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Monika Schwärzler, Bilder, die die Welt erschüttern müssen
Monika Schwärzler
«Bilder, die die Welt erschüttern müssen», sollten eigentlich, müssten, wenn sie könnten und dürften, nicht spurlos, weil sie doch sollten. . .
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Peter Putz inszeniert diese Bilder nicht als den berühmten Aufschrei, versehen mit einem imaginären Rufzeichen, wie man es in einer Ausstellung zum Thema «Krieg» erwarten wurde. Er verweigert die in dem Zusammenhang so geschätzte Betroffenheitsgeste, tut nicht, als ob er außer sich, sprachlos angesichts dieser Bilder wäre, sondern führt einen Diskurs über die Mechanismen der Bildproduktion und -rezeption.
Seine Bilder behandeln z. B. den Krieg aus der Sicht derer, die im wahrsten Sinne des Wortes «den Krieg erklären», weil sie die mediale Definitionsmacht, die Macht über die Bilder haben. Sie verwalten den Krieg als Phänomen, warten ihn professionell, mischen die Zutaten des Greuels nach den Prinzipien des Infotainments. Die anderen leben ihn – nur.
Die Bild-Anordnungen von Peter Putz sind wohl gefasst und keineswegs fassungslos. Mit seinen: Arrangements schafft er Anklänge an die Form des Frieses oder die des Triptychons. Er stellt Bilder nach den Regeln seiner Kunst zusammen, legt die Rahmen, gibt den Hintergrund, setzt die Schnitte und treibt damit nur auf die Spitze, was Bildern als Rohmaterial von Information prinzipiell geschieht. Irgend jemand hat sie immer schon in Form gebracht, sie zum visuellen Verzehr aufbereitet und ihre bedeutungsstiftende Nachbarschaft zu weiteren Bildern oder auch zu Text bestimmt. Und Bilder sind grenzenlos disponibel, geduldig, wie nur Papier sein kann, Flachware, die nicht das Zeug zum Aufbegehren hat.
Die Vielfalt der von Putz vorgeführten Bilder ist groß, und er setzt gleich, etwa Aufnahmen einer Schönheitskonkurrenz in Sarajevo mit denen des Krieges. Damit nivelliert er Unterschiede, die dem moralisch wertenden Hermeneuten unverzichtbar scheinen, aber er ist mit Bilderflut befaßt und was auf dieser Woge herangeschwemmt wird, tritt alles unterschiedslos an, den/die Betrachter/in das Staunen zu lehren, ihm/ihr die kleinen Sensationsschauer über den Rucken zu jagen, ihn/sie schauen zu machen.
Dann vermittelt das Putzsche Bildgeflecht in seiner scheinbar willkurlichen Selektivitat etwas vom Staunen darüber, daß gerade diese Bilder vor schwarzem oder rotem Hintergrund aufgetaucht sind und nicht andere. So sieht die Spitze des Eisbergs in einem mittlerweile unendlich variierbaren Bilduniversum aus. Aus unerklärlichen Grunden schaffen Bilder den Rang von Ikonen, gehen um die Welt und stehen hinfort fur ein bestimmtes Ereignis. Vielleicht gibt es auch einen Krieg der Bilder und da streiten sich Aufnahmen von Kopfschüssen, Geschlechtskrankheiten, Fernsehsprecherinnen und Raketensilos um das Vorrecht, sich in Netzhäute einzugraben.
Aber Putz selbst ist ja alles andere als ein nur nüchterner Aufklärer, sondern selbst den Bildern verfallen. All die gezeigten Fotos stammen aus seinem Ewigen Archiv und haben dort Eingang gefunden, weil sie ihn, den Sammler, einmal getroffen haben und jene kleinen Turbulenzen in seinem Wahrnehmungsapparat erzeugten, die ihn in der Folge hin- und aufsehen ließen.
An Bilder knüpfen sich unter Umständen riesige Erwartungen. Wie meinte doch Josip Cvitan, Vizepräsident der Demokratischen Partei Kroatiens, im November 1991 dem «Wiener» gegenüber: «Bitte veröffentlichen Sie diese Bilder, damit es nicht wieder zu Greueltaten kommt.» Bilder locken mit dem Versprechen auf Intelligibilität der Welt, welche Handlungskonsequenzen haben könnte. Putz inszeniert seine Bilder denn auch als Ausblicke und Durchblicke. Mit der Art, wie er sie auf monochromem Hintergrund auftauchen läßt, reißt er Wände auf, trägt Schichten ab und legt den scheinbar kürzesten Sehweg ins Draußen der Öffentlichkeit und ins Drinnen der Intimität frei. Er spielt mit der Hoffnung, die Mauer der Bildlosigkeit könnte sich endgültig zerlegen und den Blick freigeben, aber da dann ist wieder nur Fotopapier.
Das Ewige Archiv, Kriegstableaux, 1995/96, Lambda-Ausbelichtungen