7 minute read
AUTO&SIE Sara Kurath
from AW 09/2020
Isabelle Riederer,
ir@awverlag.ch
Klischees ade
Vielleicht ist es Ihnen ja aufgefallen, aber die AUTO&Sie Doppelseite hat in den letzten drei Ausgaben gefehlt. Das war Absicht! Ich wollte Ihnen die Corona-Zeit noch mehr vermiesen, indem ich nichts Lustiges mehr schreibe. Nein, natürlich ist das Quatsch! Aber auch wir schlugen und schlagen uns noch mit den Folgen der Krise herum, doch langsam kehrt wieder etwas Normalität ein, und ich darf auch wieder aus dem Vollen schöpfen.
Und ich bin froh, wieder zurück im Büro zu sein. Home Office ist einfach nicht mein Ding. Zum einen ist die Kantine echt schlecht, zum anderen muss ich meinen eigenen Kaffee trinken – was auf die Dauer einfach zu teuer wird – und ganz ehrlich: Home Office ist für mich ja schon, wenn ich es schaffe, zuhause einen ganzen Einkaufszettel zu schreiben.
AUTO&Sie ist wieder da, und ich hoffe, das bleibt so. Denn was ich in den letzten Wochen wieder einmal gemerkt habe: Frauen in der Automobilbranche werden immer noch mit «Ahs» und «Ohs» begrüsst – und das nicht nur von Männern. Auch ich ertappe mich hin und wieder dabei, auf Klischees reinzufallen, und ärgere mich dann über mich selbst. Ständig heisst es: Frauen in der Automobilbranche müssen stark sein, als wäre das irgendwie eine bemerkenswerte Abweichung vom Normalzustand. Für Frauen in der Auto mobilbranche gibt es zwei Möglichkeiten, entweder man entspricht den Klischees oder nicht – alles, was dazwischen sein könnte, wurde noch nicht definiert.
Und genau das ist das Geniale daran. Dieser Zwischenbereich ist ein unbeschriebenes Blatt, eine leere Tafel, die nur darauf wartet, beschrieben zu werden über Frauen, die weder stark noch schwach sind, sondern einfach ihr Ding machen. Von Frauen, die ihre Träume verwirklichen – oder scheitern. Von Frauen, die sich wieder aufrappeln und weitermachen und sich einen Dreck um Klischees kümmern.
SCHRAUBERIN MIT HERZ, BENZIN IM BLUT UND ÖL IN DEN HAAREN
Vor bald fünf Jahren hat sich Sara Kurath mit ihrer Garage «Sara’s Garage & Autoelektrik» in Kaltbrunn (SG) selbstständig gemacht. Die Anfangszeit war nicht leicht. Doch ihr Durchhaltewille hat sich gelohnt. Text/Bild: Isabelle Riederer
Sara Kurath sitzt in ihrer Garage an einem kleinen Tisch und reibt sich die Hände sauber. Hinter ihr ein schwarzer Camaro auf der Hebebühne. «Das erste Jahr war schlimm, richtig schlimm», sagt Sara und weiter: «Ich war immer wieder kurz davor, den Laden dicht zu ma chen. Ich hatte kaum Aufträge und ein Ölwechsel pro Woche reichte einfach nicht aus.» Als nach einem Jahr noch immer kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen war, wollte Sara aufhören. «Doch dann ging es plötzlich bergauf», so Sara.
Doch zurück zum Anfang. Ihre vierjährige Lehre als Automechanikerin machte Sara damals auf MercedesBenz. Auf ihren zahlreichen Reisen in die USA und nach Australien hat sie einige spannende Berufe ausgeübt. In Miami kümmerte sich Sara bei einem Autovermieter um alle möglichen Reparaturen an den Mietfahrzeugen. «Dort habe ich auch meine Liebe für US-Cars entdeckt und mich darauf spezia lisiert», so Sara. Ihr Wissen über US-Cars und deren professionelle Restaurierung sowie den Bau von Stretchlimousinen hat Sara in einem renommierten Betrieb in Las Vegas weiter ausgebaut, bis sie 2013 zurück in die Schweiz kam, wo sie bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber einen Job fand. Doch bereits ein Jahr später musste dieser Konkurs anmelden, und Sara musste sich neu orientieren. «Zwar hatte ich bereits eine neue Stelle in Aussicht, doch dann hat mich eine Kollegin darauf aufmerksam gemacht, dass die Halle hier in Kaltbrunn frei wäre und ich mich doch mit einer eigenen Garage selbstständig machen könnte», so Sara und weiter: «Im ersten Moment war ich hin- und hergerissen, doch mir die gefiel die Idee und ich setzte alles auf eine Karte.»
Einzige Two-Girls-Garage in der Schweiz Heute schmeisst Sara ihre Garage zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Sandra Brüllmann, die ebenfalls Benzin im Blut hat, als reine FrauenGarage, die einzige Two-Girls-Garage in der Schweiz, wie sie selber sagt. Sara: «Dass wir heute eine reine Frauen-Garage sind, ist reiner Zufall. Als ich vor gut einem Jahr einen Mit arbeiter gesucht habe, war mir das Geschlecht völlig egal. Sandra war von all den Bewerbern die beste.»
Ein weibliches Schrauber-Duo sorgt hierzulande für Aufmerksamkeit, in den USA ist das bereits Alltag. Das liegt vor allem auch an der bekannten TV-Show «All Girls Garage». Die Fernsehserie läuft seit 2012 über die amerikanischen Bildschirme und zeigt drei Autome chanikerinnen, die sich pro Folge der Restaurierung und Wiederbelebung eines Autos widmen. Natürlich hat die TV-Show auch bei Sara Eindruck hinterlassen. «Mittlerweile tausche ich mich mit Sarah «Bogi» Lateiner, der Begründerin der All Girls Garage, regelmässig über Instagram aus, und ich hoffe sehr, dass ich sie bald mal besuchen kann», sagt Sara.
Die gute Ute Doch nicht nur die «All Girls Garage» inspiriert die 46-jährige Schweizerin, auch der «american way of life» und vor allem die amerikanischen Autos. «Mein Leidenschaft gehört den US-Cars. Wir bedienen zwar alle Marken und machen es auch gern. Ich komme aber aus der USCar- und Classic-Szene und habe in diesem Bereich auch jahrelange Erfahrung.» Ein Auto hat es ihr dabei ganz besonders angetan. Der Holden Ute. Die australische Ikone ist ihr Ein und Alles. «Ich war einige Male in Australien und immer schon ein grosser Fan der zweisitzigen Pick-ups von Holden. Es war immer ein Traum, und letztes Jahr hat es geklappt und ich konnte mir in Australien einen Holden Ute besorgen und in die Schweiz überführen», sagt Sara und strahlt.
Ihre Leidenschaft für Autos hat Sara bereits in die Wiege gelegt bekommen. «Mein Vater war ein leidenschaftlicher Hobbyschrauber und schon von Kindesbeinen an hab ich am Wochenende mit in der Garage an seinen Autos herumge schraubt. Damals konnte man das ja noch, heute ist das nicht mehr
Sara Kurath (M.) mit ihrer Mitarbeiterin Sandra Brüllmann (r.) und Schnupperstiftin Tiziana (l).
möglich», sagt Sara und lacht. Doch dass sie eines Tages selbst eine Garage besitzen würde, glaubte niemand. «Ich wusste eigentlich recht schnell, dass ich Automechanikerin werden wollte, doch meine Mutter war wenig davon überzeugt. Sie hat mich dann überredet, eine Schnupperlehre als Koch zu machen.» Doch mit den Kochlöffeln konnte Sara wenig anfangen, lieber hielt sie Schraubenschlüssel und Zange in der Hand. Und so absolvierte sie eine vierjährige Ausbildung zur Automechanikerin – damals noch als eine von wenigen jungen Frauen.
Reparieren mit Herzblut «Dass ich damals eine der wenigen Frauen war, die Automechanikerin lernten, war mir nicht wirklich bewusst», sagt Sara und weiter: «Natürlich gab es immer Vorurteile und die gibt es auch heute noch. Aber ich habe mir immer gesagt, ich mach einfach meinen Job.» Und das tut sie bis heute aus voller Überzeugung. Sara: «Für mich ist es nicht einfach eine Arbeit, die erledigt werden muss. Ich bin bei jeder Reparatur mit Herzblut dabei.»
Allein die Tatsache, dass sie eine eigene Garage besitzt, sei für viele undenkbar. Doch damit kann Sara leben. «Was mich nervt, sind vor allem die, die nicht verstehen wollen, dass wir hier wirklich hart arbeiten», so Sara, und sie fügt an: «Neulich habe ich ein Autoinserat online gestellt, da meldete sich plötzlich ein Herr und dachte, das Verkaufsinserat wäre eine Single-Anzeige. Das ist unglaublich und einfach nur nervig.» Zum Glück sind das nur Einzelfälle, und über die Jahre hat sich das Können und das Know-how von Sara und ihrer Mitarbeiterin herumgesprochen.
Je kniffliger, umso besser Eines der Steckenpferde von Sara sind knifflige Fälle, bei denen andere Garagisten längst den Schraubenschlüssel in die Ecke geworfen hätten. «Das ist bestimmt etwas, das uns auszeichnet. Wir stellen uns jeder Herausforderung. Wir schweissen, revidieren, verbinden Stromkreise, wo andere nur Chaos sehen. Unsere Kreativität ist unsere Stärke.» Dazu gehört auch das interna tionale Netzwerk, das sich Sara über ihre Tätigkeit aufgebaut hat. «Dank meinen Kontakten in die ganze Welt kann ich Ersatzteile beschaffen, die man nicht mehr überall findet, das ist ein grosser Vorteil. Und sollte es mal kein Ersatzteil geben, stellen wir es einfach selbst her.» Eine grosse Hilfe dabei ist auch Instagram. «Wir betreiben seit gut zwei Jahren einen Instagram-Account. Und haben dadurch viele Kontakte zu neuen Kunden und zu anderen Garagisten rund um den Globus aufgebaut. Es braucht aber auch Zeit, und ich habe ja auch noch eine Garage», sagt Sara und lacht.
Diese Fachkompetenz für US-Cars und andere Classic Cars bekannter und weniger bekannter Marken hat der Automechanikerin auch eine Nominierung für den Swiss Classic Award 2020 in der Kategorie «Rookie» eingebracht.
www.sarasgarage.ch
Ihr Partner für das kundenfreundliche Autohaus: AWS Architekten AG AWS Architekten AG
Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung: – Beratung und Planung beim Neu- und
Umbau von Autohäusern und Garagen – Bedarfs- und Standortabklärungen sowie Analysen – Massgeschneiderte Lösungen mit klarem Kostendach – Betriebsablauf-Optimierungen – Kosten-Evaluation, Verkehrswertschätzungen, Nutzungsstudien Gerne stehen wir Ihnen für ein unverbindliches Beratungsgespräch zur Verfügung.