Lyrotische Augenblicke

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Es war meine Angst, deine Zukunft mit kühlen Schatten dunkler Erinnerung zu benetzen, den klaren Spiegel deiner Seele mit dem Schweiß der Begierde zu trüben, dem Regenbogen des Moments das Licht zu rauben. Also trat ich zurück, meine Netzhaut verschlang dein Bild und ich ruderte, lautlos das Meer zerteilend, zurück auf meine unbekannte Insel. Dort kann ich mich, wann immer ich will, endlos nach dir sehnen.


Warten wir noch aufeinander... im Schnee... in der Sonne eines kalten Tages... oder sind wir so sehr in uns gefangen, dass selbst das leise und unendlich stete Rollen des Mondes unsere Sinne bet채ubt?


Hier hattest du mir gezeigt, was “warten� bedeuten kann und wie nah dieses Warten dem Erwarten ist. Ich warte ohne zu erwarten. Das ist die schwerelose Sehnsucht. Das ist die schmerzfreie Sehnsucht.


Es war nicht dein Fleisch, das meinen winterlichen Körper mit sommerlicher Hitze einhüllte. Es war nicht wildes Verlangen, das mich in deine warmen Arme trieb. Es war die Sehnsucht nach Geborgenheit und das kindliche Tasten nach einer neuen Dimension in meinem Leben. Die Jahre verändern unser Fleisch, nicht unsere Sehnsucht.


Wie sollen wir die Unendlichkeit unserer ersten, köstlichen Berührung vor dem Verblassen bewahren? Vor dem Herbst des Wissens, dem Winter der Gewohnheit? Indem wir die Flamme unserer kindlichen Neugier nähren. Indem wir innehalten in der Geburt des Augenblickes. Indem wir dem Rasen unserer inneren Uhr, diesem unerbittlichen Metronom unseres Herzens, Einhalt gebieten Solange wir uns in der Kunst des Innehaltens üben, wird immer wieder die Unendlichkeit bei und verweilen.


Am Ende des Regenbogens gibt es ein Land, in dem selbst an den heißesten Tagen im Jahr, immer etwas Schnee auf den Wiesen liegt. Angenehm kühlt dieser Schnee die heiße Haut, erfrischt den schwülen Wind. Em Ende des Regenbogens liegst du in deiner nacktesten Haut...


Hätte ich dich erobern können, an jenem kühlen Morgen? War ich zu zaghaft? Oder hatte ich ganz einfach Angst, das Band zu zerreißen, dieses unsichtbare Band aus Bangen, Beben und kindlichem Hoffen...


Du nanntest mich dein Alphabet der Liebe von Adonis bis Zephyr. Ich schmeichelte dir mit den warmen Blütenblättern der Rose, besiegte dich mit dem geschürzten Kelch der Narzisse. Im kühlen Bach der Erinnerung weiß ich, dass wir einander niemals geöffnet haben.


Du bist vor meinen Augen in das eiskalte Wasser gestiegen und in den Abend geschwommen. Ich folgte dir, konnte dich aber nicht erreichen. Wir sind so oft gemeinsam geschwommen, haben uns jedoch bis heute nicht erreicht.


Nimm mich, nimm mich, wann immer du willst. Nimm mich in meiner nacktesten Haut und wärme dich an mir. Verspeise mich, stille deinen Hunger an mir und wenn ich dich gesättigt habe bin auch ich gesättigt. Sieh mich an und erfülle mich mit dem tiefen See deiner Augen bis ich überfließe und dich mit mir erfülle.


Ich trage dich überall hin... Wohin ich gehe, ich nehme dich mit... Du bist mir überall nah... Du schlummerst stets in mir... du begegnest mir jederzeit... Du strömst in meinen Adern... Du wärmst meine Haut... Du nimmst von mir Besitz.


Wie sollen wir die Unendlichkeit unserer ersten, köstlichen Berührung vor den Verblassen bewahren? Vor dem Herbst des Wissens, dem Winter der Gewohnheit? Indem wir die Flamme unserer kindlichen Neugier nähren. Indem wir innehalten in der Geburt des Augenblickes. Indem wir dem Rasen unserer inneren Uhr, diesem unerbittlichen Metronom unseres Herzens, Einhalt gebieten. Solange wir uns in der Kunst des Innehaltens üben, wird immer wieder die Unendlichkeit bei uns verweilen.


Warum zerstören wir so vieles, was wir lieben und was von anderen geliebt wird? Wie können wir weiterleben, als währe nichts geschehen? Wie können wir gehorchen, wenn ein Mensch uns befiehlt, Leben zu zerstören?


Ich hatte dich vergessen... irgendwo und irgendwann in meinem Leben vergraben. Aber nichts geht verloren, so lange wir leben. Wir kĂśnnen die Zeit nicht zurĂźck drehen, aber wir kĂśnnen in ihr wandern, sie gestalten und immer neu erleben.


Der Schnee legt sich 端ber unsere Erinnerung. Wir h旦ren auf, zu verstehen. Was deckt er zu, der Schnee, der kalte Bruder? Den weichen Fr端hling ... den sanften Fr端hsommer ... den kraftvollen Hochsommer ... den strahlenden Herbst ... den nassen Oktober ... die Gedanken an dich ...


Im warmen Schatten der versteckten Ruine hast du mir gezeigt wie viele Farben das Dunkel und wie endlos viele Momente eine Sekunde hat.


B채ume sind wie Frauen. Sie sind eigensinnig kraftvoll verwundbar lebensspendend 체berraschend w채rmend k체hlend und sie bleiben in Erinnerung.


Als der schwere Wein der Nacht sich mit den flüchtigen Tränen das Morgens vermählte öffnetest du mit einer zarten Geste den Gordischen Knoten der mein Herz verschlossen hielt. Die überraschend zarte Berührung deiner warmen Finger öffnete meine Lider und ich sah in das klarste, tiefste Meer. Dann ludst du mich ein, darin zu ertrinken. Auf diese Weise will ich tausend Tode sterben.


Zwischen zwei Wassern lagen wir. Zwischen dem großen Meer der Erwartung und der munteren Quelle der Verzückung. Zwischen zwei Tälern lagen wir. Zwischen dem Tal des Vergessens und dem Tal des Zweifels. Zwischenzwei Monden lagen wir. Zwischen den heißen Mond des Verlangens und dem zerbrechlichen Mond des Morgens danach. Zwischen den Zeiten liebten wir uns. Inmitten der Unendlichkeit.


Hier, Geliebte, im heiĂ&#x;en Nabel Zentralspaniens, sitze ich im einzigen Cafe des Ortes und denke ganz an dich...


Du schรถnes Weib, du schรถnes Tier, du weiches, wunderbares Wesen. Du duftender Dornenstrauch v o l l e r ร berraschungen . Du Juli im Dezember. Du warmes, gebendes Blut,




Im wolkenweichen Morgen liegst du, taubenetzt, in meiner sĂźĂ&#x;esten Erinnerung. Mit meinen Gedanken liebkose ich dich. Mit meinem Verlangen wecke ich dich. Durch mein Erinnern gerät das Vergangene in Wallung, schalte ich die Zeit aus, erlebe ich dich immer wieder.


Lyrotische Augenblicke Bider und Texte von Hendrik Wiethase




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