Schritt für Schritt - Neue Wege in den Alltag

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Schritt f端r Schritt Neue Wege in den Alltag


IMPRESSUM Herausgeber: P.A.N. Zentrum f端r Post-Akute Neurorehabilitation im F端rst Donnersmarck-Haus, Berlin-Frohnau Redaktion und Gestaltung: neues handeln GmbH Fotos: Enno Hurlin, Adelheid Blomberg, Andreas Pfeffer, Archiv F端rst Donnersmarck-Haus Druck: Nordbahn gGmbH, WfbM


Sehr geehrte Damen und Herren!

E

in Mensch ist keine Insel. Als soziales

Klinik und dem Auszug in eine ambulante

Stiftung werden regelmäßig wegweisende

Wesen kann er nur gesund werden,

Wohnform. Mit dieser Broschüre möchten

wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet.

wenn neben dem Wiedererlernen

wir Ihnen unsere Arbeit vorstellen. Anhand

Diese Erkenntnisse helfen uns, die Rehabilita-

kör­perlicher Fähigkeiten auch die Teilnahme

von Praxisbeispielen erfahren Sie, welche

tion für Menschen mit erworbenen Schädel-

am gesellschaftlichen Leben gelingt. Für

Entwicklungsschritte dem einzelnen Men-

Hirn-Verletzungen weiter zu verbessern.

Menschen mit einer Schädel-Hirn-Verletzung

schen trotz schwierigster Diagnose und

bedeutet gesund zu werden, das Leben neu

komplexer Behinderung bei adäquater

leben zu lernen.

Neurorehabilitation möglich sind.

Um diese Herausforderung anzunehmen und

Der Aufenthalt in unserem Haus ist nur eine

sich auf den Weg in ein möglichst selbstbe-

Teilstrecke auf dem langen Weg der Rehabi-

stimmtes Leben zu machen, braucht es eine

litation. Die Fürst Donnersmarck-Stiftung hat

sichere Umgebung und verlässliche Wegbe-

auch für die weiteren Schritte Angebote

gleiter, die fachlich und menschlich überzeu-

entwickelt, deren Ziel es ist, weitgehende

Prof. Dr. Bamborschke ist Facharzt für Neurologie

gen. Das neue P.A.N. Zentrum – Zentrum für

Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und

und Psychiatrie, Neurologische Intensivmedizin,

Post-Akute Neurorehabilitation – bietet

Teilhabe zu ermöglichen.

Rehabilitationswesen, Sozialmedizin und

Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen

Ihre Bärbel Combüchen Kaufmännische Leiterin

Prof. Dr. med. Stephan Bamborschke Leitender Arzt

Physikalische Therapie. Er ist Hochschullehrer an

die besten Bedingungen für ihren Weg

Nicht zuletzt fördert die Stiftung auch die

der Charité Berlin und der Universität Potsdam.

zurück in den Alltag. Wir gehen neue Wege

wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet

Viele Jahre war er Chefarzt einer großen

in der Neurorehabilitation und bauen

der neurologischen Rehabilitation. Mit dem

Reha-Klinik und ist seit 2008 leitender Arzt des

Brücken zwischen dem Aufenthalt in der

Forschungspreis der Fürst Donnersmarck-

P.A.N. Zentrums im Fürst Donnersmarck-Haus. 1


Historie 1958

1963

1966

1967

1970

Marianne Schlegelmilch

Eröffnung des Kinderheims

Ein Psychagoge nimmt seine

Das Fürst Donnersmarck-

Neue therapeutische

gründet mit Unterstützung der

Frohnau: 36 Jungen und

Arbeit auf: In Zu­sam­men­

Haus ist Vorreiter beim

Methoden werden in die

Fürst Donnersmarck-Stiftung

Mädchen können hier mit

arbeit mit dem Team widmet

Einsatz von modernen

Arbeit des Fürst Donners-

in Frohnau den Verein zur

ihrer Behinderung unter

er sich den Ur­­sa­­chen von

Geräten in der Logopädie:

marck-Hauses integriert:

Förderung von evange-

besten Bedingungen auf-

Verhaltens­schwierigkeiten.

Der so genannte „Language-

Reittherapie und Yoga.

lischen Heimen für körperbe-

wachsen.

Master“, entwickelt in den

Das Reiten und die meditative

USA, bereichert die Thera-

Wirkung des Yogas wirken

pie durch eine neuartige

sich positiv auf die Entwick-

Bild-Ton-Methode.

lung der Kinder aus.

hinderte Kinder.

2


1976

1981

1990

tanden, die einer regelmä-

Gründung einer der ersten

Alltags- und Handlungsorien-

Einführung der Körperthera-

ßigen Beschäftigung außer

gemischtgeschlechtlichen

tierung: Menschen mit

pie: eine wirksame Methode

Haus (noch) nicht nachgehen

Trainingswohngruppen für

Behinderung werden an der

für Personen mit starken

können, erhalten unter

Jugendliche mit Behinderung.

Arbeit im Haus beteiligt, um

Schwierigkeiten im sozialen

pädagogischer Anleitung

sie mit praktischen und

Bereich.

praktische Beschäftigung.

1979

sinnvollen Tätigkeiten stärker

Beginn der Gründung von

zu motivieren. Dazu werden

1995

2000

Außenwohngruppen (Wohn-

im Haus eigene Arbeitsbe-

Einweihung des Snoezelen-

Neue therapeutische Ange-

gemeinschaften).

reiche wie z. B. eine Drucke-

Raums.

bote: Redressierendes

rei geschaffen.

1979

Gipsen und Musiktherapie

1996

erweitern das Programm.

Einweihung des Neubaus

1984

und Umsetzung eines neuen

Das Fürst Donnersmarck-

küche: Stärkung des Kon-

2001

Konzepts: Stand bisher vor

Haus entwickelt sich zum

zepts der Alltags- und

„Melba“, ein Instrument zur

allem die körperliche

Spezialisten in der nach-

Handlungsorientierung.

beruflichen Rehabilitation

Rehabilitation im Mittelpunkt,

klinischen Rehabilitation für

so rückt nun die Integration

Menschen mit erworbenen

1998

eingeführt: Mit Melba kann

in die Gesellschaft in den

Hirnschädigungen.

Neugliederung der Heimbe-

die Arbeitsfähigkeit der

reiche und Beginn der

Rehabilitanden nach objek-

befristeten Rehabilitation.

tiven Kriterien eingeschätzt

Fokus. Pädagogik und

Eröffnung einer Trainings-

und Integration, wird

Therapie werden effektiver

1988

verknüpft. Die Neuentwick-

Erstmaliger Einsatz von

lung bestärkt den Ruf des

Computerprogrammen in der

1999

Fürst Donnersmarck-Hauses

Neuro-Psychologie: Der PC

Eröffnung der ambulanten

mai 2008

als innovative Einrichtung.

erweitert nicht nur die

Praxis für Physiotherapie,

Das P.A.N. Zentrum für

klassischen Trainingsverfah-

Ergotherapie, Logopädie,

Post-Akute Neurorehabilita-

ren, sondern eröffnet auch

Hydrotherapie.

tion nimmt seine Arbeit auf.

neuartige Möglichkeiten in

Start des Pilotprojekts

der Diagnostik und Therapie

„Tagesstrukturierende

von Hirnleistungsstörungen.

Maßnahmen“: Rehabili-

werden.

3


POST-AKUTE NEUROREHABILITATION IM P.A.N. ZENTRUM

E

ine winzige Hirnverletzung – und ein Abgrund tut sich auf: Wir befinden uns in einer anderen Welt. Aber hat

diese weniger Existenzberechtigung, weniger

4

Sinn? Sind die Auswirkungen von Hirnerkran-

Das P.A.N. Zentrum im Fürst Donnersmarck-

wiederhergestellt werden, müssen unsere

kungen und -verletzungen nur Defizite und

Haus hat sich auf die Rehabilitation von

Klienten häufig lernen, dauerhaft mit Beein-

„Ausfälle“? Viele Menschen mit erworbenen

Menschen mit erworbenen Hirnschädigun-

trächtigungen zu leben und die veränderte

Hirnschädigungen bilden besondere Fähig-

gen spezialisiert, die durch einen Unfall,

Lebenssituation anzunehmen. Wir möchten

keiten und Techniken aus, um Verlorenes zu

Schlaganfall, Tumor oder eine Hirninfektion

den Rehabilitanden nicht nur eine stationäre

ersetzen. Unserem interdisziplinären Team

aus ihrem gewohnten Leben gerissen wurden.

Rehabilitation anbieten, sondern auch eine

von Therapeuten, Neuro-Pädagogen, Neuro-

Auf der Basis einer präzisen Befunderhebung

Zeit lang ein neues Zuhause. Wir befähigen

Psychologen und Ärzten geht es nicht nur um

erarbeitet unser erfahrenes, interdisziplinäres

Betroffene, das häufig als traumatisch erlebte

das Funktionieren des Organismus, sondern

Team ein differenziertes Profil jedes Rehabili-

abrupte Herausgerissensein aus Alltag,

um einen ganzheitlichen Blick auf den betrof-

tanden. Wir unterstützen ihn dabei, aus

Beruf und Familie zu verarbeiten und geben

fenen Menschen – mit seiner gesamten Per-

seinen individuellen Potenzialen Ideen und

jedem Einzelnen optimale Unterstützung

sönlichkeit, seinem Urteilsvermögen, seinem

Perspektiven für seine Zukunft zu entwickeln.

auf dem Weg zu mehr Selbstständigkeit und

Willen, seinen Gefühlen und Empfindungen.

Auch wenn so viele Funktionen wie möglich

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.


„Das Konzept des P.A.N. Zentrums nimmt die

Meine Familie

aktuellsten Erkenntnisse aus der Neurorehabilitation

und ich waren

auf und setzt diese zielgenau in die Praxis um.“

auf dem Weg

— Prof. Dr. phil. Dr. med. Paul Walter Schönle —

in den Urlaub,

Median-Kliniken, Bad Oeynhausen, Universität Konstanz,

als ich mit dem

Kuratoriumsmitglied der Fürst Donnersmarck-Stiftung

Motorrad einen Unfall hatte. Diagnose: offenes Schädel-Hirn-Trauma, Lungenquetschung, Leberriss, Darmverletzungen und mehrere Knochenbrüche. Ich wurde sofort in die Uniklinik Rostock gebracht, wo ich knapp drei Wochen blieb. Nach neun Monaten Frührehabilitation kam ich in das Fürst Donnersmarck-Haus. Meine linke Körperhälfte war gelähmt, meine linke Hand konnte nicht eingesetzt werden. Immerhin war ich rollstuhlmobil und konnte mit therapeutischer Unterstützung wenige Schritte gehen.

Drei Pfeiler

tischen, logopädischen, ergotherapeutischen

Der Herzinfarkt traf Marion

und neuro-psychologischen sowie im

Köhler mitten im Leben: Sie ist

Handlungs- und Alltagsorientierung sind die

neuro-pädagogischen Bereich bietet die

Statikerin und war gerade bei der

Leitbegriffe unserer Arbeit, die im Wesent-

Rahmenbedingungen für eine bestmögliche

Arbeit, als sie plötzlich zusam-

lichen auf drei Pfeilern beruht:

Entwicklung.

menbrach. Bereits eine Woche vorher war sie wegen einiger Beschwerden im

1. Individuelles Wohnen in anregenden

3. Partizipatorischer Rehabilitationsansatz

Krankenhaus gewesen, wurde aber mit der

Wohngruppen mit Menschen einer Alters-

stärkt das Engagement der Betroffenen.

Diagnose Rückenschmerzen nach Hause ge-

gruppe und in ähnlicher Situation sorgt für

Durch eine einfühlsame Begleitung können

schickt. Der schwere Herzinfarkt traf sie mit aller

sozialen Austausch und Halt.

die Rehabilitanden Beziehungen aufbauen,

Härte und führte zu einer hypoxischen Hirnschädi-

die wesentlich zu ihrer Motivation und damit

gung: Ihr Gehirn bekam zu wenig Sauerstoff.

zu ihrem Lernerfolg beitragen.

Viele Zellen wurden irreversibel zerstört.

2. Umfassende interdisziplinäre Zusammenarbeit im medizinischen, physiotherapeu-

5


HANDLUNGSORIENTIERTE HILFE ZUR SELBSTHILFE

M

6

enschen, die durch einen Unfall oder Schlaganfall plötzlich eine Hirnverletzung erleiden, werden

von einem Tag auf den anderen aus ihrem

klinischen Bereich ist das P.A.N. Zentrum

verloren gegangene Fähigkeiten wiederer-

gewohnten Leben gerissen. Die Folgen sind

einzigartig und steht konzeptionell und

langen bzw. ausgleichen können. Wir

oft gravierende körperliche Funktionsstö-

qualitativ an der Spitze der Post-Akuten

bereiten unsere Rehabilitanden auf die

rungen in Motorik und Koordination, Beein-

Neurorehabilitationsangebote in Deutsch-

Rückkehr in ein möglichst selbstbestimmtes

trächtigungen des Hör-, Seh- und Sprachver-

land. Wir bauen Brücken zwischen dem

Leben vor.

mögens sowie kognitive und psychische

Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik und

Probleme. In der akuten Rehabilitationsphase

dem Auszug in ein selbstbestimmtes Leben in

steht zunächst die Überwindung der körper-

einer ambulanten Wohnform und bieten

lich-funktionellen Ausfallerscheinungen im

professionelle Hilfe zur Selbsthilfe. In

Vordergrund. In der darauf folgenden

zugewandter Atmosphäre können die Nutzer

Auf der Basis der jeweiligen Kompetenzen

postakuten Phase geht es um die konkrete

unserer Angebote Verhaltensweisen und

und Defizite des Klienten entwickeln wir in

Alltagsbewältigung. In diesem nach-

Fertigkeiten entwickeln, durch die sie

Absprache mit ihm und seinen Angehörigen

Der Rehabilitand steht im Mittelpunkt


Die Ziele waren klar: Ich wollte wieder laufen lernen und ein selbstständiges Leben führen. Meine Therapeuten, die NeuroPädagogen und ich haben einen detaillierten Trainingsplan ausgearbeitet. Und meine Tage waren ausgefüllt: Physiotherapie, therapeutische Werkstatt, Einkaufstraining, Wohntraining im Apartment – ich habe fast alle Therapieangebote genutzt. Eine Besonderheit war das redressierende Gipsen: ein sehr langwieriger, aber wirksamer Prozess, um meine Muskelverkürzungen zu beheben.

oder amtlichen Betreuern seinen individu-

sich Angehörige plötzlich mit Verhaltenswei-

Die Hirnschädigung hatte fatale

ellen Rehabilitationsplan – als Bündnis

sen konfrontiert, denen sie hilflos gegenüber-

Folgen: In den ersten sechs

zwischen dem Rehabilitanden und uns. Zur

stehen. Der geliebte Partner, Mutter, Vater

Monaten nahm Frau Köhler ihre

Stärkung der Eigenverantwortung vereinba-

oder Kind erscheint ihnen plötzlich als fremd.

Umwelt überhaupt nicht wahr. Sie

ren wir die Ziele gemeinsam mit dem

Um diesen Konflikt zu entschärfen, bemühen

wurde künstlich ernährt und war

Betroffenen und überprüfen diese regelmä-

wir uns darum, zwischen den Betroffenen

komplett pflegebedürftig. Der Vater des gemein-

ßig, um ihn optimal zu fördern. Da sich auch

und ihren Bezugspersonen zu vermitteln und

samen Kindes unterstützte sie dabei, ins Leben

die Persönlichkeit von Hirnverletzten stark

den Boden für ein gegenseitiges Verständnis

zurückzukehren. Nach sechs Monaten zeigte

verändert und es zu Verschiebungen im

zu bereiten.

Marion Köhler dann eine erste Reaktion, als man

Selbstbild und Selbstwert kommt, leiden sie

ihr mit einem feuchten Wattestäbchen um den

oft unter massiven Ängsten, Kommunikations-

Mund fuhr. Trotzdem sahen ihre Erfolgsaussichten

und Interaktionsstörungen. Dadurch sehen

nicht gut aus. Viele Experten glaubten nicht daran, dass sie je wieder laufen und sprechen lernen würde. 7


GEMEINSAM ERFOLGREICH SEIN – Interdisziplinäre zusammenarbeit

U

nsere Mitarbeiter aller Fachdisziplinen verfolgen das Ziel, Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen

zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit und

vernetzten, softwaregestützten Dokumenta-

Lebensqualität zu befähigen. Um die

tion des Rehabilitationsprozesses sowie einer

Rehabilitationsziele zu erreichen, arbeiten

laufenden, disziplinenübergreifenden Erfolgs-

Neurologie, Ergo- und Physiotherapie,

kontrolle durch ein individuelles Messverfah-

Nicht nur der Körper muss trainiert werden,

Logopädie, Neuro-Psychologie und Neuro-

ren bilden das Fundament unserer gemein-

sondern auch die psychische Verfassung der

Pädagogik konsequent interdisziplinär und

samen Arbeit.

Betroffenen muss beachtet werden. Unsere

stehen in laufendem, engem Austausch

8

Motivation durch Eigenverantwortung

Neuro-Psychologen begleiten den Trauerpro-

miteinander. Verpflichtende Abstimmungspro-

Auf dieser Basis entwickeln wir gemeinsam

zess um den Verlust der einstigen Fähigkeiten

zesse und Erfolgskontrollen in Form von

mit dem Rehabilitanden ein speziell auf ihn

und stützen den Klienten dabei, bleibende

regelmäßig stattfindenden interdisziplinären

abgestimmtes Therapieprogramm – eine

Schädigungen zu akzeptieren. Stetige

Sitzungen und Verlaufsgesprächen einer

lösungsorientierte, flexible „Hilfe nach Maß“.

Motivation ist ein wesentlicher Aspekt


Das Therapieprogramm ist anstrengend. Manchmal wollte ich einfach alles hinschmeißen, vor allem dann, wenn es scheinbar nicht weiterging. Sehr wichtig waren in diesen Momenten meine Betreuer: Sie standen mir zur Seite, haben mich unterstützt und angetrieben. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Wichtig für meine Lernbereitschaft war auch, dass die Therapie auf Aktivitäten basierte, die für den Alltag sinnvoll sind. Meine größte Motivation war jedoch mein Sohn. Ich wollte wieder mit ihm spielen können und für ihn da sein.

unserer Arbeit: Mit Geduld und Einfühlungs-

Zwei Jahre nach der Hirnschädi-

vermögen machen unsere Mitarbeiter den

gung kam Frau Köhler zur

Betroffenen die zunächst sehr kleinen

nach-klinischen Rehabilitation in

Veränderungen immer wieder deutlich. Sie

das Fürst Donnersmarck-Haus. Die

fördern den Spaß an der Arbeit und eine

Neuro-Pädagogen und The­­ra­

optimistische Haltung. Der Therapieplan

peuten haben dort auf die Plastizität des Gehirns

erfolgt als 24-Stunden-Konzept, das in

gebaut: indem einzelne Schritte wie das Anziehen

engem Kontakt mit den Mitarbeitern der

oder Aufstehen immer wieder auf die immer

Wohngruppen und den Angehörigen an

gleiche Weise geübt wurden. Durch die sehr

die jeweilige Tagesform und die -abläufe

individuelle Analyse und die langfris­tige enge

eines jeden Rehabilitanden angepasst wird.

Zusammenarbeit im interdisziplinären Team wurden Erfolge erzielt, die vorher nicht abzusehen waren, vor allem was die Bewegung und die Handlungsplanung betrifft. 9


ANGSTFREIES LERNEN MIT ALLEN SINNEN

I

10

ndividuelles Wohnen in Gemeinschaft, ein auf die spezifischen Fähigkeiten zugeschnittenes Rehabilitationsprogramm und

ein vielfältiges Freizeitangebot erwartet den

seinem „Bezugsbetreuer“, zu dem zunächst

licher und handlungsorientierter Umgang mit

Rehabilitanden bei uns. Rehabilitation ist

eine tragfähige Beziehung aufgebaut

dem Lernstoff, ein Lernen mit allen Sinnen.

Lernen – unsere interdisziplinären Teams

werden muss. Darüber hinaus ist der unmittel-

bieten den Rehabilitanden deshalb ein

bare Kontakt zum Lerngegenstand von

optimales Lernenumfeld. Es ist erwiesen,

größter Bedeutung. Der Lernende muss mit

dass Lernerfolg und Gedächtnisleistung

etwas in Berührung kommen, den Gegen-

wesentlich vom Wohlbefinden des Ler-

stand tatsächlich konkret „erfassen“, um

Um unsere Klienten zu motivieren, schaffen

nenden abhängig sind. Entscheidend sind

einen Lerneffekt verinnerlichen zu können.

wir Lernanreize durch Übungen, die unmittel-

daher eine angstfreie Atmosphäre und eine

Deshalb steht in unserem Konzept das

bar in ihrer Lebenswelt angewendet werden

positive emotionale Haltung des Lernenden

Prinzip der „tätigen Auseinandersetzung mit

können. Ein solches praxisnahes Lernen,

zum Lernstoff und zur vermittelnden Person,

der Umwelt“ im Mittelpunkt: ein ganzheit-

dessen Sinn im Alltagsgeschehen erkennbar

Lernerfolg durch Praxisnähe und Gemeinsamkeit


„Den Rehabilitanden auf seinem Weg in ein selbständiges

Heute kann ich wieder kurze

Leben zu begleiten, ist für uns eine professionelle Heraus-

Strecken laufen, ich bin in der

forderung, der wir uns mit Engagement stellen.“

Lage, selbstständig mit meiner

— Gabi Lange/Sylke Steinkamp —

Frau und meinem Sohn zu leben.

Fachabteilungsleiterin Ergotherapie / Neuro-Pädagogin und Gruppenleiterin

Das hätten nach meinem Unfall nicht viele geglaubt. Entscheidend dazu beigetragen hat die Zeit, die ich im Fürst DonnersmarckHaus für meine Entwicklung und die ganzheitliche Rehabilitation hatte. René Otto war von Juni 2002 bis Mai 2006 Rehabilitand im Fürst Donnersmarck-Haus.

ist, schafft Erfolgserlebnisse und ermutigt zu

Betroffenen anzupassen. Wichtig für den

Frau Köhler hat den Rollstuhl

weiteren Lernschritten. Bereits wiedererlangte

Lernprozess sind auch bestehende soziale

verlassen – sie kann mittlerweile

Fähigkeiten werden immer wieder bewusst

Kontakte zu Angehörigen und Freunden. Da

wieder sprechen und laufen.

gemacht, damit auch Misserfolge und

Hirngeschädigte häufig unter Beziehungsver-

Marion Köhler bewohnt ein

Rückschläge bewältigt und überwunden

lusten leiden, versuchen unsere Betreuer, die

eigenes Zimmer, geht gern zur

werden können. Um Frustrationen zu vermei-

Angehörigen so weit wie möglich in ihre

Musik- und zur Hydrotherapie. Seit einem Jahr

den und Krisen zu überwinden, bemühen wir

Arbeit einzubeziehen. Das erfordert von

besucht sie eine Werkstatt für behinderte Men-

uns stets darum, eine Balance zwischen

allen Beteiligten ein hohes Maß an Einfüh-

schen außerhalb des Hauses. Dieser für sie

Über- und Unterforderung zu finden und das

lungsvermögen, gegenseitigem Respekt und

schwierige Schritt hat sich gelohnt – er hat ihr

Lernpensum an die jeweilige Tagesform des

Verständnis.

Selbstbewusstsein gestärkt.

11


GEMEINSAM ZU NEUEN PERSPEKTIVEN

W

ir verstehen Rehabilitation von Hirngeschädigten als einen Weg, den Betroffene,

ihre Angehörigen und unser interdisziplinäres

12

Expertenteam zusammen beschreiten. So

stetige, lebendige Auseinandersetzung mit

Training, geistige Anregung und einfühlsame

kann optimal auf die individuellen Bedürf-

dem betroffenen Menschen. Am Ende dieses

Motivation erstaunlich viel bewirkt werden.

nisse eingegangen und die Effizienz der

von Empathie getragenen Lernprozesses

Dazu tragen auch die zahlreichen Freizeitan-

therapeutischen Arbeit erhöht werden. Im

steht für den Betroffenen die für ihn größt-

gebote bei, die das P.A.N. Zentrum für seine

komplexen Prozess der Neurorehabilitation

mögliche körperliche, geistige, soziale und

Rehabilitanden bereithält. Nicht zuletzt

verlieren wir die beteiligten Menschen in

berufliche Autonomie. Ein Ziel, das Sinn

hierdurch werden in vielen unserer Rehabili-

ihrer gesamten Persönlichkeit – mit ihrem

stiftet, neuen Lebensmut gibt und oft Perspek-

tanden Talente geweckt, die ihnen vor ihrer

Wollen und Fühlen – nicht aus dem Blick.

tiven eröffnet, an die der Rehabilitand früher

Hirnverletzung nicht bewusst waren und die

Das verlangt von unseren Therapeuten,

nie gedacht hätte. In unserem ganzheitlichen

sie dazu befähigen, ihr neues Leben produk-

Neuro-Pädagogen und Neuro-Psychologen

Ansatz liegt also eine große Chance und

tiv zu gestalten.

ein hohes Maß an Selbstwahrnehmung,

Hoffnung. Denn selbst für diejenigen, bei

Reflexion und Intuition, die Bereitschaft zur

denen große Hirnareale funktionsunfähig

Weiterbildung und zum Mitlernen – und eine

geworden sind, kann durch konsequentes


selbstbestimmt leben

A

uf die Frage, wie weitestgehende

form gut für ihn ist und für welche er sich

Selbstbestimmung, Teilhabe und

bereit fühlt. Dazu hat die Fürst Donners-

Autonomie für Menschen mit

marck-Stiftung unterschiedliche ambulant

Behinderung auch nach der postakuten

betreute Wohnformen etabliert, die individu-

Rehabilitation im Fürst Donnersmarck-Haus

elle Lebensstile ermöglichen. Diese bauen im

erreicht werden kann, hat die Fürst Donners-

Sinne eines Stufenmodells aufeinander auf.

marck-Stiftung bereits in den 1970er Jahren

Je nachdem, in welcher Rehabilitationsphase

innovative Antworten gefunden. Geleitet

sich der Betroffene befindet, kann eine mehr

wird sie dabei immer von dem Blick auf die

oder eine weniger betreute Wohnform der

Möglichkeiten und Fähigkeiten jedes

richtige Weg für ihn sein. Dabei ist es immer

einzelnen Menschen. Was ist sein Le-

möglich, auch von der einen in die andere

bensziel? Wozu fühlt er sich bereit? Wie

zu wechseln – denn Leben ist Veränderung.

möchte er leben? Der Rehabilitand entscheidet nach Beratung durch die Neuro-Pädagogen und Therapeuten selbst, welche Lebens13


Ambulant Betreutes Wohnen Das Ambulant Betreute Wohnen der Fürst Donnersmarck-Stiftung umfasst folgende Wohnangebote:

Wohngemeinschaften Die Wohngemeinschaften ermöglichen ein gemeinschaftliches Wohnen mit sozialpädagogischer Begleitung. Das Wohnen in einer WG ist eine gute Übung für das soziale Miteinander, es stärkt das Selbstvertrauen. Die sozialpädagogischen Begleiter unterstützen bei Alltagsfragen und regen zu Aktivitäten an.

Wohnanlage Zeltinger StraSSe In den eigenen vier Wänden zu leben, aber auch Schutz und Geborgenheit zu finden, das ist die Besonderheit der Wohnanlage in der Zeltinger Straße. Hier können Menschen mit Behinderung ihr Leben individuell gestalten, aber auch am Gemeinschaftsleben teilnehmen und nachbarschaftliche Kontakte pflegen.

Betreutes Einzelwohnen Das Betreute Einzelwohnen, das es auch im Verbund gibt, richtet sich an Menschen, die in einem hohen Maße selbstständig leben können, in einzelnen Lebensbereichen jedoch noch Begleitung und Beratung wünschen und benötigen. Pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter stehen ihnen mit ihrer Kompetenz und ihrem Engagement zur Seite.

Ambulanter Dienst Von punktueller Unterstützung im Haushalt bis zur zwölfstündigen Assistenzpflege sowie Grund- und Behandlungspflege bietet der Ambulante Dienst ein breites Leistungsspektrum für die unterschiedlichsten Bedürfnisse. 14


Selbsthilfe – Wegbegleiter und Gleichgesinnte finden

S

„Selbsthilfe heißt Unterstützung, sich Kraft zu geben und füreinander da zu sein. Wenn die Menschen zu uns in die Selbsthilfegruppe kommen, haben sie viel erreicht – sie haben ihre Selbstständigkeit

ich austauschen und gegenseitig

ren. In der Villa Donnersmarck und in der

weitgehend wiedererlangt und

unterstützen, füreinander da sein und

„blisse 14“ bietet die Fürst Donnersmarck-

können nun gemeinsam mit

neue Kraft schöpfen – Selbsthilfegrup-

Stiftung Raum für Selbsthilfegruppen. Die

anderen Betroffenen ihren

pen bieten den geschützten Rahmen, der

Unterstützung und Förderung der selbstorga-

eigenen, ganz persönlichen

Menschen mit Behinderung stärkt. Hier

nisierten und selbstbestimmten Zusammenar-

Weg gehen. Es ist von un-

können neue Fähigkeiten im Umgang mit der

beit von Menschen mit Behinderung ent-

schätzbarem Wert für Betrof-

Behinderung entwickelt werden. Gemeinsam

spricht ihrem umfassenden Verständnis von

fene, dass es Freiräume für

kann man sich aber auch für eine Verbesse-

Rehabilitation, das stets den ganzen Men-

Selbsthilfegruppen gibt.“

rung der eigenen Situation einsetzen und die

schen und ein Leben in größtmöglicher

Öffentlichkeit für seine Anliegen sensibilisie-

Autonomie im Blick hat.

Gisela Kiank 1. Vorsitzende Landesselbsthilfeverband Schlaganfallund Aphasiebetroffener und gleichartig Behinderter Berlin e.V.

15


„Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen werden aus ihrer bekannten

Zukunftsweisende Forschung fördern

Welt herausgerissen und benötigen Unterstützung – oftmals für lange Zeit. Das P.A.N. Zentrum bietet an dieser Stelle eine unersetzliche Hilfe: an erster Stelle für die Betroffenen selbst, die in einer fördernden Umgebung das Bestmögliche für sich tun können. Aber auch für die Forschung, da hier auf engstem Raum Wissenschaft und Praxis ineinander greifen und wichtige Hilfestellungen für weitere Entwick-

M

lungen liefern.“

it dem Forschungspreis für wissenschaftliche Forschungsar-

mit Schlaganfällen geholfen. Die wissen-

beiten auf dem Gebiet der

schaftlichen Ergebnisse werden so weit wie

Prof. Dr. Dr. Paul Walter Schönle, Vorsitzender der Jury des Forschungspreises

neurologischen Rehabilitation von Menschen

möglich in die diagnostische und praktische

mit erworbenen Schädigungen des Nerven-

Arbeit im P.A.N. Zentrum einbezogen, um

„Welche Fähigkeiten möchten

systems belegt die Fürst Donnersmarck-Stif-

dem Ziel der optimalen Unterstützung auf

behinderte Menschen eigentlich wirklich

tung ihr innovatives Potenzial und ihr Enga-

dem Weg zu mehr Selbstständigkeit, Selbst-

erlangen? Welchen Ergebnissen geben

gement für zukunftsweisende Lösungen in der

verwirklichung und Teilhabe am gesellschaft-

sie den Vorzug? Die meisten von uns

Rehabilitation. Der aus Anlass ihres 90-jäh-

lichen Leben für Menschen mit Behinderung

würden sagen, dass wir nach einer

rigen Bestehens erstmals ausgelobte Preis

noch näher zu kommen.

Wirbelsäulenverletzung, die uns zwingt,

knüpft an die Intention des Stifters an, der

im Rollstuhl zu sitzen, wieder laufen

die wissenschaftliche Erforschung im Bereich

lernen wollen. Aber geht es im Leben

der Rehabilitation als eines der Stiftungsziele

nur um das Laufen, oder geht es um die

festschrieb. Mit den Erkenntnissen der

Rolle, die man im Leben spielt?“

Wissenschaftler wird vor allem Unfallopfern mit Schädel-Hirn-Verletzungen und Patienten 16

Prof. Bruce Dobkin, MD



Die Rehabilitation körper- und mehrfachbehinderter Menschen sowie die Förderung der wissenschaftlichen Forschung in diesem Bereich sind Ziele der 1916 gegründeten Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin. In der Stiftung und ihren Tochtergesellschaften arbeiten 600 Mitarbeiter in den Arbeitsfeldern Rehabilitation, Bildung und Touristik.

W E G E

E B N E N

. . .

Fachliche Beratung und Information

Geschäftsführung/Verwaltung

P.A.N. Zentrum für Post- Akute Neuroreha bilitation im Fürst Donnersmarck-Haus, Berlin-Frohnau

Prof. Dr. med. Stephan Bamborschke

Dalandweg 19

Wildkanzelweg 28

Leitender Arzt des P.A.N. Zentrums,

12167 Berlin-Steglitz

13465 Berlin-Frohnau

Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Neuro-

Tel. (030) 769 700-0

Tel. (030) 40 606-0

Fax (030) 769 700-28

Fax (030) 40 606-340

post.fdst@fdst.de

info@panzentrum.de

www. fdst.de

www.panzentrum.de

Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin

logische Intensivmedizin, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin, Physikalische Therapie, Spezialgebiet Post-Akute Neurorehabilitation Tel. (030) 406 06-233 bamborschke.fdh@fdst.de


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