7 minute read
Was begeistert Sie am Haus mit den Weiden? Baubeteiligte antworten
„Mich fasziniert, dass man in Lichtenfels die Baubionik in ihrer filigranen Struktur, in diesem Fall die Weide, als optische Ikone installiert, und ich beneide die Menschen hier, dass sie sich jeden Tag, wenn sie auf dem Marktplatz sind, daran erfreuen können.“
alles sauber durchrechnet und simuliert, dann kann nach Menschenermessen wenig schief gehen und man kann auch tolle optische Effekte generieren. GM:In Lichtenfels haben wir eine Struktur, die zwölf Meter hoch ist und in ihren Dimensionen einem echten Baum ähnelt. Insgesamt sind es drei Bäume, die der Architekt in Anlehnung an die Weiden konzipiert hat. Das erklärt auch, warum die Funktionalität so sorgfältig untersucht werden muss: Trotz des skulpturalen Aussehens und der Tatsache, dass der Vorbau dekorative Zwecke hat, haben wir es ja nicht mit einem Kunstwerk zu tun, das geschützt in einer Vitrine steht, sondern mit einer öffentlich zugänglichen Einrichtung auf dem Marktplatz von
Advertisement
Lichtenfels, weshalb alle Anforderungen an die Sicherheit von Bauwerken erfüllt sein müssen.
Als wir die ersten Konzepte gesehen haben, war schnell klar, dass die filigrane Struktur in ihrem mechanischen Verhalten tatsächlich dem von echten
Weiden folgt und sich kräftig verformt, was mich sehr beeindruckt hat. Neben der Betrachtung des stabilen Abtrags des Eigengewichts kommen andere Belastungen hinzu, etwa die Windbeanspruchung.
Wir sehen, dass die gedruckten Weiden sich wie echte Bäume verformen, wenn sie vom Wind angeströmt werden. Das war für uns sehr spannend, und wir mussten tief in unsere Methodenkiste greifen, um anhand von Spezialverfahren die Schwingungen bei Windbeanspruchung und daraus die
Dimensionen für ein sicheres Tragwerk zu berechnen. TS: Das gibt uns ein enormes Feedback für die Biologie.
Sehr viel von dem, was wir in den letzten Jahren besser verstanden haben, kam durch die Zusammenarbeit mit Architekt*innen, Physiker*innen und Ingenieur*innen über die Simulation. Mich fasziniert, dass man in Lichtenfels die Baubionik in ihrer filigranen Struktur, in diesem Fall die Weide, als optische
Ikone installiert, und ich beneide die Menschen hier, dass sie sich jeden Tag, wenn sie auf dem Marktplatz sind, daran erfreuen können.
Das Archiv der Zukunft ist ein Leuchtturmprojekt, nicht nur wegen der Ästhetik sondern vor allem wegen des Innovationsgehalts des Bauwerks. Wäre es nicht schön, wenn man sich häufiger von der Natur inspirieren lassen würde, mutiger wäre? Wir sehen ja, dass es geht, Ingenieur*innen machen es möglich. GM:Ich finde es auch sehr faszinierend, dass die Lichtenfelser das Projekt als „Spielwiese“ nutzen und dass es entsprechende Akteure gibt, die den Verve haben, das anzupacken, umzusetzen und voranzutreiben.
Es braucht immer Leute, die Willens sind, ein bisschen Risiko einzugehen. Letzten Endes geht es bei diesen Unikaten und neuen Baumethoden immer darum, den Rahmen des Üblichen zu sprengen und mit den Widrigkeiten der neuen Verfahren Hürden zu überwinden. Andere werden sich an Lichtenfels ein Beispiel nehmen und es in weitere neue Ideen überführen.
Mich fasziniert die Tatsache, dass so etwas in einem
Spagat zwischen der Natur, also der „Ursprünglichkeit des Seins“, und den neuen digitalen Methoden geschieht. Digital am Computer zu planen, von CAD über BIM, ist mittlerweile Standard, auch Computersimulationen, um zu berechnen, wo man etwas optimierend verändern muss, sind schon weit verbreitet. Aber mit dem Archiv der Zukunft erleben wir den
Sprung von der Planung zur digitalen Fertigung, also direkt vom 3D-Modell zur Realisierung einer komplexen Struktur. Von hier aus können wir in Zukunft andere innovative Bauwerke denken und herstellen.
„Was begeistert Sie am Haus mit den Weiden?“
Der sicherlich bisher aufregendste Moment war der Einbau der liegend gelieferten, sechs Meter hohen Fensterscheiben in die bereits montierten Rahmen. Dies konnten wir mit moderner Kran- und Hebetechnik gut leisten. Man muss nur penibel drauf achten, dass die Saugbatterien, die die Scheiben mit Vakuumkontakt halten, für die entsprechenden Gewichte ausgelegt sind. Diese Batterien funktionieren mit Gelenken so, dass sie ein liegendes Ansaugen, behutsames Hochheben und In-der-Luft-drehen erlauben, damit die Fenster dann von unseren Monteuren sorgfältig in die Fassadenebene eingefädelt werden konnten.
JOSEF GILCH Geschäftsführer der Metalltechnik Gilch GmbH, verantwortlich für die Glasfassade
Für uns war es außerordentlich spannend, die elegante Architektur dieser ausgeklügelten Treppen mit den einseitig eingespannten, frei auskragenden Metallstufen umzusetzen. Das Archiv der Zukunft ist seit dem Umbau des Stadtschlosses vor dreißig Jahren endlich mal wieder ein richtungsweisendes Projekt im Herzen von Lichtenfels, das die Stadt bestimmt aus ihrem Dornröschenschlaf küsst und auch meiner ganzen Familie etwas bieten kann. Ich als Metallbauer bin extrem begeistert von der Weide und sehr neugierig darauf, zu sehen, wie sie sich in das Ganze integriert!
LORENZ BREHM Metallbauermeister / Fachrichtung Konstruktionstechnik, verantwortlich für das Anfertigen und den Einbau der Innentreppen sowie weitere Metallbauarbeiten
Mit seiner Glasfassade hebt sich das Archiv der Zukunft neu und modern von den anderen Gebäuden am Marktplatz ab und sticht sofort ins Auge. Anders verhält es sich mit den Elektroinstallationen: Natürlich sind die Leuchten zu sehen. Aber alle anderen Betriebsmittel – Schalter, Thermostate, Steck- und Netzwerkdosen – verschwinden hinter der Wand, in der Decke, in den Tischen. Genau dieses „Unsichtbar-Machen“ stellt für uns den handwerklichen Reiz dar. Es setzt einiges mehr an Planungsarbeit voraus und erfordert eine exakte Durchführung. Und dadurch wird schon in der Bauphase vorgelebt, worauf ich nach der Fertigstellung des Archivs der Zukunft so gespannt bin: Die Arbeit an neuen Ideen und unkonventionellen Lösungswegen!
ANDREAS SCHERZER Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik bei der Firma Puels & Schuberth Fernmelde und Elektrotechnik GmbH
Die aktuellen Naturereignisse lassen den Klimawandel nicht mehr leugnen. Der effiziente Umgang mit Energie ist wichtiger denn je, auch in der Baubranche. Und daher wird das Archiv der Zukunft nicht nur von außen ein Blickfang, sondern zeichnet sich auch durch eine sinnvolle Gebäudetechnik aus. Die Vorlauftemperatur des Heizsystems ist entscheidend: je niedriger desto besser. Mit entsprechend großen Heiz- und Kühlflächen und durch Wärmerückgewinnung beim Lüftungssystem wird ein Maximum an Energie eingespart. Atmosphärisch begeistert mich das Untergeschoss, wo die im Rohzustand belassenen Betonbohrpfähle kombiniert mit einer indirekten Bodenbeleuchtung einen ungewöhnlichen, archaischen Eindruck erwecken werden!
RALF GRIESSHAMMER Mitarbeiter der Schwender Energie- und Gebäudetechnik GmbH & Co. KG
„Was begeistert Sie am Haus mit den Weiden?“
Die Faszination bei diesem Gebäude liegt in dem Mut, etwas Neues zu entwickeln. Aus bauphysikalischer Sicht ist es mit seinen raumgestaltenden Materialien Stahl, Glas und Beton sehr anspruchsvoll: Für das Wohlfühlen im Raum ist es gelungen, die Waage zwischen Öffnung und Schutz so zu erfüllen, dass den Menschen, die sich dort aufhalten werden, der beste Komfort geboten wird.
HARRIET DITTMER Ingenieurin für Bauphysik, Auditorin für nachhaltiges Bauen (DGNB), Baubiologin IBN
Für uns ganz außerordentlich war die Ausführung der Decke über dem Kellergeschoss, bei der die Untersicht in Sichtbeton ausgeführt wurde. Diese Decke ist bis zu 48 Zentimeter stark und besteht aus 105 Kubikmetern Splittbeton. Anspruchsvoll war hier natürlich die Betonverdichtung mit solch einem hohen Bewehrungsgrad. Denn darin verbaut sind 40 Tonnen Bewehrungsstahl und 2.130 Dübelleisten als Schubbewehrung um die drei Einbauteile – jedes etwa 3,5 Tonnen schwer – herum, in denen die Weidenbaumstämme gründen. Die Lichtenfelser Innenstadt erhält mit diesem besonderen Bauwerk einen speziellen Glanz, und ich würde mir wünschen, dass es als Vorbild für weitere Baumaßnahmen dient.
VOLKER KRÄNZLE Polier bei der Firma Dechant Hoch- und Ingenieurbau
Es ist sehr ambitioniert, etwas so Modernes und Außergewöhnliches in diese gewachsene Nachbarschaft einzufügen. Ich finde aber, man muss auch mal mutig sein! In diesem Projekt waren beim Spezialtiefbau nicht Mengen, Rekordtiefen oder riesige Durchmesser, sondern der Umgang mit überraschenden historischen Bestandsresten sowie die Sichtbetonanforderungen an die Bohrpfähle die spannende Herausforderung. Ich freue mich schon, das Gebäude betreten und sagen zu können: „Hierzu habe ich einen Teil beigetragen!“ Insbesondere auf den Keller mit seiner Verbindung von Betonpfählen und diesem tollen, alten Gewölbekeller bin ich gespannt. Für das Archiv der Zukunft wünsche ich mir eine reibungslose Fertigstellung und viele neugierige Besucher.
MONA FEILNER Projektleiterin bei der Bauer Spezialtiefbau GmbH
„Was begeistert Sie am Haus mit den Weiden?“
Die Innovationskraft eines Archivs der Zukunft soll in jedem Detail, in jedem Material, in jedem Möbelstück wiederzufinden sein – so gibt es eigentlich nie Standardlösungen, es wird alles individuell geplant. Ein Beispiel hierfür sind die Weiden, die das Gebäude umrahmen. Die Planung läuft seit zwei Jahren, in denen wir viele Materialien getestet, beschichtet, lackiert und auch wieder verworfen haben. Die Zusammenarbeit ist mit allen Gewerken außergewöhnlich: Es wird mit höchster Begeisterung und großem Engagement entwickelt, gebaut und umgesetzt – immer mit dem Ziel vor Augen, ein innovatives und außergewöhnliches Gebäude zu bauen. Ich bin mir sicher, dass diese Begeisterung am Ende in der Strahlkraft des neuen Gebäudes sicht- und spürbar sein wird.
DORIS ASTNER Architektin bei Peter Haimerl Architektur