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Ein gutes Steak sollte

Das war also der Grundstein für deine Brotkunst. Und was kam danach?

Ich habe mich ganz auf Brot und Kuchen konzentriert und nichts anderes gemacht. Manchmal habe ich 19 Stunden am Stück gearbeitet, nur um meine Fähigkeiten weiter zu verbessern und um bei den Besten des Handwerks lernen zu können. Später bekam ich ein Angebot für die Bäckerei eines Casinos in Las Vegas zu arbeiten—zusammen mit Jean-Claude Canestrier, ein Meilleur Ouvrier de France undein Konditor-Weltmeister.

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Bei ihm konnte ich unglaublich viel über das Backen lernen. Aber mehr noch: Das Hotel stellte viel Geld für die Bäckerei zur Verfügung, sodass ich unendlich viel Mehl und Zutaten kaufen konnte. In den Lebensmittelkammern konnte man die Temperatur und die Luftfeuchte regulieren. Ich hatte eine Umkehrosmoseanlage, um das Wasser zu filtern und zu neutralisieren, und ich konnte das Wasser entsäuern, also den pH-Wert beliebig verändern. Wenn ich ein typisch äthiopisches Brot, injera, backen wollte, nahm ich einfach etwas Teffmehl und passte den pH-Wert des Wassers entsprechend an. So lernte ich die unterschiedlichen Aromen verschiedener Brotsorten kennen.

Wenn man mit regionalen Zutaten, also Hefen und Bakterien, arbeitet, muss man immer daran denken, dass die Umgebung perfekt auf sie abgestimmt ist, deshalb sind sie ja regional. Wir haben herausgefunden, dass wir mit Mehl aus der Region—also damals aus Kalifornien—und Wasser mit einem pH-Wert von 7,2 das beste Brot backen können. Und das Leitungswasser in Las Vegas hatte genau einen pH-Wert von 7,2.

Wann hast du angefangen, dein Brot bien cuit zu backen, also „gut durch“?

Die dunklere Kruste habe ich für mich entdeckt, als ich mit Zucker experimentiert habe. Langsam habe ich verstanden, was beim Karamellisieren passiert und dass es bei der Millard-Reaktion eigentlich darum geht, dass Eiweiße in gewissem Sinne karamellisiert werden. Und Brot enthält viele Proteine. Wenn ich die Maillard-Reaktion also verstärken könnte, würde die Kruste meines Brotes viel intensiver schmecken. Dann erinnerte ich mich auch an meine Zeit in Frankreich. Ich hatte damals kein Geld und lebte größtenteils von Brot und billigem Ziegenkäse. In der Bäckerei habe ich immer nach Brot gefragt, das plus obscur ist, also etwas dunkler. Dann habe ich gehört, wie andere Kunden genau dasselbe wollten, aber sie nannten das bien cuit, durchgebacken. Geschmack und Textur des Brotes waren einfach perfekt.

In Vegas habe ich das Brot besonders langsam gehen lassen und geguckt, wie weit ich damit gehen könnte. Wenn man das Brot bei niedrigen Temperaturen gären lässt und es dann bei geringer Temperatur als üblich länger bäckt, dann entstehen viel mehr Aromen, als bei den anderen Methoden, die ich bisher kannte. Irgendwann fügte sich dann alles zusammen, aber bis dahin habe ich extrem viel herumprobiert, gerade auch während meiner Zeit in Vegas. Ich finde die Stadt schrecklich, ich wüsste nicht, was man da Besseres machen könnte, als die ganze Zeit in einer Bäckerei zu verbringen, um herauszufinden, wie verschiedene Mehlsorten gären, bei welcher Temperatur der Geschmack am besten wird und ab wann der der Sauerteig wieder zusammenfällt. Und vor allem, wie der Vollsauerteig mit unterschiedlichen Getreidesorten schmeckt. Säuerlicher? Vielleicht ein bisschen nach Alkohol (was für einen anderen Teig ideal wäre)?

Wo hat dich Forscherdrang danach hingeführt?

Ich bekam einen Job in Philadelphia im Le Bec-Fin, einem der besten Restaurants der USA. Aber als ich ankam, musste ich feststellen, dass das Wasser und die Arbeitsbedingungen dort schrecklich waren. Es gab kein regionales Mehl und mein Budget war mickrig. Trotzdem konnte ich auch hier mein Handwerk weiter perfektionieren, eben weil ich vor so vielen Herausforderungen stand. Ich musste einfach herausfinden, wie ich trotzdem gutes Brot backen konnte, immerhin habe ich damals für Georges Perrier gearbeitet, da musste es also perfekt werden. Ich erinnere mich zwar nicht so gern an diese Zeit zurück, aber ich habe damals viel gelernt, weil ich Brot unter widrigen Umständen backen musste.

Und dann hast du dich entschieden, deine eigene Bäckerei zu eröffnen? Ich hatte schon so viel gemacht. Als ich dann das Bien Cuit eröffnet habe, wusste ich, was ich wollte, welchen Geschmack ich kreieren wollte, welches Mehl ich verwenden wollte. Obwohl es am Anfang echt schwer war, hatte ich das nötige Wissen in der Tasche, der Teil war also einfach. Ich wusste, wie ich backen muss und dass einige Methoden bei einer großen Stückzahl einfach nicht funktionieren würden. Wir wollten etwas Neues machen und uns auch als kleine Bäckerei mit umfassendem Angebot etablieren.

Wie haben die sonst eher pingeligen Leute aus Brooklyn auf euer durchgebackenes Brot reagiert?

In den kleinen Bäckereien hier verkauft man ja immer noch eher helleres Brot, nicht mit einer so dunklen Kruste wie eures… Sie waren definitiv überrascht. Viele meinten: „Wow, das Brot ist echt dunkel.“ Unsere Mitarbeiter erklären ihnen dann aber, was bien cuit heißt und beruhigen die Kunden ein bisschen, nach dem Motto: „Alles ist in Ordnung. Das Brot wird dir sicher gutschmecken.“

Der Erfolg ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Einige unserer Stammkunden haben ordentlich Mundpropaganda gemacht und so hat sich unsere Kundschaft bis Weihnachten ziemlich vergrößert.

Danke dir für das Gespräch, Zachary.

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