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Engagiert fürs Val Lumnezia

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Tipps & Trends

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WILDHÜTERIN

Im Auftrag der Natur

Schon als Kind war Pirmina Caminada am liebsten draussen unterwegs. Als Graubündens erste weibliche Wildhüterin hat sie es zu ihrer Berufung gemacht, Natur und Tiere zu schützen. Denn sie weiss: Nur wenn es der Natur gut geht, geht es auch uns Menschen gut.

Wildhüter ist ein sehr traditionsreicher Beruf. Seit 150 Jahren wird er hauptsächlich von Männern ausgeübt. Woran liegt das?

Ursprünglich galt der Wildhüter als Männerberuf, der sich im Lauf der Zeit jedoch stark gewandelt hat. War man früher noch oft bewaffnet unterwegs, um als Kontrollorgan durch die Wälder zu streifen und Tiere vor Wilderern zu beschützen, ist der Beruf heute wesentlich vielseitiger und abwechslungsreicher. Wir schreiben Stellungnahmen und vertreten die Interessen von Natur und Wildtieren. Indem wir neue Tierarten und die Zusammenhänge der Natur erklären, leisten wir viel Öffentlichkeitsarbeit. Ich bin davon überzeugt, dass als Wildhüterin die Fachkompetenz im Vordergrund steht und dass Frauen viele positive Aspekte zu diesem Beruf beitragen.

Warum wollten Sie Wildhüterin werden?

Ich war immer schon sehr naturverbunden und habe mich für alles interessiert: Kräuter, Vögel, Wildtiere, Landschaften, die Schönheit der GreinaHochebene. Ich bin auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen – im Kreislauf der Natur. Unsere Familie hatte eine Beziehung zu jedem einzelnen Huhn, Rind oder Schaf. Ich fand es spannend, die Natur nicht nur als erlebbare, sondern auch als nährende Landschaft zu entdecken, die dem Menschen guttut und als Heilmittel dient. Das beeinflusste meine Wahrnehmung vom Leben. Wir sind Teil des Kreislaufs und abhängig von der Natur. Wenn wir sie nicht achten, können wir früher oder später alle einpacken. Der Wunsch, mich als Wildhüterin ausbilden zu lassen, kam aber erst mit 45 Jahren.

Neben Wildhüterin sind Sie zudem noch Kräuterexpertin, Natur- und Umweltfachfrau und Jägerin. Was oder wer hat Sie inspiriert?

Als Kind war ich immer sehr viel draussen und allein auf Entdeckungsreise. In der Natur verlor ich buchstäblich das Zeitgefühl, sodass sich meine Eltern oft Sorgen gemacht haben. Vor allem abends wurde es spannend. Ich hatte nie Angst vor der Dunkelheit. Sie gab mir Geborgenheit und zeigte ein unglaubliches Naturschauspiel. Ich war immer ganz nah an den Wildtieren dran, am wilden Fluss und überall, wo es etwas zu entdecken gab. Das hat mich sehr geprägt.

Das Val Lumnezia ist Ihr Reich. Könnten Sie sich jemals darin verirren?

Wohl eher nicht, denn ich kenne tatsächlich so gut wie jeden Stein im Tal. Ich geniesse es, unsere Landschaften unterschiedlich zu lesen. Als Wildhüterin achte ich darauf, wie es den Wildtieren und ihrem Lebensraum geht. Als Kräuterfachfrau schaue ich, wo was wächst. Ich befasse mich

auch viel mit Kraftorten. Bei uns gibt es zahlreiche Orte, wo man den Energielevel anheben kann. Es ist ein Privileg, dort zu arbeiten, wo andere Ferien machen. Das Val Lumnezia ist eines der letzten Täler, wo die Wasserkraft nicht ausgebaut worden ist. Wo der Fluss noch frei fliessen kann. Das wirkt sich positiv auf Körper, Seele und Geist aus.

In Ihrem Buch «Orte der Magie» beschreiben Sie genau diese Kraftorte im Val Lumnezia. Was genau macht einen Kraftort aus?

Es sind Orte, an denen man sich unverzüglich wohlfühlt. Das kann auch ein Baum oder ein Stein sein. Im Val Lumnezia haben wir viele dieser Orte. Mithilfe energetischer Messungen kann man vor Ort auf- oder absteigende Energien in Bovis-Einheiten testen. Es gibt sogar Kraftorte, die so stark sind, dass es Menschen zu viel werden kann, wenn sie nervlich gerade nicht so stabil sind. Das kann sich in Schwindel, Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen äussern.

Können Sie uns Ihren Arbeitsalltag beschreiben?

Der hängt von den Jahreszeiten ab. In der Natur haben wir Zyklen, keine lineare Zeitmessung in Jahren. Im Frühling kümmern wir uns um den Wildnachwuchs, nachts zählen wir mit Wärmebildkameras die Hirsche. Anhand dessen erstellen wir den Jagdplan. Im Herbst überwachen wir die Jägerinnen und Jäger und prüfen die Gesundheit der geschossenen Tiere. So behalten wir den Überblick und stellen sicher, dass wir die starken und gesunden Tiere schützen. Im Sommer und Winter gibt es viele Touristen. Es ist wichtig, dass sich diese an die Regeln halten, sodass die Wildtiere nicht gestört werden und in Ruhe Fettreserven für den Winter anfressen können. Dann gibt es auch administrative Aufgaben zu erledigen wie etwa Stellungnahmen zu Baueingaben.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?

Der Kontakt mit den Tieren. Wenn im Frühling die Kleinen auf die Welt kommen, beglückt das mein Herz. Zu erleben, wie Gämsen schon zwei Stunden nach der Geburt aufstehen und quickfidel sind, ist einfach fantastisch. Oder wenn ich einen Bartgeier – den grössten Vogel Europas mit einer Flügelspannweite von 2,8 Metern – von Nahem beobachten kann. Mein Beruf beinhaltet viele Momente, in denen ich über die Natur nur staunen kann.

Starkes Duo: Mit ihrer Hündin Leyla streift Pirmina Caminada täglich durch die Wälder im Val Lumnezia.

Als Natur- und Umweltfachfrau befassen Sie sich mit Klima- und Naturschutz. Wie muss man Ihrer Meinung nach das Val Lumnezia schützen?

Naturschutz hat immer mit Selbstliebe zu tun. Wenn man sich selbst gernhat und die Schönheit der Natur wertschätzt, ist man auch bereit, die Natur zu schützen. Sie ist unsere Lebensgrundlage. Wenn es sie nicht mehr gibt, gibt es auch uns nicht mehr. Greift man zu sehr in die Natur ein, brechen ihre Kreisläufe zusammen. Man muss sie genau studieren, um sie zu verstehen und in ihrem Sinn zu agieren. Sonst kann es passieren, dass eine Landschaft austrocknet, nachdem man die falschen Bäume gefördert hat. Kann ein Fluss nicht frei fliessen, kann das Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit des ganzen Tals haben. Es ist wichtig, nachhaltig und respektvoll zu handeln. Die Landwirtschaft soll mit der Natur mitarbeiten und nicht versuchen, das Maximum aus ihr herauszuholen. Andernfalls funktionieren zahlreiche Kreisläufe und Zusammenhänge nicht mehr, was schlimme Auswirkungen für Mensch und Tier hat, wie wir es in vielen Teilen der Welt bereits sehen.

Wie gestalten Sie Ihre Freizeit? Haben Sie einen Fernseher zu Hause?

Nein, habe ich nicht. Wenn ich eine Sendung anschauen möchte, nutze ich das Internet oder organisiere einen Kinoabend. Nachrichten verfolge ich auch nur begrenzt. Viel lieber geniesse ich den Moment und das Leben: miteinander kochen, den Austausch mit Freunden, das Familienleben, Grossmutter sein, Zeit in der Natur oder tolle Konzerte. Vor Kurzem hat mich die amerikanische Sängerin Snatam Kaur live in ihren Bann gezogen. Das war richtig magisch.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Im Moment wünsche ich mir Frieden, vor allem Frieden mit sich selbst. Wenn wir uns unserer Werte bewusst sind, können wir eine Welt kreieren, in der ein bereicherndes Zusammenleben möglich ist. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen ihrem Herz und weniger ihrem Kopf folgen. Wenn wir uns bewusst sind, wie viel Schönes wir im Alltag erschaffen können, können wir vieles zum Positiven verändern.

Zur Person

Alter: 53 Jahre Wohnort: Surcasti Mein Ort der Magie: Überall, wo ich mich als Teil des Ganzen fühle

Mit diesem Tier fühle ich mich verbunden:

Steinbock Hobbys: Biophilie – die leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen mit dem Wunsch, alles Wachstum zu fördern

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