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Das Akku-Geheimnis
Das Batterie-Geheimnis
Der Trick mit echten Zahlen
Wie gut ein E-Auto ist, hängt primär von seinem Akku ab. Dessen Fassungsvermögen wird von den Herstellern aber teils sehr unterschiedlich angegeben. Dass es Brutto- und Netto-Kapazitäten gibt, hat nur zum Teil mit notwendigen Maßnahmen zu tun.
Immer diese Reichweite. Die ultimative Messlatte für die Güte eines Elektroautos. Wer vorn liegt, kann auf dem Markt punkten. Was einst etwa die Beschleunigung von null auf 100 km/h war, ist nun eine Kilometeranzahl, die aber nur scheinbar leicht zu überprüfen ist. Nimmt man nämlich die Größe der Batterie und den Prospektverbrauch des jeweiligen Modells, müsste man doch schnell herausfinden können, wie weit man mit den gespeicherten Kilowattstunden kommt, oder? In der Praxis gab es auch bei den Tests von electric WOW immer wieder Diskrepanzen zwischen dem, was auf dem Papier errechnet und dem, was auf der Straße erfahren wurde. Anfangs vermutet man eine Gaukelei à la NEFZ-Zyklus (lang ist es her). Doch die Wahrheit liegt ein wenig anders. Denn streng genommen hat ein Akku zwei Werte, wobei es bei den Herstellern keine einheitliche Angabe gibt. Und auch sonst ist die Aussage gering.
Begriffsbestimmung
Sowohl bei Brutto als auch bei Netto geht es immer um die im Akku gespeicherten Kilowattstunden. Der Brutto-Wert ist der All-in-Wert eines Stromspeichers, er beziffert die maximale Energiemenge, die eine Batterie speichern kann. Gerne wird hier vom SoC, dem State of Charge, geredet. Dieser Ladezustand liegt, wenn vollgeladen, bei 100 Prozent. In der Praxis wie null Prozent, also die völlige Entladung des Akkus, zu vermeiden. Beides ist für die Speicherzellen nicht gesund und schlägt sich auf die Lebensdauer. Man greift zu seiner eigenen Sicherheit also ein paar Prozente seiner Kapazität nicht an, pumpt ihn also nie ganz voll und behält immer ein paar Ampereschweinchen in den Zellen. Was nach dem Abzug dieser übrig bleibt, also die dann effektiv nutzbare Menge an Kilowattstunden, ist der sogenannte Netto-Wert. Diesen nennt man auch nutzbaren SoC, sprich: Egal wie groß ein Akku auch ist, er ist nie zu Man hält bewusst ein paar 100 Prozent nutzbar, sondern eher nur zu 80 bis 90 Prozent. Hier aber fangen Prozente zurück, die erst im Laufe die Unterschiede der Hersteller erst an. der Zeit freigeschaltet werden.“ individuelle Puffer Es ist nämlich nicht näher festgelegt, wie groß diese Sicherheitsbereiche ausgelegt sein müssen. Manche Firma geht auf Nummer sicher und sperrt mehr Zellen elektronisch weg. Andere hingegen bewegen sich im absoluten Mindestbereich. Oft sind die Werte nur schwer zu bekommen und neben der puren Notwendigkeit, einen Teilbereich der Zellen zu deaktivieren, kann man diese Technik auch dazu benutzen, die Haltbarkeit virtuell ein wenig zu dehnen. Man hält bewusst ein paar Prozent zurück, die erst im Laufe der Zeit freigeschaltet werden, damit man die gesetzlich vorgeschriebene Haltbarkeit über den Garantiezeitraum auch wirklich gewährleisten kann. Sprich: Im Prospekt können beispielsweise 50 kWh Fassungsvermögen stehen. Der Akku hat in Wahrheit aber 60. Fünf werden jetzt aus Sicherheitsgründen abgezogen und die restlichen fünf kWh spart man sich deswegen auf, damit auch noch nach acht Jahren genügend Potenzial im Stromspeicher vorhanden ist. Diese Taktik ist zwar nicht weit verbreitet, aber dennoch Praxis. Variable Größen Ob und wie starr die notwendigen Sicherheitszonen in der Elektronik hinterlegt sind, ist ebenso nicht einheitlich geregelt. Bits und Bytes sind schließlich noch geduldiger als Papier, zudem aber variabler, und so gibt es Fälle, die im Alltagsbetrieb, dem tagtäglichen Pendeln von Stau zu Stau zu Ladestation, die Pufferbereiche besonders großzügig auslegen. Die Laufleistung ist gering, selten fällt einem hier diese digitale Beeinträchtigung auf. Der Akku aber bleibt immer im für ihn optimalen Ladebereich von circa 30 bis 80 Prozent. Wer sein E-Mobil lang nur in der Stadt bewegt, kann entsprechend die Lebensdauer des Akkus deutlich erhöhen. Benötigt man mehr Reichweite, switcht die Elektronik schnell auf ein anderes Kennfeld, gibt also mehr Reichweite frei, indem sie die nutzbare Kapazität der Batterie erhöht. Ob es hierbei aber nach Gaspedalstellung, GPS-Daten oder gewählter Geschwindigkeit geht, bleibt ein weiteres großes Geheimnis diverser Hersteller. Je größer, desto stabiler Dann gibt es noch den Fall der Batteriegrößen, die es noch schwerer machen, einen exakten Netto-Wert bestimmen zu können. Deren
Fassungsvermögen hat nämlich großen Einfluss darauf, wie groß die SoC-Bereiche ausgelegt sein müssen. Grundsätzlich geht es meist darum, die Speicherkapazität über den gesamten Garantiezeitraum im erlaubten Bereich zu halten. Das heißt also: Nach einer bestimmten Zeitdauer und/oder Laufleistung muss immer noch eine vertraglich zugesicherte Menge an Speicher in den Batterien vorhanden sein. Nachdem die Lithium-Ionen-Akkus vor allem während des Ladens altern (der so genannte zyklische Alterungsprozess), ist die Zahl der Generell ist zu sagen: Ladezyklen also der kritische Wert. Hier sind kleine Je mehr kWh ein Akku Batterien im Nachteil: fasst, desto höher ist Wer weniger fassen kann, sein Netto-Wert.“ muss häufiger laden. Bei gleicher Laufleistung können kleinere Batterien also einen höheren Verschleiß aufweisen. Große Traktionsbatterien haben meist einen kleineren Puffer einprogrammiert als ihre schlankeren Kollegen. Das ist besonders tricky, wenn es für ein und dasselbe Modell unterschiedliche Batteriegrößen gibt, da bedarf es also mehrerer Brutto-Netto-Angaben. Generell ist zu sagen: Je mehr kWh ein Akku fasst, desto höher ist sein Netto-Wert.
unbekannte Größe
Wo die gewieftesten Konzerne kaum Einfluss haben und was man wirklich nirgends nachlesen kann, ist der Bereich, den die Zellproduzenten freigeben. Dabei handelt es sich meist um eine ziemlich eng abgegrenzte Spannungsregion, die man auf keinen Fall verlassen sollte. Sinkt man zu weit ab (wird also zu stark entladen), bildet sich in den Zellen aus den Lithium-Ionen metallisiertes Lithium, was zu unschönen Kurzschlüssen führen kann. Überschreitet man die vorgeschriebene Volt-Zone, überlädt man den Akku also, könnte es zu Feuergefahr kommen. So gesehen gibt es also schon bei den Zellen an sich einen Brutto- und NettoWert. Das, was die Autohersteller also als technischen Brutto-Wert angeben, ist in Wahrheit das, was für die Zellhersteller eh schon nur der Netto-Wert ist.
das sagt der Profi
Dipl.-Ing. Nikolaus Mayerhofer ist CTO bei Aviloo, wo man sich mit dem Gesundheitszustand von Akkus beschäftigt und diesen exakt mittels BatterieDiagnosesystem bestimmt. Wie viel der ursprünglichen Kapazität steckt noch in den Zellen? Eine Frage, die Mayerhofer dank eigens entwickelter Technik beantworten kann. „Bei fast allen Autos gibt es einen Puffer. Das ist eine klare Strategie und hat nichts mit Betrug zu tun. Es geht nur darum, die Lebensdauer der Batterie zu erhöhen.” Was Mayerhofer im Lauf der Praxis aufgefallen ist: „Der eine Hersteller hat im Bereich der Vollladung fünf Prozent und am unteren Ende des Ladezustands acht Prozent, andere haben nur ein Prozent. Tesla zum Beispiel hat oben gar keinen Puffer, voll ist in diesem Fall also auch wirklich voll, also 4,2 Volt Zellspannung.” Am unteren Ende der Spannung riskiert jedoch kein Hersteller, ans Limit zu gehen. Mayerhofer: „Leer gelten Akkus meist mit 2,7 Volt. Ist hier kein Puffer vorgesehen, geht es dann ganz schnell bergab. Schließlich fließt in einem Auto immer ein bisschen Strom, auch wenn man es stehen lässt.” Sein Tipp für einen gesunden Akku: „Regelmäßiges Vollladen, so gut es geht, vermeiden. Der beste State of Charge für längere Standzeiten ist zwischen 30 und 60 Prozent. Nur wer wirklich weit fahren will, sollte 100 Prozent laden, diesen Status aber nicht lang halten.“ Nach dem Aufladen also bald losfahren!
Wie sieht es mit Liegenbleibern aus? „Der angegebene Wert der verbliebenen Reichweite bezieht nicht den Puffer mit ein. So kann je nach Fahrzeugtyp und damit dem installierten „unteren“ Puffer teilweise noch einiges an Energie angezapft werden. Wir sehen das bei einem unserer Firmenwagen. Bei null Prozent schaffen wir immer noch 16 Kilometer an Reichweite.” Fährt man die Batterie des Elektroautos in seltenen Fällen wirklich leer, schadet das keineswegs, sofern die Batterie nach kurzer Zeit wieder geladen wird.
Kapazität auf Knopfdruck
Und warum verkünden einige Hersteller so gern den Brutto-Wert? Ganz einfach: Es klingt nach mehr! Reichweite ist schließlich Trumpf, der Eindruck zählt. Noch spannender wird es, wenn manch Firma dank dieser Brutto-Netto-Trickserei Modelle mit unterschiedlichen Reichweiten anbietet, die jedoch immer den gleichen Akku verbaut haben. Interessanterweise handelt es sich hier um den oder die gleichen, die dann auch wie von Zauberhand über Over-the-Air-Updates die Kapazität erhöht haben … In eigener Sache: Bei uns finden Sie im Normalfall Netto-Angaben in den Datenkästen. • (RSC, Fotos: Shutterstock, Redaktion)