GESUNDHEITSVERSORGUNG IM AUSLAND SYRIEN
SYRIEN „LIEBER AN COVID STERBEN ALS AN HUNGER“ Zur Kriegs- und Fluchterfahrung sind für die Menschen in Nordost-Syrien neue Bedrohungen hinzugekommen: Covid-19 und eine schwere Wirtschaftskrise. Unsere medizinische Beraterin berichtet im Interview von den Herausforderungen auch für unsere Teams. Aus Sicherheitsgründen muss sie anonym bleiben. Wie haben sich im vergangenen Jahr die Umstände für die Menschen in der Region durch Covid-19 verändert? Die ersten Covid-19-Fälle sind hier Anfang März 2020 aufgetreten. Die Zahl der Infektionen nimmt seitdem stetig zu. Die Pandemie wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus, vor allem auf die öffentliche Gesundheitsversorgung: Durch den Krieg waren die meisten Kliniken bereits zerstört und es gab nicht genügend Einrichtungen, in denen die Menschen behandelt werden konnten. Schon vor der Pandemie arbeitete in den Kliniken außerdem zu wenig medizinisches Personal. Und dann erkrankten auch noch viele Kolleg*innen an Covid-19 und fehlten bei der Versorgung in den Gesundheitseinrichtungen.
16 / Ärzte der Welt
Seit Beginn der Pandemie gibt es zudem viel mehr Patient*innen. Wegen der knappen Ressourcen können wir leider nur Covid-19-Patient*innen und Notfälle behandeln. Menschen mit chronischen Krankheiten können wir zurzeit nicht versorgen. Welche Faktoren wirken sich sonst noch auf die Gesundheit der Bevölkerung aus? Die Inflation hatte schon vor der Pandemie begonnen, aber hat sich durch sie noch einmal verschärft. Die Einkommen vieler Menschen reichen nicht mehr aus, um auch nur das Nötigste zu kaufen. Wir sehen zahlreiche Patient*innen mit Unterernährung. Ich treffe Leute, die mir sagen: „Wir haben nicht genug zu essen. Wie sollen wir unser Immunsystem stärken, wenn wir kein gesundes Essen kau-
S yrische Frauen bei einer psychosozialen Beratungssitzung © Ärzte der Welt