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Opel Corsa-e Rally
TRACKTEST OPEL CORSA-E RALLY
AB INS GRÜNE
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Opel gibt den Pionier. Auch wenn 100 Kilowatt Leistung und eineinhalb Tonnen Leergewicht erst einmal weniger für die Zukunft im Rallyesport sprechen. Wir surfen mit dem ersten vollelektrischen Cupauto durch Wald und Wiese – mit ganz neuen Erkenntnissen.
Noch bevor das gute Dutzend Cuppiloten im Rahmen der Deutschen Rallye Meisterschaft zur Weltpremiere des ersten vollelektrischen Rallye-Cups ausrückten, teilte sich Opel-Werksfahrer Marijan Griebel das Cockpit mit dem Autor dieser Zeilen. Dumm nur für den Profi, der deutsche Rallyemeister von 2018 saß nicht hinterm Lenkrad. Denn dort durfte der am-Mitarbeiter sprichwörtlich die Zukunft erfahren. „Als wir vor gut zwei Jahren das Projekt präsentiert haben, war klar: Opel wird elektrisch. Da war es naheliegend die beiden Themen, sprich ein elektrisches Kundensportmodell auf der Serienplattform des Corsa-e mit einer Einsteigerserie zu verbinden. Ohne zu übertreiben, ich denke, wir haben hier eine Pionierrolle eingenommen“, sagt Opel-Motosportdirektor Jörg Schrott und erklärt: „Das reicht vom zusätzlichen Schutz der Batterie und des Unterbodens über das Management der Hochvolt-Technik, sprich die veränderte Software und Sensorik. Und dann natürlich die Sicherheit. Angefangen beim speziellen Löschschaum im Auto, einem Lampensystem, das auf allen Seiten über den Zustand des Autos informiert, bis hin zur Zusammenarbeit mit den Sportverbänden. So haben wir Richtlinien zum elektrischen Rallyesport entwickelt und Schulungsvideos für Teams, Veranstalter und Streckenposten produziert. “
Für die spezifischen Motorsport-Bereiche des innovativen Kleinwagens haben die Ingenieure auf aktuelle Rallyetechnik aus dem gut gefüllten Stellantis-Kundensport-Regal von Peugeot, Citroën und Opel zurückgegriffen. So stammen nicht nur die Sicherheitszelle oder Sitze von den Rally4-Brüdern Peugeot 208 und Opel Corsa. Entsprechend schnell findet man sich im, aufgrund der wohl auch Batterie bedingten höheren Sitzposition, etwas beengten Cockpit schnell zurecht. Das Fehlen des obligatorischen Schaltstocks erinnert den Gastfahrer daran, dass der heutige Proband wenig mit bisher getesteten Rallyeboliden gemein hat. Öffnet man die Motorhaube, lässt sich erst auf den zweiten Blick unter einer raumgreifenden Plastikabdeckung statt eines
Voll konzentriert: Redakteur Reiner Kuhn durfte den E-Opel über Wald und Wiese scheuchen.
Safety First: klassischer Überrollkäfig wird mit Neuheiten wie dem speziell entwickeltem Löschschaum gepaart
kleinen Drei- oder Vierzylinders ein Inverter sowie darunter der dazugehörige Elektromotor ausmachen. Beides wurde ebenso vom Serienmodell übernommen, wie die in den Unterboden integrierte 50 Kilowatt-Lithium-Ionen-Batterie. Der aus 216 Zellen bestehende Akku liefert Energie für rund 60 Wertungskilometer im Renntempo. Das sollte reichen, um sich einen Eindruck vom neuartigen Cup-Mobil zu verschaffen. Hauptstromschalter umlegen, Startkopf drücken, Gaspedal durchtreten und ab auf die Piste. Herrlich. Keine Kupplung, Nichts, einfach losstürmen. Der Corsa-e Rally bietet drei Fahrmodi: „Eco“ für Verbindungsetappen, „Regen“ mit reduziertem Drehmoment für schlüpfrige Pisten sowie „Rally“ mit voller Leistung. In letzterem spurtet der mit Besatzung knapp 1.700 Kilo schwere Stromer in 7,5 Sekunden auf Tempo 100 und munter weiter bis zur Topspeed von 150 km/h. Mehr kann man von 136 PS (100 kW) Leistung und einem Drehmoment von 260 Newtonmeter auch nicht erwarten. Die nackten Zahlen mögen Puristen enttäuschen, passen aber zu einem an Ein- und Aufsteiger adressiertes Cupfahrzeug. Ein seriennaher Suzuki Swift, oder auch Citroën DS3 R1 bewegen sich abgesehen von der Geräuschkulisse in ähnlichen Gefilden. Anders bei der Umkehrbeschleunigung: Im kalten Zustand sind die Bremsen mehr als zäh. Zudem sollte vor der flotten Zeitenjagd die Beinmuskulatur trainiert werden. Zumal das Warmfahren der Reifen und Bremsen trotz ausgeklügeltem Rekuperations-System, dass bei jedem Bremsvorgang kinetische Energie in elektrischen Strom umwandelt und speichert, unterm Strich wertvolle Energie kostet.
Auch sonst erfordert die schnelle Hatz im Corsa-e Rally eine Umstellung des Fahrstils. „Versuch’s besser mal ohne“, ermahnt mich Copilot Griebel, nachdem der Schreiberling mit einem kurzen Zug am Hebel der hydraulischen Handbremse zwar einen imposanten Drift einleitete, die von einem Torsen-Differential unterstützten Vorderräder beim Rausbeschleunigen aus der Kurve jedoch kaum Vortrieb erzeugten und so eher Sekunden als deren Bruchteile zerronnen. Anders als eine im Rennsport bevorzugte, weil aggressivere Lamellensperre, harmoniert die
Mit dem 100 KW starkem E-Motor ist der Corsa perfekt für Rally Neulinge
Durch die innovative Ladetechnik sind die Autos in 30 Minuten zu 85% geladen
dank geringerem Reibwert weniger Energie verbrauchende Torsen-Einheit deutlich besser mit dem Elektrorenner.
Keine Frage, um mit dem kleinen Stromer richtig schnell zu sein muss man sich zurücknehmen – nicht ein bisschen, sondern richtig. Das Fahren erinnert an ein Indoor-Kart. Das Gefährt liegt satt auf der Straße und glänzt mit perfekter Balance und einem nahezu narrensicheren Handling. Doch wie beim Karting in der Halle, kosten Spektakel, ob Quersteher oder auch nur unnötiger Rutscher wertvolle Zeit. So gesehen ist der innovative und netto 49,900 Euro teure Opel samt Cup eine gute Schule. Schon Walter Röhrl profitierte beim seinem zweiten WM-Titel im ehrwürdigen Opel Ascona 400 von einer besonders sauberen Linie. Für einen Nachwuchs-Cup auch gut: Die Stoßdämpfer sind nicht einstellbar, ergo bleibt den Teams nur Spur, Sturz, Luftdruck, Bremsverteilung und Fahrtalent, um einen Unterschied zu machen.
Ähnlich innovativ wie der Corsa-e Rally ist die Ladestruktur für die Cupfahrzeuge. „Über eineinhalb Jahre haben wir unterschiedliche Systeme mit verschiedenen Partnern ausprobiert und freuen uns, jetzt mit einer Ladeinfrastruktur zu arbeiten die ihresgleichen sucht“, so Opel-Motorsportdirektor Schrott. Bei der mobilen Lösung der deutschen Firma eLoaded wird die Energie vom öffentlichen Stromnetz eingespeist, wobei vom jeweiligen Netzbetreiber regenerativ erzeugter Ökostrom bevorzugt wird. Der Mittelstrom bis zu 20.000 Volt fließt in einen eigens für den Rallye-Einsatz adaptierten Transformator. Dieser gibt bis zu zwei Megawatt Gleichstrom mit 1000 Volt an die 18 Ladepunkte am Service. Dort wird jeder Corsa-e Rally innerhalb von 30 Minuten mit maximal 100 Kilowatt auf 85 Prozent aufgeladen.
Reiner Kuhn Fotos: Andreas Liebschner Die Stoßdämpfer sind nicht einstellbar, somit bleibt zur Justierung nur Spur, Sturz, Luftdruck und Gefühl
DATENCHECK OPEL CORSA-E RALLY
Motor: ............................................................................................................... Elektro Leistung:..............................................................................................136 PS (100 kW) Drehmoment: ...................................................................................................260 Nm Batterie: ..........................................................................Lithium-Ionen-Akku, 50 kWh Antrieb: ............................................................... Frontantrieb mit Torsen-Differenzial
Bremsen:
vorne: .................................. 4-Kolben-Ssattel und innenbelüftete Scheiben (Ø 323) hinten: ...........................................................2-Kolben-Sattel und Scheiben (Ø 264). Bremsdruck hinten hydraulisch einstellbar, angepasste Bremssteuerung mit Rekuperation, hydraulische „Fly-Off“- Handbremse Räder:............................................................................................................7 x 17 Zoll
Sicherheit: ...............................................Sicherheitszelle, Unterfahrschutz für Motor, Getriebe und Hochvolt-Batterie, elektrisch auslösende Feuerlöschanlage. Elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP), Traktionskontrolle (TC) sowie Antiblockiersystem (ABS) deaktiviert. Neu entwickeltes High-Voltage (HV) Safety-Warnsystem.
Länge/Breite/Höhe:............................................................4.060 / 1.765 / 1.435 mm Radstand:...................................................................................................... 2.538 mm Leergewicht:....................................................................................................1.475 kg Reichweite: ................ca. 60 WP-Kilometer + 20 im Eco-Modus, oder 200 km (Eco)