Katalog 54
2020
VOM
PARADIES NACH
ARK ADIEN
Katalog 54 2020
KU NST H A N DLU NG
H E L M U T H . RU M B L E R I N H A BE R I N: PET R A RU M BL E R
6 0 31 3 F R A N K F U R T A M M A I N · G O E T H E S T R A S S E 2 T E L E F O N + 4 9 (0 ) 6 9 - 2 9 11 4 2 · FA X + 4 9 (0 ) 6 9 - 2 8 9 9 7 5 d r w e i s @ b e h a m 3 5 . d e · w w w . h e l m u t r u m b l e r. c o m
HEINRICH ALDEGREVER
1 Die Geschichte von Adam und Eva.
1502 Paderborn – Soest 1555/1561
1540
Folge von sechs Kupferstichen. Je ca. 8,8 x 6,4 cm Bartsch, Hollstein und New Hollstein 1 – 6 Provenienz: Doublette der Albertina, Wien (Lugt 5 e und 5h)
Die selten komplette Folge in einem homogenen Set brillanter Abzüge. Meist auf der Plattenkante geschnitten, gelegentlich minimal knapp bzw. mit hauchfeinem Rändchen. Tadellos in der Erhaltung. In den sechs Blättern seiner >Geschichte von Adam und Eva< hat Aldegrever verschiedene künstlerische Anregungen verarbeitet. Während das erste und das letzte Blatt der Folge, >Die Erschaffung Evas< und >Adam und Eva bei der Arbeit<, deutlich Bezug nehmen auf die entsprechenden Darstellungen in H. Holbeins Totentanzfolge >Les simulacres & historiées faces de la mort< von 1538, bleibt bei den übrigen Kompositionen Dürer als Aldegrevers immer wieder anregender Inspirationsquell unverkennbar. Zschelletzschky beispielsweise fühlte sich bei den Gestalten Gottvaters im zweiten und vierten Blatt an Dürers 1523 und 1526 gestochene Apostel (Meder 45 und 48) erinnert. >Der Sündenfall< und >Die Vertreibung aus dem Paradies< paraphrasieren ganz unmittelbar die entsprechenden Kompositionen aus >Der kleinen Holzschnittpassion< des Nürnberger Meisters (Meder 126 und 127). Aldegrever bleibt jedoch auch weiterhin dem Dürer der frühen Jahre treu. Ihm liegt es nicht, Gestalten zu schaffen, die seines Schönheitsideals so entbehren wie der Adam des Holzschnittes. Sein Ziel sieht er vielmehr in einer zunehmenden Verschleifung und Glättung der Oberfläche des Körpers, die auf die Wirkung des Knorrigen, Holprigen, in Holz Geschnitzten ganz verzichtet, in der Verjüngung der Gestalten und Vermeidung von Körperunschönheiten. Derselbe Wunsch nach Idealisierung tritt gegenüber den Dingen der Natur hervor. So nimmt Aldegrever dem Baume das Rauhe und Rissige und gibt ihm eine glattere Rinde. Aus dem gleichen Gefühl läßt er den Schuppenpanzer weg, wodurch die stofflichen Merkmale aufgehoben werden und im Grunde kein Unterschied bleibt zwischen dem Körper der Schlange und dem Holz des Baumes. (H. Zschelletzschky)
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HEINRICH ALDEGREVER
1 Die Geschichte von Adam und Eva.
1502 Paderborn – Soest 1555/1561
1540
Folge von sechs Kupferstichen. Je ca. 8,8 x 6,4 cm Bartsch, Hollstein und New Hollstein 1 – 6 Provenienz: Doublette der Albertina, Wien (Lugt 5 e und 5h)
Die selten komplette Folge in einem homogenen Set brillanter Abzüge. Meist auf der Plattenkante geschnitten, gelegentlich minimal knapp bzw. mit hauchfeinem Rändchen. Tadellos in der Erhaltung. In den sechs Blättern seiner >Geschichte von Adam und Eva< hat Aldegrever verschiedene künstlerische Anregungen verarbeitet. Während das erste und das letzte Blatt der Folge, >Die Erschaffung Evas< und >Adam und Eva bei der Arbeit<, deutlich Bezug nehmen auf die entsprechenden Darstellungen in H. Holbeins Totentanzfolge >Les simulacres & historiées faces de la mort< von 1538, bleibt bei den übrigen Kompositionen Dürer als Aldegrevers immer wieder anregender Inspirationsquell unverkennbar. Zschelletzschky beispielsweise fühlte sich bei den Gestalten Gottvaters im zweiten und vierten Blatt an Dürers 1523 und 1526 gestochene Apostel (Meder 45 und 48) erinnert. >Der Sündenfall< und >Die Vertreibung aus dem Paradies< paraphrasieren ganz unmittelbar die entsprechenden Kompositionen aus >Der kleinen Holzschnittpassion< des Nürnberger Meisters (Meder 126 und 127). Aldegrever bleibt jedoch auch weiterhin dem Dürer der frühen Jahre treu. Ihm liegt es nicht, Gestalten zu schaffen, die seines Schönheitsideals so entbehren wie der Adam des Holzschnittes. Sein Ziel sieht er vielmehr in einer zunehmen den Verschleifung und Glättung der Oberfläche des Körpers, die auf die Wirkung des Knorrigen, Holprigen, in Holz Geschnitzten ganz verzichtet, in der Verjüngung der Gestal ten und Vermeidung von Körperunschönheiten. Derselbe Wunsch nach Idealisierung tritt gegenüber den Dingen der Natur hervor. So nimmt Aldegrever dem Baume das Rauhe und Rissige und gibt ihm eine glattere Rinde. Aus dem gleichen Gefühl läßt er den Schuppen panzer weg, wodurch die stofflichen Merkmale aufgehoben werden und im Grunde kein Unterschied bleibt zwischen dem Körper der Schlange und dem Holz des Baumes. (H. Zschelletzschky)
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HEINRICH ALDEGREVER
2 Orpheus und Eurydike.
1502 Paderborn – Soest 1555/1561
1528
Eisenradierung. 7,8 x 5,1 cm Bartsch, Hollstein und New Hollstein 100 Provenienz: Doublette der Albertina, Wien (Lugt 5 e und 5h)
Ausgezeichneter Abzug der extrem seltenen Inkunabel der Eisenradierung. Zumeist auf der Plattenkante geschnitten. Rechts minimal knapp und mit sorg samer Federretusche ergänzt auf der alten Unterlage mit dem Doublettenstempel der Albertina auf der Rückseite. Die Komposition ist eine von nur drei Versuchen in der Technik der Eisenra dierung, die Aldegrever 1528, schon bald nach seiner Niederlassung in Soest, unternommen hat. Zschelletzschky vermutete, Aldegrever habe seine Kenntnisse der neuen Technik bei einem Aufenthalt in Nürnberg während seiner Wanderjahre unmittelbar von Dürer oder auch H. S. Beham erworben. Auch für ihn blieb der Versuch Episode. Das der antiken Mythologie entnommene Sujet bot Aldegrever erstmals Gelegenheit sich in der Darstellung des nackten menschlichen Körpers zu pro filieren. Für die kompositorische Anlage mögen Dürers Kupferstiche >Apoll und Diana< (Meder 64) und die >Satyrfamilie< (Meder 65) erste Anregungen geboten haben. Für die Gestalt des Orpheus jedoch vermutete A. Ober heide und zuletzt auch U. Mielke eine direkte Bezugnahme auf eine italienische Vorlage wie Raimondis Kupferstich >Orpheus und Eurydike< (Bartsch 295).
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HEINRICH ALDEGREVER
1502 Paderborn – Soest 1555/1561
3 Jan van Leiden. 1536 Kupferstich. 31,6 x 22,6 cm Bartsch, Hollstein und New Hollstein 182/II Provenienz: P. Mariette 1668 (Lugt 1790) Doublette der Albertina, Wien (Lugt 5 e und 5h)
Eines der einprägsamsten Portraits des 16. Jahrhunderts. Superber Abzug. Rußig tiefschwarz, von fast samtiger Wirkung, wobei der ungewöhnlich intensive Plattenton die brillanten Kontraste der Komposition zu einem bemerkenswert harmonischen Gesamteindruck zusammenbindet. Mit den Korrekturen im Unterrand. U. Mielke konnte im New Hollstein nur gesamthaft zwei Exemplare des I. Zustandes – vor der Schriftkorrektur – in öffentlichen Sammlungen (Stadtmuseum Münster und Bibliothèque Nationale, Paris) nachweisen. Auf der Plattenkante geschnitten. Diverse Ausbesserungen in den Rändern sind zu akzeptieren angesichts der herausragenden Schönheit des vorliegenden Abzuges und der großen Seltenheit des Blattes. Alt-aufgezogen, wodurch der Namenszug von ‚P. Mariette 1667‘ nur im Durchlicht zu sehen ist. Die Entstehungsgeschichte, insbesondere die Frage nach dem Auftraggeber des spektakulären Bildnisses eines der Protagonisten der Täuferherrschaft in Mün sterder Jahre 1534–1535 ist bislang nicht ganz geklärt. Wie für das Gegenstück, das Bildnis Bernard Knipperdollings, dürfte Aldegrever vorbereitende Portraitstudien wohl noch während der Haftzeit der Beiden angefertigt haben. Gestochen wurden die Portraits jedoch erst nach deren Hinrichtung am 22.1.1536, worauf die lateinische Inschrift ausdrücklich verweist: HAEC FACIES HIC CVLTVS ER AT CVM SEPTR A TENEREM REX αναβπτστψν SED BREVE TEMPVS EGO HENRICVS ALDEGREVER SVZATIENSIS FACIEBAT ANNO M D XXXVI (Dies war mein Aussehen, dies der Schmuck, als ich das Szepter trug, ich der König der Wiedertäufer – doch nur für kurze Zeit. Heinrich Aldegrever aus Soest schuf (es) 1536). Es folgt Jans Wahlspruch GOTTES MACHT IST M Y N CR ACHT (Gottes Macht ist meine Kaft).
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ANON YM. DEUTSCHLAND XVI. JAHRHUNDERT
4 Tobias mit dem Engel.
Um 1600
Nach A. Elsheimer (?)
Radierung. 15,0 x 9,8 cm Passavant (Archiv für Frankfurter Geschichte und Kunst, 1847) 5; Nagler (Monogrammisten I, 494) 3; Hind (The Print Collectors Quarterly 13, 1926) 16 [rejected]; Weiszäcker ( Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen XLVIII, 1924) 18/I-II [mit unrecht zugeschrieben]; Hollstein (A. Elsheimer) 16/I-II; Andrews A58 [rejected]
Das seltene, durch die dramatischen Beleuchtungseffekte faszinierende Blatt in einem ganz ausgezeichneten Abzug, der bis auf die Darstellung beschnitten ist, wodurch der Druckzustand – vor oder mit der Bezeichnung ‚Elsheimer pinx‘ im Unterrand – nicht mehr eindeutig zu klären ist. In tadelloser Erhaltung. Elsheimer hat sich verschiedentlich mit dem Sujet des Tobias mit dem Engel auseinandergesetzt. Der Künstleradresse zufolge, die der vorliegenden, ungemein stimmungsvollen Radierung im zweiten Zustand beigegeben wurde, tradiert das Blatt eine seiner heute im Original verlorenen Versionen des Themas. Andrews Hinweis auf die querformatige Gouache in Berlin (Andrews 47; Jacobi A3), die Jacobi jüngst aus dem Werk Elsheimers ausgeschieden hat, passt nicht recht zu der vorliegenden Komposition im Hochformat, wohl aber zu einer weiteren, gleichfalls mit Elsheimer in Vebindung gebrachten Radierung (Passavant 6). Passav ants Zuschreibung beider Radierungen an den Meister selbst gilt seit den bahnbrechenden Aufsätzen zu Elsheimers Originalradierungen von A. Hind und H. v. Weiszäcker als mindestens umstritten. Sie mögen auf Entwürfe des Künstlers zurückgehen …, jedoch sind sie in Auffassung und Behandlung durchaus eines anderen Geistes Kind. Sie weisen einerseits weit mehr als Elsheimers Originalarbeiten die Routine eines gelernten Kupferstechers auf, andererseits aber stehen sie jenen so weit an Originalität und Frische der Arbeit nach, daß jede Verwechslung ausgeschlossen sein sollte, urteilte v. Weiszäcker. Gleichwohl figurieren beide Blätter im 1951 publizierten VI. Band des Hollstein noch unter den Radierungen Elsheimers. Die Zuschreibung wurde durch Andrews endgültig abgelehnt.
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HANS BALDUNG GRIEN
1484/85 Gmünd (Schwaben) – Straßburg 1545
5 Maria mit dem Kinde auf der Rasenbank. 1505/07 Holzschnitt. 23,6 x 16,3 cm Bartsch VII, 178, 13/II (Dürer); Hollstein 65/II; Ausst. Kat. >Hans Baldung Grien<, Karlsruhe 1959, Nr. 18/II; Geisberg/Strauss 66/II; Mende 1/II Wasserzeichen: A im Kreis mit zwei Bögen und zwei M (Meder Wz 288) Provenienz: Hessische Privatsammlung
Die frühe, noch aus den Gesellenjahren des Künstlers stammende Komposition in einem ganz ausgezeichneten Abzug mit dem Dürer-Monogramm. Kraftvoll, ohne jede Schwäche. Gedruckt auf Papier mit dem Wasserzeichen ‚A im Kreis mit zwei Bögen und zwei M‘, wie das Exemplar im Augustinermuseum, Freiburg, jedoch ohne jede Retusche in den Randausbrüchen. Mit feinem Papierrand um die Einfassung. Drei Horizontalfalten sorgsam geglättet und nur rückseitig wahrnehmbar. Das Andachtsblatt entstand vermutlich während Dürers zweiter Italienreise, als H. Baldung zusammen mit H. Schäufelein den Meister in Nürnberg vertrat und die Werkstatt weiterführte. Dürer dürfte nach seiner Rückkehr darauf bestanden haben, daß der Holzschnitt wie alle Produkte seiner Werkstatt auch mit seinem Monogramm gekennzeichnet wurde. Mit seiner >Maria mit dem Kinde auf der Rasenbank< griff Baldung ein beliebtes Sujet der zeitgenössischen Druckgraphik auf. Einf lüsse von Schongauers Kupferstich von 1475/80 (New Hollstein 36) und Dürers Kupferstich >Maria mit der Meerkatze< von um 1498 (Meder 30) sind unverkennbar. Gleichwohl verändert der junge Künstler das Vorgefundene in für ihn charakteristischer Weise: his Child is larger and fixes his stare at the viewer; the curls of his Virgin’s hair have a life of their own as they fly in the air in calligraphically animated lines; and the monumental and pyramidal forms of Baldung’s figures fill and truly dominate the picture field and landscape of his composition. (L. Karafel)
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HANS BALDUNG GRIEN
1484/85 Gmünd (Schwaben) – Straßburg 1545
6 Der Heilige Christophorus. Um 1505/07 Holzschnitt. 12,7 x 9,9 cm Passavant III, pag. 203, Nr. 247 (Dürer); Heller 2011 (Dürer); Hollstein 117; Ausst. Kat. >Hans Baldung Grien<, Karlsruhe 1959, Nr. 50; Geisberg/Strauss; Mende 10 Provenienz: H . A. Cornill-D’Orville (Lugt 529) H. G. Gutekunst, Stuttgart, Auktion 53, 1900, Nr. 400 Fürstlich Waldburg Wolfegg’sches Kupferstichkabinett (Lugt 2542) Hessische Privatsammlung
Brillanter Abzug. Wie üblich mit dem rückseitigen Text und dem Druckvermerk von Friedrich Peypus 1515 aus der lateinischen Erstausgabe der >Epistola Doctoris Scheurli ad Charitatem Abbatissam S. Clarae de laudibus familiae Pyrckheymer …<. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von geistlichen Briefen Sixtus Tuchers, eines Onkels von Christoph Scheurl, an die Äbtissin des Nürnberger Klarissenklosters Caritas, die eine Schwester Willibald Pirckheimers war, und Apolonia Tucher, die Priorin dieses Konvents aus den Jahren 1498/99 bis 1506. Den Abschluß bildete ein traktatartiges Schreiben über das rechte Leben und Sterben, das Scheurl selbst 1407 nach dem Tod seines Onkels an den ganzen Konvent von St. Klara gerichtet hatte. Von Passavant und Heller zunächst mit Dürer selbst in Verbindung gebracht, gilt die kleine Darstellung des Heiligen Christophorus heute als Werk Hans Baldung Griens, entstanden bereits in den frühen Nürnberger Gesellenjahren – vermutlich zunächst als Einblattholzschnitt. Brochhagen und Lauts zufolge existieren nur zwei solche Exemplare, ohne rückseitigen Text, in Berlin und Wien. Selten.
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HANS SEBALD BEHAM
1500 Nürnberg – Frankfurt am Main 1550
7 Adam, stehend. 1524 Eva, stehend. 1523 2 Blätter. Kupferstich. Je 7,9 x 5 2 cm Bartsch, Pauli und Hollstein 3/I (von II) und 4/I (von II) Provenienz: P. Davidsohn (Lugt 654) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion CXXIX, 1920, Nr. 396 R. Leendertz (Lugt 1708) Deutsche Privatsammlung bzw. A. Coppenrath (Lugt 87) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion XLVI, 1889, Nr. 303 Deutsche Privatsammlung
Exquisite Frühdrucke der beiden extrem seltenen Gegenstücke mit Darstellungen des ersten Menschenpaares. Jeweils noch mit dem weißen Himmel im höhlenartigen Ausblick in die freie Landschaft. Superbe Exemplare von schönster Brillanz und Klarheit. Herrlich kontrastreich im Wechselspiel von dichtesten Kreuzlagen und fast unbehandelt gebliebenen Partien insbesondere der nackten Körper und der Landschaftsausblicke, in denen das warmtonige Weiß des völlig unbehandelten Papiers eine wunderbar harmonische Atmosphäre evoziert. Auf der Plattenkante geschnitten. In unberührter Frische. Von Hollstein 1954 namentlich erwähnt unter den seit 1872 in Auktionen angebotenen beiden Exemplaren des Adam bzw. den fünf Exemplaren der Eva im jeweils ersten Zustand. Hollstein konnte für seine Illustrationen nur auf Exem plare des II. Etats zurückgreifen. Von allergrößter Seltenheit. Sebald Beham zeigt Adam und Eva nackt … Die beiden Protagonisten wenden sich mit ihren Körpern und Blicken einander zu. Beide stehen vor einem dunklen, höhlenartigen Hintergrund, der sich bei Adam zur rechten und bei Eva zur linken Seite in eine flache Landschaft öffnet. Beide Durchblicke zusammen bilden eine Pforte, die auf den Weltenwechsel nach dem Sündenfall vorausweist … Viel wichtiger als die Inkarnation des Bösen und der damit einhergehenden Schuldfrage erscheint dem Künstler die Darstellung der biblischen Gestalten selbst. Ihre nackten Körper füllen die relativ kleinen Kupferstiche gänzlich aus. Trotz der geringen Größe der Blätter gelingt es Beham, die Figuren in ihrer muskulösen Gestalt monumental und antik zugleich erscheinen zu lassen … Indem Eva den Apfel mit der linken Hand vor die rechte Brust hält, um ihn ihrem männlichen Pendant anzubieten, wird in der Formanalogie von rundem Apfel und wohlgeformter Brust die Sünde des Menschen deutlich als Fleischeslust entlarvt … Steht bei Dürer das antike Figurenkonzept sowie die Harmonie der göttlichen Schöpfung im Vordergrund, ist es bei Beham vor allem die menschliche Nacktheit und die daraus resultierende Begierde, welche nicht das erste Menschenpaar, sondern zu allererst den Betrachter der Sündhaftigkeit überführt. Für diese Wirkung weicht Beham von dem renommierten Vorbild ab. Er isoliert die Protagonisten auf zwei Blättern, deren Bilddiagonalen sich jeweils im Geschlecht von Mann und Frau treffen. (K. Küster)
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HANS SEBALD BEHAM
1500 Nürnberg – Frankfurt am Main 1550
8 Die Dame und der Tod. 1541 Kupferstich. 7,9 x 5,2 cm Bartsch 149; Pauli und Hollstein 150/I (of III) Provenienz: Deutsche Privatsammlung
Brillanter, rußig tiefschwarzer Frühdruck des subtilen Memento Mori. Vor der Überarbeitung der Falte des Kleides, die unmittelbar hinter der Manschette beginnt, sowie vor dem zusätzlichen Grashalm im Grasbüschel links neben dem Blumentopf. Mit feinem Rändchen um die Einfassung, die oben minimal angeschnitten erscheint. Unten mit hauchfeinem Rändchen um die Plattenkante. In tadelloser Erhaltung. Beham greift im vorliegenden Kupferstich von 1541 direkt auf seine ein Jahr zuvor entstandene Radierung >Frau und Narr< zurück. Unter der lateinischen Warnung, daß der Tod alle menschliche Schönheit beseitige, wiederholt er das vor einer Rasenbank lustwandelnde Liebespaar mit wenigen, aber umso gravierenderen Veränderungen: Der Charmeur im Narrenkostüm zeigt unter der Narrenk appe nun einen Totenschädel und überreicht seiner Geliebten keine Nelken mehr, sondern präsentiert ihr das Stundenglas als Sinnbild der verrinnenden Lebenszeit. J. L. Levi hat auf die engen Bezüge zu Dürers unter dem Titel >Der Gewalttätige< bekannten Kupferstich >Junge Frau vom Tode bedroht< von etwa 1495 (Meder 76) und Hans Baldung Griens Baseler Tafelbild >Der Tod und das Mädchen< von 1517 hingewiesen: These works (and numerous other images by Baldung) are all sexualized, showing Death seizing or embracing a woman. In Dürer’s >The Ravisher<, the woman is seated on the lab of Death, and two of them are on a grassy bench that evokes a Garden of Love. In various works by Baldung, the images are sexualized by the nudity of the women and the embrace of Death. However these images differ from Sebald’s in one important respect. Violence characterizes Dürer’s >The Ravisher< and numerous images by Baldung where Death is a rapist who violates his victims. In contrast, Death is a courteous and attentive, albeit foolish, lover in >The Lady and Death<. Sebald’s gentler image is in keeping with the playful approach that characterizes his prints.
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HANS SEBALD BEHAM
1500 Nürnberg – Frankfurt am Main 1550
9 Der Tod und das stehende nackte Weib. 1542 Kupferstich. 7,5 x 4,9 cm Bartsch 150; Pauli und Holstein 151/I (von III) Provenienz: Yorck von Wartenburg (Lugt 2669) C. G. Boerner, Leipzuig, Auktion CLXXVI, 1932, Nr. 251 Gordon Nowell-Usticke Christie, Manson & Woods LTD., London, Auktion 28. Juni 1978, Nr. 84 Deutsche Privatsammlung
Superbes Exemplar des äußerst seltenen ersten Zustandes. Vor der vierten diagonalen Strichlage auf dem rechten Schienbein der Frau und vor allen weiteren Arbeiten. Der bereits von Pauli namentlich erwähnte Frühdruck aus der Sammlung von Yorck von Wartenburg, den G. Nowell-Usticke wegen seiner unübertreff lichen Brillanz in seine berühmte Beham Collection übernahm. Rußig tiefschwarz und mit delik atem Plattenton. Entsprechend im Auktionskatalog bei C. G. Boerner, Leipzig 1932 lob end beschrieben als selten so schön. Der Auktionskatalog der NowellUsticke-S ammlung vermerkt 1978: This impression is finer than the one in the British Museum. Mit 4 – 6 mm breiten Papierrändern um die partiell noch rauh zeichnenden Plattenkanten. In perfekter, makellos, unberührt frischer Erhaltung. Im Unterschied zu Behams >Dame und der Tod< (Hollstein 150), die ganz der nordalpinen Bildtradition verhaftet bleibt, ist die hier vorliegende Komposition eher der italienischen Version des Themas verpf lichtet: The nude woman … is an idealized, classicizing figure, a distinct type within the oeuvre of the Behams. The winged figure of Death derives from an Italian tradition for the depiction of Death. The two figures appear in a setting that includes ruined architectural fragments of the type that fascinated humanists and appeared frequently in Italian art. One of these architectural fragments, located in the lower right corner of the engraving, bears the Latin inscription and calls to mind the humanist interest in classical inscriptions. The Italian references in >Death and the Maiden< are as much a part of the subject as the >memento mori< theme. Sebald seems to have intended the engraving for an audience that would delight in his presentation of a northern theme in a pictorial language reminiscent of Italy and classical antiquity. ( J. L. Levy) Besonders gesuchte Darstellung im Werk des Künstlers.
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WILLEM VAN BEMMEL
1630 Utrecht – Wöhrd bei Nürnberg 1708
10 Landschaft mit gehendem Mann und einen Korb tragendem Knaben. Um 1654 Radierung. 11,1 x 17,8 cm Fehlt bei Le Blanc und Wurzbach; Weigel 12622; Hollstein 7 Provenienz: T h. Graf (Lugt 1092a) F. Quiring (Lugt 1041c)
Selten, wie alle Kompositionen van Bemmels, dessen kleines, aber sehr geistreiches druckgraphisches Œuvre lediglich 9 radierte Landschaftsdarstellungen umfaßt. Das reizvolle Einzelblatt entstand sicher in zeitlicher Nähe zu der Folge von sechs Landschaften (Hollstein 1 – 6) aus dem Jahre 1654. Zu diesem Zeitpunkt stand der ehemalige Schüler H. Saftlevens in Diensten des Landgrafen Ernst I. von Hessen-R heinfels-Rotenburg. Kurz darauf scheint er sich auf eine ausgedehnte Reise nach Italien begeben zu haben, bevor er sich 1662 schließlich in Nürnberg als ein fürtrefflicher Landschafts-Maler (Sandrart) niederließ.
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NICOLAS BERCHEM
1621/22 Haarlem – Amsterdam 1683
11 Die Kuhtränke. 1680 Radierung. 28,1 x 37,7 cm Bartsch I/I (von II), Dutuit und Hollstein 1/II (von V) Provenienz: F. Gawet 1806 (Lugt 1005 und 1069) E. Galichon (Lugt 856) A. Artaria (Lugt 33) T. Graf (Lugt 1092a und 1092b) F. Quiring (Lugt 1041c) C. G. Boerner, Düsseldorf, Neue Lagerliste 53, 1969, Nr. 11 Deutsche Privatsammlung
Berchem’s most celebrated print (G. S. Keyes) Das reife Meisterblatt des Künstlers in einem superben Frühdruck, von geradezu überwältigendem luminaristischem Reiz, wie ihn nur die allerersten Abzüge bieten können, bei denen das kalligraphische Lineament noch in fast rußigem Tiefschwarz brillant kontrastiert zu den absichtsvoll unbearbeitetet gebliebenen, gleichsam vom Licht überstrahlten Partien der Komposition. Ces épreuves sont extrêmement rare, bemerkte bereits Bartsch. Vor den späteren Verlegeradressen von N. Visscher und Leon Schenck bzw. deren Löschung. Der früheste erreichbare Zustand, nachdem die beiden Probedrucke des I. Etats sich heute in der Collection Dutuit, Paris und im British Museum befinden. Mit der Plattenkante bzw. hachfeinem Rändchen darüber hinaus. Vereinzelte, sorgsam geschlossene Randläsuren haben selbst bedeutende Graphiksammler nicht abgehalten, das brillant gedruckte Exemplar in ihre Kollektionen aufzunehmen, wie die illustre Provenienz belegt. In seiner wohl letzten Radierung zelebriert der Künstler geradezu eines seiner beliebtesten bukolischen Sujets, eine Viehherde mit einer Gruppe von Hirten an der Tränke im Schatten römisch-antiker Ruinen: In the case of >The cows at the Watering Place<, Berchem incorporates animals into a larger composition of great ele gance.The ample, open foreground is hemmed in by massive ruins and steep hills jutting up immediately behind. Berchem virtually omits the far distance, only offering a glimpse of remote hills, largely screened by the peasants at right. Clifford S. Ackley felicitously des cribedthe «balletic grace» of the sujet while stressing Berchem’s reliance on strong contrasts and rhytmic, calligraphic contours. (G. S. Keyes)
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NICOLAS BERCHEM
1621/22 Haarlem – Amsterdam 1683
11 Die Kuhtränke. 1680 Radierung. 28,1 x 37,7 cm Bartsch I/I (von II), Dutuit und Hollstein 1/II (von V) Provenienz: F. Gawet 1806 (Lugt 1005 und 1069) E. Galichon (Lugt 856) A. Artaria (Lugt 33) T. Graf (Lugt 1092a und 1092b) F. Quiring (Lugt 1041c) C. G. Boerner, Düsseldorf, Neue Lagerliste 53, 1969, Nr. 11 Deutsche Privatsammlung
Berchem’s most celebrated print (G. S. Keyes) Das reife Meisterblatt des Künstlers in einem superben Frühdruck, von geradezu überwältigendem luminaristischem Reiz, wie ihn nur die allerersten Abzüge bieten können, bei denen das kalligraphische Lineament noch in fast rußigem Tiefschwarz brillant kontrastiert zu den absichtsvoll unbearbeitetet gebliebenen, gleichsam vom Licht überstrahlten Partien der Komposition. Ces épreuves sont ext rêmement rare, bemerkte bereits Bartsch. Vor den späteren Verlegeradressen von N. Visscher und Leon Schenck bzw. deren Löschung. Der früheste erreichbare Zustand, nachdem die beiden Probedrucke des I. Etats sich heute in der Collection Dutuit, Paris und im British Museum befinden. Mit der Plattenkante bzw. hachfeinem Rändchen darüber hinaus. Vereinzelte, sorgsam geschlossene Randläsuren haben selbst bedeutende Graphiksammler nicht abgehalten, das brillant gedruckte Exemplar in ihre Kollektionen aufzunehmen, wie die illustre Provenienz belegt. In seiner wohl letzten Radierung zelebriert der Künstler geradezu eines seiner beliebtesten bukolischen Sujets, eine Viehherde mit einer Gruppe von Hirten an der Tränke im Schatten römisch-antiker Ruinen: In the case of >The cows at the Watering Place<, Berchem incorporates animals into a larger composition of great ele gance.The ample, open foreground is hemmed in by massive ruins and steep hills jutting up immediately behind. Berchem virtually omits the far distance, only offering a glimpse of remote hills, largely screened by the peasants at right. Clifford S. Ackley felicitously des cribedthe «balletic grace» of the sujet while stressing Berchem’s reliance on strong contrasts and rhytmic, calligraphic contours. (G. S. Keyes)
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EUGÈNE BLÉRY
12 Le Moulin de la Roche.
1805 Fontainebleau – Paris 1887
1846
Radierung. 17,7 x 25,3 cm Le Blanc 40; Béraldi 67, Inventaire du Fonds français. Après 1800, tome 2, pag. 511, Nr. 82
Blatt 3 der Folge >4 Paysages à l’Eau-Forte< Bislang unbeschriebener Frühdruck vor der späteren Nummerierung. Prachtvoller Abzug auf zart grauem chine collé. Die Folge >4 Paysages à l‘Eau-Forte< gilt als eines der Hauptwerke des Künstlers, das komplett so gut wie nie auf dem Markt angeboten wird. Die einzelnen Blätter entstanden direkt vor der Natur. Bléry war Lehrer und Vorbild von Meryon. Sein graphisches Werk ist gerade in diesem Zusammenhang von hohem Interesse.
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FERDINAND BOL
1616 Dordrecht – Amsterdam 1680
13 Die Todesstunde. Um 1643 Radierung. 13,2 x 9,0 cm Bartsch 108/II ; Rovinski (Élèves de Rembrandt) Columne 21, Nr. 18/III ; Hind †310 ; Hollstein 18/IV
Die schöne rembrandteske Komposition, die Bartsch noch zu den eigenhändigen Radierungen des Meisters zählte, gilt heute unbestritten als das Werk von F. Bol. Vom Künstler als Illustration zu J. H. Kruls >Pampiere Wereld<, Amsterdam 1644 konzipiert, wurde sie auch verwendet in >Den Christelyken Hovelingh<, einem Theaterstück desselben Autors. Die nahezu komplette Buchseite unten links mit kleinem Eckabriß. Die Platten kante partiell gebrochen. Links oben mit einem partiell alt hinterlegten Wurmgang (?) und diversen Gebrauchsspuren. F. Bol paraphrasiert mit seiner allegorischen Komposition Rembrandts >Liebespaar und der Tod< von 1639 (B. 109). Die Szene illustriert eine der von J. H. Krul zu einem Erbauungsbuch zusammengestellten lehrhaften Dichtungen, die sämtlich vor der Korrumpierbarkeit der Welt warnen, namentlich vor der Neigung des Menschen, sich den irdischen Vergnügungen hinzugeben: Ein alter Höf ling, der reumütig allen weltlichen Vergnügungen entsagt hat, um sich seinen religiösen Studien zu widmen, wird von Florentina, einer eleganten Kurtisane, in seiner improvisierten Behausung in der Absicht aufgesucht, ihn zu verführen. Anstatt ihren Reizen zu erliegen, versteht er es jedoch, sie unter dem Hinweis auf den Tod, der jedem gewiss ist, zu einem keuschen und christlichen Lebenswandel zu bekehren.
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SIR MUIRHEAD BONE
1876 Glasgow – Oxford 1953
14 The Dogana, Venice. 1913 Kaltnadelradierung. 20,1 x 27,8 Cambell Dodgson, >The Later Dry-Points of Muirhead Bone< in: >The Print Collector’s Quarterly. Vol. 9, p. 193; Cambell Dodgson und Harold Wright, >Etchings and Drypoints of Sir Muirhead Bone (1908 – 1939). London (unpubliziert) [unpubliziertes Typoskript im British Museum (Ai.7.20)], Nr. 296 Provenienz: H . Stinnes (Lugt 1376d) Gutekunst & Klipstein, Bern, Auktion XIII, 1938, Nr. 45 Deutsche Privatsammlung
Exquisiter, mit delikatem Plattenton gedruckter Abzug auf feinem Japanpapier. Bone hat mit Rücksicht auf die empfindliche Kaltnadeltechnik, die nur ganz wenige voll befriedigende Abzüge erlaubt, seine Kompositionen bisweilen jeweils nur in wenigen Probeabzügen oder in nur ganz geringer Auf lage gedruckt. Signiert. >The Dogana, Venice< zählt, laut Dodgson, zu den besten Kompositionen des Künstlers, die 1913 nach der Rückkehr von seiner zweijährigen Italienreise in England entstanden. Bone hatte den Sommer des Jahres 1912 in Venedig verbracht und dort vor allem gezeichnet. Nur sechs Radierungen mit Motiven der Lagunenstadt entstanden vor Ort, darunter bereits eine Ansicht der Dogana von der Zaterre aus (Dodgson-Wright 286). Für die vorliegende Komposition wählte Bone eine andere Perspektive von der Lagune aus, die dem Wasser gleichsam mehr Raum gab, mit Blick auf San Giorgio Magiore jenseits des Canale della G uidecca.
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RODOLPHE BRESDIN
1822 Montrelais – Sèvres 1885
15 LA COMÉDIE DE LA MORT. 1854 Lithographie. 21,6 x 15,0 cm van Gelder 84/quatrième tirage (von six tirages); Préaud, Ausst. Kat. >Rodolphe B resdin …<, Paris 2000, Nr. 130/III (von V)
Brillanter Abzug der ersten von Lemercier in Paris 1861 gedruckten Ausgabe auf crème-farbigem chine collé. Noch vor der Löschung der Adresse ‚r. St Rome, Toulouse.‘ rechts. Vor den weiteren Auf lagen desselben Jahres, sowie von 1867, 1873 und 1880. Mit breiten Papierrändern. Extrem frisch und gänzlich unverpresst erhalten mit noch deutlich sichtbar eingeprägten Spuren des Lithographie-Steins. ‚La Comédie de la Mort‘, de Bresdin, où dans un invraisemblable paysage, hérissé d’arbres, de taillis, de touffes, affectant des formes de démons et de fantômes, couverts d’oiseaux à têtes de rats, à queues de légumes, sur un terrain semé de vertèbres, de côtes, de crânes, des saules de dressent, noueux et crevassés, surmontés de squelettes agitant, les bras en l’air, un bouquet, entonnant un chant de victoire, tandis qu’un Christ s’enfuit dans un ciel pommelé, qu’un ermite réfléchit, la tête dans ses deux mains, au fond d’une grotte, qu’un misérable meurt, épuisé de privations, exécuté de faim, étendu sur le dos, les pieds devant une mare. ( J. K. Huysmans) … zweifellos gehört Bresdins „Lustspiel vom Tod“ in die Bildtradition der „Versuchung des hl. Antonius“, die Bosch so entscheidend mitbestimmt hat. Doch Bresdin, von dem wir kein Selbstbildnis besitzen, hat dieses saturnische Traumbild eines Melancholikers ins Persön liche, ins Autobiographische gewendet: Wie Flaubert identifizierte er sich mit dem Heiligen, für den es, so zum Künstler geworden, nun kein Entrinnen und keinen Lohn mehr gibt für das Bestehen der Versuchung. (M. Stuffmann)
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RODOLPHE BRESDIN
1822 Montrelais – Sèvres 1885
16 La Mère et la Mort. 1861 Radierung. 14,2 x 13,0 cm Van Gelder 104/II (von IV); Préaud, Ausst. Kat. >Rodolphe Bresdin<, Paris 2000, Nr. 137/II (von IV)
Brillanter Abzug auf cremefarbigem chine collé. Mit 2– 3 cm Papierrand um die Plattenkante. Die Komposition erschien in einer vermutlich sehr kleinen, von A. Delâtre gedruckten Auf lage als Beilage der 11. Lieferung der von Théophile Gautier herausgegebenen >Revue Fantaisiste<. Auf Empfehlung Ch. Baudelaires war Bresdin, der sich seit Mitte März 1861 w ieder in Paris aufhielt, mit T. Gautier in Kontakt gekommen. Bereits in der 5. Lieferu ng der >Revue Fantaisiste<, die am 15. April 1861 erschien, kündigte Gautier seinen Lesern an, daß vom 1. Mai an jede Lieferung der vierzehntägig erscheinenden literarischen Zeitschrift jeweils une magnifique eau-forte par M. Rodolphe Bresdin beigefügt werden würde. Der höhere Preis dieser Luxus edition mag Abonnenten abgeschreckt haben, so daß die meisten Exemplare der folgenden Ausgaben wie bisher ohne die Künstlerbeilage ausgeliefert wurden. Mit der 19. Lieferung vom 19. November 1861 stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein.
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JAN GERITSZ. VAN BRONCKHORST
Um 1603 Utrecht – Amsterdam 1661
17 Jupiter und Antiope. Um 1630/40 Nach C. van Poelenburch
Radierung. 16,9 x 21,1 cm Bartsch und Wurzbach 5; Hollstein 12 Wasserzeichen: Bekröntes Wappen Provenienz: J. Huber, Wien [?] (vgl. Lugt 1267c) Unbekannte Sammlung ‚M‘ (nicht bei Lugt) T. Graf (Lugt Suppl. 1092 a)
Ce morceau est un des plus remarquables que nous ayons de la pointe de Bronckhorst. Il est rare. (A. von Bartsch) Mehr als die Hälfte von van Bronckhorsts druckgraphischem Werk entstand nach Entwürfen von C. van Poelenburch, der 1625 oder 1626 von einem mehrjährigen Italienaufenthalt nach Utrecht zurückgekehrt war. Bronckhorst, der eigentlich als Glasmaler ausgebildet und sich noch bis in die späten 1640er als solcher betätigte, war wenige Jahre zuvor von Paris nach Utrecht heimgekehrt, wo ihn Poelenburch schließlich in der Malerei unterrichtet haben soll, wie Houbraken berichtet.
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FÉLIX–HILAIRE BUHOT
1847 Valonges – Paris 1898
18 La Place Pigalle en 1878. 1878 Radierung, Kaltnadel, Aquatinta und Vernis mou. 25,1 x 34,4 cm Bourcard 129/IV (von V); Bourcard-Goodfriend 129/IV (von VI) Provenienz: Daniel George van Beuningen (Lugt 758)
Extrem seltenes auf hauchdünnem Japan gedrucktes Arbeitsexemplar. Wegen der Fragilität des Papiers und zur Stabilisierung des unregelmäßig gerissenen unteren Plattenrandes wohl vom Künstler selbst auf dünnen Karton aufgezogen. Mit Bleistift voll signiert, mit dem roten Monogrammstempel versehen und von Buhot als »Deuxieme Etat« bezeichnet. Bourcard nennt für den, gemäß seiner Klassifikation, hier vorliegenden IV. Druckz ustand nur 6 – 7 Abzüge, wobei generell für diese von Buhot immer wieder überarbeitete Komposition bis anhin keine Auf lage bekannt geworden ist. Gegenüber dem III. Zustand hat Buhot die gesamte Komposition, insbesondere alle Randbereiche, grundlegend überarbeitet: Links wird die Darstellung um einen 1,5 cm breiten Streifen, der verschiedene Arbeitsproben zeigt, verschmälert. Eine von hinten gesehene Gruppe von zwei Pferden mit einem Reiter wird eingefügt, die neue Häusergruppe im Mittelgrund mit nur wenigen Linien skizziert. Die zahlreichen, in das Hauptbild hineinf ließenden figürlichen Croquis in den Randbereichen sind zurückgenommen. Stattdessen ist in abgewandelter Form noch einmal rechts die Ansicht der Place Pigalle als träumerisch vage hervortretendes ‚Bild im Bild‘ eingeblendet. Darüber erscheint erneut ein Leichenzug in etwas verkleinerter Form, nun nach rechts verschoben. Die skizzierte Darstellung eines Jungen rechts unten ist ebenfalls neu. Weder Bourcard noch Goodfriend erwähnen die haifischf lossenförmige Probe der Roulette im Unterrand. S. A. Campbell, der zur Zeit den neuen Werkkatalog für die Druckgraphik von Buhot erstellt, ist dieses Merkmal einzig und allein durch den vorliegenden Abzug bekannt geworden. Seiner neuen Nomenklatur zufolge handelt es sich hier um einen VI. von gesamthaft IX Zuständen. Technisch wie thematisch von Bourcard als très typique beschrieben und sicher eines der reizvollsten Blätter von Buhot.
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FÉLIX–HILAIRE BUHOT
1847 Valonges – Paris 1898
18 La Place Pigalle en 1878. 1878 Radierung, Kaltnadel, Aquatinta und Vernis mou. 25,1 x 34,4 cm Bourcard 129/IV (von V); Bourcard-Goodfriend 129/IV (von VI) Provenienz: Daniel George van Beuningen (Lugt 758)
Extrem seltenes auf hauchdünnem Japan gedrucktes Arbeitsexemplar. Wegen der Fragilität des Papiers und zur Stabilisierung des unregelmäßig gerissenen unteren Plattenrandes wohl vom Künstler selbst auf dünnen Karton aufgezogen. Mit Bleistift voll signiert, mit dem roten Monogrammstempel versehen und von Buhot als »Deuxieme Etat« bezeichnet. Bourcard nennt für den, gemäß seiner Klassifikation, hier vorliegenden IV. Druckz ustand nur 6 – 7 Abzüge, wobei generell für diese von Buhot immer wieder überarbeitete Komposition bis anhin keine Auf lage bekannt geworden ist. Gegenüber dem III. Zustand hat Buhot die gesamte Komposition, insbesondere alle Randbereiche, grundlegend überarbeitet: Links wird die Darstellung um einen 1,5 cm breiten Streifen, der verschiedene Arbeitsproben zeigt, verschmälert. Eine von hinten gesehene Gruppe von zwei Pferden mit einem Reiter wird eingefügt, die neue Häusergruppe im Mittelgrund mit nur wenigen Linien skizziert. Die zahlreichen, in das Hauptbild hineinf ließenden figürlichen Croquis in den Randbereichen sind zurückgenommen. Stattdessen ist in abgewandelter Form noch einmal rechts die Ansicht der Place Pigalle als träumerisch vage hervortretendes ‚Bild im Bild‘ eingeblendet. Darüber erscheint erneut ein Leichenzug in etwas verkleinerter Form, nun nach rechts verschoben. Die skizzierte Darstellung eines Jungen rechts unten ist ebenfalls neu. Weder Bourcard noch Goodfriend erwähnen die haifischf lossenförmige Probe der Roulette im Unterrand. S. A. Campbell, der zur Zeit den neuen Werkkatalog für die Druckgraphik von Buhot erstellt, ist dieses Merkmal einzig und allein durch den vorliegenden Abzug bekannt geworden. Seiner neuen Nomenklatur zufolge handelt es sich hier um einen VI. von gesamthaft IX Zuständen. Technisch wie thematisch von Bourcard als très typique beschrieben und sicher eines der reizvollsten Blätter von Buhot.
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JACQUES CALLOT
1592 Nancy 1635
19 Der Durchzug durch das Rote Meer. 1629 Radierung. 12,7 x 23,6 cm Lieure 665/II (von VII) Provenienz: Brandenburgische Privatsammlung
Superbes Exemplar von schönster Brillanz. Früher Abzug des von Lieure als rare klassifizierten II. Zustandes – dem frühesten erreichbaren, nachdem der I. Etat lediglich als Unikat im British Museum nachgewiesen ist – mit dem Namen des Künstlers und der ersten Verleger adresse von Israel Henriet. Noch vor der bald schon entstandenen Beschädigung der Platte im Bereich des Scheitelpunkts der Flutwelle. Vor allen späteren Überarbeitungen und Verlegeradressen. Der vom Künstler bewußt leichter geätzte, miniaturhaft feine Hintergrund kommt in dem hier vorliegenden Abzug äußerst präzise zur Geltung und verleiht ihm so die gewünschte Tiefenwirkung. Auf der Plattenkante geschnitten. In makellos frischer Erhaltung. >Der Durchzug durch das Rote Meer< ist die erste Komposition, die Callot seinemJugendfreund, dem Maler, Kupferstecher und Verleger Israel Henriet in Paris zur Publikation übergab.
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JACQUES CALLOT
1592 Nancy 1635
20 Combat a la Barrière. – Das Turnier an der Schranke. 1627 Komplette Folge von Titel und 9 Blättern sowie einer der beiden verworfenen Kompositionen und den beiden kleinen emblematischen Blättern. Radierung. 15,7 x 11,1 cm; 15,3 x 24,0 cm; 14,9 x 22,2 cm; 14,7 x 22,1 cm; 15,2 x 24,2 cm; 15,2 x 24,0 cm; 15,1 x 24,0 cm; 15,3 x 24,1 cm; 15,0 x 24,0 cm15,0 x 23,8 cm; 7,6 x 23,6 cm; 4,4 x 6,5 cm; 4,4 x 6,4 cm Lieure 575/II (von III), 576, 577, 578/I (von II), 579-582, 583/II, 584, 585, 587, 588 Wasserzeichen: Doppeltes C mit Lothringer Kreuz (Lieure Wz 29), Posthorn, Lothringer Nebenmarke (Lieure Wz 36); Engel (Lieure Wz 26) Provenienz: Cheval de Damery (Lugt 2862) [Lieure 576 und 578]
Die selten komplette Folge in prachtvollen Frühdrucken zusammen mit den beidenvon Lieure mit RRRR für de la plus grande rareté ausgezeichneten beiden emblematischenBlättern sowie der für die Publikation wegen des zu kleinen Formatsverworfenen ersten Komposition des >Entrée de MM. De Couvonge et de Chalabre< , die Lieure als rare klassifizierte. Das Titelblatt noch vor dem späteren Privileg. Der >Entrée de MM. De Vroncourt, Tyllon et Marimont< noch vor der Entfernung der beiden Schiffe im Hintergrund. Durchgängig in ganz einwandfreier, makellos frischer Erhaltung. Callot dokumentiert in seiner berühmten Folge >Combat à la Barrière< Ausstattungen und Szenen des großartigen Festes, das Herzog Karl IV. von Lothringen am 14. Februar 1627 in der Salle Neuve des Schlosses von Nancy zu Ehren seiner Cousine, der Herzogin von Chevreuse gab. Beteiligt an einer misslungenen Verschwörung gegen Ludwig XIII., hatte sie ein Jahr zuvor Frankreich f luchtartig verlassen müssen und in Lothringen politisches Asyl gefunden, das mit diesem kalkulierten Affront gegen seinen großen Nachbarn Frankreich seine Unabhängigkeit demonstrativ unter Beweis stellen wollte. Die prunkvolle Festivität war eine Inszenierung dieser Politik und wurde entsprechend propagandistisch ausgeschlachtet. H. Humbert hat den Verlauf der Veranstaltung detailliert beschrieben. Sein Buch erschien noch im gleichen Jahr, begleitet von 10 Radierungen Callots, der zusammen mit dem Hofmaler Claude Déruet die Festdekorationen entworfen hatte.
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SIR DAVID YOUNG CAMERON
1865 Glasgow – Perth 1945
21 Sketch on the Tay. 1908 Radierung und Kaltnadel. 6,1 x 15,7 cm Rinder 404/V
Eine der stimmungsvollen Tay-Landschaften des Künstlers in einem exquisiten, feintonigen Abzug auf dünnem, elfenbeinfarbigem Japanpapier. Vom Künstler mit Bleistift signiert. Mit seiner technischen Brillanz, verbunden mit einer gleichsam poetischen Ausdruckskraft zählt Cameron zu den besten englischen Radierern der klassischen Moderne. Cameron verarbeitet dabei gleichermaßen Anregungen von Whistler und Haden, vor allem aber inspirierte ihn Rembrandts Graphik. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Landschaftsradierungen, vor allem die Schottischen Sujets, gelten gemeinhin als eigenständige Höhepunkte seiner Kunst: Auf einer grandiosen Anschauungsgrundlage bietet er uns eine monumentale Darstellung der herrlichen Gottesnatur, die er in großartiger Vereinfachung vorführt, wobei er um so mächtiger wirkt, je mehr er seine breite, flächige Sprache doch noch auf die Grundsäule der Linie aufbaut. (H. W. Singer)
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ANTONIO CANAL gen. CANALETTO
1697 Venedig 1768
22 Mestre. Um 1741 – 44 Radierung. 30,1 x 43,1 cm De Vesme 3; Bromberg 3/II Wasserzeichen: R (Bromberg Wz. 50)
Kraftvoll tiefschwarzer Abzug der schönen Ansicht der le Barche genannten Landungsstelle in Mestre, die Bromberg unter die reifsten Kompositionen der 1744 erstmals unter dem Titel >Vedute / Altre prese da Luoghi altre ideata< erschienenen Folge des Hauptmeisters der Venezianischen Vedute zählt. Mit bis zu 5,5 cm Rand um die Plattenkante. Makellos frisch. Canaletto dedizierte diese, sein gesamtes druckgraphisches Werk umfassende Publikation dem in Venedig lebenden Handelsbankier Joseph Smith, der seit 1744 auch Botschafter der englischen Krone war. Als Sammler wie Vermittler von Werken Canalettos stand er bis zum Tode des Künstlers mit diesem in für beide Teile vorteilhafter Verbindung. Die seit 1735 möglicherweise auf Anregung Smiths entstandenen Ansichten sind, wie der Titel der Folge besagt, nicht getreue Abbilder venezianischer Lokalitäten, sondern vielmehr aus freier Phantasie und nach Plätzen in Venedig gestal tete Imaginationen der Serenissima. In his relatively short career as a painter-etcher, Canaletto developed a highly original graphicstyle that extended his artistic vision into inforseen dimensions. Experimenting with informal approaches and new subjects, he evolved a lyrical view of Venice and the Veneto charged with tender nostalgia. The imaginary scenes waft us through a charming world freed from the restrictions of space and time. The etchings continue to seduce us with a rare essence distilled from the faded beauty of “La Serenissima” by one of her most talented native sons. (B. Wallen)
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GIOVANNI BENEDETTO CASTIGLIONE
1609 Genua – Mantua 1665
23 Kopf eines jungen Mannes, nach rechts gewendet. Um 1645/50 Radierung. 11,0 x 8,1 cm Bartsch 39; Bellini 30/I (von II); T. I. B. 46 Commentary 039 S2 (von S3) Wasserzeichen: Anker (?) im Kreis unter einem Stern Provenienz: Colnaghi, London, Lagernummer ‚c 19665‘
Prachtexemplar vor dem späteren schwarzen Fleck auf der rechten Schulter. Noch mit den intensiv rauh zeichnenden Plattenrändern. Tiefschwarz mit hauchzartem Plattenton gedruckt, so daß die gleichsam mit zeichnerischer Radiernadel angelegte Komposition ihr rembrandteskes Chiaroscuroauf das Schönste entfaltet. Mit ungewöhnlich 5 – 7 cm breiten Papierrändern. In perfekter, unberührt frischer Erhaltung. Die virtuose Studie eines über die Schulter niederblickenden Jünglings mit federgeschmücktem Kopfputz gehört zu der Serie von orientalischen Charakter köpfen. Castiglione radierte sie möglicherweise noch in Genua, zum überwiegenden Teil aber während seines zweiten Romaufenthaltes in den Jahren 1647 – 51. Entsprechend findet sich die stolze Herkunftsbezeichnung ‚Genovese‘, die nur bei einem in der Fremde Weilenden sinnvoll zu sein scheint. Der Künstler greift thematisch wie radiertechnisch unmittelbar auf niederländische Vorbilder zurück. Unverkennbar ist die Kenntnis der sogenannten ‚Tronjen‘ von Rembrandt und Lievens aus den 30er Jahren. Als modellhafte Charakter studien von effektvoll orientalisch Kostümierten gelangten sie schon bald auch nach Italien. Rembrandts Radierungen wurden bekanntermaßen seit dem zweitenDrittel des 17. Jahrhunderts in Italien bewundert. Sein Einf luß auf das Werk Castigliones wird vor allem in den 50er Jahren eindrucksvoll sichtbar, weshalbS. Welsh Reed eine Datierung erst um 1650 vorgeschlagen hat, während Bellini eine frühere Entstehung für möglich hält.
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GIOVANNI BENEDETTO CASTIGLIONE
1609 Genua – Mantua 1665
24 Schnauzbärtiger Mann mit Kopfbedeckung, nach links gewendet. Um 1645/50 Radierung. 18,2 x 14,8 cm Bartsch 49; Bellini 42; TIB 46 Commentary 049 S2
Ausgezeichneter, tiefschwarzer, fast gratiger Abzug von herausragender Qualität. Mit feinem Rändchen um die Plattenkante. Fantastic and realistic, calculated and impetuous, the so-called Large Oriental Heads are among Castiglione’s most striking works of an etcher. Strikingly speaking, the series … belong to the tradition of imaginary physiognomic studies that began with Leonardo da Vinci. However, the immediate source for their ethnographicstyling and psychological implication is the early etchings of Rembrandtand his circle … Beyond such artistic references, the costume and attitudeof all six subjects are informed by the artist’s experience of actual non-European types in the thronging Mediterranean port of Genoa. All is then subsumed by the sweeping movement, flickering light, and dense filigree of Castiglione’ssingular hand. ( J. Bober)
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GIOVANNI BENEDETTO CASTIGLIONE
1609 Genua – Mantua 1665
25 Tobias begräbt die Toten. Um 1647/51 Radierung. 20,4 x 29,8 cm Bartsch 5; Bellini 58; T.I.B. 46 Commentary 005 Wasserzeichen: IHS Provenienz: J. Barnard (Lugt 1419)
Prachtvoller Abzug der rembrandtesken Komposition. Brillant tiefschwarz gedruckt mit delikatem Plattenton, der partiell ganz rein gewischt erscheint und somit die intendierte Lichtdramaturgie auf das Glücklichste unterstützt. Meist mit feinem Rändchen um die Plattenkante, gelegentlich auf derselben geschnitten. Bis auf Reste alter Falze auf der Rückseite, tadellos und gänzlich unberührt frisch in der Erhaltung. The sole light source in >Tobit Burying the Dead< is again a torch, so bright that a bystanderhas to cover his eyes. We see the pious Tobit watching over a corpse as it is preparedfor burial, the effluent light symbolizing the sanctity of Tobit’s act, the surroundingruins foreshadowing the fate of the Assyrian empire. (T. J. Standring und M. Clayton)
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ADRIAEN COLLAERT
Um 1560 Antwerpen 1618
26 Die göttliche Bestimmung der drei Stände. Um 1585 – 86 Nach M. de Vos Die Aufgabe der Kirche Die Aufgabe der weltlichen Macht Die Aufgabe der arbeitenden Klasse Die Belohnung für die Erfüllung der Aufgabe
Folge von 4 Blättern. Kupferstich. Je ca. 22,8 x 29,8 cm Hollstein 461 – 464; New Hollstein 1070/I (von II), 1071/I (von III), 1072 – 1073/I (von II); Hollstein (M. de Vos) 1257/I (von II); 1258/I (von III); 1259 – 1260/I (von II) Wasserzeichen: Wappen (ähnlich Heawood 531 – 532, datiert Den Haag 1599)
Die komplette Folge in einem homogenen Set ganz ausgezeichneter, mit delikatem Plattenton gedruckter Abzüge der ersten, von Philips Galle publizierten Ausgabe. Vor der Überarbeitung des 2. Blattes, sowie vor der späteren Adresse von Carel Collaert. Mit 0,5 bis 3 cm breiten Papierrändern. Vereinzelt mit kurzen Randeinrissen, sämtlich außerhalb der Darstellung, sonst in unberührter Erhaltung. Begründet durch Dichtungen Dantes, Boccaccios und Petrarcas erlebte die Verbindung aus imperialem Triumphzugmotiv und frühhumanistischer Allegorie in der Bildpublizistik des 16. Jahrhunderts eine besondere Blüte. Die vorliegende Folge Collaerts zelebriert das mittelalterlich frühneuzeitliche Gesellschaftsmodell der drei Stände als Triumphzug einer gottgewollten Ordnung. Jedem Stand, ob Klerus, Adel oder Bauer, als Vertreter der arbeitenden Klasse, obliegt eine, gleichsam heilsgeschichtlich relevante, spezifische Aufgabe, deren Erfüllung der Menschheit im Vertrauen auf die Wirksamkeit der drei Kardinaltugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe, den Weg in die himmlische Glückseligkeit ebnen wird, so zumindest verheißt es die Darstellung des Schlußblattes. Dem Klerus als dem ersten Stand offenbart sich die Wahrheit im vom Glauben gesteuerten Prunkwagen. Seine ungewöhnlichen Zugtiere Lamm, Schlange und Taube nehmen vermutlich Bezug auf eine bei Matthäus überlieferte Sentenz Jesu im Zusammenhang mit der Aussendung der Jünger: Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben (Matth.10,16). Im Hintergrund wird gepredigt, getauft, Sünden vergeben, das Messopfer gefeiert, auch Almosen werden verteilt. Der weltlichen Herrschaft gesellt sich ganz selbstverständlich die Weisheit hinzu. Justitia lenkt den stattlichen Wagen des zweiten Standes, dessen Zugpferde Strafe und Belohnung heißen. Entsprechend zeigt der Hintergrund ins Feld ziehende Truppen aber auch ein Ehrenmonument. Dem dritten Stand obliegt schließlich unter dem Beistand des Gehorsams die Mühsal der Daseinsfürsorge. Die Geduld leitet seinen Leiterwagen, der von einem Gespann aus Ochs und Esel, bezeichnet als Arbeit und Ausdauer, gezogen wird. Beladen sind diese Zugtiere mit allerlei bäuerlichem Gerät, Handwerkszeug und selbst einer Malerpalette. Die 1585 und 1586 datierten Vorzeichnungen von M. de Vos befinden sich heute im Musée du Louvre, Paris.
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HONORÉ DAUMIER
1808 Marseille – Valmondois 1879
27 Une nouvelle Connaissance. – Eine neue Bekanntschaft 1846 Lithographie. 33,5 x 24,8 cm Delteil 1176/I (von II)
Blatt 88 der Folge >Les Beaux jours de la vie< Einer der höchst seltenen 1 – 2 Probedrucke: mit dem als Vorlage für den D rucker mit brauner Feder eingesetzten Titel. In dieser Form UNIK AT! Arbeitsexemplar, bei dem die nahezu nur rückseitig sichtbaren Faltspuren und leichten Stockf leckchen zu vernachlässigen sind in Anbetracht der großen Seltenheit.
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EUGÈNE DELACROIX
28 Jeune tigre jouant avec sa mère.
1798 Paris 1863
Um 1831
Original Lithographie-Stein. 22,0 x 27,3 x 3,3 cm Vgl. Delteil 91/VI Ausstellung: Eugène Delacroix. Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe 2003/2004, Nr. 84
Einer der seltenen originalen Lithographie-Steine von Delacroix, an dem der Künstler im Frühjahr 1831 arbeitete. Die in ihrem spielerischen Charakter besonders reizende Komposition entstand für den Verleger Achille Ricourt nach dem 1830 im Salon ausgestellten Gemälde, das Auguste Thuret als Geschenk zum 21. Geburtstag seines ältesten Sohnes erwarb (Louvre, Paris). Das Blatt, das in einem brillanten Frühdruck des I. Etats beiliegt, erschien im Verlag der Kunstzeitschrift >L’Artiste<.
EUGÈNE DELACROIX
28 Jeune tigre jouant avec sa mère.
1798 Paris 1863
Um 1831
Original Lithographie-Stein. 22,0 x 27,3 x 3,3 cm Vgl. Delteil 91/VI Ausstellung: Eugène Delacroix. Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe 2003/2004, Nr. 84
Einer der seltenen originalen Lithographie-Steine von Delacroix, an dem der Künstler im Frühjahr 1831 arbeitete. Die in ihrem spielerischen Charakter besonders reizende Komposition entstand für den Verleger Achille Ricourt nach dem 1830 im Salon ausgestellten Gemälde, das Auguste Thuret als Geschenk zum 21. Geburtstag seines ältesten Sohnes erwarb (Louvre, Paris). Das Blatt, das in einem brillanten Frühdruck des I. Etats beiliegt, erschien im Verlag der Kunstzeitschrift >L’Artiste<.
GILLES-ANTOINE DEMARTEAU
1750 Lüttich – Paris 1802
29 Deux grandes Pastorales. 1780 Nach J.-B. Huet
2 Blätter. Radierung und Lavismanier, von 3 Platten in Farben gedruckt. Je c. 27,7 x 34,6 cm Inventaire du Fonds Français, Graveurs du XVIIIe siècle, tome VII, pag. 488, Nr. 23 Wasserzeichen: Bekröntes Wappen (Fragment)
Die berühmten Gegenstücke in prachtvollen Abzügen, die die Raffinesse unmittelbar anschaulich werden läßt, mit der Demarteau den koloristischen Reichtum der aquarellierten Vorlage Huets durch geschicktes Übereinanderdrucken von nur drei in Schwarz, Blau und Rot eingefärbten Platten in sein Medium übertrug. Die fein differenzierten Tonvaleurs vergegenwärtigen kongenial den zarten Schmelz und die große Natürlichkeit, mit der Huet seine stimmungsvollen Pastoralen zu gestalten verstand. Seit seiner ersten Teilnahme am Pariser Salon 1769 begeisterte der Künstler sein Publikum mit immer wieder neuen Variationen von ländlichen Idyllen aus dem Bauern- und Hirtengenre. Mit ihren meisterhaften Tierdarstellungen, ihrer unverbrauchten Frische und einer naiv-naturalistischen Note hoben sie sich von entsprechenden Kompositionen der Boucher-Schule deutlich ab. Demarteau wählte, nachdem er nach dem Tod seines Onkels dessen Werkstatt übernommen hatte, mit besonderer Vorliebe speziell die Vorlagen von der Hand Huets für seine unter der neuen, noblen Adresse ‚Cloître St. Benoît‘ erscheinenden Publikationen. Im 1788 veröffentlichten, 729 Positionen umfassenden Katalog seiner und seines Onkels Blätter bot Demarteau die beiden vorliegenden Kompositionen unter der Nummer 601 und 602 für jeweils 4 livres als Gegenstücke an. In der ursprünglichen Zusammenstellung vorliegender Set mit gleichen Rändern um die Einfassungslinien. Abgesehen von vereinzelten minimalen Fleckchen und kaum wahrnehmbaren Lichträndern tadellos und von herrlich farbfrischer Brillanz.
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ALBRECHT DÜRER
1471 Nürnberg 1528
30 Die Heilige Anna und Maria mit dem Kinde, stehend – Die Heilige Anna Selbdritt. Um 1500 Kupferstich. 11,5 x 7,0 cm Bartsch 29; Dodgson 26; Meder 43/a (von c); Schoch-Mende-Scherbaum 27
Exzellenter, früher Abzug. Wie von Meder für die a-Variante gefordert: Klar und scharf, gegensatzreich, die abstehenden Haare Mariens deutlich. Vor den späteren Kratzern über dem Haupt der Maria und über dem rechten Bein Annas. Mit feinem Rändchen um die noch rauh zeichnende Plattenkante. Dürers wohl unkonventionellste Bildschöpfung zum Thema der Anna Selbdritt, die sich seit der Aufnahme des Annafestes in den römischen Festkalender durch Papst Sixtus IV im Jahre 1481 zum Gegenstand eines schwärmerischen Annenkultes entwickelt hatte. Maria und Anna stehen sich unter der himmlischen Erscheinung der Dreifaltigkeit gleich rangig gegenüber. Die Genera tionenfolge erfährt eine neuar tige formale Ordnung: Die statuarisch aufgefasste, matronenhafteAnna, en face dargestellt, berührt segnend das Haupt des Kindes, das in den Armen der jugendlichen Maria ruht. Die Muttergottes ist – ganz ungewöhnlich – als Rückenfigur im verlorenen Profil nachgeordnet, in lebhafter Bewegung, mit wehendem langem Haar und ausschwingendem Rock … Einzelne Pathosmotive addieren sich zu einer bewegten »figura serpentinata«, die ihre Herkunft von italienischen Mustern – etwa den Musen in Mantegnas »Parnass« mit ihren komplizierten Tanzschritten nicht verleugnet. (R. Schoch)
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ALBRECHT DÜRER
1471 Nürnberg 1528
31 Christus am Kreuz. Um 1509 Holzschnitt. 12,9 x 9,8 cm Bartsch 40; Meder 149/I (von V b); Schoch-Mende-Scherbaum 210 Wasserzeichen: Ochsenkopf (M. 70) Provenienz: Norddeutsche Privatsammlung
Blatt 25 der Folge >Die kleine Holzschnittpassion< Ganz ausgezeichneter Probedruck, vor dem rückseitigen Text. Mit 1 mm Rändchen um die Einfassungslinie. Tadellos. Against a darkened sky, Dürer shows us Christ’s lacerated body on the cross. Soldiers are grouped to the right, while Christ’s followers stand on the left, near the cross. John raises his hands in a gesture of lamentation. A trio of women mourn in a more subdued fashion, while Mary Magdalene throws herself at her savior’s feet. (M. Haas)
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ALBRECHT DÜRER
1471 Nürnberg 1528
32 Das Babylonische Weib. Um 1496 – 98 Holzschnitt. 39,2 x 27,8 cm Bartsch 73; Meder 177/IV (von V); Schoch-Mende-Scherbaum 125 Provenienz: R everend J. Burleigh James (Lugt 1425) Henry Foster Sewall (Lugt 1309) Pierre Sentuc (Lugt 3608)
Blatt 15 der Folge >Die Apokalypse< Lateinische Textausgabe von 1511 Brillant tiefschwarzer, ungewöhnlich homogen gedruckter Abzug von seltener Schönheit. Mit 7– 9 mm Papierrand um die Einfassungslinie. In ganz ausgezeichneter Erhaltung. Wölf lin zufolge ist die Komposition das älteste Blatt der Reihe, vielleicht liegt überhaupt hier der Anfang der ganzen Arbeit. Das würde denn wohl heißen, daß den Künstler dieser Stoff besonders lockte … Für die Hure, das schöne lockende Weib hat Dürer bekanntlich die Zeichnung nach einer Venezianerin benutzt, die er an Ort und Stelle gezeichnet hatte. Seine Phantasie lieferte ihm keinen Typus, der verführerischer wirken konnte. Wie oft seitdem, bis auf Gabriele d’Annunzio, ist Venedig als die Stadt der Wollust besungen worden! – Die staunend befangene Menge, der die Verführung gilt, ist nach einzelnen Charakteren durchgebildet. Man denkt an Signorellis gleichzeitige Darstellung des Antichrists in Orvieto. Ein Mönch ist der einzige, der gleich fromm vor der Hure in die Knie gefallen ist.
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32
ALBRECHT DÜRER
1471 Nürnberg 1528
33 Joachim auf dem Felde. Um 1504 Holzschnitt. 30,1 x 20,9 cm Bartsch 78; Meder 190/II (von III h)
Blatt 3 der Folge >Das Marienleben< Lateinische Textausgabe von 1511 Ausgezeichneter Abzug. Der volle Bogen mit der Kustode im breiten Unterrand. Der Holzschnitt zeigt Joachim auf dem Felde, der erschrocken vor dem in >großer Klarheit< vor dunkler Waldkulisse aufscheinenden Engel über ihm in die Knie gesunken ist. In einer großfigurigen Diagonalkomposition rückt Dürer die Begegnung der beiden Protagonisten in den Vordergrund. Licht modelliert die klare großflächige Behandlung der Figuren und verleiht ihnen Würde trotz des weiten Ausblicks von hoher Warte. Knorrige jedoch gerade ausschlagende Weidenbäume paraphrasieren das Schicksal Joachims: Ungeachtet seines hohen Alters wird ihm durch Gottes Gnade ein Kind beschert werden … Wegen der ausgewogenen Raumbildung und klaren großflächigen Behandlung der Hauptfiguren wird der Holzschnitt einhellig unter die letzten Blätter gerechnet, die Dürer vor der Abreise nach Italien um 1504/05 für das >Marienleben< anfertigte. (A. Scherbaum)
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ALBRECHT DÜRER
1471 Nürnberg 1528
34 Die Flucht nach Ägypten. Um 1503 Holzschnitt. 30,1 x 20,9 cm Bartsch 89; Meder 201/II (von III f); Schoch-Mende-Scherbaum 179 Wasserzeichen: Dreieck mit Blume (Meder 127)
Blatt 14 der Folge >Das Marienleben< Lateinische Textausgabe von 1511 Eine der schönsten und begehrtesten Darstellungen aus dem >Marienleben<. Brillanter Abzug in durchgehend gleichmäßiger Druckqualität. Die schon in den frühesten Abzügen vorhandene kleine Lücke links oben wie üblich mit Tusche retuschiert. Mit hauchfeinem Rändchen um die Einfassungslinie. Tadellos. Panofsky zufolge der erste im Medium des Holzschnitts gestaltete »Waldinnenraum«. The prominence in this print of the stately date palm at left is explained by a traditional literary and artistic motif associated with the Flight into Egypt. The >Book of Infancy< relates that the Virgin wished to eat some of the fruit, the tree bowed down to her. The form of the date palm and the other exotic tree behind Joseph were adapted from Schongauer’s engraving of this subject (B. 7) in which small angels help to bend the tree. The subject gave Dürer the opportunity to create one of his most beautiful landscapes. There is a great pro fusion and variety of vegetation, and the wood is inhabited by a stag and rabbit glimpsed between the trees in the distance. (B. S. Shapiro)
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34
ANTONIUS EISENHOIT
1553/54 Warburg 1603
35 Herkules und Omphale. 1590 Nach B. Spranger
Radierung und Kupferstich. 32,6 x 23,1 cm Nagler Monogramisten 51; Kesting 8; Hollstein 2
Ausgezeichneter Abzug des seltenen Einzelblattes, das Eisenhoit in Kombination von Radier- und Kupferstichtechnik im Auftrag des Nürnberger Verlegers Bal thasar Caymox geschaffen hat. Auf der Plattenkante geschnitten bzw. mit hauchfeinem Rändchen darüber hinaus. Mit einer horizontalen Trockenfalte, die kaum störend in Erscheinung tritt. Sonst in sehr schöner Erhaltung. Eisenhoits >Herkules und Omphale< geht auf einen Entwurf B. Sprangers zurück, der sich mehrfach mit dem Sujet der Weibermacht künstlerisch auseinandergesetzt hat. Am engsten verwandt erscheint eine heute in den Uffizien in Florenz verwahrte Zeichnung. Eisenhoit hat jedoch allein die Figuren des erniedrigten Heros und seiner stolzen Herrin von dort entlehnt und kombinierte sie effektvoll mit einer Darstellung der Säulen des Herkules in Gades als Hinweis auf eine seiner zwölf Heldentaten. Im Kontrast dazu erscheint die Demütigung umso drastischer. Herkules wendet sich denn auch in den Zeilen der Bildunterschrift warnend an den Betrachter: Die Hände, vor denen das segelbedeckte Meer, vor denen die Erde, wilde Tiere, die Unterwelt und der Olymp, vor denen riesige Völker sich ängstigten, die muss ich an einen Spinnrocken, an Frauenarbeit legen, zitternd vor der mäonischen Keule und unbewaffnet. Die Frau trug Waffen, schwarz von den Giften der lernaeischen Schlange; den wohlbeladenen Spinnrocken zu tragen war sie kaum geeignet. Ihr sollt l ernen, Sterbliche, dass in der Liebe Gifte liegen; den, den Mars wohl nicht besiegen könnte, den besiegt die Liebe.
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ALAERT VAN EVERDINGEN
1621 Alkmaar – Amsterdam 1675
36 Zwei Männer auf dem Felsvorsprung. Um 1650 Radierung. 9,9 x 14,2 cm Dutuit und Hollstein 46/I (von II) Provenienz: John Barnard (Lugt 1419)
Extrem seltener, sehr reiner Frühdruck mit der noch feinen, unregelmäßigen Einfassungslinie; vor den Überarbeitungen im Laubwerk der Büsche und Bäume. Mit ihrer Transparenz und harmonischen Ausbalancierung der Tonwerte zeigen nur die ersten Abzüge die großen künstlerischen Möglichkeiten, zu denen der Künstler fähig war. Nach seiner Lehrzeit bei R. Savery in Utrecht und bei P. Molijn in Haarlem, war Everdingen zwischen 1645 und 1651 in Schweden und Norwegen tätig, bevor er sich in Amsterdam niederließ. Die Berglandschaften, die er dort kennenlernte, inspirierten ihn zu vielen seiner Radierungen, die mit denkbar einfachen graphischen Mitteln die wechselnden Lichtwirkungen auf die Landschaft so zu schildern vermögen, daß der Eindruck des unmittelbar Erlebten entsteht: Durch seine lebhafte Zeichnung und seinen kontrastreichen Aufbau wirkt auch dieses Blatt wie eine Reiseerinnerung: Vom Holzhaus, versteckt in schattiger Mulde unter hohen Bäumen, ist man auf den Felsvorsprung gestiegen und erlebt den überraschenden Ausblick über das weite Tal und das Schloß vor dem bewaldeten Berghang. (W. J. Müller)
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CLAUDE GELLÉE Genannt LE LORR AIN
1600 Chamagne (Lothringen) – Rom 1682
37 Les quatre Chèvres. Um 1630 – 33 Radierung. 20,2 x 13,2cm Robert-Dumesnil 27/II; Blum 6/II; Russell 19 linke Hälfte; Mannocci 8/III, linke Hälfte (von IV ) Provenienz: J. L. H. Le Secq (Lugt 1336)
Exzellenter Abzug. Kraftvoll tiefschwarz und herrlich klar, wie eine skizzenhafte, duftig leichte Tuschzeichnung. Die linke Hälfte der vom Künstler bereits zu einem frühen Zeitpunkt, möglicherweise wegen eines technischen Defekts, geteilten Komposition, von der nur ein einziger Abzug in London bekannt ist. Sie gilt als frühes Hauptwerk des Künstlers. Mit dem bereits gereinigten Plattenrand unten, jedoch vor den Oxidationsspuren rechts oben. Tadellos, mit 2 mm Papierrand um die unverpresst bewahrte Plattenkante. Der Verzicht auf klassisch-antike Anspielungen versetzt das arkadische Motiv in die Gegenwart. Es wirkt alltäglich und unspektakulär … Ihr übergreifendes Thema ist das Licht. Die tonalen Abstufungen, mit denen Schatten, Halbschatten, lichtdurchflutetes Laubwerk …angegeben sind, entsteht aus einer „webenden“ Art, die Radiernadel zu führen. Parallel- und Kreuzschraffuren wechseln sich mit stichelnden und kräuselnden Passagen ab. Es gehört ein genaues Verständnis der Radiertechnik dazu, dies alles leicht und luftig wirken zu lassen und die radierten Striche so zu setzten, daß sie beim Ätzen nicht zu F lecken zusammenlaufen. (M. Sonnabend)
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37
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JACQUES DE GHEY N III
1596 Leiden – Utrecht 1641
38 Der Schlaf. Um 1616 Radierung. 22,4 x 16,5 cm Burchard 9/II; Hollstein 24/II; T.I.B. 53 Supplement p. 207, Nr. 019 S2; New Hollstein 20/II Wasserzeichen: Straßburger Bindenschild
Das seltene Blatt in einem ganz ausgezeichneten, atmosphärisch besonders reizvollen Abzug, dessen prononcierter Plattenton die geheimnisvolle Komposition gleichsam in einen duftigen Schleier hüllt. Mit bis zu 2 cm Papierrändern um die tonig abgesetzte Plattenkante. Burchard zählte die ersten druckgraphischen Arbeiten des jungen Jacques de Gheyn III zum Reizvollsten der frühen holländischen Kunst der Radierung überhaupt. Seine Allegorie des Schlafes nimmt dezidiert Bezug auf Karel van Maders berühmtes >Schilder-Boeck< von 1604, in dessen VI. Buch >Wtbeeldinge der figueren< die Personifikation des Schlafes als jugendliche Gestalt beschrieben wird, da er für die Sterblichen der angenehmste aller Götter sei, begleitet von einem transparenten Horn von dem die wahren Träume ausgehen und einem Elefantenzahn, aus dem die bedrohlichen oder auch falschen Träume kommen. In de Gheyns famoser Bildschöpfung, in der sich die Figur des Schlafes fast gänzlich hinter den bizarren Faltenformationen ihres Gewandes verbirgt, entweichen jedoch nur dem transparenten Horn die wahren Träume als ähnlich skurril gestaltete knorpelige Gebilde einer aufsteigenden Rauchwolke. Dies entspricht ganz der Aussage des französischen Verses im Unterrand, der von der Wohltat kündet, die der Schlaf jedem Menschen bereite, sei er König oder Hirte, ganz gleich ob er zu den Glücklichen oder Unglücklichen gehöre.
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CONTE CESARE MASSIMILIANO GINI
Tätig in Bologna in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
39 Avanzi d’interne Sale Egizie è di esteri Edifici. 1787 Nach M. Tesi
Radierung und Aquatinta. 30,8 x 23,5 cm Vgl. Nagler Monogrammisten I, pag. 1004, Nr. 2411; vgl. Nagler (Tesi); Katalog der Ornamentstichsammlung der Staatlichen Kunstbibliothek Berlin aus 2644)
Effektvoll in braun gedruckter Abzug eines der beiden Aquatintablätter Ginis nach den frühen ägyptisierenden Architekturphantasien des bereits 1766 in jungen Jahren verstorbenen M. Tesi für die unter seinem Pseudonym L. Inig 1787 in Bologna publizierte >Raccolta Di Disegni Originale Di Mauro Tesi …<. Der Zeitpunkt war günstig gewählt: Die eine Generation zuvor 1752 bis 1767 er schienenen >Receuils d’antiquités, égyptiennes, étrusques, grècques et romaines< des Comte de Caylus, eines der Protagonisten der Ägyptenrezeption des 18. Jahrhunderts, hatten die künstlerische Phantasie entfacht; die Ägyptenmode stand am Hofe Marie Antoinettes in voller Blüte. M. Tesi erfreute sich Zeit seines Lebens der besonderen Gunst seines Mentors, des Grafen F. Algarotti. Der vielseitig hochgebildete Gelehrte und Kenner der schönen Wissenschaften war bestens vertraut mit der Theoriediskussion in Frankreich, die in Rom durch die Stipendiaten der >Académie de France> vermittelt wurde und die Rezeption der ägyptischen Kunst in Italien entscheidend prägen sollte. Er dürfe seinen Schützling in Bologna zu seinen phantasievollen Architekturvisionen ägyptischer Altertümer angeregt haben. Noch vor G. B. Piranesis berühmter und einf lußreicher ägyptisierenden Innendekoration des >Caffé degli Inglesi< an der Spanischen Treppe (1765 – 1767) entstanden, gehören Tesis Entwürfe zu den frühesten eigenständigen Zeugnissen der Ägyptomanie des Frühklassizismus in Italien. Erst drei Jahre nachdem M. Tesi über der Ausführung des Grabmals seines väterlichen Freundes und Mäzens Algarotti verstorben war, veröffentlichte Piranesi seine epochemachenden Entwürfe 1769 in den >Diverse maniere d’adornare i cammini>. C. Wiebel zufolge nehmen Ginis als Reproduktionen der Zeichnungen Mauro Tesis in der Technik der Aquatinta ausgeführten Blätter […] einen besonderen Platz unter den im 18. Jahrhundert in Italien entstandenen Aquatinten ein, denn diese jeweils monochrom gehaltenen Wiedergaben zeigen insgesamt eine breite Palette subtiler Farbigkeit und in einigen Fällen – offenbar je nach Vorlage – interessante Beispiele der Helldunkelwirkung in diesem Medium.
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HENDRICK GOLTZIUS
1558 Mühlbracht – Haarlem 1617
40 Der Kapitän der Infanterie. 1587 Kupferstich. 28,6 x 19,4 cm Bartsch 126; Hollstein 254; Strauss 252; New Hollstein 287 Wasserzeichen: Bekröntes Lilienwappen
Prachtvoller Abzug einer der beiden von Goltzius eigenhändig gestochenen Soldatendarstellungen aus dem Jahr 1587. Of the two prints, >The Capitain< is the most striking because of its unconventional composition. The body is pictured in profile, but the captain looks the viewer straight in the eye. This, in conjunction with the abrupt curtailment of the lance he holds in his left hand, lends the image an aggressive, confrontational air. (M. Schapelhouman) Vor dem Hintergrund des Niederländischen Aufstandes gegen die Herrschaft der Spanier gewinnt die Komposition unmittelbar propagandistischen Charakter. So akzentuiert nicht nur die dynamische Statuarik der Komposition mit den Mitteln der Körpersprache die Funktion des Kapitäns der Infanterie als vorbildlich standhafter Anführer der Infanterie, sondern auch der Vers im Unterrand betont seine Importanz: Als der Heerführer, der vorausgeht, sorge ich dafür, daß die Moral der Zöglinge des Mars ungebrochen bleibt, indem ich die Männer ermahne, allen Gefahren zu trotzen. Möglicherweise handelt es sich bei dem Dargestellten um Jacob Ruyckhaver von Haarlem. Mit Rändchen um die Einfassung bzw. mit dem vollständigen Vers im Unterrand. Tadellos.
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FR ANCISCO DE GOYA
1746 Fuendetodos – Bordeaux 1828
41 Que pico de Oro ! Welch goldener Schnabel! 1797/98 Radierung, Aquatinta und Kupferstich. 21,7 x 15,1 cm Delteil 90/I (von II); Harris 88/II (von III.12)
Blatt 53 der Folge >Los Caprichos< Sehr interessanter Abzug, der mit hoher Sicherheit der Beschreibung bei Harris für die sogenannten Trial Proofs with Corrections zugeordnet werden kann: on slightly different … a little heavier … paper than that used … for the first edition … They may have been made to test an alternative paper. Mit 3,5 – 5,7 cm breiten Papierrändern um die unverpreßt bewahrte Plattenk ante. In tadelloser, unangetasteter Erhaltung. Im Prado-Kommentar wird der Angriff – wie so oft – entschärft; hier ist von »einer akademischen Sitzung« der geschwätzigen und unwissenden Ärzte die Rede. Das Manuskript der Bibliotheca Nacional richtet sich jedoch unverblümt gegen die »nachbetenden Kanzelredner« und »die einfälltige Zuhörerschaft, die offenen Mundes lauscht«. Ein Auditorium freilich, bei dem auch die Mönche selbst nicht fehlen dürfen. (A. E. Pérez Sánchez) Von größter Seltenheit.
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FR ANCISCO DE GOYA
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1746 Fuendetodos – Bordeaux 1828
Disparate de carnabal – Alegrias antruejo, que mañana seras ceniza. Karnevalstorheiten – Reiße Possen Karneval, denn morgen wirst Du Asche sein. Um 1815/24 Radierung und Aquatinta. 24,4 x 35,5 cm Delteil 215/I (von II); Harris 261/II (von III.9)
Blatt 14 der Folge >Los Proverbios< oder >Los Disparates< Einer von nur etwa 6 bekannten, extrem seltenen Trial Proofs von der unveränderten Platte. Den Untersuchungen von A. E. Sayre zufolge (Ausst. Kat. >The Changing Image: Prints by Francesco Goya<, Boston 1974) wurden solche Abzüge um 1848 gedruckt und privat publiziert, bevor die Academia de San Fernando die 18 Platten erwarb und für die 1. Ausgabe von 1864 überarbeiten ließ. Vor der späteren Nummer. Goya selbst hatte von der Platte, wie bei anderen Darstellungen der Folge auch, nur ganz wenig Working Proofs angefertigt. Harris schreibt von 2. Exzellenter, wie von Harris erwähnt in black ink gedruckter Abzug, der die nuancenreiche Körnung, die Goyas fein differenzierten Aquatintaton charakterisiert, namentlich im Hintergrund in schönster Klarheit und Transparenz vorstellt. Auf weichem, oberf lächlich relativ feinkörnig strukturiertem Velin, mit 1,2 – 1,8 cm breitem Papierrand um die partiell noch ungereinigte Plattenkante. Unten mit kurzem, sorgsam geschlossenem Risschen außerhalb der Darstellung, sonst tadellos. Diese absurden, maskierten Personen, die auf Stelzen gehen oder sich vermummt haben, sind bemüht, ihren Mitmenschen ein Bild von sich zu vermitteln, das der Wirklichkeit nicht entspricht. Sie stehen sich feindlich gegenüber, streiten oder stützen sich gegenseitig; der allgemeine Effekt ist der einer ungeheuren Konfusion und gegenseitigen Täuschung. (A. E. Pérez Sánchez)
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GIOVANNI FR ANCESCO GRIMALDI
1606 Bologna – Rom 1680
43 Flusslandschaft mit der Gruppe eines stehenden Mannes, einer sitzenden Frau und einem Kind vorne rechts. 1643 Radierung. 27,3 x 37,9 cm Bartsch 41/I (von II); Bellini 38/I (von II) Wasserzeichen: Lilie im Kreis unter einer Krone (ähnlich Heawood 1633) Provenienz: Philipp Herrmann (Lugt 1352a)
Superber Frühdruck, vor dem späteren Adressenzusatz ‚An. Carac‘. Prachtvoll tiefschwarz, fast gratig im skizzenhaft vorgetragenen Lineament und noch mit den gleichsam turbulenten Spuren der partiell wohl absichtsvoll nicht sorgsam geglätteten Kupferplatte, die der Darstellung einen hohen ästhetischen, atmosphärischen Reiz verleihen. Bis auf wenige Braunf leckchen, in ausgezeichneter, gänzlich unbehandelter Erhaltung, die namentlich die feinnarbige Struktur des Papiers perfekt bewahrt. Obwohl in der klassischen Tradition eines Annibale Carracci und Domenichino wurzelnd, zeigen die Blätter des Künstlers gleichermaßen Anklänge an die ‚Romantik‘ eines Salvator Rosa, oder auch Dughets, mit dem Grimaldi an einem Landschaftszyklus in San Martino ai Monti in Rom zusammenarbeitete.
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43
SIR FR ANCIS SEYMOUR HADEN
1818 London – Arlesford 1910
44 Grayling Fishing. 1896/97 Schabkunst mit Kaltnadel. 19,1 x 29,9 cm Harrington 241; Schneiderman 227/III (von V) Wasserzeichen: O.W.P. & A. C. L. Provenienz: P & D Colnaghi, London, Lagernummer C4283
Eines der späten Schabkunstblätter des Künstlers in einem herrlichen, von F. Goulding meisterhaft in schwarzbraun gedruckten Abzug, der den ganzen Reichtum an Tonvaleurs vorstellt. Der früheste erreichbare Zustand, nachdem der vom Künstler mit Kreide überarbeitete Probedruck sich als Unikat im British Museum befindet und Schneiderman Gouldings erste Versuchsdrucke, sogenannte Trial proofs, nur im Cleveland Museum of Art, der New York Public Library und Philadelphia Museum of Art nachweisen konnte. Die von Schneiderman genannten Unterscheidungskriterien zwischen II. und III. Zustand lassen sich gleichwohl kaum verifizieren. Mit der Bleistift-Signatur des Künstlers unten rechts im breiten Papierrand des unbeschnittenen Papierbogens (31,5 x 44,1 cm). Rings mit Kleberesten einer alten Montage, sonst tadellos. Haden arbeitete während der achtziger/neunziger Jahre häufiger mit der Schabkunsttechnik, nicht zuletzt auch wegen seines sich zunehmend verschlechternden Augenlichts. Insgesamt sind 19 Platten bekannt, bei denen er dieses Kupfertiefdruckverfahren in reiner Form oder kombiniert mit Radierung und Kaltnadel anwandte. Er setzte es ein, um die atmosphärische Wirkung von Wasserlandschaften malerisch und teilweise sehr suggestiv zu steigern. (S. Achenbach)
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45
WILLEM DE HEUSCH
Um 1620 Utrecht 1692
45 Die Zwei Bäume am Wegesrand. Nach 1677 Radierung. 25,1 x 17,7 cm Fehlt bei Bartsch. Drugulin und Hollstein 13 Provenienz: E. D. Forgues (Lugt 734 a)
Die Bartsch und Weigel noch unbekannte Komposition in einem exquisiten, mit prononciertem Plattenton gedruckten Abzug von außerordentlich atmosphä rischer Wirkung, gedruckt – wie wohl alle bekannten Exemplare – vermutlich erst nachdem die Kupferplatte 1851 durch die Chalcographie du Musée du Louvre erworben worden war. Hollstein erwähnt lediglich drei Abzüge in den öffentlichen Sammlungen von Amsterdam, Berlin und Paris (das von Dutuit aus der Sammlung Isendoorn erworbene Exemplar). Von größter Seltenheit. Heusch radierte seine stimmungsvolle arkadische Landschaft auf der Rückseite von A. van Dycks Kupferplatte mit dem Portrait des Jean de Wael (New Hollstein 15), die zusammen mit den übrigen Kupferplatten der >Iconographie< im Rahmen der Nachlaßauktion des Verlegers G. Hendricx 1677 in Utrecht zum Kauf angeboten wurde. Der Käufer ist unbekannt. G. Luijten vermutet jedoch, daß die Kupferplatten zunächst von einem Utrechter erworben wurden, der Heusch, der in Utrecht ansässig war, nach der Auktion Gelegenheit geboten hat, eine der Platten wiederzuverwenden, bevor sie vermutlich zu Beginn des 18. Jahrhunderts in den Besitz von Hendick und Cornelis Verdussen in Antwerpen übergingen. In kaum einer anderen Radierung seines nur 13 Blätter umfassenden druckgraphischen Werkes hat Heusch, der als Schüler von J. Both gilt, südliches Licht und duftige Atmosphäre so überzeugend einzufangen verstanden wie in der vorliegenden Komposition mit ihren fein differenzierten Stufenätzungen. Wie hingehaucht erscheinen die zarten Linien der am weitesten entfernten Hügelkette rechts im Hintergrund. Etwas deutlicher lesbar schon ist das jenseitige Ufer mit seiner üppigen Vegetation und dem Schäfer, der sinnend auf seinen Stock gestützt das Treiben des Flusses zu beobachten scheint. Geradezu eindrucksvolle Präsenz schließlich gewinnen die ineinander verschlungenen Bäume im Vordergrund mit ihren samtigen Schwärzen. Ein Musterbeispiel des ganz unter dem Eindruck der Kunst Claude Lorrains sich entwickelnden Schaffens des Utrechter Künstlers. Die Vorzeichnung befindet sich im Rijksprentenkabinet, Amsterdam (RP-T-1905151).
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WENZEL HOLLAR
1607 Prag – London 1677
46 Pelzmuff mit Brokatband. 1645 Radierung. 7,5 x 7,1 cm Vgl. Parthey 1950; Pennington 1950/II; New Hollstein 795/II
Ausgezeichneter Abzug eines Parthey noch unbekannt geb liebenen II. Druckzustandes: Nach der Verkleinerung der Platte und der konsequenten Reduzierung der vormals stark quer rechte ckigen Komposition aus zwei Pelzmuffen und einer Pelzstola auf die rechts befindliche Darstellung eines einzigen mit einem Brokatband verzierten Pelzmuff in einem ann ähernd quadratischen Hochformat. Mit dem ligierten Künstlermonogram ‚VH‘ rechts oben. Die Spuren der ausgeschliffenen Pelzstola und eines weiteren Muffes sind, wie von Pennington beschrieben, links noch sehr schön zu sehen. Mit hauchfeinem Rändchen bzw. auf der Plattenkante geschnitten. In perfekter Erhaltung. Hollars virtuose Darstellungen von Pelzmuffen, die er zu kunstvollen Stillleben arrangierte, gehören zu seinen berühmtesten Werken. They … are still extraordinary for the almost fetishistic delight expressed in them, which gives them an isolated posi tion in seventeenth-century etching. (A. Grifffith und G. Kesnerová)
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WENZEL HOLLAR
1607 Prag – London 1677
47 Der weiße Hund – Das Malteser- oder Bologneser Hündchen. 1649 Nach A. Matham
Radierung. 7,7 x 12,1 cm Partey und Pennington 2097; New Hollstein 1073
Das reizende Hundeportrait in einem brillanten Abzug. Reich an Kontrasten durch das gänzlich unverbraucht frische Papier, so daß das Fell geradezu hap tische Qualität erhält. Auf der Plattenkante geschnitten und mit feinem Rändchen einer ehemaligen Fenstermontage. Tadellos.
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JAN LAGOOR
tätig in Haarlem 1645 – 1659
48 Landschaft mit der Barke. Um 1645 Radierung. 15,0 x 18,2 cm Wurzbach und Hollstein 6
Prachtvoller Abzug. Wie das Exemplar in Amsterdam noch mit ausgeprägten Kratz- und Schleif spuren im Himmel, die den experimentellen Charakter des Blattes wirkungsvoll belegen. Eine von nur sechs als gesichert geltenden Landschaftsradierungen des Künstlers. Sie sind sämtlich von extremer Seltenheit, wobei Hollstein für die vorliegende Komposition lediglich je ein Exemplar in Amsterdam und Kopenhagen erwähnt. Unseren aktuellen Nachforschungen zufolge sind noch je ein Druck im British Museum, in der Collection F. Lugt, Paris, in der Albertina und der hier vorliegende hinzu zu zählen, so daß insgesamt nur ca. 6 Abzüge bekannt sind. Makellos in der Erhaltung im Unterschied zu dem Exemplar des British Museum, das im Himmel links zwei kleine Brandlöcher aufweist. Mit feinem Papierrändchen um die Plattenkante. Alt aufgelegt auf der Seite eines alten Sammelbandes. Höchst eindrucksvoll mit seinem scheinbar unakzentuierten, kritzelnden Duktus, mit dem der Künstler die unprätentiöse landschaftliche Szenerie in den Ätzgrund zeichnete. Er verleiht der Komposition zusammen mit den absichtsvoll belassenen, zufälligen Unebenheiten der Kupferplatte, die nur partiell, und dann auch nur unvollständig auspoliert wurden, einen ungemein spontanen, experimentell-f lüchtigen Charakter, der der Phantasie Raum gibt, immer wieder Neues zu entdecken: einen neben dem Kahn am Ufer sitzenden Mann, zwei Rehe im Mittelgrund rechts und einen Jäger …
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JAN LAGOOR
tätig in Haarlem 1645 – 1659
48 Landschaft mit der Barke. Um 1645 Radierung. 15,0 x 18,2 cm Wurzbach und Hollstein 6
Prachtvoller Abzug. Wie das Exemplar in Amsterdam noch mit ausgeprägten Kratz- und Schleif spuren im Himmel, die den experimentellen Charakter des Blattes wirkungsvoll belegen. Eine von nur sechs als gesichert geltenden Landschaftsradierungen des Künstlers. Sie sind sämtlich von extremer Seltenheit, wobei Hollstein für die vorliegende Komposition lediglich je ein Exemplar in Amsterdam und Kopenhagen erwähnt. Unseren aktuellen Nachforschungen zufolge sind noch je ein Druck im British Museum, in der Collection F. Lugt, Paris, in der Albertina und der hier vorliegende hinzu zu zählen, so daß insgesamt nur ca. 6 Abzüge bekannt sind. Makellos in der Erhaltung im Unterschied zu dem Exemplar des British Museum, das im Himmel links zwei kleine Brandlöcher aufweist. Mit feinem Papierrändchen um die Plattenkante. Alt aufgelegt auf der Seite eines alten Sammelbandes. Höchst eindrucksvoll mit seinem scheinbar unakzentuierten, kritzelnden Duktus, mit dem der Künstler die unprätentiöse landschaftliche Szenerie in den Ätzgrund zeichnete. Er verleiht der Komposition zusammen mit den absichtsvoll belassenen, zufälligen Unebenheiten der Kupferplatte, die nur partiell, und dann auch nur unvollständig auspoliert wurden, einen ungemein spontanen, experimentell-f lüchtigen Charakter, der der Phantasie Raum gibt, immer wieder Neues zu entdecken: einen neben dem Kahn am Ufer sitzenden Mann, zwei Rehe im Mittelgrund rechts und einen Jäger …
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FERDINAND LANDERER
1743 Stein unter der Enns – Wien 1795
49 Zwei Gebirgslandschaften mit Figuren und Vieh. Um 1768/70 Nach C. W. E. Dietrich gen. Dietricy
2 Blätter. Radierung, weiß gehöht. 22,9 x 30,7 cm und 23,2 x 30,9 cm Nagler 16 und 17; Le Blanc 30 und 31 Provenienz: Fürsten zu Liechtenstein
Exquisite Luxusexemplare der beiden schönen Gegenstücke, gedruckt auf blauem Papier und effektvoll mit Weiß gehöht. Mit Rändchen um die doppelten Einfassungslinien, herrlich frisch namentlich in den virtuosen Weißhöhungen, die hier und da teils markante Lichter setzen, teils äußerst subtil Wolken andeuten im von der Radiernadel unbearbeitet gebliebenen Himmel. Die beiden ganz im Stil der niederländischen Italisanten gehaltenen Gegenstükke, sind die einzigen Blätter Landerers nach Entwürfen Dietricys. Sie entstanden vermutlich während Landerers Ausbildungszeit an der Wiener Kupferstecherakademie unter M. Schmutzer, der als Schüler Willes das Landschaftsfach als besonderen Schwerpunkt an der erst 1766 gegründeten Einrichtung etablierte. Wille hatte Schmutzer, der sich von 1762 – 66 bei ihm in Paris aufhielt, vornehmlich als Landschaftszeichner ausgebildet und im Zuge dessen auch intensiv mit dem Werk seines besonders geschätzten Freundes Dietricy bekannt und vertraut gemacht. Voller Begeisterung berichtet er diesem etwa in einem Brief 1755, wie er dessen Arbeiten zusammen mit seinen Schülern betrachtete: Ach mit welchem Herzklopfen, mit welchem Vergnügen erblickte ich mehr, als ich mir vorgestellt hatte. Ich konnte mich nicht enthalten, meine ganze Academie in mein Kabinett zu rufen. Jeder warf seine Zeichnung hin, und drängte sich der erste zu seyn … Noch 1780 nennt J. G. Meussel die Landschaftsmalerei Dietrichs zuerst, da sie unstreitig derjenige Teil der Kunst ist, in welchem seine größte Stärke bestund. Mannig faltigkeit und Reichtum in der Erfindung, viel Verstand, Geschmack, Wahl und unendliche Abwechslung in der Anordnung, ungemein herrliche Beleuchtung; beinah einziger Gebrauch der Mitteltinten; äußerst wirksam angebrachte Reflexlichter … – lauter Vorzüge, die sich so glücklich in den meisten seiner Arbeiten dieser Art vereinigen, machen ihn zum größten Landschaftsmaler seiner Zeiten. Er hat sich hier besonders nach Everdingen, Berchem, Claude Lorrain und Poelenburg gebildet … Ja beinahe mögt ich sagen, daß man in einer Dietrichschen Landschaft, die Vorzüge aller großen Landschafter vereinigt sehen könne.
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GOVERT VAN DER LEEUW
1645 Dordrecht 1688
50 Der den Dudelsack blasende Hirte neben seiner Schaf- und Ziegenherde. Um 1672 – 74 Radierung. 9,3 x 12,7 cm Hollstein 27 Provenienz: T. Graf (Lugt 1092a)
Exquisiter Frühdruck des seltenen Einzelblattes. Kraftvoll tiefschwarz im sparsamen Lineament und mit dem noch reichen Flächenton einer delikaten Schwefelstaubätzung, die der reizenden, lichtdurchf luteten Hirtenszene die besonders erwünschte südliche Atmosphäre verleiht. Govert van der Leeuw zählt zu den weniger bekannten niederländischen Italisanten des Goldenen Zeitalters. Ausgebildet im Amsterdamer Atelier seines Cousins N. Berchem, hat er schon früh die südliche Landschaft mit Hirten und Bauern als Hauptthema seines künstlerischen Schaffens gewählt und reiste – im Unterschied zu seinem Lehrer – selbst gen Süden. Von 1672 bis 1684 war er in Italien unter dem italianisierten Namen Gabriele da Leone tätig. Sein nur 28 Blätter umfassendes druckraphisches Werk wird dort entstanden sein. Houbraken zufolge hielt sich der Künstler – bevor er nach Rom und Neapel weiterzog – zunächst für zwei Jahre in Turin auf, wo er mit den ‚Bambocciaden‘ seines wenige Jahre zuvor dort als Hofmaler von Carlo Emanuele II. von Savoyen verstorbenen Landsmannes Jan Miel bekannt geworden sein wird. Unverkennbar nimmt die vorliegende bukolische Komposition Bezug auf Miels um 1640 entstandene Radierung (Hollstein 11), worauf eine alte handschriftliche Notitz ‚Jean Miele‘ auf der Rückseite des unbezeichnet gebliebenen Blattes Bezug nehmen mag.
50
JAN LIEVENS
1607 Leiden – Amsterdam 1674
51 Brustbild eines alten Mannes, nach rechts gewendet. Um 1630 Radierung. 12,4 x 10,2 cm Bartsch und Dutuit 35; Rovinski 35/II; Hollstein 54/II Wasserzeichen: Siebenzackige Schellenkappe Provenienz: J. D. Böhm (Lugt 271) J. V. Novak, Prag [ohne Stempel] (vgl. Lugt 1949) oder A. Artaria [ohne Stempel] (vgl. Lugt 33) H. G. Gutekunst, Stuttgart, Auktion 59, 1904, Nr. 873 Th. Graf (Lugt 1092a)
Eine der außerordentlich seltenen, vermutlich noch in Leiden entstandenen eindrucksvollen Tronijen des Künstlers in einem ganz ausgezeichneten, mit feinem Plattenton gedruckten Abzug. Mit dem Monogramm des Künstlers. Von Hollstein namentlich aufgeführtes Exemplar der Sammlung Böhm, das 1904 bei H. G. Gutekunst in der 59. Auktion unter der Losnummer 873 versteigert wurde.
51
DAVID LUCAS
1802 Geddington Chase – Fulham 1881
52 Arundel Mill and Castle. 1845/46 Nach J. Constable
Schabkunst und Radierung. 19,1 x 24,1 cm Wedmore 36; Shirley 49 / progress proof k (von p) Provenienz: K unsthandlung Helmut H. Rumbler, Katalog 11, 1980, Nr. 72 Deutsche Privatsammlung
Seltener Probedruck eines der letzten berühmten Schabkunstblätter des Künstlers nach Werken J. Constables. Mit der Aufhellung des Reiters im Hintergrund bei der Mühle, mit den verstärkten Lichtern im Wasser und mit dem Monogramm rechts unten, jedoch noch vor den Vögeln über dem Kliff und allen weiteren Überarbeitungen bis zur regulären Auf lage. Mit bis zu 6 cm breiten Papierrändern. Bis auf einen schwachen Lichtrand im Passepartoutausschnitt, tadellos. Constable hatte Lucas 1829 für ein schon lange gehegtes Publikations-Projekt seiner Entwürfe gewonnen, mit dem er seine Fähigkeiten als Landschaftsmaler einem breiten Publikum bekannt zu machen gedachte. Die erste Lieferung von vier Schabkunstblättern erschien 1830 unter dem Titel >Landscapes Characteris tic of English Scenery engraved by Mr. David Lucas from pictures painted by John Constable R.A.< nach einer gleichermaßen intensiven wie produktiven Phaseder Zusammenarbeit der beiden Künstler. Constable hatte den Fortgang der Arbeiten an den Stahlplatten in London von Hampstead aus kontinuierlich anhand immer wieder neuer Probeabzüge verfolgt und schriftlich kommentiert – ein Verfahren, das bis zum Tod des Künstlers 1837 beibehalten werden sollten. Die vorliegende Komposition basiert auf Constables letztem, unvollendet gebliebenen Gemälde >Arundel Mill and Castle<, das sich heute im Toledo Museum of Art befindet. C. R. Leslie, der enge Freund und erste Biograph Constables, hatte es vermutlich zusammen mit weiteren Gemälden für einen Appendix zu >Constable‘s English Landscapes< ausgewählt, den Lucas 1846 selbst unter dem Titel >Mr. David LUCAS’S New Series of Engravings, illustrative of English Landscape, from Pictures of JOHN CONSTABLE R. A.< publizierte. Leslie übernahm für diese Publikation gleichsam die Rolle Constables und überwachte ebenso penibel wie dieser den Fortgang der Arbeit an den Stahlplatten. Ein Abzug des hier vorliegenden progress proof K mit den von Leslie eingezeichneten Vögeln, die auf dem Gemälde noch fehlten, befindet sich zusammen mit einer Briefnotiz Leslies im Fitzwilliam Museum, Cambridge. In einer kurzen Grußadresse Leslies heißt es entsprechend: I have most carefully compared all the Plates, during their process, with the Pictures from which they are taken, and have witnessed the great skill and assiduity by which Mr. Lucas has rendered them accurate and tasteful translations to a degree not to be expected from any other Hand. His long and close intimacy with the painter, and the great number of works which he executed under his immediate direction, some which were subjects of extreme difficulty, and large dimensions, gave him an insight into the principles of Constable’s art, and enabled him to imbibe its spirit, to a degree entirely unattainable under les favourable circumstances.
126
MICHELE MARIESCHI
53 Piazza S. Marco dalla Torre dell‘ Orologio.
1710 Venedig 1743
c. 1741
Radierung. 31,0 x 44,7 cm Succi 12/I (von IV) Wasserzeichen: Buchstaben FV
Prachtvoller Frühdruck. Vor der Nummer ‚3‘ links unten, vor der späteren Überarbeitung der Platte bzw. vor der späteren Adresse von G. M. Pedrali. Mit bis zu 8 cm Papierrand um die Plattenkante. Rückseitig mit Resten eines Falzes entlang der vertikalen Mittelfalte von der ehemaligen Einbindung in ein Album. Marieschi gilt neben Canaletto als bedeutendster Vedutenstecher Venedigs im 18. Jahrhundert. Die Komposition gehört zu einer Serie von 21 Radierungen, die der Künstler 1741 unter dem Titel >Magnificentiores selectioresque urbis Venetiarum prospectus< publizierte. Bis auf vier unbedeutende Kompositionen umfaßt sie sein gesamtes druckgraphisches Œuvre. Neuauf lagen erschienen nach dem frühen Tod des Künstlers bei J. Wagner und G. M. Pedrali.
128
54
CORNELIS MATTEUS oder MATTHIEU
Um 1610 Vianen, tätig in Antwerpen 1637 und Vianen 1656
54 Die Landschaft mit der Brücke. Um 1637/40 Radierung. 11,0 x 15,0 cm Bartsch 2/vor I; Weigel 2/I (von II); Hollstein 2/I (von II); T.I.B. 6 commentary p. 50, 002 S1 (von S2) Provenienz: P. Davidsohn (Lugt 654) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion CXXX, 1920, Nr. 1296 Gutekunst und Klipstein, Bern, Katalog 5, 1921, Nr. 411 C. G. Boerner, Düsseldorf, Neue Lagerliste 19, Nr. 191 Deutsche Privatsammlung
Eine der bereits von Bartsch als fort rares klassifizierten Landschaften Künstlers in einem exquisiten Frühdruck des Bartsch noch unbekannt gebliebenen Zu standes vor dem Namen des Künstlers und dem Vogelschwarm im Himmel rechts, sowie vor der noch bei Weigel genannten Verlegeradresse ‚F.v.W.‘ von Frans van den Wyngaerde. Obwohl sie bei den Exemplaren des zweiten Etats im Rijks museum, Amsterdam und im British Museum links unten deutlich sichtbar ist, wird sie weder von Hollstein noch von C. Levesque erwähnt. Einer der beiden von Hollstein im Handel namentlich erwähnten Probedrucke des ersten Zustandes, der im Auktionskatalog der Sammlung Davidsohn 1920 unter der Nummer 1297 als Brillanter erster Abdruck, vor dem Künstlernamen und der Adresse. Mit breitem Rand. beschrieben wurde. C. Levesque konnte im T.I.B. 6 Commentary daneben nur zwei weitere Exemplare dieses ersten Etats im British Museum, London sowie im Rijksmuseum, Amsterdam nachweisen, wobei das Amsterdamer Exemplar bereits einen diagonalen Kratzer durch den Turm aufweist, der bei dem hier vorliegenden Abzug noch fehlt. Mit ca. 2 cm breitem Papierrand um die tonig abgesetzte Plattenkante. Bis auf wenige unbedeutende Braunf leckchen, makellos frisch. C. Matteus, der auch unter den Namen Mattue oder Matthieu bekannt ist, hat ein nur etwa 10 Blätter umfassendes druckgraphisches Werk hinterlassen, das vermutlich in enger Zusammenarbeit mit dem Antwerpener Verleger F. van den Wyngaerden enstand, den er in einer kleinen, 1637 datierten Radierung portraitiert hat. Bartsch charakterisierte seinen Radierstil ganz treffend als d’un pointe extrêmement legère et plain d’esprit. Im vorliegenden Fall ist die südlich anmutende, bergige Landschaft mit wenigen offenbar ganz f link gesetzten kurzen Strichen skizziert, wobei nur gelegentlich, namentlich aber im Vordergrund, wenige parallelgeführte Strichlagen und Kreuzlagen absichtsvoll kontrastreiche Akzentebilden und damit helfen eine besonders luzide Atmosphäre zu evozieren.
131
JAN VAN DER MEER DE JONGHE
1657 Haarlem 1705
55 Der junge liegende Widder mit den Fliegen. Um 1685 Radierung. 6,5 x 9,3 cm cm Fehlt bei Bartsch, Hollstein 5 Wasserzeichen: Krone Provenienz: P. Davidsohn (Lugt 645) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion CXXX, 1920, Nr. 1320 R. Lachmanski [ohne Stempel] (vgl. Lugt 2223 b) Thomas Graf (Lugt 1092b) Süddeutsche Privatsammlung
Köstlicher, fein zeichnender Frühdruck des extrem seltenen Blattes, das Hollstein nur in dem hier vorliegenden, aus der Sammlung Davidsohn stammenden Exemplar nachweisen konnte. Mit bis zu 1,5 cm breiten Papierrändern um die partiell noch rauh zeichnende Plattenkante. Tadellos. Die Bartsch noch unbekannt gebliebene Komposition eines liegenden jungen Widders, der von einem Schwarm Fliegen umschwärmt ist, wird gemeinhin mit einer von Weigel 1843 in seinen >Suppléments au Peintre-Graveur de Adam Bartsch< unter den Blättern von J. van der Does erwähnten Gruppe von drei Radierungen (W. 2 – 4) nach radierten Tierstücken von K. Dujardin (B. 35, 37 und 38) in Verbindung gebracht, wobei Weigel im Hinblick auf die stilistischen Unterschiede zu dem einzigen von van der Does bezeichneten Einzelblatt (B. 1) zugleich anmerkt, er sei durchaus geneigt diese drei Radierungen eher J. van der Meer zuzuschreiben. Ein von Fliegen umschwärmter Widder existiert gleichwohl im Werk du Jardins nicht. Hollstein führt die Komposition entsprechend nur unter den Arbeiten J. van der Meers und nicht unter denen des J. van der Does. Die Identifikation des aus der Sammlung Drugulin stammenden Exemplars im Rijksmuseum Amsterdam (RP-P-1886 -A-10419), das Hollstein unbekannt geblieben zu sein scheint, mit dem von Weigel und Hollstein unter van der Does als Nr. 4 beschriebenen >LiegendenSchaf mit Fliegen< nach K. Dujardin geht fehl. Van der Meers Darstellungen von Schafen waren hochgeschätzt. Bartsch zufolge übertraf er in diesem Genre selbst seinen Lehrmeister N. Berchem.
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55
56
CHARLES MERYON
1821 Paris – Charenton 1868
56 Tourelle, Rue de la Tixéranderie. 1852 Radierung. 24,5 x 13,2 cm Delteil-Wright 29/I (von V) ; Schneiderman 24/I (von V) Provenienz: H . J. Thomas (Lugt 1378 und Lugt Suppl. 1378 a) H. M. Petiet (Lugt 5031)
Exquisiter Frühdruck des höchst raren I. Zustands vor dem Monogramm des Künstlers rechts oben und vor der Überarbeitung der sichelförmigen ungeätzten Partie rechts unten am Fuß der Stützmauer. Schneiderman zufolge, sind gesamthaft nur 5 weitere Abzüge von diesem Etat der bereits 1861 zerstörten Platte bekannt. Sie befinden sich sämtlich in öffent lichen Sammlungen. Das von Lugt speziell erwähnte Exemplar der Sammlung H. J. Thomas, einer Très belle réunion d’une qualité telle qu’on n’en avait pas vue depuis longtemps à Paris. In der Auktion in Paris am 18. Juni 1952 unter der Nr. 138 für den Rekordpreis von 50.000 Ffrs an Petiet zugeschlagen. Vergleichbar zu dem Abzug der Bibliothèque Nationale, Paris, auf hauchfeinem, gelb-bräunlichem Japanpapier, dessen warmer Ton die Lichtref lexe außerordentlich eindrucksvoll zur Geltung bringt. 1852 entstanden und zu Meryons Folge der >Eaux-fortes sur Paris< gehörig, zeigt die Darstellung eine städtebauliche Situation, die schon ein Jahr zuvor dem großangelegten Umbau der noch mittelalterlich geprägten Stadt zum Opfer gefallen war. Für den geplanten Durchbruch der Rue de Rivoli nach Osten war die Ecke der an der Nordseite des alten Rathauses gelegenen Rue de la Tixéranderie und der Rue du Cocq Saint Jean nämlich bereits 1851 abgetragen worden. Noch im selben Jahr hatte auch H. Le Secq, der spätere Gönner des Künstlers, angetrieben von einer ähnlichen Hingabe an die vom Verfall oder Abriß bedrohtemittelalterliche Architektur, die pittoreske Szenerie fotografiert. Möglicherweise entstanden die vorbereitenden Zeichnungen Meryons, die sich heute in der Bibliothèque Nationale, Paris, im Museum of Art, Carnegie Institute, Pittsburgh und im Art Institute of Chicago befinden, in Auseinandersetzung mit der Aufnahme Le Secqs. Sie sind beredte Zeugnisse für den Prozess der Anverwandlung, für die Fähigkeit des Künstlers, Authentisches mit subjektiver Anschauung zu verbinden: Raumwirkungen werden vertieft, Einzelformen werden verknappt, das f lackernde Licht und die hinzugefügte wuchernde Vegetationerzeugen eine fast träumerische Stimmung. Die Gestalt eines gravitätisch zu Pferd reitenden Ritters in Rüstung ist der Phantasie des Künstlers entsprungen und holt surreal eine längst vergangene Welt in eine Gegenwart, die ihrerseits bereits nicht mehr existent ist.
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CHARLES MERYON
1821 Paris – Charenton 1868
57 La Salle des Pas-Perdues à L’ancien Palais-de-Justice, Paris. 1855 Nach J. Androuet DuCerceau
Radierung. 27,1 x 43,4 cm Delteil-Wright 48/IV; Schneiderman 51/IV Wasserzeichen: bekröntes Wappen mit Buchstaben ‚HP‘ und der Nebenmarke (HU) DELIST Provenienz: A. Barrion (Lugt 76)
Exzellenter, feintoniger Abzug aus der Sammlung A. Barrion, von der G. Bourcard b erichtet: Ici toutes les épreuves sont de qualité abolument exceptionelle. Während sich drei Probedrucke des I. Etats in den öffentlichen Sammlungen von Chicago , Toledo und Boston befinden, konnte weder Delteil-Wright noch Schneidermanein Exemplar des II. Zustandes mit der vollendeten Darstellung nachweisen. Vom III. Zustand – mit einer ausführlichen Inschrift Meryons im Unterrand – sollen, einer Notiz im Versteigerungskatalog der Sammlung H. Destailler im November 1894 zufolge, nur 8 Exemplare existieren, von denen Schneiderman allerdings nur 3 Abzüge in Museen lokalisieren konnte. Für den hier vorliegenden IV. Zustand wurde, ohne die Darstellung selbst anzutasten, die von Anfang an zu groß konzipierte Platte verkleinert und mit dem Druckvermerk ‚A. Delâtre Imp. R. Fg St Jacques no 81‘, sowie der Künstleradresse ‚C. Meryon sculp. D’après Ducerceau MDCCCLV‘ versehen. Mit 1–3 cm breiten Papierrändern um die unverpresst bewahrte Plattenkante. Bis auf ein stecknadelkopfgoßes Löchlein, das vermutlich schon beim Druck auf dem alten Papier des 18. Jahrhunderts vorhanden war, makellos frisch und unberührt. Eine der drei Radierungen nach Kupferstichen aus >Les Plus Excellents Bastimentsde France, par Jacques Androuet DuCerceau, Architecte à Paris 1579<. Sie entstanden zusammen mit weiteren Arbeiten nach Architektur-Zeichnun gen und Stichen des 17. und 18. Jahrhunderts im Anschluß an die Fertigstellung von Meryons >Eau-Fortes sur Paris<. Die Vorhalle des Justizpalastes erregte durch den Romananfang von Victor Hugos >Notre Dame de Paris< und auch durch die Umbaua rbeiten der 1850er Jahre damals eine besondere Aufmerksamkeit. Meryon notierte unter die Darstellung im II. Zustand: Il faut avoir examiné la pièce originale dans ses moindres details (comme j’ai été force de le faire) pour en savoir toute la beauté. Il va sans dire que l’architecture y est traitée de main de maître. Les statues des rois sont d’un grand style, toutes bizarres qu’elles puissent paraîtreau premier abord. Quant aux petites figures, qui animent la salle d’une façon si piquante et qu’on pourrait croire faites avec négligence, elles sont, je pense, des plus remarquables. Consanguines, d’une certaine manière, avec celles de Reynier Zeeman, le graveur de navines, en ce qui concerne la vérité de la mimique, elles rappellent dans de certaines parties (les petites jambs surtout) la belle correction de Marc Antoine. Il n’est pas jusqu’à l’expression des masques qui, quoique indiquee avec une naïveté presque enfantine, ne soit d’une grande science physionomique. Meryon sculp. D’après la pièce originale de Ducerceau, due à l’obligeance de monsieur Destailler, achitecte.
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57
CLAES CORNELISZ MOEYAERT
Um 1590/91 Durgerdam – Amsterdam 1655
58 Die Landschaft mit dem runden Turm. Um 1620 Radierung. 11,7 x 20,2 cm Wurzbach 21; Hollstein 22/I (von II); T.I.B. 53 Supplement p. 294, Nr. 027 S1 (von S2) Wasserzeichen: Fünfzackige Schellenkappe
Die einzige unter den frühen Landschaftsradierungen des Künstlers ohne jeden mythologischen oder biblischen Bezug in einem ausgezeichneten Frühdruck vor der späteren Nummer 10 unten rechts. Ungewöhnlich breitrandiges Exemplar (Blattmaß: 17,8 x 29,8 cm). Vereinzelte Braunf leckchen im Randbereich, sämtlich außerhalb der Darstellung. Bis auf eine kleine handschriftliche Paginierung ‚4‘ in Rötel rechts völlig unberührt. Moeyaert gehört zum Kreis der frühen niederländischen Landschaftsradierer, die unter dem Einf luß der Kunst Elsheimers einen ganz neuen Typus von Landschaft in den Niederlanden etablierten: Imaginär im Duktus und nicht unbedingt der eigenen Anschauung verpf lichtet in der Kombination von antiken Ruinen und hügeligen Landschaftsformationen mit gleichsam zeichenhaft abstrahierten Elementen von Vegetation. Moeyaert versteht es dabei mit seinem sparsamen geätzten Lineament, das in seiner Präzision und drahtigen Schärfe einer Federzeichnung verwandt ist, seiner Komposition einen ungemein luminaristischen Reiz zu verleihen. Ackley vermutete: Moeyaert must have used a fairly hard etching ground to achieve such definition in the line … A new draftsman-like, scribbling energy is being introduced into the linear vocabulary of etching.
58
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MONOGR AMMIST CG
Tätig in Sachsen oder Westfalen (?) in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
59 Herzog Georg der Bärtige von Sachsen. 1536 Kupferstich. 23,2 x 17,4 cm Bartsch IX, 29, 10; Nagler Monogrammisten II, 55.1 Provenienz: Doublette der Albertina, Wien (Lugt 5 e und 5h)
Das seltene Bildnis in einem sehr schönen Abzug, ohne die von einer zweiten Platte gedruckte Verstafel, wie meist. Auf der Plattenkante geschnitten. Alt aufgezogen zur Stabilisierung einer kaum merklichen Horizontalfalte im Bereich der Arme, sowie eines kurzen Risses in der linken Hand, die eine Nelke hält. Das vielleicht nur 29 Kupferstiche umfassende Œuvre des Monogrammisten CG entstand im Zeitraum von 1534 – 1539. Passavant und Nagler sehen den unbekannten Künstler vielleicht im Hinblick auf das vorliegende Portrait Herzog Georg des Bärtigen von Sachen im Umkreis von L. Cranach d. Ä., während P. Jessenihn zum Kreis der westfälischen Kleinmeister um Aldegrever rechnete. Bildnisse Herzog Georg des Bärtigen aus der Werkstatt Cranachs d. Ä. sind zahlreich überliefert. Eines dieser Bildnisse, die den erbitterten Reformationsgegner stets mit der Collane des Ordens vom goldenen Vlies zeigen – meist fast ganz verdeckt vom Bart, den der Herzog nach dem Tod seiner Frau (1534) nicht mehr geschnitten haben soll – dürfte Vorlage für den vorliegenden Kupferstich gewesen sein. Er zeigt ihn im Alter von 65 Jahren.
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JAN HARMENSZ. MULLER
1571 Amsterdam 1628
60 Die Erschaffung der Welt. 1589 After H. Goltzius
Folge von 7 Blättern. Kupferstich. Je ca. 26,2 – 26,5 cm im Durchmesser Bartsch 35 – 41; Hollstein 1 – 7; New Hollstein 35 – 40/II, 41/III Provenienz: König Friedrich August II. von Sachsen (Lugt 971)
Die berühmte Folge, komplett in einheitlich prachtvollen Abzügen des einzigen im Handel erreichbaren, endgültigen Zustandes. Durchgehend uniform von größtmöglicher Schönheit und Brillanz. Die Einfassungslinien jeweils nahezu komplett sichtbar. Die Blätter 1 und 2 mit geringfügigen Braunf leckchen. Vereinzelt mit winzigen Wurmlöchlein, sonst tadellos und unberührt, noch in der Originalmontage der Sammlung König Friedrich August II. von Sachsen mit dessen in roter Tinte auf der Unterlage notierten Inventarnummer. Goltzius’s spectacular series >The Creation of the World< was engraved by Jan Muller, who worked for Goltzius briefly around 1588 and 1589 and quickly absorbed the bold style of engraving that Goltzius had perfected by that time. Although the theme of the Creation was a traditional one, there appears to be precedent in the visual arts for Goltzius’s highly original interpretation. Set in tondos that mimic the shape of the world, this biblical subject was combined with mythological imagery to form a cycle that has been linked to an Ovidian story of creation. (N. M. Orenstein)
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ADRIAEN VAN OSTADE
1810 Haarlem 1685
61 Büste eines mürrischen Alten mit spitzer Mütze. Um 1648 – 50 Radierung. 6,9 x 5,8 cm Davidsohn 3/I (von VI); Godefroy und Hollstein 3/I (von VII) Wasserzeichen: Schellenkappe (?) [Fragment] Provenienz: D. G. de Arozarena (Lugt 109) Hôtel Drouot, Paris (M. Clément), Auktion 11. März 1861, Nr. 420 A. Alferoff (Lugt 1727) Montmorillon’sche Kunst- und Antiquitätenhandlung, München ( Joseph Maillinger), Auktion am 10. Mai 1869, Nr. 401 M. Wiegand (Lugt 2623) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion 12. November 1891 E. Schröter (Lugt 2270) H. G. Gutekunst, Stuttgart, Auktion 72, 7. – 12. Mai 1912, Nr. 780 E. A. Stuyck (Lugt 4191) Sotheby’s, London, Auktion 1.12.1985, Nr. 72 Deutsche Privatsammlung
Ausgezeichneter Abzug des von Godefroy mit très rare beschriebenen ersten Zustandes. Das von Godefroy mehrfach erwähnte Exemplar der Sammlungen Arozarena und Alferoff, das über die Sammlung Wiegand, die – Lugt zufolge – un œuvre superbe d’A. van Ostade umfasste, in die Collection von E. Schröter gelangte. Im Auktionskatalog dieser >Sammlung bei H. G. Gutekunst 1912 beschrieben als: Prachtvoller Ätzdruck vor der Einfassung, mit Rändchen ... Äußerst selten. Der mürrisch dreinschauende Alte hat Ostade verschiedentlich als Modell gedient. In einer Folge von Kreidezeichnungen (British Museum, London) hat er ihn im strengen Profil, im Halbprofil und en face in einer Kostümierung mit spitzer Kappe und Halskrause festgehalten, die ihn möglicherweise als eine bestimmte Figur des Volkstheaters charakterisieren soll: In moving from the fullfacestudy to the print, Van Ostade greatly reduced the image and transformed the distinctly individuated character study into a type, a tronje. (T. Rassieur)
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ADRIAEN VAN OSTADE
1610 Haarlem 1685
62 Der leere Krug. Um 1653 Radierung. 10,4 x 8,9 cm Davidsohn, Godefroy und Hollstein 15/V (von VIII) Provenienz: J. Burleigh James (Lugt 1425) E. V. Rouir (Lugt Suppl. 2156 a) C. de Poortere (Lugt 3467) Christie’s, London, Auktion am 27./28. Juni 1996, Lot 187
Superbes Exemplar des von Godefroy als rare klassifizierten V. Etats, mit der diagonalenStrichlage auf der linken Schulter des stehenden Mannes. Vor den späteren, posthumen Überarbeitungen, z. B. vor den 6 Vertikalen durch die Kante der Tischplatte vor dem Knie des rechts sitzenden Rauchers. Gedruckt mit exzeptionell schönem Plattenton, der sich zu den partiell noch rauh zeichnenden Plattenrändern hin nahezu unmerklich intensiviert, so daß sich der gleichmäßige 3 mm breite Papierrand wirkungsvoll abhebt und die Komposition rahmenartig einfaßt. In solcher Schönheit und makelloser Frische selten. Aus der bedeutenden Ostade-Collection von Eugène V. Rouir, über deren Zustandekommen der passionierte Sammler 1994 berichtete: Lorsque les moyens financiers sont limités, on peut se consacrer à un ou deux artistes. C’est ainsi qu’après la découverte de la gravure ancienne au cours de J. Brassine, je me suis tourné vers le XVIIe siècle et par amusement j’ai commencé à rassembler les scènes pittoresques de la vie paysannegravées par A. van Ostade qui étaient encore peu coûteuses. En effet, le travail d’identification était compliqué par les nombreux états subis par chaque cuivre et de plus la qualité de l’épreuve était conditionnée par le tirage et la qualité du papier (filigrane). Après une quinzaine d’années, j’avais réuni les 50 planches originales du maître de Haarlem en beaux tirages contemporaines … (>Parcours d’un collectionneur< in: Nouvelles de l’Estampe, No 133, 1994, pag. 5 – 16) Über Ostade schrieb E. V. Rouir : Seine Kunst ist von einer angeborenen Vornehmheit gezeichnet, aber er liebt es, seine Landsleute bei den alltäglichen Verrichtungen und Arbeiten, oder während der Mußestunden darzustellen. Seine Radiernadel verrät immer eine gewisse Rührung vor den einfachen Gesten und Gebärden, die er auf seiner Platte festhält. Seine Linienführung, sein Sinn für kompositorische Strenge, die schwungvolle Kraft seiner Ausführung sind stets gleich vollkommen. Ostade gehört zweifelsohne zu den besten holländischen Radierern des 17. Jahrhunderts. Er ist keineswegs ein Virtuose, und seine reizvollen Werke sind erst nach häufigen Überarbeitungen so geworden, wie wir sie kennen. (>Europäische Graphik im 17. Jahrhundert<)
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ADRIAEN VAN OSTADE
1610 Haarlem 1685
63 Der Scherenschleifer. Um 1671 Radierung. 8,4 x 7,4 cm Davidsohn, Godefroy und Hollstein 36/I (von III) Wasserzeichen: Schellenkappe [Fragment] (Laurentius 18) Provenienz: Chambers Hall (Lugt 551) V. Mayer [ohne Stempel] (vgl. Lugt 2525) P. Cassirer, Berlin / H. Helbig, München, J. Rosenthal, München, Auktion am 18. Oktober 1919 ff, Nr. 1138 mit Abb. H. E. Ten Cate (Lugt Suppl. 533 b)
Superber Frühdruck des I. Etats. Von außerordent licher Qualität, schönster Brillanz und Tonigkeit. Mit feinem Grat in den Kaltnadelarbeiten, der z. B. unter dem Karrenrad des Scherenschleifers, auf der Weste des Schuhf lickers sowie im Fenster über der Haustür malerische Akzent e setzt. Das von Godefroy zitierte Exemplar der Sammlung Chambers Hall, das 1919 in der Auktion der Sammlung von V. Mayer unter den 92 Nummern seiner bedeutenden Ostade Kollektion mit 1050,– Mark den zweithöchsten Preis erzielte.
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WILLEM PANNEELS
Um 1600 Antwerpen (?) – Baden-Baden (?) um 1634
64 Jupiter und Juno 1631 Nach P. P. Rubens Radierung. 17,7 x 14,7 cm Dutuit VI, pag. 141, Nr. 16; Schneevoogt pag. 120, Nr. 2; Hollstein 19/II Eine der pasticcio-artigen Radierungen des Künstlers, die auf seinem reichen Motivfundus aus der Rubenswerkstatt basieren. Brillanter Abzug mit der Adresse von Wijngaerde. Panneels hatte während seiner lang jährigen Tätigkeit in der Rubenswerkstatt reichlich Gelegenheit sich durch Zeichnungen, die er nach den in der Werkstatt sorgsam verwahrten Skizzen und Entwürfen des Meisters angefertigt hatte, gleichsam eine eigene kleine Vorlagensammlung zuzulegen. In diesem, heute als sogenannter Rubens‘ Cantoor bekannten Zeichnungskonvolut, das Panneels mit sich führte, als er 1630 die Werkstatt seines Meisters verließ und das sich heute im Staatensmuseum Kopenhagen befindet, hat sich eine Zeichnung erhalten, die Panneels zu Rate gezogen haben mag, als er die hier vorliegende Komposition >Jupiter und Juno< 1631 in Frankfurt radierte. Panneels entlehnte die Figur des Jupiter ganz offensichtlich aus der Zeichnung mit der Darstellung eines Cupido, der Jupiter um die Einwilligung zur Hochzeit mit Psyche bittet (de la Fuente Pedersen 127) – die Kopie einer Studie, die Rubens für das heute im Princeton Art Museum verwahrte Gemälde geschaffen haben dürfte. Für die Figur der Juno, die sich statt des Cupidos an die Seite ihres Mannes schmiegt, konnte bislang kein konkretes Vorbild ausgemacht werden.
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GIOVANNI BATTISTA PIR ANESI
65 Camera sepolcrale.
1720 Mogliano bei Mestre – Rom 1778
Um 1742 – 1749
Radierung und Kaltnadel. 40,2 x 28,0 cm Focillon 18; Hind pag. 75 und 78 ff; Robison 20/IV (von V) Blatt 20 der Folge >Prima Parte di Architectura e Prospettiva …< Ausgezeichneter Abzug der zweiten Ausgabe. Mit den verschiedenen Überarbeitungen z. B. bei den beiden Männern links im Vordergrund, jedoch noch vor den späteren Nummern. Mit kaum wahrnehmbaren Trockenfalten. Leichte Gebrauchsspuren im bis zu 6,5 cm breiten Papierrand, sonst tadellos. >Prima parte …< ist Piranesis frühestes selbstständiges Werk, in dem er in Bild und Text sein Programm und seine künstlerischen Absichten in einer Art Manifest vorstellt. (C. Höper). Die ersten zwölf Blätter erschienen 1743. Die Folge wurde jedoch ständig überarbeitet und vermehrt: In zwölf Tafeln variiert er das Thema Raum in architektonischen, an der Antike geschulten Visionen und erläutert seine imaginäre Raumauffassung anhand verschiedener »Fallbeispiele« wie Tempel, Brücke, Grabmal, Ruine, Platz, Hof und Kerker. Der ständige, Piranesis Schaffen stets begleitende Gedanke des Experiments sowie die Suche nach dem Ausbruch aus der Konvention, nach neuen Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten, sowohl der Architekturdarstellung als auch im Medium der Radierung selbst, haben hier ihren Ausgangspunkt. Die Phantasie ist das Mittel zum Zweck. Bezüge zu konkreten antiken Architekturen sind zwar vorhanden, doch wird fast alles übersteigert und phantasievoll kombiniert. Die Großartigkeit (magnifi zenza)des antiken Rom wird nicht rekonstruiert, sondern Piranesi denkt im Geiste dieser Größe weiter …
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GIOVANNI BATTISTA PIR ANESI
1720 Venedig – Rom 1778
66 Tempio di Pola in Istria. Um 1748 Radierung. 12,4 x 25,7 cm Focillon 63; Hind pag. 76, Nr. 21; Salamon 23/I (von II); Wilton-Ely 125 Wasserzeichen: Taubenhaus (ähnlich Robison 83)
Blatt 21 der Folge >ALCUNE VEDUTE DI ARCHI TRIONPHALI< Ausgezeichneter, prachtvoll tiefschwarz gedruckter Abzug. Vor der späteren Nummer ‚375d‘ rechts oben bei der Ausgabe von 1835/39 durch Firmin-Didot. Eine jener exquisite plates, based on sketches made during Piranesi’s travels in Italy, c. 1743 – 47 … may be considered among the artist’s graphic masterpieces ( J. Wilton-Ely). Erstmals 1748 unter dem Titel >ANTICITA ROMANE DE’ TEMPI DELLA REPUBLICA , E DE’ PRIMI IMPERATORI< publiziert, erhielt sie nach dem Erscheinen der >ANTICITA ROMANE OPERA IMPERATORI DI GIANBATTISTA PIRANESI …< 1756 den bis heute geläufigen Titel >ALCUNE VEDUTE …<. Mit schönen, 6 – 9 cm breiten Papierrändern um die in markantem Relief ganz unverpresst bewahrte Plattenkante. Taufrisch Gegenüber den Darstellungen der >PRIMA PARTE< von 1743 zeigen sich deutliche Veränderungen in Piranesis Radierstil: Sein Strichbild ist nach dem Venedigaufenthalt unter dem Einfluß Giovanni Battista Tiepolos leichter, freier und vielfältiger geworden. Die Wiedergabe von üppig wuchernder Natur ist nun unwiederbringlich mit der Darstellung von Ruinen verbunden, ihr Verfall wird malerisch interpretiert. Noch ist es Piranesis Ziel, „Bilder“ wiederzugeben, die archäologische Dokumentation, wie später in den ANTICITA ROMANE [OPERA DI GIANBATTISTA PIRANESI] steht im Hintergrund. Auch ist nicht das isolierte Bauwerk Thema, sondern dessen Eingliederung in die Umgebung. Piranesis Blick geht in diesen Ansichten stets von einem niedrigen Augenpunkt aus, so daß die Ruinen hoch aufragen und damit Monumentalität verdeutlichen … Offenbar hat Piranesi ab 1748 gleichzeitig oder auch nach Abschluß dieser Folge, direkt damit begonnen, seine künstlerischen Vorstellungen von der Vedute ins Großformat zu übertragen und so den Grundstock zu einer Aufgabe gelegt, die ihn sein Leben lang in den VEDUTE DI ROMA begleitete. (C. Höper)
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JOHANN ANTON R AMBOUX
1790 Trier – Köln 1866
67 Ansicht des Moselthales oberhalb Trier. Im Vordergrunde die Reste des römischen Amphitheaters. 1824 Lithographie. 33,9 x 44,1 cm (Darstellung); 56,5 x 74,4 cm (Papierbogen) Aus Nagler 2; D. Ahrens, Ausst. Kat. >Johann Anton Ramboux, Ansichten von Trier<, Trier 1991, Nr. 4, Abb. 58
Blatt 3 der Folge >Malerische Ansichten der merkwürdigsten Alterthümer und vorzüglicher Naturanlagen im Moselthale bey Trier …<, Heft 1 Eines der beiden landschaftlichen Hauptblätter der Folge. Prachtvoller Abdruck, der in vollendeter Weise das ganze Variationsspektrum der Grau- und Schwarzwerte der Lithographie-Technik zeigt. Mit dem ‚Porta-Nigra-Blindstempel‘. Auf nahezu vollrandigem, nur rechts und links minimal beschnittenem Papierbogen (oben und unten noch mit den originalen, leicht unregelmäßigen Papierrändern), der in den Maßen immer noch das Exemplar im Städtischen Museum Simeonsstift in Trier (55 x 74 cm) übertrifft. Das völlig unverbrauchte, warm tonige Papier unterstreicht auf das Glücklichste die sonnige Atmosphäre der romantischen Landschaftsvedute. Strahlend. Das vom Künstler eigenhändig bei J. Selb in München auf die Lithographiesteine gezeichnete Ansichtenwerk mit Darstellungen der bedeutendsten römischen Ruinena nlagen Nordeuropas erschien zwischen 1824 und 1827 in vier Heften zu je 4 Blättern. Ursprünglich auf 8 Hefte konzipiert, die auch die mittelalterlichen Denkmäler Triers eingeschlossen hätten, wurde das Unternehmen jedoch aufgrund der geringen Zahl der Subskribenten mit der Auslieferung des 4. Heftes eingestellt. Das Werk zählt heute zu den größten Raritäten der deutschen Romantik, das komplett im Handel überhaupt nicht nachweisbar, und auch in öffentlichen Sammlungen so gut wie nie vollzählig mit allen 16 Tafeln anzutreffen ist (z. B. im British Museum befinden sich nur 4 Blätter, vgl. Ausst. Kat. >German Print making in the Age of Goethe<, London 1994, Nr. 131).
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REMBR ANDT HARMENSZOON VAN RIJN
1606 Leiden – Amsterdam 1669
68 Christus zu Grabe getragen. Um 1645 Radierung und Kaltnadel. 13,1 x 10,7 cm Bartsch, Rovinski, Seidlitz und White-Boon 84; Hind 215; Biörklund-Barnard 45-3; New Hollstein 223 Wasserzeichen: Wappen von Bristol (Hinterding Variante A.a) Provenienz: E. F. Oppermann (Lugt 887) Amsler und Ruthardt, Berlin, Auktion XXIV, 1882, Nr. 1678
Vortreff licher Abzug mit noch schönem Grat in den Kaltnadelarbeiten insbesondere im Vordergrund links und an den Enden der Bare. A perfect work. The whole tragedy of Christ’s burial told at once in the plainest and most convincing terms. The passionate grief and reverence of the poor cortège, left alone in a mocking world, are accentuated by the hopeless rigidity of the dead body … it is not a majestic scene from a great religious drama, as with the Italian masters, but a convincing statement of the event as it must have happened. (C. J. Holmes)
68
69
REMBR ANDT HARMENSZOON VAN RIJN
1606 Leiden – Amsterdam 1669
69 Maria in den Wolken. 1641 Radierung und Kaltnadel. 16,8 x 10,6 cm Bartsch, Rovinski, Seidlitz und White-Boon 61; Hind 186; Biörklund-Barnard 41-H; New Hollstein 188/I (von II) Wasserzeichen: Bekröntes Straßburger Lilienwappen (Hinterding Variante E‘.a) Provenienz: F. Rumpf (Lugt 2161) H. G. Gutekunst, Stuttgart, Auktion 72, 1912, Nr. 931 Deutsche Privatsammlung
Brillanter früher Abdruck, wie schon im Auktionskatalog der Sammlung Rumpf bei H. G. Gutekunst beschrieben. Selten kontrastreiches Exemplar, bei dem der prononciert eingesetzte Plattenton den delikaten Flächenton einer feinen Schwefelstaubätzung, mit der Rembrandt nahezu die gesamte Platte überzogen zu haben scheint, auf das glücklichste unterstützt. Allein im Nimbus, unmittelbar um das Haupt der Madonna mit seinersublimen Tonmodulierung, wie sie nur in so schönen Abzügen, wie dem hier vorliegenden Exemplar, zu bewundern ist, leuchtet das unverbraucht bewahrt gebliebene Papier ganz rein, sozusagen ungetrübt auf und fokussiert den Blick des Betrachters effektvoll auf das gleichsam geistige Zentrum der Komposition – die Gottesmutter. Im überwiegend protestantischen Holland ist das Sujet der Madonna in den Wolkenein höchst ungewöhnliches Andachtsbild. Rembrandt nimmt hier unmittelbar Bezug auf F. Baroccis berühmte Radierung (B. 2), die er besonders geschätzt haben muß und möglicherweise in seiner Sammlung besaß. Mit feinem Papierrändchen um die tonig abgesetzte Plattenkante, bzw. oben links auf derselben geschnitten. In makelloser Frische.
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REMBR ANDT HARMENSZOON VAN RIJN
1606 Leiden – Amsterdam 1669
70 Der Schreibmeister Coppenol. Die große Platte. 1658 Radierung, Kaltnadel und Kupferstich. 34,0 x 29,0 cm Bartsch, Rovinski und White-Boon 283/IV (von VI); Seidlitz 283/IV (von VII); Hind 300/ IV (von VI); Biörklund-Barnard 58-F/IV (von VI); New Hollstein 306/V (von IX) Wasserzeichen: IHS (Hinterding, Variante C.a.2)
Samtiger Abzug des seltenen IV. Zustandes, vor der Erweiterung der diagonalen Strichlage entlang der Vorhangfalte in der oberen rechten Ecke. Coppenol (1598 – nach 1667) war Leiter der ‚Franse school‘ (französische Schule) auf dem Singel in Amsterdam. In der Zeit nach 1650 widmete er sich mit Leidenschaft der Kalligraphie. Er pf legte Dichtern Proben seiner Schönschreibekunst zuzuschicken und sie um ein Lobgedicht zu bitten. Wenn er sie als gut genug empfand, schrieb Coppenol die Verse in den freien Unterrand seines Portraits und verschickte es gleichsam als Reklame für seine Kunst, wie einige noch heute erhalten gebliebene Abzüge beweisen.
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JOHANN HEINRICH ROOS
1631 Otterberg – Frankfurt am Main 1685
71 Ruhender Hirtenknabe mit Herde an einem antiken Postament. 1660/64 Radierung. 32,9 x 25,1 cm Bartsch 38 und Nagler 38; Wurzbach 38/II; Hollstein 37/II; Jedding 1/II Wasserzeichen: Schlange Provenienz: Reverend John Griffith [ohne Stempel] (vgl. Lugt 1464) Sotheby’s, London, Auktion am 21. März 1972, Nr. 108 Deutsche Privatsammlung
Eine »Hirtenidylle« voller Beschaulichkeit und Harmonie (H. Jedding) Die erste Radierung des Künstlers in einem prachtvollen Abzug von schönster atmosphärischer Wirkung dank des zarten Plattentons und der noch gut sicht baren vertikalen Schleifspuren vornehmlich im Himmel. Mit der überarbeiteten Himmelspartie und mit der abgeänderten Jahreszahl 1664. Mit bis zu 2,8 cm breiten Papierrändern um die rauh zeichnende Plattenkante. Bis auf ein unauffälliges Braunf leckchen, verborgen im Fell des stehenden Schafeslinks, in ganz ausgezeichneter, unberührter Erhaltung. Roos, der als einer der bedeutendsten deutschen Tier- und Landschaftsmaler in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gilt, hat für seinen ersten, 1660 unternommenen Radierversuch ein – verglichen mit seinen späteren, zumeist als Folgenpublizierten Radierungen – ungewöhnlich großes Format gewählt, als wolle er sich sogleich mit den Blättern eines seiner großen niederländischen Vorbilder, N. Berchem, messen. Mit diesem ungemein stimmungsvollen Einzelblatt ist ihm in der Tat sogleich sein druckgraphisches Meisterwerk gelungen: Malerisch flutet das Licht über die Tierkörper, gibt dem Gras und den Blattpflanzen dunkle Schatten und spendet dem Gesicht des Schäfers eine wohlige Ruhe unter der breiten Krempe des großen Hutes. Hervorragend sind die Tiere in ihren gegensätzlichen Stellungen gestaltet; vor allem ihr Fell ist trefflich charakterisiert. Nur an den Schattenstellen werden einige Haarbüschel zottig hervorgehoben, ist die Oberfläche kräftiger durchgearbeitet. Wo das helle Sonnenlicht auf die Tiere trifft, greift die Radiernadel nur ganz behutsam ein und begnügt sich mit wenigen Andeutungen. Plastizität und Duftigkeit der Atmosphäre werden in schönster Weise im Bild wirksam. (H. Jedding)
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AEGIDIUS SADELER
Um 1570 Antwerpen – Prag 1629
72 Herkules und Omphale. Um 1600 Nach B. Spranger
Kupferstich. 43,9 x 31,8 cm Hollstein 106; T.I.B. 105 commentary 105 Wasserzeichen: Wappen mit Augsburger Pinienzapfen (ähnlich Briquet 2118, datiert Augsburg 1566 – 1600) Provenienz: M ax Machanék (Lugt 1775) Amsler & Ruthardt, Berlin, Auktion am 23. November u. f. Tage 1891, Nr. 1503
Brillantes Exemplar. Ohne jede Schwäche in homogenem Tiefschwarz gedruckt, so daß sowohl die mitunter an- und abschwellenden Liniensysteme, die an Goltzius‘ sogenannten ‚Sprangerstil‘ gemahnen, ebenso perfekt in ihrer körperbildenden Funktion zur Geltung kommen wie die dicht gefügten Kreuzlagen des Hintergrundes, mit denen Sadeler die effektvoll beleuchteten Figuren kontrastiert, um das für Sprangers Kompositionen der 1590er Jahre so charakteristische Chiaroscuro einzufangen. Mit feinem Rändchen um die Plattenkante. Drei Eckspitzen abgeschrägt. Ein kleines Braunf leckchen auf der Hüfte des Herkules, sonst in sehr schöner, frischer Erhaltung. Ägidius gilt als fruchtbarster und talentiertester Stecher der Sadeler-Familie nach Entwürfen von B. Spranger. Seit er 1597 zum kaiserlichen Hofstecher avanciertwar, dürften ihm die Bildschöpfungen Sprangers aus erster Hand bekannt gewesen sein. Die heute nicht mehr greif bare Vorlage des vorliegenden Kupferstichs reiht sich ein in eine Folge von Arbeiten in denen sich der Künstler immer wieder mit dem der Antikensage entnommenen Thema des von der der lydischen Königin Omphale als Sklave gekauften Herkules beschäftigt hat – ein ausgeprägt erotisch aufgeladenes Sujet der Weibermacht: Während sich der antike Held aus Liebe zu seiner Herrin erniedrigen, zum Spinnen verdammen lässt und ihr Kleid trägt, hat sie sich seiner Insignien bemächtigt. Die Rechte auf die Keule gestützt, trägt sie sein Löwenfell keck wie ein modisches Accessoire auf dem Kopf, den sie mit triumphierendem Blick dem Betrachter zuwendet. Noch scheint sie nicht zu merken,daß Herkules, bei aller Verzagtheit, beginnt, offenbar wieder Tritt zu fassen. In einem Anf lug seines ehemaligen Mutes setzt er bereits wieder seinen Fuß auf die Keule, die doch eigentlich die seine war. Frei von solcher Ironie, besingen die Verse des Unterrandes die Macht der Liebe: Den weder Krieg noch Not schreckt noch des Himmels leuchtende Gestirne bedrohen noch der Unterwelt dichter Schatten verjagt, der alles besiegt hat, der unterliegt als Besiegter der Liebe, der tauscht die Haut des Löwen, tauscht mit der Dirne das Gewand, gegen die Spindeldie Keule, Weiberzeug insgesamt, und ist nicht mehr er selbst, der Alkide. Soviel vermag ein Weib, das einer lieb hat.
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CORNELIS SAFTLEVEN
1607 Gorinchem – Rotterdam 1681
73 Bauern. Vor 1645 Folge von 12 Blättern, Radierung. 9,4 – 9,9 x 6,1– 6,7 cm Wurzbach 1– 12; Hollstein 6/III (von IV) – 17
Die komplette Folge in einem homogenen Set prachtvoller Abzüge der Ausgabe von Frederick de Wit. Vor der späteren Adresse von M. Pool auf der Banderole und der Verkleinerung der Platte des Titelblattes am unteren Rand, sowie der neuen Nummer I unten rechts. Mit jeweils 1 cm Papierändern um die Plattenkanten. In makellos frischer Erhaltung. C. Saftleven hat sich in der vorliegenden, zuerst durch J. P. Berendrecht in Haarlempublizierten Folge von bäuerlichen Figurenstudien ganz offenbar intensiv mit Callot auseinandergesetzt, insbesondere mit dessen Bettlerfolge. Wie Callotkonzentriert sich Saftleven jeweils ganz auf eine Figur, die er vor einem, bis auf wenige Boden-Schraffuren, völlig unbehandelten Hintergrund platziert. Auch im Lineament aus einfachen Konturen und überwiegend parallel ge führten Strichlagen aus mitunter leicht anschwellenden radierten ‚Taillen‘ ist das Vorbild Callot unmittelbar spürbar, wie auch in einer zweiten, ebenso dem Vorbild Callot verpf lichteten Folge der >Fünf Sinne> (Hollstein 1 – 5), die ebenso bei J. P. Berendrecht verlegt wurde. Solche radierten Folgen boten, abgesehen von dem Vergnügen sie zu betrachten, weniger inspirierten Künstlern einen reichen Fundus an Figuren, die in bäuer lichen Genreszenen vielfach verwendbar waren. Ähnliche Serien wurden von S. Saverij, G. van Scheyndel, J. J. van Vliet und Cornelis‘ Bruder Herman Saftleven ausgeführt.
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JACOB SAVERIJ I
Um 1565/67 Courtrai – Amsterdam 1603
74 Folge von sechs Landschaften. Um 1595/1600
Packträger mit Knabe und Hund Das Schloß Der trunkene Bauer Der Hund bellt Schafe an Schafherde unter dem Baum Zwei Soldaten
Folge von 6 Blättern. Radierung. Je ca. 9,2 – 9,4 x 12,1– 12,5 cm Burchard 1 – 6/II (von III); Hollstein 8/II (von V), 9/II (von IV), 10 – 13/II (von III) Provenienz: K . von Liphart (Lugt 1652) P. Davidsohn (Lugt 654) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion CXXXII, 1921, Nr. 550 F. Bernstein (Lugt 982b)
Die komplett eminent seltene Folge von sechs Landschaften in einem homogenen Set exquisiter Frühdrucke, vor der späteren Überarbeitung und der Adresse von H. Hondius. Durchgängig im II. Zustand, dem frühesten erreichbaren, nachdem die jeweils ersten Zustände, vor der Nummerierung und vor der Verlegeradresse von N. de Clerc auf dem ersten Blatt, nur in einem einzigen Set in Rotterdam nachgewiesen sind. Sämtlich von superber Druckqualität: Brillant tiefschwarz und mit delikatem Plattenton, so daß die allein aus kurzen Strichlagen, Häkchen und Pünktchen, ohne fest definierte Konturen skizzierten kleinen Landschaften, ihre ungemein weiche malerische Wirkung voll entfalten. Mit einheitlich ca. 5 mm Papierrändern. Blatt 2 mit einem kleinen Braunf leck, außerhalb der Darstellung. Sonst tadellos und völlig unberührt. In dieser Vollständigkeit und so perfekt erhalten ein Rarissimum auf dem Graphik m arkt. Jacob Saverij gilt als wichtiges Bindeglied, als Vermittler der blühenden Landschaftstradition der südlichen Niederlande, insbesondere der Kunst P. Bruegels, nach dem Holland des 17. Jahrhunderts. Geboren in Courtrai, war er Schüler von H. Bol und arbeitete wie dieser in der Tradition Bruegels als Maler, Miniaturist und Zeichner. Neben der hier vorliegenden Folge von sechs radierten Blättern kennen wir nur noch zwei weitere eigenhändige Radierungen des Künstlers, der sich 1591 in Amsterdam niederließ. Sie entfalteten insbesondere durch die späteren, überarbeiteten Neuauf lagen durch H. Hondius Einf luß auf holländische Landschaftsradierer der folgenden Generation. Savery’s Bruegel-like use of broken strokes and stipples to suggest painterly dissolution of forms in atmosphere was to be significant for Dutch etchers of the second decade of the seventeenth century such as Claes Jansz. Visscher and Willem Buytewech. (C. S. Ackley)
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HANS SCHÄUFELEIN
Um 1480/85 Nürnberg – Nördlingen um 1539/40
75 Der Tod der Maria. Um 1512 Holzschnitt. 8,6 x 5,8 cm Bartsch VII, 249,15; Dodgson II, pag. 28, Nr. 72; Oldenbourg 289; Schreyl 502; Hollstein 993 Provenienz: Gutekunst & Klipstein, Bern, Lageliste XXXII, 1934, Nr. 225 A. B. Blum (Lugt 79 b) Süddeutsche Privatsammlung
Prachtvoller, ganz gleichmäßig und klar gedruckter Abzug der miniarturhaften Komposition aus den frühen Augsburger Jahren Schäufeleins, den P. Strieder im Hinblick auf Kompositionen wie die vorliegende, als einen der begabtesten Illustratoren seiner Zeit und phantasievollsten Erzähler nannte. Wie immer, ohne rückseitigen Text und entsprechend im Lagerkatalog von Gutekunst und Klipstein als Probedruck beschrieben. Mit der voll sichtbaren Einfassung. Tadellos.
75
>Der Tod Mariens< gehört zu einer Gruppe von gesamthaft 18 Holzschnitten, die vermutlich zusammen mit den Illustrationen zum 1512 von Hans Schönsperger in Augsburg publizierten Evangelienbuch entstanden. Eine Buchverwendung ist bis anhin jedoch nicht bekannt geworden.
HANS SPRINGINKLEE
1490/95 Nürnberg – (?) nach 1527
76 Der Heilige Georg zu Pferd tötet den Drachen. Um 1510 – 20 Holzschnitt. 7,2 cm im Durchmesser Heller 2015; Passavant (attribué fausament à Dürer) 250; Dodgson, Vol. I, p. 356, Nr. 19; Röttinger 310; Geisberg-Strauss 1313; T.I.B. 13 commentary, p. 551, Nr. Nr. 310; Hollstein (Erhard Schön, rejected attributions) 182; Hollstein (Hans Springinklee, tentative attributions) 310 Provenienz: Kunsthandlung Helmut H. Rumbler, Katalog 6, 1975, Nr. 68 Süddeutsche Privatsammlung
Ganz ausgezeichneter, klar und scharf zeichnender Abzug des von Dodgson als interesting work of the school of Dürer bezeichneten Holzschnitt-Medaillons. Rings mit der voll sichtbaren doppelten Einfassungslinie. Bis auf winzige dünne Stellen, rückseitig, tadellos. Von größter Seltenheit. D. Beaujean konnte neben dem seit Passavant immer wieder einzig zitierten Exemplar in Coburg nur einen weiteren Abzug in Amsterdam nachweisen. Der miniaturhaft kleine, äußerst fein geschnittene Holzschnitt wurde seit jeher mit Dürer und seiner Schule in Verbindung gebracht. Als Entwerfer vermutete Dodgson Künstler wie Erhard Schön oder mit stärkerem Nachdruck H. Springinklee, der in den 1510er Jahren auf das Engste mit Dürer zusammenarbeitete und in dessen Haus wohnte. Geisbergs und Röttingers Zuschreibung an E. Schön hat sich nicht durchsetzen können. Beaujean führt das eindrucksvolle Blatt unter den Springinklee vorläufig zugeschriebenen Arbeiten.
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NICOLAS HENRI TARDIEU
1674 Paris 1749
77 L’Embarquement pour Cythère. 1733 Nach A. Watteau
Radierung. 53,2 x 74,5 cm Portalis-Béraldi III, pag. 582, Nr. 1; De Goncourt 128; Darcier & Vuof lart 110/I (von IV) Provenienz: Dr. Otto Schäfer, Schweinfurt Galerie Kornfeld, Auktion 207, 1992, Nr. 276 Hessische Privatsammlung
Perhaps the greatest masterpiece of the Watteau engravings ( J. McKean-Fisher) Höchst seltener, allererster, ganz reiner Ätzdruck. Vor der weiteren Bearbeitung der Platte mit dem Grabstichel. An drei Seiten auf der Plattenkante geschnitten, unten mit 2,2 cm Plattenrand um die Einfassung. Die senkrechte Mittelfalte sorgsam geglättet. Einige wenige Randläsuren sind in Anbetracht der Größe und außerordentlichen Seltenheit des Blattes ohne Belang, denn frühe Probedrucke waren seit jeher bei den Lieb habern und Connaisseurs der Watteau-Graphik die am höchsten begehrten Sammelobjekte. R. Portalis und H. Béraldi berichten, daß die Brüder Goncourt etwa L’eau-forte pure de l‘Embarquement pour Cytère besäßen und kommentierten: c’est une pièce fort enviable. Selbst in der wichtigen Ausstellung >Watteau et l’art de l’estampe<, die 2020 im Louvre stattfand, wurde nur ein Exemplar des endgültigen Zustandes, wie im Receuil Jullienne publiziert, gezeigt. Tardieus Stich, der als sein Meisterwerk gilt, wurde im April 1733 im >Mercure de France annonciert mit dem Hinweis, daß das Gemälde est dans le Cabinet de M. de Jullienne … un des plus beaux Tableaux de feu Watteau … Das Bild, das Friedrich dem Große 1763 für seine Sammlung erwarb und das sich heute im Schloß Charlotten burg, Berlin befindet, ist die zweite, um 1718/19 entstandene Fassung von Watteausberühmtem Aufnahmestück für die Pariser Akademie, das der Künstler nach wiederholter Aufforderung endlich 1717 eingereicht hatte und das sich heute im Louvre, Paris befindet. Die Brüder Goncourt nannten es das chef-d’œuvre des chefs-d’œuvre français … la merveille des merveilles du Maître. Watteaus Kythera-Bilder sind ein später Reflex der uralten Liebesfeste zu Ehren der Göttin Venus, die aus der Antike überliefert sind. Diese Liebesfeste sind als Modelle oder doch Momente eines glücklichen gesellschaftlichen Einverständnisses verstanden worden, das eine ungetrübte Liebeserfüllung ermöglicht. So reklamieren die Bilder der Liebesfeste das ungestörte, zwang freie Glück des Goldenen Zeitalters oder Arkadiens, wenn oft auch in der zeitlichen Begrenzung auf den Festvollzug, in dem die gesellschaftlichen Normen, die den realen Alltag regulieren, aufgehoben werden. Das Liebesfest ist somit wie Arkadien oder das Goldene Zeitalter ein gesellschaftliches Gegenmodell, eine utopische Projektion, die sich jedoch auf konkrete historische Realität bezieht. ( J. Held)
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NICOLAS HENRI TARDIEU
1674 Paris 1749
77 L’Embarquement pour Cythère. 1733 Nach A. Watteau
Radierung. 53,2 x 74,5 cm Portalis-Béraldi III, pag. 582, Nr. 1; De Goncourt 128; Darcier & Vuof lart 110/I (von IV) Provenienz: Dr. Otto Schäfer, Schweinfurt Galerie Kornfeld, Auktion 207, 1992, Nr. 276 Hessische Privatsammlung
Perhaps the greatest masterpiece of the Watteau engravings ( J. McKean-Fisher) Höchst seltener, allererster, ganz reiner Ätzdruck. Vor der weiteren Bearbeitung der Platte mit dem Grabstichel. An drei Seiten auf der Plattenkante geschnitten, unten mit 2,2 cm Plattenrand um die Einfassung. Die senkrechte Mittelfalte sorgsam geglättet. Einige wenige Randläsuren sind in Anbetracht der Größe und außerordentlichen Seltenheit des Blattes ohne Belang, denn frühe Probedrucke waren seit jeher bei den Lieb habern und Connaisseurs der Watteau-Graphik die am höchsten begehrten Sammelobjekte. R. Portalis und H. Béraldi berichten, daß die Brüder Goncourt etwa L’eau-forte pure de l‘Embarquement pour Cytère besäßen und kommentierten: c’est une pièce fort enviable. Selbst in der wichtigen Ausstellung >Watteau et l’art de l’estampe<, die 2020 im Louvre stattfand, wurde nur ein Exemplar des endgültigen Zustandes, wie im Receuil Jullienne publiziert, gezeigt. Tardieus Stich, der als sein Meisterwerk gilt, wurde im April 1733 im >Mercure de France annonciert mit dem Hinweis, daß das Gemälde est dans le Cabinet de M. de Jullienne … un des plus beaux Tableaux de feu Watteau … Das Bild, das Friedrich dem Große 1763 für seine Sammlung erwarb und das sich heute im Schloß Charlotten burg, Berlin befindet, ist die zweite, um 1718/19 entstandene Fassung von Watteausberühmtem Aufnahmestück für die Pariser Akademie, das der Künstler nach wiederholter Aufforderung endlich 1717 eingereicht hatte und das sich heute im Louvre, Paris befindet. Die Brüder Goncourt nannten es das chef-d’œuvre des chefs-d’œuvre français … la merveille des merveilles du Maître. Watteaus Kythera-Bilder sind ein später Reflex der uralten Liebesfeste zu Ehren der Göttin Venus, die aus der Antike überliefert sind. Diese Liebesfeste sind als Modelle oder doch Momente eines glücklichen gesellschaftlichen Einverständnisses verstanden worden, das eine ungetrübte Liebeserfüllung ermöglicht. So reklamieren die Bilder der Liebesfeste das ungestörte, zwang freie Glück des Goldenen Zeitalters oder Arkadiens, wenn oft auch in der zeitlichen Begrenzung auf den Festvollzug, in dem die gesellschaftlichen Normen, die den realen Alltag regulieren, aufgehoben werden. Das Liebesfest ist somit wie Arkadien oder das Goldene Zeitalter ein gesellschaftliches Gegenmodell, eine utopische Projektion, die sich jedoch auf konkrete historische Realität bezieht. ( J. Held)
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HENRI SIMON THOMASSIN
1688 Paris 1741
78 Sous un habit de Mezetin. Um 1720 Nach A. Watteau
Radierung und Kupferstich. 30,8 x 21,1 cm Portalis-Béraldi III, pag. 592; de Goncourt 178; Darcier & Vuaf lart 131/II-III Wasserzeichen: Taubenhaus [oberer Teil]
Seltener Frühdruck einer der zehn im Auftrag von P. Sirois vermutlich noch zu Lebzeiten Watteaus entstandenen ersten Kupferstiche nach Werken des Meisters. Noch mit der ersten Publikationsadresse A Paris chez Sirois sur le Quay Neuf aux Armes de France, die in der Auf listung der Durckzustände bei Darcier & Vouf lart versehentlich fehlt. Vor der späteren Adresse von F. Chereau, der die Platte aus dem Nachlaß Sirois‘ 1726 für die Publikation des Receuil Jullienne erwarb. Mit bis zu 2 cm Papierrand um die Plattenkante. In ganz ausgezeichnetem Zustand. Tomassins Kupferstich basiert auf einem um 1718/19 entstandenen Gemälde Watteaus (Wallace Collection London), das, wie Mariette überliefert, seinen lang jährigen Freund, den Glashändler P. Sirois im Kreise von fünf seiner Kinder zeigt. Es ist unbekannt, ob Sirois besondere musikalische Fähigkeiten besaß und deshalb von Watteau im Kostüm eines die Gitarre spielenden Mezetins dargestellt wurde. N. Parmantier hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Caylus berichtet, Watteau habe eine kleine Sammlung von Theaterkostümen besessen, die er seine Freunde gerne anzuziehen bat, wenn er sie malen wollte.
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GIOVANNI DOMENICO TIEPOLO
1727 Venedig 1804
79 Die Ankunft am Ufer – Die Heilige Familie verläßt den Kahn. Um 1750 – 53 Radierung. 18,9 x 24,7 cm De Vesme 18; Rizzi 84/I (von II); Succi 59/I (von II) Wasserzeichen: Hl. Drei Könige
Blatt 18 der Folge >Idée Pittoresche sopra La Fugga in Egitto …< Prachtvoller Frühdruck. Extrem seltener erster Zustand, vor der Nummer 18 rechts unten. Mit feinem Rändchen um die voll sichtbare Plattenkante. Perfekt. Die letzte der insgesamt 5 Kompositionen, in denen Giandomenico die Überfahrt der Heiligen Familie über ein Gewässer schildert: Die Fahrt ist beendet; die Heilige Familie betritt festes Land. Der Lichtkontrast, mit dem die pechschwarzen Schraffuren des Schiffbugs die Madonna mit ihrem weißen Mantel vorwärts stoßen, löst die Diagonalbewegung aus, die das Beiwerk weiterführt. Das Brett, das der Maria das Aussteigen erleichtern soll, der Esel, der Engel oder der kahle Baumstamm hinter der Palme – alles zeichnet den Flüchtlingen die Wegrichtung vor. (H. Keller)
192
79
WALLER ANT VAILLANT
1623 Lille – Amsterdam 1677
80 Der Standartenträger. Um 1658 Nach P. della Vecchia Schabkunst. 18,5 x 13,2 cm Wessely 53/I (von II); Hollstein 106/I (von II) Provenienz: T. Graf. (Lugt 1092 a) Superber, sprichwörtlich samtig tiefschwarzer Frühdruck, von kaum zu überbietender Brillanz und Schönheit. Vor den verschiedenen Aufhellungen namentlich im rechten Vordergrund und vor dem Monogramm des Künstlers. Mit ungewöhnlich schönen, bis zu 2,4 cm breiten Papierrändern um die in markantemRelief eingeprägte Plattenkante. In ganz ausgezeichneter Erhaltung. Der Standartenträger, in dem Wessely noch ein Bildnis des Prinzen Ruprecht von der Pfalz als Fahnenjunker vermutete, entstand möglicherweise eher in einem direkten Wettstreit mit dem Prinzen als nach dessen berühmetem Schabkunstblatt von 1658 nach einem Gemälde Pietro della Vecchias, das sich heute in der Schönbornschen Sammlung in Pommersfelden befindet. Das ehemals Giorgione zugeschriebene Typenbild eines jungen Soldaten im Kettenhemd und Brust panzer stammt vermutlich aus der Sammlung des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn, wo es den Künstlern, zumindest aber Prinz Ruprecht, der sich seit 1655 in Mainz aufhielt, zugänglich gewesen sein dürfte. Vaillant war 1658 im Gefolge des Pfalzgrafen Karl Ludwig zur Krönung Kaiser Leopolds I. nach Frankfurt gekommen und hatte die Grundlagen der Schabkunsttechnik bald schon unmittelbar bei Prinz Ruprecht soweit erlernt und perfektioniert, daß Sandrart ihn lobend erwähnt als denjenigen, der die ‚Schwarze Kunst‘ so hoch gebracht, daß es in Warheit nicht höher kann gebracht werden und bemerkt, daß seine Werke bei Sammlern hoch geschätzt und teuer bezahlt würden. B. Schäfer und M. Altschäfer zufolge ist namentlich >Der Standarten träger< ein Musterbeispiel für seine technische Überlegenheit: Vaillants Plattenkörnung ist gleichmäßiger und dichter, von satter Dunkelheit, die Halbtöne sind weicher ausgearbeitet, zugleich ist durch das kontrastreiche Helldunkel der Beleuchtung die Form akzentuierter und schöner modelliert … Es scheint, als habe Vaillant seinen adeligen Lehrmeister auf technischem Gebiet sehr schnell überholt. A.-K. Sors hat jüngst darauf himgewiesen, daß die militärische Ausstattung von della Vecchias jungem Kriegsmann reichlich zusammengesucht erscheine und auf einen jungen Soldaten niederen Standes verweise. >Der Standartenträger< des Prinzen Ruprecht (und folglich auch der Vaillants) hingegeg habe gleichsam eine Nobilitierung erfahren, denn ohne das Kettenhemd, nur mit dem geschlitzten Wams über dem weißen Hemd bekleidet assoziere seine Tracht diejenige eines jungen Edelmannes, der sich mit Schwert und Spieß zur Saujagd gerüstet habe, einem zeittypischen Vergnügen junger Adeliger.
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ADRIAEN VAN DE VELDE
1636 Amsterdam 1672
81 Zwei Kühe unter einem Baum. Um 1670 Radierung. 13,0 x 15,8 cm Bartsch, Dutuit und Hollstein 13 Provenienz: W. Esdaile (Lugt 2617) Henry Brodhurst (Lugt 1296) Reverend G. E. Blake (Lugt 1138) Dr. Julius Hoffmann (Lugt 1264) C. G. Boerner, Leipzig, Auktion CXXXVIII, 1922, Nr. 1157 F. Lugt (ohne Stempel) H. T. ten Cate (Lugt 533b)
Superber Abzug einer der reifsten radierten Tierstücke des Künstlers. Rußig tiefschwarz, von geradezu gratiger Wirkung in den Schattenpartien und mit dem ganzen Reichtum tonaler Abstufungen bis hin zu den hauchfeinen Pünktchen, die, im Bereich des Himmels besonders schön ausgeprägt, die gewünschte lichte Atmosphäre der Komposition akzentuieren. Selten so schön, so daß die unbedeutende Beschädigung der rechten oberen Ecke kaum ins Gewicht fällt. Auch frühere, bedeutende Sammler hat sie nicht davon abgehalten, das Blatt in ihre Sammlung aufzunehmen, wie der eindrucksvolle ‚Sammlungsstammbaum‘ belegt. Houbraken zufolge hat Adriaen van de Velde regelmäßig ausgedehnte Ausf lüge aufs Land unternommen, um Tiere in der Landschaft zu zeichnen. Der so entstandene reiche Fundus an Tier und Landschaftsstudien diente ihm als Quell der Inspiration nicht nur für seine Gemälde sondern auch für seine radierten Tierstücke, die im Amsterdamer Atelier entstanden. >Zwei Kühe unter einem Baum< gehört zu den letzten, 1670 entstandenen sechs Radierungen des Künstlers, zwei Folgen zu je drei Blättern, sämtlich Meister stücke sowohl der Tierbeobachtung als auch der Erfassung von Licht und Atmo sphäre. Van de Velde’s etchings of this type recall the work of earlier Dutch animal artists, particularlyPaulus Potter. Potter made several fairly small etchings dominated by the large figure of a cow or bull in the foreground. In addition, van de Velde’s work resembles that of Potter and Karel Dujardin in its sympathetic characterization of individual animals and interest in detail and texture, here especially noticeable in the coats of the animals. Van de Velde’s late etchings differ from his earlier prints in their painterly qualities and in the attention to the effects of light, which form a direct contrast to the heavy contours visible in his early works. (S. Sell in: >Masterpieces of Renaissance and Baroque Printm aking<, Ausst. Kat. Bayly Art Museum of the University of Virginia, Charlottesville, 1992, pag. 177)
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SIMON DE VLIEGER
Um 1601 Rotterdam (?) – Weesp 1653
82 Der lichte Wald. Um 1640/50 Radierung. 9,4 x 14,2 cm Bartsch und Dutuit 3; Hollstein 3/II Provenienz: C. Josi [ohne Stempel] (vgl. Lugt 573) Christie, London, Auktion am 21. März 1829, aus Nr. 57 J. G. Verstolk van Soelen (vgl. Lugt 2490) W. Willems Libraire, Amsterdam, Auktion am 31. März 1851, Portefeuille Nr. 1, aus Nr. 8 H. Weber (Lugt 1383) R. Weigel, Leipzig, Auktion am 17. September 1855, Nr. 1200 Dr. A. Sträter (Lugt 787) H. G. Gutekunst, Stuttgart, Auktion 50, 1898, Nr. 996 P. Davidsohn (Lugt 654) T. Graf (Lugt 1092a)
Eine der gesamthaft nur sieben Landschaftsradierungen des Künstlers, die bereits Dutuit als très rares et très recherchées bezeichnete. Ausgezeichneter, feintoniger Abzug des II. Zustandes, mit der doppelten Einfassung. C. Schuckmann konnte den Bartsch und Dutuit noch unbekannt gebliebenen I. Etat nur in den beiden Exemplaren in London und Amsterdam nachweisen. Bartsch zufolge manifestiert sich in der hier vorliegenden Radierung Vliegers Nähe zu A. Waterloo besonders deutlich: C’est la même légèrté dans le feuillé, les mêmes coups de burin dans les troncs et branches.
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ANTONI WATERLOO
1609 Lille – Utrecht 1690
83 Landschaften. Um 1640 Ein Wanderer mit Hund in der Nähe eines Waldes Haus mit Strauchwerk am Flußufer Der Eingang zum Wald Zwei Männer am Tor Die bewaldete Insel Der sich neigende Baum
Folge von 6 Blätter. Radierung. 11,6 – 12,9 x 13,7 – 14,3 cm Hollstein 53/II (von III), 54/II (von IV), 55 – 56/II (von III), 57/II (von IV), 58/II (von III) Wasserzeichen: teilweise Schellenkappe Provenienz: Earl Spencer, Althorp (Lugt 5130 – 5132, ohne Stempel)
Die heute komplett nur selten vorkommende Folge in einem Set von brillanten, gratig-rauh zeichnenden Frühdrucken teilweise auf Schellenkappen-Papier, wie von P. Morse speziell erwähnt. Vor den verschiedenen späteren Überarbeitungen. Sämtlich mit fein nuanciert eingesetztem Plattenton und zarten Wischkritzeln, die den luminaristisch reizvollen Landschaftskompositionen individuelles Gepräge verleihen: mal wird die Tiefendimension durch eine Luftperspektive großartig unterstützt, mal wird die diffuse Qualität des in einem dichten Wald herrschenden Dämmerlichtes unterstrichen. Mit Rändchen um die Einfassungslinie. Allesamt makellos frisch und strahlend.
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ANTONI WATERLOO
1609 Lille – Utrecht 1690
84 Venus und Adonis. Um 1650 Radierung. 29,0 x 24,1 cm T.I.B. Bd. 2.1 Commentary 129 S2 (von S3); Hollstein 129/II (von IV) Wasserzeichen: Fünfzackige Schellenkappe mit Nebenmarke PR Provenienz: Deutsche Privatsammlung
Blatt 5 der Folge von sechs großen Landschaften im Hochformat mit Szenen aus den Metamorphosen des Ovid Superber Frühdruck. Mit der Künstleradresse links oben und den Überarbeitungen der Baumwipfel, sowie des Vordergrundes, wie von Morse und Schuckman für den II. Zustand beschrieben. Der Himmel jedoch noch ‚ungereinigt‘, d.h. mit den intensiven Schleifspuren, vor allem rechts, wie sie der einzige Probedruck des I. Zustandes in London zeigt. Mithin liegt hier möglicherweise sogar ein bis anhin unbeschriebener Zustand vor, wenn nicht das Fehlen der besagten Schleifspuren in nur wenig späteren Abzügen der ersten Auf lage als ein Zeichen erster Abnutzung der Platte zu deuten ist. Mit prononciertem Plattenton, der der Komposition zudem eine ungemein reiche atmosphärische Wirkung verleiht. Von kaum zu überbietender Schönheit.
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THOMAS W YCK
Um 1616 Beverwijk – Haarlem 1677
85 Die Frau mit den zwei Körben. Um 1640/50 Radierung. 10,9 x 11,9 cm Bartsch 14; Weigel, Dutuit und Hollstein 14/II Wasserzeichen: Bekrönter Doppeladler mit Baselstab
Die reizende Darstellung in einem rußig tiefschwarzen, zeitgenössischen Abzug, der den für Wyck typischen très bel effet de clair obscur (Bartsch) wunderbar zur Geltung bringt. Ohne jede Retusche in den leicht überätzten Schattenpartien, wie sie das Amsterdamer Exemplar zeigt.Der früheste erreichbare Zustand, nachdem der von Weigel erstmals beschriebene I. Etat, vor dem Künstlermonogramm, bis anhin in keinem Exemplar nachgewiesen werden konnte. Eine der für Wyck typischen, in südlichen Gefilden angesiedelten Genreszenen, ganz in der Tradition der naturalistisch geprägten Darstellungen des römischen Volkslebens P. van der Laers. Eine von Houbraken überlieferte Italienreise Wycks konnte bislang nicht eindeutig belegt werden. Es ist jedoch gut denkbar, daß Wyck unmittelbar in Haarlem noch in Kontakt mit van der Laer gekommen ist, der 1639 von Rom aus in seine Heimatstadt Haarlem zurückgekehrt war und dort 1642 starb, in dem Jahr, in dem Wyck Mitglied der Malergilde in Haarlem wurde.
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VERZEICHNIS DER KÜNSTLER H. Aldegrever 1 – 3 Anonym Deutsch 4 H. Baldung Gien 5, 6 H. S. Beham 7 – 9 W. van Bemmel 10 N. Berchem 11 E. Bléry 12 F. Bol 13 Sir M. Bone 14 R. Bresdin 15, 16 J. G. van Bronckhorst 17 F.-H. Buhot 18 J. Callot 19, 20 Sir D. Y. Cameron 21 A. Canal gen. Canaletto 22 G. B. Castiglione 23 – 25 A. Collaert 26 J. Constable -› 52 H. Daumier 27 E. Delacroix 28 G.-A. Demarteau 29 C. W. E. Dietrich -› 49 A. Dürer 30 – 34 A. Eisenhoit 35 A. Elsheimer -› 4 A, van Everdingen 36 C. Gellée gen. Le Lorrain 37 J. de Gheyn III 38 Conte C. M. Gini 39 H. Goltzius 40 H. Gotzius -› 60 F. de Goya 41, 42 G. F. Grimaldi 43 Sir F. S. Haden 44 W. de Heusch 45 W. Hollar 46, 47 J.-B. Huet -› 29 J. Lagoor 48
Katalogbearbeitung: Michael Weis
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F. Landerer 49 G. van der Leeuw 50 J. Lievens 51 D. Lucas 52 M. Marieschi 53 A. Matham -› 47 C. Matteus oder Matthieu 54 J. van der Meer de Jonghe 55 C. Meryon 56, 57 C. C. Moeyaert 58 Monogrammist CG 59 J. H. Muller 60 A. Ostade 61 – 63 W. Panneels 64 G. B. Piranesi 65, 66 C. van Poelenburch -› 17 J. A. Ramboux 67 Rembrandt 68 – 70 J. H. Roos 71 P. P. Rubens 64 A. Sadeler 72 C. Saftleven 73 J. Saverij I 74 H. Schäufelein 75 H. Springinklee 76 B. Spranger -› 35, 72 N. H. Tardieu 77 M. Tesi -› 39 H. S. Thomasin 78 G. D. Tiepolo 79 W. Vaillant 80 P. della Vecchia -› 80 A. van de Velde 81 S. de Vlieger 82 M. de Vos -› 26 A. Watteau -› 77, 78 A. Waterloo 83, 84 T. Wyck 85
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P. S. Rumbler
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H. H. RUMBLER