Rumänien: Leben in der Giftzone

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Rum채nien

Leben in der Giftzone Roma in Miercurea Ciuc


Impressum © Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V. Mai 2010 V.i.S.d.P. Markus N. Beeko Redaktion: Gisela Langhoff, Imke Dierßen, Annette Hartmetz, Anne-Catherine Paulisch, Sara Fremberg Gestaltung: Rüdiger Fandler, Berlin Art.Nr. 41110 Titelfoto: Roma vor Metallcontainern, in die sie 2004 nach einer rechtswidrigen Zwangsräumung aus dem Zentrum von Miercurea Ciuc umgesiedelt wurden. Photography © Zsuzsanna Ardó


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Aus der Stadt an die Kläranlage Roma-Kinder spielen vor dem Zaun der Kläranlage. Das Schild am Zaun warnt vor Vergiftungsgefahr. Photography © Zsuzsanna Ardó

Etwa 75 Roma – darunter auch Familien mit Kleinkindern –­ leben seit 2004 unter katastrophalen Bedingungen in Wohncontainern und provisorischen Hütten direkt neben einer Kläranlage. Sie wurden nach der rechtswidrigen Zwangsräumung eines baufälligen Gebäudes im Zentrum der rumänischen Stadt Miercurea Ciuc dorthin umgesiedelt. Man sagte ihnen, dass der Umzug vorüber­gehend und zu ihrer eigenen Sicherheit sei. Heute, sechs Jahre und mehrere Gerichtsverfahren später, ist die Verletzung ihrer Rechte zum Dauerzustand geworden.


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„ Sie werden uns erst von hier wegbringen, wenn wir tot sind.“ Regina, Bewohnerin der Primaveriistraße am Stadtrand von Miercurea Ciuc, im Gespräch mit Amnesty International im Mai 2009.

DISKRIMINIERUNG BESTIMMT DIE POLITIK In Rumänien leben fast 2,2 Millionen Roma, das entspricht rund zehn Prozent der Bevölkerung. Sie werden von den Behörden diskriminiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt. Während 24 Prozent der rumänischen Mehrheitsbevölkerung und 20 Prozent der ungarischen Minderheit von Armut betroffen sind, sind es bei den Roma etwa 75 Prozent, die in Armut leben. Auch der Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen der Roma sind im Vergleich zu den anderen Bevölkerungsgruppen Rumäniens deutlich schlechter. Wenn sie versuchen, sich gegen Vorurteile und Diskriminierung zur Wehr zu setzen, finden sie kein Gehör.

Diskriminierung durch rechtswidrige Zwangsräumungen In den vergangenen Jahren sind Roma-Siedlungen in Rumänien immer wieder rechtswidrig zwangsgeräumt und ihre Bewohner anschließend auf Gebieten neben Müllhalden, Kläranlagen oder Industriegebieten außerhalb der Städte angesiedelt worden. Durch die

Zwangsräumung verlieren die Betroffenen nicht nur ihr Zuhause, sie verlieren auch ihre persönliche Habe, ihr soziales Netz sowie den Zugang zu staatlichen Leistungen und zu ihrem Arbeitsplatz. Die Trennung der Roma von der übrigen Bevölkerung wird durch rechtswidrige Zwangsräumungen ihrer Siedlungen und ihre Unterbringung in abgeschiedenen Gebieten aufrechterhalten. Wenn ihnen die Behörden überhaupt Alternativunterkünfte zur Verfügung stellen, werden diese häufig auf unwirtlichen Gegenden errichtet, die über keinen Zugang zu sauberem Wasser, Gas oder Strom verfügen. Andere Bevölkerungsgruppen begegnen den Roma mit offener Feindseligkeit oder bedrohen und schikanieren sie. Durch rechtswidrige Zwangsräumungen verletzen die rumänischen Behörden nicht nur regionale sondern auch internationale Gesetze und Standards wie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und die Europäische Menschenrechtskonvention. Manche Roma leben in regulären Mietverhältnissen, doch viele der bereits lange bestehenden Unterkünfte von Roma stuft


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„Sie kamen und sagten, am nächsten Tag müssten wir ausziehen. Daraufhin packten alle ihre Sachen zusammen und zogen in die Baracken um.“ Sandor, Januar 2009

an Sicherheit garantieren. Dazu zählt unter anderem Rechtsschutz gegen rechtswidrige Zwangsräumungen.

DIE rechtswidrige ZWANGSRÄUMUNG DER PICTOR-NAGY-IMRE-STRASSE 27 Im Juni 2004 wurde das Gebäude in der Pictor-Nagy-Imre-Straße 27 rechtswidrig zwangsgeräumt. Die Mehrheit der über 100 Roma, die das Haus zu diesem Zeitpunkt bewohnten, wurden auf ein abgelegenes Gelände umgesiedelt – direkt neben eine Kläranlage. Sandor lebt mit seiner Frau und drei Kindern in einem der Wohncontainer neben der Kläranlage. Photography © Zsuzsanna Ardó

„Ich hatte eine gute Wohnung in der Pictor-Nagy-Imre-Straße. Sie bestand aus einem Zimmer, einer Küche und einer Abstellkammer.“

die Regierung als „provisorisch“ ein, da die Bewohner keine Miete bezahlen oder keinen Mietnachweis erbringen können. Dadurch werden sie besonders häufig Opfer von Zwangsräumungen.

Gyongi, Januar 2009

Rechtwidrige Zwangsräumungen verstoßen gegen internationale und regionale Menschenrechtsstandards, die allen Menschen hinsichtlich ihrer Wohnsituation ein Mindestmaß

Die Pictor-Nagy-Imre-Straße liegt im Zentrum von Miercurea Ciuc, der Hauptstadt des Kreises Harghita in Zentralrumänien. Einige der Roma hatten bereits seit den 1970er Jahren im Haus mit der Nummer 27 gewohnt, das der Stadt gehört. Im Laufe der Jahre waren weitere Roma in das Gebäude eingezogen oder hatten Hütten im dazugehörigen Hof errichtet.


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Die Metallcontainer, die die Stadtverwaltung einigen Roma nach der Zwangsräumung zur Verfügung gestellt hat, müssen zu viele Menschen beherbergen und schützen die Bewohner weder vor Regen noch vor Kälte. © Amnesty

Sandor, ein Rom, der über dreißig Jahre dort gelebt hat, sagte gegenüber Amnesty: „Es wurden jahrelang keine Instandhaltungsarbeiten durchgeführt. Wir wandten uns an die Stadtverwaltung, um sie wegen Reparaturen der Schäden am Haus um Hilfe zu bitten. Es war sinnlos. Das Haus begann zu verfallen ... Wir gingen oft zur Verwaltung, um sie über den schlechten Zustand zu unterrichten, doch sie sagten uns, sie könnten nichts dagegen tun.“ Behörden und Hausbewohner waren sich einig, dass das Gebäude dringend sanierungsbedürftig war. Über eine Evakuierung sprachen die Behörden erstmals 2001 und erklärten, dass die Bewohner das Gebäude zu ihrer eigenen Sicherheit verlassen müssten. In den folgenden drei Jahren wurden die Roma jedoch weder ausreichend über die Räumungs­pläne informiert, noch gab man ihnen die Möglichkeit, an

der Entscheidungsfindung teilzuhaben und auf diese Weise ihre Zukunft mitzugestalten. Die Behörden bemühten sich auch nicht, mögliche Alternativen zur Zwangsräumung zu finden oder der Gemeinschaft die Möglichkeit zu geben, verschiedene Alternativunterkünfte auf ihre Eignung zu überprüfen.

Acht Metallcontainer für zwölf familien Stattdessen erwarben die Behörden acht Wohncontainer aus Metall und stellten sie direkt neben der örtlichen Kläranlage auf – fertig für den Bezug. Nach Angaben der Behörden waren die Roma bereits kurz nach Ankauf der Container 2001 mündlich über das Vorhaben informiert worden, sie auf das Gelände neben der Kläranlage umzusiedeln.


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Wäschehof, Spielplatz und Tiergehege zugleich – neben der Kläranlage ist der Platz knapp. Photography © Zsuzsanna Ardó

Eine schriftliche Benachrichtigung gab es nie, obwohl es in Rumänien gesetzlich vorgeschrieben ist, alle Betroffenen frühzeitig und detailliert schriftlich über eine Zwangsräumung und das Räumungsdatum in Kenntnis zu setzen. Die Behörden versicherten den Familien, die Metallcontainer seien eine vorübergehende Lösung, und man werde ihnen zu gegebener Zeit angemessene Wohnungen zur Verfügung stellen. Amnesty International hat mit vielen Roma gesprochen, die früher in der Pictor-NagyImre-Straße 27 gewohnt haben. Nach ihren Aus­sagen wollten sie nicht wegziehen und hatten den Vertretern der Stadtverwaltung auch deutlich gesagt, dass sie mit der geplanten Unterbringung in Containern neben der Kläranlage nicht einverstanden seien. Die meisten, die

sich schließlich auf den Umzug einließen, taten dies in der Annahme, dass es sich um eine vorübergehende Unterbringung handele. „Als sie uns mitteilten, dass wir umziehen müssten, sagten sie, sie würden uns in die Primaveriistraße umsiedeln. Das war das einzige, was sie anboten. Sie meinten, wenn wir nicht dahin ziehen wollten, müssten wir auf der Straße leben. Sie würden uns kein anderes Haus geben.“ Sandor, Januar 2009

Im Jahr 2004 hatten zwölf Roma-Familien ihren legalen Wohnsitz in dem Haus in der Pictor-Nagy-Imre-Straße 27. Nur sie erhielten Zeitverträge für die Wohncontainer. Für die Bewohner, die zu diesem Zeitpunkt ohne Mietverträge in dem Gebäude wohnten, sahen die Behörden keine Ersatzunterkünfte vor.


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„ Wenn die ganze Familie schlafen will, passen wir gar nicht alle hinein. Es ist zu eng zum Baden, wir können uns nicht waschen. AuSSerdem möchten wir nicht, dass sich die älteren Mädchen vor ihren Vätern waschen.“ Erzsébet, Januar 2009

Nur 24 Stunden bis zur räumung Die Roma-Familien der Pictor-Nagy-ImreStraße 27 sagten, dass sie erst 24 Stunden­ vor der Zwangsräumung mündlich davon in­­ Kenntnis gesetzt wurden. Nach rumänischem Recht stehen Bewohnern von Wohnungen, die zwangsgeräumt werden sollen, vor dem endgültigen Räumungstermin acht Tage zu, ­­in denen sie der Räumungsaufforderung freiwillig nachkommen können. Erst nach Ablauf dieser Frist darf legal und wenn nötig unter Zwang geräumt werden. Die Behörden der Stadt Miercurea Ciuc haben mit ihrem Vorgehen also sowohl gegen das Völker­­recht als auch gegen nationales Recht verstoßen. „Wir hatten nur 24 Stunden Zeit. Sie sagten, auch wenn wir das Gebäude nicht verließen, würden es die Abrissfahrzeuge niederreißen.“ Sandor, Januar 2009

2003 stimmte der Stadtrat dem Abriss des Gebäudes zu.

Im Juni 2004 wurden die Roma aus dem Stadtzentrum von Miercurea Ciuc auf das Gelände neben der Kläranlage umgesiedelt. Bis heute leben dort über 75 Roma in acht Wohncontainern und 14 provisorischen Hütten. Etwa 25 Roma wollten nicht neben der Kläranlage wohnen und zogen es in ihrer Not vor, sich ein paar Kilometer davon entfernt an einer Müllhalde niederzulassen. Die Zwangsräumung des Gebäudes in der Pictor-Nagy-Imre-Straße im Juni 2004 entsprach nicht den international geltenden Menschenrechtsstandards, die bei jeder Zwangsräumung beachtet werden müssen und die in der Allgemeinen Bemerkung 7 des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte dargelegt sind. Es handelt sich daher um eine rechtswidrige Zwangsräumung und um einen Verstoß gegen die internationalen und regionalen menschenrechtlichen Verpflichtungen Rumäniens. Diese verbieten rechtswidrige Zwangsräumungen und nehmen das jeweilige Land in die Pflicht, solche Räumungen weder selbst durchzuführen noch die Durchführung durch Dritte zuzulassen.


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Erzsébet lebt mit ihrem Partner und neun Kindern neben der Kläranlage in einem Wohncontainer aus Metall. © Amnesty

Wann ist eine Zwangsräumung rechtswidrig? Internationale Normen beschreiben eine rechtswidrige Zwangsräumung als eine gegen den Willen der Betroffenen stattfindende Vertreibung aus ihren Wohnungen oder von ihrem Land, ohne dass ein ge­eigneter rechtlicher oder anderer Schutz vorhanden ist. Das bedeutet: Kein Mensch darf ohne weiteres aus seinem Haus, seiner Wohnung oder von seinem Land vertrieben werden. Eine Zwangsräumung ist nur unter strengen rechtlichen Auflagen zulässig, und niemand darf dadurch der Obdachlosigkeit preisgegeben werden. Als Ersatz muss ein angemessener Wohnraum gestellt werden, in dem menschenwürdiges Wohnen und Leben möglich ist. Trotzdem werden immer mehr Menschen aus

ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben, oft mit brutaler Gewalt. Die Betroffenen werden vorher vielfach nicht darüber informiert und von der unangekündigten Zerstörung ihres Wohnraums überrascht. Somit haben sie im Vorfeld keine Möglichkeit, sich mit rechtlichen Mitteln dagegen zu wehren. Der Schutz vor einer rechtswidrigen Zwangsräumung gilt auch für Slumbewohner, obwohl sie oft keine Mietverträge oder formellen Rechte an dem Land haben, auf dem sie wohnen. Auch ihre Wohnungen, Hütten und andere Unterkünfte müssen geschützt und dürfen vom Staat nicht einfach zerstört werden. Eine rechtswidrige Zwangsräumung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung, oft werden dabei auch andere Menschenrechte verletzt wie das Recht auf Eigentum oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit.


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„ Ich würde gerne unter besseren Wohnbedingungen leben – Ich, meine Familie und die ganze Gemeinschaft.“ Gabor, Mai 2009

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Spielende Kinder in der Nähe der Wohncontainer neben der Kläranlage. Photography © Zsuzsanna Ardó


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„ Das Wasser reicht uns manchmal bis zum Knie. Letztes Jahr stand das Wasser in einer der Unterkünfte so hoch, dass es die GröSSe meiner dreijährigen Tochter erreichte.“ Sandor, Januar 2009

Leben im Provisorium

Das recht auf Wohnen

Nach internationalen und nach rumänischen Rechtsstandards hat jeder Mensch Anrecht auf eine angemessene Unterkunft (Recht auf Wohnen). Niemand darf durch eine Zwangsräumung obdachlos werden, und die Betrof­ fenen müssen eine angemessene Alternativunterkunft erhalten.

Tatsächlich sind die Lebensbedingungen auf dem Gelände für alle Bewohner völlig unangemessen, weil weder die Metallcontainer noch die selbstgebauten Hütten genug Raum zum Leben bieten. Die Stadtverwaltung hat inzwischen dafür gesorgt, dass Wohncontainer und Hütten an das Stromnetz angeschlossen sind. Es gibt einen Trinkwasserhahn und eine kostenlose Müllabfuhr. Die meisten Kinder der Gemeinschaft werden mit Bussen abgeholt und kostenlos zu einer Schule nur für Roma gefahren, in der die Mahlzeiten gestellt werden.

Denjenigen, die keinen legalen Wohnsitz in der Pictor-Nagy-Imre-Straße 27 gehabt hatten, stellten die Behörden – entgegen ihrer rechtlichen Verpflichtung – keine Alternativunterkunft zur Verfügung. Die betroffenen Roma errichteten daher provisorische Hütten aus zusammengesuchten Baumaterialien und leben seither neben den Wohncontainern – ohne reguläres Mietverhältnis und in der stetigen Gefahr, erneut einer Zwangsräumung ausgesetzt zu werden. Ohne offizielle Erlaubnis hätten die provisorischen Hütten nie neben der Kläranlage er­­rich­­­­­tet werden dürfen. Die Behörden dulden sie jedoch nach eigenen Angaben aufgrund ihres „informellen“ Charakters und begreifen dies als Zugeständnis an die betroffenen Roma.

Trotzdem ist die Situation menschenunwürdig und gefährdet die Gesundheit der Betroffenen. Die Wohncontainer sind für die Zahl der Bewohner viel zu klein, die sanitären Anlagen völlig unzureichend. So stehen beispielsweise der gesamten Gemeinschaft nur vier Toiletten zur Verfügung. Einige der Dächer halten bei Regen nicht dicht. Die Roma sagten im Gespräch mit Amnesty International, dass der Bach hinter den Wohncontainern in Zeiten hoher Niederschläge ansteigt und die Container und Hütten unter


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„ Der Gestank zieht in unsere Unterkünfte. Auch nachts ... die Kinder legen sich Kissen aufs Gesicht. Bei diesem Geruch mag man nichts essen … Ich hatte noch ein weiteres Kind, einen Jungen. Er starb, als er vier Monate alt war … Deshalb habe ich Angst. Ich will nicht auch noch meine anderen Kinder verlieren …“ Ilana, Mai 2009

Wasser setzt. Auch ein ausreichender Schutz gegen Feuchtigkeit, Hitze, Regen und Wind ist nicht gegeben. Im Winter können die Temperaturen in Miercurea Ciuc bis unter minus 15 Grad Celsius fallen. Die Stadtverwaltung stellt zwar etwas Brennholz für die Öfen zur Verfügung, aber laut Aussagen der Bewohner reicht es nicht für den ganzen Winter. Sie verbrennen daher Plastikflaschen und andere Abfälle, um Wärme zu erzeugen.

nicht geschehen. Die Behörden haben die Roma auf einem Gelände angesiedelt, das ihre Gesundheit gefährden könnte, und nichts unternommen, um diese Gefahr einzuschätzen.

die gesundheit gefährdet

Als Nachbarn unerwünscht

Der Gestank menschlicher Exkremente liegt schwer in der Luft um die Wohncontainer und Hütten. Besonders im Sommer ist er unerträglich. Doch es ist nicht nur der Gestank. Die Lage des Geländes könnte eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit der angesiedelten Roma darstellen. Ein Schild warnt vor der Vergiftungsgefahr in dieser unmittelbaren Nähe der Kläranlage.

Einige Roma berichten, dass sie sich schon mehrmals bei den Behörden beschwert hätten, aber niemand habe ihnen zugehört. Der Bürgermeister von Miercurea Ciuc erklärte, die Bemühungen um neue Wohnungen für die Gemeinschaft seien gescheitert, weil der Stadtrat es abgelehnt habe, Land zu erwerben und darauf zu bauen: Niemand wollte die Roma in der Nachbarschaft haben.

Nach rumänischem Recht sind Wohnsiedlungen in der Nähe von Kläranlagen grundsätzlich in einem Umkreis von 300 Meter verboten – es sei denn die gesundheitlichen Auswirkungen sind zuvor untersucht worden. Das ist aber in der Gemeinde Miercurea Ciuc

Die Ausgrenzung dieser Menschen bleibt bestehen und wird durch ihre Unterbringung auf dem abgeschiedenen Gelände noch verschärft. Sie leben an den Rand der Stadt gedrängt, die sie ihr Zuhause nennen.

Viele der Roma schilderten Amnesty International ihre alltägliche Angst, dass der Gestank schädlich sein könnte. Sie befürchten, dass der neue Wohnort das Leben ihrer Kinder gefährdet.


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Ilana wohnt mit ihrem Partner und zwei Kindern in einer der Hütten an der Kläranlage. Photography © Zsuzsanna Ardó

Was ist das Recht auf Wohnen? Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte definiert das Recht auf angemessene Unterkunft als das Recht, an einem Ort in Sicherheit, Frieden und Würde zu leben. Als ein Menschenrecht steht es allen Menschen – unabhängig von Einkommen, sozialem Status und anderen Kriterien – gleichermaßen zu. Für die Angemessenheit einer Unterkunft gibt es mehrere Kriterien. Dazu gehören unter anderem: ein Mindestmaß an Sicherheit – Das bedeutet z.B. rechtlichen Schutz gegen Zwangsräumungen, Schikanen und andere Bedrohungen.

ein Mindestmaß an Infrastruktur – Dazu gehört z.B. die Bereitstellung von sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und Nahrungsmitteln. Bezahlbarkeit – Das bedeutet, dass den Menschen genug Geld zur Finanzierung weiterer Grundbedürfnisse übrig bleiben muss. Bewohnbarkeit – Hiermit sind z.B. eine ausreichende Größe und der Schutz vor Wettereinflüssen und anderen Bedrohungen gemeint. Erreichbarkeit – Dies bezieht sich z.B. auf den Arbeitsplatz, medizinische Einrichtungen und Schulen.


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Rom mit seinem Pferd in Miercurea Ciuc. Photography © Zsuzsanna Ardó

Allein im Kampf um ihr Recht „Die Leute sollten versuchen, Verständnis für uns aufzubringen. Aber sie behandeln uns wie Tiere und schließen die Türen, wenn sie uns sehen.“ Gabor, Mai 2009

Die Zwangsräumung des Gebäudes in Miercurea Ciuc und die Umsiedlung der Roma auf das Gelände neben der Kläranlage waren rechtswidrig. Daher hätten die Bewohner das Recht haben müssen, Wiedergutmachung einzuklagen. Soweit Amnesty International jedoch bekannt ist, hat bisher niemand aus der Roma-Gemeinschaft, die auf das Gelände

neben der Kläranlage umgesiedelt wurde, staatliche Unterstützung erhalten, um rechtliche Mittel gegen die Entscheidung und das Vorgehen der örtlichen Behörden einlegen zu können. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte betont die Verpflichtung staatlicher Behörden, Rechtsmittel bereitzustellen und – wenn möglich – Rechtsbeistand für diejenigen zu gewährleisten, die ihn benötigen, um vor Gericht Wiedergutmachung zu erstreiten. Auch der Nationale Rat zur Bekämpfung von Diskriminierung, ein unabhängiges Gremium,


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Mädchen der Roma-Gemeinde in Miercurea Ciuc malten bei einem Amnesty International-Workshop Bilder zum Thema „Wo ich gerne leben würde“. Photography © Zsuzsanna Ardó

das die Umsetzung rumänischer Antidiskriminierungsgesetze kontrolliert, urteilte bereits am 23. August 2005, dass die Umsiedlung der Roma neben die Kläranlage diskriminierend war und sowohl das Recht auf Privatsphäre als auch das Recht auf eine gesunde Umwelt verletzt hat. Der Rat kam weiter zu dem Schluss, dass die Stadt Miercurea Ciuc zu einer Geldstrafe verurteilt werden sollte. Dies ist jedoch bisher nicht geschehen. Ende 2008 hatten die Roma aus der PictorNagy-Imre-Straße 27 gemeinsam mit lokalen Nichtregierungsorganisationen wie Romaní CRISS, die sich für die Rechte von Roma und gegen ihre Diskriminierung in Rumänien ein-

setzt, alle juristischen Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft. Daraufhin reichten einige Roma mit Unterstützung von Romaní CRISS im Dezember 2008 Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Die Roma-Gemeinschaft wartet immer noch auf die Entscheidung des Gerichts, ob die Klage zugelassen wird.

„ Wir sind Zigeuner, deshalb hört man uns nicht zu.“ Monika, Mai 2009


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Amnesty International betrachtet die rechtswidrige Zwangsräumung und die Umsiedlung der Roma in Miercurea Ciuc als schwere Menschenrechtsverletzung, die nicht hingenommen werden darf.

Amnesty international fordert den Bürgermeister von Miercurea Ciuc auf,

Amnesty international fordert die rumänische Regierung auf,

unter Mitwirkung der betroffenen Roma einen neuen Wohnort zu suchen, an dem sie dauerhaft und unter angemessenen Bedingungen leben können. die Umsiedlung der Roma von dem gesund heitsgefährdenden Gelände zu veranlassen. einen Plan zur Integration der Roma in die Gemeinde von Miercurea Ciuc zu entwickeln.

sofort alle rechtswidrigen Zwangsräumungen zu stoppen. die nationalen Gesetze zum Wohnrecht neu zu formulieren und darin internationale Menschenrechtsstandards zu diesem Recht sowie zur Vermeidung von rechtswidrigen Zwangsräumungen zu verankern.

Werden Sie aktiv! Unterstützen Sie unsere Forderungen: www.amnesty.de / roma-wohnen


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Mit Menschenrechten gegen Armut Menschen in Armut sind besonders oft von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Wer nicht lesen und schreiben kann, kennt seine Rechte nicht gut genug und ist staat­ licher Willkür ausgesetzt. Wer ständig schikaniert wird, fühlt sich ohnmächtig. Wer nie gefragt wird, verliert seine Stimme. Gerade Menschen in Armut sind darauf angewiesen, dass der Staat ihre Rechte respektiert. Menschenwürdige Lebensbedingungen, medizinische Versorgung, Zugang zu Bildung – Rechte, die viele Staaten ihren Bürgerinnen und Bürgern verweigern. Wo Regierungen sich der Verantwortung entziehen, herrscht ein Kreislauf aus Armut und Menschenrechtsverletzungen, der schwer zu durchbrechen ist: Armut ist in vielen Fällen eine Folge von Menschenrechtsverletzungen und wird durch Menschenrechtsverletzungen verfestigt. In der Kampagne „Mit Menschenrechten gegen Armut“ dokumentiert Amnesty International schwere Menschenrechtsverletzungen an Menschen in Armut. Dazu gehören menschenunwürdige Wohnbedingungen und rechtswidrige Zwangsräumungen, Müttersterblichkeit nach vermeidbaren Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt, aber auch die gesundheitsgefährdende Verschmutzung der Umwelt durch Unternehmen.

Amnesty International wendet sich an die verantwortlichen Regierungen und Unternehmen, protestiert gegen das Unrecht, fordert konkrete Verbesserungen und gibt Menschen in Armut eine Stimme: Mit Menschenrechten gegen Armut. Und mit Ihrem Einsatz. www.amnesty.de / armut

Wohnen. In Würde. Rechtswidrige Zwangsräumungen sind ein schwerer Verstoß gegen die Menschen­rechte: Menschen verlieren binnen Stunden ihr Zuhause, Hütten und Häuser werden dem Erdboden gleichgemacht – ohne Begründung, ohne Alternativen, ohne Rechtsgrundlage. Die spärliche Lebensgrundlage von Menschen in Armut wird mit einem Handstreich vernichtet. Sie wollen nicht tatenlos zusehen? Dann beteiligen Sie sich an unserem Aktionsnetz STOPPT ZWANGSRÄUMUNGEN. Sie erhalten aktuelle Eilaktionen und weitere Aktions­ aufrufe und können sich konkret und schnell für Menschen, die von einer Zwangsräumung bedroht sind, einsetzen. www.amnesty.de / wohnen


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Amnesty International setzt sich auf der Grundlage der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« für eine Welt ein, in der die Rechte aller Menschen geachtet werden. Die Stärke der Organisation liegt im freiwilligen Engagement von weltweit mehr als 2,7 Millionen Mitgliedern und Unter­stützern unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen und Alters­gruppen. Gemeinsam setzen sie Mut, Kraft und Fantasie für eine Welt ohne Menschenrechts­verletzungen ein. Auch Sie können sich engagieren: www.amnesty.de / mitmachen Amnesty International finanziert sich aus Spenden und Beiträgen. Regierungsgelder lehnt Amnesty ab, um finanziell und politisch unabhängig zu bleiben. Bitte unterstützen Sie uns deshalb mit Ihrer Spende: Spendenkonto 80 90 100 Bank für Sozialwirtschaft BLZ 370 205 00

Insbesondere arbeitet Amnesty für die Aufklärung von Menschenrechts verletzungen und die Bestrafung der Täter/innen gegen Folter, Todesstrafe, politischen Mord und das »Verschwindenlassen« von Menschen für die Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen, die aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Überzeugung inhaftiert sind für den Schutz und die Unterstützung von Menschenrechtsverteidiger/innen für den Schutz der Rechte von Flüchtlingen für den Schutz der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten und für wirksame Kontrollen des Waffenhandels gegen Rassismus und Diskriminierung für den besonderen Schutz der Rechte von Frauen und Mädchen für die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte


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