Landwirtschaft Schweiz

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Markus B端hler-Rasom

Landwirtschaft Schweiz


2074 m Schmadribachf채lle Berner Oberland



1618 m Val M端stair Graub端nden



791 m Emmental Bern



F端r Nils, Lars und Finn


Landwirtschaft Schweiz Fotos Markus B端hler-Rasom Texte Bernard Lehmann Richard Reich Peter Moser Schweizer Bauernverband

AS Verlag


Wir danken allen Institutionen, die mit ihrer Unterstützung die Realisierung dieses Buches ermöglicht haben: Bundesamt für Landwirtschaft BLW Coop Genossenschaft Emmentaler Switzerland Emmi AG Kanton Obwalden Lotteriefonds des Kantons Bern Lotteriefonds des Kantons Zug Migros Kulturprozent Ricola AG Schweizer Bauernverband Schweizer Zucker AG Swisslos/Kulturförderung des Kantons Graubünden

www.as-verlag.ch © AS Verlag & Buchkonzept AG, Zürich 2014 Gestaltung und Herstellung: AS Verlag, Urs Bolz, Zürich Bildbearbeitung: Geyst AG, Christian Spirig, Zürich Korrektorat: Pablo Egger, Speicher Druck: B & K Offsetdruck GmbH, Ottersweier Einband: Grossbuchbinderei Josef Spinner GmbH, Ottersweier ISBN 978-3-906055-27-5


Inhalt

32 Die Landwirtschaft im steten Wandel

178

Nutztiere

180 Aus Gras wird Fleisch 38

Milchwirtschaft

184 Bienen I Laupen BE

40 Milchwirtschaft so und anders

188 Hühner I Haslen AI

44 Alpaufzug I Appenzell AI

192 Schweine I Oppikon TG

48 Heuen I Sachseln OW

196 Schafe I Vals GR

52 Ziegen I Justistal BE

200 Pferde I Freiberge JU

56 Alpwirtschaft I Alp Langenegg BE

204 Fisch I Seelisberg UR

60 Ziger I Unterer Sattel GL

208 Viehschau I Andelfingen ZH

64 Chästeilet I Alp Langenegg BE

212 Hufpflege I St. Ursen FR

68 Mozzarella I Schangnau BE

216 Schlachtvieh-Markt I Burgdorf BE

72 Melker I Alp Waldmatt BE

220 Dorfschlachthof I Elgg ZH

76 Grossmilchbauer I Härkingen SO

224 Grossschlachthof I Basel BS

80 Olympia-Käser I St. Antoni FR

228 Tierverarbeitung I Basel BS / Langnau i. E. BE

84 Milchverarbeitung I Suhr AG 88 Höhlenkäse I Kaltbach LU

232

Rund um die Landwirtschaft

234 Landwirtschaft heute 92

Pflanzenbau

238 Gantrufer I Guggisberg BE

94 Ackerbauparadies Westschweiz

242 Hofladen I Hauptikon ZH

98 Gemüsegrossbauer I Ellikon ZH

246 Biogas I Nesselnbach AG

102 Getreideanbau I Diessenhofen TG

250 Schwingen I Brünig OW / Urnerboden UR

106 Strohhandel I Diessenhofen TG

254 Lawinen I Davos GR

110 Spargeln I Kallnach BE

258 Käsemarketing I Emmental BE

114 Zuckerrüben I Attelwil AG

262 Landwirtschaftsschule I Lindau ZH

118 Kürbis I Rafzerfeld ZH

266 Kulttraktoren I Hinwil ZH

122 Kräuter I Zollbrück BE

270 Agrarpolitik I Bern BE

126 Obstbau I Aachtal TG 130 Reis I Ascona TI

275

134 Branntwein I Bachenbülach ZH

276 Bilder – Zahlen – Geschichte(n)

138 Aprikosen I Leytron VS

Zur Repräsentation des Agrarischen im 21. Jahrhundert 284 Das Autorenteam 285 Dank

142 Tabak I Attikon ZH 146 Rebbau I Truttikon ZH 150 Dünger I Auhafen Muttenz BL 154 Trocknungswerk I Aachtal TG 158 Zuckerrübenfabrik I Frauenfeld TG 162 Engrosmarkt I Zürich ZH 166 Holzfällen I Ellighausen TG 170 Holzen am Berg I Isenthal UR 174 Köhlerei I Bramboden LU

Anhang


Milchwirtschaft Ich kenne Leute, die haben mitten in ihrem Leben plötzlich eine Laktose-Intoleranz entwickelt, und ich muss sagen: Das wäre für mich eine mittlere Katastrophe. Milch ist buchstäblich mein Lebenselixier, und zwar seit je. Wenn ich als Kind nach vier Stunden Fussballspielen heimkam, griff ich noch ungeduscht nach der Pastmilch im Kühlschrank und leerte den Liter-Karton in einem Zug. Und dann den nächsten . . . Noch heute ist es mir ziemlich egal, wenn mir daheim aus Versehen eines der sogenannten Grundnahrungsmittel ausgeht – bloss bei Milchebbe bin ich untröstlich. Übrigens genau wie mein Vater es war, wenn er am Abend im Kühlschrank weder Käse noch Joghurt vorfand. Ob solche Vorlieben nun Veranlagung sind, Vererbung oder, wie manche Leute meinen, rein anerzogen, ist mir eigentlich einerlei. Auch habe ich milchmässig keinerlei Missionseifer. Wer nach dem Veganerslogan «No milk, no problem» leben mag, bitte sehr. Hauptsache, ich selber finde im Laden weiterhin Kuhmilch, die diesen Namen verdient, was gar nicht so sicher ist. Wer schon mal in einem amerikanischen Supermarkt war, weiss, wovon ich rede: zwanzig Laufmeter Kühlregal mit tausendundeiner Milk-Varianten, aber keine Spur von einem ganz normalen Liter Past, dem nicht zusätzlich alle möglichen Vitamine und weiss Gott was noch verpasst worden sind. Ganz zu schweigen vom Siegeszug der sogenannten Convenience-Milchprodukte, deren «Ingredients» sich manchmal lesen wie die Inventarliste eines Chemielabors. Allzu weit sind wir also auch hierzulande nicht mehr von der Cyber-Millch entfernt. Jedenfalls ist dort, wo ich meistens die Ferien verbringe, im Laden schon heute keine einheimische Frischmilch mehr erhältlich, nachdem der kantonale Milchverband auf «hochpasteurisiert» umgestellt hat. «Länger haltbar, weniger Abfall», lautete das Argument. Ich sage dagegen: Das Zeug schmeckt künstlich, und Haltbarkeit ist bei meinem Verbrauch sowieso kein Faktor . . . Also leiste ich mir eben die aus dem Nachbarkanton importierte AOCMilch. Sie ist 20 Rappen teurer und hat trotz «bio» wegen der längeren Anreise vermutlich eine schlechtere Öko-Bilanz – aber mit Verlusten muss rechnen, wer in kuriosen Zeiten wie diesen um jeden Preis ein echtes Milchbubi bleiben will.

Intro / Bildtexte: Richard Reich


Das Gegenteil von Convenience-K채se: waschechter Greyerzer!


Milchwirtschaft so und anders Schweizer Bauernverband


Inmitten der rauen Bergwelt des Rätikons, im Prättigau, einem Seitental des Kantons Graubünden auf 1000 m ü.M., liegt ein Milchwirtschaftsbetrieb. Die Betriebsleiterfamilie führt diesen Hof bereits in der fünften Generation. Sie bewirtschaftet rund 21 Hektaren Land nach den Richtlinien der IP-Suisse, einer besonders nachhaltigen Produktionsart. Die 18 Braunviehkühe und die 24 Stück Jungvieh verbringen den Winter und die Frühlingsmonate zu Hause im Stall, bevor es im Frühsommer «z’Alp» geht. In diesen Monaten wird die gesamte Milch an die 45 Mastkälber vertränkt und in Form von Kalbfleisch veredelt. Auf der Alp verarbeitet das Alppersonal die Milch der Kühe zu traditionellem Alpkäse, zu Alpbutter und Zieger. Das «Gold der Alpen», so ein Übername des Alpkäses, ist bei Privatkunden und in der Gastronomie des Tales sehr begehrt. Dieser Hof ist für einen Milchwirtschaftsbetrieb in den Bergen typisch, nicht aber für die ganze Schweiz. So vielfältig wie unser Land ist, so verschieden sind auch die landwirtschaftlichen Betriebe. Die Bauernfamilien haben ihre Produktion den regionalen Gegebenheiten vom Tal- bis ins Berggebiet angepasst. Im Berggebiet gibt es noch viele kombinierte Betriebe mit Aufzucht, Milch- und Alpwirtschaft sowie Mast. Da sie keinen Ackerbau betreiben oder Spezialkulturen wie Gemüse anbauen können, sind sie auf Tiere angewiesen, die ihre Wiesen und Weiden in Form von Milch und Fleisch veredeln. Das können Kühe, Ziegen oder Schafe sein. In den Talbetrieben, welche flächenmässig viel grösser ausfallen, haben sich die Betriebe vermehrt spezialisiert: die einen Betriebe auf die Milchwirtschaft und die anderen auf Ackerbau, Aufzucht und Mast oder Spezialkulturen wie Gemüse, Obst oder Wein.

Streng kontrolliert Jeder konsumierte Tropfen Milch hat eine aufwendige Reise in Kannen, Rohrleitungen und Tankwagen hinter sich. Damit beim Konsumenten einwandfreie, qualitativ hochstehende Produkte ankommen, gibt es strenge Kontrollen. Allein bei den Milchproduzenten finden jährlich mindestens 14 Kontrollen statt. Dabei wird die Milch auf die Keimbelastung, den Zellgehalt, auf Rückstände sowie den Gefrierpunkt geprüft. Auch die Verarbeiter sind verpflichtet, jeden Milcheingang zu prüfen.

Entwicklung Anzahl Milchproduzenten

Verwertung der Kuhmilch

29000

160000

28000

140000

5%

120000

27000

100000

26000

80000 25000

60000

24000

40000

23000

20000

Käse

4%

Tierfütterung

7% kg Milch

Anzahl Produzenten

und durchschnittliche Ablieferung

Butter 35%

9%

Dauermilchwaren Rahmproduktion/ Rahmverdünnung

11%

Joghurt und Spezialitäten

0

22000 2007–2008

2008–2009

2011

2012

14%

Jahr Produzenten Anzahl

Konsummilch

15%

Andere Verwertung, Gewichtsdifferenzen

Durchschnittliche Ablieferung in kg

41



Heuen I Sachseln OW Manch einer sähe in diesem Mann – er heisst Alois von Moos (Juli 2006) – wohl einen Wilhelm Tell oder auch einen Bruder Klaus, immerhin befinden wir uns hier im obwaldischen Sachseln. Und wie kein anderer verbindet solch ein strammer Heuer symbolisch zwei urschweizerische Eigenschaften: Kraft und Armut. Denn: Je steiler der Berg, desto

härter die Arbeit, willst du ihm ein Leben abtrotzen. 1275 stand in Sachseln die «ärmste Kirche der Innerschweiz». Heute leben hier viele vom Tourismus, welchen die legendäre Askese von Bruder Klaus dem Ort beschert. Geheut wird aber weiterhin nach Kräften in einem Gelände, das rau und steil ist wie eh und je.

49


70

Wasserb端ffel in Schwarzbach, Schangnau.



Milchverarbeitung I Suhr AG

84

Die Entwicklung der Firma Emmi liest sich wie eine Geschichte der Milchverarbeitung in der Schweiz: Am Anfang, anno 1907, stand die Molkerei, doch im Verlauf des folgenden Jahrhunderts wurde aus der Genossenschaft nach und nach ein Konzern. Ging es ursprünglich noch vor allem um Sbrinz, so heissen die Flaggschiffe der Produktepalette inzwischen zum Beispiel Caffè Latte, für den auch mal ein Weltstar wie Roger Federer wirbt. Emmis Homebase aber ist

immer noch der Kanton Luzern. Von hier aus werden die Märkte «Schweiz», «Europa» und «Amerika» beackert. Und folgende Berufe ausgeübt: Anlagenführer/in, Detailhandelsfachfrau/-mann, Elektroinstallateur/in, Informatiker/in, Kauffrau/Kaufmann, Laborant/in Biologie, Laborant/in Chemie, Logistiker/in, Milchpraktiker/in, Milchtechnologe/-in, Polymechaniker/in, Strassentransportfachfrau/-mann. Im Bild die Milchtechnologin Miriam Bögli im Oktober 2011.



86

Die Emmi-Milchzentrale in Suhr.




Obstbau I Aachtal TG Bereits im fünften Jahrtausend vor Christus wurde in unseren Gegenden wildes Obst gesammelt; eigentliche Obstkulturen gibt es seit der römischen Zeit. Insofern darf man den Apfelbaum mit Fug und Recht als Stammvater unserer Ernährungsindustrie bezeichnen. Heutzutage gilt Ramseier als wichtigste Marke der schweizerischen Obstverarbeitung. Die Ursprünge der Firma gehen auf das Jahr 1910 und

eine gleichnamige Emmentaler Obstweingenossenschaft zurück; die heutige Form erhielt Ramseier dann durch eine lange Reihe von Fusionen unter den einst 800 Schweizer Mostereien. Im Bild sehen wir im November 2011 den Mitarbeiter Hans Forster beim Obstbad in der landesweit grössten Mosterei. Diese steht naturgemäss in «Mostindien», also im Thurgau oder genauer in Oberaach.

127


Holzfällen I Ellighausen TG

166

«Eine naturbelassene, sanfte Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.» So beschrieb der Tages-Anzeiger im Jahr 2011 die Landschaft bei Ellighausen. Anlass war, dass der Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel ebenda, in einer umge-

bauten Mühle, Wohnsitz nahm. Möglicherweise wurde Vettel im neuen Heim hie und da von ganz anderen Motorengeräuschen geweckt – nämlich wenn im Wald draussen Stefan Benz, Mitarbeiter der Forest AG, mit seinem Vollernter unterwegs war . . .


167


Köhlerei I Bramboden LU

174

«Gut Brand!», rufen sich die Köhler traditionell zu, bevor der Meiler angezündet wird. Dieser Ruf ertönt noch immer in Bramboden, einem Weiler im Napfgebiet. Hier oben betreiben einige Bergbauern das alte Handwerk nach alter Sitte im Nebenerwerb. Weil das waldige Gebiet für Stammholznutzung lange nicht zu erschliessen war, wurde hier oben seit je nach Kräften geköhlert, nämlich an nicht weniger

als 200 Kohlplätzen. Hierauf lieferte man das «schwarze Gold» an eine Schmiede (Huf; Silber; Gold) oder an Eisengiessereien, Ziegeleien oder Glashütten. Und was übrigblieb, heizte daheim die Öfen oder auch die Bügeleisen . . . Unser Bild zeigt im März 2011 Markus aus der Köhlerfamilie Wicki, die heutzutage «Otto’s» bestückt. Schwester Doris gilt zudem als Erfinderin von Europas erster Event-Köhlerei.



202

Inszenierter ZugĂźberfall kurz vor SaignelĂŠgier.



Fisch I Seelisberg UR

204

Nein, nicht immer ist Nomen auch Omen: Im Seerestaurant Schwyboden, unweit von Seelisberg über dem Vierwaldstättersee, gilt nämlich nicht Schwein, sondern Fisch als grosse Spezialität. Seit 100 Jahren besteht dieses Gasthaus unter der Ägide von Familie Näpflin, die im Schwyboden und überhaupt in dieser Gegend schon drei Jahrhunderte zugange ist. Wie fast alle seiner

Stammväter heisst auch der heutige Inhaber Michael (hier im Juni 2006), und wie seine Vorfahren fährt auch dieser Michael in aller Früh auf den See hinaus und fängt, was später im Restaurant zubereitet und aufgetischt wird – notabene nachdem der frische Fisch durch die selbst konstruierte Entschuppungsmaschine gewandert ist.


205



Basler Schlachthof, April 2011.

227


272

Nationalratssaal im Bundeshaus.





Die Vorstellungen über die Schweizer Landwirtschaft sind vielfältig, polarisierend, nüchtern, sentimental. In eindrücklichen Fotoreportagen präsentiert Markus Bühler-Rasom eine Bestandesaufnahme der heutigen Schweizer Landwirtschaft mit all ihren Facetten. Im Mittelpunkt steht der Mensch in seiner Arbeitswelt, sei es auf dem Bauernhof, in der Produktion, als Politiker oder auf der Alp. Markus-Bühler-Rasom begibt sich in diese Arbeitswelt mit ihren traditionellen Wurzeln bis hin zur hochtechnisierten Verarbeitung und zeigt in seinen Porträts damit auch ihre unglaubliche Vielfalt.

ISBN: 978-3-906055-27-5


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