Im Herbst 2006 gründeten einige engagierte Nürnberger Autoren die Schreiberlinge, eine unabhängige Gruppe für Schriftsteller aus dem Großraum Nürnberg - Fürth - Erlangen. Mit diesem Buch legen sie nun zum ersten Mal einen Querschnitt ihrer Arbeit vor.
Von Wanderern und Brückenfesslern
Lesen Sie die Geschichte vom Wanderer zwischen den Welten, erfahren Sie Interessantes zum Beruf des Brückenfesslers, überschreiten die schmale Grenze zwischen Leben und Tod, oder finden heraus, was ein Drachentöter mit einem fünzehnjährigem Jungen gemeinsam hat. Lassen Sie sich entführen von den Gedichten und Geschichten von Katharina Gade, Peter Hellinger, Doreen Kühne, Gila Pascale, Gabriele Susanne Schlegel, Gerhard Schmeußer und Gabriele Stegmeier.
Von Wanderern und Brückenfesslern Geschichten und Gedichte Nürnberger Autoren
art&words< www.art-and-words.de ISBN 978-3-9813059-1-3 € 6,90 (D)
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Originalausgabe
Herausgegeben von Peter Hellinger
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage August 2009 © 2009 art&words Peter R. Hellinger, Nürnberg http://www.art-and-words.de Umschlaggestaltung: Peter R. Hellinger Umschlagbild: „Sunset Forggensee 5 HDR“ © Erik Krüger http://aboutpixel.de - http://www.kh-solutions.net/ Gesamtherstellung: Pro BUSINESS digital printing Deutschland GmbH, Berlin
ISBN 978-3-9813059-1-3
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Vorwort Der Wanderer Der Augenblick Ich, Brückenfessler AnsichtsSache Wenn du noch weinen könntest Glück ist ein Weg Der Wolf und ich Heavy Metal Einst und Jetzt Nie wieder ohne Lost Die Idioten Abstand Wüsten-Traum Der Maler Ohne Titel Inhouse Pipelines Mein Kind Nie! Scherben Neuer Mut Der Kaktus Zyklus Seemannsgarn Das Unverzichtbare Enttäuschung Winternacht Tyke und die Leiter Radikal
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Inhalt 9 11 15 17 21 23 27 31 33 37 39 43 45 51 55 57 59 61 65 67 71 71 73 77 79 83 85 91 93 101
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Drachentöter Stirb und Werde! Ein Geschenk zu viel Kälte Schwarz und Weiß Wie die Klingonen Sehnsuchts-Routen Koma Neue Wege Lágrimas Negras Zu weit weg Neulich in der Kantine Vollmondnacht Die Lichtung Kurzbiografien
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Gabriele Susanne Schlegel
Der Wanderer
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Beltran’s langer Kriegerzopf tanzte auf seinem Rücken im Wind. Er hatte sich die langen Lederriemen um die Handgelenke gewickelt, nur Kinder benutzten den Haltegurt am Sattel. Unter ihm breitete sich die weite Steppe des Graslandes aus und das silberblaue Band des Lier wand sich vom Westen her kommend auf die fernen Wälder zu. Jetzt war es nicht mehr weit bis zur Baumstadt Jadeel, seiner Heimat. Die Schuppen seines Flugdrachens glänzten golden im Licht der Nachmittagssonne und Beltran lenkte ihn im sanften Bogen nach Westen, wo er bereits die riesigen Bäume erkennen konnte. Die Nester des Drachenhorstes im Gipfel des Mittelbaumes sahen von Weitem wie riesige Blüten aus. Der Drache, der die Nähe der Heimat spürte, brauchte nun keine Führung mehr. Er legte die ledrigen Flügel an und stürzte auf die Landeplattform zu. Kurz bevor seine mit Krallen bewehrten Füße den Boden berührten, öffnete er die Flügel mit lautem Knallen. Beltran spannte die Muskeln, um den Stoß abzufangen, dann sprang er von dem goldenen Rücken. Er grinste den beiden herbeieilenden Jungs zu. „Ihr wisst doch, dass ich Rink selbst absattle. Seht lieber zu, dass ihr sein Futter bereitlegt!“ Die beiden Drachenjungen rannten davon, flink kletterten sie die Leiter zu den Drachenhorsten hoch.Der Drache beugte seinen großen Schädel zu seinem Herren, sodass dieser ihn hinter den Ohren kraulen konnte. „Schlaf gut, Rink“ flüsterte ihm Beltran ins Ohr. Der Drache breitete seine großen Flügel aus und flog in sein Nest aus dicken Ästen und Blattwerk, das sich auf einer Astgabel des mittleren Baumriesen befand. Bedauernd sah Beltran dem Drachen nach. Er wäre gerne weiter auf Rinks Rücken geflogen, weiter bis zum Horizont, bis zum Zinnengebirge, Gipfel im ewigen Schnee. Die Berge, der Schnee zogen ihn an, erinnerten ihn an eine andere Welt. Er schüttelte den Kopf.
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Doreen Kühne
Der Augenblick
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Doch er kehrt zurück, Stück für Stück. Vernebelt meine Sinne, denen ich nicht entrinne.
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Er streift meine Gedanken und bringt mich ins Wanken. Er kommt und geht; wird vom Wind verweht.
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Meine Gedanken er treibt und nicht stehen bleibt. Im Innern er wohnt, sich mit Unruhe belohnt.
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Mich nachdenklich macht, was Verletzlichkeit entfacht. Mir Verzweiflung schickt, an der man erstickt. Entscheidungen jener Augenblick verlangt, zu denen man sonst nicht gelangt, denn seine Kraft bezwingt den Willen, der sonst bestimmt im Stillen.
Erschienen in „Frankfurter Bibliothek, Jahrbuch für das neue Gedicht 2008“ 15
Gerhard Schmeußer
Ich, Brückenfessler
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Mein Beruf ? Ich bin Brückenfessler. Ich wusste, dass sie noch nie davon gehört haben. Lassen Sie mich erklären, worum es dabei geht. Ich bin der größte Brückenfessler aller Zeiten. Die Golden Gate bei San Francisco, die Karlsbrücke in Prag, die Tower Bridge in London. Ich habe sie gebändigt, habe ihren Willen gebrochen. Nur wegen mir sind sie noch da. Aber nicht nur sie. Nicht zu reden von den unzähligen Unbedeutenden, über die man hinweg fährt, ohne dass es einem richtig bewusst wird. Sie schauen mich ungläubig an. Ja, Sie haben richtig verstanden, wir Brückenfessler fesseln Brücken. Im wahrsten Sinne des Wortes. Warum? Wissen Sie, Brücken laufen oft nachts heimlich davon. Nicht alle tun es, es ist schwer vorherzusagen. Es kommt darauf an, wann es ihnen zu viel wird. Manchmal sind es Monate, manchmal Jahre, oft sind es Jahrzehnte. Die Steinerne Brücke bei Regensburg hat über 800 Jahre durchgehalten, bevor sie sich davonmachen wollte. Ja, sie haben recht, dass es verrückt klingt, aber es ist eine wenig bekannte Tatsache, eher ein Phänomen. Aber kein Unerklärbares – zumindest was die Motive der Brücken angeht. Ich weiß, die übliche Denkweise ist, Brücken sind nicht lebendig. Ich kann nicht beweisen, dass sie lebendig sind, aber ich glaube es. Brücken sind etwas Besonderes. Wissen Sie, jede Brücke ist anders. Brücken sind Individuen. Oder kennen Sie zwei gleiche Brücken? Die Größe? Nein, die Größe ist nicht entscheidend. Entscheidend ist der Charakter. Am interessantesten, und das haben Brücken mit den Frauen gemeinsam, sind ihre Beine. Da gibt es die plumpe Steinbrücke, ein gutmütiger Trampel. Steinbrücken reißen eher selten aus. Ganz anders dagegen elegante Betonbrücken. Äußerlich geben sich Betonbrücken glatt und kühl, aber innerlich stehen sie unter der Spannung des Stahlkorsetts. Das macht sie sozusagen heiß.
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Gila Pascale
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Als junger Mensch war Heimat mir ein angestaubtes Wort ich wollt nicht bleiben, spüren, staunen ... ich wollte fort – nur fort. Nun, da ich älter bin, wird mir erst klar dass Heimat innen ist, dort, wo sie immer war.
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AnsichtsSache
Erschienen in „Die Worte finden mich“, Gila Pascale, art&words, 2009 21
Peter Hellinger
Wenn du noch weinen könntest
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Es ist wie in diesen kitschigen amerikanischen Fernsehserien: Du siehst dich dort liegen, und dein Leben läuft aus dir heraus, eine dunkelrote Pfütze, und du denkst dir, so ein riesen Loch in der Brust, das muss doch wehtun. Aber es tut nicht weh, und du machst dir Sorgen, wie du die Flecken aus deinem Lieblingshemd kriegen sollst, und wie du deiner Frau erklärst, dass du heute schon wieder zu spät nach Hause kommst, und sie das Bier riechen wird, hoffentlich nur das Bier und nicht das Parfüm. Dann wird dir plötzlich klar, dass du schwebst, und du überlegst, wie zum Teufel das möglich ist, und dann erinnerst du dich: Erinnerst dich an das Gesicht der Frau, neben der du 12 Jahre lang jeden Morgen aufgewacht bist, die Frau, die plötzlich vor dir steht. Aus ihren Augen laufen Tränen, verschmieren die Wimperntusche und ziehen schwarze Spuren über die Wangen, die du früher so gerne gestreichelt hast. Und dir wird klar, dass es diesmal kein „Schatz, heute war es wieder länger im Büro“ gibt, und kein „Ich geh noch schnell duschen“, damit sie nichts merkt; denn sie steht da und starrt dich an, dich und die kleine Blondine aus der Poststelle neben dir. Starrt mit diesen weit aufgerissenen Augen und den schwarzen Spuren im Gesicht, und für einen Moment bist du völlig allein mit ihr, obwohl die Bar voller Menschen ist. Du schaust in ihre Augen, die einmal die Schönsten für dich waren, doch heute nur noch Augen sind. Du suchst nach diesem Feuer, das früher einmal da war, hoffst auf einen Funken, aber da sind nur Tränen und du stellst fest, dass hinter diesen Tränen keine Liebe mehr ist, sondern nur Schmerz und Wut; und du fragst dich, was geschehen ist: mit ihr, mit dir und mit der ganzen verdammten Welt. Du überlegst, ob es einmal eine gegeben hat, eine von diesen vielen Frauen, eine, die dich berührt hat, die deine Seele berührt hat,
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Gabriele Stegmeier
Glück ist ein Weg kein Ort, an dem man verweilen kann Ein Märchen
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Ein langer Weg durch den Wald begann für ihn. Er dachte nicht darüber nach warum, es war eben so. Manchmal fiel ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach und zuckte wie ein Blitz vor seinen Augen auf. Es war angenehm warm, und er war des Wanderns noch nicht müde. Das Geräusch seiner weit ausgreifenden Schritte wurde vom Moosboden gedämpft. Schön war es im Wald, im Sommer immer. Alle Bäume standen in vollem Grün, und das Singen der Vögel stimmte ihn so fröhlich, dass er vor sich hinpfiff. Unbeirrt folgte er seinem Weg, bis es dämmerte. Die Schatten wurden länger, und er beeilte sich den Bach zu erreichen, dessen lustiges Murmeln er schon seit einiger Zeit hörte. Dort richtete er auf dem weichen Moos sein Lager, aß von der mitgebrachten Verpflegung und trank von dem kühlen Wasser des Baches. Er sah die Sterne über sich blinken und legte sich geschützt von dem Blätterdach hin. Beruhigt schlief er ein. Mitten in der Nacht schreckte er hoch. Schreie, die einem durch Mark und Bein gingen, hatten ihn geweckt. Er brauchte einige Zeit, um sich an die Umgebung zu gewöhnen, die ihm ganz neu erschien. So, als hätte er sich an einem friedlichen Platz zum Schlafen gelegt, um in einem Chaos zu erwachen. Er zitterte vor Kälte, seine Zähne schlugen aufeinander. Als er nach oben blickte, drohten ihm die sturmgepeitschten Äste. Sie wogten auf und nieder und spreizten sich. Blätter flogen ihm ins Gesicht, und Schilfgras zerschnitt ihm die Hände. Am Himmel war kein Stern mehr zu sehen, nur gespenstisch schwaches Mondlicht beleuchtete die Szene. Wolkenfetzen wurden vorüberge-
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Katharina Gade
Drachentöter
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Eine ruhige Hand führte das Taschenmesser. ‚Erzengel’ – rote, schmerzhafte Buchstaben zogen sich nun über einen blassen Unterarm. Irgendwann einmal hatte Michael ein Bild seines Namenspatrons in einem Buch gesehen. Michael – Kriegerischster unter allen Erzengeln und ein Drachentöter. Er war mit Rüstung und Schwert dargestellt gewesen, wie er auf den Drachen einschlug, „... die alte Schlange, die da heißt Satanas ...“ Dieser eine Satz, ein letztes Überbleibsel aus dem Konfirmandenunterricht, schob sich plötzlich in sein Gedächtnis. Michael schnaubte verächtlich. Er hatte sich eigentlich immer für einen Realisten gehalten und glaubte daher weder an die Existenz eines allmächtigen Gottes noch des Teufels. Und trotzdem hatte er jetzt gelernt, dass es diese Schlangen in der Realität manchmal sehr wohl gab, in allen Farben und Formen. Ohne Schuppen und nicht als solche zu erkennen, umschmeichelten sie dich mit aufmunternden Worten und freundlichem Gesicht. Fast ehrfürchtig fuhr er sich mit dem Finger über die, nun in seine Haut eingeritzten, Zeichen. Der brennende Schmerz war willkommen und wohlvertraut. Seltsam, dass niemandem bisher die merkwürdigen Gemälde auf seinem Unterarm aufgefallen waren. Obwohl er glaubte, dass die Gabor sehr wohl etwas bemerkt hatte, als er sie vor zwei Wochen bei einer, neuerdings unerlaubten, Raucherpause nachmittags auf dem Schulhof überrascht hatte. Michael hatte sich wieder einmal ganz nach hinten auf den Schulhof verzogen, um allein zu sein, weitab von seinen Freunden, seinen Eltern und irgendwelchen lästigen Fragen und nicht zuletzt seinen Erinnerungen, die ihm jedoch mühelos überallhin zu folgen schienen. Die Kopfhörerstöpsel seines neuen MP3-Players in den Ohren hatte er sein Taschenmesser herausgeholt, während „Die Ärzte“ in seinen Ohren dröhnten. Er war so in seinen Gedanken versunken
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Von Wanderern und Brückenfesslern Geschichten und Gedichte Nürnberger Autoren
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