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Klangmagier und Fährimaa: Mich Gerber

Klangmagier mit Kontrabass und Fährimaa

INTERVIEW MIT MICH GERBER

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Der Berner Musiker Mich Gerber (63) ist ein Ausnahmebassist, der eine Stilrichtung entwickelt hat, die irgendwo zwischen Klassik, Electronica, alter Musik und dem Volkslied, zwischen Orient und Okzident zu verorten ist – seine eigene Weltmusik, bei der er dem Kontrabass die Solostimme gibt und ihn so zum Singen bringt. Bekannt wurde er durch Auftritte an grossen Openairs wie beispielsweise dem Gurtenfestival, Paléo oder dem Montreux Jazzfestival. Seit bald 15 Jahren spielt er seine abendlichen Konzerte «L’heure bleue» im Herbst auf der Bodenackerfähre. Als Fährimaa bringt er dort jeweils auch die Leute vom einen zum anderen Ufer.

Interview Michèle Freiburghaus, Foto Remo Eisner

Was bedeutet Dir die Aare? Flüsse finde ich ganz generell faszinierend, sie symbolisieren für mich die Ewigkeit. Sie unterliegen einer zuverlässigen Kontinuität und sind doch immerzu in Bewegung. Die Aare hat eine unglaublich majestätische und energiegeladene Ausstrahlung, das gefällt mir. So ist auch jede Überfahrt mit der Fähre anders, die Aare ist lebendig und spricht mit ihren Wirbeln stets eine neue Sprache.

Was hat Dich als Musiker dazu bewogen, Fährimaa zu werden? Angefangen hat alles mit den «L‘heure bleue»-Konzerten vor bald 15 Jahren. Als eine Stelle als Fährimann frei wurde, haben sie mich angefragt. Für mich ist es der ideale Job neben dem Musizieren – denn es ist beruhigend und unkompliziert. Flexible Arbeitszeiten geben mir zudem viele Freiheiten und es ist einfach schön, einen ganzen Tag auf der Aare zu verbringen.

Welche Stimmung gefällt Dir jeweils am besten, wenn Du auf der Fähre arbeitest? Ich mag es zu beobachten, wie sich das Licht im Laufe des Tages verändert. Das Sonnenlicht am Morgen oder die kleinen Nebelschwaden auf der Aare und auch, wenn es geschneit hat, ist es einfach grandios – oder bei prallem Mittagslicht. Am liebsten ist mir aber doch die Abendstimmung: zuerst mitzuerleben, wie das Licht flacher und wärmer wird – ich schaue gerne nach Westen, weil dort das schönste Farbenspiel der Dämmerung stattfindet – bis schliesslich zur blauen Stunde. Oft wird das Licht unmittelbar nach Sonnenuntergang flach, um wenig später nochmals eine wunderbare Stimmung an den Himmel zu zaubern. Ein französischer Dichter hat einmal geschrieben, dass die blaue Stunde das Geschenk des Tages an die Nacht sei.

Welches Erlebnis hat Dich am meisten beeindruckt, traurig gemacht oder amüsiert? Die Zeit der Überfahrt ist halt relativ kurz, daher sind es eher die vielen kleinen Momente, die Freude machen. Andererseits symbolisiert die Fähre den Übergang in eine andere Welt, sodass auch grosse emotionale Momente auf der Fähre stattfinden. Wir hatten auch schon Wasserbestattungen sowie Heiratsanträge und Hochzeiten. Der Fluss ist halt sehr nahe am Leben. Es arbeiten noch andere Kulturschaffende auf der Fähre? Wir sind zu fünft, allesamt vor allem Lebenskünstler.

Was machst Du jeweils während den Wartezeiten im Hüsli? Die Zeiten zwischen den Überfahrten sind für mich keineswegs Wartezeiten. Ich nutze die Momente, um auf meinem Kontrabass zu üben und zu komponieren. Und es gibt immer weniger davon, denn wir haben auch bei schlechtem Wetter oder im Winter erstaunlich viele Gäste.

Dein letztes Album von 2018 heisst «Shoreline» – Küstenlinie. Es sei ein leises Album, reduziert aufs Wesentliche, nur Kontrabass und Perkussion. Wie stark hat Dich die Aare zu diesem Werk inspiriert? Die Konzerte und meine Arbeit an und auf der Aare haben dieses Album natürlich stark geprägt. Meine Musik war schon immer fliessend und beeinflusst von diesem Zustand des «im Flussseins». Ich liebe ja das Wasser – auch Seen oder das Meer – und die Weite. Diesem Gefühl möchte ich mit meiner Musik Ausdruck verleihen.

Ist ein neues Album in Planung? Ich habe bereits neues Material, das ein bisschen in eine andere Richtung geht, so wie jedes meiner Alben stets eine andere Aussage hat. Trotzdem wird es meine Musik bleiben, instrumental, ohne Stimme, emotional, manchmal auch komplex. Aber ich weiss noch nicht genau, wann ich ein Album lanciere, ich muss dazu den richtigen Moment erwischen.

Simonetta Sommaruga hat in ihrem Präsidialjahr 2020 jeden Monat ein Musikstück empfohlen, unter anderem eines von Dir – was hat Dir dies bedeutet? Es hat mich natürlich geehrt und sehr gefreut. Ich finde Frau Sommaruga eine tolle Bundesrätin, die einen guten Job macht.

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Mit der Konzertreihe «L’heure bleue» bist Du nun rund 15 Jahre erfolgreich in der ganzen Schweiz unterwegs, auch auf der Fähre in Muri. Was waren Deine Überlegungen zu diesem Konzept? Ich wollte Open-air-Konzerte machen, bei welchen die Natur die Hauptrolle spielt. Wegkommen von der üblichen Konzertsituation im Freien, so, dass beispielsweise die Lightshow nicht von Scheinwerfern stammt, sondern von der herrschenden Atmosphäre, dem Wandel vom Tag in die Nacht. Und ich fand die Idee einer Bühne mitten im Fluss oder im See einfach bestechend.

Du bist ein international renommierter Musiker, trotzdem wirst Du wohl nie in der Hitparade landen oder viel Geld verdienen. Welches sind Deine Ziele als Musiker? Da bist du falsch informiert, ich war mit meiner Musik schon mehrmals in der Hitparade. Diese ist aber heutzutage kein Massstab mehr, da sich das Hörverhalten geändert hat und die CD-Verkäufe im Keller sind. Darum habe ich diese neue Konzertform erfunden: Konzerte an starken Orten, oft in der Natur und am Wasser, mit minimaler Infrastruktur und maximaler Weite. Ich möchte frei sein, mich nicht anpassen müssen, um die Musik zu spielen, die ich empfinde.

Du wohnst mit Deiner Partnerin ebenfalls in der Nähe der Aare, im Marzili. Was schätzt Du an Deiner Wohnsituation besonders? Es ist mir einfach total wohl, ich wohne schon sehr lange hier. Schön finde ich vor allem, dass es so tolle Leute hat im Haus, wir haben untereinander ein fabelhaftes Verhältnis. Aber auch die Lage ist fantastisch. Das Marzili ist ein sehr lebendiges Quartier.

Anzeige Du hättest von einer guten Fee drei Wünsche frei – welche wären es ausser Weltfrieden und einem coronafreien Leben? Für dieses Jahr wünsche ich mir trockene Witterung bei den Konzerten, damit ich sie durchführen kann, viel Zeit für mich zum Arbeiten am neuen Album und angenehme Gäste zum Übersetzen.

FÄHREN IN BERN

Die Bodenacker-Fähre beim Fähri-Beizli ist die einzige zwischen Thun und Bern. Teilzeit-Fähreleute, die von der Einwohnergemeinde Muri angestellt sind, befördern pro Jahr über 30 000 Gäste über die Aare. Von Mai bis August, täglich von 10 Uhr bis Sonnenuntergang; September bis April, Donnerstags geschlossen, sonst von 10 Uhr bis Sonnenuntergang.

Die Fähre Reichenbach verbindet die Stadt Bern und die Gemeinde Zollikofen seit über 275 Jahren. Anfänglich noch ausschliesslich für die Schlossdamen und Schlossherren, steht die Fähre in Reichenbach heute für jeden Fahrgast zur Überfahrt bereit. Saisonal jeweils von anfangs März bis Ende Oktober.

Die Zehendermätteli-Fähre verbindet Bremgarten mit dem Zehendermätteli Naturparadis in der schönen Aareschleife. Bei Niedrigwasser muss der Fährbetrieb eingestellt werden.

Portraits – nicht nur von Promis.

Bewerbungsfotos, Business- oder Privatportraits – auch für Social Media – in meinem Fotostudio im Breitenrain.

remo eisner photographie

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