Das S Magazin #14

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DIE GURKE GEBEN, DEM HOLLER HULDIGEN UND DEN

SCHAFEN HINTERHERZACKELN . EIN KUNSTKOCH UND

EINE OFEN BARUNG, HERZBLUT UND GENUSS IM SÜDEN UND WIE DER WEIN DER ZUKUNFT SCHMECKT.

Steirereck Wien

8 € (AUT), 11 € (D), 14 CHF (SUI) Ausgabe 14

E s ist nicht einfach, in Zeiten wie diesen die richtigen Worte zu finden. Warum braucht es erst eine Pandemie und dann, schlimmer noch, einen verheerenden Krieg nicht weit vor unserer Haustür, damit Pläne und Ideen, die umzusetzen schon so lange wichtig gewesen wäre, plötzlich in Windeseile in Angriff genommen werden können? Müssen wir wirklich erst mit dem Rücken zur Wand stehen, ehe europäische Einigkeit entsteht und der Beschluss von Gesetzen keiner viel zu langen Vorlaufzeit bedarf?

Dass unsere Art des Umgangs mit der Natur, mit den Ressourcen und mit unseren Lebensmitteln schon seit Jahren vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten ist, ist leider auch nichts Neues. Aber trotz aller Ankündigungen und Versprechen, etwas zu ändern, lassen entscheidende Schritte auf sich warten. Das erscheint in der momentanen Situation und mit Blick auf humanitäre Katastrophen natürlich zweitrangig, aber nur, solange Verfügbarkeit und Preissicherheit gewährleistet sind.

Wie beschämend hier die Bilder unserer täglichen Lebensmittelverschwendung neben den leidvollen Bildern des Krieges und der Lebensmittelknappheit auf uns wirken. Vielleicht aber verändert diese traurige Zeit unsere Einstellung, lässt uns wertschätzender mit Lebensmitteln umgehen und die Wichtigkeit einer regionalen landwirtschaftlichen Vielfalt erkennen.

Das S-Magazin hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesbezügliche Vorreiter vor den Vorhang zu holen. Michael Wilhelm beispielsweise ist so einer. Der Tiroler züchtet hoch über Sölden Rinder und Zackelschafe und geht dabei einen ganz eigenen, mutigen und unbestechlichen Weg. Oder Georg Lindenbauer, der auf dem Sektor Holzöfen großartige Arbeit leistet. Für die neue Schankkuchl im Wirtshaus am Pogusch hat er einen riesigen Herd gebaut, der längst nicht allein zum Kochen dient.

Bald werden wir am Pogusch nahezu komplett energieautark sein und auch betreffend des Umgangs mit – und der Herstellung von – Lebensmitteln versuchen wir, gewohnte Pfade zu verlassen. Besuchen Sie uns doch in unserer Heimat in der Steiermark und überzeugen Sie sich. Und als Vorgeschmack gibt’s in dieser, der bereits 14. Ausgabe des S-Magazins, eine Geschichte aus unserem Wirtshaus.

BIRGIT

HEINZ

Bis dahin bleibt uns nur, Ihnen und uns allen zu wünschen, dass diese Welt nicht völlig aus den Fugen gerät. Wir haben nur die eine.

EDITORIAL S Magazin, Ausgabe 14
UND
3 S MAGAZIN VOR-SÄTZE
REITBAUER

6 K OMMET HER ZU MIR, ICH WILL EUCH ERQUICKEN

Eine kleine Kulturgeschichte.

Von Christian Seiler

8 FUND-STÜCKE

Edles, Schönes, Schmackhaftes –Tipps für ein genussvolles Sein.

1 Wer & warum

INHALT

2 Wovon & wie viel

54 KR UMME DINGER

D ie Gurke, diese indische Delikatesse, hat eine vieltausendjährige Geschichte hinter sich.

Von Ute Woltron

62 GRÜNE HÜLLE, WEIS SES FLEISCH

Vier Steirereck-Beispiele für die kulinarische Vielfalt der Gurke.

30 EINMAL MIT SCHAF, BITTE!

Hoch hinauf und hinein ins bessere Leben mit dem Ötztaler Bergbauern Michael Wilhelm.

Von Sebastian Hofer

38 DER MANN, DER FÜR

DAS FEUER BRENNT

G eorg Lindenbauer baut die vielleicht spektakulärsten Holzöfen der Welt.

Von Tobias Müller

46 D OPPELTE SAISON

Sc hmackhafter Holunder –im Frühling schenkt er uns Blüten, im Sommer Beeren.

Von Katharina Seiser

52 ESSEN, WAS MAN RETTEN WILL Warum Arten- und Sortenvielfalt so viel mehr sind als Folklore, Erbsenzählerei und Hedonismus.

Von Katharina Seiser

3 Wie & für wen

68 HERZBLUT 2.0

Willkommen am Pogusch, der sein neues Gesicht zeigt. Inklusive Schankkuchl und Glashaus mit Kabanen. Von Achim Schneyder

76 GROSSER TELLER, KLEINE KUGEL

Wenn es plopp macht im Kopfder Zauber der Überraschung. Von Michael Hufnagl

78 BITTE ZU TISCH Frühling auf dem Teller –Rezepte aus dem Steirereck.

98 WEIN IM WANDEL

Erderwärmung und Wetterextreme haben selbstredend Einfluss auf den Wein. Winzer erzählen, wie sie sich für die Zukunft wappnen. Von Sebastian Hofer

4 S MAGAZIN

4

Wohin & zurück

108 V ON PETERS KOCHKUNST UND KUNSTKOCH PETER

Auf Reitbauers Reisen geht’s ins Vulkanland, wo Vater und Sohn Troißinger nicht nur den Kochlöffel schwingen.

Von Achim Schneyder

116 DER SCHUPPEN, EIN TEMPEL

Zu G ast im Lido 84 am Gardasee, wo großartige, zeitgenössische italienische Küche zu Hause und es obendrein unglaublich schön ist.

Von Severin Corti

126 DAS ABONNEMENT AM WÜRSTELSTAND

D ie kulinarische Geschichte von Erwin Steinhauer, der einst ein hedonistischer Gourmemand war.

Von Achim Schneyder

128 ANDER SWO RESERVIERT B irgit und Heinz Reitbauers Tipps für eine Reise nach Antwerpen.

Impressum

MEDIENINHABER:

ALBA Communications GmbH

GESCHÄFTSFÜHRENDE

GESELLSCHAFTER:

Alexandra Seyer-Gmeinbauer, Reinhold Gmeinbauer

Seilerstätte 7, 1010 Wien, albacommunications.at

HERAUSGEBER:

Birgit und Heinz Reitbauer

CHEFREDAKTION:

Achim Schneyder

CHEFIN VOM DIENST:

Rebecca Wiederstein

AUTORINNEN, AUTOREN:

Severin Corti

Sebastian Hofer

Michael Hufnagl

Ursula Macher

Tobias Müller

Achim Schneyder

Christian Seiler

Katharina Seiser

Ute Woltron

FOTOGRAFEN:

Klaus Fritsch

Philipp Horak

Thomas Schauer

Mirco Taliercio

BILDNACHWEIS:

Seite 46—50, Unsplash, iStock

DESIGN:

brand unit – network for branding, design and content, brand-unit.com

KREATIVDIREKTION:

Albert Handler

ARTDIREKTION:

Annija Česka

ANZEIGEN:

Reinhold Gmeinbauer

LEKTORAT:

Romana Gillesberger

LITHOGRAFIE:

Mario Rott

DRUCK:

Print Alliance

HAV Produktions GmbH

Druckhausstraße 1, A-2540 Bad Vöslau

FN 426711t – LG Wr. Neustadt printalliance.at

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KOMMET HER ZU MIR,ICH WILL EUCH ERQUICKEN

Warum es im Restaurant um mehr als Essen und Trinken geht. Eine kleine Kulturgeschichte.

Ich gehe ins Restaurant, wenn ich froh bin und wenn ich traurig bin. Wenn Ihnen der Satz irgendwie bekannt vorkommt, dann erinnern Sie sich vermutlich an das weltberühmte Champagnerzitat von Madame Lily Bollinger, das ich mit dem gebotenen Respekt darauf untersucht habe, wie sehr es sich auf meine Gewohnheiten beim auswärts Essengehen anwenden lässt: Wenn ich keinen Hunger habe, macht mir das Restaurant Appetit, und wenn ich hungrig bin, lasse ich es mir schmecken. Sonst gehe ich nie ins Restaurant , außer wenn ich essen möchte.

Da Sie äußerst textsicher sind, ist Ihnen wahrscheinlich aufgefallen, dass ich einen Satz ausgelassen habe. Madame Bollinger sagt: „ Manchmal trinke ich [Champagner], wenn ich allein bin; und wenn ich Gesellschaft habe, dann darf er nicht fehlen.“

Ich esse zuweilen alleine im Restaurant, meistens, wenn ich auf Reisen bin, manchmal, weil mir ein, zwei Stunden in den Schoß fallen, und was gibt es Sinnvolleres, als diese Stunden ins Restaurant zu tragen und sie gegen eine Mahlzeit zu tauschen?

Aber allein im Restaurant zu essen, ist für mich immer nur die zweitbeste Lösung. Das liegt in der Natur dieser wundervollen Insti -

tution. Die Freude, eine Mahlzeit in Gesellschaft einzunehmen, beschränkt sich nicht darauf, dass ein paar gute Gerichte gereicht werden und ein paar bemerkenswerte Flaschen geköpft.

Das Restaurant ist nicht allein ein Ort, wo Menschen ihren Hunger und ihren Durst stillen, ihresgleichen treffen und sich amüsieren. Das Restaurant bereichert unsere Gesellschaft auf vielen kulturellen Ebenen. Es lohnt sich, dieses historisch-soziologischästhetische Geflecht genauer anzusehen, damit wir wissen, was uns eigentlich fehlt, wenn unsere liebsten Wirten geschlossen haben, aus welchen Gründen auch immer.

Allein, was das Wort Restaurant erzählt. Es ist vom französischen Verb „restaurer“ abgeleitet, was so viel heißt wie „sich stärken“, „sich erholen“. Restaurant ist ein junges Wort, das im späten 18. Jahrhundert auf einen Suppenkoch namens Boulanger zurückgeführt wird, der zu seinen Suppen auch kleine Imbisse reichte, übrigens gegen den Widerstand seiner Zunft, die sogar, wenn auch vergeblich, gegen ihn prozessierte. Über dem Tor zu seiner Küche in der Pariser Rue des Poulies sei ein Bibelvers gehangen: „Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“

6 S MAGAZIN STAND-PUNKT

Schon in diesem Wort – sprechen Sie es laut aus: Restaurant –steckt also eine biblische Handreichung des Inhabers an uns Besucher. Er ist angetreten, damit wir uns beim Verlassen seines Etablissements besser fühlen als bei unserem Eintreffen. Das zeugt, wenn es richtig verstanden und praktiziert wird, von hoher Moral und sittlichem Ernst.

Natürlich geht es im Restaurant ums Essen, klar. Aber nicht nur. Das Restaurant stellt uns über die konkrete Befüllung des Tellers und den Inhalt der Gläser –mehr nehmen wir schließlich de facto nicht mit – Stoff für unsere Erinnerung und Identitätsstiftung zur Verfügung. Die nach allen Regeln der Kunst hergestellte Schönheit des Raums. Den Blumenschmuck. Die Aufmerksamkeit aller Mitarbeiter. Geschichte und Tradition des Platzes, an die wir anknüpfen können, wenn wir an einem Ort von geschichtlicher Bedeutung sitzen und uns vorstellen, dass am selben Tisch, wo gerade wir dinieren, vor ein paar Jahren der Herr Bundeskanzler den schönsten Bordeaux besungen hat oder einer unserer großen Dichter ewige Worte auf eine Serviette notierte.

Restaurants sind Orte, die im Prinzip weder öffentlich noch privat sind. Durch die Bereitschaft, für unser Essen zu bezahlen, dürfen wir Räume betreten, deren Aura uns beeindruckt und bereichert. Wir werden zu Darstellern in einem gut choreografierten Stück, bei dem jeder Zuschauer zugleich Mitwirkender ist.

Wir treffen uns im Restaurant, um in Gegenwart fremder Menschen Mahlzeiten einzunehmen, die fremde Menschen für uns kochen. Aber so fremd sind uns die Menschen nicht: Wir teilen mit ihnen Geschmack, ästhetische Werturteile und die Gemeinsamkeit des Erlebens. Der Ort, an dem wir uns treffen, ohne einander zu kennen, verbindet uns ohne Worte. Er stimuliert jene psychischen Tiefenschichten, die – wie es David Brooks in seinem brillanten Buch

„Das soziale Tier“ beschreibt –unser aller Leben formen: „Den unbewussten Bereich der Emotionen, Intuitionen, Vorlieben, Sehnsüchte, erblichen Veranlagungen, Charakterzüge und verinnerlichten gesellschaftlichen Normen.“

Im einen Restaurant bekommen wir herzhaftes Essen, frisch gezapftes Bier, das Lächeln der Kellnerin. Im anderen wird die Kochkunst auf die Spitze getrieben, der Sommelier führt uns die Kunststücke anderer Leute vor. Das Lächeln der Kellnerin leuchtet auch hier. Wir nehmen Verbindung auf zu anderen Mitgliedern unserer großen Herde, auf welcher Ebene auch immer.

Im Restaurant bin ich Teil einer Gemeinschaft, die größer ist als die Kernfamilie. Ich werde von den Geschichten bereichert, die uns ein Wirt, vielmehr aber noch sein Haus, erzählt, seine Tische, sein Geschirr, seine Speisen. Stammgäste nicken mir zu. Ich, selbst Stammgast, nicke zurück. Ich komme mit Menschen zusammen, um zu sehen, wie Menschen zusammenkommen.

Kleine Fußnote, die ich bei David Brooks gefunden habe: Gäste, die allein im Restaurant speisen, essen am wenigsten. Zu zweit isst man schon um 35 Prozent mehr. Sobald wir zu fünft essen, passen 75 Prozent mehr in uns hinein und wenn unsere Gemeinschaft auf acht angewachsen ist, essen wir de facto doppelt so viel. Wir sollten also noch ein paar Leute mitnehmen, wenn wir das nächste Mal ins Restaurant gehen, damit sich die Sache wirklich lohnt.

Außerdem bestellen wir dann eine große Flasche Champagner, um uns bei Madame Bollinger für ihre unvergesslichen Worte zu bedanken.

CHRISTIAN SEILER, Jahrgang 1961, ist ein mehrfach ausgezeichneter Autor und Kolumnist. 2019 veröffentlichte er seinen kulinarischen Bestseller „Alles Gute. Die Welt als Speisekarte“ (Echtzeit Verlag).

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ECHTE SAFTLACKEL

IM OBST- UND WEINGUT DER FAMILIE KÖNIG IM STEIRISCHEN KITTENBERG WERDEN

VOGELKIRSCHE, MAMMUTQUITTE & CO. BEHANDELT, WIE ES BESSER NICHT GEHT.

DAS RESULTAT SIND FASZINIERENDE SÄFTE, DIE PURER NICHT SEIN KÖNNTEN.

Das Motto ist so simpel wie nachhaltig: weg vom Kommerz, hin zur Einzigartigkeit. Bereits in dritter Generation betreiben die beiden Brüder Herbert und Karlheinz König den Familienbetrieb „Wachstum König“, der von Opa Fritz, einem Visionär in Sachen Hochkulturen in der Steiermark, gegründet worden war. An oberster Stelle steht nach wie vor das Streben, die unterschiedlichen und bis zu 100 Jahre alten Obstbäume immer vollkommener an ihr Terroir anzupassen, um so mit nur minimalen Eingriffen maximale Ergebnisse zu erzielen. So verzichten die Königs in den Einzellagen auf die Bodenbearbeitung, gemäht wird ebenfalls nur sporadisch, wodurch in

den Hainen eine Dynamik entsteht, die dem guten Geschmack nur zugutekommt. Geerntet werden die Früchte der Sorten Vogelkirsche, Mammutquitte und Conference Birne stets in voller Reife, sprich, wenn Phenole, Säure und Süße ausbalanciert sind und das Aroma voll entfaltet ist. Danach werden die Früchte kaltgepresst und unpasteurisiert, ungefiltert und ohne Zusatzstoffe abgefüllt. Kurzum: ein Saft, der so viel Kraft in sich trägt, wie man es sonst nur vom Wein gewohnt ist.

Infos unter: wachstumkoenig.at

8 S MAGAZIN FUND-STÜCKE
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TEE AUS DEM BAUCH

AUF DER RESTAURANTTERRASSE DES STEIRERECK WACHSEN KRÄUTER, DIE FÜR EINE EIGENE TEEMISCHUNG VERWENDET WERDEN, DIE ALLERDINGS NICHT IMMER DIE GLEICHE IST. UND DAS HAT VIEL MIT DEM RICHTIGEN G’SPÜR VON ANDREAS DJORDJEVIC ZU TUN.

Rund eineinhalb Jahrzehnte ist es her, dass Heinz Reitbauer sen. plötzlich vor Andreas Djordjevic, auch als „Brot-Andi“ des Steirereck bekannt, stand. In der Hand ein paar Kräuter, im Kopf eine Idee: „Wir brauchen einen Teewagen, bitte kümmere dich darum.“ Und weil das Thema gleich für große Begeisterung sorgte, tigerte sich der Andi auch dementsprechend hinein. Er besuchte Teehäuser, lernte von und bei Kräuterlieferanten, besorgte sich Fachliteratur – und begann zu mischen. Heute ist das Werkel ordentlich am Laufen, die Kräuter (verschiedene Minzsorten, Basilikum, Zitronenmelisse, Mandarinensalbei und Co.) gedeihen in einem

eigenen Bereich auf der Terrasse, rund 80 Prozent der im Frühling/Sommer für die Mischungen benötigten stammen aus eigenem Anbau. Die Kräuter werden „abgearbeitet“, in Töpfen gesammelt, Woche für Woche neu gemischt und dann von Djordjevic verkostet und als Teemischung in Gläser gefüllt. Rezept gibt es jedenfalls keines – auch weil sich Geschmack, Zutaten und Mischverhältnis immer wieder ändern. „In erster Linie“, sagt Andi, „entscheidet das Bauchgefühl.“

Erhältlich im Steirereck-Shop Kräuterteemischung „Steirereck“, 35 g um € 5,50

10 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Menü zur Zeit

Wir bieten eine erlesene Auswahl an feinen Zeitmessern für Freunde der Uhrmacherkunst. Geschmackvolle Kompositionen und edle Zutaten zubereitet von den besten Uhren-Manufakturen der Welt. Ein Fest für Auge und Handgelenk. Als ausgewiesener Uhrenspezialist und als Familienunternehmen sind wir mit unserem Team und unseren Uhrmachern mit Leidenschaft für alle Horlogerie-Feinschmecker da - seit über 100 Jahren.

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ZEIT DER REIFE

BEI WOHL KEINEM ANDEREN GENUSSMITTEL STEHT DIE REIFEPERIODE SO AUSGEPRÄGT MIT DER QUALITÄT IM KONTEXT WIE BEI SCHAUMWEINEN.

Stefanie und Alwin Jurtschitsch, Ausnahmewinzer aus Langenlois, geben und nehmen sich und ihren handwerklich geschaffenen Weinen die Zeit, die es eben braucht, um höchsten Genuss zu zaubern. 2007 wurde ein Grüner Veltliner geerntet, der erstmals nach zwölf Jahren Hefelagerung im Mai 2019 degorgiert wurde. 120 Flaschen plus ein paar Magnums firmierten in dieser ersten Charge unter dem Namen 2007 Sekt Grüner Veltliner „Steirereck Edition Vol. 6“ Brut Nature, Weingut Jurtschitsch und bereiteten den Gästen eine Gaumenfreude der besonderen Art. 2020 durfte man sich auf die nächs -

ten 120 Flaschen freuen und im September 2021 über die dritte und bislang letzte Charge. Die jeweils noch längere Zeit auf der Hefe verleiht dieser Sonderedition ein sich stets steigerndes Mehr an Tiefe und Komplexität. René Antrag, Chefsommelier des Steirereck, hat sich bei dieser Zusammenarbeit bewusst für Brut Nature entschieden: von Dosagezugaben unbeeinflusster natürlicher Hochgenuss.

Erhältlich im Steirereck-Shop um € 65,–

12 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Saunadesign abgestimmt auf Ihr Wohn- & Wellnesskonzept

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EINE RUNDE SACHE

„A BUNCH OF HOLES“ NENNT SICH DAS OPTISCH ANSPRECHENDE WIE FUNKTIONELLE OUTDOOR-MÖBEL-ENSEMBLE AUS DEM HAUSE H+S ZAUNTECHNIK. ENTSTANDEN IST ES IN KOOPERATION MIT MARTIN MOSTBÖCK, SEINEM „DESIGNER OF THE YEAR“.

Das Thema ist allgegenwärtig, wenn man Balkon, Terrasse oder Garten sein Eigen nennt: kleiner Schauer, großes Problem. Denn auch wenn sich die Regenwolken bald wieder verziehen – die Möbel brauchen ihre Zeit, ehe man sie wieder benutzen kann. Und so ungern wir bei Tisch auf dem Trockenen sitzen, umso lieber tun wir es im Freien mit unseren Gästen. Unter anderem für solche Situationen brachte das Familienunternehmen H+S Zauntechnik aus Raaba in Kooperation mit StarArchitekt Martin Mostböck nun eine Möbelgruppe auf den Markt, die nicht nur durch fröhliche Farben besticht, sondern auch durch ein markantes Design in Löcher-Optik. „A Bunch of Holes“ besteht

aus einem Tisch und drei Hockern und birgt gleich mehrere Vorteile in sich: Zum einen erlaubt es die raffinierte Anordnung der Löcher, die Hockerbeine in den Tisch zu stecken und das Ensemble damit kompakt und platzsparend zu fusionieren. Zum anderen werden die Möbel dank der Lochstruktur (die Löcher werden mittels Laser-Cutter aus NirostaStahl geschnitten) gut durchlüftet und trocknen nach einem Regen besonders schnell.

A Bunch of Holes, Outdoor-Möbel, stapelbar, Edelstahl pulverbeschichtet Kontakt: sales@hs-zaun.at

14 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Das Wasser zum Essen.

nachhaltig #jungbleiben

*50% der CO 2 -Emissionen ve r glichen mit 2005 r eduziert & 50% k ompensiert.

DER GUTE TON

VIRUSBEDINGTE DAUERSPERRSTUNDEN SIND NICHT IMMER NUR SCHLECHT.

MICHAEL BAUBÖCK, SOUSCHEF IM STEIRERECK, HAT DIESE NÄMLICH GENÜTZT, UM „VM CERAMIC“ AUS DER TAUFE ZU HEBEN – EINE INZWISCHEN SEHR UMFANGREICHE GESCHIRR-KOLLEKTION.

Keiner weiß besser, wie ein Teller zu sein hat, als einer, der täglich damit zu tun hat: Glasiert oder nicht glasiert, mit Mulde oder ohne – jedes Gericht verlangt nach der optimalen Unterlage, um sich mit ihr in Perfektion zu vereinen. Daher machte Michael Bauböck vor gut zwei Jahren – parallel zum ersten Lockdown – sein Hobby zum Zweitberuf und designt Geschirr, das unter dem Namen „VM Ceramic“ firmiert. Die Idee kam aber nicht über Nacht, „weil dieses Faible ja schon immer da war“, sagt der gebürtige Innviertler. „Egal wo ich hingereist bin, ich hab immer Geschirr mit nach Hause gebracht.“ Heute fertigt er in der Nähe vom Steirereck, verfügt über

eine eigene Töpferscheibe und einen Brennofen und hat inzwischen gut drei Tonnen an Ton für Teller, Schalen, Schüsseln, Platten und Vasen verarbeitet. Selbstredend, dass so manche Steirereck-Kreation auch auf einem von Bauböck gefertigten Teller serviert wird. Aber auch Kollegen wie Paul Ivić (Tian), Konstantin Filippou oder Fabian Günzel (aend) setzen auf das Know-how des oberösterreichischen Allround-Talents.

Infos unter: instagram.com/vm.ceramic

16 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

GABEL-BISSEN

SELBST IST DER MANN: IN ERMANGELUNG EINES ADÄQUATEN BESTECKS

FÜR DIE SCHANKKUCHL AM POGUSCH KREIERTE HEINZ REITBAUER KURZERHAND SELBST EINES – DIE HEUGABEL.

Was das Besteck betrifft, sind der Vielfalt keine Grenzen gesetzt: Inzwischen gibt es Gabeln, Messer und Löffel in Hülle und Fülle, aus verschiedensten Materialien, in unterschiedlichsten Designs. Und dann gibt es doch auch wieder das bestimmte eine, das man in all den Beständen vergeblich sucht. Im Falle von Heinz Reitbauer war es eine spezielle Gabel, die in der Schankkuchl im Steirereck am Pogusch Verwendung findet, wenn man sich am gemeinschaftlichen Tisch Köstlichkeiten so einfach von der Platte holt. Aber wo ein Problem, da eine Lö -

sung: Reitbauer konsultierte kurzerhand den Wiener Schlosser seines Vertrauens, entwarf gemeinsam mit ihm einen Prototyp, der nach einigen Modifikationen – es wurde verlängert, verkürzt, am Schliffbild gefeilt – heute als eine Art Heugabel zum Einsatz kommt: dreizackig, 20 cm lang und von Hand aus Edelstahl geschmiedet.

Erhältlich im Steirereck am Pogusch Heugabel um € 36,–

18 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

DIE MAGIE DER FLIESSENDEN DIAMANTEN

DIE INSPIRATION ZUR WAGNER-COLLECTION RIVIÈRE IST DAS LEUCHTENDE, FLIESSENDE LICHTERBAND AM NACHTHIMMEL AN DER FRANZÖSISCHEN RIVIERA.

Im Mittelpunkt der vielseitigen Collection steht die Faszination des Diamanten – dem edelsten, begehrtesten und schönsten aller Edelsteine. Die eng aneinanderliegenden Diamanten bilden eine einzige funkelnde Lichterkette. Das Design der Schmuckstücke ist sinnlich schön und zeitlos elegant. Ob zum sommerlichen Outfit beim Freundinnen-Treff in der Innenstadt oder beim romantischen Sonnenuntergang auf der Terrasse eines Palazzo zu zweit: Wagner Rivière garantiert einen glanzvollen Auftritt.

Die Ringe sind in 18 Karat Weißgold, Roségold oder Gelbgold gefertigt und in unterschiedlicher

Diamant-Karatur verfügbar. Getragen werden sie sowohl einzeln oder als Stacking mit drei bis fünf Ringen, entweder in einer einzigen oder auch mehreren Goldfarben gemeinsam. Bei Kennern beliebt ist zudem die Erweiterung zu einem Juwelen-Set, bestehend aus Armband, Ohrschmuck und Collier. Signiert ist das Original mit dem blauen WagnerSaphir mit eingraviertem Wagner-W.

Mehr Infos unter juwelier-wagner.at/shop/de/wagner-juwelen/riviere

20 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

Die österreichischen Projektentwickler ermöglichen die Schaffung hochwertiger Lebensräume: Wohnräume, Arbeitsräume und Bildungsräume vom Kindergarten bis zur Schule und Universität. Sie erwerben Grundstücke, kümmern sich um Konzept und Widmung, beauftragen Architekten und Baufirmen, nehmen das Risiko auf sich und schaffen wertvolle Arbeitsplätze.

/lebensraumentwickler

LAIB MIT SEELE

IM STEIRERECK WIRD NICHTS DEM ZUFALL ÜBERLASSEN.

SCHON GAR NICHT DAS BROT. EIN GANZ BESONDERES BÄCKT

HAUSHERRIN BIRGIT REITBAUER MEHRMALS DIE WOCHE SELBST.

Drehen wir es ein wenig zurück, das Rad der Zeit. Damals erfüllte zweimal die Woche ein unvergleichlicher Duft das Steirereck am Pogusch, wenn das frische Brot geliefert wurde, gebacken von ein paar Bäuerinnen aus der Region. Als sich vor vier Jahren eine nach der anderen in den Ruhestand verabschiedete, wurde rasch der Entschluss gefasst, künftig selbst zu backen – und der Weg dorthin mit entsprechender Akribie verfolgt. Also besuchte Birgit Reitbauer einen Brotbackkurs im Kärntner Rosental, las sich umfassend in die Materie ein und machte

sich ans Werk. Heute sind es gut und gerne 120 Laibe aus reinem Bio-Roggensauerteig, die sie pro Woche in den Ofen schiebt, gebacken auf Steinplatte, verfeinert mit Leinsamen, Roggenschrot oder Sonnenblumenkernen, gewürzt mit Koriander, Fenchel, Anis und gemahlenem Schabzigerklee, auch Brotklee genannt. Gebacken wird in Wien und am Pogusch, genossen ebendort und am besten so pur wie möglich – mit Bio-Butter aus der Privatkäserei Höflmaier.

22 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

WOHNEN AM WEINGUT

WINZAREI

Familienweingut Tement

Zieregg 13 • A -8461 Ehrenhausen weingut@tement.at • www.tement.at welcome@winzarei.at • www.winzarei.at

ES GEHT UM DIE WURST

GENAU GENOMMEN SOGAR UM ZWEI, NÄMLICH UM BLUT- UND BRATWURST, DIE SEIT GUT ZWANZIG JAHREN AM POGUSCH HERGESTELLT UND SOWOHL DORT ALS AUCH IM STEIRERECK IN WIEN KREDENZT WERDEN.

Einmal die Woche ist Schlachttag am Pogusch. Dann schreiten Walter und Franz, jene beiden Herren, die die dortige Landwirtschaft betreuen, zur Tat und verarbeiten Fleisch und Co. zu Spezialitäten. Zwei davon wollen wir Ihnen hier genauer vorstellen, nämlich die Blut- und Bratwürste, die unter wahren Kennern als unvergleichbare Delikatessen gelten. Das Grundprodukt ist ein Schwein, exakt eine einjährige Schwäbisch-Hällische-Duroc-Mischung, die das ganze Jahr im Freiland verbringt. Gefüllt werden beide Wurstsorten in Naturdarm, in Sachen Würzung wird auf Pökelsalz verzichtet und stattdes -

sen normales Speisesalz verwendet. Typisch für die hauseigene Blutwurst ist, dass hier neben den klassischen Zutaten wie Reis, Weißbrot, Gewürzen und gerösteten Zwiebeln weniger Blut verarbeitet wird, was sie etwas weicher werden lässt als gewohnt. Alle Würste sind bereits gebrüht, dem spontanen Genuss steht also nichts mehr im Weg. Nur in die Pfanne müssen sie halt noch.

Erhältlich im Steirereck-Shop Blutwurst (2 Stück, 300 g, bratfertig) um € 9,80 Bratwurst (2 Stück, mind. 200 g, bratfertig) um € 8,50

24 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

FLASCHENKOST

WENN DIE BLÜTEN UND KRÄUTER AM POGUSCH IHR VOLLES POTENZIAL ENTWICKELT HABEN, WERDEN SIE ZU EINEM UNVERGLEICHLICHEN LIKÖR VERARBEITET –DEM „ALPENBITTER“. DER SCHMECKT EINERSEITS SEHR GUT, ANDERERSEITS AUCH JEDES JAHR ANDERS.

Wenn zu Beginn des Sommers erste Blüten und Kräuter in den Gärten des Steirereck am Pogusch ihre Kraft und Pracht entfalten, ist seine Zeit gekommen: die des „Pogusch Alpenbitter“. Der hochprozentige Likör besteht freilich nicht allein aus mindestens zwanzig verschiedenen Blüten und Kräutern, in ihm finden sich auch Extrakte aus einer Vielzahl an Wurzeln und Rinden, die in der alpenländischen Gegend rund um den Pogusch wachsen. Aber nicht nur in puncto Zutaten gibt die Natur den Ton an – im Steirereck arbeitet man bewusst daran, ein Getränk ins Glas zu bringen, das das jeweilige Jahr mit all seinen Wetterkapriolen widerspiegelt. Dementspre-

chend entsteht Jahr für Jahr ein unterschiedliches Endprodukt, wie man es auch vom Weinbau kennt.

Und wie genießt man das kraftvolle Getränk am besten? Zum einen kann der „Alpenbitter“ pur als Digestif (auch auf Eis) serviert werden oder auch in Kombination mit Soda, Orangensaft, Tonic oder Ginger-Ale als Aperitif.

Erhältlich im Steirereck-Shop Pogusch Alpenbitter, 100 ml um € 12,–

26 S MAGAZIN FUND-STÜCKE

HARMONIE VON HIMMEL & ERDE

Genau wie ihre Reben ist das Winzerehepaar Katrin und Kurt Feiler tief und fest im Weinbau und in der Freistadt Rust verwurzelt.

Ihre Weine streben qualitativ nach den höchsten Sternen.

Biodynamische Bewirtschaftung seit 2008 ermöglicht Weinbau im Einklang mit der Natur

Nicht der Boden oder die Lage allein, sondern erst das Zusammenspiel mit der richtigen Sorte und dem Klima machen Weine einzigartig. Himmel und Erde haben ihren Einfluss. Der Weinbauer ist der Vermittler zwischen all diesen natürlichen Voraussetzungen. Die biodynamische Bewirtschaftung, die wir seit 2008 in unserem Betrieb anwenden, unterstützt mit ihrer ganzheitlichen Sicht und den Methoden und Präparaten den Einklang von Himmel und Erde. Sechs Präparate machen unseren Kompost vom Mist der eigenen Mutterkühe qualitativ noch besser und lebendiger, zwei Präparate (Hornmist und Hornkiesel) werden direkt in den Weingärten ausgebracht. Die Letzteren werden vor der Ausbringung eine Stunde

lang von Kurt Feiler mit seinem »Hexenbesen« dynamisiert. So ist auch der Winzer selbst mit all seinem Bewusstsein und seiner Individualität direkt in die Wachstums- und Reifeprozesse der Reben eingebunden.

Das Weingut Feiler-Artinger liegt mitten in der Freistadt Rust. Typisch für die Herkunft, bieten wir die ganze Ruster Trilogie in höchster Qualität: Weiß-, Rot- und edelsüße Weine (Ruster Ausbruch). Der Neuburger ist die Lieblingssorte und das Steckenpferd unter den Weißweinen. In Rot dominiert der Blaufränkisch. Wir bieten ihn in allen Facetten und Ausbauvarianten an, ganz neu auch einen Leithaberg DAC Ried Ruster Oberer Wald! Ein Geheimtipp des Winzers im Rotwein-Sortiment ist aber der Cabernet Franc!

R USTER AUSBRUCH DAC

Die neue bedeutende Jahreszahl neben 1524 und 1681 für die Freistadt Rust und den Ruster Ausbruch ist 2020. Die Ruster Spezialität wurde als erster Süßwein Österreichs ein »regionaltypischer Qualitätswein mit Herkunftsprofil«, besser bekannt unter der Abkürzung »DAC«. Bei uns im Weingut gibt es mit dem heuer neu auf den Markt kommenden Jahrgang 2018 gleich vier Ruster Ausbruch DAC. Rust am Neusiedler See besuchen und himmlische Weine von Feiler-Artinger genießen!

Weitere

falstaff 45 mai 2021 WEINGUT FEILER-ARTINGER ADVERTORIAL Fotos: © Martin Fülöp; beigestellt INFO
Informationen
feiler-artinger.at
unter
28 S MAGAZIN

Eine im österreichischen Deutsch gängige Redewendung lautet „Red’ keinen Holler“, was so viel heißt wie „Erzähl’ keinen Blödsinn“. Und handelt es sich um besonders großen Blödsinn, bedient man sich gerne der Steigerungsform „Vollholler“. Dass sich der Holler, hochsprachlich Holunder, diese zweifelhafte Ehre der Herabwürdigung aber alles andere als verdient hat, erfahren Sie von A bis Z. Davor aber kommen noch ein Zackelschafzüchter und ein Ofenbauer zu Wort. Und die haben viel zu erzählen, verbreiten aber fix keinen Holler.

Wer & warum

S. 46

S. 30 EINMAL MIT SCHAF, BITTE! S. 52 ESSEN, WAS MAN RETTEN WILL S. 38 DER MANN, DER FÜR DAS FEUER BRENNT DOPPELTE SAISON
1 S MAGAZIN MENSCH & TIER, BLÜTEN & BEEREN 29

EINMAL MIT SCHAF, BITTE!

SEBASTIAN HOFER FOTOS: PHILIPP HORAK 30 S MAGAZIN HOCH-GENUSS
TEXT:

DER MIT DEN TIEREN TANZT –UND DANN SEINEN EIGENEN WEG GEHT: HOCH HINAUF UND HINEIN INS BESSERE LEBEN MIT DEM ÖTZTALER

BERGBAUERN UND GESCHMACKSBILDNER MICHAEL WILHELM.

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03–04 Unter Eingeweihten heißt das Windachtal hoch über Sölden auch Klein-Kanada. Der Vergleich ist nicht weit hergeholt.

„Da wirst eintauchen in eine Welt, die es seit 50 Jahren nimmer gibt“, verspricht Michael Wilhelm ein paar Tage vor dem Besuch im hinteren Ötztal. In der Welt, die Wilhelm meint, sind die Häuser aus Stein und aus Holz und von ihren Bewohnern eigenhändig gebaut worden. Das Essen wird auf einem Herd zubereitet, unter dem ein Feuer lodert. In der Küche steht der Rauch, die Hühner schauen einem beim Zwiebelschneiden über die Schulter und sind froh, dass es heute nur Pilzgröstl gibt. Das Gröstl besteht – Zwiebel ausgenommen – aus Zutaten, die der Koch fünfhundert Meter weiter oben gefunden und gesammelt hat. Erstaunlicherweise gibt es in der Welt, von der hier die Rede ist, einen relativ guten Handyempfang. Wenn er gerade Lust hat, hebt Michael Wilhelm sogar ab. Wenn nicht, dann nicht. Es gibt Wichtigeres. Die Tiere zum Beispiel.

Denn Michael Wilhelm ist Bergbauer in Tirol. Er züchtet Schafe, Rinder und Yaks, und nicht nur letztere deuten darauf hin, dass er vieles anders macht als andere. Er macht das jetzt schon seit fast 30 Jahren so. Michael Wilhelm war erst 16, als seine Eltern verstarben und er, der eigentlich Bildhauer werden wollte, den Hof übernehmen musste. Die Eltern hatten eine traditionelle Milchwirtschaft betrieben, klassisches Tiroler Bergbauernmodell, also nicht das Wahre für den Querkopf Michael, der in jenen Jahren auf seinen eigenen Weg abbog. Er suchte nach Tieren, die genau hierher, ganz genau ins obere Windachtal passen, er fand uralte Rassen wie das Zackelschaf, er fand das Tuxer Rind und er fand die Yaks, die nun hier, auf den Almwiesen über Sölden, ein sichtlich zufriedenes Leben führen.

Die Wilhelm’sche Windachalm liegt auf 1990 Höhenmetern und wurde von Michaels Vater vor 70 Jahren gebaut. Voraus ragt der Gaiskogel 3129 Meter hoch auf, am Gegenhang brütet ein Bartgeierpärchen, hinter der Almhütte picken Michaels Hendln in der fetten Wiese, es sind schwedische Blumenhühner und Steinpipperl, denn Michaels Faible fürs Besondere beschränkt sich nicht nur auf Huftiere.

„Da wirst eintauchen in eine Welt, die es seit 50 Jahren nimmer gibt.“

Aber jetzt geht es erst einmal ins hochalpine Gelände. Sagt Michael Wilhelm zumindest, mit einem Grinsen, das sich schwer deuten lässt. Genauer mag er mit der Sprache nicht herausrücken, denn: „Manchmal ist es besser, wenn man nicht vorher weiß, was passiert.“ Der Bauer wirft bloß noch einen Blick auf die Schuhe seiner Besucher, „na, wird schon gehen“. Er selbst trägt mit grandioser Selbstverständlichkeit Gummistiefel. Und dann geht’s tatsächlich steil bergauf und Michael Wilhelm lässt geschehen, was geschieht. Er hat die Ruhe derer, die wissen, dass sie die Natur nicht zwingen, aber verstehen können. Er hat ein Auge für die Wunder dieser Welt und einen scharfen Verstand, der gern in unerwartete Richtungen abzweigt. Michael Wilhelm ist auf eine produktive Art in sich gekehrt, er redet nicht zu viel, aber wenn – ja dann! Er erzählt von früher: „Vor tausend Jahren wurde hier heroben noch Roggen angebaut. Die Hochalmen waren dauerbesiedelt.“ Tatsächlich gab es hier schon vor 8000 Jahren eine extensive Weidewirtschaft. Unter Eingeweihten heißt das Windachtal auch Klein-Kanada und selbst Uneingeweihten erschließt sich dieser Vergleich nicht erst auf den zweiten Blick. Das Wasser perlt

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05–06 Ende April werden die Tiere auf den Berg getrieben, wo sie bis zum Herbst komplett selbstständig leben und weiden.

aus allen Poren, die Hänge rundum überbieten sich in der Vielfalt ihrer Grüntöne. Ein Murmeltier gibt Signal, eine Herde Bergschafe – nicht die von Michi Wilhelm – trottet ein paar Meter mit, bis die Hoffnung auf Sonderfütterung schwindet. Die Bartgeier schrauben sich in die Thermik hoch. Die Alpen geben heute wirklich ihr Bestes.

Das Zackelschaf ist an seinen Schraubhörnern und den waagrecht abstehenden Ohren auch für bergbäuerliche Laien gut zu erkennen – wenn sie ihm denn nahe genug kommen. Es ist nämlich auch sehr scheu, außerdem ziemlich robust und genügsam. Seine Geschichte reicht mindestens 5000 Jahre zurück, als ungarisches Zackelschaf war es auch im alpinen Raum bis ins 18. Jahrhundert ein weit verbreitetes Nutztier. Doch dann änderten sich die Zeiten und die alpine Landwirtschaft wurde intensiver. Michi Wilhelm kümmert das nicht, er macht es eben wieder anders, macht es wieder wie davor. Seine Tiere werden Ende April auf den Berg getrieben, wo sie weitgehend selbstständig leben und weiden. Im Herbst, meist gegen Anfang Oktober, kommen sie langsam aus den höheren Lagen herunter, ins eigentliche Tal müssen sie aber doch hinuntergetrieben werden. Das ist eine sportliche Aufgabe, denn Hütehunde sind im Ötztal nicht üblich. Es hätte sie hier halt auch früher nicht gegeben, sagt der sportliche Hirte: „Wie hätten die Menschen hier einen Hund ernähren sollen, wenn sie oft die eigenen Kinder nicht durchgebracht haben?“ Es war eine arme Gegend und ein hartes Leben, das sehr, sehr nahe an der Natur geführt wurde. Im Grunde sind es Wildtiere, die Wilhelm hier oben hütet. Auch deshalb eignen sie sich so viel besser für das Leben am Berg als jüngere Zuchtrassen und auch deshalb schmeckt ihr Fleisch so besonders, nach Lamm und nach Wild und nach Hochalm, es ist dunkelrot und klar marmoriert, kurzfasrig und mit einer ausgeprägten Fettauflage geschmückt. Nur rund zehn Prozent seiner Herde werden pro Jahr geschlachtet, das können Lämmer sein oder Jungschafe, ab und zu aber auch zwei- bis dreijährige kastrierte Widder. In Wirklichkeit weiß nur der Schäfer selbst, welche seiner Schafe wann wie schmecken werden. Die Unterschiede können, je nach Futterangebot, Alter und Bewegungsradius der Tiere, enorm ausfallen.

Wenn Michael Wilhelm einer Bank einen Businessplan vorlegen müsste, würde er mit dem, was er da tut, nicht weit kommen. Die extensive Zucht von wild weidenden Schafen, Yaks und alten Rinderrassen ist kein sehr lohnendes Geschäftsmodell, der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag geradezu irrwitzig – außer man rechnet den Genuss ein, der auf diese Weise möglich wird, und natürlich auch die Lebensqualität des Bergbauern selbst. Michael Wilhelm versichert sehr glaubwürdig, dass er mit niemandem auf dieser Welt tauschen möchte.

Das Zackelschaf ist an seinen Schraubhörnern und den waagrecht abstehenden Ohren auch für bergbäuerliche Laien gut zu erkennen.

Es geht immer noch bergan, irgendwo da oben müssen Michael Wilhelms Schafe sein, wo genau, kann er selber nicht sagen. Das Weidegebiet seiner Tiere umfasst ungefähr 200 Hektar. Aber dann: Etwas bewegt sich im Geröll, hoch oben, fast schon am Felsgrat. Gut 60 Schafe, schwarze, weiße, gemischte. Wir stehen jetzt auf 2500 Höhenmetern, Michael Wilhelm nimmt Kontakt auf: „Mekmekmek! Kiiiim heeer!“ Die Schafe spitzen die Ohren.

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07–08 Und dann kocht Wilhelm ein Pilzgröstl, wie es kein zweites gibtweil seine Zutaten eben nur hier heroben wachsen.

Auf dem Weg zeigt Wilhelm, was der Berg alles hergibt. Keine Almwiese ist wie die andere und keine Almwiese gleicht sich selbst vor 14 Tagen. Es ist eine ständige Veränderung, ein ständiger Rhythmus, ein ständiges, beharrliches Wachstum unter gar nicht so widrigen, aber doch sehr besonderen Umständen. Michael Wilhelm zeigt uns den Augentrost, der gegen Entzündungen hilft, er pflückt SandThymian und Silberdistel, deren Herz man wie eine Artischocke essen kann, weshalb man sie auch Jägerbrot nennt. „Und da, schau, das ist auch eine super Geschichte“: wilder Wacholder, der hier oben zu ganz besonderer Aromatik reift – weil er eben nicht in die Höhe schießt, sondern unter den hochalpinen Bedingungen nur wenige Zentimeter pro Jahr macht. Der Geschmack verteilt sich nicht, er verdichtet. „Merkst du es?“ Man merkt es: Zuerst erinnert der Geschmack an Heidelbeeren, dann kommt eine pfeffrige Note, dann etwas leicht Bitteres; das eigentliche Wacholderaroma folgt erst nach 30, 40 Sekunden, davor ist schon ein ganzer Farbfilm übers Gaumenkino gelaufen. Und dann erspäht Michael etwas aus dem Augenwinkel, hirscht ansatzlos quer über den Hang, kehrt mit zufriedenem Grinsen und fetter Beute zurück: „Rotkappen. Absolute Edelpilze, gewachsen auf 2200 Höhenmetern. Das wäre was für den Heinz.“ Er meint Heinz Reitbauer, für den er ehrlichen Respekt bekundet, was man ruhig als Auszeichnung verstehen soll. Denn was den Geschmack angeht und den Umgang mit den Produkten, die von hier heroben stammen, von den Wiesen und Weiden des Windachtals, versteht der ansonsten durchaus zum Scherz aufgelegte Bergbauer keinen Spaß. Zu genau weiß er, welcher natürliche und menschliche Aufwand in diesen Produkten steckt, welches Potenzial sie bergen, sei es der wilde Wacholder oder das Fleisch seiner Tuxer Rinder, das von einer Finesse ist, die ihresgleichen sucht, die aber eben auch in der Küche ein Gegenüber braucht, das mit ihr umzugehen und sie hervorzulocken versteht. Leider, so Wilhelm, sei nicht jeder Koch, jede Köchin mit diesem Verständnis gesegnet und schon gar nicht mit einem Wissen um die ultraregionalen Zusammenhänge dieser Produkte, um das mikrosaisonale Zusammenspiel von Fleisch, Kräutern, Gewürzen, Wasser, Sonne und Luft. „Wenn du genau hinschmeckst, wirst du merken, dass das Wasser aus jeder Quelle ein bisschen anders schmeckt. Und von da aus wird das Spektrum nur noch größer. Aber um das herauszuarbeiten, brauchst du Könner, und davon gibt es leider zu wenige. Der Heinz ist so einer, der Thorsten Probost auch.“

Was den Geschmack seiner Produkte angeht, versteht der Bergbauer keinen Spaß.

Und dann zeigt Michael Wilhelm, dass er auch so einer ist und heizt den Ofen der Windachalm an. Der Hut streift an der Decke, Werkzeug und Geschirr sind spartanisch, in einer fleckigen Gusseisenpfanne entsteht ein Pilzgröstl, wie es kein zweites gibt, so ultraregional und mikrosaisonal, dass es eine Freude ist, mit Rinderfett und Sand-Thymian und Brennnessel-Dolden gewürzt. Dazu gibt es einen deutschen Spitzenriesling, den Wilhelm wie selbstverständlich aus seiner Speisekammer herausfischt, sowie haufenweise nicht druckfähige Anekdoten aus dem Ötztaler Bergbauernleben. Und langsam reift die Erkenntnis, dass man hier zwar in einer Welt gelandet ist, die es seit fünfzig Jahren nicht mehr gibt, dass es sie aber, wenn alles gut geht, eben doch wieder geben kann. Man muss nur vom rechten Weg abkommen.

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GEORG LINDENBAUER

BAUT DIE VIELLEICHT

SPEKTAKULÄRSTEN HOLZÖFEN DER WELT.

NUN HAT DIE

SPITZENGASTRONOMIE IHN ENTDECKT.

TEXT: TOBIAS MÜLLER

FOTOS: MIRCO TALIERCIO

DER MANN, DER FÜR DAS FEUER BRENNT

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Man könnte Georg Lindenbauer einfach als Ofenbauer bezeichnen. Er selbst sagt lieber, er sei der „wichtigste Vertreter der beheizbaren Großplastik“, seine Website heißt Heizobjekte.at. Das soll schon lustig klingen, ist aber trotzdem ernst gemeint. Wer jetzt glaubt, es mit einem abgehobenen Künstler zu tun zu haben, irrt. Wenn man ihn fragt, was ein guter Ofen ist, sagt er: „Es muss funktionieren und geil ausschauen.“

Seine „beheizbare Großplastiken“ haben mit ordinären Öfen so viel zu tun wie ein Steirereck-Gericht mit einer Wurstsemmel. Manche sehen aus wie organische Formen, die in einem galaktischen Urwald gewachsen sind, manche wie Alienköpfe, andere erinnern an Entwürfe von Mies van der Rohe oder Le Corbusier. Manche gehen fast als traditionelle Kachelöfen durch, einige haben wilde Oberflächen, etwa aus Ton, den er vor dem Trocknen mit einer Reitgerte geschlagen hat.

Georg Lindenbauer baut kleine Öfen, gerade einmal schulterhoch, und zig Tonnen schwere, SUV-große Konstruktionen, die scheinbar schwerelos schweben und sich drehen lassen. Manche sind so auffällig, dass sie den ganzen Raum für sich einnehmen, andere verschwinden nahtlos in der Wand, sodass nur die Feuerkammer sichtbar ist.

Es ist also schwer, von einem Lindenbauer-Stil zu sprechen – „Ich bin ständig am Improvisieren, jeder Ofen ist ein Prototyp“, sagt er. Wer nach Gemeinsamkeiten sucht, der findet am ehesten eine schlichte, funktionalistische Eleganz, schöne Proportionen und einen gewissen Hang zu einer WeltraumÄsthetik, die an Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ erinnert. Das mit dem „geil ausschauen“ bekommt er ziemlich gut hin.

Man könnte Heinz Reitbauers neuestes Projekt einfach als Grilllokal bezeichnen, er selbst sagt lieber „Schankkuchl“ dazu. Der Steirereck-Chef hat im Wirtshaus am Pogusch umgebaut und eine offene Küche mit großem Gemeinschaftstisch neben dem Gasthaus geschaffen. Dort serviert er seinen Gästen fast nur Gerichte, die aus dem Feuer kommen: gegrillter Stör mit Artischocke, gegrilltes Kalbsbries, feuergeküsste Schweineschwänze und Fasan. Der Ofen, der das möglich macht, ist Georg Lindenbauers Werk.

„Als wir den Pogusch umgebaut haben, wollten wir unbedingt auch mit Feuer kochen können“, sagt Heinz Reitbauer. „Ein offener Kamin ist schließlich das Typischste, was die Steiermark zu bieten hat. Und den Geschmack, den du vom Kochen mit Holz bekommst, kriegst du mit nichts anderem hin.“

01–04 Lindenbauer gehört zu jenen Menschen, die nicht schuften, sondern schöpfen: Seine Öfen entstehen von Grund auf aus dem Nichts.

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Jeder Lindenbauer-Ofen ist ein Unikat und ensteht in Handarbeit. Die meisten Teile fertigt der Ofenbauer in seinem Atelier in einer alten Turnhalle in Stadtschlaining im Burgenland.

Und weil der Ofen richtig gut sein sollte, rief der Ausnahme-Koch Reitbauer den Ausnahme-Ofenbauer Lindenbauer an. Der erste Kochofen war es für den Künstler nicht – er hat bereits um die 20 gebaut –aber es war der erste in dieser Größe.

Lindenbauer hat für den Pogusch eine „Feuermaschine“ aus Stahl und Ziegeln entworfen, 13 Tonnen schwer und knappe acht Meter breit. Wenn sie auf Hochtouren läuft, dann ziehen 7800 Kubikmeter Luft pro Stunde durch, das Volumen von sechs Einfamilienhäusern. Die Konstruktion ist Brotbackofen, Herd, Grill und Rotisserie in einem und ausschließlich mit Holz befeuert. Ein mächtiger Abzug sorgt dafür, dass nur das Essen und nicht die Gäste mit Grillaromen gewürzt werden.

Die Köche haben zwei Backrohre mit verschiedenen Temperaturen zur Verfügung, etwa zwei Quadratmeter Kochplatte, vier Grillbecken mit höhenverstellbaren Rosten und einen Bereich, in dem sich vertikal, also wie für einen Kebapspieß, mit Kohlen grillen lässt. „Es ist wie neu kochen lernen“, sagt Heinz Reitbauer. „Und es ist viel mehr möglich, als wir gedacht haben.“

In der Früh, gegen 8:15 Uhr, wird das erste Mal im großen Feuerkessel eingeheizt, die Grundlage für einen guten Tag. Dann wird regelmäßig nachgelegt und Glut hierhin und dorthin geschaufelt oder mit einem kleinen Fächer noch einmal extra angefacht, bevor das Fleisch darüberkommt. In den Backrohren wird nicht nur Brot gebacken, sondern werden auch Stelzen geschmort, unter dem Abzug hängen ganze Fische, die hier ganz langsam und sanft geräuchert werden. „Analoges Kochen“ nennt Küchenchef Manuel Weissenböck das. „Es ist eine Herausforderung, aber macht irrsinnig stolz.“

So wie alle Lindenbauer-Objekte ist auch der Poguschofen ein Prototyp, etwas noch nie Dagewesenes. Lindenbauer und Reitbauer haben gemeinsam am Modell getüftelt und sich diverse Features ausgedacht. Einges, wie die Backöfen, funktioniert großartig, manches, wie die Wärmerückgewinnung fürs Warmwasser, noch nicht so perfekt – alles in allem aber ist der Ofen eine erstaunliche Maschine.

Damit sie nicht nur geil ausschaut, sondern auch funktioniert, ist angewandte Physik vonnöten. So wie bei allen Öfen muss die Größe von Oberfläche und Innenraum korrespondieren, der Schornstein darf nicht zu lang und nicht zu kurz sein und, am Allerwichtigsten, der Zug muss passen.

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Die drei höhenverstellbaren Roste und der vertikale Feuerkorb sind nur ein Teil des Ofens am Pogusch: Links davon schließt der Brotbackofen an, rechts die holzbefeuerte Kochstelle.

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Lindenbauer hat für den Pogusch eine „Feuermaschine“ aus Stahl und Ziegeln entworfen, 13 Tonnen schwer und knappe acht Meter breit. Wenn sie auf Hochtouren läuft, dann ziehen

7800 Kubikmeter Luft pro Stunde durch, das Volumen von sechs Einfamilienhäusern.

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10 Selbst die Brennöfen (rechts) für seine Keramiken baut Lindenbauer selbst, damit sie seinen ungewöhnlichen Ansprüchen entsprechen.

Hinter den Feuerräumen hat Lindenbauer ein genau berechnetes Labyrinth aus sich windenden, immer enger werdenden Gängen errichtet. Weil dadurch die gleiche Menge heiße Luft durch immer schmälere Öffnungen muss, wird die Strömungsgeschwindigkeit höher, ganz wie an einer engen Stelle eines Flusses. Das sorgt dafür, dass das Feuer ordentlich lodert.

In den vergangenen 35 Jahren, seit er den Job macht, hat Lindenbauer hunderte Öfen errichtet. Gesetzt, wie der Ofenbauer sagt. In Klosterneuburg, wo er lange gelebt hat, stehen etwa 60, der Rest ist rund um die Welt verstreut. Das gibt einem einen ganz guten Eindruck davon, wie viel der Mann arbeitet und wie schnell er lebt, denkt, spricht, sich bewegt. Mitunter schläft er monatelang nur drei Stunden am Tag und tut nichts außer töpfern, brennen, essen, trinken und rauchen. „Ich bin extrem leidensfähig“, sagt er.

Lindenbauer gehört zu jenen Menschen, die nicht schuften, sondern schöpfen. Einmal losgelassen, beginnt er, die Welt um sich herum zu formen, zu verändern und nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Seine Öfen entstehen von Grund auf aus dem Nichts. Er arbeitet mit Stahl, Ziegeln, Holz, Keramik oder was ihm sonst gerade unterkommt. Er schnei -

det, schweißt, sägt, töpfert und brennt seine Keramik-kacheln und Ziegel selbst, mischt Glasuren und baut und zeichnet Modelle. Für ein Projekt hat er 425 Tonnen Ton mit der Hand geknetet, weil Maschinen das einfach nicht so gut hinbekommen.

Selbst die Brennöfen, in denen er die Keramikteile härtet, baut er selbst – ginge auch gar nicht anders, in der Größe, die er für seine meterhohen Skulpturen braucht, gibt es sie nämlich nicht zu kaufen. Und auch sein Studio hat er zu einem guten Teil selbst gebaut.

Lindenbauer hat in Graz eine Keramikschule besucht, dass er nun Öfen baut, verdankt sich seinem Selbstvertrauen und einem Zufall. 1985 fuhr er als junger Mann per Autostopp nach Wien, der Mann, der ihn mitnahm, fragte ihn, ob er einen Kachelofen bauen könne. Lindenbauer, der noch nie einen Kachelofen gebaut hatte, sagte ja. Als er bei seiner nächsten Keramikausstellung Fotos von seinem Werk aufhängte, verkaufte er an einem Wochenende sieben Öfen. Seither hat ihn das gezähmte Feuer nicht mehr losgelassen.

Weil ihm die Welt, wenn er sie formen will, meist gehorcht, ist er mit den Jahren noch selbstbewusster geworden. „Das könnte auch im Guggenheim ste -

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hen“, sagt er über eine seiner Arbeiten und scheut auch nicht Vergleiche mit Wassily Kandinsky und Paul Klee. Als man ihm mit 27 eine Assistentenstelle an der Universität für angewandte Kunst in Wien anbot, lehnte er ab. Weniger als eine Professur wollte er nicht nehmen.

Wer am Pogusch in der Schankkuchl isst, muss zugeben: Ein Lindenbauer-Ofen muss tatsächlich

etwas Besonderes sein, wenn solches Essen darauf zubereitet werden kann. Es sieht daher so aus, als würde er künftig noch einige „Kochobjekte“ bauen –seit dem Ofen am Pogusch rufen immer mehr Köche bei ihm an. Max Stiegl, Patron des Gut Purbach im Burgenland, hat bereits einen Brotbackofen mit Kochstelle bestellt und auch „Steira Wirt“ Richard Rauch interessiert sich für einen Lindenbauer-Herd. Die funktionieren nämlich, und schauen geil aus.

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DOPPELTE SAISON

TEXT: KATHARINA SEISER OB MAN IHN UMGANGSSPRACHLICH UND VERTRAUT HOLLER ODER KORREKT HOCHSPRACHLICH HOLUNDER NENNT, IST EGAL. WENN MAN NUR NICHT SEINE ZWEI SAISONEN VERSÄUMT: IM FRÜHLING DIE SEHR AROMATISCHEN BLÜTEN, IM SPÄTSOMMER DIE INTENSIV FÄRBENDEN FRÜCHTE.

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AObwohl Hollerbuschen auf jeder Gstättn und um jeden alten Hof wachsen, wird der schwarze Holunder wegen der Beeren auch kommerziell angebaut. 80 Prozent des in Österreich angebauten Hollers stammen aus der Steiermark –und zugleich ist das ein Viertel der europäischen Produktion.

Wer einen eigenen Garten hat: Heinz Reitbauer empfiehlt die österreichische Sorte Haschberg.

BBLÜTEN & BEEREN

Vom Holler oder korrekt vom schwarzen Holunder sind sowohl seine im späten Frühjahr reifenden weißen Blüten als auch seine im Hochsommer in schweren Dolden von den Sträuchern hängenden dunkelvioletten, fast schwarzen kleinen Beeren kulinarisch höchst begehrt. Während die Blüten auch roh gegessen werden können (meist aber als Sirup, Öl, Gelee oder Essig konserviert werden), müssen die Früchte gegart werden, denn sie enthalten das Glykosid Sambunigrin, das im harmlosen Fall zu Durchfall und Erbrechen, im schlimmsten Fall zu einer Vergiftung führen kann.

CHoller wurde ein klein wenig zum In-Geschmack der letzten Jahre, was sich auch in Bars und kommerziellen Drinks widerspiegelt. Es gibt aber definitiv schlimmere Trend-Getränke als Holler-Spritz, Shrubs mit Gurke und Holunder oder Gin mit Holler-Tonic.

DDUFT

Man braucht nur Hollerblüten zu sagen, und beinahe jedes Kind hat eine Vorstellung davon. Ihr Aroma ist fruchtig und blumig-frisch, beerig und erinnert an Maracuja, vielleicht ein ganz klein winzig moschusartig-ordinär, man könnte es auch sommerheiß-schwitzig nennen. Dieser unverwechselbare Duft ist beim Schnuppern und retro-nasal beim Kauen und Schlucken wahrnehmbar. Deshalb sind aus Blüten konservierte Produkte auch so beliebt, weil sie diesen Geschmack (und nicht nur den Duft) gut bewahren.

EDer duftige Hollerblütenessig gehört zu den verblüffendsten und am einfachsten herzustellenden Geheimwaffen in der Haushaltsküche. Am besten eignet sich milder weißer Balsamico mit seiner leichten Süße und relativ neutralen Frucht. Reife Blütendolden über ein Rexglas möglichst gründlich von den grünen Stielen streifen und schneiden, bis das Glas randvoll ist, mit dem Condimento bianco auffüllen und 14 Tage ziehen lassen. Durch ein feines Tuch oder Nylonsieb abseihen. Ideal für Vinaigrette für Blatt- und Gurkensalate, aber auch für Spargel, Kohlrabi, Karotten und Erbsen.

FFISCH

Fisch verträgt sich mit Hollerblüten ebenso gut wie Muscheln. Ob frische Blüten zum Schluss oder – noch besser – eingelegte Blüten oder Essig, Öl oder Butter darauf. Hollerblüten gehören längst nicht nur mehr in die Pâtisserie. Was man in Skandinavien und England übrigens auch in der Gastronomie schon länger weiß, sich aber auch bei uns langsam herumspricht.

GGELEE

Was die Quitte im späten Herbst, ist die Hollerblüte im späten Frühjahr: höchst elegante Geschmacksgeberin für ein zartes, sehr duftiges Gelee. Weil die Hollerblüte keine Frucht ist, braucht sie eine solche als Trägerin. Hochqualitativer Apfelsaft mit knackiger Frucht und Säure eignet sich perfekt dafür (die sortenreinen von Familie Wetter z. B.). Wie für Sirup ziehen lassen und mit Gelierzucker zu weichem Gelee einkochen. Schmeckt besonders gut auf mürben Kipferln.

HHIMBEEREN

sind ebenso wie Erdbeeren eng mit Hollerblüten befreundet. Mit einem Spritzer Hollersirup abgeschmeckt oder mit Holleressig zu erfrischendem Shrub gemixt, als Kombi in Kuchen aus Biskuit oder Mürbteig. In der Bowle oder die frischen Früchte mit Hollerblüten mariniert.

ANBAU
ESSIG COCKTAILS
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OLILIMONADE & LIKÖR

lieben Hollerblüten auch, was ja nicht verwunderlich ist bei dem Duft. Wenn es viele sind, sollen sie – und die Hollerblütendolde –an Ort und Stelle auf dem Buschen bleiben. Ein paar wenige Käferchen oder Ohrenschlüpfer kann man vorsichtig abschütteln. Aber nicht zu stark, denn im Blütenstaub sitzt das Aroma. Darum ist das Waschen von Hollerblüten auch streng verboten.

JINSEKTEN JOGHURT

Hollerblütensirup eignet sich ebenso zum Aromatisieren von gutem Joghurt wie Hollerröster. Besonders raffiniert wird das Frühstücksjoghurt mit knusprigem Hollerblütenzucker – hergestellt aus mit Blüten gemixtem Kristallzucker, der aufgebreitet am Blech bei niedriger Temperatur getrocknet wird.

KKRACHERL, KELLER, KINDHEIT

Wer Zweiteres hatte und in Dritterer Ersteres kannte, weiß, worum’s geht: Das Drama, wenn es das große Glas mit dem angesetzten Holler zerrissen hat. Kann passieren, wenn er zu gären beginnt und das Glas fest verschlossen war. Leicht perlender, auf natürlichem Wege vergorener Hollersekt, verschlossen mit Gummikappen, damit nur diese, aber nicht die ganzen Flaschen in die Luft fliegen, ist eine rare Delikatesse, die es nur im Frühsommer gibt.

Hollerkracherl kann man zwar kaufen, aber selbst gemacht schmeckt es noch besser: aus frischem, kalt angesetztem Hollersirup mit Soda oder stark prickelndem Mineralwasser und vielleicht noch einem Spritzer Zitronenoder Limettensaft. Barfuß in Klapperln, Sommersonnensprossen und Spaghettiträgerleiberl forever! Aus den Früchten kann man ähnlich wie aus Heidel-, Himoder schwarzen Johannisbeeren auch einen Likör ansetzen.

MMUSKATELLER

Das Henne-Ei-Problem dürfte in diesem Fall sehr einfach zu klären vor Wein aus Muskatellertrauben. Deshalb ist die Assoziation „Hollerblüten“ in der Nase von klassisch ausgebautem steirischem Muskateller völlig berechtigt.

NNASENSPITZE

Diese ist ein guter Indikator für die Reife von Hollerblüten. Denn erstens sollte man beim Sammeln an jeder einzelnen Dolde riechen (denn nicht jeder Hollerstrauch hat stark duftende Blüten und nicht jede Hollerblütendolde ist gleich intensiv) und zweitens bedeutet reichlich Blütenstaub auf der Nasenspitze, dass der Sammelzeitpunkt gut gewählt ist: nur an trockenen, warmen Tagen am späten Vormittag/gegen Mittag, niemals an Regentagen oder den ersten Tagen danach.

ÖL

Die Idee, aus allen möglichen Kräutern und Blüten ölige Auszüge zu gewinnen, kommt aus der Spitzengastronomie. Hollerblütenöl zählt zu den verblüffendsten Darreichungsformen dieser so vertrauten Pflanze. Es wird nicht zum Braten oder Garen, sondern zum Abschmecken und Marinieren verwendet. Laut Heinz Reitbauer hat es dann seinen großen Einsatz in z. B. Gemüse- und Fischgerichten, wenn man weder die Süße von Sirup noch die Säure von Essig, aber doch das intensive Holleraroma möchte.

PPAPIERSACKERL

Wer Hollerblüten sammelt, sollte große Papiersackerln mit stabilem Boden und eine Schere (egal ob Garten- oder Küchenschere) mitnehmen. Mit der Schere lassen sich auch etwas weiter oben hängende Dolden gut abzwicken und im Sackerl werden sie luftig heimtransportiert. Unbedingt noch am selben Tag verarbeiten.

QQUELLE

Recht viel einfacher als Holunder findet man kaum ein Lebensmittel in freier Natur. Sogar so einfach, dass die Blüten nirgendwo verkauft werden, weil sie ohnehin an jeder Ecke wachsen. Ab Ende Mai beginnt die Saison unüberriechbar und geht je nach Höhenlage bis in den Juli hinein.

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Während die Blüten von der Weite sichtbar sind, verstecken sich die dunkelvioletten Früchte gern im reich belaubten Hollerbusch. Einmal das Auge darauf eingestellt, sieht man die schwer nach unten hängenden, glänzenden Fruchtdolden im Hochsommer aber überall.

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Kopfkino mit den vorlaut duftenden Hollerblüten in der Hauptrolle: im Ganzen als Strauben ausgebacken? In Essig, Öl oder Sirup konserviert? Als hypersaisonaler Aufputz von Salaten, Gemüse und Fischgerichten oder Desserts?

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RÖSTER STRAUBEN

Während Zwetschkenröster in jedem österreichischen Supermarkt zu finden ist, war das mit dem Hollerröster lange nicht so. Er war Omas Speis vorbehalten, meist mit Apfel und/oder Birne und/ oder Zwetschken abgerundet und je nach Vorliebe leicht mit Stärke gebunden. Zum knusprigen Grießschmarren oder Grießschnitten ist der leicht herbe, säuerliche Hollerröster jedenfalls König. Er passt aber auch wunderbar zu Rotkraut und Wild. Für alle Hollerbeerenzubereitungen nur reife Früchte (hängen glänzend in schweren Dolden) verwenden.

R S V

Durch Backteig gezogene und in Butterschmalz oder Öl ausgebackene, mit Staubzucker bestreute und brennheiß servierte Hollerblütendolden sind wieder öfter auf Speisekarten von Landgasthäusern zu finden. Es gibt die Hollerstrauben meist nur im Juni und sie sind bei Kennern heiß begehrt.

U

sollte man die Früchte des Holunders nicht verwenden, denn sie enthalten besonders viel vom giftigen Sambunigrin. Daher gründlich aussortieren bzw. nur vollreife Dolden pflücken.

ist der traditionelle englische Sommerkuchen, bestehend aus zwei runden Kuchenböden mit Erdbeermarmelade und Schlag-obers zusammengesetzt. Hollerblütensirup macht sich zum Tränken des Biskuits oder zum Abschmecken von frischen Erdbeeren (statt der Marmelade) ganz hervorragend in diesem einfachen, aber sehr beliebten Kuchen. Ebenso wie in leichten Cremes mit Buttermilch oder Joghurt, egal ob zwischen zwei Tortenböden oder im De ssertglas.

X W

nimmt man vielleicht heutzutage, um Hollerröster eine leichte Bindung zu geben. Früher war’s Stärke, aber die fängt nicht mit X an.

Y Z T

steht stellvertretend für alle erfrischenden, mit ihrem speziellen Aroma verzaubernden Getränke aus Hollerblüten, ganz egal ob mit oder ohne Alkohol. Übrigens passt Gurke ganz hervorragend zu Hollerblüten, nicht nur im Salat, sondern auch als Getränk

wächst Holler an beinahe jeder sonnigen Ecke. Verwechslungsgefahr besteht theoretisch mit dem unangenehm riechenden Attich (Zwerg-Holunder) und mit dem Roten Holunder (Trauben-Holunder). Der kulinarisch begehrte Echte Holunder ist deutlich größer, blüht weiß-gelblich, duftet intensiv und die reifen Früchte hängen in schweren dunkelvioletten Dolden nach unten.

muss wieder einmal stellvertretend für andere eher säuerliche Zitrusfrüchte wie Zitronen und Limetten herhalten. Wenn sie aber doch so gut zu den Hollerblüten passen und ihre Säure zwecks Harmonie so willkommen ist! Auch Hollerbeeren, selbst weder besonders süß noch sauer, vertragen sich gut mit ein wenig Fruchtsäure.

ZWETSCHKEN

sind gemeinsam mit Äpfeln und Birnen die besten Freundinnen der Hollerbeeren. Sie treten gern als Gang auf, nennen sich dann Hollerröster und haben eine ziemlich dunkle, verführerische Seite.

XANTHAN WILD YUZU
TONIC UNREIF
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ESSEN, WAS MAN RETTEN WILL

Warum Arten- und Sortenvielfalt so viel mehr sind als Folklore, Erbsenzählerei und Hedonismus.

Wenn in einem Tischgespräch die Rede auf Vielfalt kommt, müssen seit vielen Jahren immer die gleichen Beispiele herhalten: alte Apfelsorten von Berlepsch bis Renette, bunte Raritätenparadeiser aus Amerika und Südosteuropa oder extensiv gehaltene Schweinerassen wie Mangalitza und Schwäbisch-Hällisches. Dann kommt die Sprache noch auf Slow Food, die Arche Noah und den Svalbard Global Seed Vault auf Spitzbergen in Norwegen. Mir, seit Langem Mitglied bei den beiden Vereinen, sitzen dann Schalk und Teuferl auf den Schultern und soufflieren: Wisst ihr eigentlich auch, was in eurem Mehlpackerl drin ist? Spöttisches Lächeln. Steht ja drauf: glattes Weizenmehl, 960er Roggenmehl, Dinkelvollkornmehl. Aus Österreich, und bio natürlich! Ja, aber welche Weizen-, Roggen- oder Dinkelsorte? Niemand weiß darauf eine Antwort. Denn wir haben überhaupt keine Ahnung, ob der ungeliebte Hybrid-Weizen oder der seit Jahrhunderten standortangepasste, aber leider ein bisschen zickige im Mehlpackerl drin sind. Wir haben nicht einmal eine Ahnung davon, ob eine oder mehrere oder wie viele Sorten.

Als ich vor ein paar Jahren mit zwei Bäckermeistern ein Brotbackbuch machen durfte, besuchten wir dafür auch eine der größten Mühlen des Landes. Erst dort wurde mir in all dem Lärm und Hightech klar, dass das, was wir als „normales Mehl“ kaufen, immer eine Cuvée ist. Jede sortenreine Getreidelieferung wird im mühleneigenen Labor mit einem sauteuren Fuhrpark auf seine physikalischen und chemischen Eigenschaften hin analysiert. Und dann wird verschnitten. Denn was wollen Profi- und Privatbäcker/innen vom Mehl? Gleichbleibende Qualität, vorhersehbares Verhalten, erwartbare Textur. Naheliegend und verständlich, aber auch ein Problem. Weil wir keinen Wert darauf legen, was für Sorten mit welchen Bedürfnissen im Anbau dafür Verwendung finden. Diese Branche hat sich ähnlich wie die Geflügelindustrie auf wenige Hochertragssorten spezialisiert. Mit ebenso hohem Risiko. Denn wenn Krankheiten oder Schädlinge in diese Monokulturen einfallen, haben sie leichtes Spiel.

Ich lese gerade das Buch „Eating to Extinction“ vom britischen Journalisten Dan Saladino. Er geht darin sehr seltenen – oder besser: selten gewordenen – Lebensmitteln rund um den Globus auf den Grund. Vor allem setzt er sie in Kontext zu den Anforderungen an moderne Landwirtschaft, an den Klimawandel, die Welternährung. Mit jedem der 34 Porträts wächst die Lust auf geschmackliche und reisende Entdeckungen – und das Entsetzen, was da an Genpool, tradiertem Wissen und Handwerk verloren geht. Und dass das kein hedonistisches oder hochkulturelles Problem ist, sondern längst ein globales. Weil überall die paar gleichen Sorten angebaut und gezüchtet werden. Und weil ein Ausfall von einer davon eine Katastrophe ist.

Es kommen noch andere Aspekte dazu. Wenn aus Überforderung Produktgruppen aus der täglichen Ernährung ausgeschlossen werden, dann geht mit dieser Reduktion auf eben nicht das Wesentliche sehr viel mehr verloren als nur eine bunte Arche Noah: Je mehr Arten und Sorten von Pflanzen (und ggf. auch Tieren) wir essen, umso besser schmeckt’s, das ist banal. Aber je vielfältiger und abwechslungsreicher die Ernährung, desto gesünder, weil wir auf diesem Wege ohne Nährwerttabellen oder Nahrungsergänzungsmittel stetig mit allen Nähr- und Vitalstoffen versorgt sind. Die Vielfalt an Arten und Sorten erhält und erweitert auch das große Netzwerk aus Bäuerinnen und Bauern. So ein Netz aus vielen Knoten hält, selbst wenn einmal einer aufgeht oder eine Verbindung reißt. Das wäre eine gute Versicherung für die Zukunft – im Gegensatz zum Gängelband der Nahrungsmittelindustrie, die auf Basis weniger Rohstoffe wie z. B. Sojabohnen, Pilzen, Erbsen und billigstem Fleisch von katastrophal gehaltenen Tieren alles faschiert, aromatisiert und formt, was man sich vorstellen kann.

Drum gilt das Motto „Essen, was man retten will“ mehr denn je: Allianzen bilden mit Käferbohnennerds und Roggenfreaks, Bittersalatafficionados und Weichselsortenfetischistinnen, mit den Züchtern seltener Nutztierrassen und leidenschaftlichen Gastronom/inn/en. Wir brauchen sie alle: Die Zigtausenden Arten und Sorten – und jene Menschen, die sie anbauen, züchten, verkaufen, verarbeiten und letztendlich auch essen.

52 S MAGAZIN GRUND-SÄTZE

Nein, blättern Sie nicht gleich um, lesen Sie vorher noch diese Zeilen. Speziell, wenn Sie ein Rätselfreund sind. Also, was ist das? Sie ist eine einjährige, borstig behaarte Pflanze, die niederliegend und kletternd wächst und dabei bis zu vier Meter lang werden kann. In Deutschland wurde sie 2019 und 2020 zum Gemüse des Jahres gewählt, sie ist extrem kälteresistent, die Frucht ist eine Panzerbeere und ihr Name leitet sich vom altpolnischen Ogurek her. Na, klingelt’s? Wenn ja, dann blättern Sie nun weiter, und wenn nicht, dann tun Sie’s erst recht …

Wovon & wie viel

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S. 54 KRUMME DINGER S. 62 GRÜNE HÜLLE, WEISSES FLEISCH
S MAGAZIN 53 GURKEN & GENUSS
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Die Gurke, diese indische Delikatesse, hat eine vieltausendjährige Geschichte hinter sich. Man hat ihr die Bitterkeit ausgetrieben und unendlich viele Sorten gezüchtet. Das Kürbisgewächs ist heute eine der beliebtesten Früchte weltweit, sei sie frisch und knackig serviert oder als eingelegtes Gürkchen appetitlich konserviert.

Krumme Dinger

RUSSISCHE GURKE

In kühlerem Klima entstehen naturgemäß robustere Sorten und um eine solche handelt es sich im Fall dieser großen Gurkenmajestät mit besonders harter Schale. Die muss weg, bevor die Gurke frisch gegessen oder verarbeitet wird, doch sie sorgt auch dafür, dass die russische Gurke die einzige Sorte ist, die man recht gut einlagern kann. Das Fruchtfleisch ist überraschend zart und sehr hell.

FOTOS: KLAUS FRITSCH

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ANTILLENGURKE

Nicht aus Indien, sondern ursprünglich aus Afrika stammt diese Gurkenvariante, die ebenso wie die indischen Verwandten mittlerweile in allen warmen Gebieten der Erde kultiviert wird. Sie verfügt über eine stachelige, mitunter auch glatte Schale, wird sowohl roh als auch eingelegt verspeist und kann, je nach regionaler Küche, auch gekocht und gebraten serviert werden. In Südamerika, wo die Gurke Maxixe heißt, veredelt man damit gerne Eintöpfe.

Das Königreich der Gurke liegt in Indien. Von dort stammt sie, dort wird sie seit zumindest viertausend Jahren kultiviert und bereichert die ohnehin abwechslungsreiche Küche des gesamten Subkontinents in frischer, roher Form, doch auch in Essig, Öl oder Salz eingelegt und – für uns überraschend –gegart, geröstet und gekocht. Von Indien ausgehend, verbreitete sich die vielseitige Frucht bereits in der Antike über Handelswege in den Mittleren Osten bis nach Griechenland, das Römische Reich und schließlich über den gesamten Mittelmeerraum. Zahllose historische Überlieferungen und Anekdoten ranken sich um die beliebte Köstlichkeit, die zu 96 Prozent aus nichts anderem als Wasser besteht. Sie weist nur geringen Nährwert in Form von Kalorien auf, gilt jedoch aufgrund ihres hohen Gehalts an Phytostoffen als ausnehmend gesund und bekömmlich.

Doch was den Geschmack anlangt, so hat sie in den vergangenen Jahrtausenden deutlich dazugewonnen. Denn die ursprüngliche indische Gurke in ihrer wilden Art war vermutlich eine äußerst bittere Angelegenheit, was man heute zum Glück gar nicht mehr schmeckt. Züchtungen haben der Panzerbeere – denn botanisch betrachtet ist die Gurke tatsächlich eine Beere mit sehr harter Außenhülle – diese Bitterstoffe weitgehend ausgetrieben. Nur gelegentlich schlägt das Wilde dennoch durch und wir werden daran erinnert, wenn die Enden der schlanken Frucht plötzlich unangenehm bitter sind. Wo die Ursachen dafür liegen, ist schnell erklärt, es liegt an der Pflege: Die Gurkenpflanze ist ein Geschöpf der Wärme und der Sonne und sie will zudem niemals durstig sein. Wenn die Temperaturen in unseren vergleichsweise kühlen Breiten zu sehr schwanken oder die Gurkengärtner ihrer Verantwortung des Gießens nicht regelmäßig nachkommen, dann können eben diese bitteren Enden entstehen.

Die Gurke zählt weltweit zu den fünf wichtigsten und beliebtesten Gemüsearten und dennoch ist kaum bekannt, dass es sie in fast unendlich vielen Sorten und Arten gibt. Sie ist als eigene Gattung innerhalb der Kürbisgewächse eng verwandt mit dem Gartenkürbis und mit der Zucker- und der Wassermelone. Über fünfzig Gurkenarten sind bekannt und daraus wurde über die Zeiten eine unüberblickbare Vielfalt an Sorten gezüchtet, die regional oft sehr unterschiedlich sind.

Grundsätzlich werden, je nach Verwendung, drei Gruppen von Gurken unterschieden und das, nebenbei bemerkt, im deutschsprachigen Raum bereits seit dem späten Mittelalter. Denn schon damals wusste man auch nördlich der Alpen den frischen, saftigen Geschmack dieses Kürbisgewächses zu schätzen. Diese Gruppen sind: Salatgurken, Schälgurken und Einlegegurken. Und um die Angelegenheit ein wenig komplizierter zu machen und auch aus der Sicht der Botanik zu erläutern, sei auch noch erwähnt, dass die meisten Gurkenarten weibliche und männliche Blüten auf einer Pflanze treiben. Nur

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BLANC DE BONNEUIL

Die weiße Schale und ein milder Geschmack zeichnen die in ihrer Heimat Frankreich sehr geschätzte Gurkenrarität aus. Hierzulande ist die zarte Schöne kaum aufzutreiben, doch zumindest in Wien bekommt man sie in der Gärtnerei Bach. Es handelt sich nicht um die einzige weiße Gurkensorte, doch um eine der ältesten. Marie-Antoinette soll mit ihrem Saft die Hände und den Teint gepflegt haben.

manche Züchtungen bringen ausschließlich weibliche Blüten hervor, die ohne Bestäubung fruchten. Die Fachwelt nennt das „jungfernfrüchtig“ und es kommt deshalb an dieser Stelle zur Sprache, weil die Gurke eine Eigenschaft besitzt, die ebenfalls weitgehend unbekannt ist: Die männliche Gurkenblüte duftet, und das sagenhaft gut. Wer den überraschend feinen, vanilleartigen Duft riechen will, muss jedoch in der Nacht an der Blüte schnüffeln, denn wie viele andere Pflanzen auch, verströmen sie nur zu bestimmten Zeiten ihr Parfum, um bestimmte Bestäuberinsekten anzulocken. Der Weg in den sommerlichen Nachtgarten und in die Gurkenplantage ist jedenfalls einen Versuch wert.

Doch zurück zu den Tagen, als die Gurke als Handelsgut ihren Eroberungszug rund um die Welt anzutreten begann. Eine der wohl ältesten schriftlichen Erwähnungen findet sich im babylonischen Gilgamesch-Epos, wo die Gurke als kühlende Frucht für heiße Tage gepriesen wird. Nach China, mit mehr als 72 Millionen Tonnen heute der mit Abstand größte Gurkenproduzent weltweit, kam sie höchstwahrscheinlich um zweihundert vor unserer Zeitrechnung und auch schon in der Bibel wird ihr gehuldigt, wenn es im 4. Buch Mose heißt: „Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekamen, der Gurken, der Melonen, des Lauchs, der Zwiebeln und des Knoblauchs!“ Den alten Ägyptern, auf deren Feldern die Gurke ebenfalls seit mindestens dreitausend Jahren wächst, sagt man nach, sie hätten ein mildes alkoholisches Getränk aus ihr gewonnen, indem sie in sehr reife Früchte ein Loch gebohrt und das Fruchtfleisch durchgerührt hätten. Danach wurde sie wieder verschlossen und für einige Tage eingegraben. Ob der gärende Saft eine Delikatesse war, werden wir wohl nicht mehr erfahren.

Als die größten Verehrer der Gurke erwiesen sich jedoch die Römer, diese Feinspitze der Alten Welt was den Genuss, aber auch das Züchten und Veredeln von Gemüse und Obst anlangt. Von Kaiser Tiberius heißt es, er habe täglich Gurken zu sich genommen und da die Nachfrage auch außerhalb der kaiserlichen Küchen groß war, setzten sich die Gärtner mit den Bedürfnissen der wärmeliebenden Pflanze intensiv auseinander, um den Bedarf decken zu können. Als rankendes Gewächs, fanden sie heraus, braucht die Gurke idealerweise ein Klettergerüst, etwa gespannte Seile, Spaliere oder Ähnliches, weil das den Ertrag deutlich steigert. Und da die Witterung, wie bereits erwähnt, eine wichtige Rolle spielt, wurden für die empfindlichen Gurkenpflanzen nicht nur portable Pflanzgefäße konstruiert, um sie in kühlen Nächten in Sicherheit bringen zu können. Man erfand sogar schützende Häuschen, die tatsächlich ähnlich modernen Glashäusern funktionierten. Das Fensterglas war zwar noch lange nicht erfunden, doch half man sich mit dünnen, lichtdurchlässigen Silikatplatten als Scheiben und man darf mit Fug und Recht behaupten, dass die Römer somit als die Erfinder der Vorgänger des geschützten Treibhauses gelten.

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SACHIKAZE

Diese elegante und mit bis zu dreißig Zentimeter sehr lang gewachsene Sorte ist, wie der Name bereits vermuten lässt, eine Züchtung aus Japan. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, doch immer wieder wird behauptet, es handle sich um die beste Gurkensorte der Welt. Weil sie so zart ist, wird sie vorzugsweise roh gegessen, oft gleich mitsamt der ebenfalls feinen Schale.

Bis die Gurke die Alpen überquerte und unsere Breiten damit bekannt wurden, dauerte es noch eine Weile. Erst auf Betreiben von Karl dem Großen, der die Feldfrucht in Italien kennen und schätzen gelernt hatte, kam sie zuletzt auch zu uns in den Norden und ab dem 15. Jahrhundert versuchten sich selbst die Briten in ihren kurzen Sommern schon an der Gurkenzucht. Der Grund dafür waren die kulinarischen Vorlieben von Katharina von Aragon. Die erste Gattin Heinrichs VIII., als Spanierin an Gurken gewöhnt, wünschte sich die feine Frucht in ihrem Salat. Die spanischen Eroberer brachten die Gurke schließlich auch in die Neue Welt nach Amerika, wo sie binnen Kurzem zu einer der beliebtesten Pflanzen avancierte und im fruchtbar warmen und feuchten Klima der südlichen Zonen ideale Wachstumsbedingungen vorfand. Von Hernando de Soto, einem der Konquistadoren, ist die Aussage überliefert, er habe den Geschmack der in Florida gezogenen Gurken zu seinem Erstaunen viel besser gefunden als den der spanischen.

Soweit die Geschichte und die Reise der Gurke, zumindest was ihre geografische Verbreitung betrifft. Denn was das Kulinarische anlangt, müssen wir uns doch wieder zurück in die Antike begeben, wo mit dem Gurkenexport aus Indien in das Zwischenstromland eine länderübergreifende Tradition ihren Ausgang nahm. Es handelt sich um die Geschichte des Einlegegurkerls, das uns bekanntlich in seinen unterschiedlichsten Varianten auch heute noch erfreut, sei es in Essig konserviert und mit allerlei Gewürzen veredelt oder in Salzlake milchsauer zur Salzgurke vergoren. Das New Yorker Food Museum datiert die Geburt seiner historischen Vorgänger irgendwann um 2030 vor Christi Geburt in Mesopotamien. Dort waren konservierende Methoden wie das milchsaure Vergären und Einlegen von Gemüse bereits Usus und die Gurke erwies sich als ideale Zutat für diese Prozesse. Die ersten „Pickles“, davon geht die Forschung jedenfalls aus, waren eingelegte Gurken und auch die sind historisch immer wieder belegt.

So pries etwa Aristoteles bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. die eingelegten Gurken und deren heilenden Effekt. Der Chefkoch von Elisabeth I. notierte die Vorliebe der englischen Königin für Einlegegurken und Shakespeare erwähnt „Pickles“ in seinen Stücken Hamlet sowie Antonius und Kleopatra. Thomas Jefferson, dritter Präsident der Vereinigten Staaten, schrieb in sein Tagebuch: „An einem heißen Tag in Virginia gibt es nichts Tröstlicheres als ein feines, gewürztes Gürkchen, unter der Stiege von Tante Sally’s Keller wie eine Forelle aus den glitzernden Tiefen des aromatischen Einmachglases gefischt.“ Kurzum: Ob eingelegt, frisch und knackig zu Salaten verarbeitet, geröstet oder in Ragouts mitgekocht, die Gurke ist heute eine internationale Selbstverständlichkeit und Freude an jeder Tafel.

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GRÜNE HÜLLE, WEISSES FLEISCH

Wenn ein Fußballer seinem Gegenspieler den Ball durch die Beine rollt, dann – so nennt man das – gibt er ihm die Gurke. Und wenn sich wenig tut, spricht man von Saure-GurkenZeit. Diesen fahlen Beigeschmack hat sich die Cucumis sativus freilich nicht verdient, denn sie ist eine der wirtschaftlich bedeutendsten Gemüsearten und oft Bestandteil großer kulinarischer Freuden. Hier vier Beispiele.

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LAVENDELBLÜTENLIMETTEN-MARINADE

ZUTATEN

- 10 g Senfkörner - 5 g Fenchelsaat - 5 g Koriandersaat

- 200 ml Limettensaft, fein passiert - 100 ml Weißweinessig (Bertoli)

- 70 ml Honigmelonen-Succo (passierter Melonensaft)

- 70 ml Gurken-Succo (passierter Feldgurkensaft)

- 25 g Karpatensalz

- 10 g Lavendelblüten

ZUBEREITUNG

In einer Kasserolle bei mittlerer Hitze trocken rösten.

Ablöschen, aufkochen und zugedeckt 24 Stunden durchziehen lassen.

TIPP

Die süß-saure, blumige Marinade kann einerseits zum Einlegen für Gemüse oder als Marinade für Fisch und Muschelgerichte verwendet werden.

Am nächsten Tag durch ein belgisches Sieb passieren und die in den Händen zerriebenen Lavendelblüten sowie das Karpatensalz zufügen.

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EINGELEGTE SENFGURKEN

ZUTATEN ZUBEREITUNG

- 3 kg Feldgurken/Russische Gurken (festfleischig) - 4 EL Salz

- 2 Estragonzweige - 4 Lorbeerblätter

- 4 Schalotten - 500 ml Weißweinessig - 175 ml Wasser - 40 g Senfkörner - 6 Pimentkörner - 8 Pfefferkörner - 40 g Kristallzucker

Gurken schälen, längs halbieren und entkernen. In gut daumendicke glaslange Stifte schneiden, salzen und zwei Stunden ziehen lassen.

Gurkenwasser abgießen und die Gurkenstifte mit Lorbeer und Estragon dicht in sterile Einkochgläser schlichten.

Schalotten schälen und in mittelfeine Ringe schneiden.

Mit den restlichen Zutaten für ca. zwölf Minuten kochen lassen, abseihen, auskühlen und über die Gurken gießen.

Gläser luftdicht verschließen und gekühlt lagern.

64 S MAGAZIN FELD-FRUCHT II
20 PORTIONEN

GURKEN-PHYSALISNASHI-BIRNEN-SALAT

4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 1 TL Anissaat

- 1 TL Fenchelsaat

- 300 ml Limettensaft, passiert

- 4 Koriander-Zweige, grob geschnitten

- 4 Basilikum-Zweige, grob geschnitten

- ½ grüne Pfefferoni (je nach Schärfegrad)

- 1 Junglauch, fein in Ringe geschnitten

- 5 g Ingwer, geschält, fein gehackt

- ½ Knoblauchzehe, fein gehackt

- 2 EL Kristallzucker

- 2 Nashi-Birnen, in Spalten geschnitten

- 2 Junglauche, fein geschnitten

- 15–20 Physalis

- ½ grüne Pfefferoni (je nach Schärfe)

- Russische Gurke/Feldgurke/MelothriaGurke (je nach Verfügbarkeit), geschält und mundgerecht geschnitten

- Karpatensalz

- 100 ml Zitronenbohnenkraut-Öl

- Fenchelblüten

ZUBEREITUNG

In einer Kasserolle bei mittlerer Hitze trocken rösten.

Aufgießen.

Alle Zutaten gemeinsam einmal aufstoßen lassen, vom Feuer ziehen und bedeckt über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.

Am nächsten Tag passieren und den Salat kurz vor dem Servieren damit marinieren.

SALAT VOR- UND ZUBEREITEN|

Die geschnittenen Elemente in einer Schüssel marinieren und mit Salz abschmecken.

Den Salat für wenige Minuten ziehen lassen.

Kurz vor dem Servieren zufügen und mit den Fenchelblüten garnieren.

Den Salat gekühlt servieren.

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FELDGURKEN-JOGHURT-EIS

MENGE: 1,2 LITER

ZUTATEN

- 1 Bio-Feldgurke

TIPP

Den restlichen Gurkensaft für andere Zwecke verwenden (Salatmarinaden oder Gemüsesäfte etc.).

- 50 g Gurkensaft, fein passiert

- 50 g Limettensaft, fein passiert - 100 g Glucose

- 120 g Kristallzucker

- 4 g Super Neutrose (Stabilisator)

- 2 Blatt Gelatine

- 200 g Gurkensaft, fein passiert

- 500 g Joghurt (3,6 % Fett)

ZUBEREITUNG

Die Feldgurke waschen und schälen.

Anschließend halbieren und mit einem Löffel das Kerngehäuse auskratzen, sodass nur das feste Fruchtfleisch übrig bleibt.

Mithilfe eines Entsafters die Gurke entsaften und den Saft durch ein feines Sieb passieren.

50 g Gurkensaft für den nächsten Schritt beiseitestellen und weitere 200 g Saft für die Fertigstellung aufheben.

Alle Zutaten gemeinsam in einer kleinen Kasserolle unter ständigem Rühren auf 100 °C erhitzen.

Anschließend sofort von der Hitze nehmen.

Zucker und Stabilisator trocken vermengen und in die heiße Flüssigkeit (ca. 80 °C) einrieseln lassen.

In kaltem Wasser für wenige Minuten einweichen, gut ausdrücken und in die noch heiße Flüssigkeit einrühren, bis sie vollständig aufgelöst ist.

In diesem Zustand auf Raumtemperatur abkühlen lassen.

In die raumtemperierte Flüssigkeit einrühren, bis eine homogene Masse entsteht.

Anschließend in der Eismaschine frieren.

66 S MAGAZIN FELD-FRUCHT II

„Kabale und Liebe“, Friedrich Schillers großes Drama, wurde am 13. April 1784 in Frankfurt uraufgeführt. „Kabane und Liebe“, das Reitbauer-Lustspiel – Lust auf Genuss und Lust auf Bleiben –, geht wiederum seit Kurzem im Wirtshaus am Pogusch über die umgestaltete Bühne. Geschlafen wird neuerdings nämlich (auch) im Glashaus in Kabanen und gegessen dort, wo schon immer mit Liebe gekocht wurde, nun aber außerdem in einer offenen Schankkuchl wird. Und dort trinkt man freilich auch. Aber wie wird der Wein der Zukunft schmecken?

Wie & für wen 3

S. 68

HERZBLUT 2.0

S. 78

S. 98

WEIN IM WANDEL S. 76 GROSSER TELLER, KLEINE KUGEL BITTE ZU TISCH
S MAGAZIN 67 KÜCHE, KELLER & KABANE
68 S MAGAZIN

HERZ BLUT 2.0

TEXT: ACHIM SCHNEYDER

FOTO: MIRCO TALIERCIO

Das Wirtshaus Steirereck am Pogusch zeigt sein neues Gesicht, sein noch strahlenderes, sein noch freundlicheres, sein mehr denn je lachendes. Facelifting in Vollendung auf 1050 Metern und ausgetüftelt von Birgit und Heinz, den nimmermüde in die Zukunft blickenden Reitbauers.

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ZEITEN-WENDE 70 S MAGAZIN

Sie wirken sehr zufrieden, die Dame und der Herr des Hauses. Es geht gegen Mitternacht, Gäste sind nur noch wenige im Wirtshaus, der neu gebaute, riesenhafte Ofen in der – ergänzend zur normalen Küche – neu hinzugekommenen Schau- und Schankkuchl verströmt noch ein wenig Wärme, letzte Glutnester auf dem Grill leuchten rot und da und dort huscht ein guter Geist im Aufräummodus durch die Szenerie. Birgit und Heinz Reitbauer sitzen derweil entspannt am schier endlos langen Schanktisch, vor sich zwei Gute-Nacht-Glaserl Wein.

„Die Arbeit der vergangenen Jahre hat sich gelohnt.“ Sagt Birgit. „Obwohl wir noch immer nicht ganz fertig sind.“ Sagt Heinz. Jener Heinz, der sich in der neuen, der Schankkuchl nur bedingt einmischt.

Aber nun der Reihe nach. Nachdem der Umbau im Steirereck im Wiener Stadtpark Ende 2014 abgeschlossen war, begann auch schon das Nachdenken über die Außenstelle im steirischen Mürztal, rund 90 Autominuten vom Haupthaus entfernt. Das Wirtshaus fit für spätere Tage zu machen, für die Reitbauers selbst, für die Mitarbeiter und letztlich auch vom Angebot her, das war der Ausgangspunkt der Überlegungen, die die beiden Gastronomen nicht zuletzt auch unter Einbeziehung ihres engeren Teams angestellt hatten. „Es hat uns nicht mehr gereicht, einfach nur ein Wirtshaus mit guter Küche, ein paar Übernachtungsmöglichkeiten und täglich rund 300 Gästen zu führen“, sagt Heinz. „Vielmehr wollten und wollen wir unter der Devise ,Nähre die Zukunft‘ nicht nur als gastronomisches, sondern

03–05 Das neue Gewand steht ihm gut, dem Wirtshaus am Pogusch. Ein wenig edler ist’s als früher, aber immer noch ein g’standenes Wirtshaus mit Selfservice im begehbaren Weinkeller (oben links) und der großen Schau- und Schankkuchl.

Er selbst steht, wenn er am Wochenende zugegen ist, weil das Steirereck in Wien am Wochenende zu hat, bescheiden in der Wirtshausküche. Vorne, und daher gleichsam in der Auslage, stehen enge Mitarbeiter seines nahezu uneingeschränkten Vertrauens und kreieren – in Absprache mit Heinz – Gerichte, die sich dann doch ein klein wenig unterscheiden von den klassischen Wirtshausherrlichkeiten und bei denen beim Anrichten durchaus auch die Pinzette zum Einsatz kommen kann. „Es ist aber nicht so, dass nun das Steirereck am Pogusch Einzug hält, es handelt sich vielmehr um eine zeitgemäße und dem Gesamtkonzept entsprechende Weiterentwicklung, die in unserem und auch im Sinne unserer Gäste ist.“

auch als landwirtschaftliches Zentrum etwas Nachhaltiges für künftige Generationen schaffen. Und wir wollen und werden nahezu energieautark sein. Was das betrifft, fehlt noch das Blockheizkraftwerk, die Sache mit dem Wasser haben wir inzwischen gut im Griff.“ Die war tatsächlich ein Problem auf dem Pogusch, früher zumindest. Heute aber sorgt ein sehr einfaches Brauchwassersystem dafür, dass kein einziger der kostbaren Tropfen verschwendet wird. In drei großen Zisternen wird das Regenwasser gespeichert und in den Wasserkreislauf eingespeist. Und sollte einmal rund 30 Tage kein Niederschlag fallen, braucht man sich auf dem Pogusch auch keine Sorgen zu machen.

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Ende 2018 hatten die Reitbauers also zu Ende gedacht. Vorerst zumindest. Und zu Ende geplant. Heinz hatte sogar in unzähligen Stunden mühsamer nächtlicher Kleinarbeit ein dem fertigen Konzept entsprechendes Modell gebaut, Größe zwei Meter mal ein Meter. Dieses Modell beinhaltet auch die beiden Glashäuser, sprich das in das Hauptgebäude integrierte rund 100 Quadratmeter große hinter den beiden Küchen und das schräg dahinter freistehende, das auf drei Ebenen insgesamt gut 600 Quadratmeter misst. „Die Glashäuser braucht es, denn auf einer Höhe von 1050 Metern gibt’s vom Klima her natürlich Einschränkungen. Aber wir wollen eben das ganze Jahr über mit unserer gesamten Pflanzenvielfalt arbeiten, wozu auch die unterschiedlichen Zitrusfrüchte zählen. Also entschieden wir

Aber zurück zum fertigen Plan. Als die Reitbauers diesen gefasst hatten, schickten sie einer Handvoll im Vorfeld auserkorenen Architekturbüros eine schriftliche Wettbewerbseinladung, die mit einem Begleitschreiben unter dem Titel „Herzblut 2.0“ versehen war. Jenes Schreiben anlässlich der Einladung für den Steirereck-Umbau in Wien firmierte seinerzeit nur unter „Herzblut“. Zu lesen bekamen die Damen und Herren dabei nicht zuletzt Folgendes: „Ein gut gehendes Geschäft hat seine Spuren an Haus und Mobiliar hinterlassen; um unser Haus für die nächste Generation zukunftsfit zu machen, braucht es mehr als etwas Farbe und Anstrich. Wir wollen wieder das Bedürfnis wecken, zu kommen, um zu bleiben. Dem Haus eine neue, weitere Vision geben und das Gesamtbild schärfen. (…) Wir glau -

uns für Glashäuser, sogenannte Kaltglashäuser, in denen sich die Temperatur mit der jeweiligen Saison ändert.“

06–08 Das große Glashaus schräg hinter dem Hauptgebäude ist Heinz Reitbauers gelebter Traum. Hier blüht, wächst und gedeiht, was wichtig für die Küche ist, aber nicht nur das: In diesem auf drei Etagen angelegten architektonischen Meisterwerk finden auch Gäste zur Ruhe …

Kurz zur Versinnbildlichung: Die Landwirtschaft der Reitbauers umfasst neben Lämmern, Schweinen, Ziegen und sieben verschiedenen Hühnerrassen insgesamt mehr als 300 essbare Kräuter und Gewächse und über hundert verschiedene Streuobstsorten, die freilich – wie etwa auch die vier verschiedenen angebauten Erdäpfelsorten – nicht im Glashaus, sondern in den Weiten der freien Natur wachsen.

ben, dass der Zeitpunkt gekommen ist, in unserem Wirtshaus eine grundlegende Veränderung einzuleiten. Wie schon in Wien möchten wir Mut zur Veränderung beweisen und unserem Wirtshaus die Verwandlung ermöglichen, damit es wieder zu uns passt und gefällt. (…) Um wieder gleichen Schrittes zu gehen, möchten wir einen neuen Rahmen für unser Tun sowie eine neue Bühne für uns und unsere Mitarbeiter schaffen. (…) Herzblut geben wir jeden Tag und Herzblut erwarten wir von unserem Partner. Ohne Einschränkung, ohne Maulkorb und ohne Vorgabe wünschen wir uns, mit einem außergewöhnlichen Team das Wirtshaus Steirereck am Pogusch neu zu definieren. (…) Die Macht der Idee wollen wir als zentrale Vorgabe definieren.“

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Und noch eine Vorgabe gab es: Im großen Glashaus mit seinen drei Etagen musste man auch schlafen können. „Auf diese Idee hat uns die Wiener Gärtnerfamilie Bach gebracht, die in ihrem Glashaus frühstückt und auch zu Mittag isst“, erzählt Birgit. Das ursprünglich angedachte Vorhaben, einfach Betten zwischen die oft mehr als mannshohen und ausnahmslos auch für die Küche gedachten rund 80 Pflanzen zu stellen, wurde aus Gründen der oft zu niedrigen Temperaturen im Glashaus verworfen. Und so planten jene Architekten, die schließlich den Zuschlag erhalten hatten, PPAG Architects Vienna, einfache Kabanen: zehn – wie auch die Gemeinschafts-Waschräume und das Kaminzimmer – beheizbare und mit einem Doppelbett und einem Nachtkastl ausgestattete Schlafkojen. Und statt eines

beim Zwiebelschälen, sind herzlich dazu eingeladen und zahlen am Ende nur die Hälfte.

An dieser Stelle und gleichsam als PS sei vermerkt: Das gesamte Glashaus mit seinen zehn Kabanen zu reservieren, um am Pogusch in entsprechender Freundesrunde ein fröhliches Fest über vielleicht gleich mehrere Tage zu feiern, verspricht weit mehr als nur großes kulinarisches Vergnügen. Der Autor dieser Zeilen spricht aus Erfahrung …

09–12 Es wohnt sich schon sehr speziell im Glashaus. Man schläft in kleinen Kabanen (oben Mitte), spaziert in Schlapfen, auf Socken oder barfuß zwischen den Pflanzen umher und teilt sich mit anderen nicht nur das Kaminzimmer (großes Bild), sondern auch die Duschen. Aber: Es ist so richtig stimmig!

Kastens, der in den Kabanen keinen Platz mehr gefunden hätte, gibt’s nun pro Kabane eine großzügige, begeh- und absperrbare Garderobe unmittelbar neben den Duschen. Eine große Sauna gibt’s obendrein, und all das zu einem nicht einmal dreistelligen Tarif pro Kabane.

„Wir wollen auch jenen Gästen, die sich die großen Zimmer und die Vogel- und die Baumhäuser nicht leisten wollen, die Möglichkeit bieten, den Pogusch auch über ein Mittag- oder Abendessen hinaus zu erleben“, schildert Birgit die Beweggründe. Und mehr noch: Gäste des Glashauses, die – und das ist ein Exklusivrecht der Glashausgäste – am Pogusch mitarbeiten wollen und beispielsweise beim Ernten der Erdäpfel helfen, beim Brotbacken oder

„Birgit und ich wollten wieder das Bedürfnis wecken, auf den Pogusch zu kommen, um zu bleiben und dem Haus eine neue Vision geben und das Gesamtbild schärfen.“
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Und plötzlich ist alles anders. Im langen, ruhigen Fluss des Lebens bildet sich eine Stromschnelle, verändert unseren Rhythmus des Dahingleitens und schenkt uns einen Augenblick wahrer Aufmerksamkeit. Unlängst signalisierte einer der Müllabfuhr-Helden dem Fahrer des Wagens mit einem Fingerschnippen, er möge augenblicklich anhalten. Dann sprang er vom Trittbrett, kam auf mich zu und hielt meinem Hund Gustav die offene Hand vor die Schnauze. Auf der sich ein Keks befand.

Wenige Sekunden später war das Leckerli weg. Dann er. Dann meine routinemäßige Gleichgültigkeit. Ich rief: „Großartig, danke.“ Gustav tat das naturgemäß nicht, wedelte aber. Der Held winkte lässig. Und aus dem Unbewussten heraus fanden die Worte von Wilhelm Busch ihren Weg in die Freiheit: Stets findet Überraschung statt / da, wo man’s nicht erwartet hat.

„Da schaust“, sprach ich zum Hund. Hätte in dieser Tonlage allerdings auch „Ich brauch Milch“ oder „Auf nach Finnland“ sagen können, er hätte mein Gefühl über das Verblüffende an dieser Situation deshalb keinen Deut mehr mit mir teilen können. Aber zumindest große Augen machen kann er irgendwie, und das ist schön.

Ohne solche Stromschnellen und Leckerlis wäre unser Dasein vermutlich schwer zu ertragen. Und das Ermutigende an der Überraschung ist ja, dass sie überraschend ist. George Bernard Shaw schrieb einst: Ich habe gelernt, vom Leben nicht zu viel zu erwarten. Das ist das Geheimnis aller echten Heiterkeit und der Grund, warum ich immer angenehme Überraschungen statt trostloser Enttäuschungen erlebe. Wie gut ihm die Übung gelang, wissen wir nicht. Aber immerhin wurde er 94 Jahre alt.

GROSSER TELLER, KLEINE KUGEL
Ein kulinarischer Effekt wird zu einem Erlebnis, das ein Plopp im Kopf auslöst. Mit Gedanken über die Tücke der Erwartung und den Zauber der Überraschung.
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Vielleicht ist es also tatsächlich ratsam, an der eigenen Erwartungshaltung zu basteln und unseren Rucksack, in dem sich der Erfahrungsschatz mitunter schwer wie ein Mühlstein macht, abzusetzen. Vielleicht ist es belebend, das Kind in uns nicht als antikes Bild, dessen Farbenpracht mit jedem Jahr mehr ausbleicht, im Keller unserer Seele zu verräumen. Vielleicht können wir dieses Wundern und Staunen und Überraschtsein sogar neu lernen.

Etwa dann, wenn wir in einem guten Restaurant sitzen und uns nicht vom Amuse-Gueule bis zum Schnaps danach mit der Freude am Geschmackserlebnis zufriedengeben. Sondern uns auf Entdeckungsreise begeben: nach dem Überraschenden. So, wie es sich die Köche erdacht haben. Wie schön ist es, wenn wir die Auffälligkeit eines ungewöhnlichen Gewürzes wahrnehmen, danach fragen und es dann heimlich unter der Tischkante googeln? Oder wie schön ist es, wenn der Sommelier vom unbekannten, schrulligen Winzer aus einem galizischen Bergdorf erzählt und wir das Gefühl entwickeln, nicht nur den Wein, sondern vor allem seine Geschichte zu verkosten?

Einmal saß ich in einem Lokal, von dem mir Gutes berichtet worden war. Dort wurde ein Zwischengang serviert. Auf einem sehr großen Teller lag eine sehr kleine grüne Kugel, die höchstens einen Durchmesser von 1,5 Zentimetern besaß. Eine durchaus überraschende Ästhetik, wiewohl sich auch der Gedanke an eine allenfalls übertriebene Inszenierung einschlich – so viel Porzellan für so wenig Essen. Da war sie wieder, die Routine der Erwartung. Die Anweisung lautete dann, die Kugel in den Mund zu nehmen, nicht zu lutschen, nicht zu kauen, nicht zu bewegen. Sondern sie einfach nur auf der Zunge liegen zu lassen – bei geschlossenem Mund freilich, um jede Anmutung eines Besuches beim HNO-Arzt zu vermeiden. Ich tat, wie mir empfohlen. Und erlebte eine jener kulinarischen Überraschungen, von der ich heute noch mit Hingabe berichte.

Es war nämlich eine gefrorene Kugel. Und es dauerte tatsächlich einige Sekunden, ehe etwas Wundervolles geschah. Es ploppte. Und im nächsten Augenblick breitete sich eine angenehm kühle Kräuterkomposition in einer intensiven Dichte aus, dass ich am liebsten eine Kugel-Hymne gedichtet hätte. Weil ich zuletzt gefühlt vor 40 Jahren, als ich die Modelleisenbahn unter dem Weihnachtsbaum ausgepackt hatte, einen solchen Überraschungseffekt erfahren hatte.

Der Begriff der Geschmacksexplosion wurde auf eine Weise interpretiert, dass ich … um eine Zweitkugel flehte. Um mich noch einmal in dieser besonderen Genusswelt zu verlieren. Und um mich – obwohl ich genau wusste, was passiert – noch einmal überraschen zu lassen. Es funktionierte. Was mir das Geschenk einer Erkenntnis bescherte. Dass auch im Erwartbaren der Zauber des Unerwarteten zu finden ist. Wir müssen es nur genug wollen.

MICHAEL HUFNAGL

wurde im Dezember 1970 geboren und ist Journalist im Red Bull Media House. Zudem schreibt er mit seiner Frau seit zehn Jahren im Kurier die Kolumne „Paaradox“. Am 22. Februar 2023 hat sein zweites Kabarett-Solo Premiere.

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BITTE

Nehmen Sie Platz, es ist angerichtet.

Nein, es ist wahrlich keine einfache Zeit, die Menschen dürsten nach FRIEDEN, ihr Hunger auf Wandel zum Guten ist groß wie lange schon nicht. Ist es da nicht fast schon obszön, dem FROHSINN zu frönen und ein FESTMAHL zu feiern? Nein, denn FREUDEN wie diese bedeuten Leben.

REDAKTION: ACHIM SCHNEYDER

78 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

ZU TISCH

Bloß eines müssen wir uns dabei stets vor Augen führen: Wir sind privilegiert.

Dankbar müssen wir bleiben und uns bewusst sein, dass das so alles andere als selbstverständlich ist. Wir essen und trinken. Gerne und gut. Und voll der Demut.

In diesem Sinne: Möge uns das Essen schmecken – und unsere Sinne schärfen.

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FOTOS: THOMAS SCHAUER
80 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

EINE REISE DURCH ÖSTERREICH UND DARÜBER HINAUS

1 Schmalzgebäck mit Marillen-Kimchi, saurem Rahm, gebeiztem Stör & Bronzefenchel

2 Soave-Chili mit Kletzen & geräucherter Haselnuss

3 Chioggia-Rübe mit eingelegten Steinpilzen, Duftrosen & Kiefernzapfen

4 Gurken-Vielfalt mit Eukalyptus & Wacholder

5 Knuspriger Topinambur mit fermentiertem Apfel, Fingerlimette & Sauerklee

6 Erdäpfel-Rösti mit Weinviertler Kiwi, Krenblatt & Makrut-Limette

ESSKULTUR :

Im Laufe von Jahrhunderten hat Österreich eine vielfältige kulinarische Identität entwickelt. Verwurzelt in der K.-u.-k.-Monarchie, ist sie ihrer Entwicklungsgeschichte nach durch die Einflüsse der Kronländer und Königreiche eine Vielvölkerküche mit eigenständigen regionalen Spezialitäten, welche sich nicht auf einige wenige Gerichte oder Regionen reduzieren lässt. Viele Geschmäcker, Produkte oder Zubereitungsarten können wir heute geografisch zuordnen. Diese verschiedenen Geschmäcker schaffen aber auch grenzübergreifende Verbindungen zu unseren Familien und zu unserer Geschichte und sind wiederum ein Spiegelbild unserer Lebenskultur. Eine Reise durch Österreich und darüber hinaus.

Im Übrigen: Die Wiener Küche ist die einzige weltweit, die einen Städtenamen trägt. Sie entstand vor mehr als 200 Jahren beim Wiener Kongress an den Wiener Herden, wo die verschiedensten Küchen in friedlicher Mission ihre Traditionen und Geschmäcker teilten und somit den Ruhm der Wiener Küche begründeten.

STEINPILZE (EINGELEGT) MIT DUFTROSEN

FÜR EIN 1000-MILLILITER-EINMACHGLAS

ZUTATEN

- 1000 g Steinpilze, klein & fest

- 10 % Duftrosenblüten, gesäubert

- 90 % Kristallzucker

- 500 ml Zweigelt-Verjus (Öhlzelt)

- 20 g Karpatensalz

- 20 g Duftrosen-Zucker

- 1/2 rote Thai-Chili, frisch

- 12 Zitronenverbene-Stängel, grob gehackt

ZUBEREITUNG

Pilze vorbereiten:

Die Steinpilze sorgsam trocken tupfen und mithilfe eines Pinsels oder kleinen Schwamms säubern.

Etwas größere Exemplare halbieren.

Anschließend in ein sterilisiertes 1000-ml-Schraubglas einschlichten.

Duftrosen-Zucker:

Von den Duftrosen die Blütenblätter abzupfen und säubern.

Tipp: Nach Sorten & Farben trennen.

Gemeinsam im Thermomix kurz mixen.

Einlegefond:

Alle Zutaten zusammen aufkochen, vom Feuer ziehen, die Verbene zufügen und 4 Minuten ziehen lassen.

Abseihen und im heißen Zustand über die Pilze gießen.

Das Glas sofort verschließen und je nach Größe 5–8 Minuten bei 93 °C im Drucksteamer sterilisieren.

Anschließend so rasch wie möglich abkühlen.

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82 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

AMUR-KARPFEN MIT PFIRSICH, KOHLRABI & JOHANNISKRAUT

1 Gebeizter Amur-Karpfen

2 Geschmortes Kohlrabi-Gemüse mit Pfirsich, Soave-Chili & Paradeis-Paprika

3 In Johanniskraut eingelegter Saturn-Pfirsich

4 Marinierter junger Kohlrabi

5 Bronzefenchel

6 Chinesischer Gewürzstrauch

7 Goldrüben-Saft mit Johanniskraut-Essig, Senfkörnern &

Feigenblatt-Öl

JOHANNISKRAUT:

Ein altbewährtes Haus- und Heilmittel zur inneren sowie äußeren Anwendung, welches vor allem wegen seiner stimmungsaufhellenden Wirkung sehr beliebt ist. Traditionell werden die Knospen und Blätter um die Sommersonnenwende geerntet. Die gelben Blüten enthalten das blutrote Hypericin, das beim Zerreiben der Knospen austritt und die Haut rot färbt. Aus dem Steirereck-Garten.

GEBEIZTER AMUR-KARPFEN, 4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 2 g Pfeffer schwarz

- 7 g Fenchelsamen

- 4 g Koriandersaat

- 3 g Wacholderbeeren

- 2 Lorbeerblätter

- 300 g Karpatensalz

- 200 g Kristallzucker - 15 g Pökelsalz

- 1 Amur-Karpfen

- 100 g grobes Meersalz - Fischbeize

ZUBEREITUNG

Fischbeize:

Die Gewürze in einer Kasserolle bei mittlerer Hitze ca. 1 Minute ohne viel Farbe trocken rösten.

Anschließend grob zerkleinern.

Die zerkleinerten Gewürze mit dem Salz-Zucker-Gemisch vermengen.

Amur-Karpfen beizen: Amur-Karpfen filetieren und die Y-Gräten ausschneiden. Anschließend beide Seiten kräftig mit der Beize bestreuen.

Ein flaches Geschirr mit grobem Meersalz füllen, die Filets mit der Hautseite nach unten auf das Salz legen und die Fleischseite mit der restlichen Beize bedecken.

Mit Backpapier bedeckt, gekühlt, je nach Filetstärke zwischen 8 und 12 Stunden beizen.

Nach der Beizdauer die Filets mit kaltem Wasser kurz abspülen, trocken tupfen und vakuumieren.

Für mindestens 12 Stunden gekühlt lagern.

Nach dieser Zeit die Filets aus dem Vakuum nehmen, die Haut abziehen und portionieren.

Tipp: Durch das Vakuumieren verklebt das durch den Grätenschnitt getrennte Fleisch wieder.

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84 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

FENCHEL MIT BERGAMOTTE, HANF, SALZFEIGEN & LIEBSTÖCKEL

1 Mit Hanf, Sternanis, Limette & Verjus geschmorter, glacierter junger Fenchel

2 Geröstete Hanfsamen

3 Fenchel-Bergamotte-Creme

4 Salzfeigen

5 Knusprige Rollgerste

6 Liebstöckel-Pulver

7 Karamellisierte Fenchelsamen

8 Liebstöckel

9 Geklärter Fenchel-Schmorsaft mit geröstetem Fenchelsamen-Liebstöckel-Öl

HANFSAMEN:

Echter oder Indischer Hanf: eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt. Hanf gilt als Superfood und zählt zu den zehn wertvollsten und nährstoffreichsten Lebensmitteln der Welt. Die Hanfsamen (Nüsschen) enthalten alle essentiellen Amino- und Fettsäuren, um in einem perfekten Verhältnis den menschlichen Nährstoffbedarf zu decken. Aus Heidenreichstein/Niederösterreich.

GESCHMORTER JUNGER FENCHEL, 4 PERSONEN

ZUTATEN

- 75 ml Hanf-Öl

- 2 00 g Schalotten, geschält & grob geschnitten

- 1 Stk. Sternanis

- 20 g Karpatensalz

- 40 g Kristallzucker

- 250 ml Pernod

- 75 ml Vetliner-Verjus (Öhlzelt)

- 50 ml weißer Balsamico

- 1000 ml Hühnerfond

- 2 Fenchelknollen

ZUBEREITUNG

Schalotten und Sternanis in einer Kasserolle farblos anschwitzen.

- 1 El Butter

- 1 Stk. Limette {Abrieb) - 1 El Hanfsamen (geröstet)

Zugeben und so lange anschwitzen, bis eine sirupartige Konsistenz entsteht.

Ablöschen und für 10 Minuten einkochen lassen.

Mit dem Hühnerfond aufgießen und für weitere 15 Minuten einkochen lassen. Halbieren und die Herzen des Fenchels auslösen und zuputzen.

Die Fenchel-Herzen in den Fond einlegen und bedeckt bei 90 °C für ca. 75 Minuten langsam weich ziehen lassen.

In einer Sauteuse 250 ml Fenchelfond auf ca 80 ml einkochen mit 1 EI Butter montieren, Fenchel beigeben und glasieren.

Mil Limetten Abrieb und gerösteten Hanfsamen bestreuen.

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86 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

PERLFISCH MIT ZUCCHINIBLÜTE, GELBEN PARADEISERN & BOHNENKRAUT

1 Knusprig gebratener Attersee-Perlfisch

2 Mit Emmerweizen, Zucchini & Bohnenkraut gefüllte, gedämpfte & glacierte Zucchiniblüte

3 Gebratene Zucchini mit knusprigem Emmerweizen & gedämpftem Blütenstempel

4 Zucchini-Creme

5 Paradeiser-Perlfisch-Saft

6 Bohnenkraut-Öl

PERLFISCH:

Karpfenähnliche, seltene Delikatesse aus dem Attersee. Ein sogenannter Beifang, welcher statistisch zur Kontrolle der Population erfasst wird. Darf nur von lizensierten Berufsfischern verkauft werden. Von Ulrike Huber, Attersee.

BOHNENKRAUT-ÖL, 300 MILLILITER

ZUTATEN

- 400 ml Traubenkern-Öl (Keller)

- 150 g Bohnenkraut, blaublühend, gesäubert

ZUBEREITUNG

Das Bohnenkraut von allen groben Stielen und trockenen Teilen befreien.

Mithilfe eines Thermomix mit dem Traubenkern-Öl auf Stufe 8 für ca. 1 Minute ohne Temperatur mixen.

Anschließend das Öl in einer Kasserolle unter ständigem Rühren auf ca. 85 °C erhitzen.

Zügig durch ein feines Haarsieb (belgisches Sieb) in eine auf Eis stehende Schüssel gießen/passieren und schnellstmöglich kaltrühren.

Das erkaltete Öl in kleine Einheiten abfüllen und bis zum weiteren Gebrauch dunkel und gekühlt lagern.

Tipp: Durch das kurze Erhitzen und rasche Abkühlen behält das Öl seinen frischen Geschmack und seine Farbe.

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88 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

LAUCHHERZ MIT KOCHSALAT, ORANGENBLÜTE & SALZMARILLE

1 Im Ganzen geschmorter, geflämmter Lauch mit karamellisierter Koriandersaat

2 Gedämpfter junger Spinat

3 Kochsalat-Stangensellerie-Gemüse mit gerösteten Mandeln

4 In Orangenblüten-Gewürzsud eingelegter Knollensellerie

5 Grüne Mandeln

6 Buttermilch-Salzmarillen-Molke

6 Olivenkraut-Öl

ORANGENBLÜTEN:

Orangen- und Bitterorangenblüten aus der Orangerie Schönbrunn. Von Heimo Karner, Orangerie-Gärtner der Österreichischen Bundesgärten/Wien.

KNOLLENSELLERIE (EINGELEGT) MIT ORANGENBLÜTEN-GEWÜRZSUD, 4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 7 g Bitterorangenblüten

- 125 g Läuterzucker 1:1

- 1 junger Knollensellerie

- 100 ml Bitterorangenblüten-Sirup

- 5 0 ml Limettensaft, passiert

- Karpatensalz

- 1/2 TL Koriandersaat, geröstet

- 5 g Ingwer, grob geschnitten

- 1 Stk. Zitronengras

ZUBEREITUNG

Den Läuterzucker aufkochen und rasch abkühlen. Den gekühlten Läuterzucker mit den Bitterorangenblüten kräftig vakuumieren.

Tipp: Nur mit eisklatem Läuterzucker vakuumieren.

Bei 60 °C für 15 Minuten im Wasserbad garen. Rasch abkühlen und zumindest für 24 Stdunden gekühlt reifen.

Den Sellerie schälen und in dünne (ca. 1 mm) starke Scheiben schneiden.

Gemeinsam einmal kurz aufkochen, vom Feuer nehmen und 30 Minuten bedeckt ziehen lassen.

Abseihen und die geschnittenen Selleriescheiben darin einmal aufkochen.

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90 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

REHBOCK MIT SCHLANGENBOHNEN, NEKTARINEN, STEINPILZEN & WEINRAUTE

1 Sanft gebratener Rehbock

2 Glacierte Schlangenbohnen

3 Mit Mohn-Öl geschmorte Marchfelder Tropea-Süßzwiebel

4 In Weinrauten-Verjus eingelegte Nektarinen

5 Mit Mohnöl mariniertes Herzblatt

6 Steinpilz-Nektarinen-Erbsenschoten-Gemüse

7 Reh-Steinpilz-Velouté mit Madeira & Verbene

WEINRAUTE:

Die blaugrünen, gefiederten, ölhaltigen Blätter dieser Würz- und Heilpflanze besitzen ein aromatischbitter-süßlich-seifiges, eigenwilliges Aroma mit Passionsfrucht-Anklängen. Die Weinraute galt in der Antike und im Mittelalter als eine mächtige Heilpflanze und wurde gerne als Gewürz für deftige Gerichte und süße Speisen verwendet. Noch heute werden Weinrautenblätter für die Aromatisierung von Grappa verwendet. Aus dem Steirereck-Garten.

TROPEA-SÜSSZWIEBELN (GESCHMORT) MIT MOHN-ÖL, 4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 4 Tropea-Süßzwiebeln (Marchfeld)

- Pflanzenöl zum Anbraten

- 40 g Schalotten, geschält & grob gewürfelt

- 15 ml Mohn-Öl

- 50 ml Madeira

- 15 ml Zweigelt-Verjus (Öhlzelt)

- 10 ml weißer Balsamico (Bertolli)

- 4 g Karpatensalz

- 8 g Kristallzucker

- 250 ml Hühnerfond

ZUBEREITUNG

Die Tropea-Zwiebeln samt der Schale der Länge nach halbieren und anschließend mit dem Öl auf dem Plattengrill bei 200 °C auf der Schnittfläche mit etwas Farbe anbraten.

Tropea-Zwiebel-Schmorfond: Die Schalotten mit dem Mohn-Öl bei mittlerer Hitze goldgelb schmoren.

Zufügen, ablöschen und auf die Hälfte einkochen lassen.

Den Hühnerfond zufügen, aufkochen lassen und anschließend durch ein Spitzsieb passieren.

Die halbierten, gebratenen Tropea-Zwiebeln in eine feuerfeste Form schlichten, mit dem Fond übergießen, bedecken und im vorgeheizten Backrohr bei 200 °C ca. 10 bis 15 Minuten (je nach Größe) schmoren.

Anmerkungen: Die Zwiebeln sollten weich und süß sein, jedoch noch eine gewisse Knackigkeit besitzen, sodass sie nach dem Auslösen nicht in sich zusammenfallen.

Aus dem Fond heben und überkühlen lassen.

Den Wurzelansatz abschneiden und die einzelnen Schichten der geschmorten Zwiebeln wie kleine Schalen auslösen.

Rezept
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92 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

GEEISTE NASHI-BIRNE MIT HOLUNDERBLÜTEN, PASSIONSFRUCHT & THAI-BASILIKUM

1 Mit Holunderblüten, Sherry & Pfirsichlikör infundierte Nashi-Birne

2 Geeistes Parfait von karamellisierten Äpfeln & Birnen, mit im Holzfass gereiftem Birnenbrand

3 Passionsfrucht

4 Szechuanpfeffer & Limette

5 Thai-Basilikum

6 Nashi-Birnen-Pfirsich-Passionsfrucht-Eistee

7 Holunderblüten-Öl

HOLUNDERBLÜTEN:

Beliebte Blüten zur Sirup-, Essig- oder Sekt-Herstellung mit feinem Muskateller-Aroma.

NASHI-BIRNE (EINGELEGT) MIT HOLUNDERBLÜTEN, SHERRY & PFIRSICHLIKÖR, 4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 200 g Holunderblüten-Sirup

- 150 g Wasser

- 35 g Sherry

- 35 g Sake

- 35 g Peachtree

- 1 EL Yuzusaft

- 2 Nashi-Birnen (eingelegt)

ZUBEREITUNG

Alle Zutaten abmengen und auf Eis kaltrühren.

Die Nashi-Birnen schälen und in 1,5 cm dicke Scheiben schneiden.

Mit einem 7 cm-Rundausstecher Scheiben ausstechen und anschließend mit einem 3 cm-Rundausstecher das Kerngehäuse entfernen.

Die Nashi-Birnen-Scheiben mit dem kalten Fond infundieren.

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94 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

POMPOEN-KÜRBIS MIT PHYSALIS &

BITTERORANGEN

1 Geschmorter Pompoen-Kürbis mit Physalis, Vanille & Hot Lemon-Chili

2 Karamellisierte, gelierte Heumilch-Molke

3 Mit Verjus & Verbene marinierter Pompoen-Kürbis

4 Kürbiskern-Kuchen

5 Bitterorangen-Topfen

6 Knusprige Little Buddha-Physalis

7 Orangen-Tagetes

8 Pompoen-Kürbis-Schmorsaft mit kaltgepresstem Kürbiskern-Öl

9 Bitterorangenblüten-Eis

LITTLE BUDDHA-PHYSALIS:

Die Früchte sind reich an Vitamin C und haben einen hohen Pektin-Gehalt. Gezüchtet von Familie Wurm/Oftering, Oberösterreich.

KÜRBISKERN-KUCHEN, 12 PORTIONEN

ZUTATEN

- 160 g Butter, zimmertemperiert - 40 g Staubzucker, gesiebt - 40 g Rohrzucker

- 2,5 g Vanille-Fleur de Sel - Zitronen-Abrieb

- 180 g Eigelb - 50 g Kürbiskerne

- 180 g Eiweiß

- 140 g Kristallzucker - 1 Prise Karpatensalz

- Butterabtrieb

- Eischnee

- 220 g Weizenmehl, glatt - 110 g Kürbiskerne, frittiert, gesalzen & gemahlen

ZUBEREITUNG

Butterabtrieb:

Butter, Zucker und Aromaten in der Küchenmaschine mit dem Bischof sehr schaumig aufschlagen.

Beide Zutaten verrühren und sehr langsam in die aufgeschlagene Butter einarbeiten.

Die Küchenmaschine dabei langsam weiterlaufen lassen.

Eischnee:

Eiweiß und Salz mit dem Schneebesen in der Küchenmaschine aufschlagen und den Kristallzucker nach und nach einrieseln lassen.

Kürbiskern-Kuchen (backen):

Den Konvektomaten auf 180 °C Heißluft und Ventilationsstufe 2 vorheizen.

Eischnee, Mehl und feingemahlene Kürbiskerne abwechselnd unter den Butterabtrieb heben.

Den Teig in einem mit Backpapier ausgelegten, tiefen 1/1 GN-Blech gleichmäßig verteilen und für ca. 35 Minuten backen.

Den Kuchen noch warm aus der Form stürzen und danach in Klarsichtfolie wickeln und auskühlen lassen.

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96 S MAGAZIN SPEISEN-FOLGE

Rezept

WIENER PRATER

1 Spritzgebäck mit Koriander, Schönbrunner Limette & eingekochter Bio-Rohmilch

2 Gebrannte Nüsse

3 Ribisel-Zuckerwatte mit Sauerklee

4 Schaumrolle mit Wiener Malz & Wiener Feige

5 Geeister Zitronen-Pelargonien-Gummi

6 Marillen-Estragon-Marshmallow

7 Wiener Früchte

SPRITZGEBÄCK MIT KORIANDER, 4 PORTIONEN

ZUTATEN

- 50 g Koriandersaat

- 400 g Bio-Rohmilch

- 56 g Butter

- 19 g Rohrzucker, braun

- 141 g Weizenmehl, glatt

- Salz, Orangen- & Limettenzeste

- 2 Bio-Eier

ZUBEREITUNG

Alle Zutaten bis auf Mehl und Eier in einer Kasserolle langsam zum Kochen bringen.

Sobald die Milch aufkocht, das Mehl einrühren und bei mittlerer Hitze „abbrennen“.

Anschließend die noch heiße Masse in einen Rührkessel geben und mithilfe des Bischofs glatt schlagen.

Im noch warmen Zustand die Eier zufügen und für ca. 5 Minuten weiterschlagen, bis die Masse überkühlt ist.

Nun den Brandteig in einen Spritzbeutel füllen und mithilfe einer Spritztülle in ca. 180 °C heißes Fett dressieren und goldgelb ausbacken.

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98 S MAGAZIN GLAS-WEISE

TEXT: SEBASTIAN HOFER

FOTOS: PHILIPP HORAK

Eine Geschichte von Erderwärmung und Extremwetter, Hagel und Sonnenschein, von der Verabschiedung alter Gewissheiten und von den Fragen:

Was heißt das nun alles für den Wein?

Was werden wir in Zukunft trinken?

Und warum?

IM
WEIN
WANDEL
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Wenn Martin Muthenthaler oben am Vießlinger Stern steht und den Spitzer Graben entlangblickt, dann hat er die Zukunft vor Augen und die Vergangenheit im Ohr. Er sieht seine Weingärten und hört das Echo seiner Kollegen. Spinner nannten sie damals, in den 1980er- und 90er-Jahren, hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand jene paar Wachauer Don Quichottes, die da oben, wo die Sonne niemals glüht und die Wachau ja wohl längst zu Ende ist, ihre Weingärten hegten, in steiler, karger Höhenlage, zwischen alten Trockensteinmauern, in durchaus mühsamer Handarbeit. Heute weiß Muthenthaler, der einmal KFZ-Mechaniker gelernt und lange als Fahrer bei der Domäne Wachau gearbeitet hat, dass sich die Mühe lohnt und dass er auf das richtige Pferd gesetzt hat: auf Weingärten, die eine Zukunft haben.

Denn diese Zukunft wird anders sein als das, was man in den 1980er- und 90er-Jahren gewohnt war. Wärmer, trockener, extremer. Dass das Klima sich ändert, wird heute kaum noch jemand bestreiten wollen, und wer es doch bestreiten möchte, der soll ruhig einmal mit einem Weinbauern reden. Der wird ihm erzählen, was sich getan hat in den vergangenen zehn, 15 Jahren und wie sich das auswirkt: Die Hitzejahre häufen sich, die Unwetter werden dramatischer, die Weinbauernsorgen größer. Zwischen Trockenheit und Unwetter liegt ein schmaler Grat, es ist mit allem zu rechnen, jederzeit. Aber andererseits: Da, wo die Trauben früher nur selten reif wurden, weil es zu kalt war oder zu schattig – zum Beispiel da hinten, am oberen Ende des Spitzer Grabens –, ja, da entwickeln sie sich heute eben genau richtig.

René Antrag, Sommelier des Steirereck, öffnet eine Flasche von Martin Muthenthalers 2015er Riesling Vießlinger Stern und kommt beim Erklären schnell ins Schwärmen: „Ja, genau so muss das heute sein: ein strahlender, vibrierender Wein aus einem eigentlich superheißen Jahr. Trotzdem elegant,

schlank, mit nur zwölf Prozent Alkohol. Das hat natürlich mit der Lage zu tun, die eben sehr hoch ist und sehr kühl. Aber das alleine ist es nicht. Es gibt da oben keine Bewässerung, die Bewirtschaftung der Weingärten ist eine echte Herausforderung. Die einzelnen Elemente müssen zusammenpassen: Du brauchst die richtige Rebsorte, musst im Weingarten alles richtig machen, was die Bodenbearbeitung, die Laubarbeit betrifft. Und du darfst dir im Keller keine Fehler erlauben. Eines geht nicht mehr ohne das andere. Aber jetzt probier einmal diesen Wein. So muss das sein.“

Wenig auf dieser Welt ist so komplex wie das Klima, und nichts ist so kompliziert, wie als Winzer auf diese neuen Gegebenheiten zu reagieren. Wie man es auch macht – man macht es erst einmal falsch. Denn in der neuen Unberechenbarkeit des Wetters verschwimmen die alten Gewissheiten. Weinmachen ist sehr oft auch Fehlermachen. Wichtig ist dabei, dass man aus seinen Fehlern lernt und dass man es, idealerweise, nicht komplett falsch macht. Der Weg zum guten Wein führt häufig über den Kompromiss, man kann nicht von Jahr zu Jahr radikal umschwenken, nur weil sich die Verhältnisse dramatisch ändern. Armin Tement, Winzer in der Südsteiermark, weiß genau, wovon er spricht, wenn er von diesen neuen Schwierigkeiten berichtet –und dabei ist von den leider immer häufigeren Hagelunwettern noch gar nicht die Rede. Gegen die ist man machtlos. Den Rest kann man managen: in heißen Jahren mehr Trauben am Rebstock hängen lassen, um die Reifung zu verzögern und die Frische zu bewahren. In regnerischen Jahren mehr auslesen, um die Luftzirkulation zu verbessern. In keinem Fall allzu extremistisch agieren, um die Reben nicht aus ihrem langjährigen Gleichgewicht zu bringen. Denn auf die Balance

„Die einzelnen Elemente müssen zusammenpassen. Du brauchst die richtige Rebsorte, musst im Weingarten alles richtig machen, und du darfst dir im Keller keine Fehler erlauben.“

03 Martin Muthenthaler zeigt René Antrag seine Lagen im Spitzer Graben. Früher wurden sie hier oben belächelt. Heute passt es ziemlich genau.

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des Weingartens kommt es an. Armin Tement erklärt das Grundprinzip: „Wir werden immer mehr Extreme erleben, aber wenn der Weingarten in Balance ist, kann er diese Ausschläge austarieren. Einmal hast du mit viel Niederschlag zu tun, einmal mit viel Trockenheit. Dann steht am Ende eben einmal die Kernigkeit des Weins im Vordergrund und einmal die Saftigkeit. Beides hat seine Qualität.“ Für den Winzer bedeutet das freilich, dass er nicht mehr nach Schema F arbeiten kann, sondern sich an den jeweiligen Jahrgang herantasten muss. Mit der Betonung auf: tasten. Denn jede Entscheidung, die ein Winzer trifft, hat enorme Auswirkungen, manchmal auf viele Jahre hinaus.

se einfach, die Leitsorten seiner Region, allen voran Muskateller und Sauvignon Blanc, kommen mit der Klimaerwärmung bisher ganz gut zurecht. Das zeigt, ein paar Kilometer weiter westlich , in einer Lage, die in puncto Kühle und Kargheit durchaus mit dem Spitzer Graben mithalten kann, auch der Sauvignon Blanc Ried Hochsteinriegl 2017 vom Weingut Wohlmuth im Sausal – lange gereift, aber trotzdem nicht opulent, weil kühle Nächte die Aromenreife fördern, ohne dass der Zuckergehalt gleich ungut in die Höhe schießen würde. René Antrag: „Das ist feingliedrig und präzise, das ist absolut die Zukunft, auch vom Ausbau her: Hier wird dem Wein Zeit gegeben, im Keller und auch noch in der Flasche.“

04 Armin Tement weiß: Ist der Weingarten in Balance, dann hält er auch extreme Bedingungen aus. Für den Winzer heißt das freilich: Schema F gilt nicht mehr.

Die größte aller GrundsatzEntscheidungen betrifft die Frage, welche Rebsorten ein Winzer eigentlich auspflanzt – und welche für den Weinbau unter den kommenden Bedingungen noch taugen. Gerade die österreichischen Paradesorten Zweigelt und Grüner Veltliner werden in Zukunft wohl nicht mehr überall so gedeihen, wie man es von ihnen gewohnt war. Armin Tement hat es in dieser Frage vergleichswei -

Einer, der traditionell kaum je die Zeit bekam, die er verdient hätte, ist ja der Welschriesling. Aber auch das ändert sich gerade, denn zunehmend erweist sich die gute, alte Heurigen-Sorte als echtes Zukunftsmodell. Nicht nur in der Steiermark rückt sie auch immer mehr in den Fokus der Spitzenwinzer. Weil die Sorte aber eben lange ein halbwegs mieses Image hatte, sind alte

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Welsch-Weingärten in großen Lagen leider rar. Armin Tement hat zum Glück noch so einen Weingarten, aus ihm stammt sein Welschriesling Weinstock Alte Reben 2014, der zeigt, wozu diese Sorte fähig ist. René Antrag ist – schon wieder – hingerissen: „Für mich hat das die Eleganz eines Aligoté aus dem Burgund. Das ist nicht laut, nicht aufdringlich, das überträgt das Terroir, hat durch lange Hefelagerung genug Ruhe und dabei eine vibrierende Säure, die diesen Wein unfassbar spannend macht. Das passt auch in der Speisenbegleitung ganz hervorragend zu einer zarten, eleganten Küche.“

Ein ähnliches Kaliber mit einer irgendwie auch ganz ähnlichen, irgendwie aber doch völlig anderen Geschichte: Michael Wenzel, Furmint Garten Eden 2017. Der Wenzel’sche Garten Eden liegt auf einer Anhöhe über Rust, mit bestem Blick auf den Neusiedler See, sein Furmint ist dem Winzer schon seit Jahren ein Herzensanliegen. Ans Klima hat er dabei nicht in erster Linie gedacht – aber jetzt gibt ihm auch das noch recht. Kaum eine Sorte eignet sich so gut für die neue, sozusagen hochpannonische Zeit, kann mit der Hitze so gut fertigwerden und wirkt selbst voll ausgereift noch frisch und stoffig und gerbstoffreich. Und ja, das ist ein Kompliment.

Denn die Temperaturen sind nicht das Einzige, was sich geändert hat in den letzten Jahren. Auch stilistisch hat sich viel getan: Weißweine dürfen, ja sollen eine gewisse Phenol-Struktur mit sich bringen, Rotweine wiederum können gern auch filigraner, süffiger werden. Auch im Steirereck hat sich die Nachfrage geändert, erzählt René Antrag: „Rot- und Weißweinstile nähern sich definitiv an. Natürlich gibt es immer noch die kräftigen, opulenten Rotweine, wie wir sie aus den klassischen Blockbuster-Jahrgängen kennen, und es wird sie wohl auch immer geben. Aber die Tendenz geht in eine andere Richtung. Und beim Weißwein wird nicht mehr nur jung-frisch-knackig gesucht, sondern verstärkt auch Ausdruck

und Struktur.“ Das wird auch die Bewertung von Jahrgängen verändern: „Ich vermute, dass die kühleren Jahrgänge in Zukunft jene sein werden, mit denen man mehr Freude haben wird als mit besonders sonnenreichen. Dafür wird die Hitze heute einfach zu schnell zu extrem.“

Wo das Extreme herrscht, muss Balance her. Wenn das Wetter schwankt, tut der Weingarten gut daran, in sich zu ruhen. Es muss ja nicht gleich die volle Biodynamie sein. Es reicht auch, wenn die Winzer ihren Reben geben, was sie brauchen: eine natürliche Umgebung und eine ruhige Hand, die im Wissen handelt, dass die Weingartenweisheiten von gestern überholt sind. Es geht eben nicht mehr um höchste Zuckergradation oder maximalen Extrakt, sondern um Eleganz, um Weißweine, die ein bisschen wie Rotweine werden, und um Rotweine wie den St. Laurent Frauenfeld 2016 vom Johanneshof Reinisch, von dem René Antrag das folgende Loblied singen kann: „Das ist ein Wein, der die Thermenregion wirklich verkörpert, aus einem Jahrgang, der nun wirklich kein klassischer Blockbuster-Jahrgang ist. Das geht in eine filigrane, burgundische Richtung, das ist rotbeerig, floral, feingliedrig, mit supersaftigem Gerbstoff, zart, verspielt, toll.“ Anderes Bundesland, ähnlicher Stil – und wieder eine Hymne: Blaufränkisch Alte Reben, Weingut Wachter-Wiesler, Jahrang 2014 : „Das ist wirklich herausragend. Blaufränkisch ist international inzwischen überhaupt die klare österreichische Signature-Sorte. Und auch für heiße Jahre extrem gut geeignet. Das ist knochig, präzise, trotz hoher Reife immer strukturiert und hält den Fokus, außer du machst im Keller was damit, was ihm nicht gerecht wird. Aber das ist hier definitiv nicht der Fall, da wurde die Struktur aus dem Weingarten im Keller schonend weitergetragen. Das ist natürlich ein Wein für Fortgeschrittene, kein Schmeich ler, dafür supercrisp, supersaftig, hat Ribisel, Grapefruit. Und wir reden hier von einem offiziell schlechten

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05–06 Kellerbesuch bei Gernot Heinrich in Gols. Er sagt: „Wenn du im Weingarten der Natur ihren Lauf lässt, dann musst du auch im Keller loslassen können.“

Jahrgang. So etwas kommt heraus, wenn sich der Winzer wirklich mit der Natur beschäftigt.“

08–09 Reben am Spitzer Graben. Wenig auf dieser Welt ist so komplex wie das Klima, und nichts ist so kompliziert, wie als Winzer auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren.

Das wiederum ist nun ein wirklich gutes Stichwort, um über Gernot Heinrich zu reden, oder besser noch: mit ihm. Besuch in Gols, der Winzer zeigt, was er hat – und was er damit macht: große Betongefäße, in denen es, nun ja, brodelt. Ganze Rotweintrauben, komplett mit Stiel und Stängel, liegen auf der Maische und vollführen, ganz sanft und ungezwungen, das Wunder der Natur: Gerbstoffe werden ausgelaugt, Zucker zu Alkohol umgewandelt, Farbstoffe abgegeben – aber weil das alles so behutsam geschieht, geschieht es auch nur in Maßen. „Wenn du im Weingarten der Natur ihren Lauf lässt“, sagt Gernot Heinrich, der schon lange biodynamisch arbeitet, „dann musst du auch im Keller loslassen können. Ich kann nicht im Weingarten so homöopathisch wie möglich arbeiten und im Keller nach vorgefasstem Strickmuster. Ich muss schon auch ein bisschen Vertrauen haben in meine Trauben.“

Am Ende dieses Vorgangs, der der Natur die lange Leine lässt

und den Trauben vertraut, stehen Weine wie Gernot Heinrichs Roter Traminer Freyheit 2019, den René Antrag jetzt aus der Kühlung zaubert: „Der Traminer ist ja eine Rebsorte, die ab einer gewissen Reife sehr schnell an Säure verliert. Dann kommt es auf den Lesezeitpunkt an, aber auch auf die Vinifizierung. Wenn du den klassisch ausbaust, bekommst du einen sehr lauten, fruchtigen, cremigen Wein, der Säure missen lässt. Wenn du Traminer aber so vinifizierst, wie es Gernot Heinrich macht, zwei Wochen auf der Maische, sanft extrahiert, mit ganzen Trauben, dann kriegst du wieder etwas zurück von der Struktur, vom Gerbstoff. Dann ist die Frucht knackig, der Wein leichtfüßig und elegant und gar nicht weichgespült. Das ist knackig, das hat Zitrus, Bergamotte, trotzdem das Duftige vom Traminer. Das ist einfach unkompliziert auf hohem Niveau. Das ist die Zukunft.“

Die Zukunft kann kommen.

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Wenn einer eine Reise tut, dann … muss er auch was essen. Oder will er. Oder sie. Oder beide. Die Reitbauers wollten. Und so hat es sie ins steirische Hatzendorf verschlagen, weil dort einer kocht, der das kann. Und der einst Teil der SteirereckFamilie war. Und dessen Vater den Heinz schon in Öl getunkt hat, künstlerisch wohlgemerkt. Severin Corti wiederum reiste an den Gardasee, weil dort ungekochte Pasta in einer Schweinsblase gedämpft wird. Und Erwin Steinhauer?

Der reiste aus dem 19. , wo er wohnt, in den 3. Bezirk in den Stadtpark. Zum Essen und Plaudern.

Wohin & zurück

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VON PETERS KOCHKUNST UND KUNSTKOCH PETER

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DER SCHUPPEN, EIN TEMPEL

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ANDERSWO RESERVIERT

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DAS ABONNEMENT AM WÜRSTELSTAND
01–03 Die Troißingers: Peter der Ältere, Meisterkoch und anerkannter Künstler, verewigte die Hände seines Vaters als Türknaufe. Auch Peter der Jüngere (rechts) kocht nicht nur, sondern erfindet Würzsoßen und kreiert edle Holzbretter für die Gastronomie. 108 S MAGAZIN HAUS-BESUCH

Wenn Reitbauers eine kulinarische Reise tun, dann gerne zu ehemaligen Mitarbeitern. Diesmal besuchen sie Peter Troißinger, der einst erfolgreich darauf pochte, zwischen Wiener Stadtpark und steirischem Pogusch pendeln zu dürfen.

VON PETERS KOCHKUNST und Kunstkoch Peter

TEXT: ACHIM SCHNEYDER

FOTOS: MIRCO TALIERCIO

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Derart viele Spitzenköchinnen und Spitzenköche irgendwo im Nirgendwo unter einem gemeinsamen Dach und das auch noch gleichzeitig, das ist schon ziemlich unglaublich. Ein Stelldichein der Crème de la Crème der heimischen wie auch der internationalen Kulinarik quasi, denn nebst vielen anderen sind Johann Lafer und Harald Irka da, im Stiegenhaus trifft man Steffen Mezger, Johanna Maier und Wolfgang Puck, auch Juan Amador, Eckart Witzigmann, Mike Süsser und Manuel Ressi hän gen irgendwo herum, und jetzt kommt auch noch Heinz Reitbauer in Begleitung seiner Frau Birgit zur Türe herein.

Der Heinz staunt dann auch gleich einmal nicht schlecht, als er all seine Zunftkolleginnen undkollegen erspäht. „Das ist außer gewöhnlich“, sagt er anerkennend, „wirklich ganz toll.“ Und Hausherr Peter Troißinger nimmt das Kom pliment freudig lächelnd entgegen.

Nun zur Erklärung: Wir befin den uns im südoststeirischen Vul kanland in Hatzendorf, nicht weit von Riegersburg, und während das Örtchen Hatzendorf an sich sehr überschaubar ist, ist das dort an gesiedelte Restaurant und Kunst hotel Malerwinkl unübersehbar. Erstens, weil’s direkt an der Bun desstraße liegt und zweitens, weil rund um das Gebäude unzählige Skulpturen und Plastiken das Areal schmücken. Peter Troißinger der Ältere, Jahrgang 1958, gelernter Koch und ungelernter Künstler, hat all diese Werke erschaffen und betritt man schließlich das Lokal, trifft man auf die erwähnten Köchinnen und Köche. 80 sind’s insgesamt, die der Autodidakt in den vergangenen neun Jahren in Öl auf Leinwand gebannt hat und Heinz Reitbauer zählt selbstverständlich ebenfalls zu dieser illustren Runde. Wie auch –keineswegs selbstverständlich, dafür umso überraschender – Otonde Odera, der einstige Leibkoch des ehemaligen ugandischen Schreckensherrschers Idi Amin. „Oderas Gesicht hat mich ungemein fasziniert“, sagt der kochende Maler und malende Koch, dessen gesamtes künstlerisches Schaffen unter dem Sammel-begriff „troiss eat & art“ firmiert.

Heute und hier geht’s aber vorrangig um Peters Sohn Peter, der die Küche des elterlichen Betriebs längst übernommen hat, sich vom Vater aber nach wie vor gerne zur Hand gehen lässt. „Ihm gehört die Zukunft, er hat das Sagen, er ist der Chef am Herd, ich ordne mich unter“, sagt der Senior, der einst als Meisterkoch im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg und in Köln im Hotel Intercontinental seine Kreativität spielen ließ.

Der Junior, Jahrgang 1986, steht an jenem Tag, an dem die Reitbauers ihr Kommen für die Mittagszeit angekündigt haben, seit acht Uhr in der Früh am Herd. „Ein bisserl fühl ich mich grad wie früher, wenn ich für einen Chef ein Probeessen zu bereiten musste“, sagt Peter und entgrätet das Hechtfilet, das später gedämpft und mit zuvor zwölf Stunden in Salz und Zucker eingelegtem Hechtrogen veredelt sowie von Rieslingschaum umrahmt Teil des mehrgängigen und exzellenten Menüs sein wird.

Skulpturen, ist im Malerwinkl so gut wie in jedem Winkel zu finden. Bloß die Küche ist quasi kunstfreie Zone, sieht man davon ab, dass das, was Peter und Peter unter des Juniors Federführung am Herd erschaffen, tatsächlich große Kochkunst ist.

Peter, dessen Schwester Anna als Gastgeberin und Hotelchefin auftritt, während der Herr Karl, ein Freund der Familie, den Wein im Griff hat und das Service leitet und Mama Gabi der gute Geist von überhaupt allem ist, lernte seinerzeit in einem Betrieb in Riegersburg. Nach der Lehre verschlug es ihn für ein Jahr zu den Obauer-Brüdern nach Werfen, eine der ersten Adressen des Landes. „Ich war“, erzählt er, „immer schon irrsinnig ehrgeizig. Wenn die anderen während der Lehrzeit ihre fünfminütige Rauchpause g’macht haben, hab ich mich weiter mit dem Lernstoff beschäftigt. Sechsmal fünf Minuten am Tag, das ergibt eine halbe Stunde täglich. Umgerechnet auf vier Jahre Lehrzeit, ist das unterm Strich eine verdammt große Menge Zeit und dann ist man am Ende halt vielleicht doch ein bisserl besser als manche andere …“

„Er war nicht nur ehrgeizig, er war regelrecht besessen“, ergänzt Papa Peter. „Er hat all seine Hobbys eingestellt, hat am Abend in Gedanken Gerichte kreiert und sich Notizen gemacht, statt weiter Tennis zu spielen, und an Wochenenden und freien Tagen

„Ihm gehört die Zukunft, er hat das Sagen, er ist der Chef am Herd, ich ordne mich unter.“
(Peter der Ältere)
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hat er sich alle nur erdenklichen Kochsendungen im Fernsehen angeschaut. Schließlich wurde er Koch-Staatsmeister bei den Unter-21-Jährigen.“ Und Tennis spielt er, ganz zur Freude des Vaters, inzwischen übrigens wieder.

Nach dem Jahr bei den Obauers winkte ein Engagement in einem Drei-Sterne-Restaurant in Italien, aber bis es so weit war, galt es, sechs Monate Stehzeit zu überbrücken. „Also habe ich mich bei Heinz Reitbauer gemeldet, weil ich ins Steirereck nach Wien wollte. Geht nicht, hat Reitbauer gesagt, denn die Küche im Steirereck war voll, aber dann hat er mir eine Stelle am Pogusch angeboten. ‚Die nehme ich gerne‘, hab ich gesagt, ‚aber nur, wenn ich am Montag und am Dienstag, wenn der Pogusch zu hat, zumindest zum Schnuppern nach Wien darf.‘ Das schien ihm gefallen zu haben, also hat er’s erlaubt …“

„Er war schon damals ungemein kreativ“, erinnert sich Heinz, der den vom Kochen beseelten jungen Mann schließlich doch noch im Steirereck unterbrachte, nachdem die Reise unter den italienischen Drei-Sterne-Himmel etwas rascher als ursprünglich geplant zu Ende gegangen war. „Das war dort nicht wirklich mein Ding, obwohl es ein ganz großartiges und berühmtes Lokal war.“ Aber wenn Peter dafür heute von der Küchenstation im Steirereck er zählt und von den Leuten, mit de nen er auf dieser Station zusam mengespannt war, leuchten seine Augen: „Lukas Nagl, Philip Rachinger, Oliver Lucas und ich, das war schon eine geile Partie, und alle vier haben sich irgendwann selbstständig und jeder für sich hat Karriere gemacht. Und dazu noch der Manuel Ressi, der damals Reitbauers Souschef war. Wir waren eine tolle Truppe!“ Auf das Steirereck folgten schließlich noch Stationen in Shanghai und London, ehe es Peter 2018 zurück nach Hause zog.

den. „Im ersten Moment ein Riesenschreck“, erinnern sich Peter und Peter, doch der unglückliche Umstand lag glücklicherweise nicht an plötzlichem Qualitätsverfall, sondern schlicht daran, dass es in Österreich ein zweites Malerwinkel, eines mit einem E vor dem L gab, und das sperrte zu dieser Zeit seine Pforten für immer. So kam’s zu diesem bedauerlichen Irrtum, dafür aber gab der junge Peter fortan derart mächtig Gas auf seinem Induktionsherd, dass seit 2021 eine dritte Haube das Haupt des Koches und jenes seines väterlichen Souschefs ziert.

„Nur allzu verdient“, zollen Birgit und Heinz voll ungespielter Begeisterung Respekt, als sie schließlich Gänse-leber, dann Seeforelle, dann Hecht, dann steirisch interpretierte Dumplings, dann Lamm und zu guter Letzt auch noch süße Rhabarberköst lichkeiten genießen.

äußerst vergnügliche Herr Karl, Oberkellner und Experte in Sachen Wein.

Als die Reitbauers später im Begriff sind, sich wieder auf den Weg zu machen, gibt’s noch ein kleines Abschiedsgeschenk in Form eines kleinen Fläschchens.

„Quasi eine Sojasoße, allerdings ganz ohne Soja“, erklärt Peter, der Erfinder von Österreichs erster fermentierter Würzsoße, die rein auf steirischen Süßlupinen basiert. „Die Lupine zählt zu den eiweißreichsten Früchten der Erde und wir bauen sie im Vulkanland an, ernten und verarbeiten sie selbst.“

Und während dann doch noch ein wenig über die Lupine geplaudert wird und auch über die ele ganten Holzbretter für die Gastronomie, die Peter gemeinsam mit einem befreundeten Tischler kreiert und produziert, schenkt Peter der Ältere noch rasch einen Abschiedsschluck ein. Ein exklusiv für die Troißingers abgefüllter Roter vom Weingut Kolleritsch aus Tieschen ist’s und das Etikett hat, wer sonst, Peter gestaltet.

Damals schmückten zwei Gault&Millau-Hauben das Malerwinkl, ein Jahr drauf, erstmals mit Vater und Sohn gemeinsam am Herd, ebenfalls zwei. Und dann, 2020, war das Malerwinkl plötzlich aus Österreichs führendem Restaurantguide verschwun-

„Bleibwein“ heißt der Wein. Und ja, das will man hier im Malerwinkl, wenn man erst einmal da ist. Bleiben.

„Der Drei-Sterne-Tempel in Italien war nicht wirklich mein Ding.“ (Peter der Jüngere)
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TEXT: SEVERIN CORTI

FOTOS: MIRCO TALIERCIO

DER SCHUPPEN, EIN TEMPEL

01–03 Im Lido 84 (unten) genießt man mit den Füßen im Gardasee – sozusagen: Das ehemalige Bootshaus gilt heute als bestes Restaurant Italiens.

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DAS LIDO 84 VON RICCARDO UND GIANCARLO CAMANINI

MAG EIN VERGLEICHSWEISE BESCHEIDENES, IN EINEM EHEMALIGEN BOOTSHAUS UNTERGEBRACHTES LOKAL AM GARDASEE SEIN. ABER DER PLATZ IST VON ERGREIFENDER SCHÖNHEIT. UND DIE

CAMANINIS VERSTEHEN SICH DARAUF, DIE HINREISSENDE GERADLINIGKEIT DER ITALIENISCHEN KÜCHE MIT WITZ, VOR ALLEM ABER MIT DEN VIRTUOSEN TECHNIKEN DER HOCHKÜCHE ZU ZELEBRIEREN. WAS DABEI HERAUSKOMMT, IST GROSSE, ZEITGENÖSSISCHE ITALIENISCHE KÜCHE. UND WO GIBT ES DIE SONST NOCH?

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Es ist wie mit den meisten Orten, deren Schönheit universell unbestritten wird: Man muss sich den Zeitpunkt des Besuchs gut aussuchen, um ihrer noch teilhaftig zu werden. Wer im Sommer, also zur falschen Zeit, an den Gardasee fährt, wird eine etwas angejahrte Destination deutscher Bustouristen und anderer Senioren entdecken, deren Pracht durch eine dezent müffelnde Brise (eh nur an manchen Ecken!) und unablässige Staus entlang der beeindruckend in den Fels gehauenen Uferstraßen charakterisiert wird.

Es ist besser, im Frühling zu kommen, wenn es hier, südlich der Alpen, viel früher zu blühen und

zu wärmen beginnt. Oder im Herbst, der sich am Gardasee bis weit in den Oktober hinein wie ein später Sommer anfühlt. Dann hat man die atemberaubende Schönheit dieses mächtigen Sees der Südalpen – und die nicht minder beeindruckenden gastronomischen Traditionen, die hier immer noch mit eifersüchtiger Hingabe gepflegt werden – beinahe ganz für sich allein.

Wer sich dem See von Norden, also von Trient aus nähert, den kann die Weite, die sich da öffnet, durchaus ans Meer gemahnen. Links und rechts fallen die Berge fast senkrecht ins Wasser, gen Süden aber verliert sich der Horizont in rosa-goldener Unend -

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lichkeit. Die kleinen Orte am nordwestlichen Ufer haben hinreißend italienische Namen (Campione, Limone …) und wirken buchstäblich an die Klippen genagelt, so eng wird der Platz zwischen Berg und See hier oben. Weiter im Süden öffnet sich die Landschaft, der Berg macht Platz für Olivenhaine.

„Das Öl von hier hat eine ganz eigene, nach frischem Gras und Bananen duftende Fruchtigkeit“, sagt Nicoletta Manestrini vom Frantoio Manestrini in Soiano, die ihr Öl auf einer Presse aus dem Jahr 1960 presst. Damals war das die erste zeitgemäße Presse der Region und bis heute bringen viele Bauern ihre Oliven hierher, weil die sanfte Art des Pressens das Öl so besonders wertvoll macht. Tiefgrün, von nobler Schärfe rinnt es durch die Schläuche, wenn Ernesto Sanca, der schon immer im Olivenhain und hier im Frantoio gearbeitet hat, die Flaschen füllt. Manche dieser Olivenhaine beherbergen ganz besondere Schätze. Die Villa Arcadio oberhalb von Salò ist so einer, ein ehemaliges Kloster in einem elf Hektar großen Olivenhain, das von der gebürtigen Finnin Jaana Nakari und ihrem Sohn Aki zu einem intimen Hotel mit prachtvoller Aussicht, ausgesuchten Antiquitäten und richtig gutem Restaurant (in dem natürlich mit hauseigenem Öl gekocht wird) umgewandelt wurde.

Aber heute geht es in ein anderes Restaurant. Es ist Mittagszeit, exakt fünf Minuten nach halb eins an der Uferstraße in Gardone Riviera, als das Tor sich öffnet und die schmale, steile Straße freigibt, die hinunter zum Lido 84 führt. Draußen stehen schon Autos an, ein paar Gäste sind auch zu Fuß gekommen. Im Ristorante herrscht seit den Morgenstunden geschäftige Betriebsamkeit, die Gäste aber müssen warten, bis sie hier herunter an den See und ins Ristorante eingelassen werden.

„Wir lieben den Moment, wenn die Gäste zu Mittag hereinkommen, wenn alles so gerichtet ist, wie es sein soll, die Tische gedeckt, die Terrasse gekehrt, die Küche in freudiger Erwartung des Mittaggeschäfts. Das ist der Moment, wo unser Restaurant am schönsten ist“, sagt Giancarlo, „der Moment, in dem die Gäste sich setzen und der Pranzo beginnt.“ Gemeinsam mit seinem Bruder Riccardo Camanini betreibt er das Lido 84 in Gardone Riviera, direkt am Ufer des Sees.

Das Lido 84 gilt seit vergangenem Oktober sozusagen offiziell als bestes Restaurant Italiens. Da landete es im viel beachteten Ranking der „World’s 50 Best Restaurants“ auf Nummer 15, quasi gleichauf mit dem Steirereck (13) und mit der besten

04–06 Vielfältige Gardaseefreuden: Die Trattoria Al Miralago in Gargnano (r.), das exzellent geführte Hotel Villa Arcadio in Salò (l.), die Olivenernte bei Manestrini in Soiano (linke Seite).

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aller italienischen Lokale. Für Riccardo Camanini war das „ein wirklich surrealer Mo ment“. Dass dieser einst als Bootshaus gebaute „bessere Schuppen“, der vor der Übernahme durch die Camanini-Brüder jahrelang als Eissalon und dann als Grillrestaurant diente, plötzlich die begehrteste Adresse im Mutterland des guten Essens sein solle, kam auch für andere überraschend. Wobei – die wirklichen Auskenner feiern Camaninis Küche schon seit bald zehn Jahren als Offenbarung und eine der raren Interpretationen italienischer Küche in der Welt des Fine Dining, die Zeitgenossenschaft, Eleganz und tatsächlichen Wohlgeschmack zu vereinen weiß. Gerade in Italien scheitert die kreative Küche allzu oft an der Pracht der Tradition.

Im Lido 84 ist das ganz und gar nicht so, die Größe der italienischen Küche wird hier mit Witz und Virtuosität, vor allem aber mit ungebrochener Verehrung des guten Essens ganz klassischer Prägung dargebracht. Zwölf Köche und ebenso viele Mitarbeiter im Service stehen mittags wie abends für gerade einmal 37 Gäste bereit. Das einst bescheidene Gebäude aus dem 19. Jahrhundert wurde in ein luxuriöses Restaurant verwandelt. Durch die weiten Fenster hat jeder Tisch einen souveränen Blick auf

den See, das Wasser malt goldene Lichtreflexe an die Decke. Zwar bietet die Seeterrasse noch einmal so viele Sitzplätze – weil aber das Wetter hier schnell umschlagen kann, werden aus Prinzip nur die innen oder die außen liegenden Tische vergeben: „Es passiert leider viel zu oft, dass ein Abend mit herrlichem Wetter beginnt und mit wildem Gewitter aufhört“, sagt Giancarlo.

Die Karte feiert die wohl definierende Zutat der italienischen Küche, die Pasta, in mehreren Signature-Gerichten. Ganz genauso pflegt sie aber auch klassisch-luxuriöse Zutaten wie Steinbutt oder Taube (dem Vernehmen nach wichtig für Michelin-Tester), selbst Blattgold kommt zum Einsatz. Typische lokale Spezialitäten – nicht zuletzt auch Wildfang aus dem See – sind jedoch neben der Konzentration auf Pasta die definierenden Elemente.

Aber all das sind nur nominelle Insignien eines Gourmettempels. Was macht die Küche ganz konkret daraus? „Ich bin ein alter Mann“, sagt der kaum 50-jährige Riccardo ohne merkbaren Anflug von Koketterie, „ich habe mit 14 Jahren zu arbeiten begonnen und bei alten Köchen wie Gualtiero Marchesi (dem ersten 3-Sterner Italiens, Anm.) oder Raymond

09–12 Riccardo Camanini kocht klassisch italienisch, also extrem regional – aber mit Techniken, die er bei einigen der besten Köche von überhaupt gelernt hat. Unten: Gegrillte und geräucherte Seefische. Rechts: Rigatoni „en Vessie“ – in der Blase gedämpft.

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Blanc gelernt. So koche ich noch heute.“ Als trendig gefeierte Küchentricks wie Sous-vide-Garen kennt er nur vom Hörensagen. Was Camanini beim Essen berührt, ist „die Perfektion der Einfachheit“.

Auch deshalb wird in seiner Küche jeden Tag der Holzofen eingeheizt, um etwa Melanzani bei 400 °C so kunstvoll die Haut zu verbrennen, dass das Innere der Frucht löffelweich, aber nur zart rauchig wird – damit sie bei Tisch mit einer Salsa aus sizilianischen Kirschtomaten, Parmesancreme und der traditionell kampanischen Fischsauce „Colatura di Alici“ zu einem Monument italienischer Wohlfühlküche kombiniert wird.

Deshalb ist auch das geniale Gericht, mit dem Camanini erstmals international für Aufsehen sorgte, von erschütternder Einfachheit: Sein Spaghettone al burro e lievito di birra besteht aus nichts als dicker, bissfester Pasta in Butter, die er mit Krümeln von im Holzofen getrockneter Bierhefe garniert. Klingt nach gar nichts, explodiert am Gaumen aber als fein gewebter Idealzustand aus Konsistenzen und Geschmack: Die Germbrösel knusprig und doch zart ziehig, die Pasta von bissfester Geschmeidigkeit, die Sauce aus Butter und Kochwasser seidig und trans -

parent wie ein Negligé. Wer hätte geahnt, dass Hefe so verdammt köstlich schmecken kann, sanft nussig und in ihrer hintergründig anschiebenden Power auch ein wenig an Trüffel erinnernd, von durchdringender Kraft wie japanisches Natto und doch niemals vulgär? Alain Ducasse, der höchstdekorierte Koch des Planeten, hat just diesen Teller Pasta als „das Beste, was ich überhaupt je gegessen habe“ zu Protokoll gebracht.

Die Frage ist halt, ob er da bereits die Rigatoni „Cacio e Pepe“ gekostet hatte, denen Camanini wirklich alle Schikanen der Grande Cuisine angedeihen lässt. Die ungekochte Pasta wird dafür mit Pecorino, gemörsertem Pfeffer, Olivenöl und Wasser in eine Schweinsblase gefüllt, hermetisch verschlossen und im Wasserbad für 25 bis 30 Minuten gegart. Die Technik wurde einst vom großen Fernand Point in Vienne für Poularde demi-deuil entwickelt, ein mit Foie gras und schwarzen Trüffeln gefülltes und in der Schweinsblase gedämpftes Bresse-Huhn. Camanini widmet diesen höchsten Grad kulinarischer Aufmerksamkeit einem quintessenziellen Arme-LeuteGericht.

„Es passiert leider viel zu oft, dass ein Abend mit herrlichem Wetter beginnt und mit wildem Gewitter auf hört.“
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Bei Tisch wird die vom Wasserdampf zu einem Ball aufgeblasene „Vessie“ vor dem Aufschneiden kräftig geschüttelt, damit die Sauce emulgiert. Die Pasta ist „al chiodo“ gegart, also deutlich bissfester als „al dente“, von den Aromen des Pfeffers und Schafskäses bis in alle Fasern durchwirkt, von cremiger Saucenherrlichkeit umspielt.

Einer autochthonen Köstlichkeit des Sees lässt Camanini nicht minder viel Aufmerksamkeit zuteilwerden. Die wegen ihrer Form „Sardinen“ genannten Finten, im See reichlich vorkommende Speisefische, bezieht er bei Umberto, Luca und Marco Dominici in Gargnano. Vater und Söhne sind Gardaseefischer und fahren vor Sonnenaufgang auf den See hinaus, in dem es – durchaus im Gegensatz zu den extrem sauberen (und deshalb sehr fischarmen) österreichischen Alpenseen – noch vor Fisch wimmelt.

Camanini räuchert die Fische erst mild, dann frittiert er sie knusprig und überzieht sie schließlich mit einer Glasur, in die, neben allerhand Kräutern und Honig, auch die viel gerühmten Zitronen vom Gardasee Eingang finden. Das Gericht ist durchaus fordernd, speziell für cisalpine Genießer, denen Fisch in der hohen Gastronomie ausschließlich fi -

letiert und entgrätet begegnet. Riccardo hingegen weist beim Servieren noch speziell darauf hin, dass er Kopf und Schwanz für die lohnendsten Teile der Kreation hält.

13–15 Fabio Gandossi betreibt eine der letzten Limonaias am Gardasee – und macht exzellenten Limoncello.

Maria Teresa Giacomini (r.) erntet Kapern, die sie nach uralter Tradition einsalzt. Rechte Seite: Fischer Umberto Dominici.

Die Zitronen des Gardasees gehen bis weit ins 19. Jahrhundert zurück, als die Versorgung Nordeuropas mit Zitrusfrüchten zum lukrativen Luxusgeschäft wurde – und der zeitgerechte Transport über die Alpen ein entscheidender Faktor. Damals wurde am Gardasee als nördlichstem Ort Italiens mit dem Anbau begonnen, „obwohl die Winter hier viel zu streng waren, um die Bäume überleben zu lassen“, erzählt Fabio Gandossi von der Limonaia La Malora in Gargnano. Sein Betrieb ist einer der letzten, die auch unabhängig von modernen Transportwegen überlebt haben. Die Zitronen wachsen auf spektakulär angelegten Terrassen, die im Winter mit Fenstern und Holzpaneelen verbarrikadiert werden, um vor Frost geschützt zu sein. Ein köstlicher Nebeneffekt zu den besonders langsam gereiften und, laut Gourmets, deshalb besonders aromatischen Zitronen: In den Steinmauern der Limonaias gedeihen Kapernbüsche, weshalb es hier, im Norden Italiens, eine Kaperntradition gibt, die jener Pantellerias im Süden kaum nachsteht.

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Giacomini aus Gargnano legt die Knospen in Salz ein, sie fermentiert nach alter Tradition aber auch die Kapernblätter in Salzlake. Regionale Köstlichkeiten wie diese lassen sich im selben Ort, in der direkt am See gelegenen Trattoria Al Miralago verkosten.

Die Liebe zur lokalen Zitrone – und jene, zutiefst italienische, zu dramatisch aufgegangenem Backwerk – zeigen die Camaninis auch beim Dessert, einer virtuosen Verneigung vor der Torta di Rose, einem Germteigkonstrukt der allerluftigsten Art, das ganz altmodisch mit Zitronenmarmelade lackiert und mit einer sündhaft cremigen, ebenfalls zitronisierten Zabaglione aufgetragen wird. Schmeckt zum

Nieder-knien, sieht grandios aus – und besteht doch im Wesentlichen aus Luft. Daran wird man später noch denken, beim Besuch des Vittoriale von Nationaldichter Gabriele D’Annunzio, das hoch über Gardone thront und wo die italienische Kunst der grandiosen Geste in oftmals beängstigender Konsequenz verewigt ist.

WEBHINWEISE

Lido 84, ristorantelido84.com

Frantoio Manestrini, manestrini.it Villa Arcadio, hotelvillaarcadio.it

Limonaia La Malora, limonaialamalora.it Kapern Giacomini, oliogiacomini.com

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ERWIN STEINHAUERS

GESCHMACKSERINNERUNGEN, AUFGEZEICHNET VON ACHIM SCHNEYDER

DAS ABONNEMENT AM WÜRSTELSTAND

Jetzt, da der großartige Menschendarsteller Erwin Steinhauer mit einem Siebener vorne doch schon ein bisserl ein älterer Herr ist, wenngleich ein sehr jung gebliebener älterer Herr, ist nicht mehr alles ganz so wie früher. Zumindest nicht in Sachen Speis und Trank. Früher nämlich, da war er nicht nur Gourmet und Hedonist, sprich Feinschmecker auf der ständigen Suche nach lukullischem Lustgewinn, sondern oft und gern auch Gourmand, sprich Vielfraß. Er selbst bezeichnete sich damals als hedonistischen Gourmemand. Bloß der Nimmersatt aus dieser wunderbaren Wortschöpfung, der Gourmand, ist ihm, schade eigentlich, „eines Tages weggestorben“. Er wäre zwar immer noch da, der Appetit auf gut und viel, „aber“, sagt der Erwin, „man muss dem Alter Tribut zollen“. Und das bezöge sich aufs Essen wie aufs Trinken.

Also isst das ehemalige Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters heute im Idealfall nur einmal am Tag, das häufig alleine und überwiegend zu Hause, meist am Nachmittag, tunlichst gesund und ohne Weinbegleitung. „Da koch ich mir beispielsweise Gemüse vom Markt, dazu ein Sauerrahm-Dip mit viel Knoblauch, trink Wasser und bin halbwegs zufrieden.“

Erwin freilich auch heute noch anders kann. Ob nun auswärts oder daheim, gerne in Gesellschaft, bisweilen am Abend und mit weißem Wein im Glas. Aber eben selten und noch seltener im Übermaß.

Da diese Geschichte aber unter dem Titel „Geschmackserinnerungen“ serviert wird, wärmen wir nun die Vergangenheit auf.

Das klingt jetzt vielleicht ein klein wenig traurig, darum sei zur Beruhigung vermerkt, dass der

Wenn Erwin an seine Kindheit in Lichtental im 9. Wiener Gemeindebezirk denkt, wo er mit Eltern und Großeltern väterlicherseits in einer großen Wohnung lebte, fallen ihm zwei Gerüche ein, „von denen die ganze Marktgasse je einen Tag lang erfüllt war und die sich eingebrannt haben in meinem Hirn, damals in den 1950ern: Freitag gebackener Fisch, Sonntag paniertes Schnitzel“.

Fürs Kochen waren im Hause Steinhauer lange Zeit Oma und Opa zuständig, weil Erwins Mutter, die aus Ernstbrunn kam, also eine Frau vom Land war, in der Küche anfangs nichts angreifen sollte. „Sie musste erst bei ihren Schwieger-eltern lernen und sich dieses Recht erarbeiten“, erinnert sich Erwin, der „schon als Bub immer ein bisserl ein Wuzel“ war. Der Opa stellte das Kochen dann allerdings quasi über Nacht ein, nachdem er zuvor beim Schnitzelpanieren versehentlich zum Grieß statt zu den Bröseln gegriffen, diesen Irrtum

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aber erst beim ersten Bissen bemerkt hatte. „Die Schnitzel waren hart wie Holz und das hat ihn derart in der Seele getroffen, dass er seine Laufbahn am Herd für beendet erklärte.“

Erwins Laufbahn am Herd wiederum begann überhaupt erst, als er 35 war. „Bis dahin hab ich in Küchen keinen Finger gerührt. Aber frisch getrennt von der Mutter meiner beiden ersten Kinder, war ich plötzlich alleinerziehender Vater und da war’s nicht mehr möglich, nach Vorstellungen bis um vier Uhr in der Früh mehr oder weniger gedankenlos irgendwo zu sitzen und zu sündigen. Nein, die Kinder brauchten vor der Schule Frühstück und nach der Schule Mittagessen.“

Hühnergeschnetzeltes in Rahmsoße sollte eines der ersten Gerichte werden, das er schließlich meisterlich beherrschte.

„Damals“, sagt er, „war mir Essen noch deutlich lieber als Kochen, heute hält es sich beinahe die Waage.“ Apropos Waage: „Mein Lebensproblem war immer die Menge. Ich konnte auch von absolut bekömmlichen Sachen so viel essen, dass mir das Zwerchfell bis übers Kinn stand. Und dann saß ich da, litt ein wenig und dachte mir: Aber wenigstens war’s g’sund.“

Seine vermutlich gesündeste Phase, von der Gegenwart abgesehen, hatte Erwin, der sich eines launigen Tages den Spitznamen ErVino (naheliegend) Rosso (bezogen auf die farbliche Präferenz) Barocco (dem Lebensstil geschuldet) verpasst hatte, 2008 und 2009. Und das kam so: Erwin und sein Alter Ego ErVino saßen bei einem Glas Reihburg 2001, dem geliebten Blaufränkisch von Uwe Schiefer, und grübelten, warum Erwin über all die Jahre des Rotweintrinkens auf das früher bevorzugte Weißweintrinken regelrecht vergessen hatte. Da mischte sich der Körper ein und gestand, dass er diese schweren Roten ohnehin nicht mehr so gut vertrüge. Stichwort Histamin, Stichwort Intoleranz. Das gab dem Erwin zu denken und er beschloss, den Erwin auf Kur zu schicken und den ErVino überhaupt gleich in die ewigen Trinkerjagdgründe. Nach dieser Kur verordnete sich der Erwin dann noch zusätzlich eine einjährige Dürreperiode, während der er quasi ein kleines Fass verlor – 30 Kilo nämlich –, dieses Fass aber bald wiederfand. „Und seither trinke ich ausschließlich leichte Weiße.“

Zurück aber zur festen Nahrung. Mohnnudeln etwa verabscheut der Erwin, weil sie ihn mit denen im Halbinternat in der Unterstufe überfüttert haben, und Kitz und Hase gehen bis heute kaum, da er jene Kitze und Hasen, die einst auf dem Hof der Großeltern mütterlicherseits in Ernstbrunn serviert wurden, alle persönlich kannte. Was er wiederum besonders mag, sind Lamm und Fisch, wobei er Letzteren, wenn er ihn selbst zubereitet, bei einem Fischhändler erwirbt, der ausgerechnet Gutfleisch heißt.

Dem Schweinefleisch hat Erwin hingegen weitgehend abgeschworen, sieht man von handgeschnittenem Beinschinken ab. „Auch so eine Erinnerung“, sagt er. „Als ich Ende der 1970er nahe den Rosenhügel-Filmstudios wohnte, gab’s dort einen Feinkosthändler, bei dem ich jeden Tag ein Handsemmerl mit vom Knochen gesäbeltem Beinschinken gegessen hab. Und das schmeck ich heute noch, wenn ich in der Gegend bin, auch wenn’s das Geschäft schon lange nicht mehr gibt.“

Und noch ein Geschmack wird seine Sinne –zumindest in Gedanken – ein Leben lang begleiten und betören. „In den 1980ern war’s nach den Vorstellungen im Burgtheater trotz der Kantinen-Schopfbratensemmel in der Pause Pflicht, in die Schottengasse zum Würstelstand zu pilgern. Dort hatte ich quasi ein Abonnement auf die Burenwurst. , A Haße, amoi durch, an Schoafn und drei Pfefferoni‘ , so lautete die stets gleiche Bestellung, denn eines war wichtig: Nicht in mundgerechte Happen vorgeschnitten und nicht mit dem Zahnstocher aufgespießt, sondern in der Mitte auseinander, weil ich selbst abbeißen wollt, dass das Fett nur so spritzt …“

Dann verstummt er kurz, der Erwin, schaut von seinem Teller mit dem fantastischen Waller auf, der im Steirereck serviert wurde, und schließlich sagt er fragend: „Sollt’ ich mir eigentlich wieder einmal gönnen, so einen Bur’nhax’n, oder?“ Ja, Erwin, unbedingt!

ERWIN STEINHAUER ist nicht nur ein großer Künstler, Erwin ist quasi seit jeher ein großer Genussmensch, der als Teilzeit-Alleinerzieher auch noch zum Koch wurde.

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EMPFEHLUNGEN VON BIRGIT UND HEINZ REITBAUER TEIL 14

Antwerpen ist allemal eine Reise wert. Eine Stadt, die nicht nur im Bereich Kunst und Kultur sehr viel zu bieten hat, sondern auch eine hohe Dichte an großartigen und außergewöhnlichen Restaurants beherbergt. Die verschiedenen Konzepte und Linien der hervorragenden Köchinnen und Köche lassen uns in unterschiedliche Welten eintauchen und immer wieder Neues entdecken.

THE JANE Antwerpen

Eine Legende. Schon allein die Lage in einer ehemaligen Kirche ist großartig, dazu bieten Design und Architektur spannende Gegensätze. Das Team um Nick Brill leistet hier wahrlich Außergewöhnliches. Hier erlebt man große Küche in lässigem Rahmen, präsentiert von einer Truppe, die unbeschwert und fröhlich eine sensationelle Stimmung aufkommen lässt.

HERTOG JAN @ BOTANIC Antwerpen

Gert De Mangeleer & Joachim Boudens sind vielen Foodies noch gut aus ihrem Restaurant in Brügge bekannt und haben nun im Herzen von Antwerpen, im wunderschön renovierten Hotel Botanic Sanctuary, eine neue Wirkungsstätte gefunden. Der schlichte, elegante Rahmen bietet der ausgezeichneten Küche ein eindrucksvolles Setting und den perfekten Hintergrund.

’T ZILTE Antwerpen

Auch dieses großartige Restaurant ist in einem Staunen machenden Gebäude beheimatet. Im letzten Stock des Museum aan de Stroom gelegen, bietet es einen spektakulären Aus- und Umblick über Meer, Hafen und Stadt. Viki Geunes und seine Frau schaffen mit der feinen, eleganten Küche und dem herzlichen Service einen Ort, an den man immer wieder gerne kommt und genussvolle Augenblicke verbringt.

HOF VAN CLEVE Kriusem

Rund eine Autostunde von Antwerpen entfernt liegt das wunderschöne Restaurant von Lieve und Peter Goossens. Hier wird man in die ganz eigene Hof-vanCleve-Welt entführt. Die aromenstarke und geschmackvolle Küche von Peter, der orchestrierte Service unter der Leitung von Lieve und der magisch schöne Platz lassen den Alltag für ein paar Stunden in Vergessenheit geraten. Einfach eine Reise wert.

ADRESSEN

THE JANE Paradeplein 1 2018 Antwerpen thejaneantwerp.com

HERTOG JAN @ BOTANIC Lange Gasthuisstraat 51 2000 Antwerp hertog-jan.com

’T ZILTE Hanzestedenplaats 5 2000 Antwerpen zilte.be

HOF VAN CLEVE Riemegemstraat 1 9770 Kriusem hofvancleve.com

128 S MAGAZIN LOKAL-FÜHRER

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