Michel Brunner Ueli Brunner
WASSER WUNDER
22 verwunschene Tobelwanderungen im Kanton ZĂźrich
TITELSEITE Nächtliches Chämtnertobel
Einzigartige Affenschlucht bei Neftenbach S. 5 Sinterkaskade im Erlenbachertobel S. 10 Rossbach-Tobel in Herrliberg-Meilen S. 12 Kräftige Naturdusche im Chlaustobel S. 23 Giessen im Islenbach-, Eltisenbach-Tobel S. 24 Nächtliches Aabachtobel bei Vollmond RÜCKSEITE Eiskapelle im Cholerbach-Tobel und schiessender Fall im Erlenbachertobel S. 2
www.as-verlag.ch © AS Verlag & Buchkonzept AG, Zürich 2016 © Alle Rechte vorbehalten Layout & Konzept: Michel Brunner www.proarbore.com Texte & Bilder: Michel Brunner, Ueli Brunner Bilder S. 62 & 106 (links): Walter Wipfli Herstellung: AS Verlag, Urs Bolz, Zürich Karten: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA160176) Korrektorat: Carla Ritter-Just, Müllheim Druck: B & K Offsetdruck GmbH, Ottersweier Einband: Josef Spinner Großbuchbinderei GmbH, Ottersweier ISBN: 978-3-906055-55-8
Michel Brunner Ueli Brunner
WASSER WUNDER
22 verwunschene Tobelwanderungen im Kanton ZĂźrich
AS Verlag
INHALT 8 WISSENSWERTES 9 STANDORTKARTE 11 VORWORT 13 EINLEITUNG
26 WO DIE LETZTE MÜHLE MAHLT
70 REICH VERKALKTE BLATTADERN
Schloss- und Hostbach-Tobel – Von Andelfingen via Hostbach retour T 1 / T 2 – 1 h – 4 km
Meilemer- und Toggwilerbach-Tobel – Von Meilen zum Vorderen Pfannenstiel T 1 – 2 h – 6 km
34 FLIEGENDE EIBE IM HEXENTOPF
80 EIN VERSTECKTES «CHÄMMERLI»
Aabachtobel – Von Horgen/Käpfnach nach Arn T 1 / T 2 – 1 h – 2,6 km
Chämmerlitobel – Von Saland via Blitterswil nach Bauma T 1 / T 2 – 2,25 h – 5,6 km
40 FINDE DIE ZEHN UNTERSCHIEDE
86 ÜBER SIEBEN BRÜCKEN …
Tobelbach-Tobel – Von Rikon im Tösstal nach Bläsimühle T 1 / T 2 – 1,25 h – 4,2 km
Lochbach- und Wissenbach-Tobel – Von Bauma via Neuthal retour T 1 / T 2 – 2,5 h – 6,5 km
48 KNEIPPKUR VS. KNEIPENTOUR
96 SAGENHAFTE SPUREN IN STEIN
Farenbach- und Schlossbach-Tobel – Von Elgg via Guhwilmühle retour T 1 – 1,75 h – 6,5 km
Feietbach- und Hundschilen-Tobel – Von Bauma via Höhstock retour T 1 / T 2 – 2,75 h – 8,5 km
58 EIN VOGEL GEHT BADEN
102 RARE SCHREIE IM SCHREIZEN
Hutziker- und Chämibach-Tobel – Von Turbenthal via Schnurrberg retour T 1 / T 2 – 1,75 h – 6,2 km
Ruppenbach- und Unterschreizenbächli-Tobel – Von Freckmünd via Ober Schreizen retour T 2 / T 3 – 2,75 h – 9 km
64 PLANTSCHEN MIT ELEFANTEN
108 PFLANZLICHER WASSERFILTER
Wehren- und Elefantenbachtobel – Von Zürich/Burgwies via Witikon retour T 1 – 2 h – 7 km
Nidel- und Lättenbach-Tobel – Von Steg im Tösstal via Gfell nach Bauma T 2 – 3 h – 10,5 km
116 WILDE SIHL AM NATURBUSEN
176 EISMANTEL UND NASSE KLUFT
Mülibach- und Sihl-Tobel – Von Hirzel/Spitzen via Schwand retour T 1 / T 2 – 3 h – 11,1 km
Sagenrain- und Elbatobel – Von Wald via Alp Scheidegg retour T 2 – 4,25 h – 12 km
124 TEUFLISCH VIELE HIMMELSSTUFEN
186 VON FALL ZU FALL
Garten-, Krebsbach- und Röhrlitobel – Von Rämismühle-Zell via Schlatt retour T 1 / T 2 – 3 h – 12,2 km
Töss- und Vorderi Töss-Tobel – Von Wolfsgrueb via Buri retour T 2 / T 3 – 4,25 h – 10,7 km
134 KRACH AM BACH
196 EIN PLEITEGEIER IM «FRESSBAD»
Erlenbacher-, Chappelibach- und Küsnachter Tobel – Von Erlenbach nach Küsnacht T 1 / T 2 – 3,25 h – 12 km
Wildbach-, Chüe-, Stöck- und Chämtnertobel – Von Hinwil via Bäretswil nach Kempten T 2 – 4,75 h – 16 km
148 WURZELN ALS UFERSCHUTZ
206 RUTSCHEN UND STRUDELTÖPFE
Lindenbach- und Jonen-Tobel – Von Obfelden nach Hedingen T 1 / T 2 – 3,25 h –13,4 km
Wildbach-, Töss-, Müli- und Grabibach-Tobel Von Embrach via Rorbas nach Pfungen T 2 – 4,75 h – 17 km
158 ZU NEPTUNS DREIZACK
Schwarz-, Tanner-, Gubelbächli- und Chängelbach-Tobel – Von Bubikon via Fägswil nach Wald T 1 / T 2 – 3,5 h – 12 km
216 WASSERFALL-INVENTAR 236 QUELLENVERZEICHNIS
168 FISCHREIHER IM FISCHWEIHER
Weid-, Furtbach- und Luppmen-Tobel – Von Kempten nach Pfäffikon T 1 / T 2 – 3,75 h – 14 km
238 DANK, LINKS & AUTORENPORTRÄTS
WISSENSWERTES Gegenüber findet sich die Übersichtskarte des Kantons Zürich, worin die Standorte der Wanderungen eingezeichnet sind. Die Ziffern auf der Karte beziehen sich auf die Seitenzahlen im Buch und nicht auf die Nummern des im hintersten Teil bestehenden Wasserfall-Inventars. Von den 50 erwanderbaren Schluchten im Hauptteil werden zusätzlich 60 weitere Tobel, respektive die darin vorhandenen Wasserfälle porträtiert. Diese Zusatztobel eignen sich aber nicht zur Besichtigung vor Ort, da die meisten von ihnen über keine geeigneten, offiziellen Wege verfügen. Vom Besuch dort ist deshalb abzuraten.
terial und Notfallutensilien empfehlen wir die Mitnahme von genügend Verpflegung. Verpflegungsmöglichkeiten finden sich aber teilweise auf den Wanderungen selbst, siehe unter Textbeschreibung im Buch oder auf der Karte und im Internet. Auch für Unterkunft, Hin- und Abreise muss man die Routen vorher planen. Anhand von gutem Kartenmaterial, dessen Mitnahme trotz der hier abgebildeten Karten zu empfehlen ist, sind Routenvarianten möglich. Viele der hier porträtierten Tobelwanderungen lassen sich ausserdem miteinander kombinieren, was bei richtiger Planung auch mehrtägige Wanderungen zulässt.
Für die Wanderungen im Hauptteil findet der Leser auf der Kartenseite der jeweiligen Wanderungen den Hinweis auf den Schwierigkeitsgrad. Das geht von T 1 bis T 3 und richtet sich nach der SAC-Berg- und Alpinwanderskala. Diese Angaben beziehen sich auf geeignetes Wanderwetter – je nach Witterung erschweren sich die Bedingungen rapide. Gerade zu Regenzeiten oder Schneefall können in einem Tobel die Wege ohne entsprechende Ausrüstung rasch unpassierbar werden. T 1: Darunter versteht man einen gut gebahnten Weg, dessen exponierte Stellen gut gesichert sind und den man auch ohne grosse Orientierungshilfe bestreiten kann. Die Wege sind in der Regel gelb markiert. T 2: Kann teilweise steile Passagen enthalten, die Absturzgefahr kann nicht ausgeschlossen werden. T 3: Erfordert gute Trittsicherheit. Der Weg am Boden ist teilweise nicht durchgehend sichtbar, teilweise braucht man die Hände zur Balance. Weglose Schrofen, Geröllflächen und Absturzgefahr sind nicht ausgeschlossen. Die Wege sind in der Regel weiss-rot-weiss markiert.
Die Streckenangaben beziehen sich auf die offiziellen Wege ohne Abstecher und bei der Zeitangabe handelt es sich nur um die reine Laufzeit. Mit Pausen dauert die Wanderung deshalb oft viel länger. Das dargestellte Höhenprofil stellt nur ein proportional schematisches Profil dar und entspricht nicht einem 1:1-Querschnitt in natura.
Werden zwei der Richtwerte angegeben, z.B. T 1 / T 2, befindet sich der Schwierigkeitsgrad oft irgendwo dazwischen. Festes, wasserdichtes Schuhwerk ist auf allen Wanderungen empfehlenswert. Nebst Regenschutz, Kartenma-
Wichtige Adressen und Notfallnummern: Wetterprognosen: www.srf.ch/meteo Öffentlicher Verkehr: www.sbb.ch oder www.postauto.ch Rega: 1414, Sanität: 144, Polizei: 117, Feuerwehr: 118
Die Autoren haben alle Wegbeschreibungen sorgfältig überprüft. Dennoch gewährleisten weder sie noch der Verlag deren Richtigkeit. Die Gegebenheiten vor Ort können sich ändern (Wegführungen, Wasserläufe, Betretungsrechte, Gefahrensituationen u.ä.). Der aktuelle Wegzustand findet sich unter www.zuercher-wanderwege.ch. Für Hinweise auf veränderte Verhältnisse sind Autoren und Verlag dankbar. Die Begehung der beschriebenen Routen erfolgt auf eigenes Risiko. Autoren und Verlag übernehmen keine Haftung für Unfälle und sonstige Zwischenfälle.
ZH
CH Rhein
26
Thur
206
WINTERTHUR
48 Töss 124 Chatzensee Limmat
40
ZH
Glatt
ZÜRICH
Greifensee
58 102 80
Pfäffikersee
64
86
168
96
108
196
186
134
148 Reuss
158 34 Sihl 116
Die Ziffern der Standortpunkte dieser Karte beziehen sich auf die Seitenzahlen im Buch
176
70
Türlersee
Zürichsee
VORWORT «Vom Wasser haben wir’s gelernt; das hat nicht Ruh bei Tag und Nacht, ist stets auf Wanderschaft bedacht …»
Eine Strophe aus dem Volkslied «Das Wandern ist des Müllers Lust» lässt sich auch auf uns Brunners übertragen. Der Name Brunner bezeichnete ursprünglich einen Mann, der bei einer Quelle oder einem Brunnen hauste oder einen Brunnen grub. Wasser fliesst den Brunners offenbar in den Adern und ist auch in diesem Wanderbuch – einem Vater-Sohn-Projekt – auf Schritt und Tritt ein treuer Begleiter. Quellen und weit vernetzte Wasserwege gibt es in Zürich überall, wir brauchten sie nur aufzusuchen. Als «Wasserläufer» haben wir insgesamt über 200 Tobel im Kanton Zürich, und die 50 eindrücklichsten davon zu jeder Jahreszeit besucht. Während die Touristenströme sich in die international bekannten Schluchten der Alpen drängen, blieben viele kleinere, aber nicht weniger spektakuläre Tobel unbekannt. Dank ihrer Geologie und Topografie findet man die Modellierung durch Kalksinter aber kaum sonst wo in der Schweiz so fantasienreich wie in Zürich. Der Kanton hat deshalb mehr zu bieten als nur die namensgebende Stadt mit ihrem See. Wussten Sie beispielsweise, dass sogar der Rheinfall, der jährlich von über einer Million Menschen besucht wird, in seiner Höhe von 23 Metern von unbekannten Giessen im Kanton Zürich übertrumpft wird? Zürichs Wasserparadiese liegen nämlich etwas verborgen und warten mit sagenhaften Geschichten darauf, entdeckt zu werden. Wie wichtig gerade in der Zukunft selbst die kleinsten Tobel sind, erfahren sie in diesem Buch genauso wie den Umstand, dass die wertvollsten Wasserreiche teilweise bedroht sind. Tauchen Sie ein in Zürichs urchigste Wasserwunder und gehen Sie dem Wasser auf den Grund. Auf den 22 Tobelwanderungen läuft auf Garantie immer etwas – und sei es «nur» wildes Wasser.
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FEIETBACH- UND HUNDSCHILEN-TOBEL – VON BAUMA VIA HÖHSTOCK RETOUR
SAGENHAFTE SPUREN IN STEIN Nirgends findet man in der Schweiz so viele Tobel wie im geologisch begünstigten Tösstal. In Bauma enden gleich vier Tobelwanderungen. Die sagenumwobenste Route führt uns zum Hagheerenloch.
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Am Bahnhof Bauma geht der Weg neben nostalgischen Bahnwaggons vorbei. Links beim nächsten Bahnübergang laufen wir zwischen Geleise und Töss Richtung Hagheerenloch. Bei der Überquerung der Töss wandern wir nach dem Weiler Hintertüfenbach links den Wald hoch. Am Ende des Tobels (mit «Feuerstelle» beschildert) erreichen wir eine halbrunde Nagelfluhwand, an dessen Endpunkten sich je ein Sturzbach ergiesst. Der Feietbach verbindet die Giessen miteinander. Auffallend sind die Mergelschichten unterhalb der Felsdecke und vor allem der Hügelzug, der in Falllinie unterhalb der Felskante liegt. Er stammt von heruntergefallener Erde oberhalb der NagelfluhMolasse und hat sich allmählich zu einem Wall angehäuft. Auf ihm wachsen Bäume, die trotz freigelegter Wurzeln die Erosion des Hügels vermindern. Einige der Bäume sind tot, stabilisieren aber trotzdem den Untergrund. EINE FUNDGRUBE FÜR MYTHEN
Mit dem Aufstieg zum Hagheerenloch wird die Welt der Sagen eingeläutet. Das Hagheerenloch ist eine kleine, mannshohe Höhle, die mit grossem Mythos behaftet ist. Eine Geschichte erzählt von geheimen Gängen, welche zu einer unbekannten Burg bei Sternenberg und zur Burg Werdegg bei Hittnau führen. Es wurde vermutet, dass die Höhle einem Hagheern (Raubritter unter den Burgherren) als Gefängnis diente. Auch den Wiedertäufern soll sie in früheren Jahrhunderten als Unterschlupf gedient haben, und Räuber versteckten sich, um hier Reisende zu überfallen. In unserer aufgeklärten Zeit bekommt man es allerdings nicht so schnell mit der Angst zu tun, weshalb Tisch, Bänke und Feuerstelle heute die Wanderer zum Verweilen einladen. Andererseits ist in der Höhle selbst trotzdem Vorsicht geboten. Das 30 mal
F E D C
97 A B
T 1 / T 2 2,75 h 8,5 km
– RUNDWANDERUNG
WANDERKARTE KANTON ZÜRICH
– 355 METER AUF- UND ABSTIEG
1:25 000, Blatt 6 «Zürcher Oberland»
– HIN- UND RÜCKFAHRT MIT DEM VERPFLEGUNG UND UNTERKUNFT
ZUG BIS/AB BHF. BAUMA
Rest. Bahnhof, Rest. Frohsinn, Wirtschaft zum Schöntal, Gasthaus zur Tanne, Gasthof Adler; Bauma
1000 m
A 638 m Bhf. Bauma
900 m 800 m 700 m 600 m A B 500 m 0 km 1 km 2 km
D
E
B 664 m Hintertüfenbach
F
C 736 m Verzw. Feuerstelle
C A 3 km
4 km
5 km
6 km
7 km 8 km
D 807 m Hagheerenloch E
884 m Höhstock
F
855 m Musterplatz
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Vertikale aus Holz und Wasser und blühender Türkenbund
15 Meter grosse Hagheerenloch beinhaltet nämlich sogar zu Trockenzeiten einen flachen Tümpel. Der Boden ist teilweise so lehmig, dass man wie eine Ameise auf frischem Harz kleben bleibt. Liegengelassene Schaufel und Pickel lassen vermuten, dass die Tonerde am Boden teilweise abgebaut wird. Es ist kaum vorstellbar, dass in der feuchten Höhle einst eine Unterkunft bestand. Das Hagheerenloch war früher aber grösser und vielleicht auch trockener. Wer eine Taschenlampe mit sich führt, kann nicht nur die ganze Höhle erkunden, sondern entdeckt vielleicht im Tümpel bei genauem Hinsehen Molche. Interessant ist vor allem die Höhlendecke. Sie offenbart im Streiflicht der Taschenlampe eine wellige Form, die man von sandigem Meeresgrund kennt. Diese Deckenform beobachtet man an verschiedenen Orten in Zürich. Es handelt sich dabei um den Negativ-Abdruck eines ehemaligen Gewässerbetts. Sei es nun das eines einstigen Meeres, Sees oder Alpenflusses, der Abguss, hervorgerufen durch festere Molasseschichten, könnte allenfalls vergangene Strömungsrichtungen aufdecken. IM BEWEGTEN HANG ANKER SETZEN
Der Wanderweg führt uns danach weiter hoch bis zum Höhstock, wo der aussichtsreiche Wanderweg Richtung Hundschilen und Bauma ausgeschildert
Umheimliches Drachenauge im Hagheerenloch
ist. Vorbei am Musterplatz, auf dem sich früher Soldaten von Sternenberg zu stellen hatten und vorbei an einem Saustall, der zum Glück wortwörtlich zu verstehen ist, führt die Route wieder in den Wald, über eine Brücke ins wilde Hundschilen-Tobel. Der Weg liegt oberhalb des tiefen Einschnitts und die meisten Giessen sind von dort aus leider nicht zu sehen. Wir hören aber ein Grollen und das Bersten von Baumstämmen. Der steile Hang ist ständig in Bewegung. Hangpartien lösen sich, stürzen in die Tiefe und reissen teilweise Bäume mit sich. Die Hangnarbe wächst aber rasch wieder zu. Zu Beginn sichern so kleinere Pflanzen-, später dicke Baumwurzeln, die Steilhänge wie ein Drahtgeflecht. Einige Wurzeln fusionieren und verschmelzen ineinander und geben sich so gegenseitig Halt. Im kühlen Klima und halbschattigen Untergrund des Waldes überrascht hier im Juni die Blüte des seltenen Türkenbunds. Der Türkenbund ist ein Liliengewächs und Geophyt, der dank der Zwiebel im Boden auch magere Jahreszeiten überdauern kann. Damit die Zwiebel auch im Steilhang ausreichend tief im Boden ankert, zeichnet sie sich durch Zugwurzeln aus. Unterwegs sticht der Türkenbund mit seinen rosa, fleischigen und gesprenkelten Blütenblättern immer wieder von neuem ins Auge. Ausserhalb des Tobels erreichen wir bald die Brücke und darüber den Bahnhof in Bauma.
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DAS HAGHEERENLOCH … … soll von einer schwarzen Schlange und einem Drachen behaust worden sein, die einen Schatz hüteten. Einst lebte ein armes Mädchen, das einem reichen Burschen sein Herz versprach. Der Vater des Knaben wollte aber von einer Heirat mit dem armen Mädchen nichts wissen. So machte sich das Mädchen heimlich zum Hagheerenloch auf. Durch Beten zwang sie Schlange und Drache zum Rückzug und schöpfte ihre Schürze voll kostbarer Schätze. Dabei vergass sie aber für eine kurze Zeit zu beten und wurde vom Drachen verschlungen. Des Mädchens Seele konnte das Untier jedoch nichts anhaben. Als weisse Taube kreiste sie deshalb dreimal um das Haus des Geliebten und flog danach in den Himmel.
SCHWARZ-, TANNER-, GUBELBÄCHLI- UND CHÄNGELBACH-TOBEL – VON BUBIKON VIA FÄGSWIL NACH WALD
ZU NEPTUNS DREIZACK Wegen der Industrialisierung wurden die Wasserläufe verbaut, denn sie waren die Kraftwerke der damaligen Zeit. Der eingeschränkte Wasserfall im Tannertobel erinnert deshalb an Neptuns Dreizack.
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Vom Bahnhof Bubikon erreichen wir, immer in Richtung Rüti ZH marschierend, in wenigen Minuten das Ritterhaus Bubikon, die besterhaltene Kommende des Johanniterordens in Europa. Bevor man zum Bachlauf stösst, unterquert man hinter dem Golfplatz die Autobahn. Der Weg führt danach zwischen dem Industriegelände «Schwarz» durch. Die Schwarz ist der Bach, der sich uns nach einer Treppe unten im Tobel erstmals als über acht Meter hoher Giessen präsentiert. Im Vergleich zu den meisten Wasserfällen Zürichs liegt dieser hier nicht in einem tiefen Einschnitt, weshalb die Bäume rund um das Gewässer genug Licht hineinlassen und eine Spiegelung des blauen Himmels im Wasserbecken ermöglichen. Das Kleinod wird aber wegen der angrenzenden Fabrik beeinträchtigt, da die Nagelfluhwände mitverbaut wurden. Wie an vielen Bächen, trieb auch die Schwarz Fabrikmaschinen mittels eines Wasserrades an und wird auch heute noch durch moderne Turbinen zur Energiegewinnung genutzt. Eine höhere Bachschwelle weiter unten macht den Anschein, als wäre sie künstlich erbaut. Hier handelt es sich aber um eine natürliche Stufe, bei dem das Wasser die Nagelfluhwand regelmässig auswusch. So fällt dann auch das Bachgerinne auf, dass ebenfalls durchgehend aus hartem Nagelfluh besteht und sich mit wenig Untiefe durch das kleine Tal zieht. DIE GROSSE WIRTSCHAFTSWELLE
Nach der Badeanstalt kommen wir nach Rüti und wandern zum Bahnhof. Rüti leitet sich vom altdeutschen Wort Riutun (Rodung) ab. Vor der Urbanisierung muss die Region, wo die Schwarz in die wasserreichere Jona fliesst, ein göttlicher Fleck Erde gewesen sein. Ausser den alten Villen besteht Rüti
G
A D
B
E
F
C
T 1 / T 2 3,5 h 12 km
– STRECKENWANDERUNG
WANDERKARTE KANTON ZÜRICH
– 423 METER AUFSTIEG UND
1:25 000, Blatt 6 «Zürcher Oberland»
315 METER ABSTIEG – HINFAHRT MIT DEM ZUG BIS
VERPFLEGUNG
BHF. BUBIKON UND RÜCKFAHRT
Rest. Ritterhaus; Bubikon, Rest. Löwen; Rüti ZH, Rest. Sonnengarten; Güntisberg, Gasthaus Schwert; Wald ZH
MIT DEM ZUG AB BHF. WALD ZH
A 510 m Bhf. Bubikon 800 m 700 m 600 m 500 m 400 m A B 300 m 0 km
B 508 m Ritterhaus Bubikon C 482 m Rüti ZH
F DE
C 2 km
G
4 km
6 km
8 km
10 km
12 km
D 561 m Unter Fägswil E
571 m Ober Fägswil
F
739 m Güntisberg
G 617 m Bhf. Wald ZH
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Vorbei am Ritterhaus mit Streuobstwiese in Bubikon
heute aber aus Neubauten, und am Bahnhof breitet sich der Industriekomplex «Joweid» aus. Dem Wegweiser nach Fägswil folgend, kommen wir hinunter zur Jona und damit auch zur Entsorgungsstelle der Gemeinde. Da man vor nicht allzu langer Zeit die Tobellandschaft als minderwertig betrachtete, baute man diese Stellen oft gerne in die Gewässerzone. Eigenartig, wenn man bedenkt, dass die Wasserversorgung doch stets das zentralste Element für das Aufkommen einer Siedlung ist und dessen Verunreinigung böse Folgen haben kann. Der Weg führt bald in den Wald. Durch die auf beiden Seiten sich immer höher auftürmenden Nagelfluhwände wird das Tannertobel zunehmend düsterer. Dieses dunkle, nasse Schattenreich lieben die Gefässsporenpflanzen der Farne. So sind denn auch hier die ungefiederten Hirschzungenfarne, die gelappten Schildfarne und die zarten Tüpfelfarne beheimatet, die den nassgrauen Boden mit Grün beleben. Dort, wo sich der Wanderweg anschickt, den Hang zu erklimmen, führt ein Trampelpfad weiter der Jona entlang. Die, die auch auf rutschigem Untergrund ihre Balance nicht verlieren und dreckige Schuhe nicht scheuen, werden auf diesem Pfad in einem Viertelkilometer mit einer grandiosen Kulisse belohnt. Aus rund 20 Meter Höhe ergiesst sich dort die Jona we-
Eine Fabrik zerstörte das einstige Wasserparadies der Schwarz
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52
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52 Wald, Giblertobel
54 Weisslingen, Wissenbach-Tobel
Der Diezikonerbach verfßgt ßber drei unterschiedliche Wasserfälle und liegt direkt an der Kantonsgrenze.
Inmitten des Ortes befindet sich an einer frequentierten Stelle der Wissenbach mit einem traumhaften Fall.
53 Weisslingen, Steigbach-Tobel Ein unbekannter Wasserfall, der bereits einen kleinen Sinterkegel gebildet hat, findet man beim Steigbach.
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55 Wila, Arschbach-Tobel
57 Winterthur, Steinbach-Tobel
59 Zürich, Döltschibach-Tobel
Der Name Arschbach (Arsbach) wird dem wunderschönen Tobelbach mit seinem Giessen nicht gerecht.
Das Steinbach-Tobel beinhaltet wie der schluchtartige Seitenbach im Untertobel zwei grössere Gefälle.
Der über vier Meter hohe natürliche Fall im verbauten Döltschibach ist einer der wenigen des Uetlibergs.
56 Wildberg, Mülibach-Tobel
58 Winterthur, Steintobel
60 Zürich, Sagentobel
Der Mülibach ist eine der oberen Zuflüsse des Tobelbachs in Rikon und verfügt über einen schönen Fall.
Der Eschenberg, rechtsufrig der Töss, besitzt kaum Wasserfälle, umso wertvoller ist jener des Steintobels.
Der Sagentobelbach ist für die Stadt Zürich einmalig, soll aber wegen einer Seilbahn verunstaltet werden.
WASSER WUNDER Wussten Sie, dass der Rheinfall, der jährlich von über einer Million Menschen besucht wird, in seiner Höhe von 23 Metern von unbekannten Giessen im Kanton Zürich übertrumpft wird? Kennen Sie den versteckten Canyon im Schreizen, die grossräumige Felshöhle am Brandenfels, die Strudeltöpfe der Affenschlucht, den versteinerten Wasserfall des Langhaldenbachs oder die «Tüfels Chilen», das mächtigste Tuffsteingebilde der Schweiz? Der Kanton hat mehr zu bieten als nur die namensgebende Stadt mit ihrem See. Die unberührten Wasserparadiese liegen nämlich etwas verborgen und warten mit sagenhaften Geschichten darauf, entdeckt zu werden. Auf kinder- und seniorenfreundlichen Spaziergängen bis hin zu abenteuerlichen Pfaden bringt uns dieses Wanderbuch zu insgesamt 50 Tobel. Ob Frühling, erfrischende Sommerkühle, herbstlicher Farbenreigen oder Eiskunst im Winter, diese 22 Tobelwanderungen begeistern zu jeder Jahreszeit. Aus über 200 untersuchten Tobellandschaften findet sich in diesem Pionierund Standardwerk ein exklusives Wasserfall-Inventar. Erstmals werden die Wasserwunder Zürichs teils mit aufwändiger Fotografie in der Nacht gezeigt.
ISBN 978-3-906055-55-8