Boulez Ensemble & Daniel Barenboim

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Boulez Ensemble & Daniel Barenboim Einführungstext von Wolfgang Stähr Program Note by Thomas May


Boulez Ensemble & Daniel Barenboim Dienstag

3. Juli 2018 19.30 Uhr

Daniel Barenboim Musikalische Leitung und Klavier Eric Jurenas Countertenor Michael Barenboim Violine Yulia Deyneka Viola Kian Soltani Violoncello


Maurice Ravel (1875–1937) Sonate C-Dur für Violine und Violoncello „À la mémoire de Claude Debussy“ (1920/22) I. Allegro II. Très vif III. Lent IV. Vif, avec entrain

Aribert Reimann (*1936) Sinnig zwischen beyden Welten Fragmente aus dem West-östlichen Divan von Johann Wolfgang von Goethe für Countertenor, Viola und Klavier (2018) Uraufführung Auftragswerk der Daniel Barenboim Stiftung

Pause

Ludwig van Beethoven (1770–1827) Klaviertrio Es-Dur op. 70 Nr. 2 (1808) I. Poco sostenuto – Allegro ma non troppo II. Allegretto III. Allegretto ma non troppo IV. Finale. Allegro

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Zwischen zwei Welten schwebend Musik von Ravel, Reimann und Beethoven

Wo l f g a n g S t ä h r

Eine west-östliche Sonate „Es scheint nichts Besonderes zu sein, dieser Apparat für zwei Instrumente: das Ergebnis von nahezu eineinhalb Jahren der Schufterei. In derselben Zeit hätte Milhaud vier Symphonien und fünf Streichquartette geschrieben und mehrere dramatische Entwürfe von Paul Claudel ­vertont.“ Allem absichtsvollen Understatement zum Trotz lässt sich aus diesen Zeilen unschwer Maurice Ravels Stolz und G ­ enugtuung über die Vollendung einer Komposition herauslesen, von der er wusste, dass sie einen Höhe- und Wendepunkt in seiner Laufbahn markierte: „Die Reduzierung, die ‚Entkleidung‘ ist hier zum Äußersten getrieben. Verzicht auf harmonischen Charme; mehr Hervorhebung der melodischen Linien.“ Die Rede ist von Ravels am 6. April 1922 in Paris uraufgeführter Sonate für Violine und Violoncello, deren lineare Melodik, deren Unabhängigkeit der Stimmen (wie sie nur noch in der späteren Sonate für Violine und Klavier überboten und auf die Spitze getrieben werden sollte), deren herbe Harmonik und oft sogar ­harsche Klanglichkeit das Publikum – und nicht nur das zeitgenössische – tatsächlich mit einem neuen und anderen Ravel konfrontierten. Es liegt nahe, in der lakonischen Einfachheit und der ­asketischen Selbstbeschränkung dieser Musik eine Reaktion auf die späten Sonaten Claude Debussys zu sehen. Denn für eine „Le Tombeau de Claude Debussy“ genannte ­Sonderausgabe der Revue musicale, dem Gedenken des am 25. März 1918 verstorbenen „Musicien Français“ gewidmet, schrieb Ravel sein Duo für Violine und Cello. Das Heft der Revue musicale erschien im Dezember 1920. Es umfasste 5


Beiträge von Bartók, Dukas, de Falla, Malipiero, Roussel und Strawinsky – und den ersten Satz der Ravelschen Sonate, der also einige Monate vor den folgenden drei Sätzen ­bereits fertiggestellt war.Von diesem – nicht nur äußeren – Entstehungsanlass abgesehen, muss man jedoch wissen, dass Ravel mit der Besetzung unverkennbar das Modell des Duos für Violine und Violoncello op. 7 von Zoltán Kodály als Quelle der Inspiration im Sinn hatte. Wie sonst wäre der ungarisch-folkloristische Charakter seiner Sonate zu er­ klären? Béla Bartók hat einmal von den „kurzen, wiederkehrenden Motiven“ gesprochen, die sehr typisch seien „für unsere alte ungarische Musik“. Typisch sind sie auch für ­Ravels Sonate, und auffallende Merkmale wie die Bildung formelhafter und repetitiver Melodiefloskeln, die rhythmische Asymmetrie, die wandernden Akzente lassen nur allzu ­deutlich werden, wie stark Maurice Ravels westeuropäische Komposition sich dem Einfluss osteuropäischer Folklore ­geöffnet hatte. Orient und Occident

„Indessen sammeln sich wieder neue Gedichte zum Divan …“

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1819 erschien Goethes West-östlicher Divan im Druck, eine „Versammlung deutscher Gedichte“, inspiriert von der Kunst des persischen Dichters Hafis. Aber das Faszinosum dieser Beschäftigung mit den „Reichtümern aus Osten“ ließ nicht nach. 1820 vermeldete Goethe seinem Freund Carl Friedrich Zelter, dem Direktor der Berliner Sing-­ Akademie: „Indessen sammeln sich wieder neue Gedichte zum Divan. Diese mohammedanische Religion, Mytho­ logie, Sitte geben Raum einer Poesie, wie sie meinen [71] Jahren ziemt. U ­ nbedingtes Ergeben in den unergründlichen Willen Gottes, heiterer Überblick des beweglichen, immer kreis- und s­piralartig wiederkehrenden Erdetreibens, Liebe, Neigung zwischen zwei Welten schwebend, alles Reale ­geläutert, sich symbolisch auflösend. Was will der Großpapa weiter?“ Am 27. März 1826 hielt Goethe auf der Rückseite eines Briefentwurfs zwei Strophen fest, die keinen nachträglichen Eingang fanden in den Divan, auch nicht in die „Ausgabe letzter Hand“, die aber gleichwohl den Geist, den Sinn, das Panorama dieser Sammlung nicht besser vorstellen könnten: „Wer sich selbst und andre kennt / Wird auch hier erkennen: / Orient und Occident / Sind nicht mehr zu trennen“, so lautet die erste der Strophen. Und die zweite: „Sinnig


zwischen beyden Welten / Sich zu wiegen lass ich gelten, / Also zwischen Ost und Westen / Sich bewegen sey zum besten!“ Die Weisheit dieser Maxime ist in den seither ­vergangenen bald zweihundert J­ahren nicht verblasst, ganz im Gegenteil. Weshalb der Berliner Komponist Aribert ­Reimann die beiden Strophen an den Anfang und das Ende ­eines Zyklus stellt, den er 2018 für Daniel Barenboim (und für den Pierre Boulez Saal) komponiert hat. Sinnig ­zwischen beyden Welten ist auch der Titel des neuen Werks, das so zeitlos wie tagesaktuell zu dem Schluss kommt: „Es gibt keinen anderen Weg als die Aussöhnung zwischen Westen und Osten.“ Sagt ­Reimann und knüpft in seinem Zyklus das letzte an das erste Lied, die einander spiegeln und ­entsprechen: Das erste sei eine Behauptung, die Bewegung geht nach unten, abwärts; das letzte sei voller Hoffnung, die Bewegung weist nach oben, zum Licht. Ohnehin hat Reimann den insgesamt neun Sätzen zwar eine jeweils eigene, abgeschlossene Form gegeben, und doch bleiben sie nicht getrennt oder beziehungslos, sie werden durch Zwischenspiele und Überleitungen miteinander ­verbunden. „Es muss ein Zyklus sein“: diese dramaturgische Tatsache stand für Aribert Reimann von Anbeginn fest. Und außerdem: „Ich wollte die Gedichte singen lassen.“ Eine solche Absichtserklärung wirkt auf den ersten Blick banal und kaum der Rede wert – ist sie aber nicht. Zum einen stand Goethe einer Vertonung seiner Divan-Gedichte grundsätzlich skeptisch gegenüber: „Die Dichtart, die ich ohne weitere Reflexion ergriffen und geübt habe, hat das Eigene, daß sie fast, wie das Sonett, dem Gesang widerstrebt; auch ist es merkwürdig genug, daß die Orientalen ihre ­Lieder durch Schreiben, nicht durch Singen verherrlichen.“ Zum anderen s­tehen dem zeitgenössischen Komponisten, der sich an den Divan wagt, bedeutende Vorgänger im Licht, allen voran Franz Schubert. Aribert Reimann suchte ­deshalb einen ­Ausweg, eine Art Nebeneingang, indem er die Gedichte nicht aus den berühmten, zu Goethes Lebzeiten publizierten Büchern des Divan wählte, sondern ausschließlich Entwürfe, Exzerpte und Fragmente aus dem Nachlass in seinem ­Zyklus vereinte. „Als ich diese Fragmente las“, erklärt Reimann, „wurde mir rasch klar, dass die musikalische Übersetzung nicht für einen Bariton oder Mezzo sein konnte.“ Es musste vielmehr die „gewissermaßen abstrakte Stimme“ eines Countertenors sein, der einen „Bericht“ gibt, wie der Evangelist, mit einer 7


idealen Neutralität, ohne Gefühlsbelastung. Und es waren insbesondere die Verse: „Alles kündet dich an, / Erscheint die herrliche Sonne“, die Aribert Reimann an das Jahr 1975 erinnerten, an eine Zeit in Jerusalem, den Ruf des Muezzins in den Tag, der ihn damals so stark beeindruckt und zum ersten Mal angeregt hatte, eine Partie für Countertenor zu schreiben: den sich als wahnsinnigen Poor Tom ausgebenden Edgar in seiner Oper Lear. Und als im vergangenen Sommer seine Medea an der Komischen Oper auf­geführt wurde, lernte Reimann den Countertenor Eric J­urenas kennen (in der Rolle des Herolds), den er als den „absoluten Interpreten“ für seine Goethe-Lieder identifizierte: „Von ihm war ich sehr begeistert.“ Gesang und ­Klavier ergänzte Reimann noch um eine obligate Stimme für die Viola, die das traditionelle Liedgesangsduo zum Trio weitet, alles Reale läutert und ­zugleich symbolisch auflöst: „Sinnig zwischen beyden Welten / Sich zu wiegen lass ich gelten.“ Eine Kultur von Jahrhunderten

Aus der Vergangenheit in die Gegenwart

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„Ja, mein Guter“, sprach Goethe zu Eckermann, dem berühmtesten Zuhörer der Literaturgeschichte, „hierauf kommt alles an. Man muß etwas sein, um etwas zu machen. Dante erscheint uns groß, aber er hatte eine Kultur von Jahrhunderten hinter sich.“ Als Ludwig van Beethoven 1808 das Trio in Es-Dur für Klavier, Violine und Violoncello schuf, das er gemeinsam mit dem Schwesterwerk in D-Dur, dem „Geistertrio“, unter der Opuszahl 70 veröffentlichte, rief er im Augenblick die Musik von Jahrhunderten herauf, die ehrwürdigste, strengste, unpersönliche oder überpersönliche Tonkunst. Denn der Kopfsatz des Es-Dur-Trios beginnt mit einer langsamen Einleitung im „stile antico“ der alten Kirchenmusik, dem Inbegriff kontrapunktischer Meisterschaft und satztechnischer Seriosität. Dieser als Muster gültige Stil, nach dem Altvater der Musik auch „stile alla P ­ alestrina“ genannt, zeichnet sich vor allem durch Eben­mäßigkeit, ­ausbalancierte Bewegungen, austarierte Intervallsprünge, abgestufte Tonschritte und Notenwerte aus. Und so fängt auch Beethovens Trio an, Note um Note in der kanonischen Folgsamkeit der vier Stimmen, die in aller Ruhe, gewissermaßen zeitlos, eine nach der anderen einsetzen: z­ uerst das Cello, dann die Violine, der Diskant des Klaviers, der Bass des Klaviers. Doch schon im fünften Takt wird die gleichmäßig fließende Gangart durch Gegenakzente gestört (oder


Unerschöpflicher Dialog der Stimmen

gelockert), ehe der Pianist mit Trillern, Seufzerfiguren, ­Passagen auf und ab die stilistische Askese des Anfangs aufkündigt, aus der Vergangenheit in die Gegenwart, aus der ­sakralen in die säkulare Sphäre geleitet. Ohne falsche Scheu vor der Überinterpretation ließe sich dieser Gezeitenwechsel mit dem viel späteren Streichquartett op. 132 vergleichen, dessen zentraler Satz auf breitem Raum den „Heiligen Dank­ gesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart“ (und im „stile antico“) mit einem schwere­losen, tänzerisch bewegten Abschnitt, „Neue Kraft fühlend“, ­abwechselt. Derart fundamental, programmatisch und autobiographisch war die Introduktion zum Es-Dur-Trio gewiss nicht gedacht – und doch hat sie es, bei aller Kürze, in sich (oder „hinter sich“). Der Hauptsatz, Allegro ma non troppo, initiiert mit dem neu angeschlagenen Sechsachteltakt eine ganz diesseitige, ganz zeitgenössische Welt schwungvoller, gesanglicher und klassisch periodisch getakteter Melodik, die nicht nach der strengen Lehre gebunden, sondern freigebig und gemeinschaftlich ausgeteilt wird. Diese kantablen Themen hat Beethoven ideal auf das Wechselspiel der Instrumente zugeschnitten, auf den unerschöpflichen Dialog der Stimmen, die sich ablösen und ergänzen, sich suchen und verbinden, in einer ausgesprochen freundschaftlichen, zuhörenden und zugehörigen Art des Musizierens. Aber wie der Bote aus e­ iner anderen Zeit kehrt immer wieder der Kanon der Intro­duktion zurück, schaltet sich ein, hemmt das Spiel, mani­puliert den Takt, wie ein Schatten, der uns folgt, ein Bann, eine fixe Idee oder ein Omen. Der psychologische Effekt dieser Rückkehr an den Anfang ist denkbar un­ heimlich, man kann es nicht anders sagen. „So wie der Satz hier gestellt ist“, schrieb E.T.A. Hoffmann in einer ­Rezension des Trios, „klingt er wie ein unerwartet ein­ tretender Choral, der das künstliche Gewebe plötzlich durchbricht, und wie eine fremde, wunderbare Erscheinung das Gemüth aufregt.“ Beethovens Es-Dur-Trio kennt (von der ominösen Einleitung abgesehen) nur rasche Tempi: vier mehr oder weniger schnelle Sätze. Das „Allegretto“, den zweiten Satz, legte Beethoven als Doppelvariationen an, ein duales System, hell und dunkel, leicht und schwer, elegant und rustikal, C-Dur und c-moll. Zwei Kulturen prallen aufeinander, Hof und Anger, Ballet de cour und Dorffest. Denn die eine, erste Reihe der Variationen präsentiert eine zierliche Gavotte, die andere, 9


zweite Serie kam Beethoven in den Sinn, „als er in Ungarn kroatische Musik hörte“ (das behauptete zumindest sein Schüler Carl Czerny). „Se vuol ballare, signor Contino“: Man könnte es so auffassen, als würde die überstilisierte höfische Gavotte, der Tanz der Fürsten und Könige, anschließend vom polternden und stampfenden Bauerntanz verspottet, als wäre der Satz ein lustvoller Verstoß gegen die Etikette, als wollte jemand dem aristokratischen Tänzer mit Wucht auf die Füße treten. Gut vorstellbar, ein solcher rebellischer Hintersinn, der freilich im Jahr 1808 nicht mehr ganz so verwegen wäre wie noch ein, zwei Generationen zuvor. ­Jedenfalls wird der überaus gezierte Auftakt der Gavotte, im lombardischen Rhythmus, im Laufe der Variationen isoliert und geradezu grotesk über­zeich­net: ein Verfahren der ­Dekonstruktion, wenn nicht gar der Demontage, wie es Beethoven einige Jahre später auch in seinen „33 Veränderungen“ op. 120 dem Walzer des Herrn Diabelli an­gedeihen ließ, in Form der aggressiven Analyse (und des gnadenlosen ­Humors). Das 18. Jahrhundert, in dem Beethoven geboren und er­ zogen wurde, war ein Zeitalter der intellektuellen Ordnungs­ liebe für alle Elemente, Systeme und Klassifizierungen, eine Epoche der Essays und Enzyklopädien. Christian Friedrich Daniel Schubart, der heute fast nur noch als Dichter der ­Forelle bekannt ist (also unbekannt), rückte in seine Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst auch eine „Charakteristik der Töne“ ein. Es-Dur, die Grundtonart des Klaviertrios op. 70 Nr. 2, umschrieb Schubart mit den Worten: „Der Ton der Liebe, der Andacht, des traulichen Gesprächs mit Gott; durch seine drey B, die heilige Trias ausdrückend.“ Und über As-Dur bemerkte er: „Der Gräberton. Tod, Grab, ­V­erwesung, Gericht, Ewigkeit liegen in seinem Umfange.“ Auch das fünfteilige Allegretto ma non troppo, der dritte Satz in Beethovens Trio, steht in As-Dur und changiert ­zwischen Einst und Jetzt, zwischen Menuett und Volkston, mit einer wunderbar warmherzigen, liedhaften Melodie, von der schon, als Zeit- und Ohrenzeuge der ersten Stunde, der Komponist Johann Friedrich Reichardt hingerissen war: „Beethoven spielte ganz meisterhaft, ganz begeistert neue Trios, die er kürzlich gemacht, worin ein so himmlischer kantabeler Satz (im Dreivierteltakt und in As-Dur) vorkam, wie ich von ihm noch nie gehört und der das Lieblichste, Graziöseste ist, das ich je gehört habe; er hebt und schmilzt mir die Seele, sooft ich dran denke.“ Aber Tod und Ver­ 10


„Freyes Spiel der aufgeregtesten Phantasie …“

wesung sind nicht die Assoziationen, die Beethovens Musik wachruft.Vielleicht Ewigkeit, Unendlichkeit, eine „Kultur von Jahrhunderten“? Das kontrastierende Trio verhält sich zum Menuett wie das Jenseits zur schönen Erde, ein entrückter Wechselgesang zwischen den Streichern und dem Klavier, den man sich auch doppelchörig gesungen auf den Emporen einer Basilika vorstellen könnte, wie die ­„salmi spezzati“ im Markusdom. Oder wie eine kosmische Harmonie der Sphären. Dem Finale läuft die Zeit davon. Dieses Allegro ist zwar nicht der kürzeste, wohl aber der schnellste der vier raschen Sätze, unruhig, unaufhaltsam, ständig in Bewegung, quirlig und quecksilbrig. „Es ist ein fortdauerndes, immer steigendes Treiben u. Drängen“, schrieb E.T.A. Hoffmann; „Gedanken, Bilder, jagen im rastlosen Fluge vorüber, und leuchten und verschwinden, wie zuckende Blitze – es ist ein freyes Spiel der aufgeregtesten Phantasie.“ Zwei Jahrhunderte und ein Jahrzehnt später kommt mit diesem rastlosen Finale wie im Fluge ein Konzertzyklus ans Ziel, der im vergan­ genen November begann und den Klaviertrios Ludwig van ­Beethovens gewidmet war, von Anfang bis Ende, von Opus 1 bis Opus 97. „Im Grunde aber“, sprach Goethe zu Eckermann, „sind wir alle kollektive Wesen, wir mögen uns stellen, wie wir wollen. Denn wie weniges haben und sind wir, das wir im reinsten Sinne unser Eigentum nennen! Wir müssen alle empfangen und lernen, sowohl von denen, die vor uns ­waren, als von denen, die mit uns sind.“

Wolfgang Stähr, geboren 1964 in Berlin, schreibt über Musik und Literatur für ­Tageszeitungen, Rundfunkanstalten, die Festspiele in Salzburg, Luzern und Dresden, Orchester wie die Berliner und die Münchner Philharmoniker, Schallplatten­ gesellschaften und Opernhäuser. Er verfasste mehrere Buchbeiträge zur Bachund ­Beethoven-Rezeption, über Haydn, Schubert, Bruckner und Mahler.

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From Memorial to Hope Music by Ravel and Beethoven, a World Premiere by Reimann

Thomas May

The Pierre Boulez Saal concludes its season with l­esser-known works by Maurice Ravel and Ludwig van Beethoven, which frame the world premiere of Aribert Reimann’s Sinnig zwischen beyden Welten, his Goethe-­ inspired song cycle for countertenor, viola, and piano. Ravel’s Sonata for Violin and Cello began life as a single-­ movement homage to the recently deceased Claude Debussy—the 100th anniversary of whose death is being recognized around the music world this year. At the same time, this forward-looking score, which marked a late breakthrough for Ravel, betrays recent influences from beyond the French sphere thanks to his contact with music by the Hungarians Béla Bartók and Zoltán Kodály. Beethoven’s Op. 70, no. 2 Trio in E-flat major takes us full circle to the start of the complete cycle of the piano ­trios, which was launched last fall with its companion, Op. 70, no. 1 in D major, otherwise known as the “Ghost” Trio. These works so thrilled the visionary fantasist E.T.A. Hoffmann that he compared them to the Fifth Symphony as music giving voice to a revolutionary new Romantic spirit. And with his Goethe settings, the 82-year-old Reimann uses the unique charisma of the countertenor voice to ­address questions of inescapable importance for us today: of past and present, cycles of change, and the vision of ­coexistence between East and West. “A Turning-Point in My Career”: Ravel’s Sonata for Violin and Cello The fact that it took until 1922 for Maurice Ravel to complete his Sonata for Violin and Cello, begun in 1920, is far from unusual for the ever-meticulous composer. Yet in 13


In memoriam Claude Debussy

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his brief “autobiographical sketch” of 1928, Ravel observed: “I believe that this Sonata marks a turning point in the ­evolution of my career. In it, thinness of texture is pushed to the extreme. Harmonic charm is renounced, coupled with an increasing emphasis on melody.” The genesis of the work is unusual as well, though its connection with death and remembrance is also in keeping with a recurrent concern of Ravel, as manifested by Le Tombeau de Couperin, for example. The Sonata originated during a particularly difficult personal period, following the trauma of the First World War and the death of his mother, as well as setbacks in his own health. In 1920, in the midst of this fallow period, Ravel received a commission from Henry Prunières, a musicologist who had recently founded La Revue musicale, to join with nine other composers of the day to contribute a short piece for a special edition of the magazine commemorating the late Claude Debussy. (Incidentally, it’s worth noting that Pierre Boulez referred to this project of memorializing—of which the like of Igor Stravinsky, Béla Bartók, Paul Dukas, and Erik Satie were part—when he expanded …explosante-­fixe… to refashion it into Mémoriale (…explosante-fixe… ­Originel) in tribute to the flutist Lawrence Beauregard ­following the latter’s death in 1985.) Ravel signed on to the project, offering a single-movement duo for violin and cello that was premiered along with the other nine commissioned works at a memorial concert held in Paris for Debussy on January 24, 1921. That movement became the Allegro; Ravel subsequently decided to expand it with additional movements to create the four-movement Sonata for Violin and Cello, whose architecture recalls that of his much ­better-known Piano Trio (completed in 1914). Dedicated “to the memory of Claude Debussy,” it received its premiere in Paris on April 6, 1922 by the violinist Hélène Jourdan-­ Morhange and the cellist Maurice Maréchal. At this stage, Ravel was still using the title “Duo for ­Violin and Cello,” which points to his awareness of his colleague from the East, Zoltán Kodály, whose Op. 7 Duo had been published in 1914. Ravel had also gotten to know Bartók during his stay in Paris around this time. In this ­Sonata, argues the musicologist Mark DeVoto, Ravel “begins to extend the boundaries of tonality and to experiment with harmony more closely related to Bartók’s style than to Debussy’s.”


These influences, together with the “spare, sometimes mechanistic, linearity of much of the instrumental texture,” Devoto writes, result in a notable “melodic and contrapuntal intensity.” The Allegro—the movement originally conceived for the Debussy memorial—is a tightly designed ­sonata form that plays with the duality of major/minor and with the widely leaping interval of the seventh as its two major thematic ideas. As in the earlier Piano Trio, the opening movement’s themes recur in other guises in the movements to follow. Très vif, the scherzo, juxtaposes pizzicato and bowed textures (along with spiccato, the bouncing of the bow against the strings) and duple with the underlying triple meter. In the slow movement (Lent), austere yet moving, Ravel evokes a lament but also incorporates an impassioned climax. The final movement (Vif, avec entrain, which might be rendered “Fast, with animation”), deploys changing meters and yet more indications of the composer’s Hungarian influence. To play the theme that launches this finale, Ravel instructs the cellist to bounce the bow “like a mechanical rabbit.” Between Two Worlds: Aribert Reimann’s New Goethe Cycle For this final commission of the Pierre Boulez Saal season, Aribert Reimann offers a world premiere that goes straight to the heart of this international concert venue and the Barenboim-Said Akademie with which it is so closely linked. “Several years ago, Daniel Barenboim asked me to write a piece for the new hall—if possible, with some reference to West-Eastern Divan [Goethe’s 1819 poetry collection, from which the West-East Divan Orchestra takes its name],” ­Reimann recently explained. “I thought about it but hesitated at first, because most of the poems had already been set to music many times.” Yet he later came across an edition that included many fragments not published in the standard version. “I read all of these fragments over and over for two years—some are only two lines—and was overwhelmed by their timeliness and relevance, as if they had been written for ­today.” The Berlin-born and -based Reimann ranks among the most distinguished of contemporary German composers. He has gained a reputation in particular for his affinity for the human voice, which has inspired song ­cycles and operas 15


Countertenor, viola, and piano

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that are recognized as major achievements of modern music. In the nine-part Sinnig zwischen beyden Welten, ­Reimann distills this experience in a score that calls for countertenor, viola, and piano, which he composed in January and F ­ ebruary 2018. The unusual scoring results from Reimann’s reflections on the Goethe texts. “As I read these fragments, it quickly became clear to me that the musical translation could not be for a baritone or mezzo. It had to be for a countertenor, since it is about the voice at the heart of the text Alles ­kündet dich an, / Erscheint die herrliche Sonne [“Everything announces you, / The glorious sun appears”]. This summons of the day reminded me quite a bit of when I was in Jerusalem in 1975 and I heard the muezzin’s call to prayer from the Dome of the Rock.” The composer adds that this experience gave him the original impetus to cast the tenor ­Edgar as a counter­tenor in his guise as the mad Poor Tom in Lear, ­Reimann’s landmark opera from 1978. While Goethe’s poetry suggested the idea of a countertenor voice, the viola struck Reimann as “just the right ­instrument” to mediate between the pairings he alternately uses in the new work: between the singer and viola, the singer and piano, and the piano and viola. Incidentally, Eric Jurenas, who sings this world premiere, recently performed the countertenor role of the Herold in the Komische Oper’s production of Reimann’s Medea in 2017. The countertenor voice also occurred to Reimann as ­fitting because of its “somewhat abstract” nature, which suggests “something alien—a witness who testifies and in this sense has no emotional burden. He’s like the Evangelist [in a Passion], like someone giving a report: a human being, not an automaton, to be sure, but with a neutrality.” In compiling the West-Eastern Divan fragments into texts for a continuous series in nine parts—a miniature lieder ­cycle, in effect—Reimann sought to create overall unity through structure and cross-reference, on both the textual and the musical levels. Thus the first and final poems frame the cycle with the fundamental issue of existence zwischen beyden Welten (“between two worlds”), between East and West: “This is precisely the problem that we are all facing today,” says Reimann. At the end of the stanza concluding the work —Also zwischen Ost und Westen / Sich bewegen sey zum besten! (“And so to move between East and West: / Let that be for the best!”)—Goethe asserts the necessary ­answer.


In the course of the fragments he has gathered, Reimann points out, Goethe questions whether the sun’s “golden ­luster” can still endure after it has set. “This question also involves the political dimension: How long will the West continue to exist? Also important to me were the questions of ‘recognizing one’s god’—that is the problem we face ­every day with migrants, for each of us has a different idea of ­Paradise—and of the acceptance of these things. These ideas played a role in my treatment of the piece. At the end the poet sums it up: there is no other way but the reconcili­ ation of East and West, for both belong to us.” Reimann says that each fragment suggested a specific musical form, so that there is a great deal of contrast between the nine sections. At the same time, he binds them together into a coherent whole through certain motivic ideas and through transitional gestures between the fragments, which prepare the ground for new material to come in the ensuing part. The architecture of the entire cycle moreover is built around the correspondence between the first and ninth parts, which present mirror images of each other: in the first, starting with the piano’s F-sharp (of central importance), the central musical direction is downward, with the keyboard’s part ending in the depths; in the ninth section, Reimann ­reverses this so that it ascends upwards—“and with it, light and hope, for an unambiguously positive ending.” “Pure Siren Voices”: Beethoven’s Piano Trio in E-flat major Last November, Daniel Barenboim, Michael Barenboim, and Kian Soltani launched their series dedicated to the complete piano trios of Ludwig van Beethoven. That program concluded with the first of the pair of Op. 70 trios from 1808 (the so-called “Ghost” Trio), and the three artists now return to complete the Op. 70 set with no. 2, the Piano Trio in E-flat major. Though overshadowed in popularity by its sibling, the E-flat Trio is a substantial work that carries forward the composer’s thinking in the genre after a long pause. The piano trio was favored by being selected as the vehicle for his first published opus—a set of three that ­appeared in 1795—but until 1808 the only other full-scale trios with keyboard were a reworking of the Op. 4 String Quintet and the Op. 11 Trio for piano, clarinet or violin, and cello, which appeared in 1797. 17


“…from the demonic to the human”

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Beethoven had of course traveled light years since the Op. 1 trios—artistically, professionally, and personally. Most obviously, he had evolved what in hindsight became known as his “heroic” style (above all in his orchestral works), ­expanding the technical and even metaphysical boundaries of every genre he touched. The Op. 70 piano trios were dedicated to the composer’s patroness Countess Marie von Erdödy and, writes the biographer Lewis Lockwood, “raise the genre to a level from which the later piano trio literature could move forward,” pointing ahead to the contributions of Schumann and Brahms. The E-flat Trio also comes intriguingly close in some moments to the affable joy of Schubert’s chamber music. Beethoven’s revolutionary ideas proved especially sympathetic to such like-minded artists as the writer, critic, and composer E.T.A. Hoffmann, whose commentary on the Fifth Symphony set the tone for the Romantic reception of Beethoven. In the same essay—first published in the ­Allgemeine musikalische Zeitung in 1810 and revised in 1813— Hoffmann enthused over the Op. 70 trios: “The pure siren voices of your gaily varied and beautiful themes always tempt me on further and further… It seems as if the Master thought that one could not speak of deeply hidden things in common words but only in sublime and noble language, even when the spirit, closely penetrating into these things, feels itself exalted with joy and happiness.” The E-flat Trio is more relaxed overall than its companion, the “Ghost,” and suggests a retrospective reconsideration of the genre Beethoven had inherited. Lockwood notes that the composer here “turns from the demonic to the human.” The work is cast in four movements, “the only full Beethoven cycle in which two Allegretto movements stand side by side as second and third movements.” The first movement is also prefaced by a slow introduction (Poco sostenuto, which, as Lockwood notes, is precisely the indication Beethoven would later use for the extraordinary slow introduction to the Seventh Symphony). A cadenza-like passage for the ­piano serves as the transition to the Allegro ma non troppo, whose second theme echoes the spirit of the introduction. With its playfulness and wit, the first Allegretto, variations in C major/minor, not surprisingly reminded Hoffmann of Beethoven’s sometime-teacher Haydn, while the waltz-like triple meter of the Allegretto ma non troppo exudes a very different character despite the similarity of tempo. The finale


pushes further in the sense of harmonic adventurousness that is also a signature of the E-flat major Trio. Hoffmann heard in this music “a free play of the most highly aroused imagination,” where “ideas, images chase by in a restless flight, and sparkle and disappear like flashes of lightning.”

Thomas May is a freelance writer, critic, educator, and translator whose work has ­appeared in the New York Times and Musical America. He regularly contributes to the programs of the Lucerne Festival, Metropolitan Opera, and Juilliard School, and his books include Decoding Wagner and The John Adams Reader.

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