Blocktraining im Ausdauersport

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blocktraining

Konzentrierte Aktion

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Schon vor 30 Jahren entwickelte ein russischer Forscher das Blocktraining. Doch obwohl ihm der Olympiasieg eines Schwimmers recht gab, hielten viele Trainer an den klassischen Theorien fest. Wagen Sie die Veränderung! ጫጫHolger Lüning

Foto: Frank Wechsel

W

indschnittige Karbonteile, Kniestrümpfe zur Regeneration und zuckersüße bunte Gels als Nahrung – Triathleten sind fortschrittlich. Sie sind offen für Neues und wissbegierig, niemand würde mit einem Rad aus den 1960erJahren einen Wettkampf bestreiten und sich damit auch noch für konkurrenzfähig halten. Was die Trainingsmethodik angeht, hält sich die Bereitschaft für Veränderungen aber in Grenzen. Dabei lohnt es sich, ­einen Blick auf alternative Ansätze zu werfen. Ein Konzept, das besonders viel Potenzial birgt, ist das Blocktraining. Es berücksichtigt nicht nur die Ansprüche der heutigen Zeit, sondern auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der vergangenen Jahre. Training ist vor allem eins: Das Auslösen von physiologischen Anpassungsvorgängen durch Reize. Wo die Grenze zwischen optimaler Belastung und drohender Überlastung ist, untersuchten erstmals Wissenschaftler der ehemaligen ­Sowjetunion – an Gewichthebern. Auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse entwickelten sie das erste Modell der Periodisierung, das schnell erfolgreich auf andere Sportarten übertragen wurde – ein ­neues Kapitel der Trainingswissenschaft war eröffnet. Die Kernidee

88/Februar 2011  www.tri-mag.de

war die ansteigende Beanspruchung, verbunden mit dem Modell der Superkompensation. Bis heute wurde das sowjetische Periodisierungsschema konsequent weiterentwickelt, jedoch nur geringfügig korrigiert.

Kollektives Umdenken

Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Anforderungen an Spitzensportler geändert: Die Kommerzialisierung des Sports und auch die gewachsene Mobilität des Menschen haben dazu geführt, dass ein Sportler im Laufe einer Saison nur noch kurze Ruhephasen hat. Die Trainingswissenschaft musste reagieren und ein ­Modell schaffen, das Athleten auf viele Wettkampfteilnahmen vorbereitet, dabei aber deren langfristige Entwicklung berücksichtigt. Russische Forscher um den

Sportwissenschaftler Prof. Vladimir Issurin nahmen sich dieser Herausforderung an und begannen in den 1980er-Jahren mit einigen Sportlern am Modell der Blockperiodisierung zu arbeiten. Schon mit der „sportlichen Wiedergeburt“ des Schwimmers Vladimir Salnikow, dem Olympiasieger von Seoul 1988, der die 1.500 Meter als Erster unter 15 Minuten schaffte, feierten die Russen erste Erfolge. Das Herzstück ­ihres neuen Konzepts: das Verbessern einzelner, isolierter motorischer Fähigkeiten in Trainingsblöcken. „Wer verschiedene Fähigkeiten gleichzeitig trainiert, beeinträchtigt die Effektivität des gesamten Trainings“, erklärt ­Issurin die Nachteile der klassischen Methode. Das Ziel seines Blocktrainings ist entsprechend ganz anders: Möglichst wenig sportartspezifische Inhalte sollen im Training vermischt werden, so die Idee. „Der Körper kann nur eine bestimmte Anzahl verschiedener Trainingsreize verkraften“, so Issurin im ­Sommer vergangenen Jahres bei einem Trainer-Kongress in Budapest. Der Wissenschaftler definiert Blocktraining als „Trainingszyklen mit hochkonzentrierten und sehr spezifischen Inhalten“. Diese Zyklen beinhalten ein „hohes ­Volumen an

Vergleich: Traditionelle Theorie und Blocktraining Merkmal

traditionelle Theorie

Blocktraining

Idee

gleichzeitige Entwicklung verschiedener motorischer Fähigkeiten

Aneinanderreihung der Entwicklung unterschiedlicher motorischer Fähigkeiten

Aufbau

in Trainingsperioden

in Blöcken und Mesozyklen

Prioritätensetzung

Umfang und Allgemeines vor Intensität

Intensität und Konzentration vor Umfang

Zielrichtung

zunehmende Belastung, verzögerter Trainingseffekt

zunehmende Beanspruchung, Anpassung unter Beachtung der Resteffekte

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blocktraining Aufgaben, die sich auf die Verbesserung weniger aber klar definierter Fähigkeiten beschränken“.

Mindestens haltbar bis ...

Ist weniger demnach mehr? Tatsächlich absolvierten Issurins Sportler, gemessen am Durchschnitt der Weltklasseathleten, deutlich geringere Trainingsumfänge. Die höhere spezifische Belastung und die tiefere physiologische Ermüdung führten offenbar zu effektiveren Anpassungsprozessen. Auf die Frage, wie man zu hohe Belastungen vermeiden kann, führt Issurin die Kürze der Zyklen an und verweist auf eigene Untersuchungen zu den Resteffekten des Trainings (siehe Tabelle bzw. triathlon Nr. 83). Demnach ist es ganz einfach, die Trainingsblöcke ideal aufeinander abzustimmen. Zusätzlich wählen Sie die Trainings­ inhalte eines Blocks so, dass diese sich optimal ergän­zen (siehe ­Tabelle). Das steigert laut Issurin die Effektivität und verhindert, dass Inhalte kombiniert werden, die innerhalb desselben Blocks kontraproduktiv wären. Wie Sie der Tabelle entnehmen können, dürfen Sie innerhalb eines Blocks sogar komplett auf einzelne Trainingsinhalte verzichten, ohne dass Sie einen Leistungsabfall befürchten müssen. Um ein sogenanntes Detraining, den Verlust der spezifischen Leistungsfähigkeit, zu verhindern, hat Issurin die einzelnen Blöcke auf eine Dauer von zwei bis vier Wochen begrenzt. Innerhalb eines Blocks wird den maximal zwei definierten Zielen 60 bis 70 Prozent der gesamten Trainingszeit mit genau abgestimmten Trainingsmethoden gewidmet. Der Rest des Trainings besteht aus Aufwärmen, Erholung und Cool-down.

Drei Phasen in zehn Wochen

Die Aneinanderreihung verschiedener Blöcke wird nach Issurin in Mesozyklen beschrieben. Der erste Mesozyklus (Aufbau) besteht aus 12 bis 30 Tagen und beinhaltet in der Regel zwei Trainingsblöcke zur Entwicklung allgemeiner und spezifischer Fähigkeiten. Dann folgt ein weiterer Mesozyklus (Umwandlung) zur Wettkampfvorbereitung. Er dauert 12 bis 25 Tage. Ein dritter Zyklus (Umsetzung) von 8 bis 15 Tagen Dauer dient der unmittelbaren Vorbereitung und dem Tapering für den Wettkampf. Insgesamt ergibt sich daraus eine Gesamtdauer von bis zu zehn Wochen. Inhaltlich können die Mesozyklen wie folgt beschrieben werden: 3  triathlon

Konzentration auf das Wesentliche: Beim Blocktraining berücksichtigen Sie im Training nie mehr als zwei Aspekte gleichzeitig

Aufbau (12–30 Tage) Ü  Aufbau: 1–2 Blöcke Ü  Schwerpunkt: Anhäufung von Trainingsreizen Ü  Ziel: Entwicklung grundlegender motorischer und technischer Fähigkeiten (aerobe Ausdauer, Maximalkraft, Technik, Koordination)

Umsetzung (8–15 Tage) Ü  Aufbau: 1 Block Ü  Schwerpunkt: Festigung des Leistungsvermögens und Formzuspitzung Ü  Ziel: unmittelbare Wettkampfvorbereitung und Tapering (Erholung, Schnelligkeit, Gewandtheit, Aufmerksamkeit, Leistungswillen)

Umwandlung (12–25 Tage) Ü  Aufbau: 1–2 Blöcke Ü  Schwerpunkt: Umwandlung zu spezifischem Leistungsvermögen Ü  Ziel: Entwicklung spezifischer motorischer, konditioneller und technischer Fähigkeiten (anaerobes Leistungsvermögen, spezifische Kraftausdauer, Technikverfeinerung)

Erfolg gibt Issurin recht

Einer der erfolgreichsten Schwimmtrainer der Welt, Gennadi Touretski, nutzte dieses System im Training des vierfachen Olympiasiegers Alexander Popov – mit überzeugendem Erfolg. Er unterteilte das Trainingsjahr, abhängig von den zeitlichen Abständen der Wettkämpfe, in sechs bis zwölf Wochen ­dauernde


­ bschnitte (jeweils drei Mesozyklen). A Touretski konzentrierte sich dabei auf die laut Issurin sechs wichtigsten Kriterien für eine erfolgreiche Umsetzung: Ü  Konzentration auf 1–2 Trainings­ziele pro Block Ü  viele Trainingsaufgaben/-übungen in einem Block Ü  Länge eines Blocks: maximal 2–4 Wochen Ü  Dauer eines Mesozyklus: 1–2 Trainingsblöcke Ü  3 Mesozyklen (Aufbau, Umwandlung, Umsetzung), im Gegensatz zur traditionellen ­Trainingslehre mit 9–11 Zyklen Ü  3 Mesozyklen entsprechen ­ einem Trainingsabschnitt von 6–12 Wochen Touretski zufolge ist ein wesentlicher Vorteil des Blocktrainings eine bessere Anpassung der Athleten. Trainiere man nach der klassischen Methode, führe das ständig ansteigende Trainingsvolumen zu großer Ermüdung und Stagna­tion. Auch die Gefahr eines Übertrainings sei stets präsent. Stattdessen gäben die kurzen, sehr konzentrierten Blöcke dem Körper genug Zeit zur Anpassung und führten so zu besseren Ergebnissen.

Foto: FRank Wechsel

Anfänger, Umsteiger, alter Hase?

Haben Sie vor kurzem erst mit dem Triathlontraining begonnen und noch nicht viele Wettkämpfe bestritten? Dann ist das Ziel für Ihr Training klar: Basis­ arbeit. Denn die Grundlagenausdauer ist das wichtige Fundament Ihrer Leistung, schon wenn Sie nur daran arbeiten, werden Sie Ihre Leistung verbessern. Sind Sie dagegen ein Umsteiger, der bereits Erfahrung und einige Trainingsjahre aus anderen Ausdauersportarten mitbringt, ist die Lage weniger eindeutig. Bei Ihnen geht es jetzt vor allem darum, die spezifische Ausdauer zu trainieren – Ihr „Motor“ dürfte

schließlich schon gut trainiert sein, Ihr Herz-Kreislauf-System, Ihre Lunge und Ihr Blut sind Ausdauerleistungen längst gewohnt. Ihr Triathlontraining muss deshalb spezifischer sein. Auch als erfahrener Triathlet mit vielen Trainingskilometern „auf dem Buckel“, ist Ihre Aufgabe eindeutig: Sie brauchen jetzt zielgerichtete Trainingsreize, um Ihren Körper auf diesem hohen Niveau noch zu neuen Anpassungsreaktionen zu bewegen. Das Blocktraining kann für Anfänger eine sinnvolle Ergänzung zum wichtigen Aufbautraining sein. Der Umsteiger, der aus anderen Disziplinen zum Triathlon kommt, wird besonders von den sehr spezifischen Inhalten profitieren und seine Leistungsfähigkeit noch schneller im Wettkampf umsetzen können. Und für

Fortsetzung folgt ... Wie Sie Ihr Training auf Blockperiodisierung umstellen, wann Sie die größten Effekte erzielen und was Sie sonst noch beachten müssen, lesen Sie in triathlon Nr. 89, die am 23. Februar 2011 erscheint.

den ambitionierten Sportler oder einen Profi könnte das Training nach der Blockperiodisierung sogar bislang unbekannte Leistungsreserven eröffnen. Am Ende profitieren also Sportler aller Leistungsklassen von Issurins bereits vor 30 Jahren entwickeltem Modell. Empfehlenswert ist das Blocktraining als qualitativ hochwertiges Training vor allem innerhalb der Saison.

Resteffekte: So lange wirkt Training motorische Fähigkeit

Haltbarkeit (in Tagen)

aerobe Ausdauer

30 +/- 5

Maximalkraft

30 +/- 5

anaerobe Ausdauer

18 +/- 4

Kraftausdauer

15 +/- 5

Schnelligkeit

5 +/- 3

Quelle: Vladimir B. Issurin, „Block Periodization: Breakthrough in Sport Training“ (2008)

Kombinierfähig: Diese Trainingsziele ergänzen sich Schwerpunkt

optimale Ergänzung

aerobe Ausdauer

alaktazide Fähigkeiten (Sprint), aerobe Kraftausdauer, Maximalkraft-Hypertrophie (im Anschluss)

anaerobe Ausdauer

anaerobe Kraftausdauer, aerobe Wiederherstellungsübungen, aerob-anaerobe Ausdauer

alaktazide Fähigkeiten (Sprint)

aerobe Ausdauer, Explosivkraft, Maximalkraft-Hypertrophie (Sprint), aerobe Wiederherstellungsmaßnahmen

Maximalkraft (Hypertrophie)

Maximalkraft (Innervation), Beweglichkeit, aerobe Wiederherstellungsübungen

Erlernen von neuen technischen Elementen

Jede Trainingsmodalität (im Anschluss) Quelle: Leistungssport (5/2003)

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