So elegant wie ein Esszimmer wirkt der Konferenzraum. Tisch und Stühle sind ein Entwurf von Luigi Caccia Dominioni, einem Weggefährten der CastiglioniBrüder. Die Leuchte „The big one“ ist vom Norweger Jac Jacobsen, für Farbe sorgt nur Alessandro Mendinis frühe Version des Sessels „Poltrona di Proust“.
SCHWARZ AUF WEISS TEXT Cecilia Fabiani
FOTOS Filippo Bamberghi/Photofoyer
IHR STIL IST SO WELTLÄUFIG WIE SIE SELBST: DIE INTERIORDESIGNERIN BARBARA FALANGA AUS MAILAND HAT IN VIELEN LÄNDERN EUROPAS UND IN DEN USA GELEBT. JETZT WOHNT SIE IN IHRER HEIMATSTADT – IN EINEM APPARTEMENT-HAUS VON DESIGNLEGENDE GIO PONTI, DAS SIE IM MANHATTAN-STYLE GESTALTETE. 62 A & W 1/13
Aus der Serie „Masken und Geister“ von Giovanni Gastel ist das Foto, flankiert von „Toio“-Leuchten und „Proust“-Sessel.
Vom kleineren der beiden Salons hat man Zugang zur Terrasse – durch das Rautenmuster an den Wänden wird der Raum zur Gartenlaube, in welcher der zierliche Sessel von Jacques Adnet aus den 50er-Jahren wie ein Outdoormöbel erscheint. Auch das Tablett von Piero Fornasetti zeigt eine Scheinarchitektur.
Weiße Polstermöbel sind im Salon mit französischen Streifentischen der 1940er und Fotokunst von Urs Lüthi kombiniert. Schwarz-weiß heißt für Barbara Falanga Eleganz. So richtet sie sich ein, und das trägt sie auch. Ausnahme: die Brille.
Ein Meisterstück ist die Schreibkommode im Wohnraum, entworfen von Gio Ponti, bedruckt von Piero Fornasetti.
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Doch, hier wird gekocht: Die Küche mit ihren hochglänzenden Oberflächen aus schwarzem Lack und Marmor ist trotz aller Eleganz praxistauglich – außer man lässt sich von den psychodelischen Wandscheiben und -tellern von Piero Fornasetti irritieren. Die Fotos mit Obst und Gemüse machte Giovanni Gastel.
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Eine Geheimtür in der Wandverkleidung aus Metall führt vom Flur ins Schlafzimmer. Die Teppiche entwarf die Hausherrin.
Ein wandhoher Spiegel verdoppelt den Raumeindruck im Salon. Das kostbare Stück ist mit Tierkreiszeichen verziert und wurde von Gio Ponti in den 1930erJahren entworfen. In den Marmorvasen zwischen den weißen Sesseln sorgen rote Amaryllis für einen der wenigen Farbtupfer im Schwarzweiß-Ambiente.
Im Essraum stehen Möbel aus Frankreich und den USA der 1930er und 1940er, der Spiegelschrank dient als Hausbar.
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ies ist Mailand, nicht Manhattan.
Das muss betont werden, denn auf den ersten Blick würde man ein solches Appartement wohl eher an der Upper East Side erwarten: zehn Zimmer auf 330 Quadratmetern, gruppiert um einen 36 Meter langen Flur; das Interieur konsequent in Schwarz-Weiß gehalten. Die Wohnung nimmt die gesamte fünfte Etage eines schmalen, zehnstöckigen Backsteingebäudes aus den 30er-Jahren ein, dessen markanter halbrunder Erker sich über alle Etagen erstreckt und den Bau viel höher erscheinen lässt. Der Ausblick: ein Park – mitten in der Stadt. „Meine letzte Bleibe in New York war im Museum Tower, dem Wohnturm über dem MoMA. Der Central Park liegt da nur ein paar Straßen entfernt“, sagt Barbara Falanga wie zur Erklärung. Nun lebt die Interiordesignerin wieder in ihrer Heimatstadt und hat sich eine Bleibe zum Wohnen und Arbeiten geschaffen, die dem New Yorker Wohngefühl nahekommt und doch ganz und gar italienisch ist. Das Haus steht in den Stadtgärten der Porta Venezia, einem der wenigen großen Parks in Mailand, und
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es wurde 1932 von keinem Geringerem entworfen als Gio Ponti. Auch die Einrichtung stammt zum größten Teil von den Klassikern des italienischen Designs – von Franco Albini oder den Gebrüdern Castiglioni, von Piero Fornasetti, Alessandro Mendini oder Gio Ponti selbst. Und sogar die Fotokunst an den Wänden ist mehrheitlich von Italienern. Dazwischen: ein wenig Skandinavisches, ein paar Stücke aus Frankreich, Spanien, den USA oder der Schweiz. „Eklektisch“ nennt Barbara Falanga ihren Stil. Man könnte auch sagen: Er ist international und bleibt doch seinen Wurzeln treu – so wie sie selbst. Barbara Falanga verließ schon mit 20 Jahren Italien, um in der Schweiz, in England und in den USA Innenarchitektur und Bühnenbild zu studieren. „Mein Lebenslauf ist etwas ungewöhnlich, weil ich nie in einem Interiorbüro angestellt war, sondern mich noch sehr jung Mitte der 1970er-Jahre in New York gleich selbstständig gemacht habe“, erklärt sie. Ihr Leben hat sie zwischen den Staaten, Mailand und Paris verbracht, Häuser, Läden und Hotels in Frankreich, Italien,
in den USA und der Karibik gestaltet. Dreimal hat sie geheiratet, dreimal wurde sie geschieden, heute wohnt sie allein, von ihren beiden Katzen einmal abgesehen – ein sehr weltläufiges, selbstständiges und selbstbewusstes Leben. Das Appartement hat sie vor zwei Jahren gemietet, komplett renoviert und so aufwendig wie respektvoll gegenüber der Bausubstanz ausgebaut – von der originalen Ausstattung war nichts mehr vorhanden. Den Grundriss behielt sie bei, den Korridor – „heute verzichtet man ja eher auf Flure“ – betonte sie sogar noch, indem sie ihn auf ganzer Länge als Bibliothek nutzt. Er verbindet so auch die Wohnräume am einen Ende des Appartements mit dem Arbeits- und Konferenzbereich am anderen. Schlafzimmer, Ankleide und das prächtige Marmorbad liegen der Eingangstür gegenüber, verborgen hinter einer Wandverkleidung aus Metall – eine Art Bambuswald, den Andrea Salvetti eigens entwarf. Der toskanische Bildhauer und Designer ist ein guter Bekannter von ihr. Befreundet ist sie mit Barnaba, dem Sohn des großen Allround-Künstlers Piero Fornasetti www.awmagazin.de
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Eine Vase des Objektkünstlers Mimmo Palladino ist im Salon auf dem Marmortisch von Angelo Mangiarotti von 1970 platziert.
Prunkvoll mit schwarzem Marmor und Nostalgie-Armaturen ausgestattet wurde das Bad im vorderen Teil der Wohnung.
(A&W 6/2011), dessen magisch-surreale Trompe-l’oeil-Wandteller die Küche beherrschen. Die Räume sind alle großzügig geschnitten und hell, die Decken schmückt sparsam weißer Stuck, die Holzböden sind schwarz gebeizt, die Teppiche, die Möbel, die Polster, die Vorhänge: alles in Schwarz-Weiß. „Für mich ist das schon immer der Inbegriff von Eleganz gewesen“, erklärt Barbara Falanga. Grafische Muster – Streifen, Rauten, Quadrate – spannen sich wie Netze von Raum zu Raum, verbinden das Mobiliar und verleihen den Zimmerfluchten einen harmonischen Rhythmus. Barbara Falanga schätzt vor allem Entwürfe aus den 1930er- bis 1970er-Jahren, Art-déco-Stücke aus Frankreich und den USA sowie Objekte aus dem Bauhaus. Sämtliche Türen versah sie mit Türknäufen, die der Architekt Luigi Caccia Dominioni entwarf. Auch die Kunst ist schwarz-weiß: Die Hausherrin sammelt Fotokunst, vor allem Arbeiten des Mailänder Mode- und Porträtfotografen Giovanni Gastel. „Die eigene Wohnung kann ich radikaler und konsequenter gestalten als das
bei Projekten für Kunden der Fall ist“, erklärt sie. Viele ihrer Klienten schätzen Opulenz, Silber, Gold und andere wertvolle Materialien. Sie versucht, deren Geschmack zu mildern und sie beispielsweise auch für einen „wärmeren und matteren französischen Goldfarbton“ zu begeistern. Und wer sie einmal erlebt hat, offen und freundlich, doch in der Sache stets direkt und unabhängig, der ahnt, dass dies meist zu einem befriedigenden Ergebnis für beide Seiten führt. Zu ihrem Team gehören vier feste Mitarbeiter und ein Netzwerk aus Handwerkern und Künstlern, die je nach Projekt hinzukommen.
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erufliches und Privates fließen bei
Barbara Falanga nicht nur räumlich ineinander, wie so viele Kreative trennt sie kaum zwischen Arbeit und Freizeit. Ihre wenigen Mußestunden verbringt sie mit Zeitunglesen unten im Park, wo sie auch öfters spazieren geht. Joggen dagegen: „Non! Das interessiert mich nicht, ich mache Pilates.“ Die kleine Terrasse, die zur Wohnung gehört, nutzt sie vor allem zum Kaffeetrinken –
„La Cupola“, die bekannte Espressomaschine, die Aldo Rossi 1985 für Alessi entwarf, steht immerhin in drei Größen in ihrer Küche – natürlich alle in Schwarz. „Und ich koche gern“, betont sie, „am liebsten Pastagerichte aus Apulien oder Neapel. In New York habe ich in Restaurants die Küchen der ganzen Welt kennengelernt, aber ich koche italienisch!“ Der große Toaster allerdings ist amerikanisch, ihre Frühstücksgepflogenheiten sind international: „Am liebsten im Bett, mit Milchkaffee, Marmelade und einem Glas frischen Mandarinensaft.“ Irgendwie hat man den Eindruck, ein Land allein ist zu klein für sie. Und ob sie das perfekte Ambiente, das sie sich hier geschaffen hat, langfristig in Mailand hält, wer weiß das schon? „Ich könnte mir auch Paris vorstellen“, sagt sie. Erst beim Verlassen der Wohnung fällt einer der raren Farbakzente auf, der zugleich als kleine, selbstironische Metapher auf die eigene Rastlosigkeit verstanden werden kann, den Wunsch, überall zugleich zu sein. Über der Tür zum Konferenzraum steht in leuchtendem Rot der Schriftzug „Coca-Cola“. p Mehr im Register ab Seite 176
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