten, wo sie ihn in Mailand endlich in denkbar bester Qualität greifbar hat, käme ihr nicht in den Sinn. Makrele, fast roh, aber mit der ganz heißen Flamme geflämmt, kombiniert sie mit einer klar und fest gespannten Salsa aus Petersilie und Zitrone – mehr will man gar nicht, wenn alles von solch exquisiter Frische und Reife ist. Wo die Makrelen herkommen? „Aus Japan“, sagt Gaia, „dort sind sie derzeit einfach außergewöhnlich fettreich und gut.“ So geht Küche in einer Weltstadt also auch. Romitos besondere Verehrung der Welt des Pflanzlichen lässt sich auch im Spazio nachvollziehen. Chicorée etwa, mit nichts als Lorbeer gedämpft und zur Rose entblättert, wird mit einer milchig-cremigen Emulsion roher Erdnüsse kombiniert, unendlich zart, filigran kommt die Bitterkeit der Zichorie da am Gaumen an.
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Cesare Battisti nähert sich dem guten Essen von ziemlich entgegengesetzter Seite. Sein Ratanà, in einem der ganz wenigen alten Häuser im futuristischen neuen Hochhausviertel um die Piazza Gae Aulenti, versteht sich als Verneigung vor der Arme-Leute-Küche der städtischen Arbeiterklasse. Dass sich die hervorragend mit einem profunden, den besten Naturweinwinzern Italiens (aber auch Österreichs und Frankreichs) zugewandten Weinkeller kombinieren lässt, zeigt Sommeliere Caterina Poma mit unwiderstehlich herbem Charme.
Hier ist ein guter Ort, Ossobuco für den ganzen Tisch zu ordern und es mit unverschämt gutem Risotto alla milanese zu genießen, wobei – Gerechtigkeit muss sein – das Knochenmark zuvor unter den Reis gehoben wurde. Hier will man aber auch herausragende Mortadella in prachtvoll drapierten Radeln schlemmen, die Puntarelle mit kantabrischen Sardellen knacken oder den Blättermagen mit Bohnen – kulinarisch wohl die höchste Form der Kuttel –aus einer tiefen Schüssel löffeln.
Wem das alles gar abenteuerlich erscheint, der sollte zum Chinesen gehen. Das Restaurant Gong der Familie Liu befindet sich zwar nicht im (sehr empfehlenswerten, nicht bloß gastronomisch pittoresken) Chinatown von Mailand, dafür gibt es in dem ebenso exquisit wie geschmackssicher ausgestatteten Ambiente chinesisch-italienisches Fine Dining auf ziemlich atemberaubendem Niveau. Zwei Köche mit vergleichbar distinguiertem Lebenslauf (der eine aus Beijing, der andere aus Rom), aber komplett konträrer Ausrichtung schaffen hier unmöglich
Scheinendes: eine Symbiose aus chinesischer Küche und italienischer Produktversessenheit, aus zarter Hingabe und hoher Kunstfertigkeit. Wie zufällig wird dabei die enge Verwandtschaft der Pasta-Kunst Italiens und der Nudel-Virtuosität Chinas demonstriert. Scampi-Tatar wird mit weißem Miso und Sake zu purer, souveräner Seidigkeit geführt. Dimsum in hauchfeinem Teig bekommen Königskrabbe, Black Cod und sardische Bottarga, aber auch süß geschmortes Schwein und Umbria-Trüffel als Fülle – leider besser als alles, was man zuvor unter diesem Namen serviert bekommen hat. Von Hand gezogene Lamian sind bissfest wie allerbeste Hartweizenspaghetti und bekommen ein herrlich duftendes Sugo aus Langustenköpfen untergehoben, obendrauf liegen dicke Happen vom Schwanz: So luxuriös, so unverstellt kosmopolitisch darf Pasta sein.
Wohlgemerkt: Das gilt so nur für Mailand, die einzig echte Großstadt Italiens. Hier ist gut essen eine derart neue Erfahrung, dass es sich, ausnahmsweise, auch auf ganz unitalienische Art richtig groß präsentieren darf. barbasso.com camparino.com gongoriental.com hortorestaurant.com ratana.it spazionikoromito.com/ristorante trippamilano.it
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LENA HOSCHEKS
GESCHMACKSERINNERUNGEN AUFGEZEICHNET VON
MICHAEL HUFNAGL
DIE PARFÜMS DER KÜCHE UND EIN ABEND VOLLER LIEBE
FOTOS: PHILIPP HORAK
„Die Seele aller Wesen ist ihr Duft“, schrieb Patrick Süskind in seinem Roman „Das Parfum“. Die Geschichte des Mörders Jean-Baptiste Grenouille prägte Lena Hoschek auf spezielle Weise. Sie war fasziniert vom Kind, das über die Begabung verfügt, die „Konturen aller Gerüche“ wahrzunehmen und bis zu deren Ursprung zu verfolgen. Grenouille entwickelt dank seiner Nase eine (mit Fortdauer bestialische) Fähigkeit, unbekannte Düfte „mit der Leidenschaft und Geduld eines Anglers zu jagen.“ „Ich erinnere mich noch so gut an die Beschreibung“, erzählt Lena Hoschek, während sie im Steirereck selbst an einem Amuse Gueule schnuppert. „Als Grenouille in die Natur geht und mit seinem Geruchssinn eine besondere Welt erfasst. Das hat mich berührt.“
Ehe sich die Modedesignerin, die sich selbst als Kleidermacherin bezeichnet, ihren Geschmackserinnerungen hingibt, will sie also lieber über Geruchserinnerungen sprechen, die „Parfüms der Küche“ quasi. „Wenn ich nur an den Duft des Biscuits meiner Oma denke, erwacht in mir sofort dieses kindliche Staunen und die Sehnsucht nach dem ersten Bissen.“ Und schon verabschiedet sie sich in die Welt der Verführung via Nase – vom getoasteten Brot bis zum frisch aufgeschnittenen Apfel. „Und Blumendüfte im Essen, da hüpft mein Herz.“ Dann ergänzt sie: „Das liebe ich.“ Diesen Satz sollte sie an diesem Abend noch oft formulieren. Die Grazerin, die nach ihrem Abschluss in der Modeschule Hetzendorf ein achtmonatiges Praktikum bei Vivienne Westwood absolvieren durfte, liebt und liebt und liebt. Mitunter so viel, dass sie in ihren Aufzählungen ruckzuck von einer Liebe zur anderen und zur nächsten abbiegt – bis sie sich im Labyrinth der Sinnlichkeit verfängt, ohne jede Ambition, einen Ausweg zu finden.
„Ich liebe Zitrusfrüchte“, strahlt sie, schweift kurz ab zum Parfum Orange Blossom, flitzt dann gedanklich zum Zauber der Frühlingsgefühle, beginnt eine Anekdote über die Bergamotte, ehe ihr plötzlich einfällt: „Und Beeren im Wald.“ Die sammelt sie euphorisch. Im Idealfall findet sie Walderdbeeren, die nämlich besitzen „den geilsten Geschmack der Welt, ich liebe sie.“ Obwohl auch Physalis oder Granatapfel unbedingt erwähnenswert seien. Und die Quitte: „Kein Baum hat eine so schöne Blüte.“
Im Jahr 2005 gründete Lena Hoschek ihr Modelabel, seit damals ist sie mit ihrer Couture, ihren Business-Looks und ihren Trachten-Kollektionen auch international im Fokus. Ihren kreativen Zugang, von Nachhaltigkeit und Regionalität begleitet, erklärt
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LENA HOSCHEK nennt sich Kleidermacherin, verliert sich mit Leidenschaft in der Welt der Düfte und sucht als Genießerin keinen Ausweg aus dem Labyrinth der Sinnlichkeit.
sie so: „Ich habe nicht eine Idee im Kopf, für die ich Material besorge, sondern umgekehrt. Ich gehe einkaufen – Stoffe, Bänder, Accessoires – und entwickle dann erst im Kopf das Kleid.“ Die 42-Jährige betrachtet das als Naturell, auch kulinarisch: „Ich spaziere über den Markt, und meine Inspiration entsteht durch das Angebot der Produkte.“ Wichtig dabei, und das glaubt sie auch bei Spitzenköchen erkennen zu können: „Die besten Bestandteile werden auf die fast künstlerische Quintessenz reduziert.“
Und doch sind es die ganz einfachen Gerichte, die ihr als unvergessliche Geschmackserlebnisse in den Sinn kommen. Das Radieschenbrot mit Topfen und einem Gänseblümchen drauf. Oder Kartoffeln mit Butter und Salz. Oder Eierspeise. „Und ich liebe Seafood“, fällt ihr ein, unmittelbar, nachdem sie breit grinsend eine gedankliche Abzweigung zur Frage „Darf man den Teller abschlecken?“ genommen hat. Ihre klare Ansage: „Ja, also daheim natürlich.“ Das Messer darf hingegen nicht abgeschleckt werden, so haben es die zwei Kinder im Hause Hoschek gelernt.
Die Kleidermacherin mit den Tattoos am Hals (das Symbol der Schneiderzunft) und am Arm (der steirische Panther) erzählt es mit einem Augenzwinkern. Wie so vieles. Einerlei, ob sie sich an den Genusstraum eines Hummers auf Paros erinnert oder an ein Gemüse-Desaster auf Kuba. Ihre Schilderungen haben stets Sprudel-Charakter, gerne unterbrochen von einem „Da fällt mir ein Witz ein.“ Jedenfalls findet ihr kosmopolitisches Dasein, das eigentlich ein Dortsein ist, auch in der Kulinarik seine Bestimmung. „Ich liebe die mexikanische Küche“, sagt Lena Hoschek und schwärmt über Limetten, Koriander und Chili. „Und dazu eine Michelada“, ein Biermischgetränk mit Salzrand und Tabasco. In ähnlichem Ausmaß verteilt sie ihre Liebe auf das Indische („scharf ist immer gut“) oder das Orientalische: „Vor allem die Eintöpfe sind großartig. Oder ein lang geschmortes Schaf mit Joghurt und Minze. Die Kräuter haben dort dank der Sonne eine so wunderbare Intensität.“
Auch ein Grund, warum sie zu besonderen Anlässen so gerne im Steirereck Platz nimmt. Vor zwölf Jahren war sie im Rahmen eines Foto-Shootings erstmals hier, „die Art und Weise, wie in diesem Restaurant Kräuter zu Stars werden, beeindruckt mich.“ Und schon hat sie sich wieder selbst das Stichwort gegeben und leitet zu Umami weiter, also zur Wahrnehmung eines herzhaften, lang anhaltenden Reizes der Geschmacksknospen. „Das zeichnet die Reitbauers aus – hier werden viele Zutaten verwendet, die man gar nicht kennt, die sich aber zu einem harmonischen Erlebnis auf der Zunge verbinden.“
Wieder eine Liebeserklärung. Weshalb sich am Ende die Frage aufdrängt, was Lena Hoschek gar nicht essen mag. „Früher fand ich panierte Pilze wie Parasol grauenhaft, aber mittlerweile …“, richtig, jetzt kommt’s … „liebe ich sie.“ Was bei der leidenschaftlichen Esserin allerdings niemals auf den Teller kommt, ist Vanillesauce: „Ich habe schon tausend Mal gehört, dass ich nur endlich die einzig wahre kosten müsste. Aber leider nein, Vanillesauce bleibt Vanillesauce … und zwar völlig unessbar.“ Es folgt noch eine ihrer kecken Grimassen, ehe der Hauptgang serviert wird – Hirschkalb mit Karfiol & Wildfrüchten. Was Lena Hoschek spontan dazu sagt? Eh klar, oder?
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ANDERSWO RESERVIERT
EMPFEHLUNGEN VON BIRGIT UND HEINZ REITBAUER TEIL 15
Diesmal hat es die Chefin und den Chef des Steirereck nach Frankreich und nach Spanien verschlagen. Und zurückgekommen sind die beiden mit bleibenden kulinarischen Eindrücken, die sie an dieser Stelle mit ihren Gästen teilen wollen.
PLÉNITUDE Paris
Wenn einem das Glück hold ist und man einen Tisch im Plénitude, dem Restaurant des Hotel Cheval Blanc in Paris ergattert, geht’s einem kulinarisch wie Gott in Frankreich. Arnaud Donckele wurde aus St. Tropez nach Paris geholt, um dem Plénitude seinen Stempel aufzudrücken. Die Küche ist leicht und elegant, und die Großzügigkeit, es jedem Gast selbst zu überlassen, sein eigenes Menü aus den angebotenen Gerichten zu kreieren, ist in dieser Kategorie selten. Dem Genießer wird vermittelt, er sei der einzige und wichtigste, und kaum ist der Abend am Ausklingen, denkt man schon nach, wann und wie man wieder kommen kann.
LA CHASSAGNETTE Arles
Aber nicht nur Paris ist wunderschön, auch die Provence mit ihrer Vielfalt. Südlich von Arles in der Camargue liegt ein Plätzchen, das dem Paradies sehr nahekommt. Das La Chassagnette ist von Frühjahr bis Herbst geöffnet und serviert die Produkte der eigenen Landwirtschaft sowohl in einer vegetarischen Variante, als auch erweitert mit ausgesuchten Fisch- und Fleischprodukten aus der Umgebung. Am schönsten ist’s zu Mittag, wenn man im prachtvollen Garten die Seele baumeln lässt, die feine, elegante und farbenfrohe Küche genießt und sich in Raum und Zeit verliert.
AZURMENDI Larrabetzu
Einem kulinarischen Dorado besonders nah ist man auch im Baskenland und Eneko Atxas Restaurant Azurmendi in Larrabetzu eine besonders spannende Adresse. Direkt angrenzend an ein Weingut hat sich Eneko sein eigenes Reich geschaffen. Am Dach des Restaurants werden Kräuter und Gemüse angebaut, die der Gast einen Stock tiefer genießen kann. Die Gerichte sind Feuerwerke in Geschmack und Optik, und Eneko dirigiert die Besucher gekonnt durch die einzelnen Gänge. Wie ein Musikstück baut sich die Spannung Speise für Speise auf, bis man sich zufrieden zurücklehnt und die einzelnen Darbietungen selig Revue passieren lässt.
ELKANO Getaria
Auf dem Weg nach San Sebastian, am Golf von Biscaya, liegt der kleine Küstenort Getaria. Hier stößt man mit dem Elkano auf einen Geheimtipp in Sachen Fisch, wobei dieses perfekte Grundprodukt ohne viel Beiwerk und meist ganz ohne Beilage auf den Teller kommt. Besonders bekannt ist das Haus für den über Holzkohle gegrillten Steinbutt und dafür, dass auch jene Teile vom Fisch, die normalerweise selten den Weg zum Gast finden, meisterlich verarbeitet werden. Ob es die Backerl sind oder die Leber, all diese Gerichte zeigen, wie groß der kulinarische Bogen gespannt werden kann.
ADRESSEN
PLÉNITUDE IM HOTEL CHEVAL BLANC
8 Quai du Louvre, 75001 Paris +33 1 79 35 50 11 chevalblanc.com
LA CHASSAGNETTE
Mas de la Chassagnette, Route du Sambuc, 13200 Arles +33 4 90 97 26 96
AZURMENDI
Barrio Legina s/n, 48195 Larrabetzu (Biscay) +34 944 55 83 59 azurmendi.restaurant
ELKANO
Herrerieta Kalea 2, 20808 Getaria +34 943 140024 restauranteelkano.com
130 S MAGAZIN LOKAL-FÜHRER
KÄRNTNER STRASSE 32, 1010 WIEN GRABEN 21/TUCHLAUBEN 2, 1010 WIEN WWW.JUWELIER-WAGNER.AT Solitaire