Die Konzeptkünstlerin Margret Eicher hat 1999 während einer Reise entlang der Loire die historische Tapisserie als politisches Kommunikationsmedium für ihre Arbeit entdeckt. Sie verbindet die barocke Form der Bildteppiche mit bekannten Motiven aus den Medien. In jüngster Zeit werden ihre Arbeiten vermehrt in Einzelund Gruppenausstellungen zum Thema „digitale Medienkultur“ gewürdigt.
Liebe Margret, diese Tapisserien sind ein Symbol für Reichtum, Macht und Bildung. Mich beeindruckt, wie Deine Wandarbeiten auch mit Themen des 21. Jhd. ihre Wirkung entfalten. Wo liegen die Parallelen zu zeitgenössischen Bildern und der konzeptuellen Basis Deiner Arbeiten?
Die konzeptuelle Basis liegt in der Analyse bestimmter Bildkategorien unter den Gesichtspunkten Kommunikation und Botschaft. Werbebilder, Reportagebilder über Zustände und Ereignisse, Darstellungen von Polit- und Popstars prägen unser Bewusstsein und Lebensgefühl. Es lohnt sich, jenseits der Information ihre Bildsprachen zu befragen. Während dieser Loire-Reise, die Du ansprichst, fiel mir auf, dass die höfische Tapisserie eine verblüffende Wirkverwandtschaft zu zeitgenössischen Medienbildern aufweist.
Aktuell sind Deine Tapisserien auf der Albrechtsburg in Meißen zu sehen. Meißen beheimatet Europas älteste Porzellan manufaktur. Porzellan und Teppiche sind in ihrer historischen Entwicklung durchaus ähnlich. Warum?
Meine Ausstellung dort bezieht sich ja speziell auf die geschichtsverherrlichenden Wandgemälde der Albrechtsburg. Während meine Medientapisserien die Herrschaftsgeste permanent unterlaufen, entfalten die Wandgemälde ihre Überzeugung von heroischer Geschichte. Das Meissener Porzellan spricht ebenfalls eine repräsentative Sprache im Sinne adliger Selbstdarstellung. Heute sind die Meissener Schwerter nicht mehr so kampfeslustig, sondern eher bürgerlich geworden. Anlässlich meiner Ausstellung habe ich eine Grafikedition herausgegeben: „NEW PORCELAIN!“, mit der ich Popkultur der Adelskultur entgegen halte.
Alle, die Deine Ausstellung in Meißen sehen wollen, sollten Dresden nicht nur wegen Caspar David Friedrich besuchen! Hattest Du schon Gelegenheit für einen Abstecher entlang der Elbe?
Caspar David Friedrich habe ich bereits Anfang des Jahres in der Hamburger Kunsthalle besucht. Aber von Dresden aus entlang der Elbe nach Schloss Pillnitz kann man auf den Wegen des Meisters seine Ausblicke auffinden …
Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viel Freude auf Ihrer persönlichen Entdeckungstour mit ARTMAPP!
Reiner Brouwer Herausgeber
museen-aschaffenburg.de
Reiner Brouwer, Foto: René Antonoff
Margret Eicher, Foto: Estefania Landesmann
100 JAHRE
NEUE SACHLICHKEIT
Mannheim
Eine ganz Stadt feiert das Jahrhundertjubiläum
S. 18
OTTO DIX IN GERA
Interview
mit Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar
S. 26
DRESDEN
Caspar David Friedrich.
Wo alles begann
S. 56
AUSSTELLUNG
Eine Schau zum Wiederkommen
Sarah Morris im Kunstmuseum Stuttgart
S. 80
TEXTIL KUNST
Soziales Gewebe
Marion Baruch im Haus Lange, Kunstmuseen Krefeld
S. 94
Gunter Stölzl und Johannes Itten im Kunstmuseum Thun
GENDER-HINWEIS: Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir auf gleichzeitige Verwendung der Sprach formen männlich, weiblich und divers. Wir meinen bei Personenbezeichnungen grundsätzlich alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat ausdrücklich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung oder ist als eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes misszuverstehen.
KERSTIN GRIMM
D E R 7 . B R U N N E N
ZEICHNUNGSCOLLAGEN UND SKULPTUREN
G E R T
W O L L H E I M
MALEREI, ZEICHNUNGEN, DRUCKGRAFIK UND SKIZZENBÜCHER
Sarah Morris im Kunstmuseum Stuttgart, Foto: Anna Gaskell
Sarah Morris
100 JAHRE NEUE SACH LICH KEIT
Mannheim feiert ein Jahrhundertjubiläum
Die Neue Sachlichkeit ist mehr als nur eine Stilrichtung in der Malerei der 1920er-Jahre in Deutschland, in der auf fast altmeisterliche Art und Weise damals aktuelle Themen aufgegriffen wurden. Sie hinterließ auch Spuren in Theater, Musik und Film, in Architektur, Literatur und Tanz – es war ein neues Lebensgefühl, das insbesondere die Städte der Weimarer Republik erfasste und en passant einen neuen Frauen typus hervorbrachte. In Mannheim prägte Gustav Friedrich Hartlaub, der damalige Direktor der Kunsthalle, den Begriff „Neue Sachlichkeit“ als Titel für eine Ausstellung, die aufgrund ihres großen Erfolgs 1925/26 in sechs weiteren Städten gezeigt wurde. Über das Jubiläum sprach Chris Gerbing mit Johan Holten, dem heutigen Direktor der Mann heimer Kunsthalle, und Inge Herold, der Kura torin der Ausstellung.
George Grosz, „Porträt des Schriftstellers Max Hermann-Neiße“, 1925, Kunsthalle Mannheim, Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Ulrich Müther hat mit seinen filigranen Bauten aus Beton Architekturgeschichte geschrieben.
Dazu gehören weltberühmte Bauwerke wie der „Teepott“ in Warnemünde, der „Müther-Turm“ (ehemals Rettungsturm) in Binz auf Rügen oder die „Seerose“, ein Uferpavillon in Potsdam.
Sonne, Sand & Kunst
Mecklenburg-Vorpommern ist eines der reizvollsten Bundesländer. Das Schweriner Residenzensemble wurde dieses Jahr UNESCO-Welterbe wie vormals die Altstädte von Wismar und Stralsund.
Und die Kunst? Wir stellen Ihnen auf den folgenden Seiten eine Auswahl vor. Die renovierte Kunst halle Rostock war ein Vorzeigeprojekt der DDR-Kulturpolitik: Hier wird nun die 35. Landesweite Kunstschau präsentiert und die Rostockerin Kate Diehn-Bitt (1900–1978) als große Künstlerin der Neuen Sachlichkeit gewürdigt. Der faszinierende „Müther-Turm“ auf Rügen erinnert uns an den 90. Geburtstag des weltberühmten Binzer Baumeisters Ulrich Müther (1934–2007), ein Repräsentant der architek tonischen Moderne. – www.auf-nach-mv.de
Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona (ADA), Dresden, Nieto Sobejano Arquitectos, Madrid/Berlin, Foto: Roland Halbe
Seit Mai 2024 ist das „Archiv der Avantgarden“ nach einem Entwurf von Nieto Sobejano und einer Bauzeit von rund fünf Jahren eröffnet. Das Blockhaus selbst hat eine wechselvolle Geschichte. Als Neustädter Wache 1732 am nördlichen Elbufer an der Westseite der Augustusbrücke von Zacharias Longuelune geplant und errichtet, um 1749 bis 1755 unter Johann Christoph Knöffel oder J. G. M. von Fürstenhof um Mezzaningeschoss und Dach erweitert, erhielt der mit Sand stein verkleidete Bau 1892 ein weiteres Stockwerk von
den Dresdner Architekten Ernst Sommerschuh und Gustav Rumpel. Im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt, blieb es eine Ruine, um 1978 bis 1982 als „Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ mit Festsaal, Klub und Gaststätte wieder aufgebaut und genutzt zu werden. 1994 vom Bund an den Freistaat veräußert, hatten hier unter anderem die Sächsischen Akade mien der Künste und Wissenschaften ihren Sitz – bis zum Elbhochwasser im Sommer 2013.
Krause-Harders Faszination für die räumliche und geschichtliche Dimen sion unserer Erde, ihr Streben nach Übersicht, offenbart sich in ihrem bisher größten Werk: Knapp drei Jahre arbeitete sie an einer über 250 Quadrat meter großen textilen Weltkarte, die als nach innen gestülpter Globus entworfen ist. Im Frühjahr 2019 beendete sie diese Arbeit nahezu beiläufig mit den Worten „Ich bin fertig mit der Welt“. Ohne einen repräsentativen Überblick und ohne Vorzeichnung hatte die Künstlerin die vielen Bildteile, die eine Weltkarte ergeben, ausschließlich gedanklich skizziert, hochskaliert und zusammengesetzt.
Während dieses unvorstellbar komplexen Arbeitsprozesses kombinierte sie selbst Gestricktes und Gehäkeltes mit Stoffen, Gaze, Planen, Spitze, Fellen, mit Leder, Samt, Seide und Baumwolle. Julia Krause-Harder vermengt, verknüpft, verwebt, knotet, wickelt, näht und verbindet diese verschiedenen textilen Werkstoffe.
SOPHIA EDSCHMID & SVEN FRITZ
female positions
YAEL BARTANA
MARION BARUCH
Können Sie mit Bestimmtheit sagen, wann Ihnen die Künstlerin Nan Goldin erstmals begegnete? Ich bin mir nicht ganz sicher … Aber ich erinnere mich an die Rencontres in Arles 2009. „The Ballad of Sexual Dependency“, Goldins visuelles Tagebuch vergaß ich nie mehr.
Und ich erinnere mich an eine kühle gotische Kirche aus dem 15. Jahrhundert, die Église des Frères Prêcheurs. Hier war eine von ihr kuratierte Ausstellung mit Fotografien ihrer Sammlung zu sehen. Goldins Helden waren die frühen Larry Clark, August Sander, Arthur „Weegee“ Fellig, Diane Arbus und Brassaï (Gyula Halász).
„I collect where I find beauty; a forest or a face. I am attracted to images that have parallels to my own experiences, either literally or subconsciously; of lovers, bar life, lesbians, drag queens, opium smokers and death.“
Zu weiteren bemerkenswerten Ausstellungen von Künstlerinnen lesen Sie auf den nachfolgenden Seiten. Viel Freude dabei!
AMREI HEYNE
23. November 2024 bis 6. April 2025
Nan Goldin
This Will Not End Well Neue Nationalgalerie, Berlin www.smb.museum