henschel Schauspiel Stückeheft 2014

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St端cke 2014

Neuerscheinungen bei henschel SCHAUSPIEL



St端cke 2014

Neuerscheinungen bei henschel SCHAUSPIEL

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Redaktionsschluss: 18. September 2013 Gestaltung: Jana Weiz, Berlin (www.artain.de) Illustration Umschlag: © Franziska Schaum, Berlin (www.schaum.tv) Illustration S. 36: © Manon Gauthier henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Alte Jakobstraße 85/86, Aufgang 7 10179 Berlin Telefon +49 (0)30 44318888 Telefax +49 (0)30 44318877 verlag@henschel-schauspiel.de www.henschel-schauspiel.de www.facebook.com/henschel.Theaterverlag 2


Inhalt

Josep Benet i Jornet

Begehren

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Werner Buhss

Ödipus Taschenspieler

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Henriette Dushe

In einem dichten Birkenwald, Nebel

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Henriette Dushe

Lupus in Fabula

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Aïat Fayez

Fremdkörper

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Rodrigo García

Golgatha Picknick

10

Georgi Gospodinov

Die Apokalypse kommt um 6 Uhr abends

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Jewgeni Grischkowez

Abschied vom Papier

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Fritz Kater

5 morgen

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Thomas Martin

Der Sandmann

14

J. M. Miró i Coromina

Das archimedische Prinzip

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Markus Orths

Die Entfernung der Amygdala

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Markus Orths

Das Zimmermädchen

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Pere Riera

Unter Verschluss (AT)

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Torsten Schulz

Nilowsky

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Biljana Srbljanovi´c

Dieses Grab ist mir zu klein

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Sarah Trilsch

Über uns die Lichter

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Lothar Trolle

Judith

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Lothar Trolle

Sie leben! Sie leben! Sie leben noch immer!

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Marijana Verhoef ´Cosi´c

Amsterdam

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Marijana Verhoef ´Cosi´c

Playboy

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Iwan Wyrypajew

Betrunkene

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Felicia Zeller

Die Welt von hinten wie von vorne

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Inhalt

Kinderstücke Peter Dehler

Der gestiefelte Kater

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Hartmut El Kurdi/ Wolfram Hänel

Zwerge versetzen oder Der Goldschatz am Ende des Regenbogens

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Rudyard Kipling/ Bernd Heiber

Das Gesetz des Dschungels

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Kilian Leypold

Tante Tiger

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Claudia Schreiber

Oben Himmel unten Gras

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Bernhard Studlar

Bis später

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Yellow Umbrella

Der Reggaehase BOOOO

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Soeren Voima

Der kleine Muck

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Gorki/Buhss

Jegor Bulytschow

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Platonow/Weien

Die Dummköpfe von der Peripherie

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Klassiker

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Josep Maria Benet i Jornet Begehren

(Desig) Aus dem Katalanischen neu übersetzt von Alia Luque und Susanne Meister 2 D, 2 H

Zwei Paare. Der Ehemann, Sie, Der Mann, Die Frau. Ein einsames Haus im Wald. Ein Telefon, das klingelt, aber niemand meldet sich. Eine Autopanne am Straßenrand. Eine seltsame Begegnung in einer Bar. Mit analytischem Interesse seziert Benet i Jornet die Beziehungen und emotionalen Verstrickungen seiner vier namenlosen Figuren und ihre zwanghafte Suche nach einer Utopie des „absoluten Glücks“. „Begehren“ ist eine Reise in die dunklen Bereiche der Seele und ein beunruhigendes Verwirrspiel um Projektion und Erinnerung, Realität und Obsession: „Aus sehr wenigen, sorgsam dosierten Bestandteilen webt Benet i Jornet eine dunkle, leidenschaftliche Verwicklung, entwirft einen labyrinthischen Weg, der unumkehrbar ins Herz der Begierde führt. Es ist eine mehrdeutige Wegstrecke durch das Bewusstsein und die Erinnerung von vier Personen, die weder Sieger noch Besiegte sind ...“, so Sergi Belbel, Regisseur der Uraufführung. Stört es Sie, dass ich Ihnen so intime Dinge anvertraue?

Erstaufführung der Übersetzung: 15.12.2012, Thalia Theater Hamburg, Regie Alia Luque

J O S E P M A R I A BE NE T I J O R NE T geboren 1940 in Barcelona. Benet i Jornet ist einer der wichtigsten katalanischen Autoren der Gegenwart. 2013 erhält Benet den 45. Premi d’Honor de les Lletres Catalanes, eine der populärsten Auszeichnungen für katalanische Autoren.

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Werner Buhss Ödipus Taschenspieler

6 D, 9 H (Doppelbesetzung möglich)

Das Gerücht wird Gewalt, wenn genügend Menschen es für eine Nachricht halten. König Ödipus ist Stadt- und Stammtischgespräch, noch bevor ihn der Schmerz wirklich erreicht hat. Seine Frau-Mutter hat sich erhängt, die Söhne rüsten zum Bruderkrieg, seine Töchter werden nicht auf Liebhaber in Theben hoffen dürfen. Ihr Vater-Bruder kann in kein Gesicht mehr blicken. Chöre singen seine Blutschande. Ob Onkel-Schwager Kreon dafür sorgte oder der blinde Seher Theresias oder die Sensationslust seines einstigen Volkes. In Theben ist kein Bleiben mehr für ihn. Ödipus reißt sich die Augen aus dem Kopf und zieht mit seiner Tochter und trotzigen Halbschwester Antigone in die Wüste. Dort verfolgen ihn Erynnien und die Aussätzigen wollen von ihm nicht infiziert werden. Was kann ein so gestürzter Mann tun, um Wahrheiten zu ergründen und die nach dem Rufmord folgenden Kriege zu verhindern? Mit Sohn-Halbbruder Polyneikes gegen seine Heimatstadt ziehen oder sich von Kreon als Schutzschild vor Thebens Tor spannen lassen? Mit dem blinden Seher fechten? Mit den toten Augen jonglieren? Asyl suchen? Werner Buhss hat den antiken Stoff als eine radikale Fami­lienaufstellung mit empathischem Spott weiterentwickelt. Die Szene ist ein Strand ohne Meer.

W erner B uhss geboren 1949 in Magdeburg, Dramatiker, Übersetzer, Hörspielautor und Regisseur. Bearbeitungen und Übersetzungen klassischer und moderner Dramatik. Seit Mitte der 90er Jahre entstehen seine viel gespielten Shakespeare-Neuübersetzungen.

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Henriette Dushe IN EINEM DICHTEN BIRKENWALD, NEBEL

3 D, 3 H

Das Drama beginnt mit drei Männern, die buchstäblich aus ihren Rollen fallen: Der erste erkennt von einer Sekunde auf die andere die eigenen Kinder nicht mehr, dem nächsten versagen nach dem Urlaub beim Versuch, sein Büro zu betreten, die Beine den Dienst, beim dritten löst ein Autounfall den Zusammenbruch aus. Da schälen sich drei Frauen unterschiedlichen Alters aus dem Nebel. Im Zwiegespräch erfinden sie sich eine gemeinsame Geschichte oder stehen als Ärztinnen dem Chor der Burnout-Patienten bei. Gemeinsame und einsame Versuche an individuellen und gesamthistorischen Knotenpunkten dem Leben einen tieferen Sinn abzugewinnen, misslingen durchweg. Jede Biografie ist nicht mehr als ein bloßer Reflex auf gesellschaftliche Umstände. Und auch die vielbeschworene Liebe zwischen Mann und Frau endet irreparabel auf einer staubigen Straße gen Süden. „IN EINEM DICHTEN BIRKENWALD, NEBEL“ ist ein janusköpfiges Portrait der zum Mauerfall erwachsen gewordenen Ost-West-Generation und ihrer gemeinsamen Auflösung im kapitalistischen Wertekanon. Und eine melancholische Elegie auf die Begrenztheit und Endlichkeit des menschlichen Lebens. Wir sind doch keine Affen, verdammt noch mal.

Ausgezeichnet mit dem J.M. R. Lenz-Preis für Dramatik der Stadt Jena 2013

HE N R I E T T E D U S HE geboren in Halle/Saale, aufgewachsen in Leipzig und Braunschweig. 2002 bis 2011 Dramaturgin und Co-Autorin beim freien Autoren- und Schauspielkollektiv unitedOFFproductions. Von 2011 bis 2013 studiert sie Szenisches Schreiben an der uniT Graz. Henriette Dushe lebt in Berlin.

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Henriette Dushe LUPUS IN FABULA

3D

Drei Schwestern am Sterbebett des Vaters. „Papa?, Papa!, Papa?“, rufen sie ihn immer wieder an, doch die väterliche Autorität als prägende Instanz ihrer Leben ist im Verschwinden begriffen und wirft die drei in unterschiedlicher Weise auf sich selbst zurück. Die Älteste, als aufopferungsvolle Pflegerin, formuliert und feilt an ihrer Grabrede, die Jüngste plagt sich mit ihrer beruflichen wie privaten Erfolglosigkeit, die Mittlere legt ihr Neugeborenes als lebendigen Beweis der Schöpfung neben den siechenden Vater. Um seinem herannahenden Tod etwas entgegenzusetzen, imaginiert sie sich und ihre zwei Schwestern in verschiedener Tier- und Menschengestalt in wechselnd-spröde Landschaften. Dem Alltag entrissen durchleben die drei Schwestern eine Zeit ohnmächtigen Stillstands, in der die eigenen Gedanken um so lauter Lärm schlagen und sich manchmal aus dem Nichts ein Lachen Bahn bricht. „LUPUS IN FABULA“ ist ein ganz diesseitiges Stück vom „Über“-Leben im Angesicht des Todes. (Ausgezeichnet mit dem Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2013) Der Tod ist eine blöde Sau.

UA: 25.04.2014, Theater Heidelberg, Regie Alexander Nerlich

Weitere Auszeichnungen: 2009 Retzhofer Dramapreis für „MENSCHEN BEI DER ARBEIT“ (UA 2010 am Schauspiel Chemnitz); 2010 Werkstattinszenierung von„SPRACHLOS DIE KATASTROPHEN IM BEREICH DER LIEBE“ am Staatstheater Mainz

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Aïat Fayez Fremdkörper

(Les Corps étrangers) Aus dem Französischen von Claudius Lünstedt 8 D, 12 H, 2 K (Doppelbesetzung möglich)

Auf einer Ausländerbehörde versucht eine Sachbearbeiterin den Strom der Antragsteller in den Griff zu bekommen. Bei einem romantischen Dinner gesteht eine Französin ihrem Mann ihre Lust, sich von einem Araber sexuell erniedrigen zu lassen. Irgendwo in Afrika versucht eine Mutter, eine Passage für ihre beiden Kinder nach Europa zu organisieren. Ein Kommissar in Paris tötet in Serie Migrantinnen, bis er selbst zum Opfer seiner Perversion wird. In vier Episoden erzählt Aïat Fayez von der Festung Europa und der post-kolonialistischen aber nicht minder selbstherrlichen Arroganz seiner Bewohner und von den Anderen, den Fremden, die sich bis zur Auflösung ihrer Ursprungsidentität verbiegen müssen, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Das Stück dekliniert sie durch, die komplizierten Prozeduren zur Kontrolle der Einwanderung, die versteckten und offenen Alltagsrassismen, die brutalen Auswüchse illegalen Menschenhandels. Ein schneidender Blick auf westliche Asylpolitik, der die Würde vieler Menschen wenig gilt. Kein Schiffbruch. Null Tote. Niemand ertrunken.

A ï at Fayez geboren 1979 ist Theaterautor und Romancier. Er studiert Philosophie in Paris, verlässt aber 2010 aus Protest gegen die rassistische Ausländerpolitik Frankreich. Nach Aufenthalten in Berlin, Oxford und Erfurt lebt er heute in Wien. „Les Corps étrangers“ wird 2012 an der Comédie de Reims in der Regie von Ludovic Lagarde uraufgeführt. 9


Rodrigo García Golgatha Picknick

(Gólgota Picnic) Aus dem Spanischen von Klaus Laabs Besetzung variabel

Am Anfang war das Wort. Das Wort Gottes hat den gefallenen Engel seiner Existenzberechtigung beraubt, ihn arbeitslos gemacht. Was soll Satan auf der Erde, wo doch alles Böse, das er dem Menschen bringen könnte, dieser bereits erfunden hat? Er verbleibt lieber im freien Fall und betrachtet die Ereignisse aus kontemplativer Distanz. Krieg, Kindesmissbrauch, obszöner Konsum, Armut und Hunger wüten seit jeher auf der Welt, und die Menschheit kommt bestens damit zurecht, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Altes wird zwar zerstört, niedergerissen, revolutioniert und modernisiert — doch das Neue wird immer auf dem Fundament des Hasses, Schmerzes und der Zerstörung gebaut. Als Wegweiser ins Verderben dient die christliche Ikonographie, die Abbildung des Leidenswegs und der Kreuzigung Jesu, die den Menschen mittels des Evangeliums der Liebe makabre Gewalt lehrt. Einmal mehr rechnet García mit der christlich-westlichen Zivilisation ab, mit einem Text voll spekulativer und assoziativer Kraft, der den Leser ohne Antworten und ohne Heilsversprechen zurück lässt. Chaos säen kann ich nicht: Das habt ihr schon getan.

R odrigo G arc í a geboren 1964 in Buenos Aires, arbeitet als Bote, Schlachter, Gemüsehändler und Werbetexter, bevor er sich dem Theater widmet. Gründung der Gruppe „La Carnicer­ía Teatro“ in Spanien. Garcías Theaterarbeit zeichnet sich durch wütende Texte und extreme Körperlichkeit aus. Sein Werk ist in viele Sprachen übersetzt, seine Inszenierungen regelmäßig zu renommierten Festivals eingeladen. 10


Georgi Gospodinov Die Apokalypse kommt um 6 Uhr abends (Apokalipsisut idva v 6 veˇcerta) Aus dem Bulgarischen von Henrike Schmidt 2 D, 4 H, 1 K

Die Einwohner einer europäischen Kleinstadt durchleben den Schrecken ihrer persönlichen Apokalypse jeden Abend kurz vor den Sechs-Uhr-Nachrichten. Das ist die Minute, in der ein unsichtbarer Heckenschütze immer wieder scheinbar willkürlich Menschen erschießt. Angst breitet sich aus, die Menschen sind wie gelähmt. Jeder verdächtigt jeden, könnte Täter oder Opfer sein. Doch es passiert auch noch etwas anderes in dieser dämonischen Stunde, um sechs Uhr abends. Sie wird zu einem Moment der plötzlichen Offenbarungen und Abrechnungen, Geheimnisse treten zu Tage, verborgene Gefühle bekommen Raum. Ein Akkordeonspieler sieht dem allgemeinen Treiben der verängstigten Bevölkerung zu, kommentiert es und begreift ebenso wie der Geschichtensammler, den er beobachtet: Wir leben, solange wir erzählen, und das ist unsere Chance. Das Ende der Welt ist manchmal eine sehr persönliche und alltägliche Sache.

G eorgi G ospodinov geboren 1968 in Jambol, Bulgarien. International bekannt wird er mit dem Werk „Natürlicher Roman“ (dt. 2007). Seine Theaterstücke werden weltweit inszeniert. 2010 erhält er den Asker-Preis für „Die Apokalypse kommt um 6 Uhr abends“ als bestes Theaterstück des Jahres. Georgi Gospodinov lebt in Sofia.

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Jewgeni Grischkowez Abschied vom Papier

(Proˇsˇcanie s bumagoj) Aus dem Russischen von Stefan Schmidtke 1H

Den ganzen Abend sitzt er am Schreibtisch in seinem Zimmer, umgeben von einer ausgedienten Schreibmaschine, Büchern und stapelweise Papier. Dokumente aus vordigitalen Zeiten: Notizzettel, Postkarten, Briefe. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge dekliniert er es durch, das unaufhaltbare Verschwinden von überflüssig gewordenen Wörtern wie „Telegramm“ und „Handschrift“ und erinnert Kindheitserlebnisse, die es ohne die Existenz von Löschblatt und Tintenklecks nicht gegeben hätte. Mit heiterem Bedauern konstatiert er das Unsinnliche elektronischer Informationsträger und vollzieht ihn doch selbst Schritt für Schritt: den „Abschied vom Papier“. Grischkowez, dessen Theatertexte die Kritik humorvoll als „öffentliche Plauderei mit intimsten Offenbarungen“ bezeichnet, hat einen feinsinnigen Monolog über die heutige Informations- und Kommunikationswut geschrieben, in der der einzelne Gedanke kein Gewicht mehr hat. Ein elektronisches Dokument ist ohne Spuren des Kampfes um jeden Gedanken ...

J ewgeni G rischkowez geboren 1967 in der sibirischen Stadt Kemerowo, ist Schauspieler, Regisseur, Theater- und Prosaautor. International bekannt wird er 1998 mit seinem Stück „Wie ich einen Hund gegessen habe“. Neben weiteren Monologen („Der Planet“, „Dreadnoughts“) entsteht 2002 auch sein erstes Mehrpersonenstück „Die Stadt“. Jewgeni Grischkowez lebt in Kaliningrad. 12


Fritz Kater 5 morgen

(life is a remix) 3 D, 2 H

Eine Explosion in der Innenstadt, weißer Puder rieselt auf die Erde und bedeckt die Körper. Ein Virus? Ein terroristischer Anschlag? Die Apokalypse? August, gescheiterter Ehemann und erfolgloser Autor, flüchtet sich in seinen Heimatort, dort trifft er auf die Studentin Missy, die ihn mit seinen Lebenslügen konfrontiert. Paul, katastrophenfilmgeschulter IT-Experte, verbarrikadiert sich in seinem Haus und verwehrt sogar seiner Frau Loretta aus Angst sich anzustecken den Zutritt. Augusts Exfrau Julia, eine nüchterne Ärztin, hält der sie umgebenden Panik analytischen Sachverstand und professionelle Empathie entgegen. In drei exemplarischen Paarkonstellationen untersucht „5 morgen“ was passiert, wenn eine Katastrophe nicht mehr aus einem weit entfernten Teil der Welt oder als Blockbuster über die Bildschirme flimmert, sondern real stattfindet und der Kampf ums Überleben beginnt. Im Gegensatz zur Illusionsmaschine Hollywoods taugt der Faktor X jedoch nicht zur Katharsis, sondern treibt den Narzissmus der Figuren auf die Spitze. ich möchte mein kopf wie ein pferd in den futtersack stecken

UA: 26.10.2013 Staatstheater Stuttgart Schauspiel, Regie Armin Petras

F ritz K ater geboren 1966 in Bad Kleinen (Mecklenburg-Vorpommern). Umzug nach Ost-Berlin, Abitur, anschließend Wehrdienst in der NVA und Lehre als Fernsehmechaniker. 1987 Ausreise in die BRD. 1990 Rückkehr nach Berlin. 2003 Mülheimer Dramatikerpreis für „zeit zu lieben zeit zu sterben“. 2008 erhält er den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis für sein Gesamtwerk. 13


Thomas Martin Der Sandmann

Schauermärchen nach E.T.A. Hoffmann und Oskar Panizza 3 D, 6 H

Schlagartig sind die Schrecken seiner Kindheit wieder wach, als der Student Nathanael glaubt, in dem Wetterglashändler Coppola den grausigen Advokaten Coppelius zu erkennen. Ein furchterregender Mann, der für ihn das böse Prinzip schlechthin verkörpert. Nicht nur war er „Der Sandmann“, der Kindern die Augen ausreißt, sondern auch derjenige, der den Tod des geliebten Vaters zu verantworten hat. Nathanael versinkt in düsteren Träumen und wirren Phantasien. Sein Haus verbrennt, die Verlobte Clara wird für ihn zu einem Automaten. Hingegen fällt er in Liebe zu Olimpia, einem formvollendeten Produkt der Menschenfabrik, in der Klone aller Art fabriziert und unter die Menschen gemischt werden. Kunstwelten, Alpträume, Räusche, hellsichtiger Wahnsinn und unfassbare Realitäten. Thomas Martin hat E.T.A. Hoffmanns schwarzromantisches Schauermärchen und Oskar Panizzas utopischen Horrortrip „Die Menschenfabrik" (1890) in diesem zeitnahen Endspiel souverän montiert. Kannst du dich denn nicht erinnern? An den Sandmann, Mutter, den SANDMANN! Erinnere dich!

UA: 07.12.2012, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Regie Sebastian Klink

THOMAS MARTIN geboren 1963, schreibt Lyrik, Prosa, Essays, Hörspiele und Stücke. Bearbeitungen klassischer Stoffe u.a. „Schwarze Fahnen“ nach Strindberg, „Krähwinkelfreiheit“ nach Nestroy oder „Leben und Sterben der Semiramis oder Calderóns Tochter der Luft“.

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Josep Maria Miró i Coromina Das Archimedische Prinzip

(El Principi d'Arquimedes) Aus dem Katalanischen von Nicola Tuschwitz 1 D, 3 H

Jordi, ein unbeschwerter junger Mann Ende 20, ist Schwimmlehrer und unterrichtet Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren. Er ist mit sich selbst, seinem Beruf und der Welt im Reinen, bis eines Tages die Garderobe des Schwimmbades erst zum Verhörraum, dann zum Gefängnis für Jordi wird. Ein Vater beschwert sich bei Anna, der Bademeisterin, dass ein Mädchen aus der Gruppe beobachtet hätte, wie Jordi einen Jungen auf den Mund geküsst hat; nun macht sich der Mann Sorgen um seinen Sohn. Noch bevor Anna mit Jordi darüber sprechen und sich zu dem Vorwurf verhalten kann, kursiert die Nachricht innerhalb der Eltern-Facebookgruppe, und was erst nur ein Gerücht war, wird zur unumstößlichen Wahrheit. Anna und Jordis Kollege Hektor sind ebenso verunsichert wie er selbst, niemand scheint mehr zu wissen, wem er vertrauen kann. Nur die Eltern haben sich entschieden und sich zu einem Mob zusammengerottet, der die Schwimmhalle zu stürmen droht. Ehrlich, glaubst du, ich steh auf Kinder?

J osep M aria M ir ó i C oromina geboren 1977 in Barcelona. Studium der Journalistik sowie der Regie und Dramaturgie. Arbeiten für Fernsehen und andere Medien sowie an verschiedenen europäischen Theatern. Diverse Auszeichnungen für seine Werke, u.a. 2009 den Premi Born für „Das Archimedische Prinzip“.

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Markus Orths Die Entfernung der Amygdala

Eine komische Tragödie 3 D, 2 H

Nina Krohn hat noch 180 Tage oder 4.032 Stunden Lebenszeit, bis ein Hirntumor sie töten wird. Nina ist mit ihrer Angst allein. Ihr Mann Paul ist zwar ein das Geheimnis der menschlichen Existenz umschwebender Philosoph, aber diese Wahrheit will sie ihm nicht zumuten. Im Gegenteil, sie will sich von seiner Liebe abtrennen und ihm unter der Hand eine neue Frau offerieren. Ihre behandelnde Neurologin Dr. Jasmin Buber scheint ihr eine geeignete Nachfolgerin zu sein. Auch wenn sich der Heidegger-Spezialist und die kühle Hirnforscherin sofort in den Haaren liegen, bemerkt Nina, dass Paul durchaus nicht verschlossen ist. Sie hingegen lernt den Bestatter Gernot kennen, der ihr die Welt der Designer-Särge, Turbo-Gräber oder Steinmetzpraktiken eröffnet. Er soll ihr letzter Liebhaber werden und wortwörtlich springt sie mit ihm in die Kiste. Sex im Sarg. Die Verwirrung der Gefühle und Gedanken nimmt bizarre Formen an. Eine OP könnte Ninas Leben retten. Aber der unabwendbare Verlust der Amygdala würde sie in einen emotionslos stumpfen Körper verwandeln. Ausschalten oder im Stand-by-Modus verharren, fragt Ninas Smartphone, das sich in diesen existentiellen Fragen ohnehin eine spezielle Meinung vorbehält. Gott wird als neuer Name akzeptiert.

UA: 03.05.2013, Theater Baden-Baden, Regie Katja Filmann

M arkus O rths geboren 1969, studiert Philosophie, Romanistik und Anglistik in Freiburg und lebt als Autor in Karlsruhe. Seine in zahlreiche Sprachen übersetzten und mehrfach ausgezeichneten Erzählungen und Romane erscheinen im Verlag Schöffling & Co.

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Markus Orths Das Zimmermädchen

3 D, 2 H

Lynn ist ein wachsames Zimmermädchen. Eines, für das sich jedes Hotel bedanken würde. Nichts entgeht Lynns Aufmerksamkeit und Staub ist ihr Lieblingsfeind, an dem sie sich obsessiv abarbeitet. Lynn ist das, was man psychisch labil nennt. Nach einem langen Klinikaufenthalt will sie ihr Leben endlich strukturieren. Nichts mehr dem Zufall überlassen und die Mutter auf Distanz halten. Dafür nimmt sie mit wachsender Lust die Hotelzimmer in Beschlag. Dort kann sie sich ungestört in andere Leben imaginieren, in fremde Gerüche und Gebräuche. Unbekannte Nähe und unerhört überschrittene Distanz zu den Gästen wird ihre Leidenschaft, die kulminiert, als sie sich unter einem Hotelbett verstecken muss. Unbemerkt von den ahnungslosen Leuten über ihr im Bett, wird sie fortan zur atemlosen Voyeuristin. Aus dieser Perspektive verliebt sie sich in die Edelprostituierte Chiara. Sie verlässt ihren Beobachtungsposten und kauft sich bei Chiara portionsweise Sex. Lynn will jetzt endlich richtig leben. Doch schon bald wird dieses Verhältnis eine neue Obsession in ihrem Kampf gegen das permanente Scheitern. Man hat mich wohl geheilt.

Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Roman. In Paris gewann die französische Dramatisierung „Femme de Chambre“ 2012 den Prix Théâtre 13 sowie den Publikumspreis.

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Pere Riera Unter Verschluss (AT)

(Desclasificats) Aus dem Spanischen von Philipp Löhle 1 D, 2 H

Die renommierte Journalistin Silvia stößt auf Material, das den Premierminister des Landes des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen bezichtigt. Durch Silvias parteiliche Berichterstattung hatte sie maßgeblich zu seiner politischen Karriere beigetragen. Als sie den Premier nun im Interview zur Rede stellen will, wird sie von seinem Referenten Pablo abgeschirmt, der alles daran setzt, Silvia zu verunsichern. Die zeitgleiche Verhaftung ihrer Tochter wegen Drogenbesitzes tut ihr Übriges und treibt sie vollends in die Enge. Soll sie das Beweismaterial offenlegen und die politische Stabilität des Landes gefährden oder es verschwinden lassen? Und was wird aus ihrer Tochter, wenn sie sich für ersteren Weg entscheidet? Konfrontiert mit der größten Herausforderung ihrer Karriere, zwischen Politik und Moral gefangen, muss Silvia eine Entscheidung treffen, die nie die richtige sein kann. Sie halten doch die Zukunft dieses Landes in Händen. Und das einzige, was mir dabei Sorgen macht, ist, wie sehr die zittern.

Pere Riera geboren 1974 in Canet de Mar, Spanien. Er studiert Szenisches Schreiben, Regie und Kunstgeschichte in Barcelona. Autor zahlreicher Stücke, die ins Englische und Italienische übersetzt sind. 2011 wird „Desclasificats“ in Barcelona uraufgeführt und auch erfolgreich verfilmt.

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Torsten Schulz Nilowsky

Frei zur Dramatisierung

Nilowsky lebt zwischen Bahngleisen, Chemiewerk und Eckkneipe. Den Himmel denkt er sich weit und die Schwefeldämpfe kann er mit körpereigener Kraft in positive Energie verwandeln. Nilowsky ist 17 Jahre alt. Ein staksiger, widerständiger Junge aus einem Ost-Berliner Randbezirk der siebziger Jahre. Er hat sich eine eigene Sprache geschaffen, kennt alle Zugverbindungen und seine Träume sind furchtlos – den brutalen Vater aus dem Leben schaffen, afrikanische Völker auf dem Weg in die Freiheit begleiten und Carola heiraten, das Mädchen, das beschlossen hat, nie älter als 13 zu werden. Markus Bäcker ist fasziniert und gefesselt von der eigensinnigen Welt des größeren Nilowsky. Er wird sein Bewunderer und einziger Freund. Doch sollte er sich je in Carola verlieben, würde Nilowsky ihn vernichten. Eine Geschichte über pubertäre Verirrungen und Überleben auf brüchigem Pflaster. Ganz einfach. Du sollst mit deiner Zunge die Schiene berühren, sollst du.

Torsten S chulz geboren 1959, ist Autor preisgekrönter Spielfilme, Regisseur von Dokumentarfilmen und Professor an der HFF Potsdam-Babelsberg. Bekannt wird er mit dem BerlinRoman „Boxhagener Platz“, der verfilmt und als Hörspiel adaptiert wurde. „Nilowsky“ erscheint 2013 bei Klett-Cotta.

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Biljana Srbljanovic´ć Dieses Grab ist mir zu klein (Mali mi je ovaj grob) Aus dem Serbischen von Vukan Mihailovi´c de Deo und Aleksandra Pejovi´c bearbeitet von Renata Britvec 1 D, 4 H

1914. Gavrilo Princip, ein bosnischer Serbe Anfang 20, will sich für sein Land engagieren und beteiligt sich an wenig wirksamen Studentenprotesten. Plötzlich aber bietet sich ihm die Gelegenheit, wirklich etwas zu bewegen: Franz Ferdinand wird Sarajevo besuchen. Gavrilo und sein Freund Nedeljko wittern eine unvergleichliche Chance. Zusammen mit Danilo und Apis, einem der Anführer der serbischen Schwarzen Hand, planen sie ein Attentat auf den Thronfolger. Nedeljko wirft die Bombe, aber ohne Erfolg. Nur die 15-jährige Ljubica, Danilos Schwester, kommt bei der Explosion ums Leben. Gavrilo feuert wenige Minuten später den tödlichen Schuss auf den Erzherzog ab. Als Gavrilo und Nedeljko sich nach dem Attentat mit Zyankali töten wollen, verfehlt das Gift seine Wirkung und die beiden werden ins Militärgefängnis Theresienstadt gebracht. Danilo, ebenfalls verhaftet, wird an Ort und Stelle gehängt. Sein Geist prophezeit eine dunkle Zukunft: Dem Attentat von Sarajevo folgt der Erste Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg finden zehntausende Juden in Theresienstadt den Tod. Gavrilos Heimatdorf wird während der Jugoslawienkriege ausgelöscht. Ob Gavrilo Princip nun ein Volksheld oder Terrorist ist, scheint angesichts der bevor­ stehenden Ereignisse irrelevant. UA: 16.10.2013, Schauspielhaus Wien, Regie Michal Zadara Die beiden und mein Vater tun mir leid. Ich selbst und wir alle tun mir leid.

Biljana Srbljanovi´C geboren 1970 in Belgrad, gehört zu den wichtigsten Stimmen der europäischen Gegenwartsdramatik. Ihre Stücke (u.a. „Belgrader Trilogie“, „Familiengeschichten. Belgrad“, „Heuschrecken“, „Barbelo“ und „Das Leben ist kein Fahrrad“) werden international mit großem Erfolg gespielt. Sie erhält zahlreiche Preise, u.a. den renommierten „Europe Prize New Theatrical Realities“. 20


Sarah Trilsch Über uns die Lichter

4 D, 3 H

Alle gehen. Frank geht in Rente, seine Frau geht walken, der alte Richard geht ab ins Altersheim. Anne geht in eine fremde Stadt studieren, ihre Mutter geht ihr hinterher. Thomas, frisch mit Petra zusammen gezogen, geht ins Altersheim arbeiten und Petra geht ihm auf die Nerven. Aus trügerisch harmlosen Situationen destilliert Sarah Trilsch eine hochexplosive Essenz, deren Grundsubstrat bedingungslose Liebe heißt. In Miniaturszenen kristallisiert sie die gegensätzlichen Ausschläge dieses innerfamiliären Gesetzes heraus, dessen brutale wie zärtliche Vereinnahmungen sich noch im nebensächlichsten Wort oder in einer banalen Geste ankündigen. Ein Bohneneintopf wird hier zur Drohgebärde, ein dilettantisches Feuerwerk über den Dächern der Stadt zur Besiegelung einer Liebe bis ans Ende der Tage. Es sind Splitter einer Sprache der Liebe, die in rasanter Montage von ihrer Bruchgefahr erzählen. Alle gehen. Alle reden. Einzig Richard bleibt stumm. Einmal noch unterbricht er sein Schweigen, um „für endlose acht Sekunden“ den freien Fall eines Skispringers zu erleben. Sie müssen ein Vampir sein. So blass und lichtscheu wie Sie sind.

Sarah T rilsch geboren 1986 in Dresden, Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig und des Studiengangs Szenisches Schreiben an der uniT Graz. 2011 Münchener Förderpreis für neue deutschsprachige Dramatik für „young rebel“; 2012 Leonhard-FrankPreis für „ICH UND DIE WELTMEERE. WEIL DIE TÜR VOM U-BOOT KLEMMTE“.

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Lothar Trolle Judith

Besetzung variabel

Ein chassidisches Märchen berichtet von einem Ziegenbock, der seine Hörner in Mond und Sterne stößt, auf der Suche nach dem Messias. Das Firmament schweigt den Bock an, der aber zerstößt die Himmelssteine und sie fallen in funkelnden Edelsteinsplittern runter auf die Straßen der jüdischen Schtetl, in denen sich die Bewohner seit Jahrhunderten Geschichten erzählen. Schnorren, Gräuel, Wunder und Taten voll Mut und Hoffnung in schlimmen Zeiten. Wie die von der schwarzen Witwe Judith, die es damals, zu biblischen Zeiten, schafft, bis ins Zelt des assyrischen Feldherrn Holofernes vorzudringen. Sie kommt nicht, um für ihr belagertes Volk Israel zu bitten. Sie kommt, um mit dem Feind zu essen und zu trinken. Sie betört den Krieger, den sie lieben könnte und schlägt ihm nachts den betrunkenen Kopf ab. Stille Präzisionsarbeit mit dem fremden Schwert, festgehalten in der Legende und fortgesetzt von nachgeborenen Schwestern. Judith geht, das Haupt des Holofernes im Brotbeutel verborgen, aus dem Lager der kopflosen Besatzer hinaus. Sie geht, ohne zu wissen, was ihr folgen wird. Trolle schichtet und verwebt in seiner dichten Textcollage Versatzstücke jüdischer Kulturgeschichte zu einem hellen Gebet vom Überleben. UA 24.02.2013, Schaubude Berlin, Regie Wera Herzberg (KANN SCHON SEIN, DASS HIER EINMAL GEBETET WURDE, DASS HIER ÜBER DIE TORAH GESTRITTEN WURDE, BLUT WIRD SCHON GEFLOSSEN SEIN)

Lothar Trolle geboren 1944, seit 1970 freischaffender Dramatiker. Zahlreiche Stücke, Hörspiele, Kurzdramen, szenische Miniaturen u.a. „Hermes in der Stadt“, „Hanswurstszenen“, „Die 81 Min. des Fräulein A“, „Novemberszenen“. Der Alexander Verlag Berlin publiziert 2007 die gesammelten Werke „Nach der Sintflut“.

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Lothar Trolle Sie leben! Sie leben! Sie leben noch immer!

Ein Berliner Märchen Besetzung variabel

Was sind das für Leute, die sich an Häuserwände gelehnt, auf Bordsteinkanten hockend, vor Spätverkaufstellen und vor Kneipen stehend Berliner Geschichten erzählen. Wie die von der Frau aus der Straße Soundso, die jahrelang aus dem Fenster sieht und auf ihre Tochter wartet, bis die mit einem Krug voll Tränen endlich wieder nach Hause kommt. Oder die Geschichte von dem liebeskranken Drogisten, der noch heute am Weißensee hockt und die Wellen streichelt. Oder die von dem Kassierer im Supermarkt, der einer Frau stets nur die Zigaretten berechnet, bis der Schaden haushoch ist. Oder das Märchen von dem Juden aus der Rykestraße, der drei Araber nur dann freundlich grüßt, wenn die ihm erzählen, wer von ihnen der Dümmste ist. Überall stehen Menschen zusammen, und die Geschichten und Legenden fließen in einem Reichtum und einer lebendigen Farbigkeit dahin, dass nur einer wie Lothar Trolle sie aufsammeln und in seiner Sprache bündeln kann. In unserem Leben hängt doch viel mehr zusammen, als man ahnt, dachte da der BVG-Schaffner aus der Mulackstraße.

UA 24.10.2013, Theater an der Parkaue in Kooperation mit dem Institut für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, Regie Sascha Bunge

Nach „Das Hiltibrandslied“ und „Leuchte, Berlin, leuchte!“ sind die „Berliner Märchen“ das dritte Stück, das Lothar Trolle für das Ensemble der Berliner Parkaue schreibt.

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´ c´ć Marijana Verhoef Cosi Amsterdam

(Amsterdam) Aus dem Serbischen von Renata Britvec 2 D, 3 H, 1 K

Ein schräger, europäischer Roadtrip zweier junger Serben nach Holland. Bojan, Journalistikstudent, und Ljuba, Kameramann, werden von einer serbischen Orga­nisation in die Niederlande geschickt, um eine ungewöhnliche Reportage zu machen: In den vergangenen Wochen wurde mehrmals Superman gesichtet. Die Vorfreude der beiden Jungs auf das gelobte Land des Marihuana und der Prostituierten zerschlägt sich aber schnell, als sie ankommen. Anstelle des ComicHelden begegnen sie einer Touristenführerin, einer Käseverkäuferin und ihrem indonesischen Adoptivbruder, sowie dem Marihuana-Farmer Ari, dem Vater des ungleichen Geschwisterpaars. Statt einer tollen Reportage leisten die beiden Serben zum Schluss Zwangsarbeit in Aris Gewächshaus. Bojan und Ljuba träumen sich zurück in ihr geliebtes Heimatland, wo das Wetter schön, die Frauen gut und sie die Herren im Haus sind. Eine temporeiche und scharfzüngige Komödie über Vorurteile und Klischees zwischen Ost und West in einem zwangsglobalisierten, absurden Europa. Ja, Serben. Serben aus Serbien. Ist das vielleicht ein Problem?

UA: 20.02.2014, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie Nurkan Erpulat

M A R I J A N A V erhoef ´C O S I ´C geboren 1986 in Belgrad, Serbien. Abitur in den Niederlanden. Studium der Dramaturgie an der Universität der Künste in Belgrad. Momentan studiert sie als Stipendiatin der Republik Serbien Theaterwissenschaften an der FU Berlin.

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´ c´ć Marijana Verhoef Cosi Playboy

(Playboy) Aus dem Serbischen von Renata Britvec 3 D, 3 H

Wer sind unsere Politiker eigentlich, und wie zum Teufel kommen sie an die Macht? Stevan Zeˇcevi´c, 35, genannt „Playboy“, hat sich als serbischer Gastarbeiter in München hochgearbeitet. Er ist erfolgreicher Geschäftsmann/Gangster, charismatisch und reich. Doch hinter der Fassade des beliebten Lebemanns verbirgt sich ein Psychopath schlimmster Sorte. Abgesehen von seiner völlig unkontrollierten aggressiven Natur ist Stevan noch dazu Fetischist: Er liebt es, sich als Hase zu verkleiden und mit anderen „Tieren“ zu spielen, am liebsten mit seiner Berliner Sexfreundin Foxy. Eines Tages treibt er es insgesamt zu bunt und handelt sich großen Ärger mit Belgrads/Münchens Capo di Tutti Capi Pavlovi´c ein. Dieser ist in politische Machenschaften involviert und sucht händeringend einen geeigneten Kandidaten für die nationalistische Partei Serbiens. Schnell ist der Plan geschmiedet: Um seine Schulden bei Pavlovi´c abzuarbeiten, muss der smarte und rhetorisch begabte Stevan nun als Mittelsmann der serbischen Mafia auf dem politischen Parkett fungieren. Kraftvoll und pointiert zeichnet Marijana ´ ´c nach, unter welchen Umständen Politiker an die Macht kommen — Verhoef Cosi Gesellschaftskritik auf erfreulich unverstaubte und moralinfreie Art. Du, das sind Deutsche, die gehen systematisch vor! Wenn die einmal anfangen, in deinem Scheiß rumzuwühlen, dann …

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Iwan Wyrypajew Betrunkene

Komödie in zwei Akten (Pjannye) Aus dem Russischen von Stefan Schmidtke 6 D, 8 H

Ein Mann treibt betrunken durch die Nacht und ziellos durch sein Leben. Wie von Geisterhand gesellt ihm das Schicksal eine ebenso angeheiterte junge Frau hinzu. Man kommt sich näher, so weit das in diesem Zustand überhaupt möglich ist, und findet prompt heraus: Es gibt das ewige Leben! In vino veritas. Sind die Köpfe schwer, werden die Zungen locker, und realiter, darauf liegen Gottes Worte. Je tiefer die Nacht wird, und je höher der Alkoholpegel steigt, finden sich weitere Propheten ein. Im zivilen Leben sind sie Banker und Manager, Models und Prostituierte, jedem Großstädter bekannte Zeitgenossen. Es ist ihr Erfolg, der sie feiernd zusammenbringt, es sind ihre Niederlagen, die sie zu erstaunlichen Eingeständnissen zwingen. Und alle gemeinsam sind sie ein großer Chor, der, als erklängen Gottes Trompeten, befreiende Worte intoniert, solange die wunderbringende Wirkung geistiger Getränke anhält ... und bis sich unter den nächtlichen Verlorenen Jesus Christus zu erkennen gibt. Wir sind zwei, aber ein Gott. Du bist Herrgott und ich bin Herrgott, wir sind zwei, aber ein Gott, verstehst du?

UA: 22.02.2014, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie Viktor Ryshakow

Iwan W yrypajew geboren 1974 in Sibirien, ist eine der prägnantesten russischen Dramatikerstimmen seiner Generation. Der internationale Durchbruch gelingt ihm 2002 mit seinem Stück „Sauerstoff“. Es folgen die Theaterstücke „Juli“, „Delhi, ein Tanz“, „Illusionen“ sowie mehrere Spielfilme u.a. „Euphorie“. Seit April 2012 ist er künstlerischer Leiter des Moskauer Theaters Praktika. 26


Felicia Zeller Die Welt von hinten wie von vorne

2 D, 3 H

Sie reden wie wandelnde Powerpoint-Präsentationen und brainstormen gerne mal spontan drauf los. Die Mitarbeiter von Deutschlands größter PR-Agentur MOVER UND SHAKER UND PARTNER wissen: Alles, was sie sagen, könnte der Claim für eine brillante Kampagne sein. In Diagrammen, Schautafeln und Excel-Tabellen zerlegen sie die Welt, um sie je nach Gemengelage wieder zusammenzusetzen: WELT GESTALTEN. Leben und Treiben an Bord einer PR-Agentur. Die Produkte des Prothesenherstellers sitgo sollen verkauft werden, die Karriere von Präsidentschaftsanwärter Professor Doktor Alexander Peter zerstört. Eine Bürgerinitiative ohne Bürger wird gegründet, Maßnahmenpakete geschnürt. In „Die Welt von hinten wie von vorne“ geht es um Manipulation und Vertrauensvernichtung, um die Rückseite der Verschwörung: intelligent aufgefächerte, breit angelegte PR-Kampagnen, die in die Gesellschaft hineinwuchern, wobei sie so tun, als kämen sie aus ihr heraus. Alles steht ständig unter Inszenierungsverdacht. WIR KÖNNEN WAS, WAS DU NICHT KANNST UND DAS IST (...) Laptop-Frisbee

UA: 05.10.2013 Nationaltheater Mannheim, Regie Burkhard C. Kosminski

Felicia zeller geboren 1970 in Stuttgart, schreibt Theatertexte und Prosa. 2008 erhält sie für ihr Stück „Kaspar Häuser Meer“ den Publikumspreis der Mülheimer Theatertage, das seither etwa 50 Mal im In- und Ausland inszeniert wird. Weitere Nominierungen in Mülheim: 2011 „Gespräche mit Astronauten“; 2013 „X-Freunde“. „X-Freunde“ wird in der Kritikerumfrage 2013 von „Theater heute“ zum Stück des Jahres gewählt. 27


Kinderst端cke

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Peter Dehler Der gestiefelte Kater

nach den Brüdern Grimm 3D, 7 H, Statisten

Das Märchenspiel beginnt mit einer triumphalen Stiefelweihe. Junge, pelzige Vierpföter, die groß rauskommen wollen im Zauberland, müssen ihr erlerntes Handwerk unter Beweis stellen. Gelungene Zauberstücke sind dabei seltener als Zauberpannen. Und so geschieht es auch, dass Kater Boris die Stiefelweihe nicht besteht und erst mal rückversetzt wird ins bäuerliche Getriebe eines armen Müllers. Dieser will gerade auswandern. Er hat die Nase voll von Mühlrädern, faulen Söhnen und knochenharter Arbeit. Er verscherbelt seine Habe und dem jüngsten Sohn Erik bleibt nur ein Kater. Allerdings kein gewöhnlicher Mäusefänger, sondern besagter Boris, der seine verbockten Schularbeiten im Fach Zaubern nun mit Eier legenden Elefanten und anderen grandiosen Fehlschlägen nachholt. Ein Märchensingspiel für die große Bühne mit aufregenden Irrwegen für alle Beteiligten. Santo anto piru tater. Ich verzaubre diesen Kater.

UA: 24.11.2012, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Regie Peter Dehler

P eter D ehler geboren 1963, Autor, Regisseur, Schauspieldirektor am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin. Neben Märchen dramatisiert er Thomas Brussigs „Helden wie wir“, „Solo Sunny“ nach dem Filmdrehbuch von Wolfgang Kohlhaase und „Die Olsenbande dreht durch“.

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Hartmut El Kurdi und Wolfram Hänel Zwerge versetzen oder Der Goldschatz am Ende des Regenbogens Theaterstück für Kinder (frei nach einem alten irischen Märchen) 3 Spieler

Mimmie haust mit ihrem Opa in einer Hütte am Meer. Sie sind so arm, dass es keinen Spaß mehr macht. Matschige Kartoffeln, eine dürre Kuh und dann auch noch der Regen. Komm Opa, erzähl noch mal das Märchen vom Zwerg Leprechaun, der auf einer Insel einen Goldschatz bewacht. Unbesiegbar soll der Wicht sein? Das will Mimmie doch erst mal sehen. Als ein Regenbogen auf eine kleine Insel zeigt, genau wie das Märchen es beschreibt, rudern die beiden hinüber. Und dort, wo es scheinbar nur Sand, Gestrüpp und Felsen gibt, zeigt sich tatsächlich der Zwerg in seiner ganzen Größe. Mimmie kapiert schnell, dass Zwerge zu besiegen vor allem eine Frage von Taktik und Technik ist. Aber das weiß der clevere Leprechaun natürlich auch. Zwei kleine Giganten kämpfen um ihr Schicksal. Hartmut El Kurdi und Wolfram Hänel, erstmals als Autorenduo agierend, spielen respektlos-liebenswürdig mit irischen Märchenmotiven. Es lohnt sich immer, aufzubrechen und mit einer gehörigen Portion Frechheit etwas zu probieren. Denn Besseres als Pellkartoffeln finden wir überall! Und manchmal sind es gerade die ganz Alten und ganz Jungen, die zusammen was erreichen können. Das befreit sogar den Zwerg. (Ab 6 Jahre) Das ist das Problem. Ich bin unbesiegbar. Mist.

hartmut El Kurdi / Wolfram Hänel Hartmut El Kurdi, 1964 in Jordanien geboren, ist Autor der erfolgreichen Kinder­ stücke „Angstmän“ und „Johnny Hübner greift ein“. Er arbeitet als Regisseur, Schauspieler, Musiker, schreibt Kinderhörspiele und Kolumnen. Wolfram Hänel, 1956 in Fulda geboren, studierter Germanist und Anglist, schreibt Prosa, Krimis, Theaterstücke, u.a. das Kinderstück „Der Trollspion“. 30


Bernd Heiber Das Gesetz des Dschungels

nach „Die Dschungelbücher“ von Rudyard Kipling Besetzung variabel

Für die Menschen ist er ein Wolfskind und Waldteufel, für die Tiere ist er nur ein Mensch, was allein schon schlimm genug ist. Für den Tiger Schir Khan ist er die Beute, die ihm nach dem Gesetz des Dschungels zusteht, für die Wölfin, die ihn vor dem Tiger beschützt, ist er der kleine Frosch. Das Stück erzählt die Geschichte von Mowgli, der als Kind unter die Wölfe gerät, von ihnen wie ein eigenes Junges angenommen wird, von den Tieren erzogen wird, die Geheimnisse und Regeln des Dschungellebens erlernt und bald wie einer von ihnen ist. Aber je älter Mowgli wird, umso mehr erkennt er, dass er eben nicht wie die anderen Bewohner des Dschungels ist. „Mensch geht am Ende immer zum Menschen“, lautet die Prophezeiung seines Lehrers Baghira, der die Grausamkeit des Menschen aus der Gefangenschaft kennt. Aber Mowgli muss wissen, wer er ist, wo seine Heimat liegt, wer seine Freunde sind und zu wem er gehört. Das Stück erzählt auch, warum das Gesetz des Dschungels die notwendige Bedingung für das Überleben des freien Volkes der Wölfe ist und weshalb Furcht am Anfang aller Gewalt steht. (Ab 10 Jahre) Wie lautet das Gesetz des Dschungels? Erst schlage und dann sprich! Gerade an deiner Sorglosigkeit sieht man, dass du ein Mensch bist.

UA: 29.04.2014, Theater an der Parkaue, Regie Sascha Bunge

R udyard K ipling / B ernd heiber Rudyard Kipling (1865–1936) erhält 1907 als bis dahin jüngster Autor und erster englischer Schriftsteller den Literaturnobelpreis. Bernd Heiber (Jahrgang 1964) studiert Regie an der HFF Potsdam-Babelsberg. Er ist Autor und Regisseur von Kurzfilmen. „Herzentöter“ und „Teneriffa EXIT“ sind seine ersten Langspielfilme. 31


Kilian Leypold Tante Tiger

nach dem Roman „Der Tiger unter der Stadt“ Ein Tiger, 1 D, 5 H (Doppelbesetzung möglich)

Jonas und seinem besten Freund Philipp geht in den Untiefen der Kanalisation ein Tiger ins Netz. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, kann der Tiger auch noch sprechen und behauptet, die 78 Jahre alte Kunigunde Ohm zu sein. Ein verrückter Tagtraum, ein missglückter Gen-Versuch oder die Ausgeburt der Hölle? Und wer ist dieser merkwürdige Typ, der sich im Sommer auf einem Schlitten sonnt und Tante Tiger in einer ihr fremden Sprache anspricht? Und dann will das gefräßige Tantchen auch gefüttert sein, mit wenigstens 7 Kilo rohem Fleisch täglich. Dafür braucht es Grips und Geld. Geld haben Jonas und Lippe nicht, dafür umso mehr Grips. Die meisten Probleme aber macht Vera, Jonas’ verhasste Halbschwester. Sie petzt, lügt und schlägt und das Schlimmste: Sie haut nicht ab aus Jonas' Leben. Da ist es fast schon eine Erlösung, als Jonas und Lippe wieder in die Kanalisation steigen, um dem Rätsel von der Tante im Tiger auf den Grund zu gehen. Die beiden Jungen und der Tiger gelangen in die verrückte Welt des Klärwerksbetreibers Funakis. Hat er die Alte in den Tiger gesteckt und will Tante Tiger überhaupt noch zurück in ihren gebrechlichen Menschenkörper? Ein Theaterstück über die Magie von Träumen und die Wirklichkeit des Unmöglichen. (Ab 10 Jahre) Sie brüllen sich die Seele aus dem Leib. Eine uralte Technik, die heute keiner mehr beherrscht.

Kilian Leypold geboren 1968 in Nürnberg, studiert Philosophie, Slawistik und Osteuropäische Geschichte. Seit 2000 arbeitet er als freier Reporter, Autor und Regisseur für den Bayerischen Rundfunk. Sein erster Roman „Der Tiger unter der Stadt“ erscheint 2010 im Aufbau Verlag, Berlin. Momentan schreibt er an seinem zweiten Roman, der 2014 vom Hanser Verlag veröffentlicht wird. 32


Claudia Schreiber Oben Himmel unten Gras

Ein Kuhspiel in 6 Akten Besetzung variabel

Prächtige bunte Kuhdamen drängeln sich auf der Weide und plötzlich kann eine von ihnen erst ein, dann zwei, dann alle Beine heben und schweben. Fest eingekeilt zwischen ihren milchgebenden Kolleginnen. Das ist der Beginn einer lebenslustigen Revolte. Die Kühe wollen nicht mehr nur gemolken werden, sondern lieben, Namen haben, individuell und schön sein. Da kann der Bauer ihnen drohen wie er will. Sie machen Musik, sie sind eine wilde Herde steppender Nutztiermädels, die bewundert werden von krabbelnden und fliegenden Nachbarn. Ein heißer Sommer auf dem Land. Das Kuhspiel nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Claudia Schreiber (Verlag Artemis & Winkler) ist eine witzige, prall lebendige Vorlage für verschiedene Spielwiesen. Lesungen vor seriösen Damenrunden brachten die Räume zum Schwingen. (Ab 4 Jahre) Wir sind nicht harmlos.

C laudi A S chreiber geboren 1958, lebt als freie Autorin in Köln. Ihr Roman „Emmas Glück“ (in 9 Sprachen übersetzt) ist verfilmt, als Hörspiel inszeniert und fürs Theater adaptiert. Von dem Kinderbuch „Sultan und Kotzbrocken“ gibt es eine Theater­ fassung.

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Bernhard Studlar Bis später

3 Spieler

„Bis später“ sagt einer und geht fort. Wann kommt er zurück? Zum Glück, da kommt er schon! – Ach nein, stimmt ja gar nicht. Also heißt es Warten an diesem schönen Ort, dem Garten. Manchmal kurz, manchmal lange, manchmal wird einem sogar bange. Denn was genau bedeutet später? In fünf Minuten? In einer Stunde? Morgen? Oder anders gefragt: Wie oft noch schlafen? Und was passiert in der Zwischenzeit? Verliert der Baum seine Blätter. Ändert sich das Wetter. Woher weiß die Sonne, dass die Nacht beginnt? Wie lange braucht ein Apfel, um zu reifen, und wie schnell wird er faulig? Wann vergeht die Zeit wie im Flug, und warum zieht sie sich ein anderes Mal in die Länge wie ein Kaugummi? Kann die Zeit Löcher kriegen wie ein alter Strumpf, durch den sich der große Zeh bohrt? Und gibt es Rettung, wenn man in eins hineinfällt. Wie stehts um Zeitreisen? Fragen über Fragen wirft das Phänomen der Zeit auf. In „Bis später“ versuchen Hierbleiber, Weggeher und Spaziergänger gemeinsam und einsam die Zeit zu erhaschen. Und schon wieder ist das „letzte Jetzt“ vorbei! (Ab 3 Jahre) Einen Spiegel, einen Spiegel, ein Königreich für einen Spiegel! Ich fühle mich ganz faltig!

UA: 01.12.2013 Theater Heidelberg, Regie Markolf Naujoks

Bernhard Studlar geboren 1972, arbeitet als freier Autor in Wien. Bekannt wurde er vor allem durch seine Stücke „Transdanubia-Dreaming“ und „Mariedl-Kantine“, beide uraufgeführt am Wiener Burgtheater. „Don Q“ und „Human Being Parzival“ sind zwei seiner erfolgreichen Stücke fürs Jugendtheater.

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Soeren Voima Der kleine Muck

nach Wilhelm Hauff Besetzung variabel

Er ist der populärste Turban­ träger der modernen Mär­ chen­welt. Muck, der kleine verwachsene Mann mit dem riesigen Kopf, der Opfer wurde von Gespött, Gier und Verlogenheit. Manchmal war er am Rande des Todes. Verleumdet und verjagt. Woher nahm der kleine Kerl die Kraft, trotzdem immer wieder aufzustehen und weiter zu gehen? Mal mit den Wunderpantoffeln, die ihn zum schnellsten königlichen Läufer machten, mal ohne sie, da es Neider gab, die sie ihm sofort wieder abluchsten. Seine einschneidenden Erfahrungen bei der unheimlichen Frau Ahavzi, am Königshof, in der Wüste unter den magischen Feigenbäumen können nicht oft genug erzählt werden. In dieser neuen Adaption ist es ein Theaterdirektor, der über eine aufmüpfige Truppe von Puppen und Tieren wacht. Sie spielen die Geschichte nach, immer wieder gestört von einem mitmachwütigen Fan. Ein verschmitzter Hund, ehemaliges Eigentum der Frau Ahavzi, drängt sich als unvergessliche Figur ebenfalls ins Geschehen. (Ab 7 Jahre) Ich hab meine Fresse wieder! Ich hab meine Hundefresse zurück!

UA: 04.12.2013, Maxim Gorki Theater Berlin, Regie Christian Weise

S oeren Voima geboren 1972 in Wittgensdorf (Chemnitz), Studium der Verhaltensbiologie. 1995 Gründung der nach ihm benannten Autorengruppe. Autor zahlreicher eigener Stücke und Bearbeitungen u. a. „Herr Ritter von der traurigen Gestalt“, „Volpone“, „Eos“, „Simplicissimus Teutsch“, „80 Tage, 80 Nächte“, „Das Gestell“, „Ursprung der Welt“. 35


Yellow Umbrella Der Reggaehase BOOOO

nach dem gleichnamigen Kinderbuch Frei zur Dramatisierung

„Auf Anordnung des Königs bleibt der Proberaum des Waldes bis auf weiteres geschlossen!“, steht an seiner Tür. BOOOO, der Hase, der Reggaemusik über alles liebt, ist untröstlich. Keine Musik mehr und nur weil der König nicht mehr tanzen will? BOOOO macht sich auf eine Reise rund um den Erdball, um die besten Tanzlehrer der Welt ausfindig zu machen. Doch alle, Mohammed Kamel aus Ägypten, Enrique Papagei aus Südamerika und Schlomo Katze aus Israel, scheitern an der Erdenschwere des muffeligen Königs. BOOO ist verzweifelt. Da trifft er auf die hübsche Häsin Josi, und sie hat die rettende Idee. Zusammen mit allen Kindern des Waldes will sie vor dem König ganz verrückt tanzen. Und tatsächlich, beim Anblick der Tanzenden reißt es den König plötzlich von seinem Thron. Nach 321 Liedern erklärt er den ganzen Wald zum Proberaum. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann tanzen sie noch heute. Eine Geschichte über die wunderbare Kraft der Musik. Si hombre, claro komme ich mit dir! Vamos, muchacho! Deinem König werden wir heiße Feuer machen unterm Popo. Grande fuego!

Yellow Umbrella ist eine 1994 in Dresden gegründete Reggae- und Ska-Band. Ihr Musikstil ist eine Mischung aus Reggae, Ska, Rock Steady und Dub mit Einflüssen aus Klezmer, osteuropäischer und arabischer Musik. Die Musiker von Yellow Umbrella leben mit acht Kindern und einer Katze in Dresden, Leipzig, Berlin und Reims (Frankreich).

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Klassiker

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Maxim Gorki Jegor Bulytschow und andere

(Egor Bulyˇcov i drugie) Aus dem Russischen von Werner Buhss 9 D, 13 H

Februar 1917, Revolution und Niedergang der Zarenherrschaft in Russland. Jegor Bulytschow, Großbürger und erfolgreicher Kaufmann, ringt mit dem Untergang seines Standes und der Gesellschaft, in der er groß und reich geworden ist. Parallel zum Verfall auf staatlicher Ebene, vollzieht sich der Niedergang des Großbürgertums in Bulytschows Körper: Es wird Leberkrebs diagnostiziert. Der Kaufmann kämpft eisern gegen den Verfall, doch weder Pope, noch Posaunist, weder Kurpfuscherin, noch Gottesnarr können Bulytschow von seiner eigentlichen Krankheit heilen: der Erkenntnis, dass seine Klasse dem Untergang geweiht ist und nichts mehr Sinn hat. Die äußerst zahlreiche Verwandtschaft – Tochter, Ehefrau, Schwägerin, Schwager und Cousin – kann es kaum erwarten, sich das Erbe unter den Nagel zu reißen. Einzig das Dienstmädchen Glafira, Bulytschows Geliebte, und seine uneheliche Tochter Schura stehen dem untergehenden Riesen zur Seite und begleiten ihn auf dem Weg in den Tod. Wo man hinsieht, Väter. Gott ist Vater. Der Zar ist Vater. Du bist Vater. Ich bin Vater.

Ma xim Gorki (1868-1936) Mit der Veröffentlichung seiner ersten Stücke „Die Kleinbürger“ und „Nachtasyl“ wird Maxim Gorki so populär, dass der Versuch der zaristischen Regierung, gegen ihn vorzugehen, heftige Proteststürme auslöst. Die Stoffe seiner Werke findet er vor allem in den russischen Revolutionen von 1905 und 1917.

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Andrej Platonow Die Dummköpfe von der Peripherie

(Duraki na periferii) Aus dem Russischen von Susann Weien 6 D, 8 H

Maria, die Frau des Buchhalters Iwan Baschmakow, ist schwanger. Da Baschmakow bereits drei Kinder aus erster Ehe durchbringen muss und das Kind nicht von ihm ist, will er es nicht. Doch die für den Schutz von Mutter und Kind zuständige Kommission verfügt, dass Maria gebären muss. Daraufhin verklagt Baschmakow die Komission zur Zahlung von Alimenten und bekommt Recht – zum „Vater“ wird kurzerhand die ganze Kommission erklärt, denn sie hat schließlich dem Kind per Beschluss das Leben gegeben. Das hat zur Folge, dass die Kommissionsmitglieder wegen Ehebruchs von ihren Frauen rausgeworfen werden. Zusammen mit Maria und dem Neugeborenen gründen sie eine Kommune. Andrej Platonow portraitiert mit dieser übermütigen Komödie die Zeit der großen gesellschaftlichen Experimente im nachrevolutionären Sowjetrussland. Die Figuren nehmen die Beschlüsse ihrer Regierung wörtlich, wodurch sie nicht nur eine groteske Sprache entwickeln, sondern auch das politische Ansinnen ad absurdum führen. Zugleich ist diese Farce um Vaterschaftsanerkennung und realitätsferne Bürokratie spielend leicht auf heute zu übertragen. Wir haben keine Zukunft, nur die Gegenwart. Die Zukunft hat es nie gegeben.

A ndrej P latonow (1899-1951) gilt heute als einer der bedeutendsten Autoren der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Das Stück „Die Dummköpfe von der Peripherie“ entsteht 1928, wird aber erst 2006 veröffentlicht und erlebt seither mehrere erfolgreiche Inszenierungen auf russischen Bühnen.

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Die Zeit ist das Loch in der Schöpfung, die ganze Menschheit passt hinein.

(aus: Quartett)

HEINER MÜLLER 2013 – 2014 (Auswahl) +++ 24.04.2014: Die Hamletmaschine Minor Latham Playhouse, New York +++ 21.01.2014: Quartett Fondazione del Teatro Stabile, Turin +++ 17.01.2014: Quartett Toneelgroep Oostpool, Municipal Theatre Arnheim +++ 11.10.2013: Quartett Stadttheater Darmstadt  +++ 05.05.2013: Zement Bayerisches Staatsschauspiel, München +++ 04.07.2013: Quartett Teatro de la Universidad Finis Terrae, Santiago de Chile +++ 24.04.2013: Medeamaterial Teatro en movimento, Sao Paulo +++ 05.04.2013: Die Hamletmaschine Firehouse Creative Productions, Theatre503, London +++ 22.03.2013: Quartett Staatstheater Kassel +++ 07.03.2013: Die Schlacht Centraltheater Leipzig +++ 05.03.2013: Quartett Urland / Tournee: Belgien, Niederlande +++ 01.03.2013: Medeamaterial Foro Shakespeare, Mexiko D.F. +++ 24.02.2013: Leeres Theater Thalia Theater, Hamburg +++ 23.02.2013: Der Auftrag bat, Berlin +++ 04.02.2013: Quartett Teatro Solis, Montevideo +++ 19.01.2013: Die Hamletmaschine deviant gaze, Athen +++ 15.01.2013: Die Hamletmaschine Teatr LA M.ORT (Polen), Thrissur

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www.heinermueller.de



henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Alte Jakobstraße 85/86, Aufg. 7 · 10179 Berlin · Tel +49 (0)30 44 31 88 88 · Fax +49 (0)30 44 31 88 77 verlag@henschel-schauspiel.de · henschel-schauspiel.de · facebook.com/henschel.Theaterverlag


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