Punkt, Linie und Fläche

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Punkt, Linie und Fl채che. Grafische Versuchsreihen von Anna Frey mit Texten von Dario Zuffo





Vorwort Grundelemente des grafischen Gestaltens sind Punkt, Linie und Fläche. Alles baut auf der kleinsten Einheit auf: dem Punkt. Wird ein Punkt fortgesetzt, ergänzt er sich zur Linie. Je nach Größenverhältnissen zum Umfeld und zu den übrigen Formen und je nach Betrachtungsentfernung wandelt sich der Punkt zur Fläche.



DER PUNKT


Schüchternheit

Ruhe (o.), Neugier

Der Punkt Ruhe strahlt ein Punkt in der Mitte eines Formates aus, weil dieser zwar eine Spannung, aber keine Richtung aufweist und die vier entstandenen Abstände gleichwertig, also ohne Bewegung sind. Die Bedeutung dieser Punkt-Form nimmt zu, je kleiner die Abstände zur Begren­ zung werden. Die Form wird mächtiger und dominier­ender, eine Umkehrung der Schwarz-Weiß-Werte findet statt. Verschwunden


Dynamik

Zusammenhalt

Bewunderung

Einzelg채nger

Spieler


Tragen


Umzingelt

Chaos

Bewegung und somit Spannung wird erzeugt, je unterschiedlicher die Ab­ stände zur Formatbegrenzung werden. Die Asymmetrie der Stellung zeigt Spannungsunterschiede auf, je nachdem ob sich der Punkt oben oder unten, aber auch links oder rechts befindet. Die quadratische Fläche, die neutralste aller Format-Grundformen, ermöglicht es uns, diese Spannungsverhältnisse zu veran­ schaulichen.


Reich

Viel (l.), Holprig (r.)


Fallen



Kreislauf

Licht

Schuppig

Verschiedene Punktgrößen in deutlichen Proportionen, nahe zueinander platziert, ergänzen sich und verstärken ihre Eigenschaft: groß wird größer, klein wird kleiner; der Kontrast und die Spannung steigt. Geringe Proportionsunterschiede zweier Punkte werden in ihren Größen und Formen zwar besser wahrgenommen, aber sie verlieren ihre Eigenständigkeit.


Energie

Freude




die vier Jahreszeiten


die vier Jahreszeiten




DIE LINIE


Die Linie

Eine imaginäre Linie entsteht schon, wenn zwei Punkte in nicht allzu großer Entfernung platziert werden. Steigern wir die Reihung der Punkte, wird die Linie deutlicher. Ähnlich wie beim Punkt kann sich die Linie, je nach Verhältnis zur Formatbegrenzung, zur Fläche wandeln. Wenn wir die im­ aginäre Linie, die meist einen geraden Verlauf annimmt, nicht berücksichtigen, gibt es zwei grundverschiedene Arten: die gerade und die gebogenen Linie.




Unter die gerade Linie fallen folgende Gestaltungsvarianten: eckige, zickzack­ förmige Linie, an- und abschwellende Linie, freie, vieleckige Linie und die geo­ metrische, progressive Linie. Bei der gebogenen Linie unterscheiden wir folgende Formen: wellenförmige Linie, kreisförmige und ellipsenförmige

Linie, spiralförmige Linie, an- und ab­ schwellende Linie, freie, wellenförmige Linie und die geometrische wellenförmige Linie. Verbinden wir diese beiden Arten von Linien, erhalten wir eine Vielfalt von Formenkombinationen.





Durch die Art (Form), die Länge, die Stärke (Dicke), die Farbe, die Anzahl (Menge), den Abstand und die Stell-­ ung der Linien ergeben sich unend­liche Gestaltungsmöglichkeiten. Gestaltungsübungen mit geraden Linien führen automatisch zu Proportions­ übungen.





DIE FLÄCHE



Die Fläche Die theoretische Definition, was eine Fläche ist, ist einfach: Ergänzen wir die Stärke der Linie, verdichten wir sie oder vergrößern wir den Punkt, entsteht die Fläche. Sobald wir aber genauer werden wollen – wann verwandelt sich der Punkt oder die Linie zur Fläche? – begreifen wir, dass alles relativ ist. Es gibt keine mathe-­ matische Abgrenzung. Die Deutlichkeit der

Form lässt auf eine flächenhafte Wirkung schließen, mit zwei Dimen­ sionen wird die Flächenform fest­ gelegt: eine Breite und Höhe. Wir fragen uns, in welchem Verhältnis die Breite zur Höhe steht. Jede Aus­einandersetzung mit der Fläche führt auch zu einer Proportionslehre.


Die neutralste und dementsprechend ruhigste Flächenform ist das Quadrat. Alle zwei Bewegungsrichtungen (waag­ recht und senkrecht) sind gleichwertig. Ergänzen wir ein Quadrat um ein zwei­ tes in die Höhe, wird die senkrechte Bewegungsrichtung dominierend. Die Dynamik eines hochformatigen Recht­ ecks ist aktiv, nach oben gerichtet, steigend. Zwei Quadrate nebeneinander

gestellt ergeben eine waagrechte Rich­ tung. Das querformatige Rechteck ist passiv, nach unten gerichtet, lagernd. Je unterschiedlicher die Gegensätze der Seitengrößen sind, desto mehr Spannung entsteht.










Nachwort Die Beschäftigung mit den Grundlagen der visuellen Gestaltung soll allen Gest­ altern, im besonderen aber Grafiker und typo­grafischen Gestaltern die Fähigkeit vermitteln, die Gesetzmäßigkeiten der vi­suellen Wahrnehmung besser und ein­ fach zu verstehen und sie dann, bei ihrer gestalterischen Arbeit, umzusetzen und anzuwenden. Dario Zuffo





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