Medieninformation Die Pressesprecherin Anita Zerk
5/2016 Schweiz – Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
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Ein bedingungsloses Grundeinkommen steht jedem zu – Hartz-IV-Kürzung verfassungswidrig?
Bern, 06.05.2016
100% Sanktionen von Hartz-IV Bittstellenden in der Schweiz entspricht nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) muss entscheiden. Dürfen die Sozialen Ämter am Hartz-IV-Regelsatz kürzen, bzw. die SkOS Richtlinien unterlaufen, wenn der Sozialhilfe Bittstellende Job-Angebote ablehnt oder aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen kann oder Termine nicht einhält o.ä.? Darüber soll nun der EGMR in Strassburg (Frankreich) befinden. Ein Sozialhilfe Antragsteller reichte am Freitag, 06.05.2016 seine zweite Vorlage ein. Der junge Schweizer hat vor Gericht geklagt, weil u.a. seine Nothilfeanträge nicht Anhand genommen wurden, somit hatte er weder Essensmarken, noch ein Obdach, noch wurde ihm ein Zugang zum Gesundheitssystem gewährt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg soll klären, ob (Hartz-IV) Sanktionen verfassungsgemäss sind oder ob sie gegen das Grundgesetz, bzw. gegen die zwischen der Schweiz und der EGMR ratifizierten Verträge verstossen.
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Laut Statistik werden in der Schweiz pro Monat zirka 1000, in Deutschland zirka 10’000 Menschen auf Null(!) gekürzt. Leistungskürzungen verletze unter anderem die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte. Der Staat müsse jederzeit ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren. Auszug aus der Klageschrift (..)Wenn bereits Gesetzesvorschriften, die auf einer nicht nachvollziehbaren Berechnung (aber immerhin auf einer Bedarfsschätzung) beruhen, gegen das Grundrecht auf Sicherung eines Existenzminimums verstossen, muss dies erst recht für Normen gelten, die die Höhe der Leistung überhaupt nicht an den Bedarf, sondern an ein Verhalten des Bedürftigen koppeln (b25083, Ziff. 106). (..)Bei der Menschenwürde ist jedoch jeder Eingriff ein ungerechtfertigter, d. h. zugleich ihre Verletzung. Für eine zulässige Einschränkung des Grundrechts ist demnach kein Raum. Die für die Schweiz schlechthin konstituierende unantastbare Menschenwürde ist einem gerechtfertigten Eingriff unzugänglich. Ein Sanktionsregime, das die „Verweigerung des Überlebensnotwendigen, sei es auch nur vorübergehend, vorsieht, ist deshalb verfassungswidrig“. Das (einmal durch den Gesetzgeber ausgestaltete) Grundrecht ist „unverfügbar“ (b25083, Ziff. 115-117). (..)Soziale Hilfen komplett zu entsagen und Bedürftige gegebenenfalls verhungern zu lassen oder Krankheiten unbehandelt lassen, damit Menschen (unsägliche) Schmerzen erleiden müssen, ist in einem Sozialstaat schlicht unzulässig und verfassungswidrig. Dann muss es aber bereits denknotwendig eine unterste Grenze staatlicher Leistungen geben, die jedem Menschen „unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit“ zugestanden werden. Es muss sich um Leistungen handeln, die für seine menschenwürdige Existenz unbedingt notwendig sind. Dies ist eine sozialstaatliche Verpflichtung. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat der Staat „nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich mit den notwendigen Mitteln auszustatten.“ (b25083, Ziff. 145).
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(..)Das festgelegte Ermessen bei der Sachleistungsgewährung, wonach „der Träger auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen (kann)“, lässt sich schwerlich als gebundene Entscheidung lesen. Eine solche Auffassung, das „kann“ im Gesetzestext als „muss“ auszulegen, widerspräche dem eindeutigen Wortlaut der Norm und überschreitet damit die Grenze zulässiger Auslegung (b25083, Ziff. 240/241). Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich insoweit nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz, als auch zur Sicherung eines Mindestmasses an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Ob dieser Anspruch durch Leistungskürzungen aufgrund von Sanktionen unterschritten werden darf, hatte der EGMR bislang nicht zu entscheiden. Es sei der erste Fall der die Frage aufwerfe, ob die Sanktionsmöglichkeiten der sozialen Ämter mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Wann der EGMR in dieser Frage befindet, ist unklar. Sollte Strassburg aber entscheiden, wäre es ein Grundsatzurteil für die Geschädigten. Download Vorlage tapschweiz.blogspot.ch/2016/05/b26023.html Pressemitteilung bit.ly/b26025
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