"DIE MIKWEH VON DONGIO"

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Ach Ma'ajan U'bor Mikwe Majim jihjeh tahor “Nur eine Quelle oder eine Grube, eine Ansammlung von Wasser, soll rein sein� (Pentateuch) 3. Moses: 11,36

Gianni Mazzucchelli

Die Mikweh von Dongio Ein Ritualbad will neu entdeckt werden

Pietra e Storia CH - 6715 Dongio Zweite Ausgabe, 2006


Restaurationsplan des Architekten Piergiorgio Terzi, Biasca

Die Mikweh von Dongio war das jüdische Ritualbad und diejenigen, welche Schnee und Eis hineinschaufelten, um “geeignetes” Wasser zu erhalten, waren Juden !

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VERZEICHNIS Mikwa, Mikweh, ma'jan, be'er, Schmelz- und Regenwasser Der “Eiskeller” von Dongio ist eine Mikweh Das runde Gebäude von Dongio Wie entstand dieses Gebäude ? Warum die “Geschichte” des Eiskellers nicht war ist Die „Dokumente“ aus dem Jahr 1874 Die Avas brachte das Wasser Die „Ghiacciaia“ ist eine uralte Mikweh Die Mikweh Vorzimmer, Umkleideraum Die Aufbewahrung von Lebensmitteln in einer Mikweh? Es wird somit folgendes klar Die älteste Bibliographie: Die Thora Schnee und Eiswasser Das siebte Kapitel des Séder Tohorots und das Schneewasser Casserio, rundes Haus Linguistisches Intermezzo Runde Bauten: Nevère, Ritualbäder, Taufbäder 400 Mikwéh, alle Ritualbäder genannt, in Deutschland Im Muggiotal: 70 runde Gebäude, alle Nevére genannt Nivère in Milano, Bologna, Catanzaro und Siracusa Deutsche, englische und spanische Mikweh Die verbotene Mikweh Der verbotene Wasserkult Die versteckten Tempel Verbotene Religion Die Mikweh von London Nevère, Nivère, Eiskeller und Ghiacciaie überall ? Normierte Beschreibung ? Paniberische und –italienische Verbreitung Schneewasser / Undeutliche Zeugnisse Schwache Zeugnisse aus dem Tessin / Erfrischende Linguistik Neveh, Oase / Von Neveh nach Nevéra Taufräume auf Mikweh gebaut Das Battistero (Taufkirche) von Riva San Vitale Pardonanza, Vergebung La Pardonanza, von Mariella Becchio Das Ritualbad von Cimalmotto Die Mikweh von Dongio wird restauriert Die rituelle Reinigung Nevéra von Moltrasio (I) Das Taufbad von Mailand Der Taufbrunnen von Archeo-San-Martino (Friaul) Die Mikweh von Worms Die Mikweh von Biasca Die Wannen von Acquarossa (TI) und Barbé (I) Runde Bauten: Saint Léon de Bayonne (F) Crot oder Schélé in Graubünden Clochan in Irland Chalet, Schélé, Crot, Clochan Bibliografie

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Mikwa, Mikweh Mikweh (Mem-Kaf-Waw-He, sprich: Mikwée), hebrähisch für Wasseransammlung. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch benutzt man "Mikwa" wie z. B. in Jesaja 22,11 u-mikwa asitem - Du machtest einen Graben, (eine Grube mit Wasser für die Verteidigung der Stadtmauer). In der rabbinischen Literatur wird das Wort »Mikwa« jedoch nur im religiösen Sinn verwendet. Ma'jan Es gibt zwei in der Tora erwähnte Typen natürlicher Gewässer.'Ein Typ ist die »lebendige Quelle« - ma 'jan (Quelle) oder be'er (Brunnen). Dies bedeutet, dass natürliches Wasser aus der Erde kommt wie eine Quelle, ein Meer, ein See oder unter gewissen Bedingungen auch ein Fluss. Der zweite Typ ist ein Becken mit Regenwasser, eine mikwa. Heutzutage benutzt man vorwiegend letzteren Typ. Die Bauvorschriften Eine Regenwassermikwe muss eine bestimmte Mindestmenge Wasser enthalten. Dieses Wasser muss auf natürliche Art und Weise gesammelt worden sein, d. h. weder mittels eines Gefässes (keli) noch von Menschenhand (tefisat jede adam) transportiert. Es muss sich um stehendes Wasser handeln, darf also nicht fliessen (sochalin). Es muß Wasser sein, keine andere Flüssigkeit. Es darf nicht einmal Wasser sein, das durch andere Flüssigkeiten verfärbt wurde. Im Altertum pflegten die Menschen entweder in einer natürlichen Quelle (ma 'jan) oder in einer mikwa mit kaltem Regenwasser unterzutauchen. Falls es eine Quelle gab, wurde diese sowohl aus religionsgesetzlichen wie aus praktischen Gründen bevorzugt. Andernfalls wurde eine mikwa benutzt. Diese bestand üblicherweise aus einer Vertiefung im Boden, die durch eine Kalkschicht wasserdicht gemacht worden war (bor sid sche'eno me'abed tipa). Natürliches Regenwasser wurde durch einen Kanal oder ein Rohr, in dem sich keinerlei Wasser ansammeln konnte und das deshalb nicht als keli (Gefäss) angesehen wurde, hineingeleitet. Da das Wasser nicht erwärmt wurde, verschlechterte sich die Wasserqualität nicht. So konnte man den Regenmangel in wasserarmen Gegenden überbrücken, da das Regenwasser lange aufbewahrt werden konnte. Die jüdischen Gemeinden konnten die mikwa nicht immer näher am Fluss bauen, weil ihnen die Errichtung von Gebäuden nur innerhalb des Ghettos erlaubt war. Ebenerdig wurde ein kleines Haus errichtet, von dem aus ein Schacht mit einer Wendeltreppe, die aus den Seiten herausgehauen wurde, in den Wasserspiegel eingelassen wurde. Eine Grube wurde ausgehoben und mit Steinen verkleidet. In dieses Becken baute man ein paar Stufen, damit man auf verschiedenen Ebenen im Wasser stehen konnte, wenn sich im Jahreslauf der Flusswasserspiegel veränderte. Schmelzwasser = Regenwasser Der Ursprung eines Flusses ist im allgemeinen eine Ansammlung von Quellen; das ergibt für ihn din ma 'jan (Quellen-Vorschrift). Dadurch ist er kascher (rituell geeignet), obwohl das Wasser fliessend ist und nicht steht. Aber nach dem Winter, wenn der Anteil geschmolzenen Schnees vom Ueberlauf des Flusses im Flusswasser hoch ist, ist die Menge an Quellwasser geringer als das Schmelzwasser, das ebenfalls als Regenwasser angesehen wird. Text aus: Georg Heuberger: MIKWE, Geschichte und Architektur jüdischer Ritualbäder in Deutschland. Eine Ausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Frankfurt am Main. 10. September - 15. November 1992. 4


“...in terra di crotti, che bisogno può esserci di una nevèra?” “...in einem Gebiet voll crotti, wer braucht schon einen Eiskeller ?“

Der Eiskeller von Dongio ist eine Mikweh ! Pietra e Storia, ein kleiner Schweizer Verein, tauft den “Eiskeller” von Dongio mit dem richtigen Namen “Mikweh”, jüdisches Ritualbad, um. Die Tatsache, dass die Volkstradition und die entsprechende Literatur “alle” runden, sechseckigen oder viereckigen Gebäude auf dem ganzen Tessiner Gebiet und sogar bis nach Sizilien “nevèra”, “Eiskeller” oder “Eisgrotte” nennt, lässt ernsthaft bezweifeln, ob die bisher geltende Bezeichnung und Zweck der Bauten ernst zu nehmen ist. Die Überlieferungen, welche deren Gebrauch als “Eiskeller” für die Konservierung von Milchprodukten und Fleisch belegen, sind zu spärlich und zu allgemein. Dazu kommt, dass die grosse Ansammlung solcher „Eiskeller“ im Gebiet des Monte Generoso (auch Calvagnon genannt) und im Muggiotal nicht übereinstimmt mit der damaligen Produktion und dem Bedarf an Milchprodukten. ---o--Die Feststellungen, dass das runde Gebäude von Dongio -

mehrere architektonische Merkmale einer Mikweh besitzt; einen Umkleidevorraum, eine Wasserquelle (genannt “avas”) und eine in den Boden eingelassene Wanne vorweisen kann; eine verputzte Innenwand besitzt, welche die Wasserundurchlässigkeit garantierte; nicht, wie behauptet, im Jahre 1874, sondern viel früher gebaut wurde in den Jahren 1919 bis 1936 als Metzgerei gedient hatte, wobei erst die Anbringung eines Beton-Zwischenbodens die Konservierung von Lebensmitteln ermöglichte, welche ansonsten im unteren Teil des runden Gebäudes verdorben wären

erlauben folgendes zu behaupten: -

dass das runde Gebäude von Dongio, “Eiskeller” und “Ghiacciaia” genannt, eine Mikweh oder ein jüdisches Ritualbad ist,

und daher begründet angeregt wird, dass die Bezeichnungen und die Inschriften, innen und aussen, korrigiert und wie folgt geändert werden sollten: Miqweh Mikweh Migweh

Bagno rituale ebraico Jüdisches Ritualbad Bain rituel juiv ---o---

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Runde Gebäude Das runde Gebäude von Dongio Es handelt sich um eine turmähnliche Konstruktion, mit einem quadratischen Vorraum. Die schöne runde Öffnung rechts vom Eingang ist das einzige “Fenster” des Gebäudes. Die Eingangstüre führt in einen viereckigen Raum, dessen Boden mit Fluss-Kieselsteinen bepflastert ist. Eine rechteckige Öffnung in der Wand, von ca. 20 x 40 Zentimeter, “Avas” genannt, erinnert daran, dass hier Wasser aus dem Berghang sprudelte. Das Wörterbuch der Dialekte der Italienischen Schweiz widmet der Bezeichnung „Avas“ mehrere Zeilen und umschreibt diese mit „unterirdischer Wasserlauf“. Durch die rechte Türöffnung betritt man den betonierten Zwischenboden des runden Gebäudes. Der Zwischenboden ist gleichzeitig die Decke des untenstehenden, 4 Meter tiefen Kellerraumes, dessen Wände teilweise verputzt sind. Durch den Gitterrost hindurch ist auf dem Boden eine wannenförmige Vertiefung auszumachen. Das runde Gebäude besitzt einen kuppelförmigen Abschluss aus Gneisfragmenten und Sandmörtel. Über dieser „falschen Kuppel“ liegt das Dach aus Gneisplatten. Die einzementierten Eisenhaken und die Metallröhren stammen aus der Zeit als der obere Raum als Metzgereilager diente (1919 – 1936). Wie entstand dieses Gebäude? Auf der Informationstafel im Vorraum ist zu lesen, dass solche einmaligen Konstruktionen in den Tessiner Tälern „giazzéra“ (Eiskeller) genannt werden, während sie im Sottoceneri (südlich des Monte Ceneri) als „nevéra“ (Schneekeller) bezeichnet werden, weil sie in den Wintermonaten mit Schnee gefüllt wurden, um die Temperatur im Inneren des Gebäudes auch im Sommer kühl zu halten. Beide Bezeichnungen lassen eine Funktion als „Kühlschrank“ für Lebensmittel erahnen. Der Originaltext: “...nelle valli del Ticino questi singolari manufatti sono chiamati ‘giazzéra’, mentre nel Sottoceneri si usa principalmente il termine ‘nevèra’ o ‘neviera’. Entrambi i termini definiscono comunque la stessa tipologia di edifici destinati alla conservazione di derrate alimentari”). Die genannte Tafel informiert auch darüber, dass “il monumento” das Denkmal, im Jahr 1874 als Eis- oder Schneekeller gebaut wurde. Das zitierte handgeschriebene Dokument aus dem Jahr 1874 erzählt, dass “...Domenico Andreazzi, Commissario di Governo, ha ceduto alla costituita società per il macello il terreno su cui è poi sorta la ghiacciaia”. “Domenico Andreazzi, Regierungskommissar, hat an die soeben gegründete Metzgereigesellschaft ein Stück Land für die Errichtung einer “Ghiacciaia” oder eines Eiskellers abgetreten”. Die gesamte Architektur des runden Gebäudes würde aber auch einen Laien eindeutig zum Schluss kommen lassen, dass es älter als von 1874 sein muss. Warum die “Geschichte” des Eiskellers nicht war ist Die heutige Überlieferung welche glauben machen will, dass dieses Gebäude für den Metzger von Dongio gebaut wurde um Speckseiten, Salami und sonstige Fleischprodukte darin aufzubewahren, muss revidiert werden. Die Anbringung eines Zwischenbodens und die Aufhängevorrichtungen im oberen Raum des Gebäudes lassen eindeutig vermuten, dass der Metzger in den Jahren 1919 bis 1936 nur den 6


oberen Teil des runden Gebäudes benutzt hat. Der untere Teil hätte ohne Belüftung die Lebensmittel durch die hohe Luftfeuchtigkeit verderben lassen. Keller oder Crotti besitzen „immer“ Öffnungen für die Luftzirkulation. Die erwähnten Dokumente, welche das Baujahr 1874 bestätigen sollten, wurden falsch interpretiert. Der Text lautet: “…ceduto terreno al piede del T…o per costruire una ghiacciaia per la costituita società pel macello” , d.h.: “Land abgetreten für den Bau einer “Ghiacciaia” am Fusse des Berges genannt Tarco an die konstituierte Metzgereigesellschaft” (siehe Bild unten). Der Flurname “Tarco” oder “Alp Tarch” wurde bis ins Jahr 2005 fälschlicherweise “Muro”, “Mauro“ und „Tauro” gelesen, alles nicht existierende Flurnamen. Richtig wäre aber, dass „al piede del Tarco“ „am Fusse des Tarchs“ heissen sollte. Tarch oder Tarco ist eine Flurbezeichnung, welche sich auf der entgegengesetzten Seite des Bleniotales im Gebiet von Corzoneso befindet und nicht auf der Talseite von Dongio.

“Ceduto terreno per fare la ghiacciaia a piede del Tarco alla costituita società pel macello”. Mariella Becchio las endlich im Jahr 2005 “Tarco” (siehe Vergrösserung). Die Avas brachte das Wasser Rechts neben der Erklärungstafel in der bergseitigen Wand, ist eine viereckige, mit Steinquadern eingerahmte Öffnung zu sehen, welche von den Einheimischen “Avas” genannt wird. Nach der Beschreibung strömte aus dieser Öffnung “kalte Luft” in das Lokal und kühlte dieses. In Wirklichkeit handelt es sich hier um den Austritt einer unterirdischen Wasserleitung. Avas führt zu „asu“, „wasu“, „agu“ und “aua”, acqua sgorgante nach Semerano Giovanni [2002]) und aus dem Vocabolario dei dialetti della Svizzera Italiana. Die “Avas” brachte das “geeignete” Wasser für das Ritualbad. Die “ghiacciaia” von Dongio ist eine uralte Mikweh Alle Merkmale des runden Gebäudes von Dongio, ausser der Betonzwischenboden, weisen auf eine echte Mikweh hin. Battisteri und Nevère Aus diesem Text wird ersichtlich, dass die Gebäude, welche die gleiche Architektur wie die der Mikweh von Dongio aufweisen, „Battisteri“ oder Taufkirchen genannt wurden. Kleinere Gebäude, die eine einfachere Bauart aufweisen, wurden meistens Eiskeller, Eisgrotten oder einfach als Kühlräume (Nevère, ghiacciaie) bezeichnet. Es fehlt leider, sowohl in Italien wie im Kanton Tessin, eine genaue Typisierung und Katalogisierung.

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Die Mikweh Jede jüdische Gemeinschaft besass ein Ritualbad, Mikweh genannt. Die Wichtigkeit dieser Einrichtung wird in einem Text des Rabbis Aryeh Kaplan [2002] klar dargelegt: “...eine jüdische Gemeinschaft ohne Mikweh kann sich nicht als solche behaupten. Die Mikweh ist die erste religiöse Einrichtung, welche im Notfall sogar vor der Synagoge gebaut werden muss. Es ist sogar erlaubt, eine Synagoge zu verkaufen, um eine Mikweh zu bauen”. Die jüdischen Ritualbäder, Mikweh genannt, weisen meistens runde, sechseckige oder quadratische Grundrisse vor. Die Bedachung stellte eine sogenannte “falsche Kuppel” dar. Mikwehs standen meist ausserhalb der bewohnten Zone. Man betrat das Gebäude durch ein Vorzimmer, wo die Gläubigen sich Hände und Füsse reinigten. Eine Treppe führte die Besucher hinunter bis zum Wasserspiegel. Das Gebäude war zu zwei Dritteln in den Boden gebaut. Die wichtigste Mikweh der jüdischen Geschichte ist heute noch in den Ruinen von Masada (hebr. Mezada = Festung), 450 Meter über dem Toten Meer. Dan Cohn Sherbock [Ebraismo] schreibt: “Nach dem Fall von Jerusalem, wurde Masada von den Zeloten besetzt, welche Widerstand gegen die Römer leisteten. Im Jahr 73 n.Chr. begingen die tausend Verteidiger von Masada kollektiven Selbstmord, um nicht in römische Gefangenschaft zu fallen. Die Ausgrabungsarbeiten von 1963 unter der Leitung von Yigael Yadin brachten wichtige archäologische Erkenntnisse zu Tage, unter anderem auch eine Mikweh“. Die jüdischen Gesetze regeln die Eignung eines Ritualbades sehr genau. Die Masse des Ritualbades müssen das Eintauchen des ganzen menschlichen Körpers ermöglichen. Die minimale Wassermenge muss 40 se’ha (750 Liter) betragen und das Wasser muss “rein” oder “lebendig” sein, d.h. Quell- oder Regenwasser. Schmelzwasser aus Schnee oder Eis ist ebenfalls erlaubt. Zudem muss das Wasser „unbehandelt“ sein und darf nicht in einem anderen Gefäss gesammelt und aufbewahrt worden sein. Quellwasser ist das geeignetste Wasser “mayim hayyim” (hebr. majm = Wasser). Das Vorhandensein von Sickerwasser “mayim she’uvim” (engl. drawn water = Wasser, das eine Entscheidung braucht), wird „gereinigt“ oder „geeignet“ gemacht durch Zusetzung von reinem, „kasherem“ Wasser, wie beispielsweise Regenwasser, das vom Dach aus direkt ins Bad geführt wird. Zu diesem Zweck wurden die Dächer der Mikwehs besonders sorgfältig gebaut. Nach der Beschreibung von Angela Scandagliato und Nuccio Mulè [2002], Seite 114, erfahren wir, dass “...die Mikweh, oder Wasseransammlung, muss in den Boden gebaut sein und integrierter Teil dessen sein. Die Wassersammlung darf nicht in einem beweglichen Behälter sich befinden und seine Wasserversorgung muss eine Wasserquelle oder Regenwasser sein, das nicht durch Leitungen aus Holz oder Metall geleitet wird. Erlaubt ist die Zuleitung wenn sie Bestandteil des umliegenden Bodens ist”. Das Vorzimmer, Umkleide- und Waschraum Die Beschreibung der typischen jüdischen sakralen Architektur von Maria Luisa Moscati Benigni [Internettext], weist darauf hin, dass in den Synagogen der Region Marche (Italien) “... ist immer ein Brünnlein zu finden für die obligatorische Handwaschung vor der Berührung von heiligen Schriften. Ein Sodbrunnen im Kellerraum der Synagoge liefert das Wasser für die Mikweh”. 8


In Dongio wird das Vorzimmer der Mikweh als “dispensa”, Vorratsraum, bezeichnet, da die Überzeugung, dass das ganze Gebäude als Metzgereibetrieb gebraucht wurde, leider immer noch vorherrscht. Die Aufbewahrung von Lebensmitteln in einer Mikweh ? Obwohl Volksglaube und die magere Literatur auf die Verwendung der “Nevére”, “Ghiacciaie” als Eiskeller oder Eisgrotten bestehen, sprechen etliche Argumente dagegen. Warum wurden runde Gebäude für die Konservierung von Milch und Milchprodukten gebaut, in einem Gebiet, das ausschliesslich quadratische Häuser und Stallungen kennt? Dazu verwechselt man, dass Käse aus frischer Milch gewonnen wurde und wird, wobei „frisch“ nicht unbedingt „gekühlt“ sondern „frisch gemolken“ heisst. Die 70 “Nevére” des Muggiotales würden aber auf eine gewaltige Produktion von Milchprodukten in der Region hindeuten, obwohl historisch nichts davon bekannt ist. Es ist aber bekannt, dass Käse und Fleischprodukte bei zu hoher Luftfeuchtigkeit rasch verderben. Die Tiefe der Nevére und das Nichtvorhandensein von Lüftungssystemen lässt eine hohe Luftfeuchtigkeit entstehen. Die tatsächlich für die Aufbewahrung von Lebensmitteln gebauten “Crotti” weisen alle eine Luftzirkulation auf, welche die Luftfeuchtigkeit effizient regelt. Eigene Messungen in Innern mehrerer Keller, welche keinerlei Lüftungssysteme besassen, ergaben eine konstante Temperatur von 6 bis 12 Grad, während die Luftfeuchtigkeit im Sommer mit 95% bis 100% ebenfalls konstant blieb. Der Unterschied zwischen Aussen- (28 °C) und Innentemperatur (10 °C) ergab die hohe Luftfeuchtigkeit, welche sich bereits bei einem Temperaturunterschied von ca. 10 °C ergibt (Taupunkt, Betauung). Keine der vielen “Nevére/Mikweh” von Dongio, Malvaglia, Mailand und London verfügen über Lüftungsmöglichkeiten. Es wird somit folgendes klar: 1.

Die jüdische Bevölkerung füllte seinerzeit die Mikwehs mit Schnee, um “geeignetes Wasser” zu erhalten, da im Winter die Quellen zugefroren waren

2.

Während und lange nach den Verfolgungszeiten der Juden (vom XIII. bis zum XVIII. Jahrhundert) der Gebrauch eines Ritualbades/Mikwehs mit harten Strafen verbunden war, wenn nicht sogar mit der Todesstrafe

3.

Die Tatsache, dass in den Wintermonaten die runden Gebäude mit Schnee gefüllt wurden, brachte später die Leute auf den Gedanken, sie als “Nevére” oder Schneekeller zu benützen. Eine Tätigkeit, welche nur schwach bezeugt wird

4.

Die Mikweh von Dongio besitzt alle Elemente, welche auf ein jüdisches Ritualbad schliessen lassen.

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Lesen Sie die ältesten Schriften der Welt, die Thora:

tahor pura

........

mayim acqua

miqweh raccolta

o bor majan pozzo o sorgente cisterna

Oben (von Rechts nach Links) der Originaltext aus dem Pentateuch, den fünf Büchern Moses, oder dem Alten Testament. Unten: Aus den heiligen biblischen Schriften der christlichen Religionen.

“Doch eine Quelle oder eine Grube, in der sich Wasser angesammelt hat, bleibt rein...” (Pentateuch) 3. Moses: 11,36 „Quellen jedoch und Zisternen, in denen sich Wasser sammelt, bleiben rein…“ (Zwingli-Bibel) 3. Buch Moses, Leviticus: 11,36 „Però, una sorgente o un pozzo, essendo riserve d’acqua, saranno pure...“ (Bibbia, ed. Paoline) Levitico: 11,36 Con todo, la fuente y la cisterna donde se recogen aguas serán limpias; Levìtico 11,36

Schnee- und Eiswasser Das Buch Séder Tohorot [siehe Bibliographie: MISCHNAJOT] (Séder, Buch – Tohorot, Reinheit) enthält 10 Kapitel über die Miqwaot (Mehrzahl für Ritualbäder) und über die Verwendung von “geeignetem” Wasser für die Reinigung. Übersetzung aus dem Séder Tohorot der italienischen jüdischen Gemeinschaft: Das erste Kapitel definiert die Ritualbäder; das erlaubte Minimum besteht aus einer Bodenvertiefung, deren Inhalt muss mindestens 40 se'ah (750 Liter) Wasser sein. Das beste Wasser ist das mayim chayim = "Quellwasser". Es gibt aber unterschiedliche Varianten. 10


Das zweite Kapitel behandelt die “Zweifelhafte Unreinheit” (oder den Fall, in dem man bezweifelt ob das Eintauchen fehlerhaft stattgefunden hat oder in einer “ungeeigneten” Wasseransammlung), dazu wird das Problem des „Geschöpften Wassers“ (mayim she'uvim) behandelt. Das mit fremden Mitteln geschöpfte Wasser ist nur dann brauchbar, wenn es dem Ritualbadwasser von 40 se’ah hinzugefügt wird. Das Ritualbadwasser kann Quell- oder Regenwasser sein. Die Kapitel drei und vier beschreiben weiterhin das “geschöpfte Wasser” und wie man eine Mikweh wieder “tauglich” macht, welches mit ausgeschöpftem Wasser kontaminiert wurde. Dazu wird die Verwendung von Regenwasser propagiert, welches direkt in das Bad fliessen muss und nicht in einem Gefäss gesammelt wird, da es sich dann wiederum um “geschöpftes Wasser” handeln würde. Das fünfte Kapitel beschreibt die Möglichkeit, Wasserläufe, Flüsse, Quellen und sogar das Meer, als Ritualbäder zu benützen. Das sechste Kapitel zeigt die Möglichkeit, eine Ritualbadestätte mit einer Wasserader zu verbinden oder wie das Wasser eines Ritualbades mit dem eines anderen Bades zu “verbinden” ist, sowie weitere nützliche Hinweise für die Erbauer von Ritualbädern. Das siebte Kapitel definiert die minimale Wassermenge von 40 se'ah (40 x 13 Liter) und ob Schnee- oder Eisschmelzwasser „geeignet“ sind. usw. Runde Gebäude: Mikweh? Casserio In Cassério, einer Fraktion (Dorfteil) von Corzòneso, gibt es eine “Casa rotonda”, ein rundes Haus mit einem Aussendurchmesser von 8,5 Metern, welches drei Stockwerke hoch ist. Seit dem 10. Mai 2003 dient dieses Gebäude als Gemeindearchiv von Corzoneso. Ein Legat aus dem Jahr 1818 von Giuseppe Donetti, Prelat des S. Ambrogio-Münsters von Mailand, legte fest, dass das Gebäude als Schulraum für die Kinder von Corzoneso zu verwenden sei. Die offizielle Datierung der Erstellung des Gebäudes im Jahr 1700 ist nicht glaubwürdig oder mindestens nicht belegt. Wer die Masse des Gebäudes betrachtet, dürfte sich ausserordentlich freuen, nicht die Aufgabe zu haben, diese Räumlichkeiten mit Schnee zu füllen! Die runde Form und die mehrstöckige Konstruktion ähnelt stark den provenzalischen Synagogen. Casserio, Hasser, Chasser, Judenviertel ? Hatzer > hasser > casser > Casserio. “Hatzer " hebräisches Wort für einen geschlossenen Raum, Judenviertel, Serrail. Hasser wird, auf hebräisch, ohne “h” ausgesprochen und landet somit unter den Wörtern, welche ein “ch” anstatt “h” erhalten. Beispiele Haus wird Chaus und Hose wird Chose. Die umgekehrte Umwandlung “c” wird “h” in der toskanischen Aussprache, Casser wird Hasser. Hasser ist Vorläufer von “g(h)etto”, eine Bezeichnung, welche vor allem während der und durch die Nazizeit traurige Berühmtheit erlangte. Die Etymologie verbindet das Wort „Getto“ mit der Tätigkeit der Eisenschmelzerei ("getus" aus dem lateinischen "iactus" bedeutet auch „Guss“), die in den “Getti” von Venedig reichlich vertreten war.

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Aus dem italienischen „getto“ haben die in Venedig tätigen askenazitischen (Juden aus Deutschland) Eisengiesser „Getto“ daraus gemacht. Aus einem englischen Wörterbuch: Ghetto by the term "hasser", derived from the Hebrew “hatzer”, "courtyard," (ted. Hofraum, ital. cortile) which suggests an intimate and a familiar space. Anna Foa [1999] beschreibt wie bereits im XVI Jahrhundert David Reubeni [XVI Jahrh.], in seiner Beschreibung von einem Aufenthalt in Venedig im Jahr 1523, musste den jüdischen Lesern die Bedeutung von Ghetto erklären, da sie nur die Bezeichnung "hasser" kannten. Eine weitere etymologische Richtung zeigt dass der jüdische Begriff "ghet", Scheidung und Verzeichnis der Güter oder einfach Trennung bedeutet. Also kann Getto der Inbegriff von „Absonderung“ oder „Ausgrenzung“ sein. Das Wörterbuch UTET [1990] beschreibt das Toponim Cassaro, Kleindorf bei Vizzini (Italien) als Weiterbildung vom arabischen “gasr”, Schloss, Festung, was das Toponim Alcasar erklärt. Giovan Battista Pellegrini [1972] beschreibt “qasr” ebenfalls als arabischen Begriff für „Schloss“ und „Festung“, wobei Cassero die „Umzäunung“ oder das von Juden bewohnte Gebiet bezeichnet. Runde Bauten: Nevére, Ritualbäder, Mikweh, Taufräume In Morimondo (Italien), hinter dem uralten Cisterzensier-Kloster Morimondo aus dem Jahre 1134 gibt es eine “torretta”, ein Türmchen, genannt “nevèra”, Schneekeller. Das Gebäude misst mehr als 10 Meter im Durchmesser und ist zu zwei Dritteln unterirdisch gebaut, so wie die “nevère” bei Moltrasio (Italien). Viele italienische „Battisteri“ (Taufhäuser), zeigen gleiche architektonische Merkmale, welche identisch mit den sogenannten Eis- oder Schneekellern sind. Die alte christliche Taufe geschah bis ins X Jahrhundert durch Eintauchen des ganzen Körpers des Täuflings. Frauen und Männer benutzten getrennte Gebäude. Ein Dokument aus Olivone (Bleniotal) vom 13. Oktober 1231 erwähnt die zwei Wannen in der Kirche von S. Martino, welche für die getrennte Benutzung von Männern und Frauen bestimmt waren. 400 Mikwéh oder Ritualbäder in Deutschland In Deutschland existieren 400 ähnliche Gebäude wie diejenigen von Dongio, Malvaglia, Olivone, usw., welche Mikweh genannt werden. Diese Tatsache lässt vermuten, dass die Schlussfolgerungen, welche im ganzen lateinischen Gebiet dazu führen, diesen Gebäuden die Bezeichnung “Nevéra” oder “Eiskeller” zu geben, revidiert werden müssen. Das älteste entsprechende Gebäude auf deutschem Gebiet befindet sich in Worms (D) und datiert aus dem Jahre 1185.

Eine überdimensionierte Nevéra In der Nähe des Klosters von Morimondo, in Italien, aus dem Jahr 1134, gibt es ein turmähnliches Gebäude, genannt “nevèra”. Zwei Drittel des Baues sind unterirdisch, so dass der Grundwasserpegel erreicht wurde.

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Im Muggiotal (Valle di Muggio): 70 runde Gebäude In Italien, in Spanien und im Kanton Tessin (70 Mal im Muggiotal) wird ausschliesslich die Bezeichnung “Nevéra” verwendet. Für die Touristen sind sie sogar „Schneegrotten” geworden, was eine unnötige und massive linguistische Entgleisung darstellt. Die mundartliche Bezeichnung „Crot“ (Tessin und ital. Graubünden) bedeutet Höhle (Ital. Grotta), während eine sogenannte „Nevéra“ eine natürliche Bodenvertiefung ist, die Schnee bis in die Sommerzeit enthalten kann. Nivère in Mailand, Bologna, Catanzaro und Siracusa Es gibt nevère und nivère bei der Villa Mazzanti in Bologna und im Hof der Università Statale di Milano, in Via Festa del Perdono, sowie in Grosseto. Bei Catanzaro (Sizilien) gibt es einen Weiler genannt Nivera. In Siracusa, im Judenviertel (genannt Giudecca) wurde in den letzten Jahren eine “Nevèra-Miqweh” ausgegraben. Heute bekannt als Mikweh della Giudecca (Judenwohngegend) di Siracusa. Deutsche, englische und spanische Miqwehs Angela Scandagliato und Nuccio Mulè [2002]: “Man kennt weitere jüdische Ritualbäder in verschiedenen europäischen Ländern. Die bekanntesten, wie die von Worms, Speyer und Köln sind aus dem XII. Jahrhundert, allesamt unterirdisch gebaut und mit Wasserquellen verbunden. In Worms erreicht man das Bad indem man 19 Tritte hinuntersteigt, weitere 19 Tritte führen zum Wasserspiegel des Bades. [...] Im Inventar der aus Heidelberg ausgestossenen Juden im Jahr 1391 wird eine Lokalität in der Nähe der Synagoge genannt, die eine gewölbte Bedachung vorweist und als Bad von den Juden benützt wurde.. [...] In Bristol (England) gibt es eine Mikweh aus dem Jahr 1142 [...] in Canterbury aus 1290. [...] Die Mikweh von Besalù, nicht weit von Gerona in Katalonien, wurde 1964 entdeckt und datiert aus dem XI Jahrhundert”. Die verbotene Mikweh Die Verfolgung der Juden in allen Ländern Europas und insbesondere in Spanien zwischen 1391 und 1492, zwang die Juden das Ritualbad, genannt Mikweh, zu „vergessen“ Die spanische Sprache assoziierte die natürliche Schneeansammlung „nevéra“ mit der Tatsache, dass die tiefen natürlichen Bergschluchten auch im Sommer kühl blieben und übertrug den Name bis auf den heutigen Kühlschrank. Wenn Sie eine Ferienwohnung in Spanien mieten, werden sie allenfalls darüber informiert, dass die Wohnung über eine „Nevéra“, einen Kühlschrank, verfüge. Der verbotene Wasserkult “Laudato sii, mi signore, per sora aqua la quale è molto utile et humele et preziosa et casta”. Francesco d’Assisi [1226] lobte damit die Reinheit (casta) und den Wert (preziosa) des Wassers, das nicht verunreinigt werden darf, da es sich um ein lebenserhaltendes Element handle. Auf Seite 16 des Buches von Cristian Caminada [1986] ist zu lesen: “Sch’in fa pésa ell’aua, bragia Nossadunna”, ins Wasser urinieren lässt Nossadunna weinen. Nossadunna, eine antike Wassergottheit, wurde in “Nostra Signora” oder “Liebfrau” christianisiert. Christian Caminada [1986] erwähnt in seinem Buch (Seite 24) einen “Brunnen von Nossadunna” unter dem Altar einer MariaKappelle in Ruschein (Graubünden). Die versteckten Tempel Papst Gregor der Grosse “erfand” die Kunst, christliche Kirchen über bereits existierende heidnische Tempel zu bauen. Die Strategie folgte dem Prinzip nach dem “...es vorteilhafter ist, wenn man heidnische Bauten in christliche Kirchen umbaut, anstatt sie zu zerstören”. Christian Caminada [1986] Seite 44. 13


Verbotene Religion Salvador de Madariaga [1886-1978] versucht in seinen Werken die Schwierigkeiten der “conversos”, d.h. der Juden, welche sich haben taufen lassen (müssen!) um ihr Leben zu retten: “...es handelte sich aber um eine simulierte Bekehrung; in ihrem Herzen blieben sie ihrer ursprünglichen Religion treu.[…] ...sie versammelten sich regelmässig in den unterirdischen Synagogen oder erfüllten ihre religiösen Pflichten versteckt in ihren Häusern”. Angela Scandagliato und Nuccio Mulè [2002] erinnern uns, dass “...als die spanische Inquisition, die systematische Verfolgung der “conversos” tobte (nach 1492), wurde das rituelle Baden als Straftat bezeichnet”. Die Mikweh von London Zum Glück wurde die Mikweh aus dem XIII. Jahrhundert nach der Ausgrabung im Jahr 2001 sofort als jüdisches Ritualbad aus dem XIII. Jahrhundert erkannt und nicht als “Nevéra”, auch wenn sie in der Milk Street, Milchstrasse, entdeckt wurde. The Times [2001].

„Kraiv du den Rucken, ich die Füs! Mein Goim ist das Bad nicht süs“. Kratze du den Rücken, ich die Füsse, dieser Goim (Goim: Nichtjude) findet das Bad nicht süss. Allegorie aus dem XVI. Jahrhundert, dem Buch von Angela Scandagliato und Nuccio Mulè [2002] und aus der Jewish Encyclopedia entnommen. Die Juden sind mit dem kreisförmigen Zeichen als solche gekennzeichnet.

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Nevère, Nivère und Eiskeller überall ? Nevèra: zu generische Definition, Stereotyp Die allgemeine Beschreibung einer Nevéra oder eines Schneekellers lautet: Nevéra: Gebäude als Eiskeller gebaut, gekühlt mit Eis, Schnee, usw., aus dickem kreisförmigen Mauerwerk, mit einer Kuppel versehen und mit einem einzigen Eingang, der in einen Saal führte, der im Winter mit Schnee und Eis gefüllt wurde. Giovanni Bianconi [1982] schreibt: “..die Nevéra ist eine zylindrische Konstruktion aus Steinen und ohne Dachgebälk, als eine “falsche Kuppel” geformt. Die “Ziegel” aus Steinplatten sind konzentrisch angeordnet und durch eine Steinplatte zuoberst abgeschlossen”. Normierte Beschreibungen ? Die Beschreibung der sizilianischen und der tessiner Eiskeller oder Nevére ist verdächtigerweise zu identisch. Diese auffällige Gleichheit lässt eine geschichtliche und architektonische Unkenntnis der Materie befürchten. Paniberische und –italienische Verbreitung Es ist erstaunlich, dass das Auffüllen der “Nevére” mit Schnee und Eis, auch in Gegenden praktiziert worden sein soll, wo Schnee und Eis nur selten vorkommen oder nur sehr aufwändig zu beschaffen gewesen wären. Am einen Ort ist die Rede von “Schneeverkauf”, am anderen von “Speiseeisproduktion” oder ganz allgemein für die Konservierung von Lebensmitteln während der Sommerzeit. Schneewasser Die jüdischen Regeln und Gesetze erlauben dem Ritualbad Regen- oder Schneewasser zuzufügen. Nachdem das Ritualbad in Vergessenheit geriet, erinnerte man sich, dass in diese Gebäude Schnee und Eis gebracht wurden und man beschloss, die Mikwehs als Kühlräume zu benützen. Eiskeller, Schneekeller ? Undeutliche Zeugnisse Am westlichen Ufer des Langensees (Lago Maggiore) finden wir in Oggebbio “giazzére” und “nevére”, die angeblich mit Schnee gefüllt wurden. In Oggiogno, oberhalb von Cannero (ebenfalls am Lago Maggiore) gab es eine Nevéra, so wie die zwei runden Gebäude von Premeno an der Strasse zum Pian Cavallo. In Trarego, hoch über Cannero, hatte es in der Gegend zwei „Pianasc“ genannte Gebäude, in welchen der hiesige Metzger das wenige Fleisch kühl aufbewahrte. Der Zeuge selber bezweifelt, dass besagter Metzger so viel Fleisch besass, um beide Eiskeller zu füllen. Er besagte zudem, dass die Bezeichnung ‚Nevéra’ hier unüblich sei, da man den Schnee (ital. Neve) in der Gegend „fioca“ nennen würde. Alle Zeugen erzählen aber, dass sie “gehört haben” dass ihr Grossvater „gehört habe…“, usw., usf. Schwache Zeugnisse aus Spanien Die spanischen Autoren Calvo Barco und Angel Maria [1982] untersuchten die Überlieferung betreffend Befüllung der auf spanischem Territorium erwähnten nevère und nevéros (nevéros: Schneeträger) sehr genau. Die erwähnten Autoren beklagen die nicht glaubwürdigen Beiträge der Zeugen: “...Es war sehr schwierig, Leute anzutreffen, die wirklich mit der Befüllung der Nevère zu tun hatten. Die Informationen 15


sind immer aus zweiter Hand. Die Befragten antworteten, dass “...als wir Kinder waren haben wir vom Grossvater gehört, dass jemand in der Nevèra arbeitete...” (Artículo publicado en Zainak, Cuaderno de Antropología y Etnografía, 14, pp. 203-213. Eusko Ikaskuntza, 1982). Auch die Funktion der „Nevèras“ genannten Gebäude wurde von den

Befragten unzufriedenstellend beantwortet. Natürliche Schneegrotten (span. „pozo del yelo“) sind in den Bergregionen der iberischen Halbinsel oft zu finden. Natürliche Felsklüfte können die angesammelten Schneemassen bis in die Sommermonate halten. Diese natürliche Erscheinung nennt man „Nevèra“, Schneesammlung. Schwache Zeugnisse aus dem Tessin Auch die Zeugenaussagen aus dem Bleniotal und aus dem Kanton Tessin allgemein, beziehen sich auf das “sentito dire”, auf „das Hörensagen“ und auf das bereits geschriebene und kopierte. Die allgemein kleinen Öffnungen der Nevére, lassen bezweifeln, dass sie diesem Zweck hätten dienen sollen. Eher kann man annehmen, dass sie für eine „kleinere“ Schneemenge gedacht wurden, um eben „das Wasser durch Schnee zu ergänzen“. Nevèra in Malvaglia Die runde Konstruktion mit “falscher Dachkuppel” und früher zu zwei Dritteln unterirdisch gemauert, wurde in den letzten Jahren mit Steinblöcken und Bauschutt ausgefüllt und als "magazzino comunale", Werkhof benützt. Das angrenzende Lokal, ähnlich wie das von Dongio, wurde abgerissen. Erfrischende Linguistik Es ist interessant, Wörter aneinader zu reihen, welche mit den Begriffen frisch, kalt, Schnee und Wasser zu tun haben: Ackadisch: Namb(v)a’u Wasserquelle [Semerano, 2002] Hebräisch: Neb(v)eh Quelle, Brunnen, Sprudeln [Semerano, 2002] Hebr. mod.: Neveh Oase, Quellen-, Brunnenort Neveh Shalom (FriedensOase), Dorf westlich von Jerusalem. Neveh Zohar, Thermalbad in der Region des Totenmeeres. Neveh Briut Gesundheitsoase. Biblisches hebräisch aus dem Alten Testament (Thora): Miqweh Wasser sammeln Mikwa mik-wa (sprich Me-kvä), Mehrzahl mik-voth oder mik-vos = Ritualbad. Miqweh Hebr. miqwa oder Miqweh, Wassersammler, Tauchbad, aus “qava” Sammler (to collect) und “majm” Wasser. American Heritage, [2000]: Also qww. West Semitic, to collect. mikvah, from

Hebrew miqwâ, reservoir, or Miqweh, collection (especially of water), immersion pool, both from qawâ, to collect, perhaps akin to Aramaic (Syriac) qba, to collect (of liquids), Ethiopic qabawa, to be distended (of the stomach).

Majm Wasser Migdal Turm Ve’er Brunnen Makewet Grube, Eindohlung Navav/Nevov entleeren / entleert, aushölen, Höhle. Gevèh Wasserpfütze, Ghev Zisterne

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Nieró, Nest und Grube Die katalanische und castilianische Sprache vermischen interessanterweise die Begriffe Schnee, Eiskeller, Nevèra, Grube und Nest: nieró Behälter indem das Huhn seine Eier legt. Katalanisch: “La gallina pon els ous dins el nieró i llavors la madona els posa dins la gelera ». Kastilianisch: « La gallina pone los huevos en el nidal y luego el ama los pone en la nevera ». J.A. Grimalt [2001]. “Das Huhn legt das Ei in das Nest, anschliessend versorgt es die Hausfrau im Kühlschrank”. In den zwei Sätzen sind folgende Ausdrücke näher zu betrachten: - nieró Nest, Mulde - geléra Eisschrank - nidàl Nest - nevèra Schneeschrank, Kühlschrank. Nevéh, Oase Hebräisch Neveh (Nun-Veth-He) bedeutet “Oase”, Bezeichnung welche direkt mit “Frische” und “Wasser” verbunden ist. Von Neveh nach Nevèra Kann es sein, dass die über 150'000 im Jahre 1492 aus Spanien ausgestossenen Juden die Bezeichnung “Neveh”, Oase, Ort der Frische, in den Rest Europas exportierten? Auch die Mikweh, mit ihrem Quellwasserbad verbindet sich mit den obenerwähnten Begriffen sehr gut. Also Mikweh, Ort der Frische. Mikweh > Nevéra. Abschluss und Bitte Pietra e Storia, die kleine Vereinigung aus Dongio bittet, dass das runde Gebäude von Dongio, genannt Nevéra, Eiskeller, Glacière in: - Miqweh, bagno rituale ebraico - Miqweh, bain rituel juiv - Mikweh, jüdisches Ritualbad umbenannt und neubezeichnet wird. Falls Historiker und Archäologen die echte Datierung der Konstruktion ausfindig machen würden, wären wir überglücklich.

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Die “Battisteri” oder Taufräume wurden auf Mikwehs gebaut Das Wort “battistero” ist die Transliteration aus dem griechischen "baptisma", “eintauchen” und ergab “taufen”. Bis zum XI. Jahrhundert wurde die Taufe durch „Eintauchen“ des ganzen Körpers durchgeführt. Die für die Taufe vorgesehenen Gebäude wurden kreisförmig, aber auch sechseckig oder quadratisch gebaut. Zentraler Punkt dieser Gebäude ist die Wanne für den Tauchvorgang (genannt „Taufe“). Sinn der christliche Taufe und des jüdischen Ritualbades ist die “Reinigung”. Auch für die Taufe wurde das Quellwasser als unbedingt „geeignet“ bezeichnet. Zwei Mikwehs in Airolo Die Restaurationsarbeiten an der Kirche des Heiligen Nazzaro und Celso von Airolo, im Jahr 1995 durchgeführt, zeigen zwei runde Gebäudefundamente, welche die von Hans Rudolf Sennhauser im Vorwort des Buches von Frau Rossana Cardani [1995] gestellte Frage beantworten: “Der Grund warum in Genf sich zwei aneinandergebaute Bäder in zwei unterschiedlichen Lokalen befanden, bleibt unklar...”

Die Kirche wurde möglicherweise auf einer älteren Synagoge gebaut, die zwei separate Ritualbäder (für Männer und Frauen), besass. Diese Aufnahme verdanken wir dem Ufficio dei Beni Culturali von Bellinzona.

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Aufnahme aus dem Buch von Frau Rossana Cardani [1995], Seite 53, Fig. 15. Die steinerne Wanne aus dem Mittelalter ruht auf den Resten einer 채lteren achteckigen Wanne, welche sich ganz unter dem Boden befindet. Der T채ufling oder der Badende erreichte das Wasser durch zwei Tritte, wie die untere Zeichnung von SteinmannBrodbeck (1941) zeigt. Rechts Oben: Der verschwundene Davidsstern aus dem Bodenmosaik des gleichen Battistero.

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“Pardonanza”: “Vergebung” Die päpstliche “perdonanza” Die Sündenvergebung, genannt “Perdonanza”, wurde von Papst Celestinus V im Jahr 1294 institutionalisiert. Weitere Päpste und zuletzt Papst Paul VI (1967) bestätigen, dass alle Sünden vergeben werden, sobald bestimmte, vom Vatikan definierte Gebete und Kirchenbesuche ausgesprochen, bzw. stattgefunden haben. Ein Beispiel: Dem Besucher der Nachmittagsanlässe (Vesperi) in der Kirche der Heiligen Maria in Collemaggio am Vortag des Martyrium des Heiligen Johannes der Täufer, usw. wurden sämtliche Sünden vergeben. So definiert mittels „Bolla“ (kirchliches Dekret) im Jahr 1294. Die Volks-Pardonanza “Perdonanza” oder “pardonanza” kann verschieden interpretiert werden: 1. Vergebung; 2. Reinigung, welche die “Sünde der Geburt” wegwischt; 3. Geschenk, Mitbringsel aus einem Dorffest oder Chilbi für die Daheimgebliebenen; 4. Dorffest, Chilbi, Verkaufsfest zugunsten der Kirche. “Perdunanza, pardonanza oder pardunanza (Malvaglia), pardonènze (Gerra Gamb.), perdonansa (Sonvico), perdonanze (Fescoggia), pordonanza (Rossa). In Rovio “tö la perdonanza” bedeutet bitten um Vergebung für die eigenen Sünden. In der MendrisioGegend “tö la perdunanza” war der Gang der frisch niedergekommenen Mutter (puerpera) zur Kirche, um eine Segnung als “Vergebung” zu empfangen. Das Buch von M. Canclini [2000] erzählt, dass nach der Geburt des Kindes die Mutter “...bevor die acht Tage vergangen waren, musste die Gebärende sich mit dem Haushalt bereits beschäftigen, aber an der Taufe des Kindes teilnehmen durfte sie nicht. Sobald sie aus dem Haus gehen konnte, musste sie zur Kirche - a purificàs cu l’àcqua santa – sich mit dem Weihwasser reinigen, nach dem Ritus “Candelora” genannt, weil Kerzen angezündet und der Kirche geschenkt wurden“. Das Fest der Candelòra, 2. Februar P. Grimaldi [1993]: “In den ersten Jahrhunderten u.Z. feierte die Kirche am 2. Februar die Präsentation von Jesus im Tempel. Später wurde diese Feierlichkeit zum Reinigungsfest der heiligen Maria, die sich nach jüdischem Gesetz 40 Tage nach der Geburt Jesus zum Tempel begeben musste ”. Die reformierte Kirche feiert am 2. Februar, hingegen “Lichtmess”, Lichtfest. Die 40 Tage A. Garobbio [Archivio per l’Alto Adige, LXXXIII]: “Als ich Knabe war (Anfangs 1900) pflegte man den Leuten die selten anzutreffen waren zu sagen: “ta saréet migna in di quaranta dì” d.h. “bist du immer noch in den 40-Tagen?“ [...] Bis im Jahr 1974 wurde am 2. Februar das Fest der “Reinigung der heiligen Maria” gefeiert, d.h. 40 Tage nach Weihnachten. Seit 1975 wurde dieses Fest als “Präsentation von Jesu im Tempel” umbenannt”. Diese Umbenennung zeigt wieder einmal, wie präzis gearbeitet wird, wenn der Ursprung von religiösen Tätigkeiten (hebräischer Herkunft!) verdeckt werden soll. Die Reinheit nach hebräischem Konzept Tahara, die rituelle Reinheit und Tumah, die rituelle Unreinheit, sind grundlegende Bestandteile der hebräischen Religion. Es handelt sich nicht nur um körperliche Unreinheit, die das Wort bezeichnet. Die Reinigungsaktion birgt in sich den philosophischen Akt des “Neuanfangs”, nachdem man sich vom Irdischen befreit hat. 20


Die Mikwehbesucher mussten “ganz” eintauchen um “erneuert” oder rein wieder aus dem Bad aufzustehen. Auch die christliche Taufe will dasselbe erreichen. Das Wasser des Ritualbades, wie das des christlichen Taufbeckens, musste „rein“ sein. Quellwasser wurde bevorzugt und durfte nur nach strengen Regeln ergänzt oder vermischt werden.

Die Mikweh (nevèra) von Dongio “instandgesetzt” im Jahr 1999. Der Betonzwischenboden wurde sehr wahrscheinlich 1919 eingebaut, so dass der Dorfmetzger die überirdischen Räume bis 1936 nutzen konnte. In der Zeichnung fehlt die unterirdische Wanne, welche heute noch sehr gut sichtbar und in den Boden versenkt ist. Unten: Der Versuch eine Steintreppe zu bauen blieb aber in der Feder des Architekten.

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Folgender Text wurde bereits im Jahr 2002 von Frau Mariella Beccio aus Dongio niedergeschrieben. Wer näheres wissen möchte ist gebeten, mit der Autorin Verbindung aufzunehmen. La pardonanza Mariella Becchio [2002] A volte, ascoltando pazientemente le voci degli anziani, si possono scoprire antiche usanze, parole o espressioni che appartengono ormai ad una realtä scomparsa, travolta in malo modo da un'inarrestabile nonché titanica modernità. Dai nos vecc impariamo quindi parole con le quali si indicava un preciso oggetto (oggi mera testimonianza di un passato che ci appare sempre più remoto); oppure espressioni con le quali ben si trasmetteva il colore di una determinata situazione; o ancora una canzone con la quale si insegnava ai bimbi il valore del pane o, infine, l'usanza di una tradizione ormai caduta in disuso. Ed è proprio a proposito di una osservanza religiosa, ai nostri giorni nota ormai a poche persone, che vogliamo parlare: la pardonanza. Ecco una testimonianza raccolta dalla viva voce della signora Noemi Negrini (classe 1922) di Caspoggio (Valtellina), dal 1946 a Bellinzona. "La vera pardonanza era: “...dopo 40 giorni dal parto della donna si andava in chiesa da sola e con il prete la riceveva sulla porta della chiesa e dopo averla benedetta la faceva entrare e poi pregavano assieme. Per 40 giorni non potevano andare in chiesa perché impure. Era una tradizione quasi ebraica, anche la Madonna è andata al tempio a purificarsi dopo 40 giorni dalla nascita di Gesù. La padronanza era anche praticata a Caspoggio, Lauzada - Chiesa Valmalenco, Torre e Santa Maria". Di testimonianze come quella della signora Negrini, ve ne sono, sparse qua e là, in tutto il cantone Ticino. Pure in Valle di Blenio troviamo ancora delle persone anziane che parlano di tale pratica. Ma qual'è il significato e, soprattutto, l'origine di questa tradizione ? Nel Bollettino parrocchiale Castro - Marolta - Prugiasco, del febbraio del 1944, a pagina 3, leggiamo: Festa della Purificazione della Beata Vergine Maria. "La festa della purificazione chiude il ciclo natalizio. La legge mosaica conteneva due precetti circa la nascita dei figli primogeniti: 1) la madre dopo 40 giorni doveva purificarsi al Tempio ; 2) il primogenito doveva essere presentato al tempio, e se non era della tribù di Levi, essere riscattato. Ora la Vergine benedetta non era punto obbligata ad osservare questi precetti, sia perché fu sempre vergine, sia perché il suo Figlio, essendo Dio, era l'eterno sacerdote. Tuttavia mossa dallo Spirito Santo, per obbedienza ed umiltà, Ella volle assoggettarsi a questa duplice legge". Anche perché la sua particolare posizione non era facile da spiegare alle autorità rabbiniche. La pratica della pardonanza trova le sue origini nella religione ebraica. Secondo la religione ebraica, dopo un episodio di impurità, mestruazione, puerperio o polluzione (cioe l'impurità è data dal sangue e dallo sperma versato invano, o dal contatto con un cadavere) era ritualmente imposto, dopo lavacro, l'uso del bagno purificatore. E proprio in relazione con lo stato di purezza di uomini e donne, il Talmud passa in rassegna una casistica variegata e pur divertente. Ma cio che più sorprende in tutto questo, è il fatto che tale tradizione era ancora praticata dalle nostre parti dopo la seconda guerra mondiale. Sembrerebbe, come già per molte altre usanze locali, quali ad esempio l'osservanza del sabato nella località di Brissago, che la pratica della pardonanza abbia origini che si perdono nella notte 22


dei tempi. Ma in questo specifico caso il parallelo con la religione ebraica non può non sorprendere e far riflettere. Riportiamo qui un brano tratto dall'introduzione al Talmud. II trattato delle Benedizioni, a cura di Sofia Cavalletti. Torino, T.E.A, 1992: “E’ noto che metodi interpretativi, simili a quelli dei rabbini, si ritrovano nell 'esegesi di San Paolo, anche se usati con maggior libertà e con austerità, in quanto l’apostolo, tutto preso dal suo compito di annunciare la parola di salvezza al mondo, non si abbandona mai a giochi accademici e a discussioni di scuola. Ritroviamo in lui considerazioni filologiche, applicazioni morali, analisi della lettera, interpretazioni dialettiche, tutti metodi che egli aveva imparato "ai piedi di Gamaliele" e nei quali egli trasfonde lo spirito dei nuovi tempi. Meno noto è che metodi del genere fossero diffusi nel vasto mondo della Chiesa giudeo-cristiana, quella Chiesa che fa capo a Gerusalemme e a san Giacomo, ma si trova diffusa non solo in Palestina, ma in Asia Minore e ha lasciato traccia fin nella Roma imperiale, improntando di sé tutto il cristianesimo primitivo. Rientra nelle particolaritä dei giudeo-cristiani l'uso di non rappresentare il Mistero, e di non parlarne esplicitamente, ma di adombrarlo sotto il valore numerico delle lettere, attraverso criptogrammi e simili; in simili accorgimenti ritroviamo spesso gli stessi sistemi usati dai rabbini”. Riportiamo inoltre l’incipit di un interessante articolo di Andrea Zanardo (// criptogiudaismo portoghese. Un'ipotesi antropologica. In "L'identità dissimulata: giudaizzanti iberici nell'Europa dell'Età moderna, a cura di Pier Cesare Ioly ZORATTINI, Firenze, Olschki, 2000, p. 347): A metà del XVIII secolo, fra' Aleixo de Miranda Henriques, vescovo di Braganza, stigmatizzava "o costume judaico" di quelle puerpere che si tenevano lontane dalle chiese per i quaranta giorni successivi al parto. Un secolo più tardi, il parroco di Vimioso, nella medesima diocesi, lamentava che da tempo immemorabile infuria in questo popolo una setta, che al tempo dell 'Inquisizione era solita stare nascosta; l 'errore di questa setta è la Legge Mosaica”. Questa testimonianza ci permette di fare due constatazioni. Innanzitutto il fatto che la pratica della pardonanza era praticata in varie parti d'Europa, fatto questo comprensibile vista la diffusione capillare del popolo ebraico, e che una testimonianza come quella di fra' Alexio De Miranda Henriques non può non richiamare l'attenzione e, quindi, sottolineare l'importanza di quanto detto da Noemi Negrini. La seconda constatazione riguarda la seconda parte del brano citato, e conceme il perdurare di queste "pratiche" in Portogallo (come altrove, ci sentiamo d'aggiungere), e il loro collegamento con la Legge Mosaica, ciò che significa che la Chiesa ben conosceva tale fenomeno, e condannava tali "pratiche" (si osservi quel da tempo immemorabile infuria in questo popolo una setta). Inoltre e interessante constatare come la "setta" in questione, era solita stare nascosta. Queste quattro parole non possono certo lasciarci indifferenti ... Come la scritta di Lottigna in caratteri RASHI, la tradizione della pardonanza sembrerebbe riportarci in tempi ormai remoti, dei quali, per ciò che riguarda le nostre valli, sappiamo poco o nulla. Se la tradizione della pardonanza è riuscita ad attraversare incolume i terribili fuochi dei roghi degli eretici d'età medioevale e moderna, e si e mantenuta dalle nostre parti fino attorno al 1950, significa che tale osservanza religiosa dovette essere catalogata dagli stessi zelanti inquisitori come un'innocua superstizione popolare, la cui origine si perdeva nella notte dei tempi. Tale fatto fa pensare a una presenza ebraica nelle valli lombarde risalente ai tempi non sospetti, addirittura all'epoca dell'impero romano (vedi la cartina di Martin Gilbert a pagina 23 di questo fascicolo, tratta dall’Atlante di storia ebraica, La 23


Giuntina, Firenze). Questo spiegherebbe quindi come un'osservanza caratterizzante del Culto ebraico (come già l'osservanza sabbatica rilevata nel Comune di Brissago e altrove) si fosse radicata nella popolazione di questi luoghi già in tempi a noi remoti, tanto che, al momento dell'inquisizione, gli stessi inquisitori non avevano trovato nulla di sospetto in questa pratica religiosa, tramutandola nella “pardonanza”. Di fronte a questi "segni" bisogna cercare d'interrogarsi sul loro reale significato : da qui la necessità di rivolger loro le giuste domande, le quali potrebbero dare luogo ad una nuova interpretazione storiografica della regione. Rimane quindi di fondamentale importanza rilevare quanti più indizi il territorio racchiude ancora nel suo grembo e riportarli alla luce del sole e delle coscienze (mi si creda, non è inutile retorica!). In questo senso un'azione archeologica coerente e mirata potrebbe fornire quegli elementi che permetterebbero, una volta per tutte, di entrare in diretto contatto con quei "segni" che oggi ai distratti appaiono così strani e muti.

Cimalmotto, Vallemaggia: Die eingeritzte Figur zeigt den Ort und die geeignete Stellung, um das Ritualbad im fliessenden Wasser (mayim chayim) zu nehmen. (Aufnahme: Arch. Giorgio Ceresa).

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Oben: Die “Wanne” auf dem Boden der Mikweh von Dongio, so wie sie auch vor der Instandstellung im Jahr 1999 sichtbar war. Unten: Die Krone des Dachs der Mikweh umrahmt das kuppelförmige Mauerwerk aus Gneisfragmenten und einem Mörtel, der keinerlei Tonreste vorweist, um das untenstehende Wasser nicht zu verunreinigen. Oberhalb der beschriebenen Kuppel wurde das Dach aus Gneisplatten so angeordnet, dass das Regenwasser ins Innere des Bades gelangen konnte.

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Bild: Die Frau “reinigt” sich nach der Menstruation oder nach einer Geburt, während der Mann auf sie wartet. Aus einer Sammlung von liturgischen Schriften (Siddur mit Kinot und Minhagim) Deutschland, Mainz(?) 1427-1428. Das Original befindet sich in die Staats- und Universitätsbibliothek von Hamburg, cod. Hebr. 37. Weitere Betrachtung: Die Frau steht mit den Füssen in einer Bodenvertiefung, vergleichbar mit der Wanne in der Mikweh von Dongio, da das Ritualbad Bestandteil des Bodens sein muss.

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Mikweh / Nivera aus der Toskana (I):

der

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Die “nevèra” in der Nähe von Moltrasio (Italien). Ein Beispiel, wie das Dachregenwasser ins Innere des runden Gebäudes geleitet wurde, auch wenn die Instandstellung „nur“ verhindern wollte, dass Regenwasser die Konstruktion gefährdet.

Das Taufbad von Santo Stefano alle fonti (St. Stephanus an den Quellen) unter dem Mailänder Dom. Der älteste Battistero von Mailand, 1899 entdeckt und erst zwischen 1965 und 1973 in Stand gestellt.

Der Taufbrunnen von Archeo-San Martino (Carnia, Friaul) Bei der Restaurierung der San-Martino-Kirche aus dem XVII. Jahrhundert wurde diese runde Taufwanne unter dem Kirchenboden, freigelegt.

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Die Mikweh von Worms (D) stammt aus dem Jahr 1185 (Atlante storico del popolo ebraico, Zanichelli, 1999).

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Die Taufkirche von Como (I) Bei der Ausgrabungsarbeiten im Jahr 1924 fand man in den Kellerräumen des Bischofssitzes von Como architektonische Elemente, welche aus der Bauzeit des Jahres 1013, unter Bischof Alberico stammen kÜnnten. Teile dieser Funde wurden einem Battistero (Taufraum) zugeordnet.

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Durchschnittliche Wassertiefe Der unterirdische Raum liegt unterhalb des Seeniveaus und wies normalerweise eine Wassertiefe von ca. 1 Meter auf, die aber die Seewasserstände folgte. Eine Kopie der Taufkirche von Riva San Vitale (TI) Die kreuzförmige Sektion dessen Mitte vom Brunnen oder Taufbecken gekennzeichnet ist, erinnert sehr stark an die Architektur des "Battistero von Riva San Vitale". Während das Tessiner Taufbecken durch drei unterirdische Quellen gespeist wurde, beziehet der Brunnen von Como das Wasser aus dem See, durch die trennende Bodenschicht. "Geeignetes" Wasser Das Wasser des Lokals im Keller des Bischofspalastes von Como ist "kasher", d.h. geeignet für ein jüdisches Ritualbad, da es durch eine Bodenschicht filtriert wird. Somit kann angenommen werden, dass es sich hier um ein Mikweh oder Ritualbad handelte. Die untere Abbildung trägt Daten welche die höchsten (ital. PIENA) und die tiefsten (ital. MAGRA) Wasserstände aufzeichnen. Am 21. November 1829 wurde das Maximum von ca. 3 Metern und im Winter 1868 das Minimum erreicht. Das mittlere Niveau (PIENA NORMALE) zeigt einen Wasserstand, innerhalb des Kellerraumes, von ca. 1 Meter. Der aktuelle Boden (Zustand: 1924) deckt den Brunnenring und erhöht den Originalboden um ca. 1,50 Meter.

CORTILE PIENA NORMALE INVERNO 1968 MASSIMA MAGRA DOCUMENTATA Pavimento attuale

Hof, Vorplatz Normaler Wasserpegel Winter 1968 Min. Trockenzeit-Wasserpegel Heutiger Fussboden

Text und Illustrationen aus: Rivista archeologica dell'antica Provincia e Diocesi di Como. Tipografia editrice Emo Cavalieri, Como, 1942, XX.

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Die Mikweh von Biasca Die Skizze zeigt die Anordnung der unterirdischen Räume im Zentrum von Biasca. Ausgemessen am 2. Februar 2005 von Mitgliedern von Pietra e Storia von Dongio. Der Referenzpunkt 0,000 befindet sich auf dem Niveau der Strasse. Die Aufnahme des im Innern vorhandenen „Brunnen“ wurde von Silvano Calanca aus Biasca gemacht. Seit 1831 wurden die unterirdischen Räumlichkeiten als Weinkeller benutzt. Die Bedachung des Brunnens besteht aus einer enormen Gneisplatte mit den Massen von über 4 x 5 Meter, deren Dicke ein Meter beträgt. Der „Brunnen“ lässt sich wieder als Ritualbad und die Räumlichkeiten als mögliches Ritualgebäude erkennen. Die Datierung der Konstruktion ist bis heute unbekannt. Zwei Steinplatten

Strasse 0,000 A,B,C - 3,25 m

D C1

- 4,35 m

Gemauerte Tür

- 5,65 m

E

- 6,70 m

E

C

C1

B

A

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D

A = ca. 6,50 x 3,40 m B = ca. 4,50 x 3,50 m C = ca. 6,30 x 4,50 m C1 = ca. 5 x 4,50 D = ca. 6,30 x 4,75 m E = ca. 400 x 250 m E = Gesamthöhe ca. 5 m = Bodendurchbruch C (Durchgang zu C 1)


Oben: Die steinerne Wanne aus Acquarossa aus einem einzigen ausgehöhlten Monolithen gehauen, stand früher in einem Keller des Dorfes. Unten: Das Bad von Barbé (Oggebbio, Italien). 200 x 120 x 60 Zentimeter. Eine Wasserquelle speist das Bad, das mit Gneisplatten ausgekleidet und eingefasst ist. Man erreicht die Wanne über drei Stufen.

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Weitere runde Bauten: Crot und Scélé Die Kapelle von Saint Léon de Bayonne, datierend aus dem Jahr 892 n.Chr., weist einen sechseckigen Grundriss auf und birgt in seinem Innern eine Quelle. Die christliche Tradition besagt, dass der heilige Léon an dieser Stelle von Heiden geköpft wurde und dass sein Blut das Wasser färbte. Es sind Parallelen darin zu sehen, dass etliche jüdische Ritualbäder (Mikwehs) von Judenverfolgern mit Schweineblut für immer „verunreinigt“ wurden um sie so unbrauchbar zu machen. Bild aus: Saint Léon de Bayonne, von Renée Mussot-Goulard und Pierre Hourmat, Bayonne, 1994.

Links: Ein Crot oder Scélé in der Gegend von Brusio, wurde mustergültig renoviert (Graubünden).

Rechts: Ein Clochan in Irland. Auch die Talayotes von Menorca und Maiorca, sind gleich gebaut. Das semitische Wort „talah“ bedeutet „Steinhaufen“. (G. Semerano [2002], pag. 477). 34


Crot und Scelé, runde Bauten In der Nähe von Poschiavo am Berninapass gibt es kuppelförmige Bauten, genannt “Crot” oder “Scélé” (Schélé). Nach der „geltenden Literatur“ dienten sie der Aufbewahrung von Milch und Milchprodukten. Die meisten Bauten wurden über Wasserquellen aufgerichtet. “Crot” oder “Scelé” wurden kuppelförmig und mit runder Basis gebaut, aber auch mit quadratischem innerem Grundriss. Sie weisen Durchmesser zwischen drei und neun Metern auf. Scélé, Unterschlupf oder Schutzraum (Ital. Rifugio) gleicht dem englischen „shelter“ protection und im deutschen schirmen, schützen, Schild und Schale. Das englische Wort shele oder shell entspricht dem deutschen “Schale”, Hülle und Muschel. Alle Bezeichnungen, welche die schützende Aktion beinhalten. Französisch: Chalet Bündner: Scelé Hebräisch : Shelét (sprich: Schelét) Russisch : Schalasch (Schalasch) Gaelisch: Cala Französisch: Cale / chalet / abri Italienisch:

Alpines Haus Unterschlupf, Crot Schild, Schutz Ein Dach über den Kopf, Laubhütte Unterschlupf, Hafen Unterschlupf / Berghau / Schutz à la cale (du soleil) « à l’abri… » Wohnbau.

Casa

Die Vielseitigkeit der Bezeichnungen lässt erahnen, dass die Geschichte und die Wesenheit der « runden Bauten » viel komplexer, als bisher angenommen, ist. Mikweh, Nevére, Crot und Scélé müssen systematischer und neu erforscht werden. 35


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Einen herzlichen Dank an Frau Doris Gerber für die Revision des deutschen Textes.

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Bereits erschienen bei Pietra e Storia: - 2003: Nuova interpretazione della pittografia rupestre. Fascicolo 1 e 2. - 2005: Il Miqweh di Dongio (Italiano). - 2005: Die Mikweh von Dongio (Deutsch). - 2005: Il lastrone di Dagro (italiano) - 2005: Die Steintafel von Dagro (Deutsch). - 2006: Chiese biabsidali. - 2006: La primavera di Dagro e Nebra: Lüna növa, tri dì a la pröva, Il calendario lunare (Il lastrone di Dagro CH-TI, Nebra D, Rothenfluh CH-BL). - 2006: Il basilisco della Capriasca, la contessa Crassa: interpretazione storica. - 2006: Barlotto, tregenda, akelarre, sinagoga. - 2006: Pugnali remedelliani e Madonne addolorate. - 2006: Cognomi redenti: da Cagainarca a Vacca.

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