science trendcheck
Volle Kraft voraus? Training mit erhöhten Widerständen ist bei Triathleten in. Ob Sie durch Paddles, Bergauf läufe und Co. wirklich schneller werden, haben wir für von Holger Lüning Sie überprüft.
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riathleten gelten gemeinhin als sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Trends und aufwendiger Technik. Nicht selten kann man deshalb beim Schwimmtraining wahre Berge von Hilfsund Trainingsmitteln am Beckenrand entdecken. Der Einsatz von Paddles ist mittlerweile für Triathleten aller Leistungsklassen schon fast Standard. Doch welche Grundidee steckt eigentlich hinter dem Training mit den Handbrettchen? Es handelt sich um das sogenannte Overload-Training, die Erschwerung der Bewegung mit dem Ziel, einen höheren Trainingsreiz zu setzen. Da das Bewegungsmuster nahezu identisch mit der normalen Ausführung ist, verspricht die Theorie eine optimale Anpassungsreaktion und einen idea len Transfer in die Wettkampfsportart.
Die Fasern fordern
Was beim Schwimmen das Training mit Paddles oder höheren Widerständen (z. B.
1 triathlon training
mittels Widerstandshose oder -gürtel) ist, findet man beim Laufen zum Beispiel in Form von Berganläufen oder beim Radfahren durch das kraftbetonte Fahren am Berg mit niedriger Trittfrequenz. Die Überwindung erhöhter Widerstände erfordert einen größeren Krafteinsatz und soll so die disziplinspezifische Ermüdungsresistenz entwickeln. Tatsächlich ist es so, dass im Overload-Training eine höhere Rekrutierung von Muskelfasern zu beobachten ist, sprich: der Anteil der an der Muskel arbeit beteiligten Fasern steigt. So gesehen kann man das Overload-Training als ein sehr spezifisches, kräftigendes Training bezeichnen. Im Falle des Overload-Trainings im Schwimmen erfordert die größere Antriebsfläche bei der Nutzung von Paddles die Überwindung höherer Wasserwiderstände. Der Gegendruck, den Sie erfahren, hängt von der Sauberkeit Ihrer Zugtechnik und der Größe der Paddles ab. Das spezifische und isolierte Training der Antriebsmuskulatur, beispielsweise in Form von Kraul-Armarbeit mit Ruhigstellung der Beine durch den Einsatz einer Pull-Buoy, wird im Schwimmsport regelmäßig angewandt. Besonders im Mittel-
und Langstreckenbereich hat sich diese ethode etabliert. Schließlich kann man M mit dieser Trainingsform die zu erwartende Wettkampfbelastung realitätsnah trainieren und die Schwimmmuskulatur spezifisch stärken. Sie werden es sicher selbst schon einmal bemerkt haben: Bis zu einer gewissen Streckenlänge reicht Ihre Kraft aus, die vergrößerte Antriebsfläche der Paddles in eine höhere Geschwindigkeit umzusetzen. Studien des niederländischen Wissenschaftlers Huub Toussaint ergaben, dass der Vortrieb mit Paddles um durchschnittlich 7,8 Prozent effizienter wird. Der Einsatz der Brettchen birgt allerdings auch die Gefahr, dass sich der Schwimmer sehr stark auf die Komponente Kraft und weniger auf die technisch saubere Ausführung konzentriert. Ein Risiko auch bei anderen widerstandserhöhenden Hilfsmitteln.
Technikfalle überlast?
Eine Forschungsgruppe um Michel Sidney an der Universität im französischen Lille hat sich mit dieser Frage intensiv beschäftigt. Dabei wurden acht Schwimmer auf nationalem Niveau einem ansonsten iden-
tischen Testschwimmen jeweils mit und ohne Paddles unterzogen, um mögliche Technikveränderungen zu ermitteln. Auch hier stellten die Forscher zunächst eine deutliche Zunahme der Geschwindigkeit von mehr als vier Prozent fest. Diese zu erwartende Erkenntnis wurde durch weitere Parameter ergänzt. Bei beiden Tests wurden die Sportler nämlich angehalten, die Bewegungsfrequenz nahezu identisch zu gestalten, um Veränderungen in der Unterwasserphase im Vergleich betrachten zu können. Und tatsächlich beobachteten die Wissenschaftler eine signifikante Technikumstellung beim Schwimmen mit Paddles: Die Sportler vernachlässigten das Wasserfassen und die anschlie ßende Zugphase. Gleichzeitig wurde die Druckphase deutlich verstärkt. Insgesamt wurde die Unterwasserphase dadurch kürzer, aber kraftvoller als beim normalen Schwimmen. Die deutlich vergrößerte Antriebsfläche führt also zu einer Veränderung des Zugmusters.
intensive Radfahren am Berg. Auch hier wird sehr viel Beinkraft über die Muskelkette im Rücken, besonders im Lendenwirbelbereich, in Vortrieb umgesetzt und könnte demzufolge zu Überlastungen führen. Um für den regelmäßigen Einsatz des Overload-Trainings gerüstet zu sein, muss die Muskulatur durch allgemeines und sportartspezifisches Krafttraining gut vorbereitet sein und die Technik der Sportart sicher sitzen. Technik- und Krafttraining sollten in etwas reduziertem Umfang aber auch über die Saison regelmäßig im Trainingsplan auftauchen. Auch eine gut entwickelte Rumpfmuskulatur ist wichtig, denn der Einsatz großer Lasten an den Extremitäten erfordert ein stabiles Widerlager, damit aus Kraft Vortrieb wird.
Mut zum Abbruch
oder flop Top
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Nutzen Sie die Methode des OverloadTrainings höchstens zwei- bis dreimal pro Woche und beschränken Sie sich Für die Praxis hat diese Erkenntnis eine auf zwei Einheiten in einer Disziplin große Bedeutung. Durch übermäßiges oder maximal eine Einheit pro DisSchwimmen mit Paddles könnziplin und Woche. Dann werSie in der Regel von den ten sich Technikänderungen triathlo denVortagen r e nicht allzu ereinschleichen; besonders ?D schöpft sein und einen Sportler auf Einsteigeroder Hobbyniveau laufen guten Trainingsreiz setGefahr, sich ein falsches zen können. Achten Zugmuster anzueignen. Sie auf eine technisch Denn die fehlende spezifiexakte Ausführung, um sche Kraft könnte dazu fühFehl- oder Schonhaltunren, dass die Bewegung insgegen sowie die Verfestigung samt zu langsam und technisch falscher Koordinationsmuster mangelhaft durchgeführt wird. Deshalb zu vermeiden. Scheuen Sie sich auch sollten diese Trainingsmittel nur behut- nicht davor, ein Training abzubrechen, sam dosiert eingesetzt werden. wenn Sie spüren, dass Ihre Kraft oder Konzentration nicht ausreicht, um die Kurz und konzentriert Technik korrekt umzusetzen. Für die Praxis bedeutet das: Kürzere Paddles-Strecken sind besser als zu lan- Unter solchen Voraussetzungen ist das ge, um die Unterwasserbewegung kraft- Overload-Training ein wichtiger Bauvoll durchführen zu können. In stark er- stein eines umfassenden Trainingspromüdetem Zustand verschlechtert sich zesses. Allein die Möglichkeit, mit einnämlich nicht nur die Technik – auch fachen Mitteln und ohne den Einsatz die Gefahr von Überlastungsschäden im aufwendiger Kraftmaschinen ein sehr Schulterbereich nimmt rapide zu! sportartspezifisches und kräftigendes Training durchführen zu können, ist Auch in den anderen Triathlondiszi ein sehr gutes Argument, regelmäßig plinen liegen die Risiken des Over- Overload-Training ins Trainings load-Trainings in der Überforderung programm einzubauen. Die hohen, von Muskulatur und Koordination. punktuellen Belastungen führen zu Das Berganlaufen erfordert ebenso spezifischen Anpassungsprozessen, die eine hohe Konzentration und spezi- sich sehr gut auf die jeweilige Sportart fisch ausgeprägte Muskulatur wie das übertragen lassen.
Foto: Frank Wechsel
ndcheck • Tre
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