Magdalena Kožená & Yefim Bronfman Einführungstext von Michael Horst Program Note by Paul Thomason
MAGDALENA KOŽENÁ & YEFIM BRONFMAN Montag
13. Mai 2019 19.30 Uhr
Magdalena Kožená Mezzosopran Yefim Bronfman Klavier
Johannes Brahms (1833–1897) Junge Lieder I op. 63 Nr. 5 „Meine Liebe ist grün“ Nachtigall op. 97 Nr. 1 Verzagen op. 72 Nr. 4 Bei dir sind meine Gedanken op. 95 Nr. 2 Von ewiger Liebe op. 43 Nr. 1 Anklänge op. 7 Nr. 3 Das Mädchen spricht op. 107 Nr. 3 Meerfahrt op. 96 Nr. 4 Der Schmied op. 19 Nr. 4 Ach, wende diesen Blick op. 57 Nr. 4 Heimweh II op. 63 Nr. 8 „O wüßt’ ich doch den Weg zurück“ Mädchenlied op. 95 Nr. 6 „Am jüngsten Tag“ Unbewegte laue Luft op. 57 Nr. 8 Vergebliches Ständchen op. 84 Nr. 4
Pause
Modest Mussorgsky (1839–1881) Detskaya (Die Kinderstube) (1868–1872)
I. S nyaney (Mit der Njanja) II. V uglu (In der Ecke) III. Zhuk (Der Käfer) IV. S kukloy (Mit der Puppe) V. Na son gryadushchiy (Abendgebet) VI. Poyekhal na palochke (Ritt auf dem Steckenpferd) VII. Kot matros (Kater Matrose)
Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) Satiren Fünf Romanzen für Sopran und Klavier op. 109 „Bilder der Vergangenheit“ (1960)
I. Kritiku (An den Kritiker) II. Produzhdeniye vesnï (Erwachen des Frühlings) III. Potomki (Die Nachkommen) IV. Nedorazumeniye (Missverständnis) V. Kreytserova sonata (Kreutzersonate)
Béla Bartók (1881–1945) Falún (Dorfszenen) Fünf slowakische Volkslieder für Frauenstimme und Klavier Sz 78 (1924)
I. Pri hrabaní (Bei der Heuernte) II. Pri neveste (Bei der Braut) III. Svatba (Hochzeit) IV. Ukoliebavka (Wiegenlied) V. Tanec mládencov (Burschentanz)
Wir bitten, die Liedgruppen nicht durch Applaus zu unterbrechen.
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Gesänge, Satiren, Szenen Lieder von Brahms, Mussorgsky, Schostakowitsch und Bartók
Michael Horst
Die slowakische Mezzosopranistin Magdalena Kožená liebt die Herausforderungen – in stilistischer wie in sprach licher Hinsicht. Zuerst bekannt geworden als Interpretin von Barockmusik, veröffentlichte sie als eines ihrer ersten Alben eine Sammlung von Liedern, die fünf Zyklen von fünf verschiedenen Komponisten (in nicht weniger als fünf Sprachen) versammelte: Maurice Ravel und Benjamin Britten, Ottorino Respighi und Erwin Schulhoff, dazu die Satiren von Dmitri Schostakowisch, die im heutigen Konzert zu erleben sind. Diesmal stehen diesen grellen Miniaturen der idyllischen Kinderstube von Modest Mussorgsky und Béla Bartóks Dorfszenen nach einer Gruppe von Volks liedern aus der Heimat der Sängerin gegenüber. Der erste Teil des Programms wiederum ist ganz Johannes Brahms gewidmet, einem der herausragenden Vertreter des deutschen Kunstlieds. Brahms und das Lied: das war eine lebenslange Herzens beziehung. Sie beginnt 1853 mit den Sechs Gesängen, dem Opus 3 des 20-Jährigen, und endet 43 Jahre später mit den Vier ernsten Gesängen, die der Komponist ein Jahr vor seinem Tod niederschrieb. In ihnen spiegelt sich viel von der Per sönlichkeit Brahms’ wider; was er privat nicht aussprechen wollte und in der Instrumentalmusik nicht aussprechen konnte, findet seinen Widerhall in vielen der Gedichttexte. „Liebe, Vergänglichkeit und Erinnerung sind die wichtigen, vermeintlich beengend einseitigen Themen der Lieder von Brahms“, schreibt der Brahms-Forscher Matthias Schmidt. „In der Musik hierzu aber begegnet eine geschmeidige Fülle, ja ein verschwenderischer Reichtum von Klang 5
Himmel schöne, längst verklungene Töne
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erfindungen, mit denen diese Worte variiert, verflüssigt, verwandelt werden.“ Eines der berühmtesten Liebeslieder des Komponisten ist die Vertonung eines Textes von Felix Schumann, Meine Liebe ist grün, ein enthusiastisches Liebesgeständnis ohne Wenn und Aber, das seinen unwiderstehlichen Schwung aus der synkopischen Klavierbegleitung bezieht, über der sich in zwei Strophen hymnisch die Singstimme erhebt. Brahms hat drei Lieder seines 1854 geborenen Patenkindes Felix vertont, dem jüngsten Sohn von Robert und Clara Schumann, dessen große künstlerische Begabung durch eine TuberkuloseErkrankung und einen tragisch frühen Tod im Alter von 24 Jahren nie zur vollen Entfaltung kam. Entscheidend für eine Vertonung ist bei Brahms nicht unbedingt die sprachliche Qualität des Gedichtes. Nicht selten wählte der Komponist Lyriker aus der zweiten (oder sogar dritten) Reihe, wenn er in den Versen insgesamt oder einem einzelnen lyrischen Bild einen Impuls für Musik verspürte. Goethe, Eichendorff und Heine, ganz zu schweigen von Größen anderer Nationalitäten wie Shakespeare, finden sich in seinem Liedkatalog vergleichsweise selten. Oft waren es kleine Lyrikbändchen, die dem unablässigen Leser Brahms in die Hände fielen und den Anstoß für mehrere Vertonungen gaben – wie etwa bei einer Gedichtsammlung des Tübinger Juristen und Autors Christian Reinhold Köstlin, dessen Gedicht Nachtigall mit lautmalerischen Vogelrufen die Lied gruppe op. 97 von 1885 eröffnet. Molltöne verbinden sich mit dissonanten Akkorden – der Gesang der Nachtigall kündet, einmal mehr bei Brahms, nur „von andern, himmel schönen, nun längst für mich verklungenen Tönen“. Sehr viel länger begleiteten den Komponisten die Gedichte Carl von Lemckes, im Hauptberuf Professor für Ästhetik und Kunstgeschichte, der sich jedoch auch intensiv mit deutscher Dichtung beschäftigte. In Verzagen gibt Brahms dem „Treiben der Wogen“, in denen sich das „ungestüme Herz“ gespiegelt sieht, mit einer unablässig drängenden Klavier begleitung plastischen musikalischen Ausdruck. In die für Brahms’ Liedproduktion überaus fruchtbaren Jahre um 1885 fallen die beiden Lieder aus op. 95: Bei dir sind meine Gedanken, zu denen der Generalintendant der Wiener Hoftheater und Hobby-Literat Friedrich Halm die Worte schrieb, eilt „schnell und heimlich“ (so die Vortragsanweisung) in drei knappen Strophen als zarte Liebesbotschaft vorüber. Auch den Münchner Dichterfürsten Paul Heyse hat Brahms
Das Volkslied als Ideal
in seinen Vertonungen berücksichtigt: Der Verfasser ge schliffener Novellen und Gedichte, dessen Nachdichtungen aus dem Italienischen vor allem durch Hugo Wolfs Italienisches Liederbuch große Bekanntheit erreichten, galt seinerzeit als veritabler Nachfolger Goethes und wurde 1910 gar mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Das Mädchenlied, ebenfalls aus dem Italienischen übertragen, schildert im „behaglichen“ Dreivierteltakt die Nöte einer jungen Frau, die sich das Leben nach dem Tod im Paradies ohne ihren Liebsten vorstellen soll. Mit Von ewiger Liebe aus op. 43 schließt sich der Kreis zu Meine Liebe ist grün. Mag die Nachdichtung aus dem Sorbischen – in damaliger Nomenklatur aus dem Wendischen – auch bisweilen etwas holprig erscheinen, so besticht die Szene zwischen dem Burschen und seiner Geliebten durch ein zielstrebig aufgebautes Crescendo, das aus dem Moll des Anfangs heraus in einem leidenschaftlichen Treueschwur in H-Dur kulminiert. Formal ist sich Johannes Brahms in der Fülle seiner Lieder erstaunlich treu geblieben; das hohe Ideal des Strophenliedes, angelehnt an volksliedhafte Melodien, prägt sein gesamtes Schaffen. In den Anfängen lässt sich der „Volkston“ noch stärker wiedererkennen, so in der Eichendorff-Vertonung Anklänge von 1853. Die Liebessehnsucht des jungen Mädchens gibt der ebenso junge Komponist mit einer von unruhigen Synkopen geprägten Klavierbegleitung wieder. Bewusst rustikal ist auch die Vertonung von Der Schmied des Schwaben Ludwig Uhland geraten. Die mehrfach wiederholte große Sext des Beginns scheint die Armbewegung des Schmieds zu symbolisieren; dazu fallen die Akkorde wie Schläge auf den Amboss. Zu Brahms’ wenigen Heine-Vertonungen zählt Meerfahrt von 1884. Die Ironie des Gedichtes – das verliebte Pärchen rudert „trostlos auf weitem Meer“ herum, während von der schönen Geisterinsel liebliche Töne herüberschallen – fängt Brahms mit jenem schaukelnden Sechsachteltakt der Barkarole ein, welche vor allem durch die Venezianischen Gondellieder Felix Mendelssohns im deutschen Bürgertum große Popularität erlangt hatte. Ein erotisch-neckisches Sujet bietet auch Vergebliches Ständchen, ein quasi-szenischer Dialog zwischen zwei Liebenden, der sich im Hin und Her immer mehr erhitzt, am Ende jedoch, moralisch un anfechtbar, mit der Niederlage des Jünglings unter dem Fenster und dem Sieg der Unschuld endet. Einen jenen über aus typischen Erinnerungstexte, die das Vergangene be 7
schwören und verklären, schrieb Klaus Groth mit O wüßt’ ich doch den Weg zurück, den lieben Weg zum Kinderland. Diese rückwärts gewandte Seite hat Brahms immer wieder fasziniert in den Gedichten seines norddeutschen Landsmanns und guten Freundes Groth; weitgespannt-melancholisch ist die Melodie, stark chromatisch durchsetzt der Klavierpart. Eine Konstante im Liedschaffen von Brahms sind die Vertonungen von Texten aus Georg Friedrich Daumers Polydora. Ein weltpoetisches Liederbuch, zu denen neben Solo liedern auch die Liebeslieder-Walzer zählen. 1871 stellte der Komponist seinen Zyklus op. 57 allein aus Gedichten des fränkischen Lyrikers zusammen. Dafür, dass der studierte Religionsphilosoph sich beruflich vor allem mit Fragen des Judaismus und des Islam oder den „Geheimnissen des christlichen Altertums“ beschäftigte, sind seine Gedicht übertragungen von überraschend großer Sinnlichkeit, die in bürgerlichen Kreisen allgemein wie auch in Brahms’ Freundeskreis viel Kopfschütteln auslöste. Doch der Kom ponist stand zu dieser ungewohnten „Freizügigkeit“: In Unbewegte, laue Luft gibt er den Versen „Aber im Gemüte schwillt heißere Begierde mir, / Aber in den Adern quillt / Leben und verlangt nach Leben“ eine bis zum „himmlischen Genüge“ vorwärts drängende Leidenschaft, deren inhalt liche Deutlichkeit allerdings durch den im Pianissimo ver klingenden Schluss deutlich abgemildert wird. Mussorgskys Einblicke in die Kinderwelt Kaum jünger als Brahms, wuchs Modest Mussorgsky in einem völlig anderen Kulturkreis auf. Darüber hinaus gilt der Komponist als der große Nonkonformist der russi schen Musik im 19. Jahrhundert, dessen Opern wie Boris Godunow erst nach Überwindung großer Widerstände zur Aufführung kamen. Gleiches gilt auch für seine Lieder, in denen Mussorgsky nur wenig auf die Tradition von Landsleuten wie Michail Glinka oder Pjotr Tschaikowsky aufbaute. Stattdessen galt ihm ein Schubert-Lied wie Der Doppelgänger, das in seiner Deklamation minutiös auf die Heine-Verse reagiert, als viel eindrücklicheres Vorbild. Diese bewusste Fixierung auf die Sprache ist auch im Liederzyklus Detskaya, „Kinderstube“, der zwischen 1868 und 1872 entstanden ist, auf Schritt und Tritt zu spüren. Da bei nimmt Mussorgsky, anders als etwa Robert Schumann in seinen Kinderszenen, keine reflektierende, sondern eine 8
durch und durch empathische Haltung zur Welt der Kinder ein: „In der ‚Kinderstube‘ bin ich wohl kein Tor, da ich für Kinder Verständnis habe und in ihnen Menschen mit einer eigenartigen kleinen Welt und keine unterhaltsamen Puppen erblicke.“ Lebendige Vorbilder für ihre Freuden und Ängste hatte der unverheiratete Mussorgsky genug; die Kinder seines Bruders Filaret standen ebenso Pate wie diejenigen seines Freundes Dmitri Stassow oder der Sohn des Komponistenkollegen César Cui. Deklamatorisch, lautmalerisch, geradezu szenisch: das sind die Eigenschaften der Musiksprache, die uns hier begegnet. Dreh- und Angelpunkt ist die Njanja, die Amme, der die großen und kleinen Dramen erzählt werden. Mit der Njanja reflektiert die schaurig-schönen Geschichten vom schreck lichen Gnom oder dem hinkenden Zaren, untermalt von auffällig vielen Taktwechseln. In der Ecke ist ein psychologisch fein ausgefeilter Dialog zwischen der aufgebrachten Njanja und dem trotzig-schuldbewussten Mischenka, der nicht für die Unordnung im Kinderzimmer verantwortlich sein will. Das dritte Lied, Der Käfer, schildert die unheimliche Begeg nung mit dem bösen, schwarzen Insekt; das Grundmotiv aus hin und her pendelnden Sekundschritten wird nur im Mittelteil durch dramatische Klaviertremoli unterbrochen. Im liedhaften Stil ist Mit der Puppe gehalten, während Abendgebet in immer atemloserer Aufzählung alle Verwandten und Freunde auflistet, die das Kind in sein Gebet einschließt. Die plastische Begleitung im virtuosen Ritt auf dem Steckenpferd trägt den Reiter weit ins Reich seiner Fantasien. Den Abschluss bildet Kater Matrose, eine Art Mini-Drama mit fortlaufend wechselnden Tempi, in dem der Mutter beschrieben wird, wie der Kater versucht hat, den armen Vogel im Käfig zu packen. Parodistische Klänge über Kater, Kaktus und Kritiker Ein völlig anderer Charakter eignet den fünf Satiren von Dmitri Schostakowitsch aus dem Jahr 1960. Sie sind der Sopranistin Galina Wischnewskaja gewidmet, die sie auch, mit ihrem Ehemann Mstislaw Rostropowitsch am Klavier, am 22. Februar 1961 in Moskau uraufgeführt hat. „Mir sind auch heitere Stimmungen nicht fremd“ – so die lakonische Aussage des Komponisten zu diesem Werk, das im Umfeld der sehr viel düstereren Streichquartette Nr. 7 und 8 ent 9
Punktgenaue musikalische Satire
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stand. Verfasser der Texte war Sascha Tschorny – bürgerlich Alexander Glikberg –, der in seinen Gedichten die spießigkleinbürgerliche Attitüde nach der Revolution von 1905 aufs Korn nahm. Genau das reizte Schostakowitsch, konnte er damit doch an satirische Werke wie seine Oper Die Nase anknüpfen, die nach langer Indexierung in den Jahren der kulturpolitischen Eiszeit nun, nach Stalins Tod, endlich wieder aufgeführt werden durften. Der Untertitel der Satiren, „Bilder aus der Vergangenheit“, dürfte auch im Hinblick auf eine drohende Zensur ergänzt worden sein. Satire, Parodie und Sarkasmus prägen Vorlage und Ver tonung gleichermaßen. Seine unerschöpflichen musikalischen Ausdrucksmittel setzt Schostakowitsch dosiert, aber treffend genau ein. Die Warnung an den Kritiker, die beschriebene Dame im Korsett sei nicht mit dem beschreibenden bärtigen Dichter gleichzusetzen, wird in rezitativisch-lakonischem Ton, fast wie bei Mussorgsky, beschrieben. Die Anfangstöne mit dem mehrfach wiederholten F im Klavier finden sich auch in der zweiten Satire Frühlingserwachen. Die aufkom menden Frühlingsgefühle, die sich nicht nur bei Kater und Kaktus zeigen, treiben den empfindsamen Städter aufs Land; die vom Klavier befeuerten Ausbrüche münden immer wieder in banalste Akkorde. Unverhüllt gesellschaftskritisch gibt sich das Lied Die Nachfolger: Von der Gegenwart ist nicht viel mehr als Hoff nung zu erwarten („Ich leb heute, und erbärmlich ist mein Stand“), vielleicht wird ja in Zukunft alles besser … Diesen frommen Glauben hüllt Schostakowitsch in einen atemlos vorwärts drängenden Dreivierteltakt. Ein (langsamer) Walzer bildet auch die musikalische Folie für die groteske Beschrei bung von jenem Missverständnis, wenn sich der in Liebe erglühende Jüngling auf die Dichterin stürzt, weil er ihre Verse für bare Münze nimmt. Im letzten Lied prallen zwei Welten aufeinander: intelligenzlerischer Untermieter und werktätige Wäscherin. „O welch wahrhaft festlicher Moment! Du: das Volk und ich intelligent!“ Der musikalische Gassen hauer zur proletarischen Vereinigung lässt keinen Zweifel an Schostakowitschs Meinung dazu aufkommen. Lieber serviert er als musikalisches Sahnehäubchen, in Anspielung auf den Titel Kreutzersonate, zu Beginn noch ein längeres Zitat aus Beethovens „Kreutzer-Sonate“.
Szenen aus der Slowakei In die Slowakei führt schließlich die letzte Liedgruppe, auch wenn der Komponist, Béla Bartók, Ungar war. Doch im Zuge seiner umfangreichen Feldforschungen, bei denen er mit einem Edison-Phonograph ausgerüstet ab 1906 das Volksmusikerbe Südosteuropas in größtmöglichem Umfang aufzuzeichnen versuchte, fanden rumänische, bulgarische oder ukrainische Melodien ebenso ihren Platz wie türkische, ruthenische und eben jene slowakischen Volkslieder, die 1927 als fünfteiliger Zyklus unter dem Titel Dorfszenen publiziert wurden. Im Juni 1926 schreibt Bartók an Emil Hertzka, den Direktor der Wiener Universal Edition, bei der er seit 1918 unter Vertrag stand: „Lieber Herr Direktor! Endlich bin ich in der Lage Ihnen einige neue Kompositionen ein zuschicken. Und zwar werde ich Ende Juni slowakische Volkslieder mit Klavier bzw. Kammerorchesterbegleitung einsenden, Anfang August Klavierstücke.“ Die Volkslieder arrangiert Bartók in einer Fassung für Singstimme und Klavier, drei der Nummern außerdem – bestimmt für die amerikanische „League of Composers“ – in einer Version für vier Frauenstimmen und 16 Instrumente. Insofern beeilt sich Bartók auch die Frage der Übersetzungen anzusprechen: „Die slowakische Originalversion kann nicht weggelassen werden, die ungarische ist für Ungarn wichtig, die englische hinzufügen ist ebenfalls wichtig, somit soll also der Text in vier Sprachen [dazu kommt noch Deutsch] erscheinen.“ Hatte sich Bartók in seinen frühen Arrangements ungari scher Volkslieder noch weitestgehend an das Original ge halten, geht er nun einen deutlichen Schritt weiter. Vor allem in harmonischer Hinsicht wird die Begleitung selbstständig ausgebaut, außerdem nimmt sich der Komponist die Freiheit, bisweilen zwei Melodien zu einem neuen Lied zusammen zufügen. In Bei der Heuernte wird der deklamatorische Gesang durch strikt rhythmische Akkorde verstärkt; dezente Quartklänge untermalen das Lied Bei der Braut, welche die Federn für das Kissen sammelt, auf dem des Liebsten Haupt ruhen soll. Eigenständige Kunstfertigkeit prägt das dritte Lied Hochzeit, das in drei Strophen, mit gewichtigen Klavier zwischenspielen, den Tanz auf einer Dorfhochzeit portraitiert und mit „hojaho juchhe“-Rufen naturalistische Akzente setzt. Ganz und gar in die träumerische Atmosphäre des Klavierparts eingebettet ist im Wiegenlied der Gesang der 11
Mutter, während als munterer Kehraus der Burschentanz noch einmal alle Register rhythmischer Abwechslung zieht, die auch für Bartóks Instrumentalmusik ein unverzichtbares Kennzeichen sind.
Der Berliner Musikjournalist Michael Horst arbeitet als Autor und Kritiker für Zeitungen, Radio und Fachmagazine. Außerdem publizierte er Opernführer über Puccinis Tosca und Turandot und übersetzte Bücher von Riccardo Muti und Riccardo Chailly aus dem Italienischen.
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Lieder, Satires, Scenes Songs by Brahms, Mussorgsky, Shostakovich, and Bartók
Paul Thomason
Songs were the musical genre that occupied Johannes Brahms throughout his life. They were among his first works and they were among his last. Yet, as Eric Sams pointed out in his superb study of the composer’s songs, “Brahms is the most misunderstood and neglected of all the great lied-composers. He was a thorough-going Romantic, who expressed his own feelings. Yet he often chose to conceal or dissemble those feelings.” The 14 songs on this evening’s program span more than three decades of the composer’s work and offer a look at two aspects of life that were partic ularly important to him: nature and love. Brahms usually spent winter and spring in the city, but summer and autumn found him in the country, where he reveled in the woods, hills, and lakes. In Vienna his Sundays included lengthy walks through the hills and vineyards of the Vienna Woods. Love was more problematic. Before he was even a teenager, Brahms was supplementing the family income by playing the piano in what were essentially brothels in his native Hamburg, where he sometimes seems to have been treated like a toy for both the prostitutes and the customers. This early experience had a profound impact on him and he never married, although he was smitten by s everal young women and went so far as to become engaged. Without a doubt the great love of his life was Clara Schumann, the famous pianist and wife of Brahms’s mentor, Robert Schumann. She was 14 years older than Brahms and had an important influence on his work, but while part of her affection was undoubtedly maternal there was much more to their relationship. Brahms’s songs reflect his conflicted view of love, sometimes blissfully happy, but often mired in the pain of unrequited or lost love. 14
This dichotomy is reflected in the two songs from opus 63 heard tonight. Although based on texts by different poets, the nine pieces included in this opus number really form a cycle in which the singer mourns the loss of his youth and first love. The fifth song, Meine Liebe ist grün, conveys the exuberant joy of love. The words are by Brahms’s 18-yearold godson, Felix Schumann, the youngest son of Clara and Robert. Clara did not tell her son that Brahms had set the poem to music and was playing it with the violinist Joseph Joachim when Felix walked into the room and asked what the words were. “When he saw that they were his own he turned quite pale,” Clara wrote to Brahms. “How beautiful the song is.” O wüsst’ ich doch den Weg zurück is the next to the last song in the cycle. Love has fled and the singer longs to return to his lost youth, to the comfort of his childhood. The piano part conveys a restless, but futile searching for the way back, compounding the sorrow of the vocal line. One of Brahms’s friends, Elisabeth von Herzogenberg, wrote him that Nachtigall “has the bittersweet of the real nightingale’s song; they seem to revel in arguments and diminished intervals, passionate little creatures that they are!” As the singer remembers “the other, heaven beautiful” song, the music briefly expands, becoming almost ecstatic with the pleasant memory, before turning melancholy once again. The mood darkens considerably in Verzagen. The dejected lover sits forlornly on the empty shore, hoping to find comfort in watching the raging sea and crashing waves, but in the end he continues to weep. The virtuosic piano part clearly depicts the turbulent waves relentlessly breaking onto the shore, over which Brahms has written a haunting lament for poet Carl von Lemcke’s words. The two songs from opus 95, Bei dir sind meine Gedanken and Mädchenlied depict young women consumed with love. In the first the girl tells her beloved that her thoughts “flutter around you,” an image reflected superbly in the piano part. Brahms did not set the first two verses of the anonymous Italian poem that make up Mädchenlied. They describe a poor, 15-year-old washer-girl who sings the song at dawn while still sleepy. What Brahms did set was the song itself, and he gave it something of a folksong character, in keeping with the innocence of the girl singing about waking up in Paradise but, if she did not find her beloved there, laying down and going to sleep again. 15
Songs of loneliness
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Von ewiger Liebe is deservedly one of Brahms’s best-known songs. Even Hugo Wolf, anti-Brahmsian that he was, said it was among the composer’s most accomplished, “deeply-felt and consistently atmospheric.” Atmosphere it has aplenty. It begins in the key of B minor, with the narrator setting the scene of the forest at night with a couple approaching. The boy is passionate, urgent as he tells the girl that if she is suffering disgrace because of their love, she should leave him. The key switches to B major as the girl, at first calmly and then with growing conviction, replies that their love is firm and will endure forever. From the dark, rather brooding opening to the almost religious fervor of the ending, the song is a moving affirmation of true love. Brahms wrote Anklänge in March 1853, before he left his hometown of Frankfurt to meet the Schumanns. Despite having texts by different poets, the six songs that make up opus 7 are designed to tell a story of five girls who are left alone or abandoned, while in the sixth song the young man returns home. In Anklänge the girl sits alone in an isolated house, spinning threads for her wedding dress. The open harmony of Brahms’s music leaves no doubt that the wedding will never take place and emphasizes the loneliness of the young woman. The girl in Das Mädchen spricht is a young bride and in quite a different mood as she rather cheekily asks a swallow building its nest if it is building for last year’s mate or for a new one. The piano part reflects the fluttering of the swallow’s swings, and the bouncing vocal line conveys the bubbling humor of the girl’s questions. At first glance, Heinrich Heine’s poem Meerfahrt seems to be remembering a pleasant trip a couple had taken in a boat. The piano plays an extended prelude, a gently rocking barcarolle, though the music has a sad hue to it and some of the harmonies are unsettling. The vocal line begins as a gently melancholy gondolier’s song but becomes feverish as the singer recalls music and dancing mists that whirled on an island they passed. But the boat drifts by the island. As the poet ruefully describes floating “desolate on the wide sea,” Brahms’s music is filled with despair, becoming hopeless as the poet repeats “on the wide sea, the wide, wide sea.” The feeling of Brahms’s brief early song Der Schmied could not be a bigger contrast. A young girl enthusiastically sings the praises of her strong lover who swings his hammer, the
“A Tristan und Isolde of the lied”
sound filling the town like the sound of bells. The piano part is a wonderful example of onomatopoeia, with the bass chords representing hammer strokes and the quick right hand’s 16th and eight notes painting the flames. Brahms was drawn to the overt eroticism of Georg Daumer’s poetry and set eight of his poems to music in his opus 57. In the fourth song, Ach, wende diesen Blick, the music makes it clear that although the rejected lover finds the gaze of the beloved almost unbearably painful, he is also helpless to do anything but crave the look. The last song in the cycle, Unbewegte laue Luft, has been described by Eric Sams as “music of explicit sexual fulfillment… This song is another Tristan und Isolde of the lied.” Brahms brilliantly depicts the “motionless, tepid air” of the poem’s beginning and the gentle splashes of the fountain. But then feelings of hot desire begin to swell inside and the music surges with the turbulence of unleashed sexual desire, culminating in a plea to the beloved, “Come, o come” that they can give each other “heavenly satisfaction.” Heather Platt writes that the year after composing this cycle Brahms finally met the poet whom he had always imagined would embody the themes of his erotic poetry. “Brahms found Daumer to be an old man who claimed that he had always loved only one woman—his wife, who, Brahms noted, was a withered as the poet himself.” Unrequited love takes a comic turn in Vergebliches Ständchen. “Lively and with good humor” are the instructions for this dialogue between a boy and a girl. He pleads for admittance to her home, she refuses on the advice of her mother. He pleads it is cold outside, but she is unmoved, and the piano postlude leaves no doubt that the door (or window) is slammed shut in his face. Brahms once told a friend (perhaps in jest?) that he would trade all his other songs if he could keep this one. Its freshness and simplicity follows his declaration to Clara Schumann that folksongs are his ideal in lieder writing.
Giving characteristic musical expression to the nation’s folk was one of the prime goals of Modest Mussorgsky and the other Russian composers who made up “The Five,” or “Mighty Handful.” His song cycle Detskaya (The Nursery) was written to his own texts between 1868 and 1872. Originally 17
the composer had planned two series of songs, five for Nursery and four under the title At the Dacha, but only two Dacha songs have survived (On the Hobby-Horse and Sailor the Cat) and have been incorporated into Nursery. Mussorgsky had a strong, nostalgic longing for childhood and an uncanny feeling for seeing the world through a child’s eyes. While working on the song cycle, he wrote to his friend, the critic Vladimir Stassov, that he had an “understanding of children and seeing them as people with an original inner world, not as funny dolls.” In Nursery his writing for both voice and piano is startlingly close to the rhythms and feeling of speech, and the texts capture the impulsiveness and spontaneity of children brilliantly. With Nanny conveys the child’s swiftly changing moods as she identifies with human beings and fairy tale characters. In the Corner is a psychological study of a basically good boy who becomes more and more convinced of his goodness as he tries to convince his nurse he is not, in fact, guilty of the wrong she says he did. In The Beetle the child faces fear and even death, while feeling compassion, and With the Doll is a lullaby filled with care and tenderness. The rather humorous Evening Prayer begins sedately and conscientiously as the girl says her nightly prayers, but then unravels as she frantically tries to remember all the family members she is to name—and gets scolded by the nurse. On the Hobby-Horse is filled with make b elieve and pulling an adult’s leg. Sailor the Cat ends the cycle on a child’s heroic meeting with a naughty cat and foiling its attempt to grab a pet bird.
A vastly different cycle of Mussorgsky’s, his Songs and Dances of Death, made up the first half of the recital when soprano Galina Vishnevskaya gave the world premiere of Dimitri Shostakovich’s Satires. In a preface to the score, the composer states, “I, too, have my merry spells. I have written five satirical romances to words by Sasha Chorny, a wellknown pre-revolutionary satirist. With devastating sarcasm he ridiculed the philistines who flourished at the period of reaction which set in after the 1905 Revolution. He satirized unsparingly the people who plunged into mysticism, who tried to find refuge in a narrow world of petty personal concerns.” 18
“An unimpeded flow of sarcasm”
During the summer of 1960 Shostakovich invited Vishnevskaya and her husband, the cellist Mstislav Rostropovich, to his home to hear a new work he had written. “Slava and I remained rooted to our chairs, overwhelmed by the unimpeded flow of sarcasm and black humor,” the soprano recalled in her autobiography. “This work came unexpectedly after all of Shostakovich’s tragic symphonies. It was as if he had reached back to the distant past, to the time when he had written Lady Macbeth of Mtsensk, feeling himself once again young and full of vital forces. The cycle—in music as well as verse—is savory and succulent, alive with dashing, youthful energy. But one quality sets it apart from the rest of Shostakovich’s work. Here he scoffs—and he does so openly and maliciously. He points up the ignorance of critics, the vulgarity and poverty of life around him, the stupidity of the primitive ideology that is stuff into our heads from childhood.” Shostakovich had composed the cycle for Vishnevskaya (it was “written for a music-hall singer with an operatic voice,” she declared) and was thrilled when she and her husband performed it for him a few days later. “There’s just one thing: I’m afraid they [the authorities] won’t let it be performed,” the composer said. The sticking point was the third of he songs, the crux of the cycle, Descendants. Set to an insistent waltz-like accompaniment, the text denounces the current regimen and expresses disillusion at the idea of a better future. There was no way the authorities would allow a public performance of such a song, even though the words had been written 50 years earlier. It was Vishnevskaya who suggested calling the cycle “Pictures of the Past.” “Throw them that bone and they might sanction it,” she said. Shostakovich “snickered at the irony of it” she remembered. “Beautifully thought out,” he said. “Under Satires we’ll put ‘Pictures of the Past’ in parentheses, like a kind of fig leaf. We’ll cover up the embarrassing parts for them.” At the premiere on February 22, 1961 “the concert hall was jammed with people. All of Moscow waited impatiently for Shostakovich’s new work with the seditious verses. Slava accompanied me…. As I began [the song Descendants] I could see that the audience was taut with tension. Stalin’s and Beria’s crimes were being exposed; the verses were hitting bull’s-eye… When I was finished the audience did not so much shout as roar. They demanded an encore, and we 19
repeated the whole cycle for them, but they still refused to let us go; we performed the entire work yet another time.” Vishnevskaya and Rostropovich were then invited to give a performance of the Satires on Moscow television, but when they refused to cut Descendants it was abruptly canceled.
Scenes from Zvolen
Béla Bartók’s Village Scenes also consists of five songs for female voice and piano. Written in 1924 (the only work the composer completed that year), the cycle represents a new, firmer control of folk material on Bartók’s part. All five pieces, both words and music, come from the Zvolen district of Slovakia. Bartók balances the scenes into a superb whole as he depicts the customs and life of the peasant village. The work is unpretentious, though the piano part also reflects the fact that the composer himself was a virtuoso pianist, and throughout it does much more than merely accompany the singer. At the request of the League of Composers in New York, Bartók later transcribed three of the songs for women’s voices and chamber orchestra. Halsey Stevens points out that the Slovak tunes are pre served intact and that they fall entirely within the Lydian and Mixolydian modes. “Haymaking, At the Bride’s and Lullaby are parlando and somewhat restrained; Wedding Song and Lads’ Dance are spirited. In two of the scenes two folksongs alternate: this combination of separate tunes had not previously occurred in Bartók’s folksong transcriptions for voice and piano, nor did he resort to it again, except in the choral settings of folk material.”
Paul Thomason writes for numerous opera companies, symphony orchestras, and cultural institutions in the U.S. and Europe. He is based in New York City.
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Johannes Brahms
Meine Liebe ist grün
My Love’s As Green
Meine Liebe ist grün wie der Fliederbusch Und mein Lieb ist schön wie die Sonne; Die glänzt wohl herab auf den Fliederbusch Und füllt ihn mit Duft und mit Wonne.
My love’s as green as the lilac bush, And my sweetheart’s as fair as the sun; The sun shines down on the lilac bush, Fills it with delight and fragrance.
Meine Seele hat Schwingen der Nachtigall Und wiegt sich in blühendem Flieder, Und jauchzet und singet vom Duft berauscht Viel liebestrunkene Lieder.
My soul has a nightingale’s wings And sways in the blossoming lilac, And, drunk with fragrance, exults and sings Many a love-drunk song.
Felix Schumann (1854–1879)
Nachtigall
Nightingale
O Nachtigall, Dein süßer Schall, Er dringet mir durch Mark und Bein. Nein, trauter Vogel, nein! Was in mir schafft so süße Pein, Das ist nicht dein, Das ist von andern, himmelschönen, Nun längst für mich verklungenen Tönen, In deinem Lied ein leiser Widerhall.
O nightingale, Your sweet voice Pierces me to the marrow. No, dear bird, no! What causes me such sweet pain Is not your notes, But others, of heavenly beauty, Long since vanished for me, A gentle echo in your song.
Christian Reinhold Köstlin (1813–1856)
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Verzagen
Despair
Ich sitz’ am Strande der rauschenden See Und suche dort nach Ruh’, Ich schaue dem Treiben der Wogen Mit dumpfer Ergebung zu.
I sit by the shore of the raging sea Searching there for rest, I gaze at the waves’ motion In numb resignation.
Die Wogen rauschen zum Strande hin, Sie schäumen und vergeh’n, Die Wolken, die Winde darüber, Die kommen und verweh’n. Du ungestümes Herz, sei still Und gib dich doch zur Ruh’; Du sollst mit Winden und Wogen Dich trösten, – was weinest du?
The waves crash on the shore, They foam and vanish, The clouds, the winds above, They come and go. You, unruly heart, be silent And surrender yourself to rest; You should find comfort In winds and waves—why are you weeping?
Carl von Lemcke (1831–1913)
Bei dir sind meine Gedanken
My Thoughts Are With You
Bei dir sind meine Gedanken Und flattern um dich her; Sie sagen, sie hätten Heimweh, Hier litt’ es sie nicht mehr.
My thoughts are with you And flutter around you; They say they are homesick, They are no longer wanted here.
Bei dir sind meine Gedanken Und wollen von dir nicht fort; Sie sagen, das wär’ auf Erden Der allerschönste Ort.
My thoughts are with you And do not wish to leave you; They say that this is the loveliest Place on earth.
Sie sagen, unlösbar hielte Dein Zauber sie festgebannt; Sie hätten an deinen Blicken Die Flügel sich verbrannt.
They say that your magic Holds them inescapably in thrall; That they have scorched their wings On your glances.
Friedrich Halm alias Eligius von Münch-Bellinghausen (1806–1871)
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Von ewiger Liebe
Eternal Love
Dunkel, wie dunkel in Wald und in Feld! Dark, how dark in forest and field! Abend schon ist es, nun schweiget die Evening already, and the world is Welt. silent. Nirgend noch Licht und nirgend noch Rauch, Ja, und die Lerche sie schweiget nun auch. Kommt aus dem Dorfe der Bursche heraus, Gibt das Geleit der Geliebten nach Haus, Führt sie am Weidengebüsche vorbei, Redet so viel und so mancherlei: „Leidest du Schmach und betrübest du dich, Leidest du Schmach von andern um mich, Werde die Liebe getrennt so g eschwind, Schnell wie wir früher vereiniget sind. Scheide mit Regen und scheide mit Wind, Schnell wie wir früher vereiniget sind.“ Spricht das Mägdelein, Mägdelein spricht: „Unsere Liebe sie trennet sich nicht! Fest ist der Stahl und das Eisen gar sehr, Unsere Liebe ist fester noch mehr. Eisen und Stahl, man schmiedet sie um, Unsere Liebe, wer wandelt sie um? Eisen und Stahl, sie können zergehn, Unsere Liebe muß ewig bestehn!“ August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874)
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Nowhere a light and nowhere smoke, And even the lark is silent now too. Out of the village there comes a lad, Escorting his sweetheart home, He leads her past the willow-copse, Talking so much and of so many things: “If you suffer sorrow and suffer shame, Shame for what others think of me, “Then let our love be severed as swiftly, As swiftly as once we two were plighted. “Let us depart in rain and depart in wind, As swiftly as once we two were plighted.” The girl speaks, the girl says: “Our love cannot be severed! “Steel is strong, and so is iron, Our love is even stronger still: “Iron and steel can both be reforged, But our love, who shall change it? “Iron and steel can be melted down, Our love must endure for ever!”
Anklänge
Echoes
Hoch über stillen Höhen Stand in dem Wald ein Haus; So einsam war’s zu sehen, Dort übern Wald hinaus.
High over silent heights A house stood in the forest; It looked so lonely there, Gazing out over the forest.
Ein Mädchen saß darinnen Bei stiller Abendzeit, Tät seidne Fäden spinnen Zu ihrem Hochzeitskleid.
A girl sat inside At silent eventide, Spinning silken threads For her wedding dress.
Joseph von Eichendorff (1788–1857)
Das Mädchen spricht
The Girl Speaks
Schwalbe, sag mir an, Ist’s dein alter Mann, Mit dem du’s Nest gebaut, Oder hast du jüngst erst Dich ihm vertraut?
Tell me, swallow, Is it last year’s mate You’ve built your nest with, Or are you But recently betrothed?
Sag, was zwitschert ihr, Sag, was flüstert ihr Des Morgens so vertraut? Gelt, du bist wohl auch noch Nicht lange Braut?
Say, what are you twittering, Say, what are you whispering So intimately in the morning? Am I right, you haven’t long Been married either?
Otto Friedrich Gruppe (1804–1876)
Meerfahrt
Sea Voyage
Mein Liebchen, wir saßen beisammen Traulich im leichten Kahn. Die Nacht war still und wir schwammen Auf weiter Wasserbahn.
My sweetest, we sat together, Lovingly in our light boat. The night was still, and we drifted Along a wide waterway.
Die Geisterinsel, die schöne, Lag dämmrig im Mondenglanz; Dort klangen liebe Töne Und wogte der Nebeltanz.
The beautiful haunted island Lay dimly in the moon’s light; Sweet music was sounding there, And dancing mists were swirling. 25
Dort klang es lieb und lieber Und wogt es hin und her; Wir aber schwammen vorüber Trostlos auf weitem Meer.
The sounds grew sweeter and sweeter, The mists swirled this way and that; We, however, drifted past, Desolate on the wide sea.
Heinrich Heine (1797–1856)
Der Schmied
The Blacksmith
Ich hör meinen Schatz, Den Hammer er schwinget, Das rauschet, das klinget, Das dringt in die Weite Wie Glockengeläute, Durch Gassen und Platz.
I hear my sweetheart, Swinging his hammer, It sounds, it resounds, It peals out afar Like ringing bells Through alleys and square.
Am schwarzen Kamin, Da sitzet mein Lieber, Doch, geh ich vorüber, Die Bälge dann sausen, Die Flammen aufbrausen Und lodern um ihn.
At the black forge My love is sitting, But if I go past, The bellows start blowing, The flames flare up And blaze all around him.
Johann Ludwig Uhland (1787–1862)
Ach, wende diesen Blick
Ah, Turn Away That Gaze
Ach, wende diesen Blick, dies Angesicht! Das Inn’re mir mit ewig-neuer Glut, Mit ewig-neuem Harm erfülle nicht!
Ah, turn away that gaze, that face! Do not fill my inmost being with ever-new fire, With ever-new grief!
Wenn einmal die gequälte Seele ruht, Und mit so fieberischer Wilde nicht In meinen Adern rollt das heiße Blut.
When once my tormented soul finds rest, And my hot blood no longer courses Through my veins so wildly, so feverishly—
Ein Strahl, ein flüchtiger, von deinem Licht, Er wecket auf des Weh’s gesamte Wut, Das schlangengleich mich in das Herze sticht. Georg Friedrich Daumer (1800–1875)
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A single fleeting ray of your light Would reawaken the entire rage of pain That stings my heart like a serpent.
Heimweh
Longing for Home
O wüsst ich doch den Weg zurück, Den lieben Weg zum Kinderland! O warum sucht ich nach dem Glück Und ließ der Mutter Hand?
Ah! if I but knew the way back, The sweet way back to childhood’s land! Ah! why did I seek my fortune And let go my mother’s hand?
O wie mich sehnet auszuruhn, Von keinem Streben aufgeweckt, Die müden Augen zuzutun, Von Liebe sanft bedeckt! Und nichts zu forschen, nichts zu spähn, Und nur zu träumen leicht und lind; Der Zeiten Wandel nicht zu sehn, Zum zweiten Mal ein Kind! O zeigt mir doch den Weg zurück, Den lieben Weg zum Kinderland! Vergebens such ich nach dem Glück, Ringsum ist öder Strand!
Ah! how I long for utter rest, Not to be roused by any striving, Long to close my weary eyes, Gently shrouded by love! And search for nothing, watch for nothing, Dream only light and gentle dreams, Not to see the times change, To be a child a second time!
Klaus Groth (1819–1899)
Ah! show me that way back, The sweet way back to childhood’s land! I seek happiness in vain, Ringed round by barren shores.
Mädchenlied
Girl’s Song
Am jüngsten Tag ich aufersteh’ Und gleich nach meinem Liebsten seh’, Und wenn ich ihn nicht finden kann, Leg’ wieder mich zum Schlafen dann.
On Judgement Day I’ll rise up And look at once for my sweetest love, And if I cannot find him, I’ll lie down and go to sleep again.
O Herzeleid, du Ewigkeit! Selbander nur ist Seligkeit! Und kommt mein Liebster nicht hinein, Mag nicht im Paradiese sein!
O heartache! Eternal heartache! To be with another is the only bliss! And if my sweetest doesn’t arrive, I do not wish to be in Paradise!
Paul Heyse (1830–1914)
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Unbewegte laue Luft
Motionless Mild Air
Unbewegte laue Luft, Tiefe Ruhe der Natur; Durch die stille Gartennacht Plätschert die Fontäne nur; Aber im Gemüte schwillt Heißere Begierde mir; Aber in der Ader quillt Leben und verlangt nach Leben. Sollten nicht auch deine Brust Sehnlichere Wünsche heben? Sollte meiner Seele Ruf Nicht die deine tief durchbeben? Leise mit dem Ätherfuß Säume nicht, daher zu schweben! Komm, o komm, damit wir uns Himmlische Genüge geben!
Motionless mild air, Nature deep at rest; Through the still garden night Only the fountain plashes; But my soul swells With a more ardent desire; Life surges in my veins And yearns for life. Should not your breast too Heave with more passionate longing? Should not the cry of my soul Quiver deeply through your own? Softly on ethereal feet Glide to me, do not delay! Come, ah! come, that we might Give each other heavenly satisfaction!
Georg Friedrich Daumer
Translations © Richard Stokes
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Vergebliches Ständchen
The Vain Suit
„Guten Abend, mein Schatz, Guten Abend, mein Kind, Ich komm aus Lieb zu dir, Ach, mach mir auf die Tür, Mach mir auf die Tür!“
“Fair goodeven, my darling, Goodeven, my dear! I love thee more and more, Come down and open thy door, Let me in and to thee be near!”
„Mein Tür ist verschlossen, Ich lass dich nicht ein, Mutter die rät mir klug, Wärst du herein mit Fug, Wärs mit mir vorbei!“
“Nay, that can not be, My door is locked fast, Wisely my mother says I’d rue it all my days If I did what of me you ask!”
„So kalt ist die Nacht, So eisig der Wind, Dass mir das Herz erfriert, Mein Lieb erlöschen wird, Öffne mir, mein Kind!“
“So chill is the night, So icy the wind, My heart’s congeal’d with cold, Love in such plight won’t hold heart’s delight, Be kind, open thy door!” “Nay, if thy love will not hold Thro’ all, if ’t won’t hold thro’ all! Let it extinguished be. Go home nor think of me, So good night, faint heart, good night!”
„Löschet dein Lieb, Lass sie erlöschen nur, Löschet sie immerzu, Geh heim zu Bett, zur Ruh, Gute Nacht, mein Knab!“ Niederrheinisches Volkslied
German Folk Song
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Modest Mussorgsky
Detskaya I. S nyaney Rasskazhi mne, nyanyushka, Rasskazhi mne, milaya, Pro togo pro buku strashnogo: Kak tot buka po lesam brodil, Kak tot buka v les detey nosil I kak grïz on ikh belïye kostochki, I kak deti te krichali, plakali. Nyanyushka! Ved’ za to ikh, detey-to, buka s’’yel, Shto obideli nyanyu staruyu, Papu s mamoy ne poslushali, Ved’ za to on s’’yel ikh, nyanyushka? Ili vot chto: Rasskazhi mne luchshe pro tsarya s tsaritsey, Chto za morem zhili v teremu bogatom Yechsho tsar vsyo na nogu khromal Kak spotknyotsya tak grib vïrastit Tsaritsï-to vsyo nasmork bïl, Kak chikhnyot styokla v drebezgi! Znayesh, nyanyushka: Tï pro buku-to uzh ne rasskazïvay! Bog s nim, s bukoy! Rasskazhi mne, nyanya, tu, smeshnuyu-to!
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Die Kinderstube
The Nursery
I. Mit der Njanja
I. With Nanny
O erzähl mir, Njanjuschka, O erzähl das Märchen mir, Weißt du, das vom Werwolf, weißt du noch! Wie er um das Haus im Dunkeln schlich, Wie die Kinder er zum Walde trug Und fraß, daß kein Knöchelchen übrig blieb, Und wie laut die Kinder schrie’n und jammerten. Njanjuschka! Nicht wahr, Dafür zur Strafe fraß er sie, Weil sie folgsam nicht ihrer Njanjuschka, Nicht gehorchten ihren Eltern auch; Dafür fraß der Wolf sie, Njanjuschka?
Come and tell me, Nanny dear, That old tale you know so well, About the wolf, that dreadful, wicked wolf. How he used to roam around the house, How he carried children to the woods And devoured them not leaving a single bone, And the children used to weep and cry for help. Nanny dear! Was the reason He ate them every bit, Because they would not do what their nannies told them, Disobeying both their parents, too, So he ate those children, Nanny dear?
Oder weißt du: Lieber noch erzähl mir von dem Königspaare, Das am Meer in einem schönen Schlosse wohnte. Er war lahm und hinkte immer so, Wo er stolperte, wuchs ein Pilz sogleich! Und die Frau, die hatte Schnupfen stets; Wenn sie nieste, platzten alle Scheiben. Weißt du, Njanjuschka: Von dem Wolfe erzähl besser nicht! Laß ihn im Wald! Und erzähl mir lieber das, das Komische!
Wait a moment! I would rather hear about the Tsar and Tsarina, Who lived beside the sea in a lovely palace. He was lame and hobbled as he walked, Wherever he stumbled, up sprang a mushroom! The Queen had such a nasty cold, That when she sneezed all the window panes cracked! Yes, O Nanny dear, I don’t want to hear about the wolf again. Let us leave him! Let me hear the other, yes! That funny tale!
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II. V uglu „Akh tï, prokaznik! Klubok razmotal, prutki rasteryal, Akh tï! vse petli spustil! Chulok ves zabrïzgal chernilami! V ugol! V ugol! Poshyol v ugol! Prokaznik!“ Ya nichego ne sdelal, nyanyushka, Ya chulochek ne trogal, nyanyushka! Klubochek razmotal kotyonochek, I prutochki razbrosal kotyonochek, A Mishen’ka bïl pain’ka, Mishen’ka bïl umnitsa. A nyanya zlaya, staraya, U nyani nosik-to zapachkannïy. Misha chisten’kiy, prichyosannïy, A u nyani chepchik na boku. Nyanya Mishen’ku obidela, Naprasno v ugol postavila: Misha bol’she ne budet lyubit’ svoyu Nyanyushku, vot shto!
III. Zhuk Nyanya, nyanyushka! Chto sluchilos, nyanya, dushen’ka! Ya igral tam na pesochke, Za besedkoy, gde beryozki, Stroil domik iz luchinochek klenovïkh, 32
II. In der Ecke
II. In the Corner
„Ach du, eine Unart! Den Knaul mir verwühlt, die Nadeln verstreut, Ach du! alle Maschen zertrennt! Mit Tinte das Strickzeug bespritz! Pfui doch! Schäm dich! Marsch in die Ecke! Unart!“
“Really, how naughty! My wool is upset, my needles astray, Dear me! All my stitches are dropped! My knitting with ink is bespattered! Really! Shocking! In that corner! How naughty!”
Ich habe doch nichts getan, Njanjuschka, Hab dein Strickzeug auch nicht mal angerührt! Gespielt hat mit dem Knaul die Katze bloß, Und die Nadeln sind dabei herausgerutscht. Doch Mischenka war artig ganz, Mischenka hat nichts getan. Nur Njanja ist ganz schlecht und dumm, Und Njanjas Nase ist ganz schmutzig; Mischas Haare sind hübsch glatt gekämmt, Njanjas Haube sitzt ihr immer schief. Ohne Grund schilt Njanja Mischenka, Läßt ganz umsonst ihn in der Ecke stehn: Jetzt hat Mischa auch gar nicht mehr lieb Seine Njanjuschka, siehst du!
I’ve never done a single thing at all, Never once did I touch your knitting! The kitten played around and spoiled your wool, And needles all came out because of that. And Mishenka behaved himself, Mishenka was as good as gold. But Nursey is a bad old thing, And her nose is very dirty; Misha’s hair is smooth and nicely brushed, Nanny’s cap is never straight. For no earthly reason Nanny’s cross, And I am sent in the corner here. Misha doesn’t love you any more Nanny, so there!
III. Der Käfer
III. The Beetle
Njanja, Njanjuschka! Denk wie schrecklich, liebste Njanjuschka! Saß und spielte auf dem Sande, Bei der Laube, untern Birken, Baut ein Häuschen aus den schönen Ahornspänen,
Nanny, dear Nanny! Think how awful, let me tell you! On the grass I sat while playing, By the arbour near the beeches, Busy building such a pretty house of maple, 33
Tekh, shto mne mama, sama mama nashepala. Domik uzh sovsem postroil, Domik s krïshoy, nastoyachshiy domik… Vdrug! Na samoy krïshke zhuk sidit, Ogromnïy, chornïy, tolstïy takoy, Usami shevelit strashno tak, I pryamo na menya vsyo smotrit! Ispugalsya ya! A zhuk gudit, zlitsya, Krïl’ya rastopïril, Skhvatit’ menya khochet! I naletel, v visochek menya udaril! Ya pritailsya, nyanyushka, Prisel, boyus’ poshevel’nut’sya! Tol’ko glazok odin chut’-chut’ otkrïl, I chto-zhe, poslushay, nyanyushka: Zhuk lezhit, slozhivshi lapki, Kverkhu nosikom, na spinke, I uzh ne zlitsya, i usami ne shevelit, I ne gudit uzh, tol’ko krylyshki drozhat. Shtozh, on umer, il’ pritvorilsya? Shtozh eto, shto zhe, Skazhi mne, nyanya, s zhukom-to stalos’? Menya udaril, a sam svalilsya! Shtozh eto s nim stalos’, s zhukom-to!
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Weißt du, die Mama’chen selber mir noch zugeschnitten. Fertig war bereits das Häuschen, Mit ’nem Dach drauf, ganz ein richt’ges Häuschen …
With the pieces Mummy dear herself has cut me. Finished was my little cottage, With a roof on, like a proper cottage…
Da! Sitzt auf dem Giebel ein Käfer, So’n schwarzer, groß und dick, fürchterlich, Bewegt seinen Schnurrbart immerzu Und sieht fortwährend böse mich an! O erschrak ich da! Und plötzlich brummt er laut, Breitet seine Flügel Und auf mich zu fliegt er Und einen Schlag versetzt er an die Schläfe mir! Ich duckte nieder, Njanjuschka, Und saß und wagte kaum zu atmen! Mit einem Auge nur schielte ich hin. Und denk nur! Was glaubst du, Njanjuschka: Liegt der Käfer auf dem Rücken, Hält die Füßchen still gefalten, Ist nicht mehr böse, und bewegt nicht mehr den Schnurrbart, Und brummt auch nicht mehr, nur die Flüglein beben leis’. Ob er tot ist? Oder sich verstellt bloß? Was ihm nur sein mag? Wie denkst du, Njanjuschka? Versetzt den Schlag mir, fällt dabei selbst hin! Was ihm nur sein mag, dem Käfer?
Then suddenly! There came a beetle and sat on my roof, A big black one, thick and fat, oh! so fat, His beard started wagging up and down, His wicked eyes fixed upon me! I was terrified! and then he buzzed loudly, Spread his wings wide open And flew towards me quickly. And with a bound he hit me upon my temple. So I bent down, O Nanny dear, Sat still and hardly dared to breathe! One little peep I gave out of my eyes And fancy, what do you think Nanny? On his back there lay the beetle Held both feet together folded No longer angry, and his beard had ceased to waggle, No buzz left in him, just his wings could move a bit. Was he dead then, or only foxing? What was he up to? O tell me, Nanny! What’s your opinion? A blow he gave me, perhaps his last one! What was he up to, that beetle?
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IV. S kukloy Tyapa, bay, bay, tyapa, spi. Usni, ugomon tebya voz’mi Tyapa, spat’ nado! Tyapa, spi, usni! Tyapu buka s’yest, serïy volk voz’met V tyomnïy les snesyot! Tyapa, spi, usni! Chto vo sne uvidish’ mne pro to rasskazhesh’: Pro ostrov chudïy, gde ni zhnut, ni seyut, Gde tsvetut I zreyut grushi nalivnïye, Den’ I noch’ poyut ptichki zolotïye! Bay, bay, bayu bay, bay bay, Tyapa!
V. Na son gryadushchiy Gospodi pomiluy papu i mamu I spasi ikh, gospodi! Gospodi pomiluy bratsa Vasen’ku i bratsa Mishenk’ku. Gospodi pomiluy babushku staren’kuyu, Poshli tï yey dobroye zdorov’itse, Babushke dobren’koy, babushke staren’koy; Gospodi! I spasi, boshe nash: Tyotyu Katyu, tyotyu Natashu, tyotyu Mashu, tyotyu Parashu, tyotyey: Lyubu, Varyu, Sashu, I Olyu, i Tanyu, i Nadyu; Dyadey: Petyu i Kolyu, Dyadey: Volodyu, i Grishu, i Sashu;
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IV. Mit der Puppe
IV. With the Doll
Tjapa, eia, Tjapa, schlafe ein, Schließe deine Äugelein, Tjapa! Schlaf, hörst du! Wirst du brav nicht sein, Kommt der böse Wolf, Und trägt dich in den Wald!
Go to bye-bye, Dolly, go to sleep! Close your little eyes to rest! Dolly, sleep, will you! Dolly, go to sleep! If you’re not good, the grey wolf will come And take you away to the dark woods!
Tjapa, schlafe ein, Will dir jetzt erzählen, wovon dir soll träumen: Vom Zaubergarten, wo auf allen Bäumen, Wie sonst Früchte reifen, Näschereien wachsen, Kuchen und Konfekt, brauchst sie nur zu greifen! Eia, schlafe ein, eia, Tjapa!
Dolly, go to sleep! In the morning tell me all the dreams you’ve had: Of wonderful islands where in magic gardens Bloom lovely flowers, grow sweet pears, Night and day sings golden birds! Come now, go to sleep, to sleep, Dolly!
V. Abendgebet
V. Evening Prayer
Lieber Gott, behüte Vater und Mutter, Segne und behüte sie. Lieber Gott, behüte Bruder Wassinka und Bruder Mischenka. Lieber Gott, behüte Großmutter auch, die liebe, Gib noch recht lang Leben und Gesundheit ihr. Großmutter ist so gut, Großmutter ist so alt, lieber Gott!
Gentle God, watch over mummy and daddy, And keep them safe, God! Gentle God, watch over brother Vasenka and brother Mishenka! Gentle God watch over old grandma, Send her years of good health, Grandma is so very good and so old; dear God!
Und behüt, lieber Gott, Tante Katja, Tante Natascha, Tante Mascha, Tante Parascha, Tante Ljuba, Warja und Sascha Und Olja und Tanja und Nadja, Onkel Petja und Kolja, Onkel Walodja und Grischa und Sascha,
And Dear God, don’t forget: Aunty Katya, aunty Natasha, aunty Masha, Aunty Parasha, and the aunties: Lyuba,Varya, Sasha, Olga, Tanya and Nadya; Uncle Petya and Kolya, Uncle Volodya, Grisha and Sasha; 37
I vsekh ikh, gospodi, spasi i pomiluy. I Fil’ku, i Van’ku, i Mit’ku, i Pet’ku, I Dashu, Pashu, Sonyu, Dunyushku… Nyanya, a nyanya! Kak dal’she, nyanya? „Vish’ tï, prokaznitsa kakaya! Uzh skol’ko raz uchila: Gospodi pomiluy I menya greshnuyu!“ Gospodi pomiluy I menya greshnuyu! Tak, nyanyushka?
VI. Poyekhal na palochke Gey! Gop, gop, gop! Gop, gop, gey, podi! Podi! Tprustoy! Vasya, a Vasya, slushay: Prikhodi igrat’ segodnya. Tol’ko ne pozdno! Hu tï, gop! Gop! Proshchay, Vasya! Ya v Yuki poyekchal... Tol’ko k vecheru nepremenno budu, Mï ved’ rano, ochen’ rano spat’ lozhimsya. Prikhodi, smotri! Ta ta ta, gey! Razdavlyu! Oy! Oy, bol’no! Oy, nogu! Oy, bol’no! Oy, nogu! Milïy moy, moy mal’chik, chto za gore! Nu, polno plakat’; proydyot, moy drug. Postoy-ko.Vstan’ na noshki pryamo: vot tak, ditya. Posmotri, kakaya prelest’. Vidish’ v kustakh nalevo? Akh, chto za ptichka divnaya! 38
Sie alle, lieber Gott, behüte und schütze; Auch Filja und Wanja und Mitja und Petja Und Dascha, Pascha, Sonja, Dunjuschka …
Dear God, please watch over all of them. And Filya, and Vanya, and Mitya, and Petya, And Dasha, Pasha, Sonya, Dunyushka…
Njanja, sag’ Njanja! Wie geht es weiter? „Ach du ein unachtsames Ding du! Wie oft soll man dir’s sagen: Lieber Gott, behüt und schütze mich gnädig auch!“ Lieber Gott, behüt und schütze mich gnädig auch! So, Njanjuschka?
Nursey, do tell me, what comes next? “O really, what a dreadful memory! How many times have I taught you? Gentle God, watch over little me!” Gentle God, watch over little me! Is that right, Nursey?
VI. Ritt auf dem Steckenpferd
VI. On the Hobby-Horse
Hei! Hopp, hopp, hopp! Hei! Hei! Heissassa! Prrrr, halt! Wassja, du Wassja! Hörst du: Bitte komm zum Spielen heute, Aber rechtzeitig! Nu vorwärts, hopp! Leb wohl Wassja! Muß sehr weit noch reiten, Doch vor Abend noch bin ich bestimmt zurück. Furchtbar früh schon müssen ja zu Bett wir leider. Also nicht zu spät! Heidi hopp! Platz gemacht! Oh! Oh, schmerzt mein Fuß schrecklich! Liebling du, hat Jungchen wehgetan sich? Nu, nur nicht weinen; vergeht ja schon. Warte, steh mal grade auf den Füßchen: so recht, mein Kind.
Hi! Trot, trot, trot, Trot, trot, trot, get along! Enough! Whoa-back, whoa! Vasya,Vasya, listen: Come and play today. But don’t come late! Get on now, trot! Goodbye,Vasya! I’ve to go a long way, but I’ll be home by evening. For you I’m put to bed so early. Make sure you show up! Gallop, gallop, Hi! Clear the way! Oh! Oh, it’s hurting! Oh, my foot! My dear boy, what’s the matter? Don’t cry; it will pass, my friend. Come on, stand up; just like that my child.
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Chto za perïshki! Vidish’? Nu, chto? Proshlo? Proshlo! Ya v Yuki s’’yezdil, mama, Teper’ domoy toropit’sya nado Gop, gop! Gosti budut. Gop! Toropit’sya nado.
VII. Kot Matros Ay, ay, ay, ay, mama, milaya mama! Pobezhala ya za zontikom, mama, ochen’ ved’ zharko, Sharila v komode i v stole iskala: Net, kak narochno! Ya vtoropyakh k oknu podbezhala, Mozhet bït’ zontik tam pozabïla. Vdrug, vizhu, na okne-to, kot nash Matros Zabravshis’ na kletku, skrebyot! Snigir’ drozhit, zabilsya v ugol, pishchit. Zlo menya vzyalo! E, brat, do ptichek tï lakom. Net. Postoy, popalsya, vish’tï, kot! Kak ni v chyom ne bïvalo stoyu ya, Smotryu v storonku, tol’ko glazom odnim pomechalo: Stranno chto-to! Kot spokoyno v glaza mne smotrit, A sam uzh lapu v kletku zanosit; Tol’ko chto dumal skhvatit’ snigirya, A ya yego khlop!
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Sieh mal dort, ist das nicht reizend? Siehst du, im Strauch da vor dir? Ach, was für’n schönes Vögelchen! Was für Federchen! Siehst du? Nun was? Schon gut? Schon gut! Bin sehr weit fortgeritten, Muß jetzt nach Haus, muß mich tüchtig sputen. Hopp, hopp! Gäste kommen, hopp, muß mich tüchtig sputen.
Look, can you see that lovely thing in the bushes on the left? What a delightful little bird! And the feathers too! See it? Well then? Has it gone? It’s gone! Mummy, I’ve been on such a journey, Now I must hurry home. Trot, trot! Guests are coming. Trot! We’d better hurry.
VII. Kater Matrose
VII. Sailor the Cat
Ai, ai, ai, ai, Mutter, ai, liebe Mutter! War gelaufen, meinen Sonnenschirm holen, Heiß ist es schrecklich, Such und such im ganzen Hause, überall ihn: Nein, nicht zu finden! Nicht auf dem Tisch und nicht auf der Kommode, Ob ich ihn vielleicht ans Fenster gestellt? Da seh ich unsern Kater, unseren Prinz, Wie grad er zum Vogelbauer schleicht. Das Mätzchen bebt, sitzt ganz im Winkel und piept.
Hey, mummy listen, kind mummy! I was looking for my sun umbrella, Mummy, it was so hot, I looked through the chest of drawers, on the table: No, just pretending! I quickly ran over to the window, Maybe I left it by the window? Then I suddenly saw him, our cat Sailor, He crept up and scratched at the cage! The little bird trembled, far in the corner, and chirped.
O war ich böse! So, Freund, nach Vögeln verlangt dich? Na wart ab, krieg dich schon! Ja, paß auf! Als bemerkte ich nichts, bleib ich stehn, Blick auf die Seite, schiel verstohlen nur hin, Was er tun wird: Aber denk nur! Ruhig sieht er mich an, der Falsche, Und streckt dabei die Pfote zum Käfig; Ist schon das Mätzchen zu packen bereit,
I was so angry! So, puss, you’d kill the little bird, would you? All right, I’ll get you, just you wait! As though nothing happened, I stood there, Looking from side to side, keeping my eye on him: Just imagine! The cat calmly looked me in the eye, Stretched his paw into the cage; And when he was about to snatch the canary, I gave him one like this! 41
Mama, kakaya tvyordaya klyotka! Pal’tsam tak bol’no, mama, mama! Vot v samïkh konchikakh, vot tut, Tak noyet, noyet tak. Net, kakov kot-to, mama, a? Modest Mussorgsky (1839–1881)
Dmitri Schostakowitsch
Satiry I. Kritiku Kogda poet, opisïvaya damu, nachnyot: „Ya shla po ulitse.V boka vpilsya korset,“ – Zdes’ „Ya“ ne ponimay, konechno, Pryamo chto, mol, pod damoyu skrïvayetsya poet. Ya istinu tebe podruzheski otkroyu: Poet-muzhchina i dazhe s borodoyu.
II. Produzhdeniye vesnï Vchera moy kot vzglyanul na kalendar’ I khvost truboyu podnyal momental’no. Potom podral ne lestnitsu, kak vstar’, I zavopil teplo i vakkhal’no: „Vesenniy brak! Grazhdanskiy brak! Speshite, koshki, na cherdak!“
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Da kriegt er eins, schwaps! Mutter, was für ein hartes Ding so’n Käfig! Weh tun mir meine Finger, Mutter! Hier an den Spitzen grade, Mutter, Brennt und sticht es so. Nein! so ein Kater, Mutter, was?
Mummy, what a hard cage we’ve got! My fingers really hurt now, mummy! Right at their ends, just there, They’re really stinging. And haven’t we got a nasty cat, mummy? Translation © Jonathan Powell
Übersetzung: Hans Schmidt
Satiren
Satires
I. An den Kritiker
I. To a Critic
Wenn ein Dichter beim Beschreiben einer Dame beginnt: „Ich ging die Straße lang. Da kniff mich das Korsett,“ – Dies „Ich“ darfst du nicht falsch verstehen, Daß sich hinter der Dame eine Dichterin verbirgt. Ich werde dir die Wahrheit als guter Freund verraten: Dies schrieb ein Mannsbild, und noch dazu mit Vollbart.
When a poet, describing a woman, begins: “I was walking down the street. My corset was pinching my side,”— Here, don’t take this ‘I’ literally, of course, As though, underneath the woman, there was a poet hiding. I can honestly tell you this, in quite a friendly way: The poet is actually man, and a bearded one at that.
II. Das Erwachen des Frühlings
II. Spring Awakening
Mein Kater schaute gestern zum Kalender, Hob seinen Schwanz hoch, kam dann in Bewegung Und sprang so rasch wie einst im Mai Die Treppe hoch und schrie mit heftiger Erregung: „Der Frühling ruft die Liebe wach! Ihr Katzen kommt zu mir aufs Dach!“
Yesterday my cat looked at the calendar And his tail immediately stood up like a pipe. Then he ran downstairs, as usual, And yelled warmly and lustily: “There’s a spring wedding! People are getting married! Come on, cats, hurry to the feast!”
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I kaktus moy – o, chudo iz chudes! – Zalitïy chayem i kofeynoy gushchey, Kak novïy Lazar’, vzyal da voskres i S kazhdïm dnyom pryot iz zemli vsyo pushche. Zelyonïy shum, ya porazhyon: „Kak mnogo dum navodit on!“ Uzhe s paneley smerzshuyusya gryaz’, Rugayas’, skalïvayut dvorniki likhiye, Uzhe ko mne zabrel segodnya „Knyaz’“, Vzyal tyoplïy sharf i lïzhi begovïye. „Vesna, vesna!“ – Poyu, kak bard – „Nesite zimniy khlam v lombard.“ Siyayet solnïshko.Yey – bogu, nichevo! Vesennyaya lazur’ spugnula’ dïm i kopot, Moroz uzhe ne shchiplet nikogo, No mnogim nechego, kak i zimoyu, lopat’. Derev’ya zhdut, gniyet voda, I p’yanïkh bol’she, chem vsedga. Sozdatel’ moy! Spasibo za vesnu! I dumal, ona ne vozvratitsya, no… Day sbezhat’ v lesnuyu tishinu Ot zlobï dnya, kholerï i stolitsï! Vesenniy veter za dver’mi. V kogo b vlyubitsya, chyort voz’mi?
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Mein Kaktus hier, seht dieses Wunder nur, Der meist mit Tee und Kaffeesatz begossen, Er wächst empor, von Elend keine Spur, Und hebt sich aus der Erde unverdrossen. Ein grüner Rausch, Ich bin erstaunt: „Was ruft er für Gedanken wach!“
And my cactus—wonder of wonders— Watered only with dregs of tea and coffee, Arose like a new Lazarus and every day Shot out of the ground more and more. It even sounded green, I was astounded: “How many thoughts spring is bringing me!”
Schon hacken mühsam den gefrornen Dreck Die Knechte fluchend von dem Gehweg, wie befohlen, Der „Fürst“, er kam schon heut nur zu dem Zweck, Sich seinen Schal und seine Schneeschuh abzuholen. Und: „Frühling, Frühling!“ sing’ ich hell, „Den Winterkram ins Pfandhaus schnell.“
Already the frozen mud is being cleared From the pavements by swearing servants, Already, the ‘Prince’ called in today, He took a warm scarf and the sledge. “Spring, spring is here!”—I sing like a bard— “Take away the winter rubbish to a pawnshop.”
Dann kommt der Sonnenschein. Mein Gott, so soll es sein! Des Frühlings Blau vertrieb den Dunst, die Nebel reißen, Der Frost hört auf, er lässt sein Beißen sein, Doch viele sind allein und haben nichts zu beißen. Die Bäume stehn, das Wasser fault, Betrunkne gibt es mehr als sonst. O Schöpfer mein! Den Frühling dank’ ich Dir! Ich dachte, er käme nimmer wieder. Nun lasst uns fliehen in den stillen Wald, Der Pestgestank der Stadt hat uns vertrieben! Des Frühlings Stürme sind erwacht. In wen soll ich mich nur verlieben?
The sun is shining. My God, it’s lovely! The spring has cleared the smoke and soot from the blue sky, Now the frost is pinching no one, But most don’t care either way and carry on stuffing themselves like they did in winter. The trees are waiting, the water’s thawing, There seem to be more drunks than ever. My Creator! Thank you for the Spring! I thought she’d never return, but… I’ll run to the quiet of the forest from the noisy town, From the noisy capital! The vernal breezes blow through the doors. What the hell, who shall I fall in love with?
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III. Potomki Nashi predki lezli v kleti I sheptalis’ tam ne raz: „Tugo, brattsï… vidno, deti Budut zhit’ vol’gotney nas.“ Deti vïrosli. I eti Lezli v kleti v groznïy Chas i vzdïkhali: „Nashi deti vstretyat solntse posle nas.“ Nïnche tak zhe, kak voveki, Utesheniye odno: Nashi deti budut v Mekke, Yesli nam ne suzhdeno. Dazhe sroki predskazali: Kto let dvesti, kto pyat’ sot, A poka leshi v pechali I mïchi, kak idiot. Razukrashennïye duli, Mir umït, prechesan, mil, Let chrez dvesti! Chyorta v stule! Razve ya mafusail? Ya, kak filin na oblomkakh Perelomannïkh bogov. V nerodivshikhsya potomkakh Net mne brat’yev i vragov. Ya khochu nemnozhko sveta Dlya sebya, poka ya zhiv; Ot portnogo do poeta Vsem ponyaten moy prizïv. A potomki… pust’ potomki, Ispolnyaya zhrebiy svoy I klyanya svoi potyomki, Lupyat v stenku golovoy!
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III. Die Nachkommen
III. The Descendants
Unsre Ahnen plagten sich, Denn nur so konnten sie bestehn: „Aber, Brüder, unsren Kindern Wird es einmal besser gehn.“
Our predecessors, lying in their jails, Would whisper: “It’s hard… but our children Will be more free than us.”
Und die Kinder werden größer, Quälten sich und litten Not, Doch sie hofften: „Unsren Kindern winkt ein neues Morgenrot.“
The children grew up and, Sitting in their jails At the hour of dread, sighed: “Our children will see the sun after we’ve gone.”
Heute ist es so wie immer, Trost und Hoffnung, Jahr für Jahr: Unsre Kinder werden haben, Was uns nicht beschieden war.
Now it’s just the same, The only hope we have Is that our children will see Mecca, Even if we don’t.
Leider wird’s noch etwas dauern: Zwei Jahrhundert’ oder mehr, Und bis dahin nichts als Sorgen, Nichts als Elend um dich her.
They even foretell the date: Some say two hundred, others five hundred, And in the meantime we go on Suffering like idiots.
Schön wie nie soll dann die Welt sein, Doch hier liegt wohl ein Problem: In zweihundert Jahren? Hört mal! Bin ich denn Methusalem? Auf den Trümmern alter Götter Wird mir klar, was da gemeint: Bei den Menschen, die uns folgen, Hab ich weder Freund noch Feind. Ich will nur ein wenig Sonne Hier für mich, so lang es geht; Und vom Schneider bis zum Dichter Jeder meinen Wunsch versteht. Und die Zukunft… Ich leb’ heute und erbärmlich ist mein Stand: Soll’n, die nach uns kommen, Rennen mit dem Schädel an die Wand!
The world will be a better, kinder place, In two hundred years! Yeah, right! What do you take me for? I’m sitting here like an owl On the ruins of our Gods. I don’t have friends or enemies Among unborn descendants. I want a bit of the world For myself while I’m alive; Everyone, whoever they are, Can understand my wish. The descendants… Let them take care Of their own fate Banging their heads against the wall! 47
IV. Nedorazumeniye Ona bïla poetessa, Poetessa bal’zakovskikh let. A on bïl prosto povesa, Kuurchavïy i pïlkiy bryunet. Povesa prishyol k poetesse; V polumrake dïshali dukhi, Na sofe, kak v torshestvennoy messe, Poetessa gnusila stikhi: „O, sumey ognedïshashchey laskoy Vskolïkhnut’ moyu sonnuyu strast’. K pene byoder za aloy podvyazkoy tï ne boysya Ustami pripast’. Ya svezha, kak dïkhan’ye levkoya. O, spletem zhe istomnosti tel!“ Prodolzheniye bïlo takoye, Chto kurchavïy bryunet pokrasnel. Pokrasnel, no opravilsya bïstro i podumal: Bïlane bïla! Zdes’ ne dumskiye rechi ministra, Ne slova tut nuzhnï, a dela. S nesderzhannoy ciloy kentavra poetessu povesa Privlek, no vizglivo vul’garnoye: „Mavra, Mavra, Mavra, Mavra!“ Okhladilo kipuchiy potok. „Prostite! …“ vskochil on. „Vï sami …“ No v glazakh yeyo kholod i mest’. „Vï smeli k poryadochnoy dame, kak dvornik, S ob’’yat’yami lezt’!“ Vot chinnaya Mavra!
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IV. Missverständnis
IV. Misunderstanding
Sie war eine dichtende Dame, In der Blüte der Jahre fürwahr. Und er ein munterer Jüngling, Mit schwarzbraunem, lockigem Haar. Zur Dichterin kam voll Int’resse Unser Jüngling im dämmernden Licht, Auf dem Sofa, im Stil einer Messe, Las sie näselnd ihr schönstes Gedicht:
She was a poetess, One from Balzac’s time. And he was just a rake With dark, curly hair. The rake visited the poetess; They whispered in the half-light On the sofa, as on a throne, And the poetess read aloud her verses:
„Ach, du könntest mit feuriger Liebe In mir wecken die schlummernde Luft. Zög’re nicht, deine Lippen zu schmiegen Auf die Hüften, die rosige Brust. Bin so süß wie der Duft der Levkojen. Wie berauscht lass umschlingen uns heiß!“
“Come and arouse my sleepy passion With your fiery caresses. Don’t be afraid to bring your lips Towards the top of my thighs by my stockings. I’m pure as a wild flower. Oh, let’s interweave our exhausted bodies!”
Und so ging die Geschichte nun weiter: Unser Jüngling, er wurde ganz weiß, Dann errötete er, doch er fasst’ sich, Und er dachte: Jetzt sei es gewagt! Keine langen Debatten und Reden, Auf zum Kampf, und nicht lange gefragt! Mit der mächtigen Kraft des Zentauren Stürzt’ er auf sie mit wallendem Blut, Doch sie kreischte ganz widerlich: „Mörder! Mörder! Mörder! Mörder!“ Rasch erlosch diese feurige Glut. „Verzeihung!“, so sprach er, „Sie selber …“ Doch sie blickte verächtlich und kalt: „Wie konnten Sie sich einer Dame Nur nähern mit roher Gewalt!“ Da schwieg er beklommen.
This is what happened next: The curly dark-haired man blushed. He blushed but soon recovered And thought: Well I never! This is hardly the speech of a minister in Parliament, Words aren’t what we need here, but actions. With all his strength, the rake Embraced the poetess, but coarsely shouted: “Mavra, Mavra, Mavra, Mavra!” But the passions froze over. “I’m sorry …” he cried out. “But you …” Now her eyes were cool and haughty. “How dare you insult a lady’s respectability, Like some servant?” Mavra is a highly decorous person.
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I zadom ukhodit ispuganïy gost’, V peredney rasteryannïm vzglyadom On dolgo iskal svoyu trost’. S litsom beleye magneziya Shyol s lestnitsï pïlkiy bryunet. Ne ponyal on novoy poezi I poetessï bal’zakovskikh let.
V. Kreytserova sonata Kvartirant sidit na chemodane I zadumchivo rassmatrivayet pol: Te zhe stul’ya, i krovat’ i stol, I takaya zhe obivka na divane, I takoy zhe bigus na obed, No na vsyom kakoy – to novïy svet. Ukh! Bleshchut ikrï polnoy prachki Fyolki. Peregnulsya sil’nïy stan vo dvor. Kak nestroynnïy, shalovlivïy khor, Vereshchat na mïlennïye stekla, I zaplatï golubïkh nebes Obeshchayut tïsyachi chudes. Kvartirant, kvartirant… Kvartirant sidit na chemodane. Stekla vïmïtï, opyat’ toska i tish’. Fyolka, Fyolka, chto zhe tï molchish’? Bud’ khot’ reshitel’noy i yarkoy: Podoydi, voz’mi yego za gub I ozhgi ognyom vesyonnikh gub. Ukh!
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Der Jüngling erhob sich, er taumelte nur, Verließ den Salon ganz benommen, Vergaß den Spazierstock im Flur. Da ging der Jüngling gedankenvoll, Sein Antlitz so weiß wie die Wand. Verstand nicht den Sinn neuer Dichtung, Wie ihn die näselnde Dame empfand.
So our frightened guest beat a retreat, And in the days to come He spent quite some time Looking for his walking cane. He came down, pale-faced, from the staircase. He never understood the new verses By the poetess of Balzac’s time.
V. Kreutzer-Sonate
V. The Kreutzer Sonata
Auf dem Koffer sitzt der Untermieter Iwan, Schaut zum Boden, ach, da kennt er jedes Brett, Kennt den Tisch, den Stuhl und dort das Bett, Und dieselbe alte Decke auf dem Diwan. Trüb und grau der Tag durchs Fenster bricht. Doch auf einmal glänzt ein neues Licht: Oi, joi, joi!
The lodger sits on his suitcase And thoughtfully looks at the floor; The same old chairs, bed and table, And the same cover on the divan, The Polish stew for lunch, But there’s a new light on everything now. Ugh!
Fyolkas Waden, ja, da lacht das Auge, Fenster putzend beugt sie sich weit vor, kreischend wie ein ausgelassner Chor Quietscht der Lappen mit der heißen Lauge: Blaue Flicken trägt das Himmelszelt, Voller Wunder blüht die ganze Welt ihm allein. Auf dem Koffer: Untermieter Iwan, Alle Fenster sind geputzt, Es tickt die Uhr. Fyolka, warum zögerst du denn nur? Sei entschlossen, reiß ihn aus den Träumen, Geh doch ran, du hast ihn in der Hand, Setz mit Frühlingslippen ihn in Brand. Oi, joi, joi!
The legs of the shapely laundress Fyolka are shining. A strong figure leaned over in the yard. Like a dissonant, mischievous choir, It squeals against the clean glass, And patches of blue sky Promise a thousand wonders. The lodge, the lodger… The lodger sits on his suitcase. The glasses are washed up, the silence is filled with longing. Fyolka, why are you so silent? You should be more decisive and strong: Go and grab him by his lips And set his desires on fire. Ugh! 51
Kvartirant i Fyolka na divane. O, kakoy torzhestvennïy moment! „Tï narod, a ya intelligent,“ Govorit on yey sredi lobzaniy, „Nakonetsto, zdes’ seychas vdvoyom, Ya tebya, a tï menya poymyom.“ Sascha Tschorny alias Alexander Mikhailowitsch Glikberg (1880–1932)
Béla Bartók
Falún I. Pri hrabaní Ej! Hrabaj želen, hrabaj To zelenô seno! Ej! Ja by ho hrabala, Nemám nakoseno. Ej! Hrabala, hrabala, Čerta nahrabala; Ej! Od vel’kého spania Hrable dolámala.
II. Pri neveste Letia pávy, letia, Drobnô peria tratia, Devča si ho sbiera Mesto svojho peria. Sbieraj siho, sbieraj, ej, Ved’ti treba bude, Janikovo lí čko Na ň om líha’ bude.
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Endlich: er und Fyolka auf dem Sofa, O welch wahrhaft festlicher Moment! „Du: das Volk, und ich: intelligent,“ Sagt er mühsam zwischen heißen Küssen. „Endlich sind wir beide ganz vereint, Ich mit dir und du mit mir vereint.“
The lodger and Fyolka are now on the divan. Ah, what a triumphal moment! “You are of the people, and I of the intelligentsia”— He says to her between the caresses. “But here, now we’re together, We’ll get to understand each other.”
Deutsche Nachdichtung von Jörg Morgener © Mit freundlicher Genehmigung des Musikverlag Hans Sikorski, Hamburg
Translation © Jonathan Powell
Dorfszenen
Village Scenes
I. Heuernte
I. Haymaking
Ei! Reche nur, reche nur, Rech’ nur das grüne Heu! Ei, ich möcht’s ja rechen gern, Hättet Ihr mehr gemäht.
Ai! Rake it now, rake it now, take up the new-mown hay! Ai! I’d gladly rake it now, If you had mown some more.
Ei! Recht’ sie auch immerfort, Hat’s fertig nicht gebracht; Nur daß sie aus Schläfrigkeit Selbst ihren Rechen brach.
Ai! Don’t you stop raking now, You have not done your work, All because from sleepiness, You went and broke your rake.
II. Bei der Braut
II. At the Bride’s
Stolze Pfauen fliegen, ei, Schimmernd fällt ihr’ Feder, Junges Mädchen hebt sie, Füllt die weißen Kissen. Heb’ sie, Mädchen heb’ sie, ei, Bald brauchst du die Federn, Auf den Kissen wird ja Deines Liebsten Haupt ruh’n, ja, wart’ nur.
Proud the peacocks flutter, ai! Shimm’ring fall their feather, Pretty maiden takes them, Fill the clean white pillows. Take them, maiden, take them, ai! You’ll soon need these feathers, For upon these pillows will Your lover’s head rest, Ai, just wait.
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III. Svatba A ty An ča krásna, Už vo voze kas ňa, Na kasni periny: Už t’a vyplatili. A z tejto dediny Na druhú dedinu Ideme opá čit’ Novotnú rodinu. Kas ňa je z javora, Perina z pápera, A to švarnô dev ča Už nemá frajera, Ked’ nemá frajera, Ale bude muža, Nebude prekvitat’, Ako v poli ruža. Ruža som ja, ruža, Pokým nemám muža, Ked’budem mat’ muža, Spad ňe so mna ruža. Teraz sa ty, An ča, Teraz sa oklameš: My pôjdeme domov A ty tu ostaneš.
IV. Ukoliebavka Beli žemi, beli Moj syn premilený! Čima budeš chovat’, Ej, na moje starie dni? Budem, manko, budem, Kým sa neožením; Aked’ sa ožením, Ej, potom vás oddelím. 54
III. Hochzeit
III. Wedding
Ännchen, deine Truhe Liegt schon auf dem Wagen, Der wird deinen Brautschatz, Deine Kissen tragen.
Annie, in your boxes, On the waggon carried, There’s fine clothes and bedding, All for when you’re married.
Laßt ins nächste Dorf uns Froh hinüberziehen, Bräutigams Haus und Hof, Brüder, Vetter sehen.
To the bridegroom’s village Fast as we are able, There we’ll drive, See his place, get to know his people.
Schöne Ahorntruhe, Weiche Federkissen, Ännchen, braves Mädchen, Hast keinen Liebsten.
Finest maple boxes, Pillow stuffed with feather. Annie pretty maiden, Now you have no lover.
Hat sie keinen Liebsten, Hat dafür ’nen Gatten, Muß sie nicht Rosengleich Welken und verblassen.
Now she has a husband, Though she lost a lover, She shall not, like a rose, Fade away and wither.
Rose bin ich, Rose, Blühe nur als Mädchen, Hab’ ich einen Gatten, Muß die Rose welken.
I’m a rose, a rose, But only when I’m single, When I have a husband. Petals drop and shrivel.
Lebe wohl, lieb Ännchen, ’S wird dich Wunder nehmen: Alle zieh’n froh dahin, Du darfst nicht mitgehen.
Say farewell, dear Annie Say farewell and leave them: Off they go, full of joy, You must not go with them,
IV. Wiegenlied
IV. Lullaby
Eia, schlafe, schlafe, Kindlein liebes Söhnlein! Wird einst alt die Mutter, Wirst du sorgen dann für sie?
Darling, slumber, slumber, Darling, little baby! When your mother grows old, Will you then take care of her?
Will für dich treu sorgen, Mutter, bis ich ledig; Frei’ ich aber einmal, Scheide ich von dir gar bald.
I will take care of you, Mother, while I’m single; But when I am married, Soon I’ll go off, and leave you. 55
Búvaj že mi, búvaj, Len ma neunúvaj! Čo ma viac unúvaš, Menej sa nabúvaš. Belej že sa, belej Na hori zelenej, V košielki bielenej. Košelô čka biela, Šila ju Mariška, Šila ju hodbábom Pod zeleným hájom. Beli že mi, beli Moj andelik biely, Len mi neuletej, Ej, do tej č iernej zemi!
V. Tanec mládencov Poza bú čky, poza pe ň, Pod’že bratu, pod’že sem! Poza bú čky a klady, Tancuj šuhaj za mlady! Štyri kozy, piaty cap, Kto vysko čí, bude chlap! Jab y som bol vysko čil, Ale som sa poto čil. Hojže, hojže, od zeme! Kto mi kozy zaženie? A ja by ích bol zahnal, Ale som sa vlka bál. Slowakische Volkslieder
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Schlafe, schlafe Liedchen, Schaff ’ mir nicht mehr Kummer! Willst bald ruhig schlummern, Mußt du recht schön still sein.
Slumber, slumber darling, Don’t give me more trouble, Soon you’ll quietly slumber. Darling keep quiet, be still.
Dunkel braust die Wildnis, Nur das Hemdlein schimmert, Aus dem Walde winkt mir Nur dein leuchtend Hemdlein.
Go into the green wood, Wear your white shirt, Let your little white shirt twinkle, Through the dark green branches.
Weißt, Mariechen war es, Die das Hemdlein nähte, Weiß, aus Seide spann sie’s Wo des Waldhains Laub grünt.
Your white shirt that twinkles, Our old Mary sewed it for you in the green fields. She embroidered it with silk.
Eia, schlafe, schlafe, Kindlein, weißes Englein! Fliege mir nur nicht fort, Liebstes Söhnlein, stirb nur nie!
Darling, slumber, slumber, Baby, wee white angel Don’t you ever leave me, Darling never fly away.
V. Burschentanz
V. Lads’ Dance
Junge Eiche, wachse noch, Tanze, Bursche, tanze doch! Junge Eiche bricht entzwei, Tanze, bis du jung und frei!
Little oak tree grow up strong, Dance, young fellow, dance along! Little oak tree breaks in two, Dance, while life is free and new!
Heia, Ziege, Ziegenbock, Wer da kann, der springe hoch! Springen wollt ich, war’s nicht wert, Bin gefallen auf die Erd’.
Hey, old goat, old Billy, dance, If you can, stand up and prance! I tried prancing ere I could, Tripped and tumbled; ’Twas no good.
Komm, Gesell, die Zeit ist aus, Treib die Ziegen schnell nach Haus! Möchte’ sie treiben wär’s schon recht, Hätt’ der Wolf mich nicht erschreckt.
Now, my lad, the time has come, Get the goats and drive them home! Yes I’d gladly drive them if Old wolf hadn’t scared me stiff.
Deutsche Übersetzung © Universal Edition,Wien
Translation © Universal Edition,Vienna
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