Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein …
Esskultur damals am Niederrhein Kochen und Würzen am Niederrhein
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Von der Feuerstelle zur Kochmaschine
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Essen und Trinken auf der Moerser Burg
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Die langsame Revolution am Esstisch
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„Lieber Ofen, ich bete dich an, nenne meinen zukünftigen Mann!“
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Weinanbau in Kamp
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Der Kaffee erobert den Niederrhein
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Als unser Großvater noch priemte
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„Eine allerliebste und lehrreiche Beschäftigung für kleine Mädchen ...“
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Gebäck und Brauchtum im Jahreskreis
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Aus dem Kochbuch von Wilhelm Schmitz 1825
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Rheinbergisch kochen mit Hein Hoppmann
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Der Lehmpastor von Repelen – Emanuel Felke
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Niederrheinischer Küchenzettel
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Ärpele, Krutt on Papp
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Örschau früjer
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Aus dem Kräutergarten
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Bierbrauen am Orsoyerberg
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Seelennahrung aus der Dong
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Schloss Bloemersheim
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Das Christliche Jugenddorf Niederrhein
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Ein „Schlüsselerlebnis“ der besonderen Art – die JVA Moers-Kapellen
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Hanns Dieter Hüsch, Beim Essen reden wir vom Sterben ...
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Kochen und Würzen am Niederrhein Vom Lagerfeuer zur Klosterküche Heike W. Grießer Ronald Haase
Das Aufspüren vergessener Kochgenüsse in der eigenen Region ist fast noch spannender als das Ausprobieren neuer Rezepte aus anderen Kulturen, da man dabei ein wenig der eigenen Vergangenheit nachspürt. Freilich ist man dabei immer Kind seiner eigenen Zeit und Vorstellungen. Zuerst sollte man sich vor Augen halten, dass der Mensch schon kochte, also Lebensmittel erhitzte, bevor er Essen „kochen“ konnte. Das Wort „kochen“ ist vom lateinischen coquere (= reifen, sieden, kochen) abgeleitet. Aber seit der Homo erectus vor ca. 600 000 Jahren das Feuer beherrschen lernte, gehört das Garen von Lebensmitteln zum Alltag des Menschen. Viele Pflanzen sind sogar erst nach dem Kochen genießbar, wie zum Beispiel Gräser und Wurzeln. Getreide, das ja zu den Gräsern gehört, ist bis heute ein Hauptnahrungsmittel der Menschen. Insgesamt wird also das Angebot an Nahrungsmitteln durch das Kochen größer. Darüber hinaus hat das Kochen von Speisen eine konservierende und sterilisierende Wirkung. Was man kochen kann, hängt von vielen Faktoren ab. Einige davon sind kulturell bedingt. Was wäre zum Beispiel in einer nach Nationen unterschiedenen Küche als „typisch deutsch“ zu bezeichnen? Sehr oft wird da die Kartoffel genannt. Diese wurde in Europa aber erst nach der Entdeckung von Amerika be-
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So kochen wir am Niederrhein … kannt und nur unter großen Schwierigkeiten populär. Ihren Siegeszug begann sie nämlich als hübsche Zierpflanze in botanischen Gärten. Mittlerweile hat aber vielleicht die „Currywurst“ der Kartoffel als „typisch deutsch“ etwas den Rang abgelaufen. Dies zeigt jedoch nur, wie rasch sich solche Vorstellungen von „typisch“ wandeln können. Außerdem sollte man dabei nicht vergessen, dass „Curry“ im Deutschen eine bestimmte Gewürzmischung bezeichnet, deren Herkunft in Indien zu suchen ist. Dort ist „Curry“ aber ein Oberbegriff für ragoutartige Speisen, die zu Reis gereicht werden. „Typisch“ indisch eben! Ähnliche verfälschende Vorstellungen kann man beim Thema „Reis“ erkennen. Man verbindet den Reisanbau fast automatisch mit asiatischen Ländern, wo Bauern mit großen, spitzen Sonnenhüten den Reis in terrassenartigen, bewässerten Feldern anbauen. Neben diesen Ländern besitzt aber inzwischen die USA eines der größten Anbaugebiete und die Franzosen decken sogar ca. 75 Prozent ihres Reisverbrauches aus dem Anbaugebiet in der Camargue. Wer weiß außerdem, dass die Schweiz das nördlichste Reisanbaugebiet der Welt ist? Vorsicht ist auch bei Speisen geboten, die als „edel“ bezeichnet werden. Neben Kaviar und Austern gilt der Lachs als „edel“ schlechthin. Dabei vergisst man leicht, dass noch Ende des 19. Jahrhunderts Bedienstete in Norddeutschland sich das Recht erkämpften, nur höchstens zweimal in der Woche Lachs essen zu müssen. Die Ablehnung eines bestimmten Nahrungsmittels kann auch kulturell bedingt sein. Am bekanntesten ist das Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch bei Moslems und Juden. Ebenso geläufig ist, dass Hindus keine Rinder verzehren dürfen. Bevor der West-Europäer sich jedoch kulturell erhaben über solche Tabus dünkt und sich seiner wissenschaftlichen Herangehensweise rühmt, sollte er seine
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eigenen Reaktionen testen. Wie würde er reagieren, wenn er Hund, Katze, Insekten oder Maden verzehren sollte? Kulturelle Tabus können tief sitzen, denn auch diese aufgezählten Lebewesen sind durchaus für den Verzehr geeignet und sogar, wie etwa Maden, extrem proteinreich. In solchen Fällen gilt es auch den geschichtlichen Wandel zu beachten. Im Nahen Osten ist der Verzehr von Schweinefleisch bis ins Neolithikum nachweisbar. Das Tabu muss daher jüngeren Datums sein. Maikäfersuppe galt in Frankreich und Hessen bis ins 20. Jahrhundert hinein als Delikatesse. Die deutschen Fleischergesetze führen noch um 1940 das Hundefleisch auf. Verboten wurden Hundeschlachtungen innerhalb der EU sogar erst 1986. Vermutlich wurden bestimmte Nahrungsquellen vom menschlichen Speiseplan erst gestrichen, als das Angebot groß genug war, um sich einen solchen Verzicht leisten zu können. Neben all diesen Aspekten sollte abschließend auch das Klima nicht vergessen werden. So sehr ein Deutscher „Eisbein“ schätzt – in brütender Hitze mittags auf einer Südseeinsel wird er dieses Gericht vielleicht doch eher aus emotionalen Gründen verspeisen oder auch nur, weil es so gut zum Bier passt. Eine an das Klima unangepasste Ernährung kann aber auch durch eine Eroberung und Kolonialisierung von Menschen aus klimatisch anders gearteten Gebieten begründet sein. Auf diesem Weg hielt die römische Küche Einzug in die Gebiete nördlich der Alpen. Erst nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches wandelte sich die Esskultur im Verlauf des Mittelalters erneut.
bung. Von nun an geben nicht mehr nur archäologische Funde, sondern auch Berichte antiker Schriftsteller über das alltägliche Leben am Niederrhein Auskunft. Besonders letztere ermöglichen uns einen tiefen Einblick in die römische Ernährungsweise. Seit den Germanenkriegen des Kaisers Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.) sicherten römische Legionen die Rheingrenze mit Militärlagern, die ständig besetzt waren. Die Versorgung der u. a. in Köln und Xanten stationierten Soldaten mit Gütern, z. B. Luxusgeschirr oder Lebensmitteln in Form von Schlachtvieh, beherrschte den gesamten niederrheinischen Handel. Dieser blühte am Ende des 1. Jahrhunderts auf und brachte der einheimischen Wirtschaft großen Aufschwung.
Wein, Garum und Zwiebeln Römische Kaiserzeit (27 v. Chr.–450 n. Chr.) Mit der Eroberung Galliens durch Gaius Julius Cäsar rückte auch das Niederrheingebiet erstmals in den Blickpunkt der Geschichtsschrei-
Weite Teile der Bevölkerung wurden durch den weitreichenden Handel sehr wohlhabend und übernahmen römische Sitten und Gebräuche sowie Ernährungsgewohnheiten. Erst gegen Ende der römischen Herrschaft am Rhein
Speisereste aus der römischen Siedlung von Asberg
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wurde dieser allgemeine Wohlstand durch die Frankeneinfälle in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts beendet.
Tischgeschirr aus dem Gräberfeld der römischen Siedlung von Asberg. Die Gefäße wurden den Toten ins Grab gelegt, damit sie nach heidnischer Vorstellung standesgemäß ihre Gäste auch im Reich der Toten bewirten können.
Terra-Sigillata-Geschirr und römische Kasserollen
Gespeist wurde auf einer Keramik mit rotem Glanztonüberzug, die Archäologen als Terra Sigillata oder auch als „Porzellan der Römer“ bezeichnen. Ihr roter Überzug besteht aus einem speziell aufbereiteten Feinton. Seine hochglänzende Oberfläche, die die Terra Sigillata-Gefäße des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. aus Gallien aufweisen, kann heute nicht mehr hergestellt werden. Als reines Essgeschirr diente es bei Tisch in Form von Platten, Näpfen, Schüsseln, Tellern, Bechern und Krügen. Seine extrem hohe Beliebtheit führte zu einer raschen Verbreitung. Eine andere römische Geschirrneuheit war die Kasserolle aus Bronze oder Eisen. Sie gehörte ebenfalls zum Essgeschirr, diente aber vereinzelt auch zum Kochen. Daneben gab es auch noch eine einfache tongrundige Keramik. Sie wurde bei der Zubereitung und Lagerung von Lebensmitteln benutzt und war das im römischen Reich am häufigsten verwendete Geschirr. Für den heutigen Gaumen ist die „Römische Küche“ oft gewöhnungsbedürftig. Sie darf nicht als frühitalienisch betrachtet wer-
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den, der nur Pizza Margarita und Spaghetti fehlen. Es ist die Kombination von „Scharf“ und „Sauer“ bzw. „Süß“, die für die heutige europäische Küche eher untypisch ist. Dem europäischen Geschmack nach ist sie am ehesten mit der asiatischen Küche verwandt. Hier wie dort findet sich als wichtiges Würzmittel eine Soße auf Fischbasis, römisch garum oder liquamen genannt. Daneben führten die Römer viele Nahrungsmittel am Niederrhein ein, die später auch hier angebaut wurden. Beispiele dafür sind Aprikosen, Kirschen, Pfirsiche, Trauben, Walnüsse und Zwiebeln. So fanden sich bei Ausgrabungen im Gebiet von Xanten auffallend viele Kerne von Pflaumen, was auf einen Anbau im großen Stil hinweist. Auch viele mediterrane Gewürzkräuter wurden importiert und später übernommen, wie beispielsweise Lavendel, Salbei und Thymian (hier besser Majoran). Besonders beliebt waren in der römischen Küche Koriander und Dill, ebenso Sellerie, Kümmel, Petersilie, Fenchel und Minze. Ebenfalls als Importe kamen Austern, Feigen, Datteln und orientalische Gewürze wie Ingwer, Kardamom und besonders Pfeffer zu uns. Trotz der scharf gewürzten Speisen gebrauchten die römi-
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So kochen wir am Niederrhein … schen Köche das uns selbstverständliche Kochsalz kaum, sondern ersetzten es außer durch garum durch Essig oder Honig. Da Rübenzucker noch unbekannt und der Rohrzucker aus Arabien nicht im heutigen Ausmaß nutzbar war, blieb Honig neben eingedicktem Most (lat. caroenum bzw. defrutum) oder Saft der einzige Süßstoff. Dies hatte natürlich Auswirkungen auf die Zubereitungsweise der Speisen und so finden sich viele Fleischgerichte mit Obstsorten wie Aprikosen kombiniert. Wer ein solches Gericht einmal selbst ausprobieren möchte, dem seien die beiden Kochbücher von Marcus Gavius Apicius aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. empfohlen. Hier eine Kostprobe:
minutal ex praecoquis oder Schweinefleisch mit Aprikosen Apicius (4,3,6): Gib in einen Topf Öl, liquamen und Wein, schneide getrocknete Schalotten und eine gekochte Schweineschulter in Würfel. Wenn alles gegart ist, verreibe Pfeffer, Kümmel, getrocknete Minze und Dill, gib Honig, liquamen, passum, ein wenig Essig und vom eigenen Saft dazu und schmecke ab. Füge entsteinte Aprikosen hinzu und lass sie aufkochen, bis sie durchgekocht sind. Zerbrösele Teig und binde damit, Pfeffer darauf streuen und servieren. Zutaten • 1 kg geschnittenes Schweinefleisch • Olivenöl • statt „liquamen“ 4 EL Nuoc-Mam oder Sardellenpaste • etwas trockenen Wein • 5 Schalotten, ersatzweise Zwiebeln (sie müssen nicht getrocknet sein) • Pfeffer, Kümmel, Minze, Dill • Honig • anstelle von „passum“ Traubenmost oder Süßwein • etwas Essig
• •
1/2 kg Aprikosen anstelle von „Teig“ etwas Mehl
Das Fleisch in Olivenöl anbraten, anschließend den Liquamen-Ersatz, trockenen Wein und die kleingeschnittenen Schalotten oder Zwiebeln hinzufügen. Während dies alles kocht, den gemahlenen Pfeffer, Kümmel, Minze und Dill mischen. Diese Mischung zusammen mit Honig, Süßwein und Essig in eine Schüssel geben und mit etwas Bratenbrühe vermengen. Anschließend wird die Gewürzmischung über das angebratene Fleisch gegossen. Danach werden die Aprikosen hinzugefügt. Die entstehende Soße mit dem Teigersatz, Mehl, andicken und mit Pfeffer würzen. Dabei sollte man darauf achten, dass keines der Gewürze im Geschmack hervortritt. Mit Fladenbrot servieren. Trotz ihres starken Einflusses auf die Esskultur am Niederrhein verdrängte die römische Küche weder heimische Gewächse oder Gepflogenheiten noch regional bedingte Vorlieben. So nutzte man neben Haselnüssen noch Holunder, Wildrosen, Himbeeren und Kratzbeeren, bevor die Walnuss im 4. Jahrhundert ertragreich am Niederrhein angebaut wurde. Auch der einheimische Obst- und Gemüseanbau am Niederrhein bewahrte seine Besonderheiten. So konnte der Anbau der schwer kultivierbaren Runkelrübe nachgewiesen werden, wodurch dieses Gebiet eine Sonderstellung in Mitteleuropa einnimmt. Seither betreibt man am Niederrhein erfolgreich intensive Rübenkultur. Eine weitere wichtige Zutat in der römischen Küche war das in dieser Region unbekannte Olivenöl. Hierzulande konnten nur Lein, Flachs, Mohn und Leindotter als Öllieferanten angebaut werden. Olivenöl und Wein wurden in großen Amphoren transportiert. Sie waren etwa 1 m hoch und hatten ein Fassungsvermögen von 60 bis 70 Litern.
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Römische Transportamphore
Obwohl in der römischen Küche mit Nahrungsmitteln gekocht wurde, die nicht an unser Klima angepasst waren, übernahm die herrschende Klasse der niedergermanischen Provinz automatisch diese römische Esskultur. Beim Getreideanbau überwog daher neben Gerste und Hafer der in der römischen Küche bevorzugte Weizen, besonders Dinkel. Weniger beliebt scheinen Roggen, Hirse, Einkorn und Emmer gewesen zu sein. Sie waren von den Menschen in dieser Region genutzt worden, seit die ersten Bauern in Europa auftraten.
So kochen wir am Niederrhein … ramiker genannt. Sie töpferten neben Trinkund Essgeschirr auch Vorratsgefäße und Kochtöpfe. Gekocht wurde dabei im Haus an einer ebenerdigen Feuerstelle, über offenem Feuer. Getreide schrotete oder mahlte man auf einer Steinplatte mit einem kleineren Reibstein. Dabei versuchte man Spelzen von Getreidekörnern und andere Fremdkörper auszusondern. Dieses grobe Mehl wurde mit Wasser und Kräutern zu Fladen geformt und auf einem heißen Stein gebacken. Auch Schrot wurde mit Wasser gemischt, mit Früchten, Erbsen, Linsen oder Pilzen versetzt und als Brei gegessen. Die Umstellung der Lebensweise vom Jäger zum Bauern – neolithische Revolution genannt – führte zu einem grundlegenden Wandel menschlicher Aktivität. Getreidearten wie Emmer, Einkorn und Gerste, die rund 60 Prozent aller benötigten Kalorien lieferten, bildeten dabei das Grundnahrungsmittel. Hülsenfrüchte wie Erbsen und Linsen ergänzten diese Ernährung. Die ersten Haustiere, Schafe, Ziegen, Rinder und Schweine, kamen
Eintopf, Fladenbrot und Joghurt Die Jungsteinzeit (5300–2200 v. Chr.)
Jungsteinzeitliche Ziege und Schaf
Bandkeramisches Gefäß
Um 5300 v. Chr. wanderten die ersten Bauern von Süden kommend ins Niederrheingebiet ein. Sie werden wegen der bandartigen Ziermuster ihrer Keramikgefäße Linearbandke-
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bereits als Zuchtformen an den Niederrhein. Anders als die heutigen Tiere sahen sie den Wildformen noch sehr ähnlich, erreichten jedoch nur noch 80 Prozent der Körpergröße ihrer wilden Verwandten. Die Jagd auf Wildtiere spielte für die Ernährung keine große Rolle mehr.
So kochen wir am Niederrhein … Neben Getreide und dem Fleisch der Haustiere kamen die Milchprodukte als neue Nahrungsquelle hinzu. Im Laufe der Jungsteinzeit entdeckten die Menschen, wie Milch zu Joghurt oder Käse verarbeitet werden konnte. Obwohl diese Entwicklungen im Verlauf von Jahrhunderten sicherlich auch kulinarisch für Veränderungen sorgten, lassen sich Unterschiede nur schwer fassen. Als Würze standen neben Honig und Früchten Kräuter und Salz zur Verfügung. Es lassen sich bisher Bärlauch, Dill, Brunnenkresse und Sauerampfer nachweisen, die auch in der heutigen Küche gut bekannt sind. Daneben wurden aber noch viele Kräuter verwendet, die lange Zeit vergessen, und erst mit der sog. „Biowelle“ wiederentdeckt wurden. Dazu zählen neben Brennnesseln auch Gänsefuß, Eisenkraut und Minze. Gesammeltes wie Nüsse, Hagebutten, Holunder und dergleichen spielte sicher eine größere Rolle als in der heutigen Zeit, in der sich geschmackliche Variationen durch fertige Gewürzmischungen leicht erreichen lassen. Mit dem Ackerbau und der Viehzucht war die Beschaffung der Grundnahrungsmittel berechenbarer geworden und die Bevölkerungszahl wuchs. Allerdings war der Getreideanbau durch die Pflege der Felder und Versorgung der Tiere nicht nur sehr arbeitsintensiv sondern auch körperlich sehr anstrengend. So lag die Lebenserwartung der ersten Bauern mit durchschnittlich 28 Jahren nicht wesentlich höher als die der Jäger und Sammler. Im Laufe der Jungsteinzeit wurden die Anbaumethoden für Feldfrüchte verbessert, so dass auch der untere Niederrhein mit seinen weniger ertragreichen Böden von jungsteinzeitlichen Bauern besiedelt wurde. Bei den letzten Bauernkulturen der Jungsteinzeit (ca. 2800–1800 v. Chr), den Schnurkeramikern und Glockenbecher-Leuten, weisen ihre namensgebenden Keramikbecher darauf hin, dass sie offenbar auch einem guten Trunk nicht abgeneigt waren. Von ihnen wissen wir
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Schnurkeramischer Becher
auch, dass sie bereits das Pferd als Reittier nutzten. Dieses war im Laufe der Jungsteinzeit zuerst als Fleischlieferant gehalten worden. Hühnchen, Bier und Met Die Bronze- und Eisenzeit (1800–50 v. Chr.) Die Ernährungsweise der Menschen änderte sich während der Bronzezeit (1800–750 v. Chr.) kaum. Um 1000 v. Chr. begann man Hühner und Gänse zu halten. Damit hielten auch Eier als Standardprodukt Einzug in die bronzezeitliche Küche.
Spätbronze- und eisenzeitliches Tongeschirr aus Gräbern des Duisburger Stadtgebietes im Depot
Vom Ende der Eisenzeit (750–50 v. Chr.) liegen uns schriftliche Quellen vor, in denen römische Autoren berichten, dass sich die Germanen überwiegend von der Viehzucht er-
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Esskultur damals am Niederrhein nährten. Ihre Nahrung bestand laut Caesar zum großen Teil aus Fleisch, Milch und Käse. Archäologische Funde belegen zudem den Anbau verschiedener Feldfrüchte und Getreidearten. Dabei wurde Gerste offenbar bevorzugt, vielleicht weil sie nicht nur zu Brot, sondern auch zu Bier verarbeitet wurde. Anstelle des Hopfens wurde beim Brauen auch mit Weidenrinde als Würzzusatz gearbeitet. Daneben sind Kümmel, Gänsefuß, Wermut und Schafgarbe als geschmackliche Zutat möglich. Honig war neben Früchten immer noch das wichtigste Süßungsmittel, ein Teil des kostbaren Honigs war aber sicherlich auch der Zubereitung von Met vorbehalten. Entsprechend selten werden süße Gerichte gewesen sein. Zubereitet wurden die Mahlzeiten im Wohn- und Wirtschaftsbereich eines WohnStall-Hauses, in dem je eine Familie mit ihrem Vieh unter einem Dach lebte. Zentrum des bis zu 20 m langen und 6 m breiten Hauses war die runde Feuerstelle.
Grundriss eines germanischen Wohn-Stall-Hauses
Wie aber lebten und kochten die Menschen, bevor sie Ackerbau und Viehzucht betrieben? Wildbret, Beeren und Vogeleier Die Altsteinzeit (250 000–8250 v. Chr.) Die ersten Menschen, die während der Altsteinzeit (Paläolithikum) vor circa 600 000 Jahren an den Niederrhein kamen, gehörten zur Gruppe des homo erectus, des aufrecht gehenden Menschen. Diese entwickelten
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So kochen wir am Niederrhein … Frühmenschen waren Nomaden, die von der Jagd lebten und ihren Speiseplan mit dem Sammeln von wild wachsenden Früchten und Vogeleiern bereicherten. Waren die Ressourcen eines Jagdreviers erschöpft, zog der Homo erectus auf der Suche nach neuen Nahrungsquellen in kleinen Gruppen durch die niederrheinische Landschaft. Während der verschiedenen Eiszeiten lebte am Niederrhein seit etwa 300 000 Jahren das bekannteste Jagdtier der Eiszeit, das Wollhaarmammut.
Mammutherde
Daneben waren Rentier, Moschusochse, Steinbock und Schneehase Jagdwild. Knochen all dieser Tiere wurden in niederrheinischen Kiesgruben gefunden. Erst als der Mensch das Feuer beherrschen lernte, konnte er seine Nahrung kochen: Die allerersten Menschen – das darf man nicht vergessen – waren hingegen noch Aasfresser, die sich zum Würzen und Kochen kaum Zeit genommen haben können. Auf seinem Weg von Afrika an den Niederrhein hatte der Homo erectus gelernt, Feuer zu machen und die Glut zu transportieren. Als Folge dessen wird er mit der Zeit einen Großteil seiner Nahrung gekocht bzw. erhitzt haben. Mit der Entwicklung zum selbstständigen Jäger, die der Homo erectus bereits abgeschlossen hatte, veränderte sich auch die Zusammensetzung der Nahrungsmittel. Von nun an galt das Hauptaugenmerk vermutlich dem Fleisch und
So kochen wir am Niederrhein … Fett der Beutetiere und nicht mehr den pflanzlichen Nahrungsmitteln. Das „Kochen“ brachte dem Homo erectus zwei Vorteile. Erstens wurde damit das Angebot an Nahrungsmitteln größer, denn viele Pflanzen sind erst nach dem Kochen genießbar, wie Gräser und Wurzeln. Zweitens konservierte das Kochen die Lebensmittel und machte sie so länger haltbar. Durch die Erfindung des Kochens veränderte sich aber auch im Laufe der Zeit die Anatomie der späteren Menschenrassen. So gilt der Neandertaler, der vor etwa 110 000– 35 000 Jahren am Niederrhein lebte, als der erste Europäer. Er war der erste hellhäutige Mensch und mit seinem starken Knochenbau gut an das Klima der letzten großen Eiszeit angepasst. Seine Anwesenheit am Niederrhein wurde u. a. in Mönchengladbach-Rheindahlen und im Neandertal bei Mettmann nachgewiesen.
Altsteinzeitliches Keilmesser aus dem Rheinkies bei Duisburg-Hochemmerich. Das Hornsteingerät könnte von einem Neandertaler vor mehr als 30.000 Jahren zum Zerlegen der Jagdbeute verwendet worden sein
Um 35 000 v. Chr. wurde er allmählich vom Cro-Magnon-Menschen verdrängt, der sich kaum noch vom heutigen Menschen, dem homo sapiens sapiens, unterschied: Ihm fehlten bereits die stark ausgeprägten Wülste über den Augen, die allen früheren Menschenrassen noch als Gegengewicht zu ihrem star-
Esskultur damals am Niederrhein ken Gebiss dienten. Diese Veränderung bezeugt indirekt die Veränderung der Ernährungsweise. Mit seinen neuen Jagdwaffen, Pfeil und Bogen, Speerschleudern und Harpunen, machte der Cro-Magnon-Mensch Jagd auf schnelle Wildpferde und Rentiere. Als Jagdgehilfen zähmte er vor etwa 15 000 Jahren Jungwölfe. Die von ihnen abstammenden Hunde begleiteten die Jäger und übernahmen nachts Schutzfunktionen. Sie hatten ungefähr die Größe eines kleinen Schäferhundes. Zum Zubereiten ihrer Nahrung dienten den Cro-Magnon-Menschen Werkzeuge aus Stein, besonders Feuerstein. Bei seiner Be-
Altsteinzeitliche Klingenherstellung aus Feuerstein
arbeitung entwickelten die Jäger und Sammler immer bessere Techniken, z. B. die Herstellung von Feuersteinklingen für Messer und andere Schneidewerkzeuge. Die Schärfe dieser Feuersteinklingen kann es ohne weiteres mit unseren Messern aufnehmen, ja diese manchmal sogar übertreffen.
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Esskultur damals am Niederrhein Forellen, Haselnüsse und Pilze Die Mittelsteinzeit (8250–5300 v. Chr.) Zu Beginn der Nacheiszeit, dem Holozän, ca. 8250 Jahre v. Chr. erfolgte eine weitgehende Bewaldung des niederrheinischen Gebietes durch einen Klimawandel. In den Laubmischwäldern lebten heute noch existierende Tiere wie Hirsch, Bär, Wildschwein und Reh. Das Vorhandensein von Netzen, Reusen und Angelhaken lässt darauf schließen, dass der Fischfang an Bedeutung gewann. Außerdem zeigten Schnittspuren an Hundeknochen, dass die Jäger auch ihre Jagdbegleiter verzehrten. Pflanzliche Nahrung spielte nun eine zunehmend wichtigere Rolle. Obwohl wenig über die mittelsteinzeitlichen Kochgewohnheiten bekannt ist, lassen sich neben Steinsalz, Honig, Pilzen und Eiern von Gans oder Ente, auch Früchte wie Himbeeren und Brombeeren, und sogar Eicheln und Holzäpfel als Würzmittel nachweisen. Eicheln enthalten jedoch Bitterstoffe, die vor dem Verzehr entzogen werden müssen. Dies geschah durch tagelanges Einweichen in ständig zu wechselndem Wasser und durch Rösten, was darauf hinweist, dass die Jäger und Sammler länger an einem Ort verweilten, als dies ihre Vorgänger in der Altsteinzeit getan hatten. Ihre Lager bestanden aus Zelten oder leichten Hütten. Während Fleisch und andere Nahrungsmittel am offenen Feuer gegrillt wurden, unterschied sich das Erwärmen von flüssiger Nahrung deutlich von unseren heutigen Methoden, denn ein Kochgeschirr in Form von Töpfen und Ähnlichem fehlte. So wenig Genaues also über die Kochgewohnheiten der frühen Menschen bekannt ist, so viel mehr an Umstellung bedarf es aber beim Nachkochen: Viele der Gerichte lassen sich nur nachempfinden, wenn die damaligen Techniken angewendet werden. Dazu benötigt man Kochsteine (keine Kalksteine), Kochgruben, heiße Steinplatten und Spaß am Experi-
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So kochen wir am Niederrhein … mentieren. Als Würze dienen neben Steinsalz und Honig Pilze und Eier von Gans oder Ente, Früchte wie Himbeeren und Brombeeren, aber auch Eicheln und Holzäpfel. Solche Gerichte nachzuahmen, erfordert also etwas Zeit und Geduld. In der Küche am Herd nachgekocht, wird es eher wenig befriedigende Ergebnisse erzielen, denn auch wenn man die gleichen Lebensmittel verwendet, wird der geschmackliche Effekt nicht derselbe sein können. Ein Vergleich lässt sich hier nur anstellen, wenn man an das heutige Grillen denkt. Überrascht fände man den Koch am Elektroherd in der Küche vor. Wird der Genuss eines in der Pfanne gebratenen Rippchens derselbe sein wie der eines über Holzkohle gegrillten? Überwiegend wird eine solche Frage wohl verneint, aber in beiden Fällen handelt es sich um gebratenes Fleisch! Zudem sollte auch das Ambiente nicht vergessen werden, welches, wie das Beispiel mit dem Grillen zeigt, wesentlich zum Erleben einer Mahlzeit beitragen kann. Leichter ist es, Gerichte aus dem Mittelalter nachzukochen, als es Kochbedingungen und Kochgewohnheiten gab, die den unseren weit ähnlicher sind. Fleisch, Fisch und Brei Mittelalter (600–1500 n. Chr.) Unsere Vorstellungen von mittelalterlichen Speisen sind stark durch die zur Zeit populären Mittelaltermärkte und die dabei veranstalteten Turniere geprägt. Im Mittelalter erstreckte sich ein Turnier oft über mehrere Tage, an denen nicht nur gekämpft, sondern auch ausgiebig gefeiert und bei Festgelagen geschlemmt wurde. Viele mittelalterliche Buchmalereien und heutige Spielfilme zeigen uns die speisenden Ritter mit ihren Edeldamen an langen Tischen sitzend. Dort wurden sie von Pagen bedient, die permanent neue Speisen wie Pfauenbraten, gefüllten Schwan, Lerchenzungen und Neunaugen servierten.
So kochen wir am Niederrhein … Doch dieses Bild zeigt, wenn überhaupt, dann nur das Spätmittelalter (1250–1500). Damals bedeutete die Redewendung „Die Tafel aufheben“ nicht nur, ein Festmahl zu beenden, sondern die Tischplatten und -böcke einschließlich der Sitzbänke zur Seite zu räumen, um Platz zum Tanz zu haben. Die mittelalterlichen Bankette bestanden aus mehreren Vorspeisen, einem Hauptgang und verschiedenen Desserts. Dabei wurde im Hochmittelalter (900–1300) weniger auf die Raffinesse der Zubereitung als auf die Menge der Speisen geachtet. Eindruck machte die Qualität der Zutaten – heute würde man von „Frischer Küche“ sprechen – und die Anzahl der Gerichte, die bei jedem Gang aufgetragen wurden. Aus diesem Grund waren Zwischengerichte, die aus Teig kunstvoll modelliert und in Form einer Parade aufgetragen wurden, eine beliebte Attraktion. Die „Gänge“ eines Bankettes bezogen sich daher auf die Anzahl der Gänge des Personals, das die Gerichte servierte. Dabei wurden immer mehrere Gerichte gleichzeitig aufgetragen. Bei diesen Festmählern aßen auch die Vornehmsten mit den Fingern. Gabeln kannte man noch nicht und ein Messer brachten die Gäste oft selber mit. Zur Not gab es einen Holzlöffel, den man sich ebenso wie den Trinkbecher mit dem Tischnachbarn teilte. Kostbares Tafelgeschirr besaßen nur Könige und Fürsten, alle anderen mussten sich mit Vorlegeschalen oder -platten, Tellern, Trinkbechern und -krügen aus Keramik begnügen. Die Küchen lagen auf Burgen und in großen Klöstern oft weit vom Speisesaal entfernt. So waren die Speisen, wenn sie die große Tafel erreichten, in der Regel nur noch lauwarm. Große mittelalterliche Küchen verfügten über zwei Kamine, einen zum Braten und einen zum Kochen, manche besaßen auch einen Kochherd. Ein solch würfelförmiger Block war aus Ziegelsteinen errichtet, in seiner Deckplatte waren Löcher eingelassen, auf denen
Esskultur damals am Niederrhein Schmortöpfe und Pfannen standen. Er wurde wie der Backofen von „Hänsel und Gretel“ von unten befeuert.
Geschirr des 12. und 13. Jahrhunderts
Die Unterschiede zwischen der Ernährung des Adels und der einfachen Bevölkerung waren so gravierend, dass man bereits im 13. Jahrhundert zwischen Herren- und Bauernspeisen unterschied. Die mittelalterlichen Festmenüs suggerierten mit Gerichten wie Weißbrot, Reis mit Mandelmilch und Zimt, Eiersuppe mit Safran, Pfefferkörnern und Honig, Taubenpastete, gesottenem Aal mit Pfeffer, Stockfisch mit Öl und Rosinen, gefülltem Kapaun, gebratenem Huhn mit Zwetschgen, Schweinskeule mit Gurken großen Überfluss. Tatsächlich kam er nur hochgestellten Persönlichkeiten, wie Königen, Fürsten, geistlichen Würdenträgern, Rittern und einer kleinen städtischen Oberschicht bei festlichen Anlässen zugute. Die einfache Bevölkerung, wie Bauern und Hand-
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Koch am Herd bei der Zubereitung von suppen- oder breiförmigen Speisen, Darstellung der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung in Nürnberg aus dem 15. Jahrhundert
werker, ernährte sich vornehmlich von Brot und Breien aus geschrotetem Mehl sowie selbst angebautem Gemüse und Käse. Fleisch oder Fisch kamen nur selten auf den Tisch. Eine Erinnerung an diese Zeit ist in dem Volksmärchen „Der süße Brei“ erhalten geblieben.
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Dort bekommt ein armes, hungriges Mädchen einen Topf geschenkt, der für sie und ihre Mutter „guten süßen Hirsebrei“ kocht. Dass dieser Brei zudem noch süß ist, macht ihn besonders wertvoll. Wer Lust hat, kann diesen Brei in modernisierter Form nachkochen:
So kochen wir am Niederrhein … Hirsebrei • 1 l Milch • 1 EL Butter • 3 EL Honig • 1 TL Salz • Zitronenschale (fehlte im Mittelalter) • 200 g Hirse (aus dem Reformhaus) • 50 g Zucker • 1 TL Zimt Die Milch mit der Butter, dem Honig, dem Salz und der gewaschenen, abgeriebenen Zitronenschale aufkochen, dann die gewaschene Hirse zugeben und bei schwacher Hitze quellen lassen, bis ein sämiger Brei entstanden ist (20–30 Minuten). Den Brei in eine Schüssel füllen und mit Zimtzucker bestreuen. Wer mag, kann auch noch 50 g gewaschene Sultaninen oder Rosinen mitkochen. Gesüßt wurde bis ins Spätmittelalter fast ausschließlich mit Honig. Die Kenntnis der Rohrzuckergewinnung verbreitete sich erst nach den Kreuzzügen in Europa. Als Importund Luxusgut hatten 12 Pfund Zucker im Spätmittelalter ungefähr den Wert eines Pferdes. Ebenso kostbar war Salz, das manchmal angekettet auf dem Tisch des Hausherrn stand. Eine Platzierung nahe dem Salzfässchen galt damit als Ehre und Auszeichnung. Doch nicht nur die gesellschaftlichen Normen bestimmten, was im Mittelalter gegessen und getrunken wurde. Auch die Kirche mit ihren Fastengeboten beeinflusste die Essgewohnheiten aller Gesellschaftsschichten. Zu den Fastenzeiten gehörten die sechs Wochen vor Ostern, die drei Bittage vor Christi Himmelfahrt, die Vorabende der wichtigsten Heiligenfeste (z. B. St. Nikolaus und St. Martin) sowie jeder Freitag und Samstag. Insgesamt gab es im Jahr nur etwa 230 Tage, an denen ein gesunder Erwachsener Fleisch essen durfte. An den Fastentagen waren nur Brot, Obst, Gemüse und Fisch erlaubt.
Esskultur damals am Niederrhein Durch das Einfrieren von Lebensmitteln und den Import von Obst und Gemüse aus aller Welt verschwimmen für uns heute die Grenzen zwischen den Jahreszeiten. Die mittelalterliche Küche war dagegen stark vom Angebot der Saison abhängig. Als Konservierungsmethoden kannte man das Trocknen für mageres Fleisch, Fisch und Hülsenfrüchte, das Räuchern für fettes Fleisch und fette Fische sowie das Einsalzen oder Pökeln von Fisch und Fleisch. Daneben wurden Fleisch, Bohnen, Erbsen und Kohl auch sauer eingelegt. Frisches Fleisch gab es nur nach einer Jagd oder in der Schlachtzeit. Die Jagd auf Großwild, zu dem Hirsche, Rehe und Wildschweine zählten, war ein Vorrecht des Adels. Niederwild wie Hasen, Kaninchen, Füchse und Marder durfte auch von Nicht-Adeligen erlegt werden, wenn die Tiere die Ernte oder die zahmen Hühner und Gänse bedrohten. Die Schlachtzeit für das Hausvieh war im Oktober und November, denn dann brauchte man die Tiere nicht durch den Winter zu füttern. Zudem konnten Bauern die fälligen Naturalabgaben zu Martini (11. November) zum Teil in Gestalt von Schlachtfleisch und Geflügel an den Grundherrn zahlen. So geht der Brauch der Martinsgans auf den Beginn des mittelalterlichen Wirtschaftsjahres zurück. Schluss Heutzutage ist es durch die Auswertung von Schriftquellen und archäologischen Funden immer genauer möglich zu rekonstruieren, was in früheren Zeiten gekocht und genossen wurde. Diese Rezepte wiederzuentdecken ist ein großer Reiz. Man erkennt dabei, wie sehr man Kind seiner eigenen Zeit ist, aber auch, wie sehr es lohnt, so ein vergessenes Gericht wieder neu zu kochen und zu servieren.
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Von der Feuerstelle zur Kochmaschine Küche und Esskultur in Neukirchen-Vluyn Jutta Lubkowski Leiterin des Museums Neukirchen-Vluyn Grape
Rund ums Feuer Im niederdeutschen Hallenhaus, das Mensch und Tier unter seinem Dach beherbergte, war die Deel mit der offenen Feuerstelle das Zentrum des Hauses. Hier trafen sich Jung und Alt, denn die Wärme des Feuers sorgte für Behaglichkeit. Wohnen und Arbeiten, Essen und Schlafen spielten sich im unmittelbaren Umfeld ab. Doch nicht nur für Wärme und Licht, sondern auch für die Zubereitung der Mahlzeiten war die Kochstelle mit Rauchfang, im Grafschafter Platt „Bussem“ genannt, unerlässlich. Auf das Feuer in der Feuerstelle gaben alle Hausbewohner sorgsam Acht, damit es nicht erlosch. In der Nacht deckte man die Glut mit einer eisernen Feuerstülpe ab. So konnte man verhindern, dass sich die Katzen, die einen warmen Schlafplatz bevorzugten, das Fell ansengten und die Glut im Haus verbreiteten. Am Morgen zählte es dann zu den ersten Aufgaben der Hausfrau, das Feuer mit Hilfe des Püsterohrs wieder zu entfachen. Andernfalls schickte sie die Kinder mit einem Klompen zum Nachbarhof, um darin neue Glut zu erbitten. – Die allgemeine Verbreitung des Zündholzes erfolgte erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Kochtöpfe, Kessel oder Pfannen für den Gebrauch am offenen Feuer wurden meist aus Gusseisen, Messing oder Kupfer hergestellt.
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Das notwendige Küchengerät war in der Nähe der Kochstelle an eisernen Haken untergebracht. Gebräuchlichstes Kochutensil war die Grape, ein dreibeiniger Eisentopf, der auf dem unebenen Lehm- oder Kieselboden nicht wackelte. Als Brennmaterial diente überwiegend Holz, aber auch getrockneter Torf, den man im sumpfigen Gebiet der Rheinarme und Wasserläufe abstach. Zum Beheizen der Stövchen, Bettpfannen oder Fußwärmer benutzte man neben Torf, Schaf- oder Kuhdung eine Art Koks, die sogenannte Löschkohle, die man mit Hilfe eines Kohlendämpfers, des „Doovpotts“, selbst erzeugte. Das Holz ließ man so lange brennen, bis es nicht mehr qualmte, dann erstickte man das Feuer mit dem Deckel des Topfes. Übrig blieb die leicht wieder entflammbare Löschkohle. Größere Wasserkessel oder Töpfe hingen an einem Hahleisen über dem Feuer. Etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ließ sich die Höhe der Gefäße durch Haken mit einem Sägeblatt, die in das Hahleisen eingehängt wurden, verstellen. So konnte die Hausfrau „einen Zahn zulegen“, wenn es mit der Fertigstellung der Speise eilig wurde. Da damals noch keine Topflappen in Gebrauch waren, bediente man sich beim Entfernen des heißen Topfes eines speziell dafür konstruierten Eisenhakens, der Kalten Hand.
Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein … Welche Gerichte kamen damals auf den Tisch? Die Esskultur war einfach: Morgens und abends wurden vorzugsweise brei- und suppenartige Speisen aus Getreide und Milch zubereitet, mittags ein kräftiges Ein-Topf-Gericht. Gewürze wurden sehr sparsam verwendet, da sie sehr teuer waren. Das Salz lagerte in einem hölzernen Kasten in der Nähe der Kochstelle, so war es schnell greifbar und die Wärme verhinderte das Verkleben der Kristalle. Auch heute noch sind Eintöpfe in der niederrheinischen Küche beliebt, die schon unsere Vorfahren unter anderem Namen kannten: „Stühle und Bänke“ – ein deftiger Möhren-Kartoffel-Eintopf, oder „Schlaat dorein“ – eine Mischung aus Kopfsalat und Kartoffelbrei mit Specksoße. Auch „Himmel und Erde“ – Kartoffelbrei mit gekochten Äpfeln – war begehrt, insbesondere wenn dazu „Panhas“ gereicht wurde, eine niederrheinische
Wasserkessel und Doovpott
Spezialität, die nach dem Schlachten aus Wurstbrühe und Buchweizenmehl mit Speckwürfeln hergestellt und in Scheiben geschnitten gebraten wurde. Brot gehörte nicht wie heute selbstverständlich zum täglichen Bestandteil der Nahrung, dafür waren Pfannkuchen, Milchbrei oder gebratene Kartoffeln zu allen Tageszeiten beliebt, auch zum Frühstück. Wer nicht selber schlachten konnte, musste Fleisch oder Wurst teuer beim Metzger erwerben, so blieb es bei vielen Familien beim Sonntagsbraten. Auch süße Speisen waren beliebt – das Museum besitzt eine gusseiserne „Bollebäuschen“-Form, in der krapfenartiges Schmalzgebäck ausgebacken wurde, sicherlich nicht nur zur Jahreswende. Auch frischer Waffelteig wurde in einem langstieligen Eisen solange über dem Feuer gewendet, bis er knusprig war.
Offene Feuerstelle mit Sägeblatt, Hahleisen, Feuerstülpe u. a.
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Bollebäuschenpfanne
Schon seit dem Mittelalter hatte auch das Bier einen festen Platz auf dem Speiseplan. Es galt als nahrhaft und wurde als stärkende Biersuppe auch Kindern gereicht. Allerdings muss man hinzufügen, dass das Bier vergangener Zeiten nur einen sehr geringen Alkoholanteil hatte. Das Vluyner Bier wussten schon die Franzosen zu schätzen, als sie 1794 den linken Niederrhein besetzten und bei den örtlichen Bauern Bierlieferungen für die Armee einforderten. Das Bier durfte nur mit Sommer- oder Wintergerste sowie Buchweizen gebraut sein. Es handelte sich um Einfachbier, dessen Geschmack wegen des fehlenden Hopfens wenig ausgeprägt war. So setzten die Hausbrauer Kochbuch von Henriette Davidis
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Rezept
dem Bier Salbei, Fenchel, Honig oder Eichenrinde zu. Die Rezepte wurden über Generationen mündlich überliefert, da der Schulbesuch im Rheinland erst 1825 zur Pflicht wurde und die einfache Bevölkerung größtenteils des Lesens und Schreibens unkundig war. 1845 veröffentlichte Henriette Davidis das Praktische Kochbuch mit „zuverlässigen und selbstgeprüften Recepten der gewöhnlichen und feineren Küche mit besonderer Berücksichtigung der Anfängerinnen und angehenden Hausfrauen“, das vor dem Hintergrund der örtlich aufstrebenden Textilindustrie rasch zu einem beliebten Hochzeitsgeschenk in dem sich entwickelnden Kreis des Bildungsbürgertums wurde. Ein im Museumsarchiv vorhandenes Originalexemplar weist auch ein Rezept für „Biersuppe mit Milch“ auf. Selbstverständlich orientierte sich der Speisezettel der Menschen am Ertrag von Feld und Garten in den unterschiedlichen Jahreszeiten, doch für die kargen Wintermonate war man auf Vorratshaltung angewiesen. Das Räuchern von Wurst und Schinken im Kamin über der Feuerstelle, das Trocknen von Obst auf langen Dörrbrettern sowie das Einsalzen von niederrheinischem Kappes und Bohnen in
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So kochen wir am Niederrhein … hohen Steinguttöpfen blieben zum Teil bis ins 20. Jahrhundert hinein unveränderte Konservierungsmethoden und garantierten auch im Winter die notwendige Vitaminzufuhr.
bestimmen, indem nach Ablegen seines Löffels niemand mehr weiteressen durfte. Nach persönlicher Reinigung – ob durch Ablecken oder Spülen ist nicht überliefert – fand der Holz- oder Zinnlöffel seinen Platz im großen Löffelbrett an der Wand. Schränke waren bis ins 18. Jahrhundert hinein vor allem als Vorratsschränke für Milch und Brot in Gebrauch, um die Lebensmittel vor hungrigen Katzen und Fliegen zu schützen. Im Museum befindet sich ein mit niederrheinischen Motiven wie Rosette und Schuppenmuster besonders reich verzierter Vorratsschrank aus dem Jahr 1753.
Essteller
Löffelbrett Zierteller Vorratsschrank aus dem Jahr 1753
Schüsseln und Teller für den täglichen Bedarf kamen aus dem regionalen Töpferhandwerk. Von den Pottbäckern besonders dekorativ gestaltete Schmuckteller wurden in wohlhabenden Haushalten auf einem Holzbord am Kamin stolz präsentiert. Die überdurchschnittliche Größe der irdenen Teller lässt darauf schließen, dass nicht nur in einem Topf gekocht, sondern auch gemeinsam aus einer Schüssel gegessen wurde, die mitten auf dem Tisch stand. Dabei fiel dem Familienoberhaupt das Privileg zu, Anfang und Ende der Mahlzeit zu
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Küche in der Zechenkolonie
Die Kochmaschine Nach der ersten Kohleförderung der Niederrheinischen Bergwerks AG im Jahr 1917 wurden zahlreiche Männer aus dem Osten des Landes angeworben, um sie als Bergleute auf der Zeche in Neukirchen-Vluyn einzustellen. Der Zuzug ihrer Familien machte den Bau neuer Wohnhäuser erforderlich und so entstanden in den Jahren 1917 bis 1930 die Kolonien der seit 1928 zusammengelegten Gemeinde Neukirchen-Vluyn. Die Wohnungen für die Bergleute und ihre Familien waren platzsparend und zweckmä-
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ßig gebaut. Je nach Personenzahl standen neben einer Wohnküche mit Spülbecken, das gleichzeitig als Waschgelegenheit diente, ein oder zwei Schlafzimmer zur Verfügung. Die Toi-lette befand sich auf der halben Treppe. In der großen Wohnküche stand ein mächtiger Kohlenherd. Bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Kochmaschine als geschlossener Küchenherd durchgesetzt. Nicht zuletzt war es der hohe Holzverbrauch, der zur Entwicklung eiserner Herde führte, die mit Kohle geheizt werden konnten. Er hatte über
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So kochen wir am Niederrhein … dem Feuerschacht eine Herdplatte mit herausnehmbaren Ringen für Töpfe und Pfannen und in der Frontseite befand sich ein Backofen. Diese Kochmaschinen waren innen mit Schamottsteinen ausgekleidet und außen mit leichterem Eisenblech versehen, das mit weißer oder dekorativ gestalteter Emaille überzogen war. Sowohl der Heber für die Herdringe als auch der Fürhaken zum Stochern in der Glut hingen an der umlaufenden Chromstange des Herdes. Nach dem Essen wurde der „Stolz der Hausfrau“ geschmirgelt und mit Herdputz gereinigt. Wiener Kalk, ein trockenes Pulver, wurde aufgetragen und dann mit einem abgenutzten Wäschestück so lange gewienert, bis man sich in der Herdplatte spiegeln konnte. An das prasselnde Herdfeuer in der Küche meiner Großmutter kann ich mich noch gut erinnern. Es strahlte eine behagliche Wärme aus, die den ganzen Raum erfüllte. Dazu gesellte sich ein unbeschreiblicher Duft, wenn sich frisches Backwerk in der Röhre befand, das aber leider aufgrund der ungleichmäßigen Hitze nicht immer zur Zufriedenheit der Hausfrau gelang. So weiß ich noch, dass es zu besonderen Anlässen einen niederrheini-
schen „Krintenweck“ gab – ein sehr reichhaltig bestücktes Hefeweißbrot (siehe das Rezept Seite 309) – und der fertiggestellte Brotteig zum gleichmäßigen Abbacken zum Dorfbäcker gebracht wurde. „Das häusliche Glück“ Ende des 19. Jahrhunderts etablierten sich sogenannte „Haushaltungsschulen“, die auf Kreisebene eingerichtet wurden und die Dörfer mit Kochlehrgängen versorgten. Auch in Neukirchen-Vluyn waren solche Lehrgänge bekannt und wurden unter anderem bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts auch in der Haarbeckschule abgehalten. Historische Fotos zeigen junge Mädchen und Frauen mit weißen Schürzen und weißen Häubchen. Sauberkeit und Hygiene waren zum Gradmesser des Idealbildes der fleißigen und ordentlichen Hausfrau geworden. Eine Flut von Haushaltungs- und Kochbüchern für angehende Ehefrauen und Mütter kam auf den Markt und spiegelte eindrucksvoll ein Frauenbild, das noch weit bis ins 20. Jahrhundert fortwirkte. 1881 erschien in Mönchengladbach erstmalig ein Buch speziell für Arbeiterfrauen „Das häusliche Glück. Vollständiger Haushaltungsunterricht nebst Anleitung zum Kochen“, im Mahnwort eines Seelsorgers werden die jungen Frauen nachdrücklich auf ihre dienende Rolle für Familie und Ehemann eingeschworen. Der Rezeptteil ist gegliedert von „Mahlzeiten für Erwachsene in sehr dürftigen Verhältnissen“, wo Kartoffeln in Wurstbrühe für 19 Pfennige empfohlen werden, bis zu den „Besseren Mahlzeiten“, die Hammelfleisch mit weißen Rüben und Kartoffeln zum Preis von 1,31 Mark vorschlagen.
Kochmaschine
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Essen und Trinken auf der Moerser Burg Eine kulinarische Spurensuche Diana Finkele Leiterin des Grafschafter Museums im Moerser Schloss Butterfass und andere Küchengerätschaften
153 zinnerne Schüsseln, darunter Schinken-, Fleisch- und Gemüseplatten, zahlreiche große und kleine Töpfe, Kessel und Bratpfannen, Bratspeere, lange und kurze Kesselhaken, ein Mörser, ein Fischbeil, Schürhaken, Schürgabeln und andere Gerätschaften weist ein Inventar des Moerser Schlosses aus den Jahren 1470/71 auf. Die Moerser Burg verfügte über ein Backund ein Brauhaus. Im Keller lagerten Wein und Bier, Salz und Fleischvorräte. Die Schlossbewohner müssen gesellig gewesen sein: Ihr Schloss war gut gerüstet, um eine größere Anzahl Menschen zu verköstigen. Wollen wir etwas über die Ess- und Trinkgewohnheiten in der Vergangenheit auf der Moerser Burg erfahren, geben uns Quellen und archäologische Ausgrabungsfunde ein wenig Auskunft. Aus manchen Zeiten sind es nur Knöchelchen und Scherben, die uns etwas über den Speisezettel der früheren Schlossbewohner verraten. Tieferen Einblick in Vorratsräume und auf ihren Esstisch dagegen gewährt uns die letzte Moerser Gräfin Walburgis von Neuenahr-Moers (gestorben 1600). Irgendwann brennt jede Küche ab Diese Erkenntnis scheinen die Herren von Moers bei dem Bau ihrer Moerser Burg be-
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dacht zu haben: Gut 12 Meter von ihrer ursprünglichen Turmburg entfernt installierten die Herren von Moers einen Lehmkuppelofen – einen hochmittelalterlichen Backofen. Im 12. Jahrhundert waren die Herren von Moers aus dem Dunkel der Geschichte aufgetaucht und hatten eine Wohnturmburg mit dicken Mauern und wahrscheinlich zwei Geschossen im heutigen Schlosshof gebaut.1 Die Konstruktion eines Lehmkuppelofens ist simpel: Über einem Fundament wird ein kuppelförmiges Weidengerüst errichtet. Dieses wird mit Lehm (meist vermischt mit Stroh und Mist) bedeckt und ausgebrannt, entstehende Risse werden mit Lehm geschlossen. Schon seit der Jungsteinzeit sind diese Öfen bekannt. Fladenbrote dufteten beispielsweise aus Lehmkuppelöfen. Aber auch zur Keramikherstellung wurden solche Öfen verwendet. Doch der Lehmkuppelofen auf dem Moerser Schlosshof dürfte als Backofen gedient haben. Die nur geringe Anzahl der am Ofengrund und im Umfeld des Ofens gefundenen Scherben deutet darauf hin. Was ließen die Herren von Moers wohl in diesem Backofen schmoren? Vielleicht einen Braten im Brotmantelteig – wahrscheinlich einen Schweinebraten.2 Zwar kennen wir die Rezepte nicht, nach denen die Herren von Moers kochen ließen,
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Knochenreste
Muschelschalen
aber dank archäologischer Ausgrabungen kennen wir einige ihrer beliebtesten Zutaten: Neben Schweinefleisch verzehrten die Schlossbewohner gerne Rind- und Wildfleisch, auch Geflügel und Hasen verschmähten sie offensichtlich nicht: Knochen dieser Tiere lassen sich unter den Ausgrabungsfunden identifizieren. Sicherlich gab es auch reichlich Fisch, doch nur wenige Gräten haben die Jahrhunderte überdauert – nur ein Fischwirbelknochen wurde unter den Ausgrabungsfunden entdeckt. Dafür zeugen aber zahlreiche gefundene Muschelschalen davon, dass die Ernährung auf der Burg durchaus abwechslungsreich gewesen sein muss. Der Lehmkuppelofen der Herren von Moers war lange verborgen. Ende 2005 kam er bei archäologischen Grabungen unterhalb der hochmittelalterlichen Ringmauer zum Vorschein. Wie konnte der Ofen unter eine Mauer geraten? Im 13. Jahrhundert genügte den sich nunmehr Grafen nennenden Herren von Moers 3 ihre Wohnturmburg nicht mehr. Sie wollten es komfortabler haben – und sicherer. Deshalb bauten sie ihre Burg zur Ringmauerburg aus: Sie motteten ihre Turmburg ein, umgaben sie also mit einem künstlichen Hügel. Dabei ge-
riet der Ofen unter die Erde. Dann umgaben die Moerser Grafen um 1300 ihr Burggelände mit mehreren Türmen und einer mächtigen Ringmauer. Darunter für über 700 Jahre verborgen: der Lehmkuppelofen. Der Ausbau der Moerser Burg steht in Zusammenhang mit dem Aufstieg der Herren von Moers: Als Gefolgsleute der Erzbischöfe von Köln und ab 1287 der Grafen von Kleve hatten sie im 13. Jahrhundert dank ihrer geschickten Heirats- und Bündnispolitik an Einfluss und Reichtum gewonnen. Im Jahr 1300 erhob König Albrecht I. Moers zur Stadt – damit hatten die Grafen von Moers eine „Residenzstadt“. Wehren können wollten sich die Herren von Moers auch im 15. und 16. Jahrhundert. In dieser Zeit ließen sie ihre Ringmauerburg mit einer weiteren Schutzmauer umgeben – mit einer Zwingermauer. Den wehrhaften Charakter dieser Anlage verdeutlichen die eingebauten Schießscharten. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war eine wehrhafte Burg für die Grafen von Moers wichtig. In den vergangenen Jahrzehnten hatten sie weiter an Macht und Einfluss gewonnen und eine führende Stellung im Herzogtum Geldern errungen. Immer noch schwelte der Streit mit den benachbarten Grafen von Kleve: Die Grafen von Moers sahen sich nicht mehr als
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Esskultur damals am Niederrhein deren Gefolgsleute, sie anerkannten die Lehenshoheit der Klever nicht mehr. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht befanden sich die Herren von Moers Mitte des 15. Jahrhunderts: Friedrich III. (1418–1448) hatte das Erbe seines Vaters Friedrich II. (1365–1418) als Graf von Moers angetreten. Seine Brüder bekleideten wichtige geistliche Ämter: Heinrich von Moers war Bischof von Münster und Verweser des Bistums Osnabrück, Walram wurde Elekt von Utrecht und Dietrich wurde 1414 Erzbischof von Köln. Damit geboten die Brüder in einem Raum, der von der Nordsee bis an die Lippe und von Yssel bis an die hessische Grenze reichte. Dazu kam das Erzstift Köln, das sich von Xanten bis an die Mosel erstreckte. 4 Ihrer gestiegenen gesellschaftlichen Stellung hatten die Grafen von Moers auch ihre Burg angepasst und den bis zu 7 m breiten Zwinger im Westen mit einem Gebäude überbauen lassen – dem Palasgebäude, das noch heute als Hauptgebäude des Moerser Schlosses erhalten ist. Zwar besaßen die Herren von Moers schon seit dem 14. Jahrhundert ein Stadthaus in Köln, auf ihrer Moerser Burg fanden aber wichtige Treffen statt. So fand wahrscheinlich hier der Streit zwischen Kurköln und Kleve um Linn ebenso ein Ende wie die Soester Fehde. 1437 bestimmte Grabfigur Philipp von Burgund Graf Friedrich III. Moers zum Ort für einen Fürstentag. Die Hochzeit des Junggrafen Vinzenz mit Anna, einer Tochter des Pfalzgrafen Stephan von Bayern, feierte man 1433 auf der Burg. 5
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So kochen wir am Niederrhein … Womit wurde wohl auf die Hochzeit von Junggraf Vinzenz auf der Moerser Burg angestoßen? „Schaumwein“ jedenfalls gab es noch nicht. Er kam erst im 18. Jahrhundert an den großen europäischen Höfen in Mode. Grutbier und Gewürzwein
Bierkrüge
Das beliebteste Getränk auf der Moerser Burg scheint das Bier gewesen zu sein. Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Schlosshof kamen zahllose Bierkrüge aus verschiedenen Fundschichten zu Tage – was auch nicht verwunderlich ist, denn aus überlieferten schriftlichen Quellen wissen wir, dass es in der Moerser Burg ein Brauhaus gab. Dabei unterschied sich das mittelalterliche Bier von den heutigen Bieren deutlich: Bier wurde im Mittelalter zunächst meist als Grutbier gebraut. Hierzu verwendete man eine Würzmischung, die neben den Hauptbestandteilen Malz und Blättern des Gagelstrauches Harz, Kümmel, Wacholder und andere Zutaten enthielt. Das Produkt des Brauprozesses war ein leicht vergorenes, trübes und süßliches Getränk mit wenig Kohlensäure. Erst die Hopfenbiere, die seit dem Spätmittelalter verbreitet waren, kamen den heutigen Bieren geschmacklich näher. 6 Auch Wein wurde im Mittelalter und der frühen Neuzeit oft mit Gewürzen versetzt. Ein Rezept für „Hippokras“ lässt den Geschmack erahnen:
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Graf Adolf von Neuenahr Alpen
Nehmt eine Unze Cinamon, langer Pfeifenzimt genannt, eine Glocke Ingwer und ebensoviel Galgant und zerstampft sie gut miteinander, nehmt auch ein Pfund guten Zucker. Zerstampft dies gut miteinander und löst es mit einem guten Lot des besten Weins auf, den Ihr Euch verschaffen könnt. Laßt dies eine oder zwei Stunden ziehen. Dann treibt es mehrere Male durch ein Seihtuch, bis es recht klar ist. 7 Gereicht wurde der Wein auf der Moerser Burg vermutlich überwiegend in Steinzeugkrügen. Gläser und Glasscherben wurden bei den Ausgrabungen auffallend wenige gefunden. Sicherlich waren Gläser auch auf der Moerser Burg in Gebrauch. Allerdings war Glas relativ teuer und deshalb vermutlich nur
in geringer Stückzahl vorhanden. Die wenigen Funde zeigen aber, dass man auch hier mit der Mode ging: Reste verzierter RenaissanceGläser fanden sich. In der Zeit der Renaissance lösten die Herren von Neuenahr die Herren von Moers ab: Graf Vinzenz von Moers war ein glückloser Streiter. Hoffnungslos verschuldet trat er 1493 aus „Altersgründen“ die Grafschaft Moers an den Mann seiner Enkelin, Wilhelm von Wied, ab. Ihm folgte 1519 sein Schwiegersohn Wilhelm von Neuenahr. Nach dem Tod von Heinrich von Neuenahr-Moers gingen die Grafschaft und das Schloss an Adolf von Neuenahr-Alpen, den zweiten Mann von Hermanns Schwester Walburgis.
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Heißgetränke aus der neuen Welt Nachdem Adolf von Neuenahr-Alpen die Grafschaft Moers in den Kurkölnischen Krieg – einer Mischung aus Glaubens- und Erbfolgekrieg – verwickelt hatte, besetzten 1586 spanische Truppen die Grafschaft und das Moerser Schloss. Brachten sie die heiße Schokolade nach Moers? Schokolade galt als „spanisches Getränk“, da die Spanier die Handelsware Kakao in der westlichen Welt verbreitet hatten. Bei den Ausgrabungen im Schlosshof gefundene Porzellantassen aus China und aus Meißen zeugen zwar vom Einzug der modernen Heißgetränke in das Moerser Schloss. Aber auch die handelseifrigen Oranier, die unter Führung von Moritz von Oranien 1597 die Spanier wieder aus dem Moerser Schloss vertrieben, könnten die neuen Heißgetränke im Schloss populär gemacht haben. Puttelier und Kammerling sorgen für das leibliche Wohl der Gräfin
Moritz von Oranien
Gräfin Walburgis
Dank Moritz von Oranien konnte die letzte Moerser Gräfin Walburgis von Neuenahr-Moers aus ihrem Exil in Arnheim nach Moers zurückkehren. 1599 erließ sie eine Hofordnung, die auch ihr leibliches Wohl regelte. Dieser Hofordnung verdanken wir einen tieferen Einblick in die Ess- und Trinkgewohnheiten auf der Moerser Burg. 8 Das erste Amt, das in der Hofordnung aufgeführt ist, ist das des Küchenschreibers. Er war für die Vorratshaltung und die Ordnung und Sitzverteilung bei Tisch zuständig. Täglich waren zahlreiche Gäste an der gräflichen Tafel zu versorgen. Streng sollte er aber darauf achten, dass in den Kammern und Stuben keine besonderen „Mahlzeiten, Bankette oder Saufereien hergerichtet werden“, sondern sich jeder „zu bestimmter Stunde an seinen verordneten Tisch begebe“. Dabei musste der Küchenschreiber täglich eine Rechnung über den Verbrauch an Fleisch, Vieh, Hühnern, Butter, Käse, Eiern, Früchten,
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Gemüse, Öl und Wildbret aufstellen. Ebenso hatte er für den ständigen Nachschub von Ferkeln, Kapaunen, Öl, Hühnern, Fischen und Eiern zu sorgen. Auch auf die Zucht von Kühen, Schweinen und Schafen hatte er zu achten, ebenso auf die Fischerei, „sowohl auf dem Rhein als in den Meeren“. Auch der Koch durfte in der Küche „keine Zecherei oder Saufen gestatten“, er sollte „vielmehr alles in guter Ordnung halten, dergestalt daß die Speise zur rechten Zeit fertig ist“.
Küchengeschirr
Neben dem Koch mit seinen Knechten und Küchenjungen sorgte sich auch der Puttelier um das leibliche Wohlergehen der Schlossbewohner. Er war für alles zuständig, was kühl im Keller eingelagert werden musste: Fässer mit Wein und Bier, Brot, Butter, Käse. Aber auch Tischgerät, Teller und Trinkgeschirr, silberner Zierrat und Servietten verwahrte er, um damit „den Tisch der Gräfin zu decken und mit dem nötigen Zubehör zu versorgen“. Besonders sorgfältig hatte er auf die Hühnereier Acht zu geben und sie nur auf Anforderung an die Küchenbediensteten auszugeben. Auch die Schlüssel für das Brauhaus verwahrte der Puttelier. Ging es an das Eindecken der fürstlichen Tafel, kam der Kammerling ins Spiel. Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, alles, was zum Tischdecken notwendig war, beim Puttelier abzuholen. Eine besondere Aufgabe des Kammerlings war es, der Gräfin ihren Schlaftrunk zu servieren. Leider verrät die Hofordnung nicht, woraus dieser gräfliche Schlaftrunk bestand.
Prunkschüssel 17. Jh.
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Kastell und Stadt um 1640
Der Burggraf – hier ist ebenfalls ein Bediensteter gemeint, kein Adliger – hatte unter anderem darauf zu achten, dass „sobald die Mahlzeit vorüber ist, welche nicht über eine kleine Stunde dauern soll, und alle gesättigt sind, dann soll er nach altem Brauch mit den Schlüsseln auf die Anrichte oder in der Stube auf den Tisch klopfen und alsbald wieder aufschließen, jeden an seine Arbeit weisen und keinen langen Nachtrunk halten“. Unter der calvinistischen Gräfin waren kulinarische Ausschweifungen offensichtlich nicht erwünscht. Aus den Aufgaben des Mudder erfahren wir, dass auf dem Schloss auch Kuchen gebacken wurde. Er sollte unter anderem „Hühner, Fisch, Oel und was zum Kuchenbacken nötig ist“, zur rechten Zeit anfordern und eintreiben. Bäcker und Brauer sollten jederzeit einen guten Vorrat an Mehl und Malz sowie an Bier, Brot und Hopfen vorhalten. Kleie, Redt, Nüsse oder Draf und andere Abfälle durften nicht entsorgt oder fortgeschafft werden. Aus der Kleie sollte Brot für die Hunde gebacken werden, die Nüsse waren für „Kirbuest“ und Wecken zu verwenden – auch über die Verwertung von Abfällen und Speiseresten wurde auf der Moerser Burg genau gewacht. Wildschütz, Schäfer, Fischer und Gärtner versorgten das Schloss mit Wild, Schafen, Fischen, Gemüse und Früchten. Sogar der Turmwächter hatte im Zusammenhang mit dem Essen auf der Burg eine Aufgabe: Er sollte „rechzeitig zum Essen blasen“. So ausführlich wie aus der Zeit der Gräfin Walburgis erfahren wir nie wieder von den
Ess- und Trinkgewohnheiten auf dem Moerser Schloss. Mit dem Tod der letzten Moerser Gräfin endete das Hofleben in Moers. Die Oranier, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts ihr Erbe antraten, residierten nicht mehr im Moerser Schloss. Mineralwasser – nüchterner Luxus im 18. Jahrhundert
Mineralwasserflasche 18. Jh.
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Bartmannskrug
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So kochen wir am Niederrhein … Archäologische Funde geben uns noch einen kleinen Hinweis auf Trinkgewohnheiten des 18. Jahrhunderts. Natürlich gab es auf der Moerser Burg sicherlich zu allen Zeiten Wasser zu trinken, serviert beispielsweise in Bartmannskrügen. Doch Brunnenwasser war nicht immer bekömmlich. Im 18. Jahrhundert bevorzugte man auf dem Moerser Schloss statt des Brunnenwassers offenbar Mineralwasser, zumindest deuten einige gefundene Mineralwasserflaschen darauf hin. Die frühen Mineralwasserflaschen waren dickbauchig und dünnwandig 9 und gingen beim Transport leicht zu Bruch. Mineralwasser war zu dieser Zeit noch ein Luxus, denn das in den empfindlichen Steingutflaschen angelieferte Wasser war teuer. Wer leistete sich diesen nüchternen Luxus im Moerser Schloss? Wahrscheinlich preußische Amtmänner, denn seit Beginn des 18. Jahrhunderts war Moers preußisch und das Moerser Schloss diente als königlich preußisches Amtshaus.
Esskultur damals am Niederrhein Anmerkungen 1 Elgerus und Theodericus de Murse unterschrieben 1186 als Zeugen eine Urkunde des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg. Vgl. Wensky, Margret: Moers im Mittelalter (900– 1500). In: Dies. (Hrsg.): Moers. Die Geschichte der Stadt von der Frühzeit bis zur Gegenwart. Bd. 1: Von der Frühzeit bis zum Ende der oranischen Zeit (bis 1702). Köln 2000, S. 69–157. 2 Einige Beispiele spätmittelalterlicher Kochrezepte: Ehlert, Trude in Verbindung mit Patrick Benz, Rick Chamberlin, Diana Finkele, Barbara Gölz, Erwin Heidt, Wolfgang Höhne, Ruth Karasek, Heike Kränkel, Birgit Mayer, Eberhard Müller, Annette Roser und Nicole Wolff: Das Reichenauer Kochbuch aus der Badischen Landesbibliothek. Edition und Kommentar. In: Mediaevistik 9 (1996), S. 135–188. 3 Dietrich II. unterzeichnete erstmals 1226 eine Urkunde als Graf. Zur Regel wurde die Führung des Grafentitels aber erst ab Ende des 13. Jahrhunderts. 4 Wensky (2000), S. 85. 5 Ebd. S. 87. 6 Vgl. Hirschfelder, Gunther: Europäische Esskultur. Eine Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute. Frankfurt/New York 2005, S. 135 f. 7 Zitiert nach: Redon, Odile; Sabban, Françoise und Serventi, Silvano: Die Kochkunst des Mittelalters. Ihre Geschichte und 150 Rezepte des 14. und 15. Jahrhunderts, wieder entdeckt für Genießer von heute. Mit einem Vorwort von Georges Duby. Aus dem Französischen von Hans Thill. Frankfurt/Main 1993, S. 347 f. 8 Die Hofordnung wird im Folgenden zitiert aus: Ottsen, Otto: Die Geschichte der Stadt Moers. Bd. 1: Die Vorpreußische Zeit mit 27 Abbildungen, Plänen usw. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1950. Moers 1977, S. 97–108. 9 Brinkmann, Bernd: Zur Datierung von Mineralwasserflaschen aus Steinzeug. In: Keramos 98 (1982), S. 7–36.
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Die langsame Revolution am Esstisch: die Durchsetzung des Essbestecks Diana Finkele
Eine kleine „Revolution“ war die Durchsetzung der Essgabel. Jahrhunderte hindurch hat man mit den Fingern gegessen, allenfalls ein Messer und einen Löffel benutzt. In bäuerlichen Haushalten waren Zinnlöffel mit kreisrunder Laffe und geradem Stiel verbreitet. Diese so genannten Breilöffel waren oft auf Löffelbrettern an der Wand aufgehängt und so immer griffbereit. Heute ist diese Löffelform noch als „Schnapslöffel“ bekannt – sicherlich dienten diese Löffel aber auch in der Vergangenheit nicht immer nur zum Essen von Brei und Suppe. Silberne Patenlöffel waren ein kostbares Geschenk in wohlhabenden Familien. Als individueller Besitz wurden sie wie Messer zu Festlichkeiten mitgebracht oder bei besonderen familiären Anlässen benutzt. Die Gabel hatte Katharina Di Medici von Italien nach Frankreich exportiert – bis sie sich auch an kleineren Höfen durchsetzte, verging noch viel Zeit. In Moers „gabelte“ man erst im 18. Jahrhundert. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts waren Bestecke in bäuerlichen Haushalten eine Kostbarkeit – oft wurden sie deshalb mit Namen und Ort des Besitzers versehen, so konnte dieser sie beruhigt zum Nachbarsfest mitnehmen.
Löffelbrett >
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Silberner PatenlĂśffel, 17. Jh. Essbestecke mit Besitzernamen
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„Lieber Ofen, ich bete dich an, nenne meinen zukünftigen Mann!“ Die Entwicklung der Kochstelle Diana Finkele
Kam eine neue Frau ins Haus, nahm sie oft symbolisch den Kesselhaken oder den Herd in Besitz. „Ofengebete“ 1 sollten jungen Mädchen ihren zukünftigen Ehemann verraten, während „Herdmännchen“ – eine Art Poltergeist, die an der Herdstelle wohnten2 – im Volksglauben ihr Unwesen trieben: Kochstellen und Herde waren immer Mittelpunkt des häuslichen Lebens. Die ursprünglichste Kochstelle ist die Feuerstelle am Boden: Seit dem Ende der letzten
So kochen wir am Niederrhein … Eiszeit vor etwa 10 000 bis 12 000 Jahren dienten den Menschen aus Feldsteinen hergerichtete Feuerstellen und Feuergruben zur Nahrungszubereitung. Als die Menschen mit der Neolithischen Revolution sesshaft wurden und Hütten bauten, nahmen sie das Lagerfeuer mit in ihre einfachen Behausungen. Der Rauch zog einfach über ein Loch in der Dachbedeckung ab. Selbst als die Behausungen komfortabler wurden, änderte sich an diesem System lange kaum etwas. Vor allem in bäuerlichen Häusern kam man bis fast zum Beginn der Neuzeit ohne Kaminanschluss aus. In diesen „Rauchhäusern“ und „Rauchküchen“ war die Feuerstelle gleichzeitig Koch- und Versammlungsplatz. Während sich die Bewohner im
Inszenierte Grafschafter Küche mit Kochstelle im Grafschafter Museum um 1908
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So kochen wir am Niederrhein … Winter an diesem einzigen warmen Platz im Haus wärmten, konservierte der aufsteigende Rauch gleichzeitig das Hausgebälk, vertrieb das Ungeziefer und räucherte Fleisch und Würste.3 Mit der Entwicklung der Mehrgeschossigkeit der Häuser funktionierte der freie Rauchabzug über das Dach nicht mehr. Zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert setzten sich deshalb in städtischen Häusern und in Burgen die Koch-Kamine durch. An den Wänden wurde der Rauch durch Schächte ins Freie geleitet, die Feuerstelle wanderte von der Raummitte damit an die Wand. Doch das Kochen am Kochkamin war beschwerlich: hier konnte man nur gebückt oder kniend arbeiten. Wesentlich bequemer war das Kochen am gemauerten Herdblock. Er stand in der Mitte eines Raumes, eine Überdachung, der Kaminhut, leitete den Rauch über den Kamin ab. Der Herdblock dominierte den Raum, der sich erst jetzt allmählich als eigenständiger Funktionsbereich im nichtadeligen Haus entwickelte: die Küche. Über Jahrhunderte schmorte an einem Haken hängend ein Kessel mit dicker Suppe oder Brei den ganzen Tag über dem KochKamin oder über dem Herdblock. Der Kessel-
Esskultur damals am Niederrhein haken oder Sägehal war die einzige Möglichkeit, die Wärmezufuhr über dem offenen Feuer zu regulieren. Spätestens im 18. Jahrhundert war der Koch-Kamin auch in die bäuerlichen Behausungen eingezogen. Gusseiserne, verzierte Herdplatten schützten die Wand vor dem Feuer und strahlten die Hitze in den Raum zurück. Da das Entfachen des Feuers lange Zeit aufwändig war – Streichhölzer gibt es erst seit 1833 –, wurde die Glut über Nacht nicht gelöscht. Das barg jedoch eine besondere Gefahr: Katzen oder andere Haustiere konnten unfreiwillig zu Brandstiftern werden, kamen sie der offenen Glut zu nahe. Hier half die Feuerstülpe: Nachts wurde sie über die Restglut gestülpt. „Pottofen“ zum Kochen und Wärmen aus der Zeit um 1800
Geräte für die offene Herdstelle wie z. B. Kesselhaken, Kaminplatte, Feuerstülpe
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Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein …
Seltener Ofen mit Einrichtung zum Kaffeerösten, um 1860
Doch trotz aller Sicherheitsmaßnahmen blieb das offene Feuer im Haus immer eine Brandgefahr. Im 18. Jahrhundert entwickelten zwar Herdpioniere die ersten Kochherde mit „verstecktem Feuer“, durchgesetzt haben sich „Kochmaschinen“ in Deutschland aber erst Mitte des 19. Jahrhundert. Im Inneren des eisernen Herdgehäuses brannte das Feuer nun sicher auf Rosten. Die Aschereste des Holzes oder der Steinkohle konnten bequem im Aschenkasten entsorgt werden. Mit der Durchsetzung der „Kochmaschinen“ änderten sich auch Essgewohnheiten der Menschen: Der Verzehr von Eintopfgerichten, Suppen und Breis ging zurück, denn über dem neuen Herd fand kein großer Suppenoder Breikessel mehr Platz. Dafür waren aber auch für die bürgerliche Küche die Weichen
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für das mehrgängige Menü gestellt: Auf den verschiedenen Herdlöchern konnten nun problemlos in kleineren Töpfen verschiedene Gerichte köcheln. Seine Farbe wechselte der Kochherd mit der Wiederentdeckung der Emailliertechnik gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Gusseiserne schwarze Herde konkurrierten nun mit weißen Emailleherden. Zeitgleich mit den gusseisernen Kochherden entwickelten sich auch die Gasherde, sie konnten sich jedoch erst nach 1900 langsam mit dem Ausbau städtischer Gasnetze verbreiten. Jahrtausende lang bereiteten Menschen ihre Nahrung über mehr oder weniger offenem Feuer zu. 1893 präsentierte die Weltausstellung in Chicago eine revolutionäre Neu-
Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein …
Herd aus einer Moerser Bergarbeiterküche von 1933 mit Kochkiste für den Transport warmer Speisen. Grafschafter Museum im Moerser Schloss
heit: den Elektroherd. In Deutschland begann er seinen Siegeszug durch die Küchen endgültig nach dem Zweiten Weltkrieg. Ende der 1980er Jahre bekam der Elektroherd Konkurrenz: Die Mikrowelle läutete einen neuen Wandel in der Koch- und Esskultur ein. Zwar steht die Mikrowelle in den meisten Haushalten heute noch als zusätzliches Kochgerät neben dem Gas- oder Elektroherd, doch der Anteil der verwendeten Mikrowellen-Fertigprodukte steigt kontinuierlich an. Ob sie je den Kochherd in seiner zentralen Stellung im häuslichen Leben ablösen wird? Ein „Mikrowellengebet“ könnte dann vielleicht so lauten: „Liebe Mikrowelle, ich bete dich an, dass ich das, was ich jetzt koche, auch wirklich essen kann.“
Anmerkungen 1 Ofengebet, zitiert nach: Seyer, Dieter: Feuer – Herd – Ofen. Eine museumsdidaktische Unterrichtseinheit zur Geschichte der Feuernutzung zum Wärmen und zur Nahrungszubereitung (= Unterricht in westfälischen Museen. Heft 17). Münster 1985. Zitat S. 34. 2 So zum Beispiel Welfonders Düvelsche, ein Quälgeist aus Neukirchen. 3 Vgl. Tränkle, Margret: Zur Geschichte des Herdes. Vom offenen Feuer zur Mikrowelle. In: Oikos. Von der Feuerstelle zur Mikrowelle. Haushalt und Wohnen im Wandel. Hrsg. von Michael Andritzky. Gießen 1992. S. 37–53.
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Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein …
Weinanbau in Kamp Pater Georg
Kloster Kamp besaß im Mittelalter nicht nur mehrere Weinberge an der Mosel, sondern baute auch am Südhang des Kamper Berges und in dem davor gelegenen Garten Wein an und hatte dort auch ein Kelterhaus. Die Kamper Mönche waren übrigens nicht die einzigen, die am Niederrhein Wein anbauten. Schon im Jahre 1003 wurde in Rheinberg Wein angebaut. 1230 bepflanzte das Stift in Xanten einen Weinberg neu und 1245 gab es auch auf der Hügelkette zwischen Rheurdt und Sevelen Weinberge. Der Weinbau in Kamp wurde bis zur Zerstörung der Abtei im Jahre 1580 betrieben. Nach der Wiederbelebung der Abtei im Jahre 1640 wurde dort kein Wein mehr angebaut. Die Kamper Chronik berichtet u. a.: „1464 war ein fruchtbares Jahr und der Herr segnete die Weingüter von Kamp mit einem guten Wachstum. Aber am Fest des hl. Matthäus [21. September] zerbrach ein heftiger Sturmwind viele Weinstöcke … Nichtsdestoweniger konnten von der Weinlese dieses Jahrs etwa 36 Fuder eingekeltert und in Fässern gelagert werden und [der Wein] wurde ziemlich gut.“ – „1471 gab es einen warmen und wohl temperierten Frühling und die Weinstöcke begannen Mitte Mai zu blühen. In diesem Jahr wurde am Fest des hl. Sixtus [6. August] die Messe in der Kamper Kirche mit neuem Wein gefeiert. Entsprechend wurde dem Konvent am Fest des hl. Bernhard [20. August] und danach von dem guten neuen Wein kredenzt …
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1473 begannen Mitte März die Kirschund Pflaumenbäume zu blühen. Anfang April blühten die Apfel- und Birnbäume. Unmittelbar folgend blühte etwa Mitte Mai der Weinstock. Am Fest des hl. Sixtus wurden die Messen mit neuem Wein gefeiert. Und es ist seit vielen Jahren kein so vortrefflicher und starker Wein gewachsen und zwar 20 Fuder.“ (Kloster Kamp, seine Äbte und Filiationen. Die Kamper Chronik – deutsch, S. 65 und 67) Die Qualität des Kamper Weines dürfte allerdings nicht allzu berauschend gewesen sein, wie das geflügelte Wort „Vinum Campense non facit gaudia mense – Kamper Wein macht bei Tisch nur Pein“ vermuten lässt. Die deutsche Übersetzung ist allerdings ungenau! Wörtlich steht da: „Der Kamper Wein bereitet keine Tafelfreuden.“ „Die Gräfin Aleydis von Kleve [schenkte] dem Kamper Kloster … bestimmte jährliche Einkünfte, damit der Konvent davon an bestimmten Tagen Festmähler haben möge mit Weizenbrot, Wein und Fischen, und zwar am Gründonnerstag, am Karsamstag, am Ostertag selbst und an den folgenden zwei Tagen. So ähnlich war es auch am Tag der Geburt Christi und an den folgenden zwei Tagen.“ (Kloster Kamp …, S. 26) „1228 befreite Graf Gerhard von Geldern … das Kamper Kloster vom Rheinzoll bei Lobith. Bis zu 105 Fass Wein, 2 Last* Leder, 100 ½ Pfund Salz, 2 Last Heringe und 10 Ohm** Butter können auf den Schiffen des Klosters
Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein … oder auf fremden Schiffen ungehindert den Zoll passieren, unter der Bedingung, dass der Abt dem Konvent für vier Pfingstfesttage Rheinwein, frische Fische und Brot aufwartet.“ (Kloster Kamp …, S. 31) * Last = Schiffsfrachtmassemaß, zwischen 1000 und 4250 kg schwankend ** Ohm – eigentlich ein Flüssigkeitsmaß
Der Weinberg wurde im Jubiläumsjahr 1998 (875 Jahre Kloster Kamp) im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) neu angelegt, um ein Stück alte Geschichte aufleben zu lassen. Leider hatte man damals kein richtiges Nutzungskonzept für die Zeit danach. So schlief der kleine Weinberg zunächst seinen Dornröschenschlaf, bis ein „Prinz“ – ein Arzt aus Moldau – sich seiner erbarmte und ihn wieder zum Leben erweckte. Nach anfänglichen Überlegungen, aus den Trauben tatsächlich Wein zu machen – „Kamper Segenströpfchen“ sollte der Name sein –, entschloss man sich schließlich für eine leichtere Variante und macht nun Gelee aus den Trauben.
Kamper Chronik
Der neue Weinberg
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Der Kaffee erobert den Niederrhein Jutta Lubkowski Leiterin des Museums Neukirchen-Vluyn
Abessinischen Hirten wird zugesprochen, die Kunst des Kaffeekochens entdeckt zu haben. Ihnen fiel auf, dass ihre Ziegen besonders munter herumsprangen, wenn sie die Früchte eines bestimmten Strauches genossen hatten. Um ihre Glückseligkeit zu teilen, kosteten sie selbst die Früchte und milderten den bitteren Geschmack schließlich, indem sie die Kaffeebohnen mit heißem Wasser überbrühten. Die Angewohnheit des Kaffeetrinkens breitete sich schnell über Ostafrika und die arabischen Länder aus. In die ländlichen Gebiete des Niederrheins gelangte der Bohnenkaffee jedoch erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts und gehörte als Kolonialware eher zu den Luxusartikeln. Eine alte Kachel aus Vluyn ziert der Spruch: „Der Kaffee ist gut, das muss man ihm lassen, 15 Bohnen auf 16 Tassen.“ Größter Beliebtheit dagegen erfreute sich der Muckefuck, den schon die Franzosen während der Annektierung des Rheinlandes unter Napoleon schätzten und ihm daher seinen Namen verliehen, abgeleitet aus dem französischen Mocca faux, was übersetzt falscher Mokka bedeutet. Der aus Gerste und Roggen hergestellte Ersatzkaffee erhielt den typischen Kaffeegeschmack durch die Beigabe der gerösteten rübenförmigen Wurzel einer
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So kochen wir am Niederrhein … Zichorie, auch Wegwarte genannt. Der Zichorienkaffee führte auch den Namen Preußischer Kaffee, weil sich gerade der preußische Staat gegen den Genuss von Bohnenkaffee im gemeinen Volk ausgesprochen hatte. Wegen der Kostbarkeit des Bohnenkaffees experimentierte man unter anderem auch damit, dem Kaffee gebrannte Wacholderbeeren, verschiedene Hülsenfrüchte, Spargelsamen oder Schwarzwurzeln beizumischen.
Kolonialwarenladen
Die Kolonialwarenläden des Ortes verkauften neben Tee, Kakao, Zucker und Gewürzen auch Rohkaffee, den die Hausfrauen deutlich preiswerter erstehen konnten, um ihn dann selbst in der Bratpfanne unter ständigem Rühren zu rösten. Bei diesem Verfahren war das Risiko allerdings groß, dass die Bohnen dabei verbrannten oder nicht gleichmäßig geröstet wurden, was den Geschmack des Kaffees beeinträchtigte. Alte Röster hatten daher meist eine Trommel, in der der Rohkaffee durch Drehen bewegt wurde. Besonders voluminöse Röster wurden auch für die Zichorienwurzel verwandt, die getrocknet in den Handel kam oder im eigenen Gemüsegarten angebaut wurde. Der traditionelle Röster dagegen wurde in die Patte des Kohlenherdes eingesetzt. Er bestand aus einem Eisentopf, bei dem durch
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So kochen wir am Niederrhein …
In der Frühzeit des Kaffeetrinkens war es üblich, die im Mörser kleingestoßenen Bohnen zu überbrühen oder sie mit kaltem Wasser aufzukochen. In der Folgezeit gab es Kaffeemühlen in verschiedenen Ausführungen, wobei die Holzkastenmühlen die gebräuchlichsten waren.
Kaffeeröster
eine Kurbel im Deckel ein Mitnehmer im Inneren für die Bewegung des Röstgutes sorgte. Eine homogene Bräunung für optimalen Kaffeegenuss war auch hierbei nicht garantiert. Abhilfe für die Neukirchen-Vluyner Hausfrauen schuf die Gründung der Niederrheinischen Dampfkaffeerösterei von Heinrich Jans, in dessen Haus an der alten Hauptstraße sein Urahn von 1841 bis 1888 die erste Postexpedition in Vluyn betrieb. Er führte einen kleinen Kolonialwarenladen und eröffnete 1905 in einem Anbau die Kaffeerösterei. Sein Kaffee war über die Grenzen NeukirchenVluyns hinaus bekannt und beliebt und wurde bis 1967 produziert. Im alten Laden des Museums befindet sich noch ein großes rotes Emailleschild mit der Aufschrift „Jans Kaffee“ aus den Anfängen der Kaffeeröstung in Vluyn. Auf einem alten Kaffeelot ist der Werbeslogan „In der Hitze, in der Kühle Jans-Kaffee durch die Mühle“ zu lesen.
Holzkastenmühle
Anfänglich bereitete man den Kaffee in metallenen Kannen zu. Das Museum ist im Besitz einer Dreikranenkanne aus Messing, die am Niederrhein liebevoll „Dröppelminna“ genannt wird, aus dem 18. Jahrhundert. Aus dem Kränchen floss der heiße Kaffee zunächst in die Tasse oder in ein henkelloses Porzellanschälchen, das Köpken. Von hier aus füllte man ihn in die recht hochwandige Untertasse, um daraus den abgekühlten Kaffee zu genießen. Diese Sitte des Trinkens aus der Untertasse hat sich noch bis ins frühe 20. Jahrhundert erhalten. Alltagstauglich, weil man sie auf dem Herd ständig warm halten konnte, waren auch bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kaffeekannen und -becher aus Emaille. Mit den letzten Schlucken Kaffee musste auch der Satz mitgetrunken werden, was nicht so angenehm war. Daher setzte man Draht-
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Dreikranenkanne
Emaillekanne mit Bechern
siebe ein zur groben Filterung. Doch wusste man schon im 19. Jahrhundert den Kaffeesatz besser zu verwenden. In Meyers Konversationslexikon von 1888 ist zu lesen: „Man benutzt den Kaffeesatz ferner zum Reinigen der Nachtgeschirre und beim Abfegen braun gestrichener Fußböden.“ Zwar gelang es der Hausfrau Melitta Benz im Jahr 1908, einen Filter aus Löschpapier zu konstruieren, doch sollte es noch einige Jahre dauern, bis der Melitta-Kaffeefilter auf dem niederrheinischen Land angekommen war.
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So kochen wir am Niederrhein … Als unser Großvater noch priemte Schon vor Jahrhunderten begann man, den Tabak in „Kauform“ zu genießen. Bereits die Indianer stillten ihren Durst und Hunger durch Tabakkraut. Der Priem erhielt seinen Namen von der „Pruim“, der Pflaume, weil er in Farbe und Gestalt einer Backpflaume ähnelt. Für die Herstellung von Priem werden schwere, fette und zähe Rohtabake, vor allem Kentucky, benutzt. Im Laufe der Jahre wurden von den verschiedenen Firmen unterschiedlichste Rezepte entwickelt, die strengster Geheimhaltungspflicht unterstanden. Sie stehen den allerfeinsten Lebkuchenrezepten nicht nach. Feigen, Korinthen, Fenchel, Pflaumen, Nelken, Muskat, Anis, Koriander, Lakritze, Rum und viele weitere Zutaten geben den vielen Priemsorten ein einzigartiges und langandauerndes Aroma. Insbesondere die Seeleute sagten, dass der Priem eine „kräftige Spucke“ gebe; das war für das Arbeiten an Bord eine große Hilfe. Das Rauchen von Zigaretten oder Zigarren ließ sich mit der Arbeit von Heizern, Lokführern und Beschäftigten an Hochöfen nicht vereinbaren. Auch andere Berufsgruppen wie Bergleute und Forstangestellte, bei denen aus Sicherheitsgründen Rauchverbot bestand, griffen gern zum Kautabak. Er wurde über Kolonial- und Tabakwarenhändler sowie über Gastwirte vertrieben, die ihn in irdene Gefäße füllten, um ihn recht lange frisch zu halten. Mit dem Einzug der Werbung, Ende des 19. Jahrhunderts, wurden von den einzelnen Firmen unterschiedliche Steinzeuggefäße gestaltet. Diese wurden auf einer Töpferscheibe gedreht, entsprechend geformt und reichhaltig verziert. Separat wurden die Knäufe gedreht und auch dekorative Deckel gefertigt. In der Museumssammlung befinden sich hochformatige Kautabaktöpfe mit dem
Esskultur damals am Niederrheinn
So kochen wir am Niederrhein … Dekor der Gründerzeit aus den Anfangsjahren sowie auch spätere längliche und niedrigere Formen. Die Firma Grimm und Triepel in Nordhausen ist ein Relikt aus der „guten alten Zeit“. Als letzte aus einer Reihe von Unternehmen, deren Existenz bereits im 18. Jahrhundert nachgewiesen werden kann, stellt sie heute noch Kautabak her. (Aus: Museums-Info Neukirchen-Vluyn, August 2001)
Tabaktopf, Deckel mit Tonfigur, 1900
Tabaktopf, Westerwälder Steinzeug, 1900
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Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein …
„Eine allerliebste und lehrreiche Beschäftigung für kleine Mädchen ist das Kochen auf dem Puppenheerde“ Puppenküchen und Puppenkochbücher als kulturgeschichtliche Quelle Diana Finkele Leiterin des Grafschafter Museums im Moerser Schloss
Zur Sammlung des Grafschafter Museums gehören zahlreiche historische Puppenstuben, Puppenküchen und sogar Puppenkochbücher. Mit ihnen spielten Mädchen aus Moers und Umgebung. Die Spielküchen und Kochbücher verraten uns heute zahlreiche kultur- und gesellschaftsgeschichtliche Details: Erzählen uns Puppenstuben oder Puppenhäuser als idealtypische Abbilder im Kleinen viel über die Geschichte des Wohnens, berichten uns Puppenkochbücher nicht nur von geschlechtsspezifischer Erziehung, sondern spiegeln ebenso die Veränderung der Nahrungsmittelzubereitung in den kleinen und „großen“ Küchen. Puppenstuben sind die bescheidenere Version der Puppenhäuser, die seit dem 16. Jahrhundert bekannt sind. Damals waren sie nicht Spielzeuge, sondern wertvolle Anschauungs- und Repräsentationsobjekte Adeliger. In bürgerlichen Kreisen kamen die Puppenstuben im 19. Jahrhundert in Mode. Sie waren zwar immer noch repräsentatives Spielzeug – denn für einen großen Teil der Gesellschaft stellte die bürgerliche Wohnstube im Kleinen immer noch unerfüllbare Wohnträume dar –,
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Puppenwohnstube
hatten aber nun eine starke pädagogische Funktion: Sie wandten sich an Mädchen, die mittels der mit liebevollen Details ausgestatteten Puppenstuben auf ihre künftige Rolle als Vorsteherin des Hauses vorbereitet und ganz auf das Häusliche – das Private – festgelegt wurden. Puppenküchen Aus den Puppenstuben verselbständigte sich um 1750 die Puppenküche. Gegenüber anderen Hausteilen wie dem Salon und dem Zimmer hatte sie einen erheblich höheren „Spielwert“, da sie eine höhere Spielaktivität zuließ. Zeitversetzt machte die Puppenküche alle technischen Fortschritte ihres „großen“ Vorbildes mit: Verschwand die Rauchfang-Küche mit offener Feuerstelle ab 1850 mit dem Einzug des „mobilen“ eisernen Herdes aus den Bauern- und Wohnhäusern, hielt auch der Puppenherd bald Einzug in die Puppenstuben. Die Blechküche kam im Großen wie im Kleinen in Mode. Zur gleichen Zeit verschwanden auch die Kleinviehställe aus den Puppenküchen – ganz wie in der Realität als Ausdruck der veränderten Lebens-, Arbeits- und Wohnsituation der ländlichen und städtischen Bevölkerung. Auch den technischen Fortschritt in der Wasserversorgung machten die Puppenküchen mit: Fließendes Wasser aus außen lie-
So kochen wir am Niederrhein …
Esskultur damals am Niederrhein
genden Wassertanks mit Fallwasser oder Handpumpe löste Eimer und Karaffen ab Mitte des 19. Jahrhunderts ab. Auch das Mobiliar veränderte sich: Mit dem Einzug der Küchenschränke in die großen Küchen ab 1870 verschwinden auch in den Puppenküchen bald die Tellerborde: die Funktionsküche löste die frühere Prunkküche ab. Nach Jugendstilund Reformküche zeigte schließlich auch die Puppenküche in den 1950er Jahren die volle Wirtschaftswunderfülle.
Puppenküche
Grafschafter Puppenküche, um 1835
Die Herauslösung der Puppenküche aus dem prunkvollen Puppenhaus kann auch als „Demokratisierung“ dieses Spielzeugzweiges gesehen werden: Bei deutlich günstigeren Preisen und geringerem Platzbedarf wurden
Grafschafter Puppenherd mit Spiritusbrenner
die Puppenküchen für weitere Bevölkerungskreise erschwinglich. Mit bescheidenerer Ausstattung konnten sie nun auch in die Wohnstuben der Arbeiterkinder einziehen. Später hat sich sogar ein Einzelelement aus der Puppenküche verselbständigt: der Puppenherd. Als der „mobile“ eiserne Herd Einzug in die Küche hielt, verschwand allmählich die gemauerte Feuerstelle aus den Puppenküchen – eine Errungenschaft des späten 19. Jahrhunderts. „Kochmaschinen“ boten die Möglichkeit, tatsächlich Feuer zu entfachen, mit Kerzen oder der so genannten „Weingeistlampe“, dem Spiritusbrenner. Natürlich machten die Puppenherde auch die weiteren technischen Fortschritte mit: Nach 1900 kamen mit Stadtgas beheizte Puppenherde auf, mit der Elektrifizierung kochte auch die Puppenköchin bald am Elektroherd.
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So kochen wir am Niederrhein …
Puppenkochbücher Nachdem sich die Puppenherde technisch so weit entwickelt hatten, dass sie zum Beispiel mit Spirituskochern funktionsfähig wurden, kamen Mitte des 19. Jahrhunderts Puppenkochbücher in Mode. Sie hatten nicht nur die Funktion einer Spielanleitung. Ihre erzieherische Ausrichtung lässt sich ebenso wie bei den Puppenküchen deutlich erkennen. Heißt es im Programm „Lieschens Puppenstube“ aus dem Jahr 1894 „… nicht früh genug kann dem Weibe sein wahrer Beruf nahegelegt werden, und dieses Buch hat den Zweck, das kleine Mädchen spielend in die weiblichen Pflichten und Tätigkeiten einzuführen und ihm dieselben lieb und leicht zu machen…“,1 machen auch die Puppenkochbücher keinen Hehl aus ihren Aufgaben: „… spielend [lernt ihr] die Anfangsgründe des Kochens, und wenn Ihr ein Mal älter werdet, und in Küche und Haushaltung
mitarbeiten müsst, so wird Euch Vieles schon bekannt sein oder doch leicht erscheinen, das Euch ohne diese nützliche Spielerei vielleicht bange machen dürfte.“ 2 So das Bekenntnis der bekannten württembergischen Kochbuchautorin Henriette Löffler,3 die um 1880 ein „kleines praktisches Kochbüchlein für die Puppenküche“ veröffentlichte. Olga Gumpert stellte im 19. Jahrhundert ihrem Puppenkochbuch ein richtiges Regelwerk voran. Es galt, die Mädchen Sauberkeit und Ordentlichkeit zu lehren: „So wie die Kochgeschirre, so muß auch der Kochheerd stets sauber sein. … Jeder Gegenstand der Puppenküche muß seinen bestimmten Platz haben, damit derselbe jederzeit zur Hand ist, wenn ihr ihn braucht.“ Auch ohne Disziplin scheint es in der Puppenküche nicht zu gehen: „Von den Sachen, welche ihr zum Kochen erhaltet, darf nicht genascht werden. Naschkätzchen lernen niemals kochen.“ 4
Puppenkochbücher aus dem 19. Jahrhundert
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Esskultur damals am Niederrhein
So kochen wir am Niederrhein … Brühwürfel, Soßenpulver und „Backin“ Clevere Unternehmer entdeckten das Puppenkochbuch bald für Werbezwecke. So versprach das „Dr. Oetker Kochbuch für die Puppenküche“ eine frühe Kundenbindung. Mussten die kleinen Köchinnen in Henriette Löfflers Kochbüchlein für die Herstellung einer Grießsuppe noch aus Mutters Küche die Fleischbrühe besorgen („Die Fleischbrühe zur Suppe könnt ihr freilich nicht selbst machen, dazu ist eure Küche nicht recht geeignet…“), geht’s bei Dr. Oetker schon einfacher: „Nimm den Topf von der Kochstelle und gib den Fleischbrühwürfel dazu.“ Besonders bei den Süßspeisen und Kuchen greift Oetkers Puppenkochbuch intensiv auf die eigenen Firmenprodukte zurück. So brauchte es für den Apfel- und Pflaumenkuchen beispielsweise Dr. Oetkers Soßen-Pulver Vanille-Geschmack und Dr. Oetkers Backpulver „Backin“. Auch die erzieherischen Vorworte der Puppenkochbücher aus dem 19. Jahrhundert sind in Dr. Oetkers Puppenkochbuch längst durch eine Marketingstrategie abgelöst worden: „Darum merkt Euch schon beizeiten, – wie es auch die Oma tat – Folget Dr. Oetker’s Rat!: »Kuchen, Torten, Bäckerei, Pudding, Soßen, süßer Brei sind vorzüglich zubereitet, wenn Euch Dr. Oetker leitet!« Willst Du gut beraten sein – Präg Dir diesen Namen ein.“ 5
Anmerkungen 1 Zitiert nach: Reinelt, Sabine: Puppenküchen und Puppenherde in drei Jahrhunderten. Weingarten 1985. Zitat S. 135. 2 Henriette Löfflers kleines praktisches Kochbüchlein für die Puppenküche. Eine nützliche Gabe für junge Mädchen. Ulm o. J. [um 1880]. 3 Henriette Löffler war in die Fußstapfen ihrer Mutter Luise Löffler getreten, der ersten württembergischen Kochbuchautorin. 4 Die erfahrene Puppenköchin von Olga Gumpert. Wurzen und Leipzig o. J. Zitat S. 4. 5 Dr. Oetker Kochbuch. Für die Puppenküche. Bielefeld o. J. [um 1950]. Zitat S. 7.
Dr. Oetker Kochbuch für die Puppenküche, um 1950/60
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Esskultur damals am Niederrhein
Gebäck und Brauchtum im Jahreskreis Margret Ueltgesforth Landfrauenvorsitzende Kreis Wesel
Vieles, sehr vieles hat sich auf dem Land verändert in den letzten Jahrzehnten. Die Betriebe haben aufgegeben oder wirtschaften mit einer Einkommensalternative. Als Landfrau aber ist mir die Liebe zu unseren Höfen in der so schönen Niederrheinlandschaft geblieben. Für viele Menschen ist es ein Traum, auf dem Land zu leben, wo vieles noch überschaubar ist. Hier lebt man Tradition und Brauchtum, ist mit seiner Umgebung eng verbunden und tief in ihr verwurzelt. Die Küche war Dreh- und Angelpunkt der Bauernhäuser. Die Wärme des Herdes, der große Esstisch – hier wurde gewerkelt, gekocht, gegessen und viel erzählt. Der Jahresrhythmus und unsere hiesigen landwirtschaftlichen Produkte aus Feld und Garten haben unsere Essgewohnheiten geprägt. Der regionale Bezug und die Jahreszeiten mit ihren feierlichen Höhepunkten sind die Grundlage vieler bewährter Rezepte. Dabei sind die Überlieferungen und Bräuche von Region zu Region sehr unterschiedlich. Zu allen Festen im Jahresverlauf gab es Brauchtumsgebäck. Im Volksglauben hatte jedes Gebäck eine tiefe Bedeutung. Davon weiß man heute oft nichts mehr, diese volkstümliche Bedeutung ist verlorengegangen, man ist sich ihrer kaum noch bewusst.
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So kochen wir am Niederrhein … Das neue Jahr beginnt bei uns mit den traditionellen Ballbäuschen (auch Bollebäuschen). Sie sind auch heute noch sehr beliebt. Früher brachte man Freunden und Nachbarn mit den Neujahrswünschen eine Kostprobe, und es wurde gefachsimpelt, wer die leckersten Ballbäuschen gebacken hatte.
Ballbäuschen (plattdeutsch Olegkücksken) • etwa 1/8 l Milch • 20 g Hefe • 50 g Zucker • 30 g Butter • 3 Eier • 250 g Mehl • 125 g Rosinen • 1 TL Zimt • Fett zum Ausbacken
Ballebäuschenform
Die Milch erwärmen. Die Hefe in einer kleinen Schüssel zerbröckeln, etwas Zucker und die Milch zugeben und gehen lassen. Die Butter zu Schaum rühren, den restlichen Zucker, die Eier und einen Teil des Mehls unterrühren, dann die Hefemasse, das restliche Mehl, Rosinen und Zimt hinzufügen. Den Teig gut durcharbeiten und dann zum Aufgehen an einen warmen Ort stellen.
So kochen wir am Niederrhein … Dann mit einem Löffel kleine Teighäufchen abstechen und in siedendem Fett schwimmend goldgelb ausbacken. Auf einem Kuchenrost abtropfen lassen und noch warm in feinstem Zucker wälzen. Ostern ist eines der ältesten Feste und geht auf das jüdische Passahfest zurück. Nach der langen Fastenzeit wurde zu Ostern üppig gebacken. Das Gebildebrot zu Ostern war der Osterhase als Symbol der Auferstehung. Auch das Ei ist ein Ostersymbol und weist auf die Auferstehung und neues Leben hin.
Osterhasen • 500 g Mehl • 80 g Zucker • 1 Päckchen Hefe • 1/4 l Milch • 80 g Fett • 1 TL Salz • 1 Ei
Backform für Osterhase
Das Mehl in eine Schüssel geben. In die Mitte eine Vertiefung eindrücken, etwas Zucker und die zerbröselte Hefe hineingeben, mit wenig warmer Milch einen Vorteig anrühren und gehen lassen. Dann das Fett, die restliche Milch, Zucker und Salz erwärmen, zum Vorteig geben und alles zu einem glatten Teig verarbeiten. Aus dem Teig flache Hasen formen und auf
Esskultur damals am Niederrhein ein Backblech legen, nochmals gehen lassen, dann mit verquirltem Ei bestreichen und bei 200 °C ca. 15 Minuten backen. Das Erntefest ist auf dem Hof ein weiterer Höhepunkt im Jahresverlauf. Es gab in heidnischen Zeiten eine Menge Erntedämonen, die besänftigt und versöhnt werden mussten, weil es sonst mit der Nahrung schlecht bestellt war. Da gibt es die verschiedensten Erntebräuche. Heute treffen wir uns unter der Erntekrone, tauschen Gedanken aus, und ein leckerer Ernteschmaus rundet das Fest ab. Tart mit Obst war früher ein „Muss“ zum Erntefest. Es gab Zwetschentart und Appeltart, oder aber auch frischen Weck mit Rübenkraut.
Appeltart • 500 g Mehl • 100 g Zucker • 125 g Butter • 1/8–1/4 l Milch • 1 Päckchen Hefe • 2 Eier • 1 Prise Salz • abgeriebene Schale von 1 Zitrone • 1 kg Äpfel • Saft von 1/2 Zitrone • 125 g Rosinen • 2–3 EL Zucker Aus den Zutaten bis zur Zitronenschale einen Hefeteig herstellen. Ein Tortenblech fetten und mit zwei Dritteln des Teigs auslegen. Die Äpfel schälen, vierteln, entkernen und in Scheiben schneiden. Mit Zitronensaft beträufeln, dann mit Rosinen und Zucker mischen und auf dem Teig verteilen. Den restlichen Teig ausrollen und als Decke über die Äpfel geben, am Rand andrücken und mit verquirltem Ei bestreichen. Mit einer Gabel einstechen und bei 200 °C ca. 20 Minuten backen.
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Esskultur damals am Niederrhein Sankt Martin war ein wichtiger Tag im Landleben. Zu Martini wechselten die Dienstboten ihre Stellung, und jegliche Pacht, Zinsen und Steuern wurden fällig. Das Gebildebrot war der Weckmann. Er wurde am Martinstag gebacken und als Glücksbringer an Freunde und Verwandte sowie an Geschäftsfreunde verteilt. Heute ist der Weckmann ein Geschenk für unsere Kinder. Zu Nikolaus wurden ähnliche Figuren hergestellt, aber dann aus Mürbeteig.
Weckmann • 250 g Weizenmehl • 150 g Butter • 3 Eigelb • abgeriebene Zitronenschale • 1 Vanilleschote • Korinthen Aus Mehl, Butter, Eigelb, Zitronenschale und Vanillemark einen Mürbeteig herstellen und ruhen lassen. Dann nicht zu dünn ausrollen und Männerfiguren ausschneiden. Jeweils 2 Korinthen als Augen eindrücken, einen Mund einschneiden oder, wenn man hat, eine kleine Tonpfeife eindrücken. Die Weckmänner auf ein gefettetes Backblech legen und bei mittlerer Hitze goldbraun backen. Man kann sie auch aus einem guten Hefeteig herstellen (siehe Rezept Appeltart). Das Weihnachtsfest ist eines der schönsten Feste im Jahr. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, es ist die dunkelste Zeit, und so werden Haus und Umfeld mit vielen Lichtern geschmückt. Und es wird gekocht und gebacken, was Küche und Keller hergeben. Vor allen Dingen wurden und werden viele Plätzchen gebacken. Eine Plätzchensorte, das Ochsenauge, so sagen wir im Volksmund, war möglicherweise ein Sonnensymbol. Und Sterne erinnern an den Stern von Bethlehem.
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So kochen wir am Niederrhein … Hier zwei Gebäcksorten:
Spekulatius • 250 g Butter • 200 g Farinzucker • 1 Msp. Hirschhornsalz • 1/2 TL Wasser • 500 g Mehl • 1/2 TL Kardamom • 1 TL Zimt • 1 TL gemahlene Nelken Butter und Zucker schaumig rühren. Das in wenig Wasser aufgelöste Hirschhornsalz dazugeben, das mit den Gewürzen gemischte Mehl darüber streuen und den Teig sehr schnell durchkneten. Dann möglichst über Nacht kalt stellen. Den Teig zur Rolle formen und in Holzformen (Spekulatiusformen), die mit Mehl ausgestreut sind, eindrücken und auf den Formen ausrollen. Den überstehenden Teig abschneiden und den Spekulatius aus der Form herausschlagen. Auf ein gefettetes Blech legen und bei 180 °C hellbraun backen. Makronen • 4 Eiweiß • 200 g Puderzucker • 150 g gemahlene Mandeln • 50 g Kartoffelmehl • 3–4 TL Arrak • einige Tropfen Rosenwasser Eiweiß mit Puderzucker zu Schnee schlagen. Die übrigen Zutaten zugeben und unterheben. Ein Backblech mit Wasser bestreichen. Mit zwei Teelöffeln kleine Makronenhäufchen formen und auf das Blech setzen. Bei 170 °C backen. Immer wurde auf dem Bauernhof in der Küche viel gearbeitet. Zu den Festen im Jahresverlauf war es besonders schön. Groß-
So kochen wir am Niederrhein …
Esskultur damals am Niederrhein
mutter, Mutter, Kinder und Mitarbeiter – alle hatten eine Aufgabe. Ob das Mehl gesiebt werden musste, die Äpfel geschält, die Nüsse geknackt, die Backbleche belegt und gereinigt werden mussten – jede Hand wurde gebraucht. Bei diesen Tätigkeiten wurde viel erzählt und viel gelacht. Noch heute ist unsere Küche Zentrum des Hauses und Umschlagplatz für alle Neuigkeiten, die es zu besprechen gibt. Es macht sehr viel Freude, in der Küche zu werkeln und zu verweilen.
Holzmodel für Spekulatius Historischer Christbaumschmuck
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Aus dem Kochbuch von Wilhelm Schmitz Rheinberg, um 1825 Theo Horster
Im Rheinberger Stadtarchiv wird ein altes Kochbuch aufbewahrt, auf dessen erster Seite in Schönschrift geschrieben steht, von wem es stammt: Wilhelm Schmitz, und darunter: Rheinberg. Und die Jahreszahl auf der nächsten Seite könnte (das Papier ist etwas zerknittert) 1825 sein. Das würde zu dem passen, was wir über den Schreiber herausgefunden haben.
Johann Wilhelm Schmitz wurde im Jahre 1801 in Rheinberg geboren. Nach dem Schulabschluss erlernte er das Bäckerhandwerk und ging dann, wie es damals üblich war, als junger Bäckergeselle auf Wanderschaft, sieben Jahre lang. Er stellte seine Fachkenntnisse und Arbeitskraft den verschiedensten Meistern zur Verfügung und kam in Europa weit herum; so arbeitete er unter anderem in Süd-
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deutschland, in der Schweiz, in Italien, Ungarn, Polen und Preußen. Während dieser Zeit erlernte er zusätzlich auch das Handwerk der Destillation, der Branntweinherstellung. Zurück in Rheinberg, heiratete er 1832 Friederike Holter, die Tochter eines Rheinberger Brauers. Den Eheleuten wurden zehn Kinder geboren; sie wuchsen in Rheinberg in der Rheinstraße auf, wo Wilhelm und Friederike Schmitz eine Bäckerei und eine Destillerie betrieben. Vermutlich hat sich Johann Wilhelm Schmitz während der Wanderjahre an den Arbeitsplätzen in den verschiedenen Gegenden die ortsüblichen Back- und Braurezepte notiert, mit in die Heimat gebracht und hier den Kunden dann Produkte anbieten können, von denen das eine oder andere sicherlich eine neue Geschmacksvariante bot. Er fasste diese Notizen in einer Kladde zusammen und hinterließ sie der Nachwelt. Dabei schrieb er, wie er wohl auch sprach: in der heimatlichen Mundart, die hin und wieder mit hochdeutschen Wörtern durchsetzt ist. In der Rechtschreibung ist er dabei variabel, schreibt zum Beispiel mal lott, mal loth (= Lot). Einen „Duden“ gab es damals noch nicht. Einige Rezepte sind geradezu kalligraphisch gemalt, andere eher flüchtig hingeworfen.
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Es fällt auf, dass Wilhelm Schmitz meistens nur die Zutaten für die verschiedensten Produkte aufgeschrieben hat; als Bäcker und Destillateur wusste er, was damit anzufangen war. Wenn bei einem Gebäck nur steht: 1 ponnt deich (1 Pfund Teig), ist wahrscheinlich eine Art Mürbeteig gemeint, aus Mehl, Fett (Butter) und Zucker zubereitet, dem dann für die verschiedenen Produkte die entsprechenden Zutaten zugefügt wurden. Das Buch wurde offenbar über einen längeren Zeitraum genutzt. Schmitz’ Handschrift ändert sich im Lauf der Jahre, und es gibt auch Einträge anderer Personen. Einer ist mit dem Datum 11. September 1849 versehen. Aus diesen Aufzeichnungen haben wir einige Seiten ausgewählt. Bei der Abbildung steht zunächst eine buchstabengetreue Transkription der für viele nicht mehr lesbaren alten deutschen Schrift (die mit lateinischen Buchstaben abwechselt oder gemischt ist) und darunter eine „Übersetzung“ in heutiges Deutsch. Nicht übersetzt wurden die alten Mengenangaben, die sich nicht genau in Gramm oder Milliliter umrechnen lassen: das Loth (Lot – etwa 1/30 Pfund, also ungefähr 17 Gramm), das Ohm (ein altes Flüssigkeitsmaß, ca. 130–160 Liter), das oder die Quart (eben falls ein altes deutsches Flüssigkeitsmaß, ca. 0,24–1,1 Liter). Man kochte und backte ohnehin mehr mit Gefühl und Erfahrung als mit der Küchenwaage.
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Mand Berg 1 1/2 P. Mandele zu Schnitte geschnitte 1 P. Zucker mit 5 Ey durcheinander gerürt und denn die Mandele mit die Hand darunder und auf Bleck zu Berg gesetz Mandelberg 1 1/2 Pfund Mandeln zu Schnitten [Scheiben, Blättchen] geschnitten, 1 Pfund Zucker mit 5 Eiern durcheinandergerührt und dann die Mandeln mit der Hand darunter [gemengt] und auf (einem) Blech zu Berg gesetzt (zu kleinen Kegeln geformt ??)
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Brod Torta 1/4 P. Mandele mit 2 Eyer 1/4 mit 4 ganze und 4 gelbe und 4 zu Schneh 6 loth Brod und Mehl Brottorte 1/4 Pfund Mandeln mit 2 Eiern [verrühren], 1/4 [Pfund Mandeln] mit 4 ganzen [Eiern] und 4 Eigelb und 4 zu Schnee [geschlagenen Eiweiß verrühren], 6 Lot Brot und Mehl Mad Torte 12 loth Mandele mit 3 ganze Eyer gerieben 12 loth Zucker mit 6 ganze Eyer und 6 gelbe 6 zu Schneh 6 loth Mehl Mandeltorte 12 Lot Mandeln mit 3 ganzen Eiern gerieben, 12 Lot Zucker mit 6 ganzen Eiern und 6 Eigelb und 6 zu Schnee [geschlagenen Eiweiß], 6 Lot Mehl Pefernüße 1 P. Zucker 1 P. Krümele 1 P. Mehl 3 loth Pommeran[zen-] und Cidronneschal 6 Eyer mit zimmet und gewürtz und Potasch Pfeffernüsse 1 Pfund Zucker, 1 Pfund [!] Kümmel, 1 Pfund Mehl, 3 Lot Pomeranzen- und Zitronenschale, 6 Eier mit Zimt und Gewürz [Pfefferkuchengewürz?] und Pottasche
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Breunen Kaies 1 pontt Deg 4 lott botter 4 lott Strop 1 half lott nagelle 1 half lott knell en dan breunen Seuker op dee banck geleitt en dee kaies gestreken en dan in de Seuckker geleitt en op de plath gesett Braune Steine (Dominosteine) 1 Pfund Teig, 4 Lot Butter, 4 Lot Sirup, 1 halbes Lot Nelken, 1 halbes Lot Zimt (Kaneel) und dann braunen Zucker auf die Bank geführt [gelegt] und die Steine gestrichen und dann in den Zucker geführt [gelegt] und auf die Platte gesetzt.
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Bitter Extract • Oranienschalen 12 Pfund • Oranienaepfel 7 Pfund • Calmus 6 Loth • Zimmet 1/2 Pfund • Enzian Wurzel 3 Pfund • Galanga Wurzel 14 Loth • Nelken 5 Loth • Amömlein 10 Loth • Cälinturholz 10 Pfund • Brantwein 1 Ohm • Wasser 16 Quart Bitter Extrakt • Orangenschalen 12 Pfund • Orangenäpfel 7 Pfund • Calmus 6 Lot • Zimt 1/2 Pfund • Enzianwurzel 3 Pfund • Galangewurzel 14 Lot • Nelken 5 Lot • Nelkenpfeffer 10 Lot • Cälinturholz 10 Pfund • Branntwein 1 Ohm • Wasser 16 Quart
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Boonekamp oder Maag. Bitter ½ Ohm • 1 Pfund Rhabarber geschnitten • 1 Pfund Bitterwurzel • 1 Pfund Gentian • 1/2 Pfund Lerchenschwamm • 1 Loth Anisoel • 1/2 Loth Nelkenoel • 10 Pfund gekochten Zucker • gebr. Zucker Boonekamp oder Magenbitter für 1/2 Ohm • 1 Pfund Rhabarber geschnitten • 1 Pfund Bitterwurzel geschn. • 1 Pfund Gentian geschn. • 1/2 Pfund K’Lerchenschwamm geschn. • 1 Lot Anisöl • 1/2 Lot Nelkenöl • 10 Pfund gekochten Zucker • gebrannten Zucker
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Rheinbergisch kochen mit Hein Hoppmann Ein Streifzug durch Küche und Keller
Wussten Sie, dass es ein Wörterbuch der Rheinberger Mundart gibt? Josef Gormanns hat es geschrieben und die Stadt Rheinberg hat es 1989 herausgegeben, als Band 2 der Schriften zur Geschichte und Heimatkunde – eine Rarität, denn es wurden nur 200 Exemplare gedruckt. Das ist kein Wörterbuch wie jedes andere, hier werden nicht Wörter der Mundart nach dem ABC aufgereiht und mit hochdeutscher Übersetzung versehen, hier werden einzelne Lebensbereiche vorgestellt und man erfährt, wie dort geredet wird, welche Ausdrücke man verwendet, welche Redensarten, welche Sprichwörter. Gerade sie bewahren viel von dem auf, wie man früher gelebt hat. Wir haben den Bereich „Ernährung“ gewählt, wie sich das für ein KochKulturBuch gehört, und einiges daraus neu zusammengestellt, in der Mundart und (meist) mit der „hochdeutschen“ Übersetzung. Die Zeichnungen stammen nicht aus diesem Wörterbuch, sondern von Hein Hoppmann, der, als er sie aufs Papier brachte (er starb 81-jährig am 18. August 1982), natürlich nicht ahnen konnte, in welchen Zusammenhang sie hier gebracht werden (allerdings ist das Umschlagbild zum Wörterbuch von ihm). Sollte sich jemand getroffen fühlen – Ähnlichkeiten mit lebenden oder nicht mehr lebenden Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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„Kom ääte!“, ruft die Mutter, und bald darauf sitzen alle um den Tisch. Aber das ist ja eigentlich der Abschluss, vor dem Essen kommt das Kochen. Doch wenn, wie in diesem Buch, alles um das Essen kreist, kann man gar nicht so genau sagen, was der Anfang und was das Ende ist: Nach dem Essen ist vor dem Essen, nach dem Abwasch (unsere Ahnen hatten keine Spülmaschine, es sei denn der Ehemann gewesen) hat mancher schon wieder Hunger, und das Ganze geht von vorn los. Wir drehen den Wasserhahn auf – damit fängt es meist an: um Gemüse zu waschen oder Wasser für die Nudeln aufzusetzen. Unsere Vorfahren (so lange ist das noch gar nicht her) hatten es da schwerer: Sie mussten das Waater vom Brunnen holen, der nicht immer gleich vor der Hautür stand, mit der Waaterpompe pumpten sie es in die mitgebrachten Ämers und Toite und Büte (Eimer, Kannen, Wannen) und schleppten es nach Haus. Dabei konnten sie auch sehen, ob dat Brantküüwe gefüllt war, das Brandfass, das neben dem Brunnen stand und wegen der ständigen Brandgefahr (die vielen Häuser aus Holz!) immer randvoll sein musste. Da „randvoll“ auch aus anderen Situationen bekannt war, musste sich mancher nachsagen lassen: Hai ös soo fol wi än Brantküüwe (Er ist so voll wie ein Brandfass).
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Esskultur damals am Niederrhein Nichts von alledem: Es gibt Hühnersuppe. Denn (der Gärtner holt ein Bund Suppengrün aus seinem Korb) wei häbe än Hun geschlach. Et gäf Hundersup on Hunderflaisch (wir haben ein Huhn geschlachtet. Es gibt Hühnersuppe und Hühnerfleisch). Nicht lange (das Huhn war jung), und die Suppe ist fertig.
Hat man Wasser, kann man Suppe kochen. Aber welche? Der Gärtner kommt und bietet seine Produkte an: Alles ganz frisch!
Gemüüssup? Ääertessup? Boonesup (Gemüse-, Erbsen-, Bohnensuppe)? Doch Wete Kapes und Rooje Kapes und Muus (Weißkohl, Rotkohl und Grünkohl) hat er auch dabei. Also keine Suppe, lieber Eintopf? Aber wenn es Dike Boone gibt mit Schpäk (sofern das ein Eintopf ist), rümpft mancher die Nase, auch wenn er dann als einer, der etwas Besseres sein (und essen) will, verspottet wird: Seewe dike Boone on äne Rüüter Schpäk, wän dat nit lös, dat ös äne Gäk (Sieben dicke Bohnen und ein Stück Speck, wer das nicht mag, das ist ein Geck). Also doch lieber Suppe. Nur keine Pap (Milchsuppe), die gibt es eher abends oder auch morgens, ebenso wie die Risepap (Reissuppe) oder die Kärnemälkpap mät Prume (Buttermilchsuppe mit Pflaumen – aber wann isst man die?) oder die Grismäälspap (Grießmehlsuppe) oder die Krentepap (Milchsuppe mit Korinthen) oder die Knuudelspap (Milchsuppe mit Mehlklümpchen).
Anderes Geflügel kommt nur an besonderen Tagen auf den Tisch. Sälde ääte wei Änteflaisch, Ganseflaisch on Schruteflaisch. (Selten essen wir Entenfleisch, Gänsefleisch und Fleisch vom Truthahn.) Auch Duuweflaisch schmäk guut (Taubenfleisch schmeckt gut). (Sollten etwa die Bergleute – die anderen, die vom Ruhrgebiet – ihre liebevoll gezüchteten Brieftauben verspeist haben, wenn sie die Post nicht pünktlich brachten?)
Sie mögen kein Huhn? Gehen Sie zum Metzger, da finden Sie alles: Rentflaisch, Pogeflaisch, Färkesflaisch, Schopsflaisch (Rind, Schwein, Ferkel, Schaf), alles küchenfertig.
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Und Innereien: Lääwer, Härt, Irkes, Häne, Koje (Leber, Herz, Nieren, Hirn, Kutteln) – und Worsch (Wurst) natürlich, die können Sie für den Abend gleich mitnehmen: Lääwerworsch, Flaischworsch, Mätworsch, Bluutworsch, Irkesworsch. Die Auswahl ist heute natürlich unendlich viel größer, aber in den Zeiten, als man noch selber schlachtete,
So kochen wir am Niederrhein … und Fisch kannst du essen, soviel du magst), sagte man früher, weil es das alles im Überfluss gab. Altrhein, der Rheinstrom und zahlreiche Wooje (Wasserteiche) waren überreich an Fischen. Salme, Schnüük oder Brääsem (Hechte) und Maifesch wurden mit Näte (Netzen), Klääfgaan (Absperrnetzen) und Tütebäle (Fischsenken) gefangen. Aale fing man mit Fuke (Reusen) und Oolkörwe (Aalkörben), die oft aus Welegetäkskes (Weidenzweigen) geflochten waren. Natürlich konnte man auch einfach die Angel auswerfen …
Aber Mutter kann den Fisch jetzt nicht brauchen. Sie steht ja schon am Herd, etwas ratlos, wie es scheint, vielleicht probiert sie etwas Neues aus und schaut deshalb ins Kochbuch („So kochen wir am Niederrhein“ ist es leider nicht): stellte man auch die Wurst selbst her, und das waren meist diese Sorten. Und sie schmeckten! Än Schtök Bluut- on Lääwerworsch, än Rebeschtök, dooerbei än Schtök Balkenbrai fan en fresch geschlach Pok, ös änen Hötspoot (Ein Stück Blut- und Leberwurst, ein Rippenstück, dazu ein Stück Panhas vom frisch geschlachteten Schwein ist ein Hötspot), sagte man dann wohl. Man liebte es deftig. Soll es jedoch Fleisch nicht sein, wie wäre es dann mit Fisch? Schlaat, Kärsche on Fesch kas’te ääte, soovööl do lös (Salat, Kirschen
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Doch dann ist endlich alles fertig und kann aufgefahren werden:
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Esskultur damals am Niederrhein Magen verdorben, weil er zuviel gegessen und getrunken hat.) Die weiß Rat: Hai solne meer faste. (Er sollte mehr fasten.) Beim Nachtisch strahlen die Gesichter wieder. Denn der – Muttern hat’s dazu nicht mehr gereicht – kommt vom Party-Service der Lieblingseisdiele:
Und Mutter ruft die Hausgenossen zusammen: Dat Ääte schteet op dän Desch! (Das Essen steht auf dem Tisch!) Als der Hausvater sieht, dass die Kinder ziemlich misstrauisch beäugen, was da serviert wird, wird er pädagogisch: Was auf den Tisch kommt, wird gegessen! Das sagt er aber auf Rheinbergisch: Än gut Färke frät ales! (Ein gutes Schwein frisst alles!)
Und alle langen zu, möglichst geräuscharm: schlatse on schlörpe (schmatzen und schlürfen) sind verpönt. Diesen Vorgang kann man verschieden benennen: achele (speisen), frääte (fressen oder futtern), sech schtärk maake (sich stärken), möfele (schmausen), frääte wi än Ku (prassen), sech wat drinsäte (sich einverleiben), sech dän Buk folhaue (sich den Bauch voll schlagen). Mancher frät dabei wi äne Plagenhäuer (wie ein Plaggenhauer) oder füllt sich mehr auf den Teller, als er heronderprofe (herunterwürgen) kann; den verspottet man: Sin Ooge sint grööter as dän Buk (Seine Augen sind größer als der Bauch). Manchmal muss er das büßen; dann erzählt die Mutter der Nachbarin: Hai häät sech dä Maach ferdörwe, weil hai tu fööl gegääte on gedronke häät. (Er hat sich den
Weil Sonntag ist, sagt die Mutter, bevor sie den Tisch abräumt: Öm fiier Üüer drenke wei Kofi (Um vier Uhr trinken wir Kaffee). Vielleicht sogar richtigen Boonekofi aus echten Kofiboone! Den gab es hierzulande erst seit etwa 1900, und nur an Sonn- und Festtagen. Durchweg trank man Mukefuk, Maltskofi (Malzkaffee) oder gebrande Rok (gebrannten Roggen).
Dazu gab es Kuuk (Kuchen) oder Deeltjes (Teilchen). Einfacher Proofkuk (Streuselkuchen) wurde öfter gebacken, weil er nicht viel Arbeit machte, war aber nicht sehr beliebt, denn er war so trocken, dass man ihn heronderprofe musste. Lieber aß man Obstkuchen:
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Esskultur damals am Niederrhein Prumetaat oder Apeltaat (Pflaumen- oder Apfeltorte; die Früchte kamen aus dem eigenen Garten) oder auch Krentewäk (Rosinenweißbrot), denn än Schnee Krentewäk mät guje Boter schmiik läker (eine Schnitte Rosinenweißbrot mit guter Butter schmeckt lecker).
Vielleicht noch ein Gläschen Schnaps? Zum Mittagessen gab es das auch schon – Win (Wein) nicht, der war zu teuer, und Biier gab es zwar häufiger, wurde aber meist nur an Festtagen getrunken: am Fasteloowent (Fastnacht) und an di Kärmesdaach (an den Kirmestagen). Oder soll man damit noch warten, bis zum Abend? Da steht Vater vor dem Haus, und als der Nachbar vorbei kommt, lädt er ihn ein: Komt bene, on drenk änen Bääs mät. (Komm herein, und trink einen Bääs mit.) Bääs, ein beliebtes Rheinberger „Nationalgetränk“, dat wooer äne op schwate Wimelte opgesate Schnaps (das war ein auf schwarze Johannisbeeren aufgesetzter Schnaps). Davon oder von anderem mitunter Selbstgebrannten stand im Keller eines jeden Hauses än Fätje (ein Fässchen).
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So kochen wir am Niederrhein … Beliebt war auch „Fisternöl“, dat ös Schnaps mät än Klöntje (Schnaps mit einem Stück Würfelzucker). Nicht ungefährlich, scheint’s, vor allem wenn einer nicht nur sagt: Ek häp änen Dorsch, ek kös änen Ämer Waater supe (Ich habe einen Durst, ich könnte einen Eimer Wasser saufen), sondern diesen Worten auch die Tat folgen lässt und meint, das „Wasser“ sei im Fätje. Der nähme womöglich ein böses Ende und man müsste von ihm sagen: Ös dä Fusel in dä Man, ös dä Ferschtant ine Kan. (Ist der Schnaps im Manne, ist der Verstand in der Kanne.)
Wir wünschen ihm aber ein gutes Ende, und allen, die da Rheinbergisch oder nicht Rheinbergisch kochen, backen, braten, brutzeln, essen und trinken, wünschen wir das auch. So:
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Hein Hoppmann Rheinberger Maler (1901–1982) Ein Kalbsgedicht zum Kalbsgericht Das lässt tief blicken! Der Nachbar meint: „Dies Kalb ist ja ein stattlich Tier, das hat sich aber rund und fett gefressen. Das schlachtest du doch sicherlich, so denk ich mir, zum nächsten Mittwoch für das Silberhochzeitsessen.“ Der Bauer lacht und spricht: „Ich nehme keine Rache, und darum will ich diesen Tod dem Tier ersparen. Das Kalb ist schließlich doch nicht schuld an einer Sache, die einst geschah vor fünfundzwanzig Jahren!“
Rotraud Vaupel-Hoppmann Rouladen vom Kalb mit Beilagen Für 4 Personen • • • • • • • • • • • • •
4 Kalbsschnitzel 200 g durchwachsener Speck 100 g Frischkäse 20 g Senf Salz, Pfeffer 200 g Champignons 1 Zwiebel 250 ml klare Gemüsebrühe Soßenbinder 800 g Rosenkohl 1 kg Kartoffeln Muskatnuss gerieben 1 Prise Zucker
Die Kalbsschnitzel platt klopfen. Den Speck klein würfeln und in der Pfanne auslassen. Den Frischkäse mit der Hälfte der Speckwürfel, dem Senf und einer Prise Salz und Pfeffer verrühren und auf die Schnitzel streichen. Darauf werden dünn geschnittene Champignonscheiben und Zwiebelscheiben gelegt. Die Schnitzel werden nun zu Rouladen gerollt und festgesteckt, in eine feuerfeste Form gelegt und mit der Gemüsebrühe angegossen. Im vorgeheizten Backofen sollen die Rouladen dann ca. 30 Minuten schmoren. Anschließend wird die Brühe mit Soßenbinder angedickt und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt. Der Rosenkohl wird geputzt und in Salzwasser gegart. Vor dem Servieren wird der Rosenkohl mit den restlichen Speckwürfeln, einer Prise Zucker und geriebener Muskatnuss gewürzt. Ein herzlicher Dank an Frau Rotraud VaupelHoppmann, die Tochter des Künstlers, die die Bilder und Texte von Hein Hoppmann zur Verfügung stellte.
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Niederrheinischer Küchenzettel Marga Härter
Das Leben: Der Tag begann oft schon um 4 Uhr in der Frühe, weil fast jeder Bürger ein Schwein, Ziegen, Schafe, Kaninchen und Hühner im Stall hatte, die vor Arbeitsbeginn versorgt werden mussten. Frühstück: Milchsuppe (Papp), Bratkartoffeln oder Pfannkuchen. Um 10 Uhr, zum zweiten Frühstück, selbstgebackenes Weißbrot, Schwarzbrot, Butter, Rübenkraut, Leber- und Blutwurst von der Hausschlachtung. An besonderen Feiertagen auch Schinken und luftgetrocknete Mettwurst. Mittags: Wenn um 12 Uhr die Glocken zu Mittag läuteten, stand ein deftiger Eintopf auf dem Tisch, der aus Kartoffeln und Gemüse aus dem eigenen Garten bestand: Melde, Spinat, Mangold, Salat aus dem Mistbeet, Erbsen, Möhren, Kappes rot und weiß, Wirsing, dicke Bohnen, Strauch- und Stangenbohnen, Endivien, Stielmus und Grünkohl. Dazu gab’s das Fleisch vom Schwein in gebratener oder gekochter Weise, ob durchwachsener oder geräucherter Speck, Rippchen oder gebratene Blutwurst. Der Speiseplan war abwechslungsreich, immer der Jahreszeit entsprechend. An Sonn- und Feiertagen ein festlicher Schweinebraten und eine Vorsuppe. Ganz besonders beliebt: die Hühnersuppe. Kaffee: Weißbrot, Schwarzbrot, Butter, Rübenkraut, Leber- und Blutwurst, Quark (Fleujtekees), Käse. Samstags gab’s frisch gebackenes Weißbrot mit Gelee von schwarzen
oder roten Johannisbeeren. Im Herbst auch Apfel- oder Pflaumenmus. – Sonntags meist Plattenkuchen (Blechkuchen). Abendessen: Kartoffeln mit Specksoße und Salat oder Bratkartoffeln mit Salat und eingelegtem Fisch (im Rhein geangelt), Pfannkuchen mit Obst der Jahreszeit belegt. Im Winter war der Pannhas mit Schwarzbrot und Rübenkraut sehr beliebt. Als Abschluss gab’s immer Milchsuppe. Das Essen am Niederrhein war einfach und deftig ...
Ärpele, Krutt on Papp hiele ons op drapp Marga Härter Dän alde Fretz fond ok all di Ärpele wonderbar, dröm sagg hej för sin Lüj in’t Land: „Baut döchteg Ärpele an!“ Hej wor jo enne ganz kluge Mann on sagg sech, van „Brot on Ärpele“, dor wördde allemool satt. Denn Ärpele, di sind jo so gesond on verdräglech för jedermann on watt man met Arpele alles make kann: Riewpannekuuk met Rüüwekrutt, dor riew ek mech dän Bukk, ok gebroojene blende Fesch koome op dän Desch. Di Ärpele döreen met Kappes, dat ätt bej ons doch jede Lappes. Pellärpele met Fleujtekees, dat gäw et jede Wääk. Van Ärpele wörd ok Schlaat gemak, dat es en feine Saak. Inne Wenter wörd dann Muus gekokk, met en dikke Mettwörsch bowen dropp. Ärpelekükkskes met Rüüwekrutt, dor lekk ek mech de Schnutt. Appelmuus met Stammpärpel, dat ös dän Himmel op Erd. Doch di Blaage, dat es kenne Wizz, wolle blos noch „Pommes Fritz“.
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Esskultur damals am Niederrhein Hochdeutsch: Kartoffeln, Rübenkraut und Milchsuppe hielten uns fit Der alte Fritz fand schon die Kartoffeln wunderbar, drum sagte er zu den Leuten im Land: „Baut tüchtig Kartoffeln an!“ Er war ja ein ganz kluger Mann und sagte sich: Von „Brot und Kartoffeln“, da werden alle satt. Denn Kartoffeln, die sind ja so gesund und verträglich für jedermann und was man mit Kartoffeln alles machen kann: Reibekuchen mit Rübenkraut, da reib’ ich mir den Bauch, auch gebratene blinde Fisch’ kamen auf den Tisch. Kartoffeleintopf mit weißem Kappes, das isst bei uns doch jeder Lappes. Pellkartoffeln mit Kräuterquark, das gab es jede Woche. Von Kartoffeln wurde Salat gemacht, das war ’ne feine Sache. Im Winter wird Grünkohl gekocht mit ’ner dicken Mettwurst oben drauf. Kartoffelküchlein mit Rübenkraut, da leck’ ich mir die Schnute. Apfelmus mit Stampfkartoffeln, das ist der Himmel auf Erden. Doch die Kinder, das ist kein Witz, wollen nur noch „Pommes Fritz“.
Örschau früjer Marga Härter Dat kleine Festongsstädtje Örschau, „di Perl vannen Önderrhin“, wor früjer, in min Jugendtitt, en blöjende Handelstadt met Zigaarefabrekke − groote on kleine −, di ör Produkte inne ganz Welt verschekkne. Genau so ok di Kornbrennerei de la Haye, ör Produkte wore nit blos bej de Piepemäkers on di ömleggende Buure beliew, ok inne ganze Welt. Ok
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So kochen wir am Niederrhein … als Schoolstadt hat Örschau enne guje Ruup. Di Präparandie, di laatere Meddelschool met Jongesinternat, war witt bekennt. Wenn et Fruchjoor koom, on di Obsbööm finge an te blöje, satt da Fremdeverkehr in. Di groote Dampfer met Fremde lagge mehrmools inne Wääk an. Di Gastronomie wor innet Städtje rikklech − ok met Koffigaades − verträje. Besonders beliew wore di Koffi- on Biergaades op da Rhindikk. Enne Gang, rond öm di Wäll van Örschau, inne Schatte van uralde Lendebööm, ronden dat Beld af. Dän Abschluss wor dann en Kaanpartie op de Kuupoortschegraww. Leider hät de Krieg alles kapott gemak
Hochdeutsch: Das kleine Festungsstädtchen Orsoy, „Perle am Niederrhein“, war früher, in meiner Jugendzeit, eine blühende Handelsstadt mit Zigarrenfabriken − großen und kleinen −, die ihre Produkte in die ganze Welt lieferten. Ebenso die Kornbrennerei de la Haye, deren Produkte nicht nur bei den Zigarrenmachern und den umliegenden Bauern beliebt, sondern weltweit bekannt waren. Auch als Schulstadt hatte Orsoy einen guten Ruf. Die Präparandie, spätere Mittelschule mit Jungeninternat, war sehr bekannt. Mit Beginn der Obstblüte setzte auch der jährliche Fremdenverkehr ein. Die Fahrgastschiffe legten mehrmals wöchentlich an. Die Gastronomie war im Städtchen reichlich – auch mit Kaffeegärten − vertreten. Besonders beliebt waren die Kaffee- und Biergärten auf dem Rheindeich. Ein Gang über die Wälle rund um Orsoy, im Schatten der uralten Lindenbäume, rundet das Bild ab. Der Abschluss war eine Kahnpartie auf dem Kuhteich. Leider hat der Krieg alles zerstört.
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Das Café Münster und Kuhtor um 1925
Rheingarten in Orsoy um 1930
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Schloss Bloemersheim Jeannette Freifrau von der Leyen Neukirchen-Vluyn
Ein eigenes Schloss zu besitzen, das hört sich ja glatt nach einem Märchen an. Für die Familie von Friedrich Freiherr von der Leyen ist es Realität, aber auch eine Lebensaufgabe. Schloss Bloemersheim befindet sich seit 1802 im Besitz der Familie. Und die 400 Hektar Land, Wald und Forst, die darum liegen, wollen gepflegt und bewirtschaftet werden. So ist
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der Baron, wie er in der Region gern genannt wird, als Gutsverwalter den ganzen Tag über fleißig auf den Beinen. Denn er sieht überall nach dem Rechten und sorgt dafür, dass alles richtig läuft. Dabei kennt er sich zum Beispiel mit der Reinhaltung von Teichen genauso gut aus wie mit Apfelsortier-Maschinen. Seine Erfahrung im Umgang mit Natur und Technik kommt den Kunden zugute. Als Unternehmer hat er mit 250 Hektar einen forstwirtschaftlichen Betrieb, der qualitativ hochwertiges Brenn- und Kaminholz anbietet. Sehr beliebt sind auch die Erzeugnisse der 30 Hektar
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Obstplantagen. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Heidelbeeren und Erdbeeren wachsen dort je nach Saison. Kühl- und Lagermöglichkeiten bestehen mit einer Kapazität für 1100 Tonnen. Obst und Früchte frisch und direkt aus der Region zu kaufen liegt im Trend. Seit 1993 lädt Schloss Bloemersheim zu klassischen Konzerten ein und öffnet sich so der Öffentlichkeit. Das Programm wird in Kooperation mit dem städtischen Kulturamt ausgearbeitet. Gemeinsam mit dem Stadtmarketing und Werbering der Stadt Neukirchen-Vluyn findet
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alle zwei Jahre (auch in diesem Jahr, 2008, wieder am 6. und 7. Dezember) ein großer Weihnachtsmarkt auf dem Schlosshofgelände statt. Ehrenamtlich ist Jeannette von der Leyen, die Baronin, zudem engagiert mit den „Literarischen Spaziergängen“ sowie der Organisation des jährlich stattfindenden Kindermusikfestivals Kloster Kamp. Auch bietet sie regelmäßig Führungen durch den Obstbaubetrieb oder den Park an, die für Besuchergruppen organisiert werden.
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Das Christliche Jugenddorf Niederrhein „Keiner darf verloren gehen!“
Im zerbombten Nachkriegsdeutschland steht Pastor Arnold Dannenmann im zerstörten Stuttgarter Hauptbahnhof und sieht die jungen Menschen, die sich ohne perspektiv- und chancenlos im Bahnhof aufhalten – und er hat eine Vision: Diese jungen Leute brauchen ein Dach über dem Kopf, eine warme Malzeit, ein neues Zuhause, eine Zukunftsperspektive
Eines der Wohnhäuser, in dem die Jugendlichen wohnen
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So kochen wir am Niederrhein … durch Bildung und Ausbildung und das Wissen um Gott, den Schöpfer des Lebens, der jedes Leben zur Entfaltung bringen möchte. So gründet Dannenmann 1947 in Stuttgart das „Christliche Wohlfahrtwerk“ als gemeinnützigen Verband und eingetragenen Verein, aus dem das CJD – Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e.V. hervorgegangen ist. Arnold Dannemann stellte die Arbeit des CJD unter das Motto „Keiner darf verloren gehen“. Später wurde diesem Gründungsgedanken das Motto „Jedem seine Chance!“ hinzugefügt. Jährlich nehmen mehr als 150 000 Menschen an über 150 Orten mit rund 8000 CJDMitarbeitenden die vielfältigen Angebote des CJD wahr. In den 1950er Jahren entstanden die großen Ruhrjugenddörfer. Im Ruhrgebiet fanden viele junge Menschen aus anderen Teilen
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Esskultur damals am Niederrhein
der Republik Ausbildungsmöglichkeiten im Bergbau. Das CJD kümmerte sich um die Begleitung der Auszubildenden. Hier lagen die Wurzeln auch für das CJD Niederrhein auf dem damaligen Zechengelände Rheinpreußen. Das CJD Berufsbildungswerk Niederrhein bietet seit 1977 lernbehinderten jungen Menschen die Möglichkeit der Berufsvorbereitung und der Ausbildung in zahlreichen Berufen des Handwerks, der Industrie und der Dienstleistungen. Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildungspalette ist die behindertengerechte Ausbildung zum Teil- oder Beikoch sowie die dreijährige Vollausbildung zum Koch oder zur Köchin. Neben der praxisnahen praktischen und theoretischen Ausbildung werden in besonderer Weise auch die seelischen und sozialen Fähigkeiten gefördert und gepflegt.
Dies wissen auch die mit dem CJD BBW Niederrhein eng kooperierenden Gastronomiebetriebe in der Region zu schätzen und heißen gerne die erfolgreichen Absolventen als Mitarbeiter in ihren Betrieben willkommen. Aktuell werden 38 Auszubildende in den Berufen Teil-/Beikoch und Koch/Köchin im Dienstleistungszentrum des CJD BBW Niederrhein ausgebildet, von denen fast jeder damit rechnen kann, eine Anstellung zu bekommen. Weitere Informationen gibt’s im Internet unter www.cjd-bbw-niederrhein.de
Das neue Dienstleistungszentrum
Nach dem Kochen wird die Küche gereinigt
In dieser modernen Küche lernen und arbeiten die Auszubildenden
Einsatz der Auszubildenden während der Jazztage im Alten Lehrerhaus Friemersheim
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Freunde und Fรถrderer
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