einführung BIBLIOTHEK HISTORISCHER DENKWÜRDIGKEITEN Herausgegeben von Wolfgang F. Stammler
Der Alcorde Verlag ist Mitglied im Freundeskreis der Kurt Wolff Stiftung
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DIE AUTOBIOGRAPHIE KARLS IV. VITA CAROLI QUARTI Einführung, Übersetzung und Kommentar von Eugen Hillenbrand Herausgegeben von Wolfgang F. Stammler
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Vorwort des Herausgebers 7 Einführung Die Karlsfeiern 1878 und 1978. Ein Vergleich 13 Karls IV. Autobiographie: Ein Forschungsproblem 18 1346: Karls Wahl zum deutschen König 26 1350: Erwerb der Reichsinsignien Karls schwere Krankheit 32 Doctrina und Exemplum
Politische Theorie und Wirklichkeit 40 Königliche Herkunft 43 Der fromme König 48 Der weise und gerechte König 51 Karls politische Wirklichkeit: Reich, Italien, Tirol, Böhmen 53 Rechtfertigungsschrift und politisches Programm 61 E I N RÜ C K B L I C K
Das Gedenkjahr 1978 und sein Ertrag 67 Europa – ins Handbuch gepackt 70 Europäische Blicke auf Karl IV., den « Kaiser in Europa » 75
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einführung Der römisch-deutsche Kaiser und das französische Königshaus 79 Der Historiker-Diskurs zur Autobiographie Karls IV. 86 D I E AU TO B I O G R A P H I E K A R L S I V. V I TA C A RO L I QUA RT I 91 ANHANG
Anmerkungen zur Einführung 243 Anmerkungen zur Autobiographie 250 Quellen und Darstellungen 269 Bilderläuterungen 282 S TA M M TA F E L N :
Die Luxemburger 292 Die Přemysliden 294 Das französische Königshaus 296 Personen- und Ortsregister 299
Abb. S. 4: « Der thronende Kaiser » Darstellung in der Goldenen Bulle, fol. 43 r Erläuterungen zu diesen und den folgenden Abbildungen in diesem Buch siehe ab Seite 282.
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7 0 0 JA H R E K A R L I V. E I N G RO S S E R E U RO PÄ E R
Nur wenige Herrschergestalten des deutschen Mittelalters haben in der jüngsten Vergangenheit ein so breites Interesse gefunden wie Karl IV. (1316–1378). An diesem Kaiser schieden sich über Jahrhunderte hinweg die Geister. Seine Gegner nannten ihn einen würdelosen Ränkeschmied und unehrenhaften Geschäftemacher, eitel und ausschließlich an der Erweiterung seiner Hausmacht interessiert. Seine Befürworter hingegen schätzten ihn als den bedeutendsten deutschen Herrscher des Spätmittelalters. Bis heute ringt die Geschichtswissenschaft um eine angemessene Würdigung des Bildes und der Leistungen dieses Herrschers, der in seiner mehr als 30-jährigen Regierungszeit nicht nur die Verfassung und die Politik des ersten deutschen Reiches bis zu dessen Ende 1806 entscheidend bestimmt, sondern auch die europäische Kultur auf eine neue Höhe geführt hat. Sechs Jahrhunderte brauchte es, bis Karl IV. 1978 erstmals mit großen Gedächtnisausstellungen in Prag, Nürnberg und Köln ausführlich gewürdigt wurde. Zu jener Zeit war es vor allem Ferdinand Seibt, der mit seiner ersten umfassenden Biographie über Karl IV. als einen Kaiser in Europa der deutschen Geschichts wissenschaft den entscheidenden Impuls für eine von Stund an intensive Beschäftigung mit dieser Herrschergestalt gab. Im Gefolge dieser Neubeschäftigung mit Karl IV. entstand auch die erstmals 1979 erschienene Neuübersetzung und Kommentierung seiner Autobiographie durch den Freiburger Historiker Eugen Hillenbrand, die ich seinerzeit bereits im Verlag Fleischhauer & Spohn verlegerisch betreuen durfte. Sie wurde damals von Ferdinand Seibt dankbar begrüßt. « Seine Edition und Übersetzung », so schrieb er 1981 in der Zeitschrift 7
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Bohemia, « hat ihren eigenen Charakter und ihr besonderes Verdienst » und « verspricht jenem merkwürdigen Literaturwerk endlich größere Aufmerksamkeit. » In der Tat enthält diese erste Selbstdarstellung eines mittel alterlichen deutschen Herrschers eine Fülle von Aspekten, die es deren Interpreten von jeher erschwerte, die der Schrift zugrunde liegende Absicht des Verfassers zu deuten und den Zeitpunkt ihrer Niederschrift zu bestimmen. « Die Mischung von Lebensgeschichte, Fürstenspiegel und Bibelexegese », so Hillenbrand in seiner Einführung, « mutete dem Leser, der nach dem ‹ literarischen Ego Karls › fragte, einiges zu. » Schrieb sie Karl am Ende seines Lebens, gewissermaßen als Ertrag politischer Erfahrungen? Oder zu irgendeinem früheren Zeitpunkt inmitten seines politischen Tagesgeschäfts? Oder stand sie am Beginn seiner Regierungstätigkeit? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung, denen Hillenbrand in seiner Einführung nachgeht. Auch wenn er das Ergebnis, das heute weitgehend anerkannt wird, in deren Überschrift gleichsam vorwegnimmt, ist der Weg, auf dem er dahin gelangt, ein spannend zu lesendes Lehrstück in historischer Recherche. Dass heute, im 700. Geburtsjahr Karls IV., die Zeit für eine neue, erweiterte Neuausgabe dieser « merkwürdigen » Schrift reif zu sein scheint, zeigt vor allem auch Hillenbrands Rückblick auf die Rezeptionsgeschichte Karls IV. seit 1978, den er eigens für diese Ausgabe unternommen hat. Das Ergebnis spiegelt sich auch in der neuen, von HansJoachim Pagel redigierten Bibliographie. Ergänzt wird diese Ausgabe durch eine Fülle zusätzlicher Illustrationen, bei deren Kommentierung, soweit es die tschechische Handschrift betrifft, uns besonders Zdenka Buresova und Dr. Alexandra Surá durch ihre Übersetzung sowie Dr. Eugenie von Trützschler durch letzte sprachliche Korrekturen geholfen haben. Wolfgang F. Stammler, im Mai 2016 8
H E R R S C H E R L I C H E S E L B S T DA R S T E L L U N G UND POLITISCHE KAMPFSCHRIFT E I N E E I N F Ü H RU N G I N D I E AU TO B I O G R A P H I E K A R L S I V.
Geschrieben im Gedenkjahr zum 600. Todestag Karls IV. in der Erstausgabe von 1979. Die Einführung wird erweitert durch einen Rückblick des Verfassers auf die seitherige Rezeptionsgeschichte für die hier vorliegende Neuausgabe (ab Seite 67).
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Oben: B체ste Karls IV. im Triforium des Veitsdomes zu Prag Rechts oben: Blanca von Valois Rechts unten: Anna von Schweidnitz (siehe auch die Bilderl채uterungen S. 282)
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DIE KARLSFEIERN 1878 UND 1978 EIN VERGLEICH
« Karl IV. Vater des Vaterlandes » lautete der Titel eines Buches, das der tschechische Rechtshistoriker Josef Kalousek im Jahr 1878 zum Gedenken an den 500. Todestag dieses Kaisers vorlegte.1 Aus demselben Grund versammelten sich damals in Prag führende Vertreter nationaltschechischer Vereinigungen zu einem Gedächtnisgottesdienst und begaben sich anschließend zu einer Feierstunde am Denkmal Karls IV. Der Vertreter des deutschen Studentenvereins hatte große Mühe, seinen Kranz mit der Aufschrift « Dem Gründer der ersten deutschen Universität » neben die anderen Kränze legen zu dürfen. Auch andernorts hielt man 1878 in Böhmen solche Karlsfeiern ab.2 Im Deutschen Reich dagegen sah sich niemand veranlasst, das Datum als ein besonders denkwürdiges Ereignis herauszuheben. 1978 veröffentlichte der deutsche Historiker Ferdinand Seibt eine Monographie mit dem Titel: « Karl IV. Ein Kaiser in Europa ».3 Er leitete seine Arbeit mit dem Wunsch ein: « Vielleicht räumt man ihr einmal das erste Wort ein bei dem Versuch, einer neuen Deutung Karls und seiner Zeit den Weg zu bahnen. » Derselbe Historiker war auch maßgeblich an der Vorbereitung zu einer Gedenkausstellung zum 600. Todestag Karls in Nürnberg beteiligt. Bei der Eröffnungsfeier stand auf dem Altar der Nürnberger Frauenkirche die berühmte Büste Kaiser Karls des Großen aus dem Dom zu Aachen. Sie gilt in der Tradition als ein Geschenk Karls IV. an seine Krönungskirche. Der Vergleich der beiden Ereignisse, getrennt durch hundert Jahre, verbunden durch dieselbe historische Gestalt, drängt die 13
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Problematik des historischen Urteils geradezu auf. Der literarische Niederschlag der Gedenkjahre legt grundverschiedene Perspektiven offen, unter denen das Interesse der jeweiligen Zeitgenossen auf die bedeutendste Herrschergestalt des späten Mittelalters gelenkt werden sollte: auf Karl IV., gestorben am 29. November 1378 zu Prag im Alter von zweiundsechzig Jahren. Er war der Sohn Johanns von Luxemburg und Elisabeths, der Tochter des letzten Böhmenkönigs aus dem Přemyslidengeschlecht, Wenzels II. Seinen Großvater Heinrich VII. feierte einst Dante in Italien als kommenden Friedensfürsten. Im Alter von sieben Jahren schickte ihn sein Vater 1323 nach Paris an den französischen Königshof, wo er bis 1330 eine fürstliche Erziehung genoss. 1346 erhob ihn eine mächtige Fürstengruppe zum deutschen König. Im darauffolgenden Jahr erhielt er die böhmische Königswürde. Sein erster Italienzug brachte ihm zu Beginn des Jahres 1355 in Mailand die « eiserne Krone » der lombardischen Könige und vier Monate später in Rom die römische Kaiserkrone. Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien erließ er Anfang 1356 in Nürnberg den ersten Teil seines berühmtesten Reichsgesetzes, der sogenannten Goldenen Bulle, die bis zum Ende des Alten Reiches
Josef Kalousek (1838–1915)
Ferdinand Seibt (1927–2003)
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die karlsfeiern 1878 und 1978 – ein vergleich
als dessen Grundgesetz geachtet wurde. 1365 ließ er sich in Arles auch noch zum König von Burgund krönen. Diese wenigen Daten einer außergewöhnlichen Herrscher existenz boten den sechs folgenden Jahrhunderten eine Fülle von Ansatzpunkten zu den widersprüchlichsten Urteilen. Kalousek, führender Vertreter der tschechischen National bewegung, nahm mit seinem Lob auf den Vater des böhmischen Vaterlandes ein Stichwort auf, an dem sich die Geister schieden, seit Karl in der Doppelfunktion als « Römischer kunig ze allen zeiten merer des reichs und kunig ze Beheim » Herrschaft ausübte. Kalousek sah in der Verbindung beider Kronen das entscheidende Instrument einer konstruktiven Politik4, weil Karl nur durch die starke böhmische Hausmacht in die Lage gesetzt wurde, eine starke Reichspolitik zu betreiben. Sieben Jahre nach der Proklamation König Wilhelms I. von Preußen zum Deutschen Kaiser zog der tschechische Historiker eine Parallele zwischen dem Hohenzollern und dem Luxemburger: Nur weil Karl Böhmen besonders förderte, wie jener Preußen, konnte er dem gesamten Reich eine kraftvolle Führung bieten. Denn hinter ihm stand die tschechische Nation, die sich zu ihm als ihrem Repräsentanten einmütig bekannte. Karl wird zum Vorläufer einer erfolgreichen Realpolitik, wie sie das 19. Jahrhundert verstand. In der deutschen Geschichtsschreibung freilich galt das Urteil des Aeneas Silvio Piccolomini aus der « Historia Bohemica » (1475) als eine unumstößliche Tatsache5: « Ein großer Kaiser, hätte er nicht den Ruhm des Königreichs Böhmen mehr gesucht als den des Römischen Reiches. » Gerade zu der Zeit, als Kalousek seine historisch-politische Schrift veröffentlichte, war dieses Urteil in breitesten Kreisen wirksam. Der am Ende des 19. Jahrhunderts recht bekannte Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob liefert dazu einen treffenden Beleg. Er unternahm im September 1879 eine Reise durch Elsass15
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Lothringen und Belgien in die Niederlande. Seine Eindrücke und Notizen sammelte er in einem zweibändigen Werk. Breiten Raum, aber wenig freundliche Worte widmete er dabei seinem Aufenthalt in Metz. Dort stand er auf jenem Platz, auf dem am Weihnachtstag 1356 der römische Kaiser Karl IV. im Beisein aller Kurfürsten den zweiten Teil der Goldenen Bulle veröffentlichte. Hansjakob erinnert sich dieses Ereignisses und fügt eine historische Würdigung hinzu: « Sosehr ich ein Anhänger seines Großvaters, Heinrichs VII., bin, ebenso wenig ist dieser Karl IV. mein Mann. Durch und durch von welscher Politik, die er in Paris am königlichen Hof selbst studiert, hat er zwar seine Zwecke meist erreicht, dem Reiche manchen Dienst geleistet, seiner Hausmacht noch größere, aber er war und blieb ein würdeloser Ränkeschmied und unnobler Geschäftemacher. Dabei war er voller Eitelkeit; er hatte fast Tag und Nacht die Kaisertracht an und die Krone auf seinem schwarzen Czechenkopf. Die Goldene Bulle, aus der man so viel Federlesens macht, ist ein Hauptstück der schlauen Diplomatie des Böhmenkönigs. »6 Man könnte fast eine Lektüreliste der historischen Werke, aus denen Hansjakob sein Wissen bezog, zusammenstellen; es sind die geläufigen Geschichtskompendien des 19. Jahrhunderts, wie sie Friedrich Christoph Schlosser oder Karl von Rotteck dem national gesinnten Bürgertum vorgelegt haben. Doch reicht das Verdikt über den am französischen Hof erzogenen Tschechen auf dem deutschen Kaiserthron bis ins 16. Jahrhundert zurück. Und das Urteil über den « unnoblen Geschäftemacher » kann sich gar auf einen Zeitgenossen Karls selbst berufen, den Florentiner Chronisten Matteo Villani, der sich über das krämerhafte Einsammeln der Reichssteuer maßlos ärgerte.7 Das negative Bild dieses Kaisers ist keinesfalls erst durch die nationalen Bewegungen des 19. Jahrhunderts geprägt worden; aber im Zeitalter des deutsch-französischen Krieges von 16
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1870/71 und der tschechischen Nationalbewegung wurden die Namen Prag und Paris, die mit Karls IV. Namen eng verbunden sind, in Deutschland und Österreich zu Reizwörtern der Tagespolitik. Dem heutigen Zeitgenossen, der sich des 600. Todestages Karls erinnert, sind sie eher markante Hinweise auf den weiten europäischen Horizont einer Herrschaft, die nationale Abgrenzungen als politisches Ordnungsprinzip relativiert. Die Einsicht, dass eine geschichtliche Situation nur Teil aspekte vergangener Zeit gewährt, müsste freilich in die falsche Richtung lenken, wollte man daraus den Schluss ziehen, die Rückwendung in die Geschichte sei ein beliebiges Spiel und folglich verzichtbar. Denn die Einengung menschlicher Erfahrung ist gerade da am stärksten, wo nur die Gegenwart dominiert, wo der Blick in die Vergangenheit als Ablenkung oder bestenfalls als Bestätigung bereits fixierter Ansichten gewertet wird. Historische Erkenntnis wird nur dann fruchtbar, wenn sie die Vergangenheit mit ihren eigenen Problemen und Lösungen ernst nimmt. Dann erst kann sie neue Erfahrungen einholen und vorgegebene Selbstverständlichkeiten prüfend herausfordern. Gewiss macht es uns eine historische Gestalt des 14. Jahr hunderts nicht leicht, in ihre Vorstellungswelt einzudringen, ihre Motive zu erfassen und ihr Handeln gerecht einzuordnen. Andererseits aber übt gerade die Umbruchs- und Krisenzeit des Spätmittelalters heute einen besonderen Reiz auf uns aus, weil sie in vielem ebenso unsicher und fragend war wie unsere eigene Zeit. Unser Interesse gilt nun einem Herrscher, der in jener Periode des ausgehenden Mittelalters über dreißig Jahre lang politische Verantwortung trug und als Kaiser die noch immer höchste Autorität in einem von nervösen Spannungen gekennzeichneten Europa verkörperte. Leiten soll uns dabei ein einzigartiges Zeugnis, das in diesem Band in einer 17
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neuen Übersetzung vorgelegt werden soll: die Autobiographie Karls IV.8 Sie ist die erste Selbstdarstellung eines mittelalterlichen deutschen Herrschers. Vor ihm hat nur ein König des europäischen Mittelalters sein Leben literarisch dargestellt, König Jayme I. von Aragon (1213–1276). Nach ihm dauerte es wieder 150 Jahre, bis Kaiser Maximilian I. in hochstilisierter Form eigene Erlebnisse und Erfahrungen erzählerisch verarbeitete.
K A R L S I V. AU TO B I O G R A P H I E : E I N F O R S C H U N G S P RO B L E M
Karls IV. Autobiographie ist uns als ein höchst kompliziertes literarisches Dokument überliefert. Formal gesehen besteht ein augenfälliger Unterschied zwischen dem ersten, umfangreicheren Teil mit vierzehn Kapiteln und den letzten sechs Kapiteln. Mitten in der Berichterstattung über Begebenheiten aus dem Jahr 1340 bricht der in der subjektiven Form des Ich-Erzählers gehaltene Text ab und wird mit einem anderen Ereignis, das anderthalb Jahre später liegt, in der objektivierenden Form distanzierter Darstellung weitergeführt. Auch der eigentliche autobiographische Teil ist keineswegs von einer geschlossenen Form; denn fünf der vierzehn Kapitel bringen keine Aussagen zur Geschichte Karls, sondern philosophisch-theologische Reflexionen und eine Predigt. Das Werk lässt sich demnach in zwei Teile gliedern, von denen der erste wiederum in drei verschiedene literarische Genera auseinanderfällt (Kap. 1–2; 3–10 und 14; 11–13). Zur leichteren Orientierung sei zunächst eine kurze inhaltliche Übersicht mit den wichtigsten Punkten, die in der Schrift angesprochen werden, vorangestellt:
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karls iv. autobiographie: ein forschungsproblem
Teil 1 1. u. 2. Kap. 3. Kap. 1316–30 4. Kap. 1330
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1332 5. Kap. 1332 Nov. 25
6. Kap. 1333
Widmung. Meditation über die Be griffe « Leben » und « Herrschaft » Karls Herkunft. Seine Erziehung in Frankreich. Die Lage im Reich bei Karls Rückkehr aus Frankreich: Die Herrschaft Lud wigs des Bayern (Rückblick auf dessen Wahl, 1314; dessen Aussöhnung mit den Habsburgern, 1330, durch Vermittlung König Johanns von Böh men). Neuorientierung der Luxemburger: 1. Tirol und Kärnten: Verlobung des Luxemburgers Johann Heinrich mit Margareta Maultasch, der Erbtochter des Kärntner Herzogs Heinrich. 2. Italien: Übertragung der Herrschaft in den lombardischen Städten an König Johann von Böhmen. Beru fung Karls. Karls Ankunft in Pavia. Giftanschlag. Übernahme der politischen und militärischen Verantwortung. Geheimbund der lombardischen Städte. Sieg bei S. Felice. Kampfvorbereitun gen gegen Florenz. Verschwörung der Feinde Karls. Hostienwunder. Militä rische Misserfolge Karls. Verhandlungen Johanns in Bologna. Karls Befreiung in Cremona. Betrü 19
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ger ischer Waffenstillstand der Verschwö rer. Rückzug Johanns aus Italien. 7. Kap. 1335 Aug. 15 Karls Traumgesicht in Terenzo als Ende seines ausschweifenden Lebens. 8. Kap. 1333 Böhmen. Karls Heimkehr. Wiederherstel lung der politischen Ordnung. 1335 Juli Karls Entmachtung durch den misstrauischen Vater. Sept. Karls Zug gegen Herzog Bolko von Schlesien. Nov. Einigung zwischen den Königen von Böhmen und Polen zu Visegrád. 9. Kap. 1336 Tirol: Kampf um luxemburgische Herr schaftsrechte. Vertrag zwischen König Johann von Böhmen und Herzog Otto von Österreich. 1336/37 Ergebnisloser Zug gegen die Litauer. 1337 Italien: Kampf gegen Mastino della Scala. Friaul. Befreiung Karls. Aquileja. 10. Kap. 1337 Kämpfe und Verhandlungen in der Lombardei. Aug. Rückkehr nach Böhmen über Tirol. 11.–13. Kap. 1338 Auslegung des Schrifttextes zum Tag der heiligen Ludmilla: Mt 13,44–52. 14. Kap. 1338 Fehde mit dem böhmischen Herrn von Pottenstein. Juni Zug nach Luxemburg durch das Reich. Abbruch des Zuges in Frankfurt und Rückkehr nach Böhmen. 1339 Reise zum König von Ungarn. März Verhandlungen König Johanns mit Lud wig dem Bayern. Ablehnung und Nichtig keitserklärung durch Karl. Diplomatische 20
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und militärische Aktionen Karls in Böhmen, Schlesien und Bayern. Zug zum französischen König über Bay ern und Luxemburg. Karl und König Johann in Avignon. Karls Begegnung mit Peter von Fé camp. Tirol. Friauler Krieg.
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Teil 2 15. Kap. 1341 16. Kap. 1345 17. Kap. 18. Kap.
19. Kap.
20. Kap. 1346
Juli 11
Böhmen. Erfolgreiche Verwaltung durch Karl. Zug gegen die Litauer. Gefangennahme und Befreiung Karls in Kalisch. Krieg gegen polnisch-ungarische Koalition. Waffenstillstand und Frie densvertrag. Verhandlungen über die Tirol-Frage zwischen luxemburgischer und wittelsbachischer Partei. Ablehnung der Ergebnisse durch Karl und Johann Heinrich. Avignon-Aufenthalt König Johanns von Böhmen. Wahl Karls IV. zum deutschen König.
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einführung Karl verfasste seine Schrift in lateinischer Sprache. Der Text ist uns in zwölf Handschriften überliefert, von denen die meisten erst aus dem 15. Jahrhundert stammen. Die Hälfte davon bewahrt die Österreichische Nationalbibliothek in Wien auf (Cod. 556, 619, 3280, 3539, 7308, 9045); die übrigen befinden sich in Prag, Militsch, Hohenfurth und Berlin.9 Im Druck legte erstmals 1585 Reiner Rei neccius die Autobiographie vor im Chronicon Hierosolymitanum, Teil II, Bl. 14–39. Diesen Text übernahm Marquard Freher in den 1. Band der Scriptores rerum Bohemicarum, 1602, S. 86–107. 1843 besorgte Johann Friedrich Böhmer eine Neuausgabe nach der Wiener Handschrift 556: Vita Caroli quarti imperatoris, in: Fontes rerum germanicarum I, S. 228–270. Bis heute maßgeblich ist die kritische Edition der Schrift durch Josef Emler: Život císaře Karla IV. Vita Karoli quarti imperatoris, in: Fontes rerum Bohemicarum III, 1882, S. 323–417. Auf ihr beruht auch die Ausgabe von Kurt Pfisterer und Walther Bulst, Editiones Heidelbergenses, 16, 1950. Dem in diesem Band vorgelegten Text liegt ebenfalls Emlers Ausgabe zugrunde. Schon im Spätmittelalter versuchte man, die kaiserliche Schrift durch Übersetzungen einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen. Vier Handschriften des 15. Jahrhunderts überliefern uns zwei verschiedene tschechische Fassungen.10 Beide edierte Emler, die ältere Fassung in: Spisy císaře Karla IV. (Památky staré literatury české IV), 1878, S. 3–69; die jüngere Fassung in: Fontes rerum Bohemicarum III, 1882, S. 369–395. Jakub Pavel übersetzte Karls Autobiographie aus dem Lateinischen ins Neutschechische: Vlastní životopis Karla IV., 1940. Seine Übersetzung wurde 1978 in Prag zusammen mit dem von Bohumil Ryba revidierten Text der lateinischen Ausgabe Emlers neu herausgegeben. Eine deutsche Übersetzung aus dem 15. Jahrhundert ist in einer Breslauer Handschrift überliefert. Sie ist voller Missverständnisse und Fehler und wirkt sprachlich recht unbeholfen. Emler edierte sie im Anschluss an die tschechische Übersetzung in den Fontes rerum Bohemicarum III, 1882, S. 396–417. Die erste neuhoch-
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karls iv. autobiographie: ein forschungsproblem deutsche Übersetzung besorgte 1885 Ludwig Oelsner: Kaiser Karls IV. Jugendleben, von ihm selbst erzählt (Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 14. Jahrhundert, Bd. 5). Diese Übertragung bearbeitete Anton Blaschka 1956 neu: Kaiser Karls IV. Jugendleben und St. Wenzels-Legende (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 3. Gesamtausgabe, Bd. 33). Weniger bekannt blieb eine Übersetzung von Ottokar Menzel: Kaiser Karls IV. Selbstbiographie, (1943).
Grundsätzlich bleibt ein autobiographischer Bericht nicht nur Zeugnis einer individuellen Existenz, er wird zugleich auch Dokument einer Zeitgeschichte des Autors.11 Denn die Umwelt, die diesen prägt und auf die er reagiert, ist Teil der dargestellten Wirklichkeit. Insofern ist Karls Schrift nicht nur bemerkenswert, weil ihr Autor einen besonders hohen sozialen Rang einnimmt. Ihre Bedeutung liegt noch mehr darin, dass sie allgemeine Aspekte des politischen Denkens jener Zeit offenlegen kann. Für die Interpretation ist es freilich entscheidend, von den Umständen zu wissen, unter denen der Autor auf sein Leben zurückblickt und es interpretiert: ob die Schrift am Ende des Lebens, gewissermaßen als Ertrag politischer Erfahrungen zusammengestellt wurde, ob sie zu irgendeinem früheren Zeitpunkt mitten aus der politischen Tagesarbeit heraus entstanden war, oder ob sie den Auftakt der Regierungstätigkeit bildete. Denn es liegt nahe, dass der jeweilige Standpunkt die Auswahl der Ereignisse, die dem Verfasser bedeutungsvoll erschienen, bestimmt hat. Aber an keiner Stelle der Autobiographie Karls erfahren wir, wann sie verfasst wurde. Wir sind darauf angewiesen, aus dem Text selbst Rückschlüsse auf seine Entstehung zu ziehen. Johann Fr. Böhmer und Heinrich Friedjung12 sahen einen Schlüssel für die zeitliche Einordnung der Schrift in Karls Widmung: « meinen Nachfolgern auf den zwei Thronen. » Sie wiesen auf die Söhne hin, die der Vater verantwortungs23
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voll auf ihr zukünftiges Amt vorbereiten wollte. Da der Autor den Plural verwendet, dachte Böhmer an einen Zeitpunkt, an dem Karl tatsächlich zwei Söhne ansprechen konnte: nach 1368, dem Geburtsjahr Sigismunds. Doch Friedjung sah schon in der Geburt des ersten Sohnes Wenzel im Januar 1350 den unmittelbaren Anlass für Karls Schrift. Er fügte allerdings abschließend hinzu, dass ihm durchaus nicht jeder Zweifel geschwunden sei, ob die uns erhaltene Vita nicht doch in das letzte Lebensjahrzehnt Karls einzuordnen sei. Johann Loserth13 lehnte einen konkreten Bezug der Widmung ab und sah in den Adressaten nur « Karls Nachfolger überhaupt ». Dieser Deutung schloss sich die spätere Forschung weitgehend an. Freilich wurde dadurch das Problem einer zeitlichen Fest legung der Entstehung der Vita noch schwieriger. So ist es kaum verwunderlich, dass die widersprüchlichsten Lösungen angeboten wurden, die sich über die gesamte Regierungszeit Karls von 1346 bis 1378 verteilen. Die heute vorherrschende Meinung geht auf Anton Blaschka14 zurück. Er gab 1956 Oelsners ältere Übersetzung15 von Kaiser Karls IV. Jugendleben, von ihm selbst erzählt, neu heraus, korrigierte aber dessen Zuweisung ins Jahr 1348. Seiner Überzeugung nach konnte das Werk nur « vor dem 26. August 1346, dem Todestag Johanns von Luxemburg » abgefasst sein, da dieses Datum von Karl nicht erwähnt wird. Gegen Blaschkas zeitlichen Ansatz wandte sich seither nur der tschechische Historiker Zdenek Fiala.16 Er ordnete das Werk aufgrund literarischer Abhängigkeiten in die letzten Lebensjahre Karls, indem er einen Verweis im achten Kapitel der Vita (« prout in cronica scriptum est ») auf das zweite Buch der Chronik des Benesch von Weitmühl bezog.17 Dessen Niederschrift wiederum legte er in die Jahre nach 1365. Beider Argumentation überzeugt nicht. Eine Datierung auf die ersten sechs Wochen nach der Königswahl müsste durch kräftigere Beweise gestützt werden, als es das Fehlen eines gewiss 24
karls iv. autobiographie: ein forschungsproblem
wichtigen Datums sein kann. Es lässt sich nämlich gerade als Merkmal für Karls Darstellungsweise hervorheben, dass die einzelnen Begebenheiten nicht im Vorgriff, sondern nach ihrem chronologischen Ablauf aufgezeichnet wurden. Folglich darf man Ereignisse, die nach 1340, dem Abschlussjahr des in der subjektiven Form verfassten Berichtes, liegen, nicht für eine Datierung heranziehen. Fialas These wiederum gründet auf einer Festlegung von Entstehungsphasen der Benesch-Chronik, die keineswegs eindeutig geklärt sind. Außerdem stimmt Karls Bericht, der als Beweis für die Abhängigkeit herangezogen wurde, zwar in der Tendenz, aber nicht im Wortlaut mit Beneschs Text überein. Beide Forscher berührten auch die Frage nach dem Verfasser des Schlussteils der Vita. Denn der Wechsel von der ersten zur dritten Person legt es nahe, für den zweiten Teil einen anderen Autor als Karl selbst anzunehmen. Doch wissen wir weder etwas über dessen Person noch über dessen Verhältnis zum Verfasser der eigentlichen Autobiographie. Wir wissen auch nicht, wie weit die Abfassungszeit der beiden Teile auseinanderliegt, ebenso wenig, welche Gründe den Abbruch bzw. die Wiederaufnahme verursacht haben. Während man meistens annahm, dass Karl selbst in der Spätzeit seiner Regierung einen uns nicht bekannten Autor veranlasste, zur Abrundung seines Berichtes die Schlusskapitel hinzuzufügen, legte Fiala die Niederschrift der letzten sechs Kapitel erst in die Zeit nach dem Tod des Kaisers. Blaschka ließ die Frage als ungelöstes Forschungsproblem bestehen. Mit dem Problem der zeitlichen Einordnung der Schrift hängt die Frage, welchem Zweck sie eigentlich dienen sollte, eng zusammen. Was veranlasste Karl IV., literarisch tätig zu werden? Noch schärfer: Was veranlasste ihn, sich selbst zum Gegenstand seiner literarischen Darstellung zu machen? In der Widmung gibt Karl eine Antwort darauf. Er dediziert seine 25
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Schrift den Nachfolgern, « damit sie die beiden Formen des irdischen Lebens erkennen und die bessere wählen ». Zu Anfang des dritten Kapitels begründet er, warum er dazu noch das Mittel der Selbstdarstellung wählte: Sein Leben sollte ihnen als Beispiel dienen. Beschränkt man sich auf diese Hinweise, so könnte man annehmen, dass Karl eine Erziehungsschrift mit historisch-realistischen Zügen vorlegen wollte. Sein Werk wäre damit in die mittelalterliche Fürstenspiegel-Literatur einzuordnen, freilich mit der Sonderstellung, dass der Autor seine Reflexion über Wesen und Aufgaben eines Herrschers an die Darstellung seines eigenen Lebens anlehnt. Es ist aber schwer vorstellbar, dass es dem königlichen Verfasser darauf ankam, die Aufmerksamkeit seiner « Nachfolger überhaupt » auf seine Person zu lenken und daraus Ratschläge für ihre Herrschaft abzuleiten. Der eigenwilligen Kombination von Fürstenspiegel und Selbstdarstellung muss eine besondere Ursache zugrunde liegen. Wenn es gelänge, Karls Schrift in einen konkreten historischen Kontext zu stellen, dann könnte auch ihre Funktion genauer beurteilt werden.
1346 K A R L S WA H L Z U M D E U T S C H E N KÖ N I G
Zunächst ist festzuhalten: Karl hat nur einen Teil seines Lebens aufgezeichnet und aufzeichnen lassen. Sämtliche Handschriften, die uns überliefert sind, berichten nur bis zu seiner Wahl zum deutschen König 1346. Ebenso bemerkenswert aber ist, dass es keine einzige Handschrift gibt, die nicht bis zur Wahl berichtet. Aufgrund der Überlieferung ist deshalb nicht auszumachen, dass der erste Teil der Vita, nämlich die Kapitel 1–14, für sich bestanden hat. Wir müssen davon ausgehen, dass beide Teile von vornherein als geschlossenes Ganzes gedacht waren und zur 26
1346: karls wahl zum deutschen könig
Weiterverbreitung vorlagen, auch wenn ein anderer Verfasser die Kapitel 15 bis 20 ausformulierte. Die Wahl Karls zum deutschen König war der Zielpunkt seines Lebensberichtes. Diese Konzeption muss bei der Bewertung der Autobiographie eine zentrale Rolle spielen. Es ist bekannt, dass die Erhebung des Luxemburgers zum rex Romanorum unter den Zeitgenossen heftige Reaktionen ausgelöst hat. Schließlich wurde Karl ja als Gegenkönig erhoben, während Ludwig der Bayer die Herrschaft im Reich noch innehatte. Mit beißender Kritik kommentierte der zeitgenössische Geschichtsschreiber Mathias von Neuenburg Karls Aufstieg: « Der Papst hasste Ludwig den Bayern und trachtete zusammen mit dem Böhmen (König Johann von Böhmen), dessen Sohn und dem Trierer (Erzbischof Balduin von Trier, Großonkel Karls) nach dem völligen Untergang des Fürsten und seiner Kinder. Nachdem sie zwei Jahre damit schwanger gingen, kam es zu einer Fehlgeburt. »18 Auch Heinrich von Herford, ein gelehrter Dominikaner, der in den fünfziger Jahren des 14. Jahr hunderts eine umfangreiche Weltchronik verfasste und sie bis in seine unmittelbare Gegenwart führte,19 schiebt den Erfolg der unrechtmäßigen Erhebung dem massiven Eingreifen des Papstes und des Trierer Erzbischofs Balduin zu. Sie hätten mit ungeheurem finanziellen Aufwand die Kurfürsten zur Wahl bewogen. Bezeichnenderweise lässt er die Herrschaft Karls IV. erst mit 1348 beginnen; bis zum Ende dieses Jahres galt Ludwig der Bayer, der am 11. Oktober 1347 tödlich verunglückte, als rechtmäßiger deutscher König. Das Ereignis vom 11. Juli 1346 teilte das Reich in zwei mächtige Parteien, die sich gegenseitig des Rechtsbruchs bezichtigten, die Päpstlichen (papales) und die Kaiserlichen (imperiales). Galt für die einen die einmütige Entscheidung von fünf der sieben Kurfürsten als hinreichender Rechtsgrund für den Anspruch Karls auf Anerkennung, so stellten die anderen eine 27
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ganze Reihe von Gegenargumenten zusammen, um allen die Unrechtmäßigkeit des Vorgehens der gegnerischen Partei deutlich zu machen: « Sie sagten, seine Wahl sei null und nichtig, es sei nicht am rechten Ort, nicht zur rechten Zeit und nicht nach rechtmäßigem Verfahren gewählt worden. » Nicht das Gemeinwohl (rei publicae bonum generale) habe die Wähler Karls geleitet, sondern ihr Eigeninteresse (particularis commoditas). Schon die Einberufung zur Wahl sei in aller Heimlichkeit geschehen. Die eigentlichen Wahl- und Krönungsorte Frankfurt und Aachen habe man gemieden und dafür in Bonn eine Krönung ohne den gewohnten äußeren Glanz (sine consueta pompositate) veranstaltet. Zur Bekräftigung zitiert Heinrich von Herford auch aus einem Brief, den der Pfalzgraf Ruprecht an den polnischen König geschickt hatte. Dieser Reichsfürst sah durch die Wahl Karls nicht nur das Reichsrecht, sondern auch das Fürstenrecht verletzt, da ihm bei einer Thronerledigung das Reichsvikariat und das Einberufungsrecht zur Königswahl zustehe. Alle Argumente, die hier nur kurz zusammengefasst werden sollten, sind auch in einer Schrift enthalten, die in weit schärferem Ton noch gegen Karl polemisiert. Ein Exemplar
Wilhelm von Occam (um 1290–1347)
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1346: karls wahl zum deutschen könig
davon lernte der Regensburger Domherr Konrad von Megen berg 1354 in Nürnberg kennen. Er war bestürzt über die Diffamierungskampagne und fühlte sich veranlasst, selbst eine Gegenschrift zu verfassen.20 Im Vorwort nennt er auch den Verfasser des von ihm bekämpften Machwerks: Wilhelm von Occam, den berühmten Franziskanertheologen, der seit 1317 in Oxford lehrte, aber 1324 wegen Häresieverdacht an den päpstlichen Gerichtshof nach Avignon zitiert wurde; obwohl der Prozess ohne Urteilsspruch endete, floh Wilhelm 1328 nach München zu Ludwig dem Bayern, dessen antipäpstliche Politik er in den folgenden Jahren publizistisch unterstützte. Bis zu seinem Tod, Ende der vierziger Jahre, lebte er als Emigrant am Münchener Hof und schlug einen immer schärferen polemischen Ton gegen die Kurie in Avignon an. Konrad von Megenberg nennt ihn einen « Erzhäretiker » (heresiarcha), dessen leidenschaftliche Argumentation viele Menschen, vor allem aber junge Kleriker in die Irre führe. Wilhelms Polemik gegen die Wahl Karls entzündete sich an dem Gehorsamseid, den Papst Clemens VI. am 29. November 1347 allen Gläubigen in Deutschland abverlangte.21 Der dritte Punkt der Eidesformel betraf den neuen Schützling des Papstes, Karl IV. Jedermann sollte schwören: « Ich werde auch dem römischen König Karl, der von der Kirche als römischer König anerkannt wurde, folgen und gehorchen. » Nachdem Wilhelm festgestellt hat, dass der Papst überhaupt nicht dazu berechtigt sei, einen solchen Eid zu fordern, kommt er auf die Person des päpstlichen Kandidaten selbst zu sprechen. Den bereits bekannten Argumenten gegen die Rechtmäßigkeit der Wahl Karls fügt er weitere Anschuldigungen hinzu. Seine radikale Schlussfolgerung lautet: Karl ist weder deutscher König noch böhmischer König noch luxemburgischer Graf. Er hat grundsätzlich seinen Anspruch auf irgendeine Herrschaft verwirkt. Denn er ist ein Aufrührer gegen das Reich (rebellis imperii), er 29
einführung
stammt aus einem Geschlecht von Aufrührern gegen die Kirche (de genere rebellium ecclesie), und er hat sich als Begünstiger von häretischen Lehren (fautor hereticorum) erwiesen. Der letzte Anklagepunkt zeigt, dass Wilhelms Hauptgegner die verhassten Kleriker von Avignon bleiben, die er als Ketzer bekämpft. Während Papst Clemens VI. den neugewählten König Karl als zweiten Salomon feiert, der dem Reich und der Kirche wieder Frieden und Ansehen verschaffen kann, eifert Wilhelm von Occam: « Glaubt Karl selbst, dass seine Königserhebung aus lauter Liebe geschah, welche die Geistlichkeit von Avignon ihm gegenüber hegt? Sicherlich nicht! Es geschah allein, um Zwietracht unter die Christen zu bringen und um das Heilige Römische Reich zu zerstören! »22 Karl wird zur armseligen Marionette der Kleriker von Avignon, die ihn im Grunde ver-
Darstellung einer Königsweihe durch zwei Bischöfe im Pontifikale des Albert von Sternberg (siehe auch S. 283)
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1346: karls wahl zum deutschen könig
achten. « Und die weltlichen Großen, die sehen und hören, wie Karl verspottet wird, nennen ihn den Pfaffenkönig oder den Söldner dieser Kleriker. » Nach dem Tod Ludwigs des Bayern hielten es die wittelsbachischen Parteigänger immer noch für sehr aussichtsreich, einen eigenen Kandidaten zum neuen König zu erheben, der sich gegen den Luxemburger durchsetzen könnte. Am 30. Januar 1349 wählten sie in Frankfurt den Grafen Gün ther von Schwarzburg und erhoben ihn am 6. Februar « nach altem Brauch und Herkommen » auf den Altar der Bartholo mäuskirche.23 Karl musste um seine Herrschaft kämpfen. Ein erster politischer Erfolg gelang ihm schon im März desselben Jahres. Damals brach er den mächtigsten Vertreter der wittelsbachischen Partei, den Pfalzgrafen Rudolf, aus der Opposition heraus, als er sich mit dessen Tochter Anna vermählte. Gegenüber den Söhnen Ludwigs des Bayern zeigte er sich verhandlungsbereit. Durch großzügige Zugeständnisse und Versöhnungsbekundungen erreichte er am 26. Mai 1349 seine Anerkennung als römischer König durch die wittelsbachische Partei. Offensichtlich war sich Karl der Mängel seiner Erhebung zum deutschen Herrscher sehr wohl bewusst. In den folgenden Monaten bemühte er sich darum, diese so rasch wie möglich zu beseitigen. Am 17. Juni 1349, drei Tage nach dem Tod seines Konkurrenten Günther von Schwarzburg, ließ er sich in Frankfurt noch einmal einhellig von allen Wählern als König bestätigen; am 25. Juli ersetzte er die Bonner Krönung von 1346 durch eine zweite Krönungsfeier am rechten Ort in Aachen. Und dennoch schickte Mathias von Neuenburg dem nunmehr allgemein anerkannten König, als er im September 1349 aus dem Reich nach Böhmen zurückkehrte, die Bestätigung seiner Unfähigkeit zu diesem Amt hinterher: male terra regni paccata24 – der neue Herrscher sei unfähig, dem Reich Frieden zu verschaffen. 31
einführung 1350 E RW E R B D E R R E I C H S I N S I G N I E N KARLS SCHWERE KRANKHEIT
Bei der Aussöhnung mit den Wittelsbachern hatte Karl gleichzeitig die Übergabe der Reichsinsignien25, die Ludwig der Ältere als Faustpfand in Händen hielt, gefordert. 1346 musste er sich in Bonn mit anderen Herrschaftszeichen behelfen. Darauf zielte wohl der Hinweis seiner Gegner, er sei ohne den herkömmlichen äußeren Glanz (sine consueta pompositate) gekrönt worden. Dieser Mangel war weit mehr als nur ein Schönheits fehler, denn die Reichsinsignien galten als das Zeichen königlicher Repräsentanz. Karl hatte dieselbe Situation zu bewältigen wie sein Vorgänger Ludwig der Bayer, dem die konkurrierenden Habsburger erst 1324 – zehn Jahre nach der umstrittenen Wahl – die Reichskleinodien auslieferten. Als sich dessen Gegenkandidat Friedrich der Schöne 1315 mit der Tochter König Jakobs II. von Aragon vermählte, predigte der Erzbischof von Köln während der anschließenden Krönungsfeier der Königin, dass nur derjenige König sei, der die Reichsinsignien besitze.26 Karl selbst verpflichtete am selben Tag, an dem er die wittelsbachische Anerkennung gewann, Ludwig den Älteren, ihm innerhalb von zwei Monaten die ehrwürdigen Herrschafts zeichen des Reiches zu übergeben. Trotzdem musste er bei der zweiten Krönung in Aachen, die er genau auf das Ende dieser vereinbarten Frist gelegt hatte, noch immer auf diese Insignien verzichten. Im Februar 1350 schaltete er den Pfalz grafen Ruprecht in neue Verhandlungen ein. Der Bautzener Vertrag vom 14. Februar 1350 stellte ihm den Erwerb auf den 4. April in Aussicht.27 Schon einen Monat vorher schickte er Bevollmächtigte nach München. Sie erhielten am 12. März 1350 « das heiligtum des heiligen reichs und die cleynod », die in einer 32
Die Reichskrone (Siehe auch S. 283 f.)
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einführung
feierlichen Urkunde einzeln aufgezählt werden. Darunter befand sich auch « besunder gancz und unverruket des egenanten heiligen keiser Karls guldein kröne mit dem pogen und dem crůcze, die darauf gehörnet, geworcht von mangem edeln gesteine und golde, darinne ist besunder geworcht ein edel stein, den man nennet den waysen »28. Fast einhellig hat die Forschung diese Beschreibung auf die Reichskrone bezogen, die sich in der weltlichen Schatzkammer zu Wien befindet. Sie besteht aus acht Platten: vier großen über Stirn, Nacken und Schläfen, besetzt mit Edelsteinen und Perlen, und vier kleineren, ausgeschmückt mit Goldzellenemails. Deren Bildprogramm vergegenwärtigt die folgenden Themen: 1. Rex David. Der König hält in seinen Händen ein Spruchband, auf dem das Psalmwort steht: Honor regis iudicium diligit – « Die Würde des Königs strebt nach gerechtem Gericht » (Ps 98,4). 2. Rex Salomon. Auch er trägt ein Spruchband mit einem Wort aus den Proverbien: Time dominum et recede a malo – « Fürchte den Herrn und meide das Unrecht » (Prov 3,7).
Rex David
Rex Salomon
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1350: erwerb der reichsinsignien – karls krankheit
3. Die Majestas domini, umgeben von Seraphim. Darüber steht wiederum ein Wort aus den Proverbien: Per me reges regnant – « Durch mich herrschen die Könige » (Prov 8,15). 4. Isaias propheta und Ezechias rex. Der Prophet steht vor dem kranken König und hält ihm eine Weissagung entgegen: Ecce adiciam super dies tuos quindecim annos – « Siehe, ich will zu deinen Lebenstagen noch fünfzehn Jahre hinzufügen » (Jes 38,5). Unverzüglich ließ Karl diese Krone mit den übrigen Reichsinsignien nach Prag bringen. In feierlicher Prozession geleitete er sie am Palmsonntag (21. März 1350) auf den Hradschin und wies sie dem Volk vor. Kurz darauf schon führte er sie wieder nach Nürnberg, wohin er auf den 4. April einen Reichstag einberufen hatte. Auch dort stellte er sie feierlich aus. Karl wollte allen Reichsständen seine königliche Macht demonstrieren. Dieses Bemühen erklärt einige Maßnahmen, die er nach der Übernahme der Reichsinsignien einleitete. Von demselben Meister, der 1347 das Lederfutteral für die Wenzelskrone
Majestas domini
Isaias propheta
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einführung
geschnitten hatte, ließ er 1350 auch das kunstvolle Behältnis für die Reichskrone herstellen. Auf dem Deckel sieht man den schwarzen Reichsadler auf gelbem Grund zusammen mit dem böhmischen Löwen auf rotem Grund. Eng verwandt mit diesem prachtvollen Werk ist auch das Futteral des Zeremonienschwertes, auf dessen Knauf Karl wiederum zwei Wappen anbringen ließ, Reichsadler und böhmischen Löwen. Das Reichskreuz, das ursprünglich die Reichsreliquien aufnahm, ist ebenfalls auf Veranlassung Karls umgearbeitet worden; es erhielt einen Fuß mit vier Wappenschildchen, auf der Vorder- und Rückseite den Reichsadler, auf den Schmalseiten den böhmischen Löwen. Die Inschrift, die sich um den Fuß herumlegt, besagt: « Im Jahre 1352 hat der erhabene römische und böhmische König Karl das Holz des Herrn mit diesem Fuß geschmückt. » Am 17. August 1350 wandte sich Karl an Papst Clemens VI. und bat ihn, allen andächtigen Betrachtern der Sanctuaria Sacri Romani Imperii einen Ablass zu gewähren.29 Der Papst entsprach
Futteral der Reichskrone
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1350: erwerb der reichsinsignien – karls krankheit
dieser Bitte. Er erhöhte so die Würde der Herrschaftszeichen und Reichsreliquien und verstärkte zugleich ihre Wirksamkeit, indem er sie zu einem Gegenstand der Volksfrömmigkeit machte. 1353 erwirkte Karl die päpstliche Erlaubnis, dass an dem Altar, auf dem die reliquiae imperiales ruhen, Pontifikalmesse gehalten werden darf.30 Ein Jahr später veranlasste er die Einführung eines Festes zu Ehren von Lanze und Nagel Christi, die als kostbarste Reliquien in das Reichskreuz eingelegt waren.31 In kurzer Zeit hatte Karl einen Kult der Reichsinsignien entwickelt, der seinen Eindruck auf die Zeitgenossen nicht verfehlte. Schon vom Mai 1353 haben wir darüber eine Nachricht. Als Karl damals das niederösterreichische Stift Zwettl besuchte, notierte der Klosterchronist: « Der böhmische König Karl trat wie ein Kaiser auf, weil er die Reichsinsignien besaß. »32 Neben dem Erwerb der Reichsinsignien durch den neuen König fand 1350 noch ein zweites Ereignis bei den Zeit genossen große Beachtung: Im Spätjahr erkrankte der König plötzlich sehr schwer. Ivan Lesný33 untersuchte alle Hinweise in
Reichskreuz, um 1024/25
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den überlieferten Berichten und diagnostizierte die Krankheit als eine Nervenentzündung, die eine totale, aber doch vorübergehende Lähmung der Extremitäten erzeugt, ohne dass die geistige Aktivität dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Die medizinische Fachsprache fasst sie unter den Begriff der Radikuloneuritis. Alle Berichte zeitgenössischer Chronisten lassen noch etwas von dem Erschrecken ahnen, das das unerklärbare Krankheitsgeschehen überall ausgelöst hat. Man glaubte, dass nur ein Giftanschlag von Leuten aus der Umgebung des Königs die Ursache seines körperlichen Gebrechens sein könne. Bald schwirrten verschiedene Versionen durch das Reich. Sie sind nicht nur Indiz für die Schwere der Krankheit, sondern auch für die noch immer labile Herrschaftssituation, da man einen Anschlag auf den König als die einfachste Erklärung des Geschehens ansah. Nun lastete auf Karl selbst das Schicksal des todkranken Königs Ezechias (Hiskia), an den die Wiener Reichskrone den Betrachter eindringlich erinnert. « In jenen Tagen », so beginnt der ihr zugrunde liegende biblische Bericht, « erkrankte Ezechias auf den Tod. » Doch die Darstellung auf der Krone spendet Trost, weil sie nur den günstigen Ausgang ins Gedächtnis zurückruft: « Da flehte der König zum Herrn: Gedenke, wie ich in Treue und großer Hingabe vor deinem Antlitz gewandelt bin und getan habe, was deinen Augen wohlgefällig! … Und es erging das Wort des Herrn an Jesaja: Geh hin und künde Ezechias: Siehe, ich will zu deinen Lebenstagen noch fünfzehn Jahre hinzufügen! »34 Dieses Jesajawort der vierten Kronenplatte erscheint wenig verändert im zweiten Kapitel der Autobiographie, worin Karl seine Gedanken über Herrschaft darlegt: Für den gerechten König werden die Weisen Gott bitten: « Es füge der Herr den Tagen des Königs weitere Tage hinzu! »35 Karl wandelt die Weissagung Jesajas ab, indem er die zeitliche Aussage 38
1350: erwerb der reichsinsignien – karls krankheit
über die Lebenserwartung des Königs weglässt. Gerade diese Veränderung des Schriftwortes spricht für eine persönliche Anteilnahme des Verfassers an der Darstellung der Not- und Heilserfahrung des Königs. Noch ein zweites Zitat der Reichskrone übernimmt Karl in seine Meditation über die Herrschaft. Wörtlich erscheint das Psalmwort der Davidsplatte: « Die Würde des Königs strebt nach gerechtem Gericht. »36 Als Voraussetzung für diese Würde nennt Karl den Wandel in der Furcht Gottes und weist so auf das Motiv der Salomo-Platte hin.37 Im gleichen Zusammenhang erinnert er an den Herrschaftsauftrag, den der König zu erfüllen hat, weil er Abbild des ewigen Königs ist und dessen Stellvertretung auf Erden innehat.38 Deutlich klingt hier die Herrschaftstheologie der Majestas-Domini-Platte der Reichskrone an. Aus den sinnfälligen Motiven des Herrschaftszeichens entwickelt Karl zu Beginn der Autobiographie seine politischen Grundsätze. Die Krone wird zum Bildträger seiner Überzeugung. Unter diesem Aspekt erhalten Karls fürsorgliche Maßnahmen für die Reichsinsignien zu Beginn der fünfziger Jahre eine erhöhte Bedeutung. Zugleich ergeben sich daraus Konsequenzen für eine zeitliche Einordnung der Autobiographie: Sie kann erst entstanden sein, nachdem Karl die Herrschaftszeichen erworben hat, also nach dem 12. März 1350. Nicht als ob ihm und seinen Zeitgenossen diese Gedanken und die Schriftworte auf der Reichskrone unbekannt gewesen wären; aber gerade weil sie geläufig waren, ist es denkbar unwahrscheinlich, dass Karl seine Selbstdarstellung derart eng mit der Reichskrone in Verbindung brachte, solange sich diese noch im Besitz seiner Gegner befand. Andererseits spricht Karl nur von der Krone der Könige. Das diadema imperiale erwähnt er lediglich im Zusammenhang mit dem Romzug Ludwigs des Bayern 1328. Daraus darf man 39
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schließen, dass die Schrift vor der Kaiserkrönung 1355 abgeschlossen sein muss. Das Spätjahr 1350 bietet sich somit als Entstehungszeit der Autobiographie geradezu an.39 Die Zeit seiner Krankheit gab Karl Anlass und Möglichkeit, seine Herrschaft zu überdenken und zu rechtfertigen. Während dieser Wochen diktierte er einem Schreiber die uns überlieferten vierzehn Kapitel. Doch schon im November 1350 schickte er seinem Großonkel Balduin von Trier die Nachricht, « daz wir uns von gots gnaden von tag zu tag an unserm gesunt zunemen und bezzern, und hoffen, daz wir schir also stark werden, daz wir selber zu dir hinus chumen wollen, wie wir des gantzen willen haben »40. Zwar realisierte er dieses Vorhaben erst in der zweiten Jahreshälfte 1353, aber die Zeugnisse seiner Tätigkeit werden vom Frühjahr 1351 an immer dichter. Das Bestreben Karls, möglichst rasch wieder die Zügel der Politik in die Hand zu nehmen, wäre die einfachste Erklärung dafür, dass er die letzten Kapitel seiner Vita nicht mehr selbst formulierte, sondern einem seiner Mitarbeiter überließ.
DOCTRINA UND EXEMPLUM POLITISCHE THEORIE UND WIRKLICHKEIT
Karl ergriff die erste Gelegenheit, sich selbst in die Diskussion um die Herrschaft im Reich einzuschalten. Zwar waren wichtige Argumente seiner Gegner innerhalb weniger Monate gegenstandslos geworden, denn nun konnte er die Wahl und Krönung am rechten Ort und den Besitz der Reichsinsignien vorweisen. Dennoch hatte er noch Anlass genug, mit einer Rechtfertigungsschrift in den literarischen Kampf um die Legitimation seiner Herrschaft einzugreifen. Ausdrücklich hebt sein Verteidiger Konrad von Megenberg den großen Einfluss des Wilhelm von Occam auf die jungen Kleriker, das 40
doctrina
und
exemplum
heißt die intellektuelle Führungsschicht, hervor. Für sie war das entscheidende Problem der Idoneität des neuen Königs nicht durch verfahrensrechtliche Maßnahmen und Absprachen aus der Welt zu schaffen. In ihren Augen war die Partei des Luxemburgers gebrandmarkt durch Eidbruch, Missachtung des Gemeinwohls, rücksichtslosen Eigennutz und Zerstörung von Friede und Ordnung. In der literarischen Fiktion eines Fürstenspiegels nahm Karl die Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft auf. Für seine Nachfolger formulierte er Grundsätze einer christlichen Königsherrschaft, « Worte der Weisheit und der Gottesfurcht »41. Die Rückblendungen in sein « eitles und nichtiges Leben » sollten dazu als exemplum dienen.42 Der Begriff exemplum kann hier gewiss nicht im Sinne von Vorbild gemeint sein, sondern nur in der breiteren Bedeutung, die der antiken und mittelalterlichen Rhetorik durchaus geläufig war: als Mittel, mit dem eine theoretische Darstellung ausgeschmückt werden soll, um dem Gedanken eine größere Anschaulichkeit und eine historische Begründung zu verleihen. Im Rückblick auf sein Leben bis zur Erhebung zum deutschen König reflektiert Karl die Voraussetzungen und Ziele der Herrschaft, zu der er durch die Wahl berufen wurde. Politische Theorie und Selbstdarstellung verweisen aufeinander, sie bedingen sich sogar. Karl stößt seine Leser selbst auf dieses Thema hin. Denn das Stichwort scriba doctus in regno coelorum aus dem Evangelientext, der seiner Predigt zugrunde liegt, reizt ihn zu einer ganz eigenwilligen Auslegung. Er verkürzt den Ausdruck und erklärt nur den Begriff « scriba doctus »: « et bene dicit scriba doctus, qui videlicet verbo doctrine et exemplo bone vite eos erudiendo instruit et informat » – « treffend spricht Christus vom Schriftgelehrten, der zur Erkenntnis gelangt ist, der also die Menschen durch das Wort der Lehre und durch das Beispiel eines guten Lebens unter41
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weist, sie erzieht und bildet »43. Karl verbindet nicht doctus und doctrina miteinander, sondern doctus und vita: Wer lehrt, ohne zu handeln, bleibt ein scriba! Nur wer fähig ist, seine Einsicht auch in Handeln umzusetzen, wird zum scriba doctus. Dessen Rang erweist sich für Karl in der Übereinstimmung von Lehre und Leben. Den formalen Charakter dieser Auslegung ergänzt er durch eine zweite, inhaltliche Definition: Der wahre Schriftgelehrte weist viele zur Gerechtigkeit. Da in diesem Merkmal auch die grundlegende Pflicht des Herrschers umrissen ist, stellt er einen unmittelbaren Bezug zu sich selbst her. Dem Leser gibt er geradezu einen Schlüssel zu einem angemessenen Verständnis seiner Schrift: Die doctrina des Fürstenspiegels verweist auf das exemplum seines Lebens. Dieses misst er an dem Idealbild des christlichen Herrschers, der in den Gestalten der biblischen Könige David, Salomo und Hiskia präfiguriert ist. Didaktische, rein geistliche Lebensbetrachtung und Darstellung profaner historischer Ereignisse stehen nicht schroff nebeneinander, sondern sind – zumindest in der Intention des Autors – eng miteinander verknüpft. Nicht pädagogische Motive oder « ein Interesse am geschichtlichen Werden überhaupt »44 veranlassten Karl zur Abfassung seiner Schrift, sondern der starke Legitimationszwang, unter dem er stand. Seine Selbstdarstellung, die sich auf die Zeit bis zu seiner Wahl zum deutschen König beschränkt, zielt auf den Nachweis, dass er von Anfang an für das höchste Amt prädestiniert war. Karl erzählt nicht die Geschichte seiner Jugendzeit, sondern die Geschichte seiner Berufung. Seine Selbstdarstellung ist nicht eine Analyse in der Tradition der augustinischen Confessiones, sondern Präsentation des Herrschers. Bei den Darstellungen auf den Seiten 43–45 handelt es sich um Kopien des 16. Jahrhunderts des Luxemburger Stammbaums auf Burg Karlstein (siehe dazu auch S. 284 f.)
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KÖ N I G L I C H E H E R K U N F T
Karl beginnt seinen Lebensbericht mit einem knappen Abriss seiner Herkunft. Er nennt Eltern und Großeltern; in beiden Generationen aber stellt er jene Familien besonders heraus, denen sich die Luxemburger Heinrich VII. und Johann angesippt haben: die Herzöge von Brabant und die Könige von Böhmen. Mit zwei Sätzen umreißt er eine blutsmäßige Zugehörigkeit, die für ihn von größter Bedeutung war. Über die Heirat Heinrichs VII. mit Margareta, der Tochter des Herzogs von Brabant, konnte Karl sein Geschlecht in direkter Linie an das karolingische Königsgeschlecht anbinden; und durch die Ehe seines Vaters Johann mit der Tochter des letzten Přemyslidenkönigs Wenzel war Karl ein Nachkomme des al-
Kaiser Karl der Große
Kaiser Heinrich VII.
43
einführung
ten Königsgeschlechtes der Böhmen. Seine Mutter Elisabeth und seine Großmutter Margareta gehören zu den wenigen Frauengestalten, die er in dem Bilderzyklus des luxemburgischen Stammbaumes 1355/56 auf Burg Karlstein malen ließ45; die übrigen drei Frauen sind wichtige Glieder der karolingischen Haustradition (Doda, Begga, Gerberga). Als der Prager Erzbischof Ernst von Pardubitz 1346 der Kurie die Argumente unterbreitete, welche die Wähler veranlassten, sich für Karl als neuen König zu entscheiden, nannte er als erstes Motiv dessen Herkunft aus hohem königlichen und kaiserlichen Geschlecht. Die väterliche Linie führt zu Karl dem Großen46, die mütterliche zum heiligen Wenzel. In seiner eigenen Namensgebung sieht Karl die Verbindung beider Linien besiegelt. Denn bei seiner Geburt 1316 erhielt er den Namen
König Johann von Böhmen
und seine Gemahlin Elisabeth
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königliche herkunft
Wenceslaus, bei seiner Firmung 1323 den Namen Karl. Die Initiative zu dem Namenswechsel schrieb er dem französischen König zu und spielte sie auf die private Ebene herunter: « Er gab mir den gleichen Namen, den auch er trug. »47 Auf diese Weise suchte er den Eindruck einer antiböhmischen Tendenz zu vermeiden, die sich in der Distanzierung von dem Namen des böhmischen Nationalheiligen kundtun könnte. Dass er sich beiden Traditionen verpflichtet fühlte, beweist die Namensgebung seiner Kinder: Die erste Tochter, geboren 1335, hieß Margareta, der erste Sohn, geboren 1350, Wenzel. Programmatisch verbindet er Aachen und Prag durch besondere Stiftungen. Am höchsten Punkt des neuen Mauerzuges um die Prager Neustadt gründete er 1350 den Karlshof, ein Stift der Augustinerchorherren, deren Kirche Karl dem Großen geweiht
Kaiser Karl IV.
und seine Gemahlin Blanca
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einführung
war und eine Nachbildung des Aachener Münsters sein sollte.48 Auf der anderen Seite stiftete er 1362 in der Marienkirche zu Aachen einen Altar zu Ehren des heiligen Wenzel für die tschechischen Pilger.49 In der Vita betont Karl die böhmische Tradition freilich noch stärker als die Reichstradition. Während er Kaiser Heinrich VII. nur in zwei knappen Sätzen erwähnt und die Politik seines Vaters Johann mit kühler Distanz, einige Male sogar mit scharfer Kritik kommentiert, erlebt er die antiqua stirps regum Boemorum als eine besonders wirksame politische Kraft. Deshalb versäumt er auch nicht, darauf hinzuweisen, dass seine Mutter genau am Tag des heiligen Wenzel verstorben sei oder dass er selbst am Vortag des Wenzelsfestes die Burg Mel eroberte.50 Die Schriftexegese der Kapitel 11–13 bezieht sich auf das Evangelium zum Fest der heiligen Ludmilla, der Gemahlin des ersten christlichen Böhmenkönigs. Nach der Überlieferung soll gerade sie einen entscheidenden Einfluss auf ihren Enkel, den heiligen Wenzel, ausgeübt haben. Überraschend wenig spricht Karl von seinem Großvater Heinrich VII. Dabei wäre doch zu erwarten, dass er den ihm nächstverwandten Kaiser besonders hervorheben würde. Doch verbindet sich mit dessen Namen einer der Anklagepunkte Occams. Dieser begründete seinen Vorwurf, dass Karl aus einem Geschlecht von Aufrührern gegen die Kirche stamme, mit der Italienpolitik Heinrichs VII. In der Tat hatte der Kaiser 1312/13 durch seine Maßnahmen gegen Robert von Anjou, König von Neapel, die Kurie zu scharfen Reaktionen veranlasst. Am 12. Juni 1313 erließ Papst Clemens V. eine Bulle gegen die Feinde seines Lehensmannes; wer gegen diesen vorgehe, sei eo ipso exkommuniziert.51 Der Kaiser richtete sich nicht danach, doch starb er noch während seines Zuges. Er wurde zwar nie in den Bann getan, aber Occam scheint seinen Vorwurf trotzdem nicht leichtfertig hingeschrieben zu haben, 46
königliche herkunft
denn Konrad von Megenberg weist diese Behauptung in seiner Gegenschrift nicht als falsch zurück, sondern lehnt nur die Konsequenzen ab, die ein Nachkomme der dritten Generation zu tragen hätte: Die Söhne werden nicht bestraft, weil die Väter gesündigt haben, sondern weil sie meist deren Sünden nachahmen; aber gerade das sei bei Karl nicht der Fall.52 Karl selbst verpflichtete sich bereits vor seiner Wahl, alle Prozesse, die sein Großvater, Kaiser Heinrich VII., gegen König Robert von Neapel und dessen Anhänger publiziert hatte, zu widerrufen. Zweimal erneuerte er nach der Wahl diese Verpflichtung. Jahre später, im Januar 1355, also kurz vor seiner Kaiserkrönung, erklärte er noch einmal alle Urteile und Strafen, die Heinrich VII. gegen seine Feinde verhängt hatte, für null und nichtig.53 In der Zwischenzeit war das luxemburgische Haus eng mit dem Haus Anjou verbunden. Karl selbst hebt in seiner Vita die verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden Familien deutlich heraus: Schon 1318 hatte sein Vater, König Johann von Böhmen, seine Schwester Beatrix dem Ungarnkönig Karl, einem Bruder Roberts, zur Frau gegeben; 1338 wählte Karl selbst den ältesten Sohn des Königs von Ungarn zum Gatten seiner Tochter Margareta. Höchst sorgfältig verzeichnet Karl sämtliche verwandtschaftlichen Verbindungen der eigenen Familie mit den europäischen Königs- und Adelsfamilien. Es gibt danach kaum ein Geschlecht von politischem Rang, zu dem die Luxemburger nicht in einer engen persönlichen Beziehung standen. Böhmen wird über ihr Geschlecht zu einem « edleren Glied des Römischen Reiches »54 und in einen großen Zusammenhang eingeordnet, den ihm ein Jahrhundert zuvor der Sachsenspiegel noch streitig gemacht hatte.55
47
ein einführung rückblick E U RO PA – I N S H A N D BU C H G E PAC K T
Karl IV. wurde unversehens getragen von der Europa-Euphorie dieser Jahre, die sich in der deutschen Geschichtsforschung in nicht weniger als fünf mehrbändigen Handbüchern zur europäischen Geschichte niederschlug: Handbuch der europäischen Geschichte, hg. v. Theodor Schieder, 7 Bände, 1968–1987. Propyläen Geschichte Europas, 6 Bände und 1 Ergänzungsband, 1975– 1978. Siedler Geschichte Europas, 4 Bände, 1998–2006 (Bd. 1 steht noch aus). Handbuch der Geschichte Europas, hg. v. Peter Blickle, 10 Bände, 2002– 2012 (Bd. 10 fehlt noch). C. H. Beck Geschichte Europas, 4 Bände, 2010–2013.
Frankreich und England folgten: Histoire de l’Europe, hg. v. Jean Carpentier u. François Lebrun, 1990. Serge Berstein u. Pierre Milza, Histoire de l’Europe, 3 Bände, 1994. Handbook of European History 1400–1600, ed. by Thomas A. Brady u. a., 2 Bände, 1994/95.
Ergänzend zu diesen großangelegten Übersichtswerken erschienen solche zu Teilbereichen, wie Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Wolfram Fischer, 6 Bände, 1980–1987. Helmut Coing: Europäisches Privatrecht, 2 Bände, 1985/89. Hans Hattenhauer: Europäische Rechtsgeschichte, 1992. Uwe Wesel: Geschichte des Rechts in Europa, 2010. Encyclopedia of European social history from 1350 to 2000, hg. v. Peter N. Stearns, 6 Bände, 2001.
Theodor Schieder, der Herausgeber des 1968 begonnenen Handbuchs der europäischen Geschichte, umschrieb die Schwier igkeiten der Historiker folgendermaßen: « Ein europä isches Geschichtsbuch kann die tiefen Antinomien nicht über-
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europa – ins handbuch gepackt
sehen oder auch nur durch oberflächliche Harmonisierung aus der Welt schaffen wollen, die die Geschichte Europas kennzeichnen. »114 Die Konzeption des Handbuchs erläuterte er 1968 in dem zuerst erschienenen Band, der den Titel trug: Europa im Zeitalter der Nationalstaaten – und der eigentlich den sechsten des Gesamtwerkes bildete. Erst 1976 erschien der erste Band über Europa im Wandel von der Antike zum Mittelalter. Seinen Abschluss fand das siebenbändige Werk 1987 mit dem zweiten Band: Europa im Hoch- und Spätmittelalter. Federführend war hier Ferdinand Seibt, der selbst den ersten Teil verfasste: « Von der Konsolidierung unserer Kultur zur Entfaltung Europas. » Der zweite, wesentlich umfangreichere Teil des Bandes begnügte sich mit einem Parcours durch die Länder Europas von der Spätantike bis zur Gegenwart. Der Versuch, Europa in seiner Vielfalt dennoch als eine Einheit darzustellen, brachte offensichtlich die Historiker in große Verlegenheiten, weil, wie Bernd Schneidmüller im dritten Band der C. H. Beck Geschichte Europas feststellte, « der Europabegriff ständig changierenden Konzepten folgte und immer noch folgt ».115 Welchen Stellenwert im europäischen Geflecht räumen die Historiker der Zeit Karls IV. ein? Eine ernüchternde Feststellung: Zwei Handbücher (Brady, Handbook und Propy läen Geschichte) nehmen sie gar nicht zur Kenntnis, weil für sie « das Zeitalter Europas » erst mit dem Epochenjahr 1400 beginnt. Hellmut Diwald, Autor des ersten Propyläen-Bandes, stellte seinen Beitrag ausdrücklich unter den Leitbegriff « Mündigkeit ». Gewisse Vorzeichen des Wechsels erkannte er aber bereits im vorangehenden Jahrhundert, « am frühesten in Böhmen ». Dort habe sich die Essenz des geistig-politischen Lebens konzentriert. 116 Unversehens wurde Karl IV. zu einem Vater des modernen Zeitalters.
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ein einführung rückblick
Nach den Wurzeln der neuen Zeit in früheren Jahrhunderten zu suchen, dieser Aufgabe stellte sich Peter Blickle, der Herausgeber des zehnbändigen Handbuchs der Geschichte Europas. Diese Übersicht umfasst dreitausend Jahre. Vier der Bände widmen sich der Zeit vor 1500, davon drei der mittelalterlichen Geschichte: Hans-Werner Goetz, Europa im frühen Mittelalter. 500–1050; Michael Borgolte, Europa entdeckt seine Vielfalt. 1050–1250 und Michael North, Europa expandiert. 1250–1500. – Die Autoren gehen von der Grundannahme aus, dass es geboten sei, von « Europa als Lebens- und Kulturraum bestimmter Eigenart » zu sprechen und zu fragen, wie diese historische Einheit begründet werden kann: « Es geht ebenso um die Akkulturationsprozesse, die die sozialen Gruppen des Kontinents zu Europäern werden ließ, wie um die besonderen Lebensformen, die sich gegen fremde Einflüsse behaupten konnten. »117 Trotz der gedachten Einheit Europas kamen die Historiker nicht umhin, eine zunehmende Vielfalt von konkurrierenden Staaten auszumachen, aber zugleich auch einen wachsenden Austausch zwischen den Staaten, Regionen und Individuen. Ernüchtert fasste Borgolte das Ergebnis so zusammen: « Das überwältigende Eigengewicht nationaler Traditionen hat bis heute eine umfassende europäische Geschichte des Hochmittelalters aus politikgeschichtlicher Sicht verhindert. »118 Überraschenderweise griff Borgolte das Thema « Europa im Mittelalter » 2006 erneut auf in der « Siedler Geschichte Europas », allerdings mit einem deutlich anderen Akzent: Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes. 300–1400. Wie schon der Titel ansagt, suchte Borgolte die herkömmliche Darstellung der europäischen Staatengeschichte zu umgehen und lenkte den Blick auf die drei genannten Religionen, in deren « monotheistischer Pluralität » sich eine neue Dynamik entwickelt habe bis hin zu einer « Evangelisierung Europas ». Der politische Prozess 72
europa – ins handbuch gepackt
laufe freilich auf eine « Regionalisierung des katholischen Europa » zu, in dem auch die Spannung zwischen universalem Herrschaftsanspruch und regionalen Kräften im Westen und Osten immer stärker wurde. Dem Nachfolgeband in diesem Handbuch gab der Autor Heinz Schilling den Titel: Die neue Zeit. Vom Christenheitseuropa zum Europa der Staaten. 1250–1750. Er blickte folglich noch einmal in den Zeitraum zurück, den Borgolte als Aufstieg des Abendlandes charakterisierte, vermied aber diesen historisch übermächtigen Begriff. Als « L’Europe de la Chrétienté » hatten bereits Carpentier und Lebrun 1990 die Geschichte des alten Europa zwischen dem 5. und 15. Jahrhundert dargestellt. Sie übernahmen dabei Grundpositionen Jacques Le Goffs, die dieser bereits 1964 in La civilisation de l’Occident médiévale entwickelt hatte.119 Bernd Schneidmüller hielt dagegen: « Trotz aller Selbstzu schreibungen war das spätmittelalterliche Europa kein christlicher Kontinent. Neben-, Gegen- und Miteinander der drei großen monotheistischen Religionen wird neuerdings als Grundpfeiler europäischer Geschichte immer deutlicher erkannt. »120 So lesen wir es in der « C. H. Beck Geschichte Euro pas », worin Schneidmüller den Zeitraum von 1200 bis 1500 abhandelte. Erstmals verzichtete er bewusst auf eine Reihung der verschiedenen Nationalgeschichten, um desto deutlicher die Austauschprozesse und Wechselwirkungen in einer sich ständig wandelnden Welt herauszuarbeiten. Zu jedem der drei Jahrhunderte wählte er « Knoten von Herausforderungen aus Asien und Ordnungsleistungen in Europa » aus: auf der einen Seite Naturkatastrophen, Pestseuchen und verheerende Kriege, auf der andern Seite Versuche der politischen Handlungsträger, in diesen unsicheren Zeiten wenigstens eine stabile Ordnung aufzubauen als Sinnstiftung für die Gemeinschaft. Er lenkte den Blick vor allem auf die politische Bühne in Frankreich, 73
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im römisch-deutschen Reich und in England mit ihren unterschiedlichen Modellen königlicher Nachfolgegestaltung. Er verhehlte freilich nicht: « Trotzdem bleibt die Verschränkung der Erschütterungen und der Ordnungsleistungen eine bloße Hypothese, ansprechend vielleicht, doch nicht zu beweisen. » In erster Linie ging es ihm darum, anstelle der üblichen Reihung von Nationalgeschichten eine « vergleichende Wahrnehmung politischer Ordnung » im mittelalterlichen Europa herzustellen. Schneidmüller nahm damit wieder sein Anliegen auf, das er bereits zehn Jahre zuvor für das hochmittelalterliche Deutsch land und Frankreich vorgetragen hatte121, und zwar im ersten Band der Reihe Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik. Zwanzig Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Ländern Europas stellten sich darin der Aufgabe, Möglichkeiten und Zuschnitt einer künftigen europäischen Geschichte zu reflektieren. Ihr Ziel war es, nationale Wissenschaftstraditionen zu überprüfen und zu verknüpfen, um in transkulturellem und diachronem Vergleich das reiche Panorama europäischer Kultur zu erschließen. Schneidmüller zeigte am Beispiel der deutschen Frankreichforschung, wie gebannt frühere Fachkollegen zurückblickten auf « die scheinbar gradlinige Entfaltung französischer Staatlichkeit », während das imperiale Modell der Stauferherrschaft scheiterte. Dessen traditionelle Formen konsensualer Herrschaft wollte er keineswegs als Zeichen politischen Versagens deuten, wie er in seinem oben genannten Handbuchbeitrag im Blick auf das 14. Jahrhundert ausführte. Zwei Reichenau-Tagungen widmeten sich 2002/03 in einer breit angelegten Zusammenschau den « Fragen der politischen Integration im mittelalterlichen Europa ».122 Sie analysierten vielfältige Prozesse des Zusammenschlusses von Teilen zu neuen Einheiten. In unserem Zusammenhang gewinnt der Beitrag von Ivan Hlaváček seine besondere Bedeutung: « Politische 74
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Integration der Böhmischen Krone unter den Luxem bur gern ».123 Er vermag überzeugend darzustellen, « wie die Böh mische Krone im 14. Jahrhundert endgültig die imaginäre Grenze, die vornehmlich die moderne Geschichtsforschung zwischen dem ‹ Neuen › und ‹ Alten › Europa herausgearbeitet hat, überwinden konnte » – dank Karls IV. Integrationskraft. Hlavacek knüpft hier an Überlegungen Peter Moraws zur Randlage Böhmens in der Entwicklungsgeschichte Europas an.124 Es war Teil des « Jüngeren Europa », das erst durch Karl IV. Anschluss an das ferne, antik-mediterran geprägte « Ältere Europa » fand.
E U RO PÄ I S C H E B L I C K E AU F K A R L I V. , DEN
«KAISER
I N E U RO PA »
In dem Sammelband der Beiträge von Bernard Guenée zu Politique et histoire au moyen âge (1981) sucht man im Register den Namen « Karl IV. » vergeblich.125 Dagegen widmet Jean-Pierre Cuvillier im zweiten Band seiner Geschichte Deutschlands im Mittelalter (1984) Karl ein ganzes Kapitel, in dem er allerdings lapidar feststellt: « Le style du discours de Charles IV est germanique »126; Europa aber hoffte auf « un modèle non point supranationale mais extragermanique. » Die von Jean Carpentier und François Lebrun 1990 herausgegebene Histoire de l’Europe erwähnt Karls Namen ein einziges Mal im Zusammenhang mit der Goldenen Bulle von 1356.127 Sehr zurückhaltend in Sachen Karl IV. verhält sich auch The Oxford illustrated history of medieval Europe (1988).128 Eine Abbildung zeigt zwar den Kaiser im Kreise der sieben Kurfürsten, aber seine Politik bleibt weitgehend ohne Konturen. Noch immer wird Kaiser Karl IV. von französischen und englischen Historikern eher am Rande wahrgenommen. 75
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2010 aber setzen zwei französische Autoren einen neuen, bemerkenswerten Akzent, als sie in der Reihe Les Classi ques de l’Histoire au Moyen Âge die erste Übersetzung der Autobiographie Karls in französischer Sprache anbieten.129 Sie unterstreichen damit die neue Konzeption der Reihe, die bis vor wenigen Jahren noch den ehrwürdigen Titel trug: Les Classiques de l’Histoire de France au Moyen Âge. Beide Herausgeber, Pierre Monnet und Jean-Claude Schmitt, begründen ihr Projekt eindringlich: « Il a semblé souhaitable de rendre accessible ce texte aux lecteurs français au regard de sa dimension européenne, de son importance pour l’histoire de l’Occident en générale au XIVe siècle. » Eine eindringlichere Aufforderung, erneut aus dem europäischen Rahmen auf Karl IV. und seine Zeit zurückzublicken, ist kaum möglich. Von Beginn seiner Königsherrschaft an sah Karl Europa als politisches Spielfeld.130 Und er verstand es, seine Herrschafts konzeption öffentlichkeitswirksam zu vermitteln.131 Die erste Krönung zum deutschen König inszenierte er 1346 in Bonn. Sie wurde vollzogen durch die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier. Sein Onkel, der Erzbischof Balduin von Trier, wiederholte die Zeremonie 1349 in der traditionellen Krönungsstadt Aachen. Schon 1347 hatte ihn der Prager Erzbischof, der das bisher vom Mainzer ausgeübte Krönungsrecht übernahm, zum König von Böhmen gekrönt. 1355 setzte ihm der Mailänder Metropolit die Langobarden-Krone aufs Haupt. Noch im selben Jahr feierte er in Rom die Kaiserkrönung, vollzogen im Auftrag des in Avignon residierenden Papstes durch den Kardinalbischof von Ostia. 1365 erlangte er in Arles als erster Herrscher nach Friedrich Barbarossa die burgundische Krone. – Prag, Aachen, Mailand, Rom, Arles, sie boten die große Bühne für einen europäischen Herrscher. Selbstverständlich bezog Karl seine drei Gemahlinnen, die er während seiner Herrschaftszeit heiratete, in das öffent76
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liche Schauspiel mit ein. Anna von der Pfalz wurde 1349 in Aachen zur deutschen Königin gekrönt und drei Monate später in Prag zur böhmischen Königin. Beide Städte erlebten die gleichen Feierlichkeiten 1353/54 mit Karls neuer Gattin Anna von Schweidnitz. Diese wurde im folgenden Jahr in der Peterskirche zu Rom am selben Tag wie Karl zur Kaiserin gekrönt. 1363 erhielt Elisabeth von Pommern in Prag die böhmische Königskrone und 1368 in Rom die kaiserliche Krone. So konnte die Königs- und Kaiserfamilie sinnfällig zum Ausdruck bringen, welch festes Fundament staatlicher Einheit sie bot. Der Gedanke an eine Sohnesfolge in der Herrschaft ergab sich geradezu zwangsläufig. So ließ Karl 1363 seinen Sohn Wenzel in Prag zum König von Böhmen krönen, 1376 in Frankfurt zum deutschen König wählen und einen Monat später in Aachen krönen. Ganz offensichtlich hatte auch er sich in das Ringen der europäischen Monarchien um ein zukunftsweisendes Modell könig licher Nachfolgeordnung eingebracht. Schneidmüller analysierte die unterschiedlichen europäischen Nor mie run gen anhand zweier berühmter Gesetzeswerke, die bis ins 19. Jahrhundert hinein die Geschichte Europas ent schei dend prägten: die Goldene Bulle Karls IV. von 1356 und die Ordonnances des französischen Königs Karl V. von 1374.132 Sie spiegeln gegensätzliche Muster monarchischer Herrschaft in den beiden herausragenden Regna des damaligen Europa wider. Während das französische Königshaus die Herrschaftskontinuität durch das Prinzip der erbrechtlich begründeten Primogenitur sichern konnte, gestaltete der römisch-deutsche Kaiser im genau geregelten Miteinander von König und sieben fürstlichen Königswählern die Ordnung des Reiches. Das Nürnberger Gesetzeswerk bestätigte Karls Politik, die einen Ausgleich unterschiedlicher Herrschafts ansprüche suchte und gleichwohl in der Folgezeit erreichte, dass seinem Sohn die Nachfolge in der Königsherrschaft übertragen wurde. 77
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Michael Borgolte deutete diese erfolgreiche Politik mit der « Tendenz zur Europäisierung », die er als innereuropäische Dynamik verstand.133 Wie andere europäische Herrscher habe auch Karl sich bemüht, sein Haus mit anderen Königshäusern zu versippen und weitere Territorien jenseits der Grenzen seines Herrschaftsgebietes zu sammeln. Solche Wege hatte bereits Karls Großvater, Kaiser Heinrich VII., beschritten. Dieser war als Graf von Luxemburg ganz in die Hofkultur der französischen Könige eingebunden und verstand es, nach seiner Wahl zum deutschen König, seinem Sohn Johann die böhmische Königswürde zu verschaffen durch die Heirat mit der Schwester des letzten Přemyslidenkönigs. Karl vergaß in seiner Autobiographie nicht, seine Herkunft aus diesem Geschlecht gebührend hervorzuheben. Im Gegensatz zu seinem Vater gelang es ihm, in Böhmen eine große Akzeptanz zu finden, nicht zuletzt weil er es verstand, in unverhältnis mäßig kurzer Zeit Prag zu einem Macht- und Kultur-Zentrum nicht nur der böhmischen Länder, sondern auch des Reiches
Kaisergoldbulle Karls IV. (siehe auch S. 285)
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aufzubauen.134 Die böhmische Krondomäne diente ihm als Grundlage für sein « hegemoniales Königtum », das Peter Moraw als eine neuartige Konzeption der Königsherrschaft im spät mittelalterlichen Reich würdigte.135 Das goldene Kaisersiegel hatte die Idee eindrucksvoll ins Bild umgesetzt: Der in kaiserlichem Ornat, mit Bügelkrone, Laubzepter und Reichsapfel thronende Kaiser wird in der Umschrift als Römischer Kaiser und Böhmischer König bezeichnet; zwei gleichgroße Wappenschilder, auf denen der Reichsadler und der böhmische Löwe angebracht sind, bestätigen seinen Rang.136 Mit diesem Siegel beglaubigte der Kaiser das berühmte Reichsgesetz von 1356, das die untrennbare Einheit von Reich und Böhmen staatsrechtlich verankerte. Die Prager Burg wurde zu Karls IV. repräsentativer Haupt residenz,137 auch wenn ihn sein Regierungsstil zu ständigem Reisen durch ganz Europa herausforderte.
D E R RÖ M I S C H - D E U T S C H E K A I S E R U N D DA S F R A N Z Ö S I S C H E KÖ N I G S H AU S
Dreimal in seinem Leben reiste Karl IV. nach Paris. Das erste Mal hatte ihn schon sein Vater 1323 an den dortigen Hof zu seiner Tante geschickt, die mit dem französischen König verheiratet war. Im dritten Kapitel der Autobiographie erläutert Karl IV. seinem Leser die engen verwandtschaftlichen Bindungen zwischen dem französischen Königshaus und dem luxemburgischen Grafenhaus. Auch er sollte in Paris die bestmögliche Erziehung genießen, die ihn auf sein späteres Amt vorbereitete. Er blieb dort sieben Jahre, erhielt den Namen Karl und seine erste gleichaltrige Frau, mit der er 1330 nach Luxemburg zog. Erst ein Jahrzehnt später kehrte er in die Weltstadt zurück, wenn auch nur für wenige Tage. Bis zum dritten Besuch, Ende 1377, 79
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ließ Karl fast vier Jahrzehnte vergehen – vermutlich aufgrund des gespannten Verhältnisses zu den Nachfolgern, die nach dem Tod des ihm sehr vertrauten letzten Kapetingers Karl (1328) den französischen Thron bestiegen hatten. Die Abneigung gegen Philipp VI. (1328–1350) verhehlte Karl in seiner Autobiographie nicht. Auch zu dessen Nachfolgern, Johann II. (1350–1364) und Karl V. (1364–1380), blieben die Beziehungen schwankend. Auf der andern Seite war auch das Königreich Frankreich schon traditionell « wenn nicht ganz auf Abwehr, so zumindest misstrauisch gegenüber dem Reich » eingestellt.138 Als Karl 1355 zum römischen Kaiser gekrönt wurde, erhob der französische König den Souveränitätsgedanken gegenüber dem kaiserlichen Suprematie-Anspruch ausdrücklich zur politischen Leitlinie, wie sie 1256 vom burgundischen Legisten Jean de Blanot formuliert worden war: Rex Franciae in regno suo princeps est, nam in temporalibus superiorem non recognoscit.139 Der Grundsatz wurde häufig in die griffige Formel verkürzt: Rex est imperator in regno suo. Ende 1377 erhielt der Kaiser eine eindrucksvolle Lektion zur Tragweite dieses Grundsatzes. Im November war er von seiner Pfalz Tangermünde aus über Aachen nach Brüssel gezogen, wo er seinen Sohn Wenzel traf. Dieser war im Vorjahr zu seinem Nachfolger im Reich gewählt und gekrönt worden – und sollte nun an Weihnachten der französischen Königs familie vorgestellt werden. Vorgesehen war eine Feier in der Form, wie Karl sie seit Beginn seiner Herrschaft gewohnt war: Am Weihnachtsfest feierte er mit den Geistlichen des Domoder Stiftskapitels der Stadt, in der er sich gerade aufhielt, das Chorgebet und las selbst, umringt von den anwesenden Reichsfürsten, das Weihnachtsevangelium nach dem Evange listen Lukas: « Es begab sich zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzet würde. » Hermann Heimpel hat dieses Zeremoniell, das erstmals zum 80
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Baselaufenthalt Karls 1347 von dem zeitgenössischen Chronisten Heinr ich von Diessenhofen erwähnt wird, ausführlich erörtert und als « politische Liturgik » interpretiert.140 Der monarcha mundi inszenierte sich hier als Nachfolger des römischen Kaisers, der über den Erdkreis herrschte, als es noch keinen Papst und keine Könige gab. Die Symbolkraft dieses liturgischen Aktes erkannte der französische König sehr wohl und wusste ihn zu verhindern. Er fand einen Ausweg in detaillierten protokollarischen Vorgaben. Sie sind eingehend in den offiziellen Grandes chroniques und, ihnen folgend, in der Histoire de Charles V von Roland Delachenal beschrieben.141 Zunächst konnten die französischen Diplomaten den Kaiser davon abhalten, das Weihnachtsfest überhaupt auf französischem Boden zu feiern. Er musste in der noch zum Reich gehörenden Grenzstadt Cambrai Halt machen, ou il pouvoit faire ses magnificences et estaz impériaux. – Im royaume de France duldete der König diesen liturgischen Auftritt des Kaisers nicht. Erst nach dem Fest war Karl als Gast willkommen, aber eben als Gast, nicht als Kaiser. Auch in Paris achtete das Protokoll sorgfältig darauf, dass der Kaiser nur einen Verwandtschaftsbesuch abstattete und nicht als Amtsperson auftrat. Selbst der feierliche Einritt in die Stadt war genau geregelt: Der französische König ritt auf einem weißen Pferd, das ihn wohl aus seiner Begleitung heraushob, die auf braunen Pferden saß. Aber ob man den Schimmel dezidiert als « Insignie des christlichen Kaisers » interpretieren kann, erscheint mir fraglich.142 Die Provokation wäre zu deutlich. Es genügte ja, als Gastgeber in der Mitte zwischen Kaiser und deutschem König zu reiten. Auch beim Galadiner am zweiten Besuchsabend nahmen die Gäste ihren Platz zur Rechten und Linken des französischen Herrschers ein, der bei dieser Gelegenheit auch seine konkreten politischen Erwartungen vortragen konnte. Und Karl IV. entsprach ihnen: Während eines 81
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Staatsaktes im Louvre ernannte er den zehnjährigen Sohn des Gastgebers zum Statthalter des Reiches im Arelat und leitete so den « Übergang der burgundischen Provinzen des Reiches an das Nachbarland »143 ein. In einer Grundsatzrede würdigte König Karl V. die neue Konstellation in Europa und beschwor die alten Zeiten der französischen Königsherrschaft unter Karl dem Großen. Charlemagne redivivus! So wurde der Kaiser noch in seinem letzten Lebensjahr über drei wesentliche Momente monarchischer Herrschaft unterwiesen: Berufung auf einen Spitzenahn, Kontinuität der Herrscherdynastie und deren heilsvermittelnde Sakralität. Während seines Parisbesuches beschwor er die harmonische Zusammenarbeit mit der Königsfamilie von Frankreich, « wo man Rivalität befürchten musste ».144 Souverän demonstrierte Karl IV. das Grundmotiv seiner Herrschaftskonzeption: Frieden durch Absprache und Partnerschaft. Mit allen Ehren wurde er in den ersten Januartagen 1378 verabschiedet. Sein Weg führte ihn zunächst zum Kloster St. Maurdes-Fossés, dem großen Wallfahrtsort der Gichtkranken. Dem dortigen Abt wurde von Paris aus rechtzeitig Ordre gegeben, er dürfe den Gast nur als Pilger empfangen und nicht als Kaiser. In keiner Weise sollte die Unabhängigkeit und Souveränität des Königs von Frankreich angetastet werden. Täglich besuchte der französische König von Vincennes aus das Kloster, in dem der kaiserliche Wallfahrer Linderung suchte. Offensichtlich standen hier auch noch weitere Verhandlungen auf der Tagesordnung, bevor Karl IV. den Heimweg antrat. Seine nächste Station war Luxemburg, die Heimat seines Geschlechtes. Von dort zog er über Nürnberg zurück nach Prag, ins Herz seines Reiches. Wie haben sich Gastgeber und Gast während der Besuchszeit miteinander verständigt? In französischer Sprache. Als der franzöDer feierliche Einritt des französischen Königs in Paris mit Karl IV. (zur Linken) und dessen Sohnes Wenzel (zur Rechten). (Siehe auch S. 285 f.)
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sische König bei einem Empfang im Louvre eine Grundsatzrede hielt, agierte der Kaiser als Dolmetscher und erläuterte seinen Begleitern die entscheidenden Passagen. Wie Karl IV. in seiner Autobiographie beteuerte, beherrschte er fünf Sprachen: die böhmische, französische, italienische, deutsche und lateinische. Mehrsprachigkeit forderte er auch in der Goldenen Bulle von den Kurfürsten des Reiches, « da die Erhabenheit des Heiligen Römischen Reiches die Gesetze und die Verwaltung der an Gebräuchen, Lebensweise und Sprache verschiedenen Völker zu regeln hat ».145 Auf alle Fälle sollten die Söhne oder Erben und Nach folger vom siebenten bis vierzehnten Lebensjahr neben ihrer Muttersprache auch in die lateinische Grammatik sowie in die italienische und böhmische Sprache eingeführt werden. Idealerweise waren sie auch an Orte zu schicken, an denen sie sich in diesen Sprachen bilden konnten. Auffällig ist freilich schon, dass in der Goldenen Bulle die französische Sprache unerwähnt bleibt, obwohl Karl die Kurfürsten als « Säulen und Flanken des Römischen Reiches » heraushebt. Eine Brücke zwischen dem Mittelalter und der jüngsten Zeit möchte ich hier nicht unerwähnt lassen: Was Karl in seiner Autobiographie von sich berichtete und in der Goldenen Bulle 1356 von den Kurfürsten und deren Nachfolgern erwartete, das empfahl 1978 der französische Soziologe Edgar Morin allen Europäern, wenn auch in etwas abgeschwächter Form: « Es wäre angebracht, dass jeder Europäer neben seiner Muttersprache zwei weitere europäische Sprachen fließend beherrscht. »146 Der spätmittelalterliche Kaiser erscheint sozusagen als Idealbesetzung eines Herrschers auf der Bühne europäischer Geschichte. Das große Galadiner mit anschließender, prunkvoll inszenierter Darstellung des ersten Kreuzzugs. Die Personen vor den drei Baldachinen mit den französischen Königslilien sind (v. l. n. r.): Karl IV., Karl V. und Wenzel. (Siehe auch S. 286 f.)
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D I E AU TO B I O G R A P H I E K A R L S I V. V I TA CA RO L I QUA RT I
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VO R B E M E R K U N G
Der folgende Text der Autobiographie Karls IV. beruht auf der kritischen Edition von Josef Emler, Fontes rerum Bohemicarum III, 1882, S. 336-368. Alle Abweichungen von dieser Fassung sind durch alphabetische Fußnoten auf derselben Seite kenntlich gemacht, soweit es sich nicht um Interpunktionszeichen handelt, die keine inhaltliche Veränderung bedeuten, sondern nur das Lesen erleichtern. Zum Vergleich wurde noch die Ausgabe der Vita von Kurt Pfisterer und Walther Bulst heran gezogen. Emlers Fassung ist mit E gekennzeichnet, die jüngere mit B. Ein anschließender Anmerkungsteil erläutert und verifiziert einzelne Stellen des Textes. Die Übersetzung der Autobiographie beruht auf der Ausgabe von 1979, erschienen im Fleischhauer & Spohn Verlag, Stuttgart.
Die Abbildungen auf den beiden folgenden Seiten zeigen links den Beginn der Handschrift von 1396 (Wiener Nationalbibliothek Cod. 619, fol. 1 r) und rechts den Beginn der tschechischen Handschrift von 1472 (Wiener Nationalbibliothek Cod. 2618, fol. 1 r). Letztere enthält 13 bemerkenswerte Miniaturen, die wir aufgrund ihrer Originalität auf den folgenden Seiten an gegebener Stelle abbilden. (Siehe auch S. 287 f.)
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CA P I T U L U M I
S
ecundis sedentibus in thronis meis binis, binas mundi vitas agnoscere et meliorem eligere. Cum binam faciem in enigmate respicimus, memoriam de ambabus vitis habemus. Quia sicut facies, que videtur in speculo, vana et nichil est, ita et peccatorum vita nichil est. Unde Aquilaris in evangelio ait: « Et sine ipso factum est nichil. »1 Quomodo autem factum est nichil peccatoris opus, cum ipse id fecerit? Peccatum uero fecit, sed non opus. Opus denominatur ab optacione, et peccator semper optat delicias et inquinatur per eas. Fraudatur vero in desiderio suo, quia corruptibilia desiderat, que ad nichilum rediguntur. Et sic sepelitur vita sua cum ipso, quia cum carnalia corrumpuntur, desideria sua finiuntur. De secunda autem vita ait Aquilaris: « Quod factum est in ipso, vita erat, et vita erat lux hominum. »2 Quomodo autem faciemus vitam in eo, ut vita sit lux nostra, docet nos salvator dicens: « Qui manducat carnem meam et bibit sanguinem meum, in me manet et ego in eo. »3 Qui vivunt de tali cibo spirituali, manent in eternum. Quomodo de ipso vivant, advertamus. Nonne si carnaliter varia cibaria et corruptibilia comedimus, appetitum ad ea nos oportet habere, et interiora nostra amplecti desideranter, et ea mittere per organa corporis nostri, ut convertantur in sanguinem, ut spiritus, qui in sanguine manet vita nostra, inibi possit
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I
ch widme dieses Werk] den Nachfolgern, die auf meinen zwei Thronen sitzen, damit sie die beiden Formen irdischen Lebens erkennen und die bessere wählen. Wenn wir im Gleichnis den Doppelsinn wahrnehmen, werden uns die beiden Formen des Lebens bewusst. Wie ein Gesicht, das sich im Spiegel sieht, eitel und nichtig ist, so ist auch das Leben des Sünders nichtig. Deshalb sagt Johannes im Evangelium: « Und ohne Ihn ist das Geschaffene ein Nichts. »1 Wie aber ist ein Geschaffenes als Werk des Sünders ein Nichts, da dieser doch etwas hervorgebracht hat? – Er hat zwar Sünde hervorgebracht, aber nicht ein Werk. Den Begriff opus (Werk) leitet man zwar von optatio (Verlangen) ab, doch der Sünder begehrt ständig Genüsse und wird durch sie befleckt. Er betrügt sich selbst in seiner Begehrlichkeit, weil er Vergängliches begehrt, das zu Nichts zerfällt. Und so sinkt sein Leben mit ihm ins Grab, weil seine Begierden aufhören, wenn das Leibliche erlischt. Von dem zweiten Leben aber sagt Johannes: « Was in Ihm geschaffen, war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. »2 Wie wir in Ihm das Leben gestalten sollen, dass es unser Licht ist, lehrt uns der Erlöser: « Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. »3 Die von solcher geistigen Speise leben, bleiben in Ewigkeit. Lasst uns schauen, wie sie davon leben. Wenn wir ir gendwelche vergänglichen Speisen leiblich zu uns nehmen, müssen wir da nicht einem Trieb folgen, sie begierig in uns aufzunehmen und durch die Organe unseres Körpers zu leiten, damit sie sich in Blut verwandeln, auf dass der Geist, der als unser Leben im Blut ist, dort bleiben kann? Doch weil die 97
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manere?a Sed quia carnalia corruptibilia sunt, homo moritur. Qui autem comedit cibum illum spiritualem, de quo anima vivit: nonne oportet, quod homo in anima sua illum appetat et desideranter recipiat, ac diligenter in caritate amplectatur, ut scintille illius cibi fervore dulcedinis et amoris in eo generentur, in quibus anima nutrimentum suum habeat vitale, et in eo maneat? Et sicut in illo nutrimento nil corruptum est, ita manentes in ipso carent omni corrupcione et vivent in eternum. Quod salvator affirmat, dicens Johannis VI°: « Hic est panis vivus de celo descendens, et si quis de ipso manducaverit, non morietur in eternum. »4 Vita eterna est lux hominis, que sine deo effici non potest. Et ideo dicit idem Aquilaris: « Et vita erat lux hominum »5, quoniam aliam vitam reputat mortem. Et vere est mors, quia amarissima est.6 Quid autem amarius, quam amatores deliciarum et has penas sustinere? Non enim sunt mortui tantum, sed omni hora moriuntur. Viventes autem in vita eterna bene dicuntur viventes, quia vi morti restiterunt delicias carnales refutando, et ceperunt in premio delicias sempiternas. Sed multi comedunt spiritualem cibum sine appetitu et desiderio et evomunt illum de cordibus suis. Ve illis! quia reatus illorum cum Iuda describitur, et porcio eorum cum Dathan et Abiron7, nec proderit animabus ipsorum ad nutrimentum. Nonne cognoscitis, quod si bestia comedit sine appetitu, non provenit ei ad nutrimentum, sed dolore torquetur? Multo magis vos torquebimini, quia pena vestra erit eterna, sicut cibus est eternus. Quorum vestigia, vos obsecro, cavete, sed in nutrimentum animarum vestrarum cibum illum desiderate re-
a) manet, [cum] vita nostra inibi possit manere E, B.
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kapitel 1
leiblichen Speisen vergänglich sind, stirbt der Mensch. Wer aber jene geistige Speise isst, von der die Seele lebt, muss dieser Mensch nicht in seiner Seele ein Verlangen empfinden, diese Speise begierig aufzunehmen und in hingebender Liebe zu umfangen, damit durch die Glut dieser Speise die Funken der Süße und Liebe, worin die Lebensnahrung der Seele besteht, in ihm entzündet werden und sie in ihm bleibe? Wie in jener Nahrung nichts Vergängliches ist, so bleiben die, die in ihr verharren, frei von der Vergänglichkeit und werden leben in Ewigkeit. Dies verheißt uns der Erlöser selbst im sechsten Kapitel des Johannesevangeliums: « Dies ist das lebendige Brot, das vom Himmel herabkommt. Und wer von diesem Brot isst, wird nicht sterben in Ewigkeit. »4 Das ewige Leben ist das Licht der Menschen. Es kann ohne Gott nicht erlangt werden. Und deshalb sagt derselbe Johannes: « Und das Leben war das Licht der Menschen »5, weil er das andere Leben als Tod betrachtet. Es ist sogar der bittere Tod, weil es Bitternis bringt.6 Was aber gibt es Schlimmeres, als dem Genuss verfallen zu sein und zugleich solche Strafen erleiden zu müssen? Denn sie sind nicht nur tot, sondern sie sterben jede Stunde. Die im ewigen Leben wandeln, heißen die wahrhaft Lebenden, weil sie im Verzicht auf die irdischen Freuden machtvoll dem Tod widerstanden und zum Preis die ewigen Freuden erlangt haben. Doch viele essen die geistige Speise ohne Verlangen und Begier und speien sie aus ihrem Herzen aus. Weh ihnen! Ihre Schuld wird an Judas deutlich; mit Datan und Abiram erhalten sie ihren Teil7, der ihren Seelen nicht zur Nahrung dienen wird. Wisst ihr nicht, dass ein Tier, das ohne Verlangen isst, nicht für sein Wohlergehen sorgt, sondern von Schmerz gepeinigt wird? Um wie viel mehr werdet ihr gepeinigt, weil eure Strafe ewig sein wird, so wie die Speise ewig ist. Ich beschwöre euch: Folgt nicht ihren Spuren, sondern sucht jene geistige Speise als Nahrung eurer Seele zu empfangen und wollet ohne 99
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cipere et sine ipso nolite vivere, ut in eternum vivatis; et « non in solo pane vivit homo, sed ex omni verbo, quod procedit de ore dei. »8 Nam panis celestis non solum est panis, sed et caro et verbum, que si solusb esset, non haberet nutrimentum vite eterne. Quomodo autem ille panis sit caro, ait salvator: « Panis, quem ego dabo, caro mea est. »9 Que caro verbum est, prout Iohannes in evangelio ait: « Et verbum caro factum est. »10 Quod verbum deus erat, de quo idem: « Et deus erat verbum. »11 Et sic iste panis caro, verbum et deus est. Quem panem qui sumere vult, accipere oportet carnem, verbum et deum in illo pane celesti, qui panis angelorum nuncupatur. In sumpcione panis oportet, ut sumatur verbum veritatis. De quo verbo Christus ait: « Ego sum veritas et vita. »12 Qui verbum veritatis non accipit sumendo, non accipit panem illum. Oportet ergo eum, qui panem sumit, carnem sumere. Quia cum eum dominus discipulis suis traderet, dixit: « Hoc est corpus meum, quod pro vobis tradetur. »13 Et sanguinem eiusdem carnis dedit eis dicens: « Hic est calix sanguinis mei novi et eterni testamenti, qui pro multis effundetur. »14 Cum autem homo sumit illam carnem, perdat carnem suam, et tradat eam pro Christo, tollensque crucem suam sequatur eum15, ut particeps fiat mortis et passionis eius, participans in futuro gloria nominis sui. Cum autem carnem sumit, oportet eum et panem illum sumere verum, prout ipse ait: « Ego sum panis verus, qui de celo descendi. »16 Confirmavit nobis ipse Christus novum et eternum testamentum per panem illum. De qua confirmacione David canit in psalmo: « Et panis cor hominis confirmet. »17 David autem
b) sola E, B.
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sie nicht leben, damit ihr in Ewigkeit lebt. « Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt. »8 Denn das Brot des Himmels ist nicht Brot allein, sondern auch Fleisch und Wort. Wäre es nur Brot, es enthielte nicht die Nahrung für das ewige Leben. Wie aber jenes Brot Fleisch ist, sagt der Erlöser: « Das Brot, das ich euch geben werde, ist mein Fleisch. »9 Dieses Fleisch ist das Wort, wie Johannes im Evangelium sagt: « Und das Wort ist Fleisch geworden. »10 Dieses Wort war Gott, wie ebenfalls Johannes sagt: « Und Gott war das Wort. »11 Und so ist jenes Brot zugleich Fleisch, Wort und Gott. Wer dieses Brot empfangen will, muss es als Fleisch, Wort und Gott in jenem Himmelsbrot empfangen, welches « Brot der Engel » genannt wird. Mit dem Empfang des Brotes wird notwendigerweise auch das Wort der Wahrheit empfangen. Von diesem Wort sagt Christus: « Ich bin die Wahrheit und das Leben. »12 Wer nicht das Wort der Wahrheit in sich aufnimmt, nimmt jenes Brot nicht an. Weiter: Wer das Brot empfängt, der muss auch das Fleisch empfangen. Denn der Herr sprach, als er es seinen Jüngern gab: « Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. »13 Und er gab ihnen auch das Blut dieses Fleisches und sprach: « Das ist der Kelch meines Blutes des neuen und ewigen Testaments, das für viele vergossen wird. »14 Empfängt der Mensch aber jenes Fleisch, so soll er sein eigenes Fleisch verlieren und es Christus hingeben. Er nehme sein Kreuz und folge ihm15, damit er teilhabe an dessen Tod und Leiden, dereinst aber auch den Ruhm sei nes Namens teile. Wenn er nun das Fleisch empfängt, so empfängt er notwendigerweise auch jenes wahre Brot, wie Christus selbst sagt: « Ich bin das wahre Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. »16 Durch jenes Brot hat uns Christus selbst das neue und ewige Testament bekräftigt. Darüber singt David im Psalm: « Und das Brot kräftige des Menschen Herz. »17 Recht anschaulich spricht David auch in symbolischer Weise von dem 101
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non inmerito figurative de eterno pane loquitur. Nam domus eius Bethlem vocatur, quod interpretatur domus panis. De hac domo voluit deus Christum suum nasci, qui est verus panis. Et ideo nominat eum scriptura de domo David18, id est de domo panis. Confirmet autem ille panis corda et animas vestras in sancta dileccione et caritate sua, ut sic valeatis transire per regna temporalia, ut non amittatis eterna. Amen.
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um autem regnabitis post me decorati diademate regum, mementote, quod et ego rexi ante vos et in pulverem redactus sum et in lutum vermium. Similiter vos cadetis, transeuntes ut umbra et velud flos agri.19 Quid valet nobilitas aut rerum affluencia, nisi assit pura consciencia cum fide recta et spe sancte resurreccionis? Non estimetis vitam vestram sicut impii, non recte cogitantes: cum exiguum sit, quod estis, quia a deo creati et ex nichilo nati sitis, et post hoc ad nichilum redigeminia, tanquam non fuissetis. Scitote vos habere patrem eternum et filium eius, dominum nostrum Jesum Chri stum, qui primogenitus est in multis fratribus20, qui vos vult participes fieri regni sui, si mandata eius servaveritis, et non inquinaveritis mentes et consciencias, et voluntate sanguinis et carnis vestre efficiemini filii dei, prout Johannes in evangelio dicit: « Dedit eis potestatem filios a) so Cod. Vindob. 3539; redigamini E, B.
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kapitel 1
ewigen Brot. Denn sein Haus heißt Bethlehem, das heißt Haus des Brotes. Aus diesem Haus wollte Gott seinen Gesalbten hervorgehen lassen, der das wahre Brot ist. Deshalb sagt die Schrift über ihn, er stamme aus dem Hause David18, das heißt aus dem Haus des Brotes. Jenes Brot stärke eure Herzen und Seelen in heiliger Zuneigung und Liebe zu ihm, damit ihr stark genug seid, das Zeitliche zu durchwandern, ohne das ewige Reich zu verlieren. Amen.
KAPITEL 2
W
enn ihr aber nach mir herrschen werdet, geschmückt mit der Krone der Könige, so gedenkt, dass auch ich vor euch Herrschaft ausgeübt habe und zu Staub geworden bin und zu Erde für die Würmer. Ähnlich werdet ihr hinsinken, vergänglich wie ein Schatten und wie die Blume des Feldes.19 Was nützt adlige Herkunft oder großer Besitz ohne ein reines Gewissen, ohne rechten Glauben und Hoffnung auf die heilige Auferstehung? Betrachtet euer Leben nicht wie die Gottlosen. Glaubt nicht: Da euer Sein wertlos ist, weil ihr von einem Gott geschaffen und aus dem Nichts geboren seid, werdet ihr danach auch wieder ins Nichts zurückfallen, als ob ihr nicht gewesen wäret. Wisset: Ihr habt einen ewigen Vater und seinen Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, der der Erstgeborene unter den vielen Brüdern ist20, der euch zu Teilhabern seiner Herrschaft machen will, wenn ihr seine Gebote achtet, Sinne und Gewissen nicht befleckt und mit dem Verlangen eures Blutes und Fleisches Söhne Gottes werdet, wie Johannes im Evangelium sagt: « Er gab ihnen die Macht, Söhne Gottes zu
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dei fieri. 21 Si igitur vultis effici filii dei, mandata patris vestri servate, que anunciavit vobis per filium suum, dominum nostrum Jesum Christum, regem celestem, cuius typum et vices geritis in terris. Mandatum vero maius est diligere dominum deum ex toto corde et ex tota anima, et proximum sicut semet ipsum.22 Si ea dileccione deum diligetis, animas vestras pro ipso ponere non formidabitis, et non timebitis eos, qui corpus quidem possunt interficere, animam vero perdere non valent.23 Sed timebitis patrem vestrum, qui potens est salvare et mittere in iehennam sempiternam.24 Si vero in timore domini ambulaveritis, sapiencie vestreb erit inicium25, et iudicabitis fratres vestros in iusticia et equitate, prout ipsi iudicari speratis a domino, nec sic deviabitis in devium, quia via domini recta est. Eritque misericordia vestra super egenos et pauperes, prout optatis misericordiam consequi de egestate et fragilitate vestra a domino. Et sapiencia vestra fortificabitur in robore domini, et ponet ut arcum ereum brachium veÂstrum et conteretis bella forcia, et cadent impii coram voÂbis, iusti autem gaudebunt. Cogitaciones quoque inimicorum vestrorum deus dissipabit et docebit vos facere iusticiam et iudicium. Revelabit vobis secreta, scrutinium iustum ostendet vobis et non palliabit vir astutus maliciam suam ante faciem vestram, quia spiritus sapiencie et intellectus domini erit in vobis.26 Et velabuntur oculi iniustorum coram vobis, tolletque deus de cordibus eorum verbum27, et amentes erunt proposiciones eo-
b) sapientia vestrum E, B.
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werden. »21 Wenn ihr also Söhne Gottes werden wollt, dann achtet die Gebote eures Vaters, die er euch verkündet hat durch seinen Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, den König des Him mels, dessen Abbild ihr seid und dessen Stellvertretung ihr auf Erden innehabt. Von besonderer Bedeutung aber ist jenes Gebot, Gott den Herrn zu lieben aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele und den Nächsten wie sich selbst.22 Wenn ihr Gott mit solcher Zuneigung liebt, werdet ihr nicht davor zurückschrecken, euer Leben für ihn einzusetzen, und ihr werdet die nicht fürchten, die zwar den Leib töten können, aber nicht die Macht haben, eure Seelen zu verderben.23 Doch werdet ihr euren Vater fürchten, denn er hat die Macht, euch zu erlösen oder ins ewige Verderben zu stürzen.24 Wenn ihr nun in der Furcht des Herrn wandelt, wird dies der Anfang eurer Weisheit sein25, und ihr werdet eure Brüder in Gerechtigkeit und Billigkeit richten, wie ihr selbst hofft, vom Herrn gerichtet zu werden. So werdet ihr nicht vom Wege abirren, weil der Weg des Herrn gerade ist. Und es wird sich euer Erbarmen über die Bedürftigen und Armen neigen, wie ihr selbst vom Herrn Erbarmen zu erlangen wünscht für eure Bedürftigkeit und Gebrechlichkeit. Eure Weisheit wird stark werden in der Kraft des Herrn. Wie einen ehernen Bogen wird er euren Arm aufrichten, und ihr werdet gewaltige Kriege durchstehen. Die Gottlosen werden vor euch niedersinken, die Gerechten aber werden frohlocken. Auch die Pläne eurer Feinde wird Gott zunichte machen, und er wird euch lehren, Gerechtigkeit und Gericht zu üben: Er wird euch Verborgenes enthüllen, gerechte Untersuchung lehren, und es wird der Verschlagene seine Bosheit vor eurem Blick nicht verbergen können, weil der Geist der Weisheit und der Einsicht Gottes in euch sein wird.26 Die Augen der Ungerechten werden sich vor euch verhüllen, Gott wird aus ihren Herzen das Wort nehmen27, und ihre Ausflüchte werden sinnlos sein. Der 105
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rum. Iustus autem salvabit vitam suam, sicque erit honor regis, « quia honor regis iudicium diligit ».28 Et sceptra vestra florebunt coram domino, quia porrexistis ea lapso et inopem extraxistis de laqueo venancium.29 Diademataque vestra splendebunt, et facies vestre illustrabuntur, quia oculi sapiencium in ipsa respicient et laudabunt dominum, dicentes: « Adiciat dominus dies regis super dies eius. »30 In generacione iustorum benedicetur semen vestrum.31 Avariciam si odio habueritis, affluent vobis divicie; quibus nolite cor apponere, sed thesaurisate vobis sapienciam, quoniam in possessione eius multa dominacio. Avarus autem non dominatur, sed subditus est pecunie dicioni. Perversa consorcia atque consilia fugite, quia cum sanctis sancti eritis, et cum perversis pervertemini; morbus namque contagiosus est peccatum. « Apprehendite igitur disciplinam domini, ne quando irascatur, et pereatis de via iusta, cum in brevi exarserit ira eius. »32 Si peccare vos contigerit, tedeat animam vestram vite vestre33, donec recurratis ad fontem pietatis et misericordie. Quamquam humanum sit peccare, diabolicum tamen est perseverare. Nolite peccare in spiritum sanctum, peccando in confidenciam dei, quia spiritus dei sanctus elongatur a vobis; putandum est, quod spiritus sanctus peccati zelator est. Non date in vobis locum ire, sed mansuetudini; que mansuetudo vincit iram et paciencia maliciam. Nolite invidere alterutrum, sed caritatem pocius habete invicem, quia invidia generat odium. Qui odit, non amatur et in furore suo peribit. Qui vero caritatem habet, diligit et est dilectus deo et hominibus.
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kapitel 2
Gerechte aber wird sein Leben retten. Dies alles wird dem König zur Ehre gereichen, denn « die Würde des Königs strebt nach gerechtem Gericht ».28 Eure Szepter werden blühen vor dem Herrn, weil ihr sie dem Gestrauchelten hingestreckt und den Schwachen aus dem Netz der Jäger29 befreit habt. Eure Kronen werden glänzen und eure Angesichter leuchten, weil die Blicke der Weisen auf sie schauen. Und sie werden den Herrn loben mit den Worten: « Der Herr füge den Tagen des Königs weitere Tage hinzu. »30 Im Geschlecht der Gerechten wird euer Same gesegnet sein.31 Wenn ihr die Habsucht hasst, wird euch der Reichtum zuströmen. Hängt euer Herz nicht daran, sondern sammelt euch die Weisheit als Schatz, nur in ihrem Besitz ruht große Herrschaft. Der Habsüchtige herrscht nicht, sondern ist der Macht des Geldes hörig. Verderbten Umgang und Rat meidet, weil ihr mit den Heiligen heilig und mit den Verderbten verderbt werdet. Denn eine ansteckende Krankheit ist die Sünde. « Unterwerft euch der Zucht des Herrn, damit er nicht zürne und ihr abkommt vom rechten Wege; denn sein Zorn wird rasch entbrennen. »32 Habt ihr gesündigt, so soll euer Leben euch zum Ekel werden33, bis ihr zurückkehrt zum Quell der Frömmigkeit und des Erbarmens. Auch wenn es menschlich ist zu sündigen, so ist es doch teuflisch, in der Sünde zu verharren. Sündigt nicht wider den heiligen Geist, indem ihr gegen Gottes Vertrauen sündigt, weil Gottes heiliger Geist von euch weicht. Dieser aber ist nach unserer Überzeugung der Feind der Sünde. Gebt dem Zorn keinen Raum in euch, sondern der Sanftmut. Denn Sanftmut überwindet den Zorn und Langmut die Bosheit. Neidet einander nichts, sondern habt Liebe zueinander, denn Neid gebiert Hass. Wer hasst, wird nicht geliebt und richtet sich in seiner Raserei selbst zugrunde. Wer aber Liebe hat, der liebt und wird geliebt von Gott und den Menschen. 107
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Si exaltari cuperit cor vestrum, humiliate vos, « nec veniat vobis pes superbie ».34 Superbia ingrata est creatori et benefactoribus, et ideo non habet superbus graciam nec coram deo nec coram hominibus. Conteret autem eam dominus in fine, deponens potentes de sede et exaltans de pulvere humiles, ut sedeant cum principibus et solium glorie teneant.35 Nolite crapulari a cibo et potu, sicut faciunt hii, « quorum deus venter est »36, quorum gloria et finis fecium accumulacio est. Nolite renes vestros coinquinare, sed lumbos vestros precingite, fortitudine mentis concingimini amplectendac, quoniam spiritus sanctus effugiet luxurie se dantes, nec habitabit in corporibus subditis peccato. Abstinete vos a malo accidie37, ne vos trahat gravedine sua in profundum inferni. Cavete ergo vobis ab omni peccato in etate tenera, quia parvus error in principio magnus erit in fine. Sed ambulate in lege domini sine macula, ut benediccionem accipiatis ab eo, qui ait: « Beati inmaculati in via, qui ambulant in lege domini »38, ut sitis tamquam lignum, quod plantatum est secus decursus aquarum, quod fructum suum dabit in tempore suo, et folium eius non defluet.39 Sed asscriptum erit in libro vite, ubi asscripta sunt nomina iustorum. Quod vobis prestare dignetur, qui dignus fuit aperire librum et signacula eius.40
c) [coniugium] amplectando E, B; Emler erschließt das Wort coniugium, das in keiner lateinischen Handschrift überliefert ist, aus der tschechischen Übersetzung.
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Will euer Herz sich erheben, so erniedrigt euch, « und nicht komme über euch der Fuß des Stolzes ».34 Der Stolz ist dem Schöpfer verhasst und allen, die guten Sinnes sind. Daher findet der Stolze weder vor Gott noch vor den Menschen Gnade. Gott aber wird am Ende den Stolz brechen, er wird die Mäch tigen vom Thron stürzen und die Niedrigen aus dem Staub erheben, damit sie unter den Fürsten sitzen und einen Ehrenplatz erhalten.35 Seid nicht ausschweifend in Speise und Trank, wie es jene halten, « deren Gott der Bauch ist »36, die ihre ganze Ehre darein setzen, Unrat anzuhäufen. Befleckt eure Lenden nicht, sondern gürtet sie, und wappnet euch mit tapferem Sinn. Denn der heilige Geist flieht alle, die sich der Ausschweifung hingeben, und er wird nicht in den Körpern wohnen, die der Sünde verfallen sind. Meidet das Übel des Missmutes37, damit er euch durch seine Schwere nicht in den Abgrund der Hölle ziehe. Meidet also von Kind an jede Sünde, weil ein kleiner Irrtum am Beginn am Ende ein großer wird. Wandelt vielmehr ohne Makel im Gesetz des Herrn, damit ihr von dem den Segen empfangt, der sagt: « Selig, die ihren Lebensweg makellos schreiten, die wandeln im Gesetz des Herrn. »38 So seid ihr wie ein Baum, gepflanzt an strömendem Wasser, der seine Frucht trägt zur rechten Zeit und dessen Laub nicht welkt.39 Aber im Buch des Lebens, wo die Namen der Gerechten aufgezeichnet sind, wird ein Eintrag stehen. Das möge euch der gewähren, der würdig war, das Buch und seine Siegel zu öffnen.40
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n tempore illo, cum essemus, in Lucca diabolus, qui semper querit, quem devoret99, et offert hominibus dulcia, in quibus fel latet, cum ante diu fuissemus temptati per eum nec tamen divina gracia adiuvante victi, instigavit homines pravos et perversos, cum per se non valuisset, qui patri nostro cottidie adherebant, ut nos de tramite recto in laqueum miserie et libidinis seducerent, sicque seducti a perversis eramus perversi una cum perversis. Deinde pater noster non longe post nos arripiens iter versus Parmam una nobiscum pervenimus in villam nomine Tarencz Parmensis diocesis in die dominica, in qua erat XV. Aug. dies Assumpcionis sancte Marie virginis.100 Illa vero nocte cum nos sopor invaderet, apparuit nobis quedam visio, quoniam angelus domini astitit iuxta nos in parte sinistra, ubi iacebamus, et percussit nos in latere dicens: « Surge et veni nobiscum. » Nos autem respondimus in spiritu: « Domine, nec scio quo nec quomodo vobiscum eam. » Et accipiens nos per capillos anterioris partis capitis exportavit nos secum in aerem usque super magnam aciem armatorum equitum, qui stabant ante unum castrum parati ad prelium. Et tenebat nos in aere super aciem et dixit nobis: « Respice et vide. » Et ecce alter angelus descendens de celo, habens igneum gladium in manu percussit unum in media acie et abscidit sibi membrum genitale eodem gladio, et ille tamquam letaliter vulneratus agonizabat equo insidens. Tunc tenens nos per capillos 140
KAPITEL 7
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amals, als wir uns in Lucca aufhielten, stiftete der Teufel, der ständig sucht, wen er verschlingen könne99, und den Menschen Süßes anbietet, worin sich Galle birgt, üble und verderbte Leute aus der Umgebung meines Vaters an, uns vom rechten Weg abzubringen und in Elend und Begierde zu verstricken. Aus eigener Kraft hatte er es nicht geschafft, obwohl wir schon lange von ihm versucht worden waren. Aber durch die Hilfe der göttlichen Gnade waren wir ihm nicht unterlegen. Nun aber wurden wir von Verderbten verführt und mit den Verderbten verderbt. Nur kurze Zeit nach uns brach unser Vater nach Parma auf. Gleichzeitig kamen wir am Sonntag, dem 15. August, dem Fest Mariae Himmelfahrt, zu einem Dorf im Bistum Parma mit Namen Terenzo.100 In jener Nacht aber, als uns der Schlaf übermannte, hatten wir eine Erscheinung. Denn ein Engel des Herrn trat zur Linken unseres Lagers, stieß uns in die Seite und sprach: « Steh auf und folge uns! » Wir antworteten im Geist: « Herr, ich weiß weder, wohin, noch wie ich mit Euch gehen soll. » Und er nahm uns vorn an den Haaren und trug uns mit sich durch die Lüfte, bis wir uns über einem großen Reiterheer befanden, das kampfbereit vor einer Burg stand. Er hielt uns über dem Heer in der Luft und sprach: « Gib acht und schau hin! » Und siehe, ein anderer Engel kam vom Himmel herab mit einem feurigen Schwert in der Hand. Damit durchbohrte er einen Menschen, der sich inmitten des Heeres befand, und schlug ihm das Geschlechtsteil ab. Schwerverletzt rang dieser, noch auf dem Pferd sitzend, mit dem Tod. Da ergriff uns der Engel wieder bei den Haaren und sprach: « Kennst du
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angelus dixit: « Cognoscis illum, qui percussus est ab angelo et vulneratus ad mortem? » Tunc diximus: « Domine, nescio, nec locum cognosco. » Dixit: « Scire debes, quod hic est Delphinus Viennensis, qui propter peccatum luxurie sic a deo est percussus101; nunc ergo cavete et patri vestro potestis dicere, quod sibi caveat de similibus peccatis, vel peiora accident vobis. » Nos autem compassi illi Delphino Viennensi, nomine Bigonis, cuius avia fuerat soror avie nostre, et ipse erat filius sororis regis Ungarie Karoli primi. Interrogavimus angelum, utrum posset confiteri ante mortem, et contristatus eram valde. Respondit autem angelus dicens: « Habebit confessionem et vivet aliquot diebus. » Tunc vidimus in parte sinistra aciei multos viros stantes amictos palliis albis, quasi essent viri magne reverencie et sanctitatis, loquebanturque ad invicem respicientes super aciem et super ea, que gesta erant, et bene ipsos notavimus. Nec tamen graciam interrogandi habuimus nec per se angelus [retulit], qui vel quales essent viri illi tante reverencie. Et subito restituti fuimus ad locum nostrum aurora iam clarescente. Veniensque Thomas de Nova Villa miles, Leodiensis diocesis, camerarius patris nostri, excitavit nos dicens: « Domine, quare non surgitis, iam pater vester paratus ascendit equos. » Tunc surreximus et eramus confracti et quasi fessi sicut post magnum laborem itineris. Et diximus sibi: « Quo ut vadamus, cum hac nocte passi sumus tanta, quod nescimus, quid facere debeamus. » Tunc dixit nobis: « Domine, quid? » Et diximus sibi: « Delphinus mortuus est; et ipse pater noster vult congregare exercitum et procedere in auxilium Delphino, qui guerrat cum comite Sabaudie; nostrum auxilium non proficit sibi, quia mortuus est. » Ipse vero
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kapitel 7
jenen, der von dem Engel durchbohrt und tödlich verwundet wurde? » Darauf antworteten wir: « Herr, ich kenne ihn nicht. Auch der Ort ist mir unbekannt. » Er sprach: « Wisse, dies ist der Dauphin von Vienne, der wegen der Sünde der Ausschweifung so von Gott durchbohrt wurde.101 Nun also nehmt euch in acht! Auch eurem Vater könnt ihr sagen, er solle sich vor solchen Sünden hüten, sonst widerfährt euch noch Schlimmeres. » Es erfasste uns großes Mitleid mit Guigo, dem Dauphin von Vienne, dessen Großmutter die Schwester unserer Großmutter war. Er selbst war der Sohn der Schwester König Karls I. von Ungarn. Von Mitleid ergriffen fragten wir den Engel, ob Guigo vor seinem Tod noch beichten könne. Der Engel aber antwortete und sprach: « Er wird noch beichten und einige Tage leben. » Da sahen wir auf dem linken Flügel des Heeres viele Leute stehen, in weiße Gewänder gekleidet, als seien es Männer von großer Würde und Heiligkeit. Sie sprachen miteinander und richteten ihre Aufmerksamkeit auf das Heer und das, was geschehen war. Wir beobachteten sie genau. Wer aber diese ehrwürdigen Männer waren, wurde uns nicht zu fragen erlaubt noch von dem Engel erklärt. Plötzlich waren wir wieder an unseren alten Ort zurückversetzt, während der Morgen schon graute. Da kam der Ritter Thomas von Villeneuve aus dem Bistum Lüttich, ein Kammerherr unseres Vaters, und weckte uns mit den Worten: « Herr, warum steht Ihr nicht auf? Euer Vater sitzt schon gerüstet zu Pferd. » Da erhoben wir uns, aber wir waren erschöpft und müde wie nach den Strapazen einer langen Reise. Wir antworteten ihm: « Wo sollen wir hingehen? In dieser Nacht haben wir so viel gelitten, dass wir nicht wissen, was wir tun sollen. » Da sagte er zu uns: « Herr, was gibt es? » Wir entgegneten ihm: « Der Dauphin ist tot. Und unser Vater will ein Heer sammeln und ihm zu Hilfe ziehen, da er mit dem Grafen von Savoyen Krieg führt. Unsere Hilfe nützt 143
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deridens nos illa die postquam venimus in Parmam dixit patri nostro omnia, que sibi dixeramus. Tunc pater noster vocans interrogavit nos, si verum esset et si ita vidissemus. Cui respondimus: « Utique, domine, eciam pro certo sciatis, quod Delphinus mortuus est. » Pater vero increpans nobis dixit: « Noli credere sompniis. » Predictis autem patri nostro et Thome non dixeramus integre, sicut videramus, sed solum quod Delphinus mortuus esset. Post aliquot ergo dies venit nuncius ferens litteras, quod Delphinus congregato exercitu suo venerat ante quoddam castrum comitis Sabaudie et quod de una balista cum magna sagitta in medio omnium militum suorum fuisset sagittatus et post aliquot dies confessione habita mortuus esset. Tunc pater noster auditis litteris dixit: « Miramur valde super hiis, quia filius noster mortem ipsius nobis ante predixerat. » Et multum mirati sunt ipse et Thomas, nullus tamen post hec de ista materia cum ipsis fuit locutus.
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ost hec pater noster videns, quod expense sibi deficiebant et guerram ulterius ferre contra predictos dominos Lombardie non posset, cogitavit de recessu suo et volebat nobis committere easdem civitates et guerram. Nos vero recusavimus quaea cum honore conservare non poteramus. Tunc data nobis licencia recedendi premisit nos versus Boemiam. Et receptis treugis cum inimicis nostris102 transivimus per territorium Mantuanum in Veronam103, abinde in comitatum Tyrolis, ubi invenimus fratrem nostrum, nomine Johannem, quem pater noster copulaverat filie ducis Karinthie comitisque Tyrolis.104 Qui dux, socer fratris nostri, habuerat prius sororem maa) quia E, B.
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ihm nichts, denn er ist tot. » Er lachte uns damals aus. Nachdem wir aber nach Parma gekommen waren, erzählte er unserem Vater alles, was wir ihm gesagt hatten. Da ließ der Vater uns rufen und fragte, ob das wahr sei und wir das so gesehen hätten. Wir antworteten ihm: « Herr, seid versichert, der Dauphin ist tot. » Der Vater aber schalt uns: « Glaub’ doch nicht an Träume! » Wir hatten aber unserem Vater und Thomas nicht alles berichtet, wie wir es gesehen hatten, sondern nur gesagt, dass der Dauphin tot sei. Nach einigen Tagen brachte ein Bote die Nachricht, der Dauphin sei mit seinem Heer vor eine Burg des Grafen von Savoyen gezogen und inmitten aller seiner Ritter von einem großen Pfeil aus einer Armbrust getroffen worden. Er habe noch die Beichte abgelegt und sei nach wenigen Tagen gestorben. Als unser Vater diese Nachricht hörte, sagte er: « Wir wundern uns sehr darüber, denn unser Sohn hat uns dessen Tod vorhergesagt. » Sowohl er als auch Thomas waren tief betroffen. Niemand aber hat danach mit ihnen über diesen Vorfall gesprochen.
KAPITEL 8
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ls unser Vater nun sah, dass ihm die Mittel ausgingen und er nicht weiter Krieg gegen die Herren der Lombardei führen könne, dachte er an seinen Rückzug und wollte uns die Städte und den Krieg überlassen. Wir aber verweigerten, was wir mit Würde nicht behaupten konnten. Da gab er uns Erlaubnis zum Rückzug und schickte uns nach Böhmen voraus. Nachdem wir mit unseren Feinden einen Waffenstillstand abgeschlossen hatten102, zogen wir durch das Gebiet von Mantua nach Verona103, von da in die Grafschaft Tirol, wo wir unseren Bruder Johann trafen, den unser Vater mit der Tochter des Herzogs von Kärnten und Grafen von Tirol vermählt hatte104. Dieser Herzog, der Schwiegervater unseres Bruders, war 145
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tris nostre, nomine Annam, prout superius scriptum est.105 Post obitum vero eius receperat uxorem sororem ducis de Brunswich106, cum qua predictam filiam habuerat nomine Margaretham. Et cum eadem dederat fratri nostro post obitum suum ducatum Karinthie et comitatum Tyrolis107; nam prole masculina carebat. Et sic pax facta erat inter eum et patrem nostrum, quia ante erant inimici propter expulsionem eiusdem ducis, quem pater noster expulerat de Boemia, prout superius scriptum est.108 Deinde transivimus per Bavariam, ubi invenimus sororem nostram seniorem, nomine Margaretham, que unicum filium habebat cum Heinrico, duce Bavarie, nomine Johannem.109 Deinde pervenimus in Boemiam, de qua absens fueramus undecim annis.110 Invenimus autem, quod aliquot annis ante mater nostra dicta Elyzabeth mortua erat.111 Ipsa vero vivente soror nostra secundogenita, filia sua, nomine Guta, missa erat in Franciam et copulata Johanni, filio primogenito Philippi, regis Francie, cuius sororem, nomine Blanczam habebamus in uxorem. Tercia vero soror nostra et ultima nomine Anna erat apud dictam sororem nostram in Francia temporibus illis. Et sic cum venissemus in Boemiam, non invenimus nec patrem nec matrem nec fratrem nec sorores nec aliquem notum. Idioma quoque Boemicum ex toto oblivioni tradideramus, quod post redidicimus, ita ut loqueremur et intelligeremus ut alter Boemus. Ex divina autem gracia non solum Boemicum, sed Gallicum, Lombardicum, Teutunicum et Latinum ita loqui, scribere et legere scivimus, ut una lingua istarum sicut altera ad scribendum, legendum loquendum et intelligendum nobis erat apta.112 Tunc pater noster procedens versus comitatum Luczembur
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früher mit Anna, der Schwester unserer Mutter, verheiratet. Wir hatten oben davon berichtet.105 Nach deren Tod nahm er die Schwester des Herzogs von Braunschweig zur Frau.106 Mit ihr hatte er eine Tochter namens Margareta. Diese hatte er unserem Bruder anvertraut und gleichzeitig für den Fall seines Todes das Herzogtum Kärnten und die Grafschaft Tirol.107 Er hatte nämlich keine männlichen Nachkommen. Auf diese Weise herrschte zwischen ihm und unserem Vater wieder Friede; denn vorher waren sie Feinde wegen der Vertreibung des Herzogs. Wie oben berichtet wurde, hatte ihn unser Vater aus Böhmen vertrieben.108 Danach zogen wir durch Bayern. Wir trafen dort unsere ältere Schwester Margareta, die mit Herzog Heinrich von Bayern einen einzigen Sohn namens Johann hatte.109 Schließlich kamen wir nach Böhmen, von dem wir elf Jahre abwesend waren.110 Hier erfuhren wir, dass unsere Mutter Elisabeth vor einigen Jahren gestorben war.111 Noch zu ihren Lebzeiten war unsere zweitälteste Schwester, ihre Tochter Guta, nach Frankreich geschickt und mit Johann, dem ältesten Sohn König Philipps von Frankreich, dessen Schwester Blanca wir zur Frau hatten, vermählt worden. Unsere dritte und letzte Schwester Anna weilte damals bei der Schwester in Frankreich. Und so fanden wir bei unserer Ankunft in Böhmen weder Vater noch Mutter, weder Bruder noch Schwester, noch ir gendeinen Vertrauten. Auch die böhmische Sprache hatten wir völlig verlernt. Wir erlernten sie aber gleich wieder, so dass wir sie sprachen und verstanden wie jeder andere Böhme. Durch göttliche Gnade aber konnten wir nicht nur böhmisch, sondern auch französisch, italienisch, deutsch und lateinisch so sprechen, schreiben und lesen, dass die eine wie die andere dieser Sprachen uns beim Schreiben, Lesen, Sprechen und Verstehen verfügbar war.112 Damals zog unser Vater in die Grafschaft Luxemburg we149
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gen足sem propter quandam guerram, quam gerebat cum duce Bravancie ipse et college sui113, videlicet Leodiensis episcopus, Juliacensis marchio, Gerlenensis comes et quam plures alii, commisit nobis auctoritatem suam temporibus absencie sue in Boemia. Quod regnum invenimus ita desolatum, quod nec unum castrum invenimus liberum, quod non esset obligatum cum omnibus bonis regalibus, ita quod non habebamus ubi manere, nisi in domibus civitatum sicut alter civis. Castrum vero Pragense ita desolatum, destructum ac comminutum fuit, quod a tempore Ottogari114 regis totum prostratum fuit usque ad terram. Ubi de novo palacium magnum et pulchrum cum magnis sumptibus edificari procuravimus, prout hodierna die apparet intuentibus. Tempore illo misimus pro uxore nostra, quia adhuc erat in Luczemburg. Que cum venisset, post unum annum habuit filiam primogenitam, nomine Margaretham.115 Illis autem temporibus dederat nobis pater noster marchionatum Moravie et eodem titulo utebamur. Videns autem communitas de Boemia proborum virorum, quod eramus de antiqua Stirpe regum Boemorum, diligentes nos dederunt nobis auxilium ad recuperanda castra et bona regalia. Tunc cum magnis sumptibus et laboribus recuperavimus castra Purglinum, Tyrzow116, Liuchtenburg117, Lutycz118, Grecz119, Pyesek120, Necztyni, Zbyroh, Tachow121, Trutnow122 in Boemia; in Moravia vero Luccow123, Telcz, Weverzi124, Olomucense, Brunense et Znoymense castra, et quam plura alia bona obligata et alienata a regno. Et habebamus multos paratos militares servientes, et prosperabatur regnum de die in diem, diligebatque nos communitas bonorum, mali vero timentes precavebant
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gen einer Fehde, die er und seine Verbündeten113, der Bischof von Lüttich, der Markgraf von Jülich, der Graf von Geldern und eine Reihe anderer, mit dem Herzog von Brabant führten. Für die Zeit seiner Abwesenheit übertrug er uns die Herrschaftsgewalt in Böhmen. Dieses Königreich trafen wir derart verwahrlost an, dass wir keine einzige freie Burg fanden, die nicht schon mit allen königlichen Gütern verpfändet war. So hatten wir keine andere Bleibe außer in Stadthäusern, wie jeder andere Bürger auch. Die Prager Burg aber war so verwahrlost, verfallen und heruntergekommen, weil sie seit der Zeit König Ottokars114 völlig zugrunde gerichtet worden war. An ihrer Stelle ließen wir unter hohen Kosten von Grund auf einen großen und schönen Palast err ichten, wie er noch heute dem Betrachter erscheint. Zu jener Zeit schickten wir nach unserer Gattin, die sich bisher in Luxemburg aufhielt. Ein Jahr nach ihrer Ankunft gebar sie unsere erste Tochter Margareta.115 Damals hatte uns der Vater das Markgrafenamt in Mähren übertragen, und diesen Titel führten wir nun. Als aber die Gemeinschaft der redlich gesinnten Männer in Böhmen erkannte, dass wir ein Spross des alten böhmischen Königsgeschlechts waren, liebten sie uns und boten uns ihre Hilfe an, um die Burgen und königlichen Güter wieder zuerlangen. Da gewannen wir unter gro ßen Kosten und Mühen die folgenden Burgen zurück: in Böhmen Bürglitz, Tyrzow116, Lichtenburg117, Lutitz118, Gretz119, Pisek120, Netsch tin, Zbi roh, Tachow121, Trutnow122; in Mähren Lukow123, Teltsch, Wewerzi124, Olmütz, Brünn und Znaim. Außerdem erwarben wir viele Güter zurück, die verpfändet und der königlichen Herrschaft entglitten waren. Und wir hatten viele Ritter, die sich bereitwillig in unseren Dienst stellten. Und es blühte das Königreich von Tag zu Tag mehr auf, es liebte uns die Gemeinschaft der Guten, die Bösen aber mieden angstvoll 151
vita caroli quarti
a malo, et iusticia sufficienter vigebat in regno, quoniam barones pro maiori parte effecti erant tyranni, nec timebant regem, prout decebat, quia regnum inter se diviserant. Et sic tenuimus capitaneatum regni meliorando de die in diem per duos annos. Tempore illo tradidimus iuniorem sororem nostram, nomine Annam, Ottoni, duci Austrie, in uxorem.125 Et in illis diebus mortuus est dux Karinthie, socer fratris nostri.126 Et cum frater noster debuisset accipere possessionem ducatus Karinthie et comitatus Tyrolis post mortem ipsius, tunc fecerat occulte ligam Ludovicus, qui se gerebat pro imperatore, cum ducibus Austrie, Alberto videlicet et Ottone, ad dividendum dominium fratris nostri occulte et false127, volens idem Ludovicus habere comitatum Tyrolis, duces vero ducatum Karin足thie, inmemor Ludovicus et ingratus serviciorum patris nostri, que sibi exhibuerat in adepcione imperii, prout supra est scriptum.128 Dux vero Austrie, licet sororem nostram haberet, statim post obitum ducis Karinthie predicti per conspiracionem habitam secreto cum domino de Aufsteyn129, qui erat captaneus ex parte ducis tocius Karinthie, statim cum fratre suo habuerunt Karinthiam, quam idem de Aufsteyn eis libere tradidit ac possessio足nem ei[s]dem dedit. Et sic frater noster perdidit ducatum Karinthie. Illi vero de comitatu Tyrolis noluerunt se subdere Ludovico, sed permanserunt in obediencia fratris nostri. Illis peractis venit pater noster in Boemiam et adduxit post se uxorem suam, quam receperat sibi in reginam, nomine Beatricem130, filiam ducis de Burbon, de genere regum Francie,
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kapitel 8
das Böse, und die Gerechtigkeit gewann wieder genügend Kraft im Königreich. Denn die Barone waren großenteils zu Tyrannen geworden und fürchteten den König nicht mehr, wie es sich ziemte, weil sie das Königreich unter sich aufgeteilt hatten. Und so hatten wir zwei Jahre lang die Führung des Königreichs inne und mehrten sein Wohl von Tag zu Tag. In dieser Zeit vermählten wir unsere jüngere Schwester Anna mit dem Herzog Otto von Österreich.125 In jenen Tagen starb der Herzog von Kärnten, der Schwie gervater unseres Bruders.126 Obwohl unser Bruder nach dessen Tod das Herzogtum Kärnten und die Grafschaft Tirol hätte in Besitz nehmen sollen, hatte Ludwig, der sich als Kaiser ausgab, damals mit den Herzögen Albrecht und Otto von Österreich einen Geheimvertrag abgeschlossen, um hinterhältig und widerrechtlich den Herrschaftsbereich meines Bruders mit ihnen zu teilen.127 Ludwig selbst wollte die Grafschaft Tirol in Besitz nehmen, die Herzöge das Herzogtum Kärnten. In seiner Rücksichtslosigkeit zeigte er sich nicht erkenntlich für die Dienste, die ihm einst unser Vater bei der Erwerbung des Reiches erwiesen hatte, wovon oben schon die Rede war.128 Der Herzog von Österreich aber führte unmittelbar nach dem Tod des Herzogs von Kärnten mit dem Herrn von Aufenstein129, der als herzoglicher Statthalter für ganz Kärnten eingesetzt war, Geheimverhandlungen, obwohl er unsere Schwester zur Frau hatte. Sofort besetzte er gemeinsam mit seinem Bruder Kärnten, das ihnen der von Aufenstein bereitwillig in die Hände spielte und in ihren Besitz gab. Und so verlor unser Bruder das Herzogtum Kärnten. Die Tiroler aber wollten sich Ludwig nicht unterwerfen, sondern blieben meinem Bruder ergeben. Nach diesen Ereignissen kam unser Vater nach Böhmen und brachte seine Gattin Beatrix, die er sich zur Königin auserkoren hatte, mit sich.130 Sie war die Tochter des Herzogs von 153
vita caroli quarti
cum qua postea genuit unicum filium nomine Wenceslaum. Tunc mali et falsi consiliarii invaluerunt contra nos aput patrem nostrum, lucrum proprium pretendentes, tam Boemi quam de comitatu Luczemburgensi. Accedentes patrem nostrum sibi suggesserunt dicentes: « Domine, provideatis vobis, filius vester habet in regno multa castra et magnam sequelam ex parte vestri; unde si diu ita prevalebit, expellet vos, quando voluerit; nam et ipse heres regni et de stirpe regum Boemie est, et multum diligitur a Boemis, vos autem estis advena. » Hoc autem dicebant querentes lucrum et locum suum, ut ipsis committeret castra et bona predicta. Ipse autem in tantum assensit consiliis eorum, quod de nobis diffidebat, et propter hec abstulit nobis omnia castra et administracionem in Boemia et in marchionatu Moravie. Et sic nobis remansit solus titulus marchio Moravie sine re. Illo tempore equitabamus una dierum de Purglino in Pragam, volentes adire patrem nostrum, qui erat in Moravia, et sic tarde venimus in castrum Pragense ad antiquam domum purgraviatus, ubi mansionem per aliquot annos feceramus, antequam palacium magnum fuerat edificatum. Et nocturno tempore deposuimus nos in lecto, et Bussko de Wilharticz senior in altero ante nos. Et erat magnus ignis in camera, quia tempus hiemale erat, multeque candele ardebant in camera, ita quod lumen sufficiens erat, et ianue et fenestre omnes erant clause. Et cum incepissemus dormire, tunc 154
kapitel 8
Bourbon und gehörte dem französischen Königshaus an. Mit ihr zeugte er später einen einzigen Sohn Wenzel. Damals gewannen üble und falsche Ratgeber bei meinem Vater Einfluss gegen uns; es waren Böhmen und Luxemburger, die nur auf eigenen Vorteil bedacht waren. Sie traten an unseren Vater heran und redeten ihm ein: « Herr, seht Euch vor, Euer Sohn hat im Königreich viele Burgen und einen großen Anhang unter Eurem Gefolge. Behält er noch lange solchen Einfluss, so wird er Euch verdrängen, wann er will. Denn er ist der Erbe in der Königsherrschaft und Spross des böhmischen Königshauses. Er wird von den Böhmen sehr geliebt, Ihr aber seid ein Fremdling. » Dies sagten sie aus reiner Gewinnsucht, damit er ihnen die erwähnten Burgen und Güter überlasse. Er selbst aber schenkte ihren Einflüsterungen so willig Gehör, dass er gegen uns misstrauisch wurde. Deshalb nahm er uns alle Burgen weg und entzog uns die Verwaltung in Böhmen und in der Markgrafschaft Mähren. So blieb uns nur der leere Titel eines Markgrafen von Mähren. Zu jener Zeit ritten wir eines Tages von Bürglitz nach Prag, um unseren Vater zu besuchen, der in Mähren weilte. Spät erst kamen wir auf die Prager Burg zum alten burggräflichen Haus. Wir hatten dort schon einige Jahre gewohnt, bevor der große Palast fertig war. Als es Nacht war, legten wir uns zu Bett, und Busco von Wilhartitz der Ältere in das andere neben uns. Es brannte ein großes Feuer in der Kammer, denn es war Winter. Viele Kerzen flackerten in dem Raum, so dass es hell genug war. Alle Türen und Fenster waren geschlossen. Wir waren kaum eingeschlafen, da bewegte sich etwas – was, weiß
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deambulabat nescio quid per cameram, ita quod ambo evigilavimus, et fecimus dictum Busskonem surgere, ut videret, quid esset. Ipse autem surgens circumivit per cameram querens, et nichil vidit nec quidquam potuit invenire. Tunc fecit maiorem ignem et plures candelas incendit, et ivit ad ciffos, qui stabant pleni vino super bancas, et potavit et reposuit unum ciffum prope unam magnam candelam ardentem. Potacione facta tunc deposuit se iterum ad lectum, et nos induti pallio nostro sedebamus in lecto et audiebamus ambulantem, videre tamen neminem poteramus. Et sic respicientes cum predicto Busskone super ciffos et candelas vidimus ciffum proiectum, et idem ciffus proiciebatur, nescimus per quem, ultra lectum Busconis de uno angulo camere usque in alterum in parietem, qui sic reverberatus a pariete cecidit in medium camere. Videntes hec territi sumus nimium, et semper ambulantem in camera audivimus, neminem autem vidimus. Post vero signati sancta cruce in Christi nomine usque in mane dormivimus. Et mane surgentes ciffum, prout proiectus erat, in medio camere invenimus. Et ea nostris familiaribus ad nos de mane venientibus ostendimus. Illo tempore misit nos pater noster cum pulchro exercitu super ducem Slezie nomine Polconem, dominum Munster beriensem. Nam ille dux non erat princeps neque vasallus patris nostri et regni Boemie.131 Pater tamen noster acquisierat civitatem Wratislaviensem per dominum Henricum septimum132, ducem Wratislaviensem, qui heredes non habebat. Et idem dux acceperat in donum Glacense territorium temporibus vite sue, voluitque pocius predictam civitatem ac ducatum patri nostro et corone regni Boemie perpetuo applicare quam fratri suo Boleslao dimittere, quia ipse et frater suus mutuo sibi inimicabantur. Postquam autem pater noster accepisset possessionem civitatis Wratislaviensis, omnes duces Slezie et Opuliensis133
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kapitel 8
ich nicht – durch den Raum, so dass wir beide erwachten. Wir hießen Busco aufstehen, um nachzuschauen, was los sei. Er erhob sich, ging suchend durch die Stube, entdeckte aber nichts und konnte nichts finden. Da machte er ein größeres Feuer und zündete noch mehr Kerzen an. Er ging zu den Bechern, die auf den Bänken standen und mit Wein gefüllt waren, nahm einen Schluck und stellte dann einen Becher neben eine große brennende Kerze. Nachdem er getrunken hatte, legte er sich wieder zu Bett. Wir aber saßen, in unsere Decken gehüllt, im Bett; wir hörten jemanden auf- und abgehen, konnten aber niemanden sehen. Während wir so mit Busco auf die Becher und Kerzen blickten, sahen wir einen Becher umfallen. Und dieser Becher wurde – ich weiß nicht, von wem – über Buscos Bett hinweg von einer Stubenecke in die andere geworfen. Er prallte von der Wand zurück und fiel mitten in die Stube. Als wir das sahen, erschraken wir sehr. Und immer noch hörten wir die Schritte im Raum, ohne jemanden zu sehen. Dann bekreuzigten wir uns im Namen Christi und schliefen bis zum Morgen. Als wir aufstanden, fanden wir den Becher mitten in der Stube, wie er hingefallen war. Davon berichteten wir unseren Dienern, die am Morgen zu uns kamen. Zu jener Zeit schickte uns der Vater mit einem stattlichen Heer gegen Herzog Bolko von Schlesien, Herrn von Münsterberg. Denn dieser Herzog war kein Fürst und Lehns mann unseres Vaters und des Königreichs Böhmen.131 Unser Vater jedoch hatte die Stadt Breslau von Herzog Heinrich VII.132 von Breslau, der keine Erben hatte, erworben. Dieser Herzog hatte das Gebiet von Glatz auf Lebenszeit zum Geschenk erhalten und wollte Stadt und Herzogtum lieber unserem Vater und der Krone des Königreichs Böhmen für immer zukommen lassen als seinem Bruder Boleslaw. Denn er und sein Bruder waren miteinander verfeindet. Nachdem aber unser Vater von Breslau Besitz ergriffen hatte, unterwarfen sich 157
vita caroli quarti
subiecerunt se dicioni sue perpetuo ac corone regni Boemie, ut tuerentur et defenderentur a regibus Boemorum, exceptis duce Slezie, domino Swydnicensi, et Polcone domino Munster beriensi. Cuius territorium devastavimus, prout in cronica scriptum. Quod in tantum fuit devastatum, quod ipse coactus est mediantibus placitis esse vasallus patris nostri ac corone regni Boemie sicut et alii duces. Hiis peractis arripuimus iter versus Ungariam ad patrem nostrum, quem invenimus in Wissegrado super Danubio aput regem Karolum primum.134 Qui ante habuerat sororem patris nostri, ipsa vero defuncta acceperat sororem regis Craco vie Kazomiri, cum qua genuerat tres filios: primogenitum Ludovicum, secundum Andream, tercium Stephanum. Ibique fecit idem rex Karolus pacem inter patrem nostrum et Cracovie regem135, ita quod renunciaret pater noster iuri sibi debito in inferiori Polonia, scilicet Gneznensi et Kalixiensi et aliis inferioribus provinciis Polonie. Rex vero Cracovie renunciavit patri nostro et regno Boemie pro se et successoribus suis regibus Inferioris Polonie in perpetuum de omni accione omnium ducatuum Slezie et Opulie et civitatis Wratislavie. Nam ante erat dissensio inter eos, quoniam avus noster Wenceslaus secundus136, rex Boemie, possederat Inferiorem Poloniam predictam cum ducatibus Cracovie et Sandomerie racione unice filie Przemisl, regis Inferioris Polonie, ducis Cracovie et Sandomerie, quam acceperat in uxorem. Qui Przemisl post mortem suam dederat avo nostro et corone regni Boemie in perpetuum tam regnum quam ducatus possidendos. Kazomirus vero predictus erat patruus ipsius domine137, et dicebat se ius
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kapitel 8
alle Herzöge Schlesiens, auch der von Oppeln133, für immer seiner Oberhoheit und der Krone des Königreichs Böhmen, um von den böhmischen Königen geschützt und verteidigt zu werden. Der Herzog von Schlesien und Herr von Schweidnitz sowie Herr Bolko von Münsterberg nahmen sich davon aus. Wie in einer Chronik schon aufgezeichnet ist, verwüsteten wir Bolkos Gebiet. Es wurde so sehr verwüstet, dass er sich gezwungen sah, Verhandlungen aufzunehmen und wie die anderen Herzöge auch ein Lehnsmann unseres Vaters und der Krone des Königreichs Böhmen zu werden. Nach diesem Feldzug brachen wir zu unserem Vater nach Ungarn auf. Wir trafen ihn bei König Karl I.134 zu Visegrád an der Donau. Dieser war früher mit einer Schwester unseres Vaters verheiratet. Nach deren Tod vermählte er sich mit einer Schwester König Kasimirs von Krakau, mit der er drei Söhne zeugte, als ältesten Sohn Ludwig, als zweiten Andreas und als dritten Stephan. Hier stiftete König Karl Frieden zwischen unserem Vater und dem König von Krakau135: Unser Vater ver zichtete auf Rechtsansprüche in Niederpolen, das heißt in den Provinzen Gnesen und Kalisch, sowie in den übrigen niederen Provinzen Polens. Der König von Krakau aber entsagte zugunsten unseres Vaters und des Königreichs Böhmen für sich und seine Nachfolger als Könige Niederpolens jeglichem Anspruch auf irgendwelche Herzogtümer Schlesiens, auf Oppeln und die Stadt Breslau. Denn zuvor bestand zwischen ihnen Uneinigkeit, weil unser Großvater, König Wenzel II. von Böhmen136, Nie derpolen mit den Herzogtümern Krakau und Sandomir durch die Heirat mit der einzigen Tochter König Přemysls von Niederpolen, Herzogs von Krakau und Sandomir, erworben hatte. Přemysl übertrug im Fall seines Todes unserem Großvater und der Krone des Königreichs Böhmen das Königreich und die Herzogtümer zu ewigem Besitz. Kasimir jedoch war ein Onkel dieser Fürstin137 und beanspruchte für sich das Recht auf 159
vita caroli quarti
habere in regno Polonie Inferioris, asserendo, quod femina non posset hereditare in regno. Et sic guerra a longis temporibus duraverat inter reges Boemie et Kazomirum ac pat足rem suum quondam Wladislaum nomine, reges Cracovie seu Inferioris Polonie. Sicque illa guerra concordata fuit per predictum re足 gem Ungarie. Qui propter hoc ligavit se et promisit esse in adiutorio patris nostri contra ducem Austrie, qui abstulerat fratri nostro ducatum Karinthie, et contra Ludovicum predictum.138 Hii autem fuerant in hac liga: scilicet pater noster, rex Ungarie, dux Bavarie Henricus, qui sororem nostram habebat in uxorem. Eodem tempore misit nos pater noster in comitatum Tyrolis, ut eundem gubernaremus ac fratrem nostrum cum sua uxore, ipsis existentibus in etate puerili.139 Sicque euntes intromisimus nos de hiis, sicut pater noster commiserat nobis, fuimusque admissi ad regimen illius patrie per terrigenas comitatus supradicti.
CA P I T U L U M I X
T
empore succedente post pascha die sequenti140 congregaveramus exercitum de comitatu Tyrolis et intraveramus vallem Pustharie, Prixiensis diocesis, super comitem Goricie141, et acquisivimus castrum montis sancti Lamberti.142 Et transivimus ulterius super predic足tum comitem et devastavimus terras suas usque clausam, que vocatur Luncz. Et fuimus in campis cum predicto exercitu tribus septimanis in illa devastacione, quia erat adiutor ducum Austrie, inimicorum nostrorum. In crastino beati Georgii martiris143 fugavit pater noster
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kapitel 8
die Königsherrschaft in Niederpolen. Er berief sich darauf, dass eine Frau die Erbfolge in der Königsherrschaft nicht antreten könne. So herrschte schon seit langer Zeit Krieg zwischen den Königen Böhmens und jenen von Krakau und Niederpolen, Kasimir bzw. dessen verstorbenem Vater Wladislaus. Dieser Streit wurde nun durch den König von Ungarn beigelegt. Bei dieser Gelegenheit verbündete er sich auch mit meinem Vater und versprach ihm Hilfe gegen den Herzog von Österreich, der unserem Bruder das Herzogtum Kärnten weggenommen hatte, und gegen den schon erwähnten Ludwig.138 Folgende Fürsten ge hörten dem Bündnis an: unser Vater, der König von Ungarn und Herzog Heinrich von Bayern, der unsere Schwester zur Frau hatte. Gleichzeitig sandte uns der Vater in die Grafschaft Tirol, um dort die Verwaltung zu übernehmen und unseren Bruder mit seiner Frau, die beide noch jung waren, zu beraten.139 So gingen wir und packten die Aufgabe an, wie sie uns der Vater zugewiesen hatte. Und unsere Herrschaft wurde von den Menschen, die in dieser Grafschaft lebten, begrüßt.
KAPITEL 9
I
n der darauffolgenden Zeit, einen Tag nach Ostern140, sammelten wir ein Heer in der Grafschaft Tirol und drangen ins Pustertal ein, das zum Bistum Brixen gehört, gegen den Grafen von Görz141. Und wir eroberten die Burg auf dem St. Lambertusberg.142 Im weiteren Vormarsch gegen den Grafen verwüsteten wir sein Land bis zur Lienzer Klause. Drei Wochen lang blieben wir auf diese Weise mit dem Heer im Feld, weil der Graf ein Helfer unserer Feinde, der Herzöge von Österreich, war. Am Tag nach dem St. Georgfest143 schlug unser Vater Herzog 161
anhang
D I E L U X E M BU R G E R Heinrich III. Graf v. Luxemburg ( ~ 1240–1288)
heinrich iv., vii. als dt. König (um 1275–1313) 1288 Graf v. Luxemburg 1308 Deutscher König 1309 Jan. 6, Krönung 1312 Juni 29, Kaiser OO 1292 Margareta v. Brabant (1276–1311)
johann
Maria (1304–1324) OO 1322 karl iv. König v. Frankreich
(1296–1346) 1311 König v. Böhmen OO 1) 1310 Elisabeth v. Böhmen † 1330 2) 1334 Beatrix v. Bourbon † 1383
1 Margareta (1313–1341) OO 1328 Heinrich II. v. Niederbayern † 1339
1
1
Guta karl iv. (1315–1349) OO 1332 johann ii. König v. Frankreich (1319–1364)
1 Ottokar (1318–1320)
(siehe übernächste Seite)
Johann (1329–1340)
karl v.
(1337–1380) 1364 König v. Frankreich
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Nikolaus (1321–1358) unehelicher Sohn 1349 Bischof v. Naumburg 1350 Patriach v. Aquileja
Balduin Balduin (1285–1354) (1285–1354) 1307 Erzbischof v. Trier 1307 Erzbischof v. Trier
Beatrix Beatrix (1305–1319) (1305–1319) OO OO karl karl i. Robert i. Robert v. Anjou v. Anjou (1288–1342) (1288–1342) 1308 1308 König König v. Ungarn v. Ungarn
h
1 1
1 1
1 1
2 2
Elisabeth Elisabeth Wenzel Wenzel Anna Anna Johann Heinrich Johann Heinrich (1323–1324) (1323–1324) (1337–1383) (1337–1383) (1323–1338) (1323–1338) (1322–1375) (1322–1375) 1354 Herzog 1354 Herzog OO O 1335 Otto, Herzog O 1335 Otto, Herzog OO OO 1) 1330–1341 1) 1330–1341 v. Luxemburg v. Luxemburg v. Österreich v. Österreich Margareta Margareta OO O 1352 Johanna O 1352 Johanna † 1339 † 1339 Maultasch v. Tirol Maultasch v. Tirol v. Brabant v. Brabant 2) 1350 Margareta 2) 1350 Margareta † 1406 † 1406 v. Troppau v. Troppau 3) 1364 Margareta 3) 1364 Margareta v. Österreich v. Österreich 2 2
2 2 Johann Johann Sobieslaw Sobieslaw † 1394 † 1394 1381 1381 Bischof Bischof v. Leitomischl v. Leitomischl (1351–1411) (1351–1411) 1387 Bischof Bischof v. Olmütz v. Olmütz 1375 1375 Markgraf Markgraf v. Mähren v. Mähren 1387 1388 1388 Patriarch Patriarch v. Aquileja v. Aquileja 1410 1410 Deutscher Deutscher König König
jobst jobst
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Nikolaus I. Nikolaus I. Sohn unehelicher unehelicher Sohn (1280–1318) (1280–1318) Herzog v. Troppau Herzog v.(?)Troppau OO Adelheid OO Adelheid (?)
294
Nikolaus II. Nikolaus II. (1288–1365) (1288–1365) O O 1) 1318 Anna v. Ratibor OO 2) 1) 1338 1318 Anna v. Ratibor Hedwig v. Öls 2) 1359 1338 Guta Hedwig v. Öls 3) v. Falkenberg 3) 1359 Guta v. Falkenberg
2 2 Agnes Agnes (1269–1296) (1269–1296) O O 1289 Rudolf II. OO 1289 Rudolf II. v. Habsburg v. Habsburg (1271–1290) (1271–1290)
karl iv. karl iv.
1 1 Elisabeth Elisabeth (1292–1330) (1292–1330) O O 1310 johann v. luxemburg johann v.König luxemburg OO 1310 1310–1346 v. Böhmen 1310–1346 König v. Böhmen
(1271– 1278 1305) König v. Böhmen 1278 Guta Königv.v.Habsburg Böhmen † 1297 OO 1) 1285 OO 2) 1) 1300 1285 Rixa Guta Elisabeth v. Habsburg † 1297 v. Polen2) 1300 Kalisch Rixa Elisabeth † 1335 v. PolenKalisch 1335 ii. v. habsburg O O 1306†rudolf ii.v.v.Böhmen habsburg OO 1306–1307 1306 rudolf König 1306–1307 König v. Böhmen
2
2 wenzel ii. wenzel (1271– 1305)ii.
1 1 Anna Anna (1290–1313) (1290–1313) O O 1306 heinrich hg. v. kärnten heinrichKönig hg. v.v. Böhmen kärnten OO 1306 1307–1310 1307–1310 v. Böhmen O O 2) 1315König Adelheid OO 2) v. 1315 Adelheid † 1320 Braunschweig v. Braunschweig † 1320† 1331 3) 1328 Beatrix v. Savoyen 3) 1328 Beatrix v. Savoyen † 1331
Johann Parricida Johann Parricida (1290–1313) (1290–1313)
(1289–1306) 1305 König v. Böhmen Königv.v.Teschen Böhmen† 1317 OO 1305 Viola OO 1305 Viola v. Teschen † 1317
1
1 wenzel iii. wenzel iii. (1289–1306)
2 2 Kunigunde Kunigunde (1265–1321) (1265–1321) O O Boleslaw OO Boleslaw v. Masowien † 1313 v. Masowien † 1313
(1233–1278) König v. Böhmen 1248/53–1278 1248/53–1278 König v.v.Böhmen O O 1) 1252 Margareta Österreich OO 2) 1) 1261 1252 Margareta Kunigundev.v.Österreich Halicz 2) 1261 Kunigunde v. Halicz
přemysl ottokar ii. přemysl ottokar ii. (1233–1278)
D I E P Ř E M YS L I D E N D I E P Ř E M YS L I D E N
anhang
1 1 Margareta Margareta (1335 Mai 24 – 1349) (1335 Mailudwig 24 – 1349)i. O O 1338 ludwig i. OO 1338 (1326–1382) (1326–1382) 1342 König v. Ungarn 1342 König v. Polen Ungarn 1370 1370 König v. Polen
4 4 Anna Anna Juli 11–1397 Juni 7) (1366 (1366 Juli Jan. 11–1397 Juni 7) ii. richard O O 1382 ii. OO v. 1382 Jan. richard England (1367–1400) v. England (1367–1400) König v. England König v. England
295
3 3 Elisabeth Elisabeth (1358 März 19–1373 Sept. 4) (1358 März 19–1373 O O 1366 März 19, Sept. 4) OO 1366 Albrecht März 19, III. Albrecht III. v. Habsburg v. Habsburg (1348–1395) (1348–1395)
4 4 Johann JohannJuni 22–1396 Mai 1) (1370 (1370Herzog Juni 22–1396 Mai 1) 1377 v. Görlitz 1377 Herzog v. Görlitz
4 4 Karl Karl März 13 (1372 (1372 März 13 –1373 Juli 24) –1373 Juli 24)
OO 4) 1363 April Elisabeth v. Pommern † 1393 Febr. 14 v. Pommern † 1393 Febr. 14
karl iv. (Fortsetzung) karl iv. April (Fortsetzung) O O 4) 1363 Elisabeth
2 2 Wenzel Wenzel (1350 Jan. 17–1351 Dez. 26) (1350 Jan. 17–1351 Dez. 26)
(1368 Febr. 9) v. Ungarn 1387 14–1437 März 31,Dez. König 1387 Sept. März 20, 31, König v. Ungarn 1410 Deutscher König 1410 Sept. 20,König Deutscher König 1420 Juli 28, v. Böhmen 1420 Mai Juli 28, v. Böhmen 1433 31, König Römischer Kaiser 1433 Maria Mai 31,v. Römischer Kaiser OO 1) 1385 Ungarn † 1395 OO 2) 1) 1408 1385 Maria 1395 Barbarav. v.Ungarn Cilli † †1451 2) 1408 Barbara v. Cilli † 1451
4 4
sigismund sigismund (1368 Febr. 14–1437 Dez. 9)
1 1 Katharina Katharina Mai 20) (1342–1386 (1342–1386 20)Rudolf IV. O O 1) 1353 Mai April, OO 1) 1353 v. April, Rudolf IV. Habsburg v. Habsburg (1339–1365) (1339–1365) 2) 1366 März 19, Otto 2) 1366 v. März 19, Otto Brandenburg Brandenburg †v. 1379 † 1379
(1316 Mai 29) König 134614–1378 Juli 11, Nov. Deutscher 1346 August Juli 11, Deutscher KönigKönig 26, Böhmischer 1346 April August5, 26, Böhmischer König 1355 Römischer Kaiser 1355 Blanca, April 5, Tochter Römischer OO 1) 1324 KarlsKaiser I., Graf v. Valois, † 1348 Aug. 1 OO 2) 1) 1349 1324 Blanca, I., Graf v. Valois, März 4, Tochter Anna v. Karls d. Pfalz, † 1353 Febr. 2† 1348 Aug. 1 2) 1353 1349 März 4, Anna v. Schweidnitz, d. Pfalz, † 1353 Febr.Juli 2 11 3) Mai 27, † 1362 3) 1353 Mai 27, Anna v. Schweidnitz, † 1362 Juli 11
karl iv. (Wenzel) karlMai iv.14–1378 (Wenzel) (1316 Nov. 29)
4 4 Margareta Margareta (1373 Sept. 29–nach 1420) (1373 Sept. 29–nach O O 1381 Johann III. 1420) OO 1381 Burggraf Johann III. Burggraf v. Nürnberg Nürnberg †v. 1420 † 1420
4 4 Heinrich Heinrich (1377–1378) (1377–1378)
(1361 Febr. Aug. 16) 1363 26–1419 Juni 15, Böhmischer König 1363 Juli Juni6,15,Deutscher Böhmischer König 1376 König 1376 Aug. Juli 6,20, Deutscher König 1400 Absetzung 1400 Sept. Aug. 20, Absetzung OO 1) 1370 29 Johanna OO 1) 1370 v. Sept. 29 Johanna † 1386 Bayern-Straubing v. Bayern-Straubing † 1386 2) 1389 Mai 2, Sophie 2) 1389 v. Mai 2, Sophie Bayern-München † 1425 v. Bayern-München † 1425
3
3 wenzel wenzel (1361 Febr. 26–1419 Aug. 16)
11
(1268–1314) (1268–1314) 1285 1285 König König v. v. Frankreich Frankreich O OO O 1284 1284 Johanna Johanna v. v. Navarra Navarra †† 1304 1304
philipp iv.
296
(1291–1322) (1291–1322) 1316 1316 König König v. v. Frankreich Frankreich O OO O 1306 1306 Johanna Johanna v. v. Burgund Burgund †† 1329 1329
Isabella Isabella (?–1348) (?–1348) OO O 1323 1323 Guigo Guigo VIII. VIII. O v. Vienne Vienne (1309–1333) (1309–1333) v.
Johanna II. II. Johanna (1311–1349) (1311–1349) OO O 1329 1329 philipp v v. evreux O König König v. v. Navarra Navarra
philipp v.
(1312–1377) (1312–1377) 1327 1327 König König v. v. England England O OO O 1328 1328 Philippine Philippine v. v. Hennegau Hennegau † † 1369 1369
eduard iii.
(1295–1328) (1295–1328) 1322 1322 König König v. v. Frankreich Frankreich O |O O| O 1) 1) 1322 1322 Blanca Blanca v. v. Burgund Burgund †† 1326 1326 O OO O 2) 2) 1322 1322 Maria Maria v. v. Luxemburg Luxemburg †† 1324 1324 3) 3) 1325 1325 Johanna Johanna v. v. Evreux Evreux †† 1370 1370 Blanca Blanca (1328–1392) (1328–1392) O OO O 1344 1344 Philipp Philipp v. v. Orléans Orléans
karl iv.
22 Blanca Blanca † † 1305 1305 O v. Habsburg Habsburg (1282–1307) (1282–1307) OO O 1300 1300 rudolf iii. v. O OO O 2) 2) 1306 1306 Rixa Rixa Elisabeth Elisabeth v. v. Böhmen Böhmen 1306–1307 1306–1307 König König v. v. Böhmen Böhmen
Isabella Isabella (1292–1357) (1292–1357) O OO O 1308 1308 eduard ii. (1284–1327) (1284–1327) 1307 1307 König König v. v. England England
22 Margareta Margareta †† 1318 1318 O OO O 1299 1299 eduard i. v. v. England England 1239–1307) 1239–1307) König König v. v. England England O OO O 1) 1) Eleonore Eleonore v. v. Kastilien Kastilien †† 1290 1290
(1289–1316) (1289–1316) 1314 1314 König König v. v. Frankreich Frankreich O OO O 1) 1) 1305 1305 Margareta Margareta v. v. Burgund Burgund †† 1315 1315 2) 2) 1315 1315 Klementia Klementia v. v. Ungarn Ungarn †† 1328 1328
ludwig x.
(siehe (siehe nächste nächste Seite) Seite)
11 Karl Karl I. I. (1270–1325) (1270–1325) 1285 1285 Graf Graf v. v. Valois Valois
philipp ii. der der Kühne Kühne (1245–1285) (1245–1285) 1270 1270 König König v. v. Frankreich Frankreich O OO O 1) 1) 1262 1262 Isabella Isabella v. v. Aragon Aragon † † 1271 1271 2) 2) 1274 1274 Maria Maria v. v. Brabant Brabant †† 1321 1321
DA S F R A N Z Ö S I S C H E KÖ N I G S H AU S
anhang
297
11
11 Johanna Johanna (1294–1342) (1294–1342) O OO O 1305 1305 Wilhelm Wilhelm v. v. Hennegau Hennegau und und Holland Holland †† 1337 1337
(1319–1364) (1319–1364) 1350 1350 König König v. v. Frankreich Frankreich O OO O 1) 1) 1332 1332 Guta, Guta, Tochter Tochter Johanns Johanns v. v. Böhmen Böhmen (1315–1349) (1315–1349) 2) 2) 1350 1350 Johanna, Johanna, Tochter Tochter des des Grafen Grafen Wilhelm Wilhelm v. v. Auvergne Auvergne †† 1360 1360
johann ii.
11
(1293–1350) (1293–1350) 1328 1328 König König v. v. Frankreich Frankreich O OO O 1) 1) 1313 1313 Johanna Johanna v. v. Burgund Burgund †† 1348 1348 2) 2) 1349 1349 Blanca Blanca v. v. Navarra Navarra †† 1398 1398
philipp vi. (8 (8 Töchter) Töchter)
11 Philipp Philipp (1336–1375) (1336–1375) 1344 1344 Herzog Herzog von von Orléans Orléans O OO O 1344 1344 Blanca, Blanca, Tochter Tochter Karls Karls IV. IV. v. v. Frankreich Frankreich
11 Karl II. Karl II. †† 1346 1346 Graf Graf v. v. Alençon Alençon
(1270–1325) (1270–1325) Graf Graf v. v. Valois Valois O OO O 1) 1) 1290 1290 Margareta Margareta von von Anjou Anjou †† 1299 1299 2) 2) 1301 1301 Katharina Katharina von von Courtenay Courtenay †† 1303 1303 3) 3) 1308 1308 Mathilde Mathilde von von Châtillon Châtillon †† 1358 1358
karl i.
33 Blanca Blanca (1316–1348) (1316–1348) O karl iv iv. OO O 1324 1324 karl 1346 1346 Deutscher Deutscher König König