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Gipfel und Tal digital
from Bergauf #4.2024
Neben Wegmacherhaue, Baumschere, Markierungsfarbe und Co. gibt es seit einigen Jahren auch einen digitalen Werkzeugkoffer für unsere Alpenvereinswege. Das Alpine Wegeinformationssystem (AWIS) unterstützt Ehrenamtliche bei Fragen der Zuständigkeit, wegebaulichen Maßnahmen, Besucherlenkung oder dem Nachweis von Kontrollpflichten.
von Marco Gabl & Johannes Köck
Was der Alpenverein an Hütten- und Wegbauten geleistet hat, weiß heute schon jedes Kind in den österreichischen Bergen“, verkündete der Generalsekretär des Alpenvereins, Josef Moriggl, bereits 1934. Heute scheint es aber so, dass die zumeist ehrenamtlich geleistete Tätigkeit in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Ohne sich viel Gedanken zu machen, verlässt man sich auf die Angaben der Wegweiser, lehnt sich an Geländer oder hält sich an Seilversicherungen fest. Das bedeutet für unsere Wegezuständigen vor allem eines: viel Arbeit, eine immense Herausforderung und große Verantwortung.
Als der ehemalige Wegewart Stefanos sein „Arbeitsgebiet“ in den Tuxer Alpen im Frühjahr 2023 betritt, dämmert es noch. Der Zustieg zum heutigen Arbeitseinsatz ist lang und anstrengend. Bevor er seine schwer beladene Kraxe (Rückentrage) schultert, erfolgt die routinemäßige Kontrolle, ob das benötigte Arbeitsmaterial wie Fäustel, Acrylfarbe, Akkuhammer, Schellen, die neuen Wegweiser und sein digitales Feldbuch mit dabei sind. Letzteres ist ein Smartphone mit der Wegeverwaltungs-App Contwise Infra des Österreichischen Alpenvereins. Nach wenigen Minuten kommt die App bereits zur Anwendung. Stefanos prüft die Seilversicherung und dokumentiert mittels aufgenommenen Fotos und einer kurzen Beschreibung den Zustand der Anlage. Nun kann es schon weitergehen. Der neue Wegweiser wird am Rohrsteher angebracht, die Erosionsschäden, die der letzte Starkregen verursacht hat, werden mit der App aufgenommen. Wieder viel Arbeit, die auf ihn wartet. Oben, in Gipfelnähe, wo der Wegverlauf nicht eindeutig ist, nimmt Stefanos den „Track“ seiner Begehung auf –das wird ihm später noch hilfreich sein. Der Rückweg zum Ausgangspunkt führt an einem dichten Baumbestand entlang. Die letzten Starkwinde haben großflächig ihren Tribut gefordert. Stefanos führt die vorgesehene „einfache Baumsicherungsbegehung“ durch. Das heißt, die Baumprüfung wird vom Weg aus mit Sichtkontrolle ausgeführt. Der Zustand wird mittels Fotobeweis und einem Protokoll in der App festgehalten. Erfreulich, dass in diesem Bereich keine Schadbäume den Wanderweg gefährden. Zurück im Tal synchronisiert Stefanos seine App-Aufzeichnungen der Kontroll- und Wartungstätigkeit mit der eigentlichen Wegeverwaltungssoftware, einer Onlineanwendung zur Bearbeitung am PC. Der erste Teil seiner Arbeit als Wegewart ist nun erledigt.
Wozu eine Wegedatenbank?
Zugegeben, die harte körperliche Arbeit auf den Wandersteigen und die Digitalisierung unserer Wegeinfrastruktur sind auf den ersten Blick zwei verschiedene Wanderschuhe. Bei genauerer Betrachtung verblasst die vermeintliche Diskrepanz zunehmend. Der „digitale Werkzeugkoffer“ ist weit mehr als ein Protokollierungstool. Fragen wie: wo wer für welche Wege zuständig ist, beschäftigen den Alpenverein schon seit jeher.
Bereits in den 1920er-Jahren wurden die Arbeitsgebiete und Wege planmäßig zugeteilt, so entstand das Arbeitsgebietenetz der Sektionen. Die „Alpine Heimat“ war geboren und hat bis heute Bestand. Historische Aufzeichnungen, Kartenwerke, Dokumentationen und das Wissen altgedienter Wegewarte sind die Basis für die Aufzeichnung in der Wegedatenbank.
Auch für Stefanos geht die Arbeit zuhause am PC weiter, weniger als Wegewart, sondern vielmehr als „Wegedatenbank-Administrator“. Die betreuten Wanderwege seiner Sektion sind bereits erfasst, die Wegnummer, Schwierigkeit und Markierung hinterlegt, Wegbegleiter wie Seilversicherungen, Brücken und Wegweiser im System aufgenommen. Nun geht es noch darum, die Protokolle und offenen Aufgaben von heute abzuarbeiten. Es muss auch noch ein neues Schild bestellt werden. Die benötigte Angabe der Gehzeit lässt sich einfach über die Software ermitteln.
Im „Schilddesigner“ wird der Wegweiser mit ein paar Klicks erstellt und kann für den Schilderdruck verwendet werden. Neben sektionsinternen Angelegenheiten, wie z. B. der Dokumentation über getätigte Kontrollgänge, der Bündelung des infrastrukturellen Know-hows, dem Ablegen von Verträgen oder der Übergabe von „Vereinswissen“ an eine*n neue*n Wegewart*in, gibt es noch einen weiteren Aspekt: Unsere Wanderwege werden der Öffentlichkeit auch digital zur Verfügung gestellt.
AWIS.GIP
Hinter dieser bereits sperrigen Abkürzung verbirgt sich das noch sperrigere „AlpineWegeInformationsSystem“ (AWIS) basierend auf der „GraphenIntegrationsPlattform“ (GIP). Dieses Wortungetüm beschreibt die Überführung von Wegeinformationen in einen öffentlichen amtlichen Verkehrsdatensatz, der von allen verkehrsrelevanten Institutionen Österreichs, allen voran den neun Bundesländern, betrieben wird. Die GIP ist ein Vorzeigeprojekt, mit dem es gelungen ist, neun unterschiedliche föderale Systeme auf einer Datenebene zusammenzuführen und damit einen flächendeckenden, homogenen Verkehrsdatensatz für ganz Österreich zu schaffen und diese Daten frei zur Verfügung zu stellen.
Das GIP-Projekt stützt sich auf drei „Säulen“:
Öffentlich: GIP ist der digitale Verkehrsgraph der öffentlichen Hand für ganz Österreich
Multimodal: GIP umfasst alle Verkehrsmittel im ÖPNV, Kfz-Verkehr, Radverkehr, Fußgängerverkehr
Frei: GIP ist als Open Government Data (OGD) frei verfügbar
Die GIP ist nicht nur ein Ort, an dem Daten verschiedener Organisationen zusammenlaufen, um dort Staub anzusetzen: Sie liefert die Datenbasis für viele Anwendungen. Bekannte Beispiele sind der Pendelrechner, Basemap.at, Kartenmaterial auf alpenvereinaktiv. com oder ÖK50.
Doch was bedeutet AWIS. GIP? Und vor allem: Was hat der Österreichische Alpenverein damit zu tun? Zu einem multimodalen Verkehrsdatensatz gehören im „Wanderland“ Österreich auch die vielen Kilometer ehrenamtlich betreuter Wanderwege der alpinen Vereine. Diese Daten müssen im amtlichen Verkehrsdatensatz ihren Niederschlag finden. Um die Menge der Wanderwege in Österreich zu verdeutlichen, hilft ein Vergleich mit dem Straßennetz der ASFINAG. In Österreich gibt es 2.249 km Autobahnen. Allein der Österreichische Alpenverein betreut rund 26.000 km Wanderwege. Die Anzahl der Wegekilometer macht deutlich, dass ein österreichweiter Datensatz ohne die Informationen zu unseren Wanderwegen kein vollständiges Bild des österreichischen Verkehrsnetzes darstellt. Deshalb spielen wir die Wegeinformation, die unsere Wegewarte mit Contwise-Infra erhoben haben, in AWIS.GIP ein. Damit leisten wir einen wertvollen Beitrag zur Qualitätsverbesserung der Verkehrsdaten in Österreich. Davon profitieren wir alle in Form von verbessertem Kartenmaterial.
AWIS.GIP wurde gemeinsam mit den Naturfreunden Österreich ins Leben gerufen und wird auch vom VAVÖ (Verband alpiner Vereine Österreichs) und dem Deutschen Alpenverein getragen. Durch diese Kooperation haben wir eine breite Allianz der ehrenamtlichen Wegehalter geschlossen – die alle mit demselben digitalen Werkzeugkoffer arbeiten. Ob mit körperlichem Einsatz im Gelände oder gewissenhaft und geduldig am Computer – die Herausforderungen unserer Wegewart*innen sind vielfältig. Funktionäre wie Stefanos leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der Wege.
Info Wegedatenbank live
Weitere Informationen zu AWIS.GIP sind hier zu finden: awisgip.at
Interessierte finden hier einen Einblick in die Wegedatenbank des Alpenvereins: t1p.de/m9dj3
Autoren:
Marco Gabl ist Geograph und Mitarbeiter der Abteilung Hütten & Wege im Österreichischen Alpenverein, zuständig für den Bereich Wege und die Wegedatenbank.
Johannes Köck ist Mitarbeiter der Kartographie im Österreichischen Alpenverein und betreut für den VAVÖ das Projekt AWIS.GIP.