„Mich fasziniert, dass man in Lichtenfels die Baubionik in ihrer filigranen Struktur, in diesem Fall die Weide, als optische Ikone installiert, und ich beneide die Menschen hier, dass sie sich jeden Tag, wenn sie auf dem Marktplatz sind, daran erfreuen können.“ alles sauber durchrechnet und simuliert, dann kann nach Menschenermessen wenig schief gehen und man kann auch tolle optische Effekte generieren. GM: In Lichtenfels haben wir eine Struktur, die zwölf Meter hoch ist und in ihren Dimensionen einem echten Baum ähnelt. Insgesamt sind es drei Bäume, die der Architekt in Anlehnung an die Weiden konzipiert hat. Das erklärt auch, warum die Funktionalität so sorgfältig untersucht werden muss: Trotz des skulpturalen Aussehens und der Tatsache, dass der Vorbau dekorative Zwecke hat, haben wir es ja nicht mit einem Kunstwerk zu tun, das geschützt in einer Vitrine steht, sondern mit einer öffentlich zu-
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gänglichen Einrichtung auf dem Marktplatz von Lichtenfels, weshalb alle Anforderungen an die Sicherheit von Bauwerken erfüllt sein müssen. Als wir die ersten Konzepte gesehen haben, war schnell klar, dass die filigrane Struktur in ihrem mechanischen Verhalten tatsächlich dem von echten Weiden folgt und sich kräftig verformt, was mich sehr beeindruckt hat. Neben der Betrachtung des stabilen Abtrags des Eigengewichts kommen andere Belastungen hinzu, etwa die Windbeanspruchung. Wir sehen, dass die gedruckten Weiden sich wie echte Bäume verformen, wenn sie vom Wind angeströmt werden. Das war für uns sehr spannend, und wir mussten tief in unsere Methodenkiste greifen, um anhand von Spezialverfahren die Schwingungen bei Windbeanspruchung und daraus die Dimensionen für ein sicheres Tragwerk zu berechnen. TS: Das gibt uns ein enormes Feedback für die Biologie. Sehr viel von dem, was wir in den letzten Jahren besser verstanden haben, kam durch die Zusammenarbeit mit Architekt*innen, Physiker*innen und Ingenieur*innen über die Simulation. Mich fasziniert, dass man in Lichtenfels die Baubionik in ihrer filigranen Struktur, in diesem Fall die Weide, als optische Ikone installiert, und ich beneide die Menschen hier, dass sie sich jeden Tag, wenn sie auf dem Marktplatz sind, daran erfreuen können. Das Archiv der Zukunft ist ein Leuchtturmprojekt, nicht nur wegen der Ästhetik sondern vor allem wegen des Innovationsgehalts des Bauwerks. Wäre es nicht schön, wenn man sich häufiger von der Natur inspirieren lassen würde, mutiger wäre? Wir sehen ja, dass es geht, Ingenieur*innen machen es möglich. GM: Ich finde es auch sehr faszinierend, dass die Lichtenfelser das Projekt als „Spielwiese“ nutzen und dass es entsprechende Akteure gibt, die den Verve haben, das anzupacken, umzusetzen und voranzutreiben. Es braucht immer Leute, die Willens sind, ein bisschen Risiko einzugehen. Letzten Endes geht es bei diesen Unikaten und neuen Baumethoden immer darum, den Rahmen des Üblichen zu sprengen und mit den Widrigkeiten der neuen Verfahren Hürden zu überwinden. Andere werden sich an Lichtenfels ein Beispiel nehmen und es in weitere neue Ideen überführen. Mich fasziniert die Tatsache, dass so etwas in einem Spagat zwischen der Natur, also der „Ursprünglichkeit des Seins“, und den neuen digitalen Methoden geschieht. Digital am Computer zu planen, von CAD über BIM, ist mittlerweile Standard, auch Computersimulationen, um zu berechnen, wo man etwas optimierend verändern muss, sind schon weit verbreitet. Aber mit dem Archiv der Zukunft erleben wir den Sprung von der Planung zur digitalen Fertigung, also direkt vom 3D-Modell zur Realisierung einer komplexen Struktur. Von hier aus können wir in Zukunft andere innovative Bauwerke denken und herstellen.