Stefan Temmingh, Dorothee Mields & Capricornus Consort Basel EinfĂźhrungstext von / Program Note by Shirley Apthorp
STEFAN TEMMINGH, DOROTHEE MIELDS & CAPRICORNUS CONSORT BASEL Samstag
1. Juni 2019 19.00
Stefan Temmingh Blockflรถte Dorothee Mields Sopran Capricornus Consort Basel Peter Barczi Violine Eva Borhi Violine Sonoko Asabuki Viola Daniel Rosin Violoncello Markus Bernhard Violone Wiebke Weidanz Cembalo und Blockflรถte Reinhild Waldek Harfe und Blockflรถte Axel Wolf Laute Elisabeth Seitz Psalter
William Babell (um 1690–1725) Konzert für Violinen und Flöte D-Dur op. 3 Nr. 2 Adagio – Allegro – Adagio – Allegro
Georg Friedrich Händel (1685–1757) „Augelletti, che cantate“ für Sopran, drei Blockflöten, Streicher und Basso continuo Arie der Almirena aus der Oper Rinaldo HWV 7a (1711)
Alessandro Poglietti (frühes 17. Jhd. – 1683) Capriccio per lo Rossignolo sopra il Ricercar Imitatione del medesimo uccello aus der Rossignolo-Suite für Cembalo solo (1677)
Jacob van Eyck (um 1590–1657) Engels Nachtegaeltje aus Der Fluyten Lust-Hof für Blockflöte solo (1646)
Georg Friedrich Händel „Sweet Bird“ für Sopran, Blockflöte, Streicher und Basso continuo Arie aus dem Oratorium L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato HWV 55 (1740)
Pause
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Georg Philipp Telemann (1681–1767) Trauer-Musik eines kunsterfahrenen Canarienvogels Kantate für Sopran, Streicher und Basso continuo TWV 20:37 I. Arie. O weh, mein Canarin ist tot II. Rezitativ. So gehet’s mit der Vogel Freude III. Arie. Ihr lieblichen Canarienvögel IV. Rezitativ. Was soll ich mehr zu deinem Lobe singen V. Arie. Friss, dass dir der Hals anschwelle VI. Rezitativ. Allein, was will ich ferner klagen VII. Arie. Mein Canarine, gute Nacht VIII. Rezitativ. Nun dann, so nehmt die kleinen Glieder – [Coda.] Dat de der Hagel
Antonio Vivaldi (1678–1741) Konzert für Flöte und Orchester D-Dur RV 428 „Il Gardellino“ I. Allegro II. Cantabile III. Allegro
Johann Sebastian Bach (1685–1750) Contrapunctus IV aus Die Kunst der Fuge BWV 1080 Bearbeitung für Orchester
Antonio Vivaldi „Quell’augellin che canta“ für Sopran, Blockflöte, Orchester und Basso continuo Arie aus der Oper La Silvia RV 734 (1721)
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Alle Vöglein Eine musikalische Vogelkunde des Barock
Shirley Apthor p
Bei der Entstehung dieses Konzertprogramms kamen selbstverständlich keine Tiere zu Schaden. Durchaus nicht selbstverständlich war dies für die Londoner Premiere von Händels Rinaldo im Jahr 1711, bei der eine Gartenszene von Dutzenden lebendiger Vögel bevölkert war. Die Tiere wurden für Almirenas Arie „Augelletti, che cantate“ – im heutigen Programm das zweite Stück –, in der die Sängerin die Vögel bittet, ihr bei der Suche nach ihrem vermissten Liebhaber zu helfen, freigelassen. Das hatte wahrscheinlich sichtbare Auswirkungen auf die Sauberkeit der Bühne und der Perücken der Mitwirkenden. „Darüber habe ich noch nie nachgedacht!“, lacht Stefan Temmingh. Da das Repertoire des Blockflötenvirtuosen größtenteils aus der Welt der barocken Oper stammt, hat er sich mit diesem Thema ansonsten eingehend beschäftigt. „Es ist für uns unmöglich, uns vorzustellen, wie die Oper des 18. Jahrhunderts tatsächlich aussah. Man kann darüber lesen und sich Bilder anschauen – doch sie wirklich be greifen? Das werden wir nie. Zweifellos aber“, fügt er hinzu, „war sie glanzvoll und opulent.“ In einer Welt ohne Fotografie, Film und die permanente visuelle Reizüberflutung der heutigen Zeit dürfte die Reaktion des Publikums auf die ihm präsentierten Bilder auf der Bühne anders und wahrscheinlich stärker ausgefallen sein. Trotzdem kann man, sagt Temmingh, auf diese bestimmte Arie aus Rinaldo heute genauso leicht mit Staunen und Begeisterung reagieren, wie es damals der Fall gewesen sein muss. Die Inspiration für Temminghs und Dorothee Mields’ Programm lieferte allerdings nicht Händels Voliere auf der Bühne. Sie geht auch nicht zurück auf Temminghs Erinnerungen an sein erstes Haustier, einen Nymphensittich, der ihn während seiner Kindheit im südafrikanischen 7
Musikalische Entdeckungsreisen
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S tellenbosch eine kurze Zeit begleitete. Es waren – ganz anachronistisch – die sozialen Medien, die den Funken überspringen ließen. Auf einer Reise durch Kanada begann Mields, die von der spektakulären Vogelwelt des Landes beeindruckt war, täglich Vogelbilder auf Facebook zu ver öffentlichen. „Also schrieb ich ihr eine Nachricht und fragte: Wollen wir nicht ein Vogelprogramm machen?“, erinnert sich Temmingh. Aus dem Projekt entstand eine CD, doch das Repertoire der von Vogelstimmen inspirierten Barockmusik ist so umfangreich, dass sich Temminghs und Mields’ Programm zu diesem Thema mit jedem Konzert immer wieder verändert und weiterentwickelt. Auch wenn bei der Entstehung des Projekts keine Federn zerzaust wurden, ist die Musik gespickt mit Verweisen auf kleine Vogeltode – nirgendwo mehr als in Telemanns TrauerMusik eines kunsterfahrenen Canarienvogels. Das Werk wurde von dem Besitzer des verstorbenen Singvogels in Auftrag gegeben; aus dem Text geht hervor, dass der Vogel von einer Katze gefressen wurde, der der Verfasser ein schreckliches Schicksal wünscht (sie möge essen, bis sie platzt). Temmingh ruft sich den vorzeitigen Tod seines Haustieres ins Gedächtnis und steuert auf seiner Blockflöte ein paar Würgegeräusche eines Vogels zur ansonsten flötenfreien Partitur bei. „Das ist wirklich Doros Stück“, sagt er. Die Erfahrung seines frühen Vogelverlustes wurde später durch angenehmere Kindheitserinnerungen an gemeinsame Vogelbeobachtungen mit seinem Vater, einem Komponisten, im südafrikanischen Kruger-Nationalpark überlagert; Temmingh ist bis heute ein passionierter Vogelbeobachter. Doch weniger Vogelgesang als vielmehr die schöpferischen musikalischen Entdeckungsreisen, die seine südafrikanische Umgebung zu bieten hatte, prägten seine künstlerische Persönlichkeit, erklärt Temmingh: „Ich lebte damals in Kapstadt, das sehr nah am Meer liegt; manchmal, wenn ich Vivaldi spiele, glaube ich, dass es da einen Zusammenhang gibt. Ich habe in Südafrika eigentlich nicht Blockflöte spielen, aber singen gelernt. Ich sang in Chören, was sehr wichtig war, und ich habe auch viel mit meinem Vater auf dem Klavier und dem Cembalo improvisiert. Das war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Improvisation und Gesang eine gute Grundlage sind, um Musiker zu werden. Nur die richtigen Noten zu spielen und zu wiederholen, was auf dem Papier steht, ist tödlich für die Kunst. Ich glaube, dass ich in Südafrika
aufgewachsen bin, hat mir einen emotionaleren Zugang zur Musik beschert.“ Improvisation birgt Risiken: Nikolaus Harnoncourt vertrat die Ansicht, dass der Musiker nicht zwischen Risiko und Sicherheit, sondern zwischen Sicherheit und Schönheit entscheide – es gebe keine Schönheit ohne Risiko. Diese Einstellung teilt Temmingh von ganzem Herzen. „Ich vermisse das heute manchmal bei Konzerten“, bekennt er. „Wir dürfen nicht experimentieren. Alles muss perfekt sein. Aber Kunst kann nicht immer perfekt sein. Sie ist ständig in Bewegung, und das sollte zugelassen werden. Wenn wir nicht experimentieren und uns schulen und Dinge ausprobieren, wird Kunst einfach zum Handwerk.“
Für Temmingh beginnt der heutige Abend mit einem großen Risiko. Sein erster Ton muss fast 40 Sekunden lang gehalten werden, ein Zirkuskunststück aus der Feder des englischen Komponisten William Babell, dessen Konzert in D-Dur großzügige Anleihen bei Händels Rinaldo macht. „Natürlich ist es ein Risiko. Manchmal funktioniert es auch nicht. Aber es ist sehr unterhaltsam, denn jeder schaut gerne zu, wie Menschen das letzte bisschen Luft aus ihrer Lunge pressen.“ Babell setzte pragmatisch auf Händels Popularität in London, aber auch auf die Idee von Vogelgesang als musikalischem Mittel. „Es ist zweifellos ein Vogelkonzert, und es ist ganz klar von ‚Augelletti‘ beeinflusst“, sagt Temmingh. Wie der unglückliche Nymphensittich in der Kindheit des Blockflötisten hatte auch Babell nur ein kurzes Leben, obwohl er im Gegensatz zu dem Vogel vermutlich selbst daran schuld war – „ausschweifende Gewohnheiten“ wurden als Todesursache angegeben. Temmingh entdeckte dieses Konzert bei seinen regelmäßigen Recherchen in digitalen Archiven mit historischen Partituren und erkannte sofort die Händel-Hommage im dritten Satz. „Es wurde wahrscheinlich als Pausenkonzert geschrieben“, erklärt er. „Zur Barockzeit hat man in London tatsächlich Solisten ein geladen, in den Opernpausen Konzerte zu spielen.“ Nach der Händel-Arie mit drei Blockflöten folgen zwei Stücke aus Alessandro Pogliettis Rossignolo, einem erstaunlich avantgardistischen Werk für Cembalo solo, das anfänglich für eine gewisse Uneinigkeit zwischen Temmingh und der 9
Cembalistin Wiebke Weidanz sorgte. „Zuerst weigerte sie sich, es zu spielen“, erinnert er sich, „aber es wuchs ihr nach und nach ans Herz, und jetzt liebt sie es sehr. Wenn man es hört, glaubt man, es könnte von einem britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts geschrieben worden sein. Es sind Cembaloimitationen von Vögeln, und es hört sich einfach unglaublich an.“ Jacob van Eycks „Englische Nachtigall“ bildet ein gutes Gegenstück zur kunstvollen Vielschichtigkeit von Pogliettis Vögeln; sie steht in derselben Tonart und gehört zur selben exotischen Welt. „Van Eyck ist wirklich einer der inter essantesten Komponisten überhaupt“, sagt Temmingh. „Er muss ein Workaholic gewesen sein – sein Schaffen für Solobläser ist das umfangsreichste in der Geschichte aller Blasinstrumente. Höchstwahrscheinlich kam er als Engländer nach Utrecht, und in diesem Stück zitiert er möglicher weise ein Lied, das er in England gehört hatte. Interessant ist außerdem, dass er blind war – Blockflöte zu spielen war kein Problem, aber er konnte die Musik nicht aufschreiben, deshalb hatte er zwei Assistenten, die alle seine Stücke für ihn notierten. Leider haben sie dabei viele Fehler gemacht, sodass man beim Blick auf die Partitur nie so genau weiß, was stimmt und was nicht.“ Dieses spezifische Stück, fügt Temmingh hinzu, „lässt mich an ein naives junges Mädchen denken, das die Melodie singt; der zweite Teil besteht einfach aus Vogelimitationen auf der Blockflöte. Van Eyck spielte jeden Abend im Hof seiner Kirche, und man kann sich die ungezwungene Atmosphäre und den Raum und den Klang der solistischen Blockflöte dort gut vorstellen.“
Die raffinierte Musik von Vivaldi, die den zweiten Teil des Konzertes dominiert, steht im Kontrast zu van Eycks zurückgenommener Einfachheit. „Als Blockflötisten sind wir sehr dankbar, dass Vivaldi für die Musiker seiner Zeit eine ganze Reihe von Blockflötenkonzerten geschrieben hat“, sagt Temmingh. Man stellt sich das Barock gern als eine Zeit vor, in der die Straßen voll von professionellen Blockflötenspielern waren, doch Temmingh weist darauf hin, dass der Beruf damals, wenn überhaupt noch seltener war als heute. „Die Blockflöte wurde sozusagen vom Herrn auf der Straße gespielt“, erklärt er. „Die Leute wollten die 10
Vielfalt barocker Klangkultur
Melodien, die sie in der Oper gehört hatten, auf ihren Blockflöten nachspielen. Es gab vielleicht drei professionelle Blockflötisten in ganz Europa – alle anderen waren Hobbymusiker.“ Temmingh und das Capricornus Consort Basel spielen eine Fassung des Konzerts in D-Dur RV 428, die zwei verschiedene Partituren von Vivaldi vereint – eine für Streicher, Bläser und Blockflöte sowie eine für Streicher und Travers flöte. Dem fügen sie eine Psalterstimme hinzu, die von einem ausgeschriebenen Cembalopart aus den Vier Jahreszeiten inspiriert ist. Macht sich Temmingh jemals Gedanken wegen der Freiheiten, die er sich durch einen derart kreativen Umgang mit Originalpartituren nimmt? „Ich würde das nicht kreativ nennen“, sagt er. „Ich lese einfach die Partituren; der einzige kreative Anteil besteht darin zu erkennen, was in den verschiedenen Stücken ähnlich ist, und es dann mit dem zu kombinieren, was in den Quellen steht.“ Es gibt zahlreiche Belege für die Anpassungsfähigkeit und den Pragmatismus der Komponisten des Barock und ihr häufig gezeigtes Interesse an der Musik anderer Länder, doch Temmingh weiß, dass das Leben eines reisenden Musikers heute radikal anders ist als die Welt, die Vivaldi und Händel kannten. „Gott sei Dank unterscheidet sich die Klangkultur der Orchester von Land zu Land noch immer. Aber ich glaube, aus barocker Sicht erscheint das, was wir heute haben, fast gleichförmig. Damals variierte der Stimmton von Stadt zu Stadt, und eine Verzierung wurde an jedem Ort unterschiedlich ausgeführt. In Leipzig spielten sie vornehmlich die Musik von nur einem Komponisten, nämlich Bach, während man in Venedig Albinoni und Vivaldi hörte. Ich glaube, wenn die Musiker in Venedig ein Bach-Manuskript gesehen hätten, wären sie ziemlich irritiert gewesen.“ Heutzutage ist die größte Verwirrung, die Temmingh auf seinen Reisen erlebt, die der Sicherheitsbeamten auf den Flughäfen. „Ich besitze etwa 40 Instrumente, die meisten davon hergestellt von der Familie Meyer in der Schweiz. Wenn ich unterwegs bin, um mehr als ein Programm zu spielen, kann das zu einem Problem werden – manchmal muss ich das Haus mit zwei großen Koffern verlassen, die ausschließlich mit Blockflöten gefüllt sind. Für andere Dinge habe ich dann keinen Platz mehr! Gelegentlich werde ich am Flughafen gebeten, den Koffer auszupacken. Dann sehen sie die Blockflöten und lachen.“ Temmingh hat nichts dagegen, für Heiterkeit zu sorgen, 11
weder auf noch abseits der Bühne: „Das ist Unterhaltung, und die ist vermutlich wichtiger als große Kunst.“ Doch hinter dieser beiläufigen Bemerkung verbirgt sich eine tiefe Hingabe an die emotionale Wirkung von Musik – einer der Gründe, die ihn immer wieder die Zusammenarbeit mit Dorothee Mields suchen lassen. „Ich bin oft erstaunt über die schiere Kraft von Händels Musik. Sie berührt mich jedes Mal aufs Neue. Aber wenn Doro singt, kommt noch etwas hinzu. Bei einigen dieser Arien muss ich mich tatsächlich etwas von der Musik lösen, sonst würde ich einfach sofort anfangen zu weinen.“
Shirley Apthorp wurde in Südafrika geboren, wuchs in Australien auf und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Sie schreibt über Musik für die englische Financial Times und andere Publikationen. Außerdem ist sie Gründerin von Umculo, einer Organi sation in Südafrika, die sich der sozialen Veränderung durch Musik verschrieben hat.
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A Musical Aviary Birds and Baroque Music
Shirley Apthor p
No animals were harmed in the making of this concert program. That was not a guarantee given at the London premiere of Handel’s Rinaldo in 1711, for which a garden scene was enlivened by the addition of dozens of live birds. The creatures were released for Almirena’s aria “Augelletti, che cantate”—heard as the second piece on tonight’s program—in which the singer asks the birds to help her find her missing lover. They must have had a visible impact on the cleanliness of the stage and of the performers’ wigs. “I never thought about that!” Stefan Temmingh laughs. Since much of the recorder virtuoso’s repertoire is drawn from the world of Baroque opera, it is a subject that he has otherwise considered extensively. “It’s impossible for us to imagine what 18th-century opera really looked like.You can read about it and see pictures—but to really grasp it? We can never know.” But, he adds, “Certainly it was dazzling and opulent.” On the one hand, an audience in a world without photography, film, and today’s constant bombardment of imagery must have had a different, arguably more powerful response to the images presented to them on stage. On the other hand, says Temmingh, this particular aria from Rinaldo is just as easy to respond to with wonder and amazement today as it must have been then. But the inspiration for his and Dorothee Mields’s “Birds” program did not come from Handel’s onstage aviary. Nor was it prompted by memories of Temmingh’s first pet, a cockatiel that briefly accompanied his childhood in Stellenbosch, South Africa. Anachronistically, it was social media that sparked the flame. Mields was touring Canada and, impressed by the country’s spectacular bird life, she began posting daily bird pictures on Facebook. “So I wrote her a message and said, shouldn’t we do a bird program?” 14
The beauty of taking risks
emmingh recalls. The project became a CD, but the T Baroque repertoire of birdsong-inspired music is so extensive that their programs on the subject continue to change and evolve with each concert. If no feathers were ruffled in the creation of the project, the music is littered with references to little avian deaths— nowhere more than in Telemann’s “Funeral Music for an Artistically Inclined Canary.” The work was written on commission for the owner of the deceased songbird; from the text, it seems apparent that the creature was eaten by a cat, upon whom the writer wishes a terrible fate (may it eat until it explodes). Temmingh recalls the untimely death of his pet parrot and contributes a few strangled-bird noises on his recorder to the otherwise recorder-free score. “This is really Doro’s piece,” he says. The experience of his early avian loss was later subsumed by more pleasant childhood memories of bird-watching with his composer father in South Africa’s Kruger National Park; Temmingh is still an avid bird-watcher. But it was less the birdsong and more the creative musical explorations offered by his South African environment, says Temmingh, that helped form his artistic personality: “I lived in Cape Town, which is very close to the sea; sometimes when I play Vivaldi, I think there’s a connection. I didn’t really learn to play the recorder in South Africa, but I learned to sing. I sang in choirs, which was very important, and I also improvised a lot on the piano and harpsichord with my father. That was one of my favorite pastimes. I strongly believe that improvisation and singing are a good basis for being a musician. Just playing the right notes and repeating what is on paper actually kills art. I think growing up in South Africa gave me a more emotional contact to music.” Improvisation invites risk: Nikolaus Harnoncourt argued that the musician does not decide between risk and security, but rather between security and beauty—there could be no beauty, he said, without risk. It is a sentiment with which Temmingh wholeheartedly agrees. “I sometimes miss this in modern programs,” he admits. “We are not allowed to experiment. Everything must be perfect. But art is certainly not always perfect. It is always in evolution, and that should be allowed. If we don’t experiment and train and try things out, art will simply become craft.”
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For Temmingh, tonight’s concert begins with a huge risk. His first note must be held for almost 40 seconds, a circus stunt penned by English composer William Babell, whose Concerto in D major borrows abundantly from Handel’s Rinaldo. “It’s certainly a risk. Sometimes it doesn’t work. But it’s very entertaining, because everybody loves watching people squeeze the very last dash of air from their lungs.” Babell pragmatically capitalized on the popularity of Handel in London, but also on the idea of birdsong as a musical device. “It’s unquestionably a bird concerto, and it’s clearly influenced by ‘Augelletti,’” Temmingh says. Like the ill-fated cockatiel of the recorder player’s youth, Babell’s life was short, though unlike the bird, he was probably to blame himself—“intemperate habits” were given as his cause of death. Temmingh discovered this concerto during his regular hours of research in digital archives of historical scores and at once recognized the Handel homage of the third movement. “It was probably written as an interval concerto,” he explains. “In Baroque London they actually invited soloists to perform concerti in the intervals of the opera.” The Handel aria, which includes three recorders, is followed by two pieces from Alessandro Poglietti’s Rossignolo, an astonishingly avant-garde work for solo harpsichord that initially caused some friction between Temmingh and harpsichordist Wiebke Weidanz. “At first she refused to play it,” he recalls, “but it grew on her and now she actually loves it. When you listen to it, you think it could have been written by a British 20th-century composer. It’s harpsichord imitations of birds, and it sounds simply amazing.” Jacob van Eyck’s “English Nightingale” makes a good foil to the artful complexity of Poglietti’s birds; written in the same key, it belongs to the same exotic world. “Van Eyck is one of the most interesting of all composers, actually,” Temmingh says. “He must have been a workaholic—he composed the largest volume of solo wind literature in the history of all wind instruments. Most likely he was an Englishman who came to Utrecht, and in this piece he’s probably quoting a song he had heard sung in England. The other interesting thing about him is that he was blind— playing the recorder was not a problem, but he couldn’t write down the music, so he had two assistants notating all his pieces for him. Unfortunately they made a lot of mistakes, so looking at the score you never quite know what is correct and what isn’t.” 16
This particular piece, Temmingh adds, “makes me think of a naive young girl singing the theme; the second part is simply bird imitations on the recorder. Van Eyck played in the courtyard of his church every evening, and you can really imagine the open atmosphere and the space and the sound of the solo recorder there.”
Creative combinations
The sophisticated music of Vivaldi, which dominates the concert’s second half, forms a contrast to van Eyck’s pared-back simplicity. “As recorder players we are very grateful,” admits Temmingh, “because Vivaldi wrote a number of recorder concerti for the musicians of his day.” Although we tend to think of the Baroque era as a time where professional recorder players swarmed the streets, Temmingh is quick to point out that the profession was, if anything, even more rare then than it is now. “The recorder was played by the gentleman on the street,” he explains. “People wanted to play the melodies that they had heard in the opera on their recorders. There were perhaps three professional recorder players in the whole of Europe—the rest were hobby musicians.” Temmingh and the Capricornus Consort Basel play a version of the Concerto in D major RV 428 that merges two different scores of Vivaldi—the first for strings, wind, and recorder, the second for strings and flauto traverso. They add a psaltery part inspired by a written-out harpsichord part from the Four Seasons. Does Temmingh ever worry about the liberties he takes through such a creative approach to original scores? “I wouldn’t call it creative,” he says. “I simply read scores; the only part that is creative is seeing what is similar between different pieces and then combining it with what the sources say.” While there is abundant evidence for the adaptability and pragmatism of Baroque composers and their frequent interest in the music of other countries, Temmingh knows that the life of a travelling musician today is radically different from the world that Vivaldi and Handel would have known. “Thank God we still have different tastes in orchestras from one country to the next. But I think from a Baroque perspective, what exists today would seem almost the same. Back then, pitch varied from town to town, and an ornament would be played differently from one place to 17
the next. In Leipzig they mostly played the music of just one composer—Bach—while in Venice they heard Albinoni and Vivaldi. I think if they had seen a Bach manuscript in Venice they would have been quite confused.” These days, the greatest confusion that Temmingh encounters in the course of his travels is that of airport security officials. “I own about 40 instruments, most of them made by the Meyer family in Switzerland. It can become a problem if I’m travelling to perform more than one program—sometimes I have to leave the house with two big suitcases filled only with recorders. That doesn’t leave me enough space for other things! Occasionally they ask me to unpack at the airport. Then they look at the recorders and laugh.” Temmingh has no objection to being the source of amusement, either on stage or off: “That’s entertainment, which is probably more important than great art.” But his offhand remark masks a deep commitment to music’s emotional impact—one of the things that draws him back again and again to collaborate with Dorothee Mields. “Quite often I am astonished by the sheer power of Handel’s music. It always touches me. But there is something extra when Doro sings. With some of these arias, I really have to disconnect myself from the music a little, otherwise I would simply start crying immediately.”
Shirley Apthorp was born in South Africa, grew up in Australia, and has lived in Germany for two decades. She writes about music for the Financial Times (UK) and other publications. She is also the founder of Umculo, an organization for social change through music in South Africa.
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Georg Friedrich Händel
Augelletti, che chantate
Zarte Vöglein
Augelletti, che cantate, Zefiretti che spirate Aure dolci intorno a me, Il mio ben dite dov’è!
Zarte Vöglein, die ihr singet, Sanfte Winde, die ihr mir Holde Luft zuweht! Sagt, wo mein Geliebter ist?
Giacomo Rossi (18. Jahrhundert)
Charming Birds Charming birds thus sweetly singing, Zephyrs, every odor bringing, All ye beauties of the grove, Teach me how to find my love.
Sweet Bird
Wie süß, o Trost der Nacht
Sweet bird, that shun’st the noise of folly, Most musical, most melancholy! Thee, chauntress, of the woods among, I woo to hear thy evensong.
Wie süß, o Trost der Nacht, wie singst du sinnig, So tönereich, so schwermut-innig! Dir lausch ich aus dem Chor in Nacht und Wald, Wo hold und sanft dein Sang erschallt.
Or, missing thee, I walk unseen, On the dry smoothshaven green, To behold the wand’ring moon Riding near her highest noon. John Milton (1608–1674)
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Und wenn du schweigst, wall ich dahin, Um zu schaun auf weichem Grün, Wie der Mond in stiller Pracht Steigt empor um Mitternacht.
Georg Philipp Telemann
Trauer-Musik eines kunsterfahrenen Canarienvogels
Funeral Music for an Artistically Inclined Canary
I. Arie
I. Aria
O weh, mein Canarin ist tot! Wem klag ich meine Not, Wem klag ich meine bittren Schmerzen? Wer nimmt dies Leid mit mir zu Herzen, Wem klag ich diese Not?
O woe! O woe! My canary is dead. To whom can I cry in my distress, To whom can I cry about my bitter pain? Who will take this pain to heart with me, To whom can I cry in my distress?
II. Rezitativ
II. Recitative
So gehet’s mit der Vogelfreude, Und mit den Dingen dieser Welt: Die Unlust ist den Lüsten beigesellt, Die Freud vergehet mit dem Leide! Ja, ja, der schlaue Vogel kann dies lehren: Er war mit seiner Kunst vortrefflich anzuhören Und fast ein Wunder seiner Zeit; Der kleine Hals war wohlgeschliffen, Und hat manch feines Lied gepfiffen Zur Fröhlichkeit. Allein, die Freud ist aus! Er lieget nun gestreckt, Und wird mit schwarzer Erd bedeckt.
This is what happens to the joy of a bird, And to the things of this world. Languor is bound up with lust, The joy fades with the pain. Yes, yes, the clever bird can teach this. He was superb to listen to with his art, And almost a wonder of his age. His little throat was well-honed, And happily whistled Many a fine tune. Alone, the joy is gone! Now he lies prostrate, And will be covered with black earth.
III. Arie
III. Aria
Ihr lieblichen Canarienvögel, Beklaget meine Freud und eure Zier! Ihr Vögel, die ihr sonst so wunderschön Mit künstlich lieblichem Getön Den muntren Ohren pflegt zu dienen!
You lovely canaries, Mourn my joy and your beauty. You birds, who otherwise so wonderfully, With artistic beautiful sounds, Are accustomed to serve our keen ears.
IV. Rezitativ
IV. Recitative
Was soll ich mehr zu deinem Lobe singen, O edler Canarin? Du konnt’st dein helles Kehlchen also zwingen, Dass aller Ohren, Herz und Sinn, Die dich gehört, beweget wurden! Nur dir, dir grausamer Tod allein
What more can I sing in thy praise, O noble canary? Thus thou could’st open thy bright throat So that all ears, hearts and minds Who heard thee, would be moved. Only thou, cruel Death, thou alone 21
Konnt der verliebte Ton doch nicht beweglich sein; Denn du hast grob und vermessen Den teuren Bissen weggefressen!
Could be unmoved by the beloved sound; For thou hast roughly and boldly Devoured the precious mouthful!
V. Arie
V. Aria
Friss, dass dir der Hals anschwelle, Friss, du unverschämter Gast! Dass dich der Vogel zerkratze, zerrisse Und dir den Magen und Därme zerbisse, Bis du ihn gespien hast! Friss und berste auf der Stelle!
Eat, so that thy throat swells up, Eat, thou outrageous guest! So that the bird scratches and tears thee, And chews on thy stomach and intestines, Until thou hast spit them out! Eat and burst on the spot!
VI. Rezitativ
Allein, was will ich ferner klagen? Was wird wohl auch nach meiner Trauer fragen Der strenge Bruder Tod! Er muss so einen Papagein als Raben, So einen Canarin als Sperling haben Zu seinem Morgenbrot, Und schonet keinen Vogel nicht! Wohlan, so fahre hin! Betrübtes Wort! Fahr hin, Du mein geliebter Canarin! Sollt gleich das Glück Mir seinesgleichen wiedergeben, Wiewohl es kaum geschieht, So kommst du doch in meinem ganzen Leben Mir nimmermehr aus meinem Sinn!
VI. Recitative
VII. Arie
VII. Aria
Mein Canarine, gute Nacht! Eh wird das Federvieh sich in die See versenken, Als ich an deinen treuen Fleiß nicht sollte denken, So gut hast du’s bei mir gemacht!
My canary, good night! The flock will drown more easily Than I will forget thy true zeal, Since thou has done so much good for me.
VIII. Rezitativ
VIII. Recitative
Nun dann, so nehmt die kleinen Glieder In eure Hand, Und setzt den Vogel sanfte nieder
Now then, take the tiny limbs In your hand, And put the bird down softly
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Alone, what more can I lament? What, after my tears, will be demanded of me By the strict brother Death! So he must have a parrot or a raven, A canary or a sparrow For his breakfast, And spares no bird! Well then, farewell! Distressing word! Farewell, My beloved canary! Should I be lucky enough To be given your like again, Though that hardly ever happens, You will never, throughout my life, Fade from my memory.
In kühlen Sand; Macht, dass er sicher möge liegen; Um mich bei meinem Leide zu vergnügen, So lasset dieses noch die letzte Ehre sein, Dass ihr schreibt auf den Leichenstein: „Dat de der Hagel! Hie ligt en Vagel, De kunn mann neerteck quinqueleeren, Und alle Minschen konten teren. Du Streckebeen! Als du wollst düssen Vagel freten, So wull ick, Dat du wär wat an den Hals geschmeten!“
In the cool sand. See that he may lie safely, In order to divert me from my pain. So let this be the last honor, That on his tombstone is written: “May the devil take thee! Here lies a bird, Who could sing so beautifully, And bring joy to everyone. Grim reaper, thou! Because thou would’st eat this little bird, I want to strangle thee!”
Antonio Vivaldi
Quell’augellin, che canta
Das Vögelchen, das singt
Quell’augellin, che canta Felice in mezzo al faggio, Canta la libertà, Che grato il ciel gli diè.
Das Vögelchen, das singt So glücklich inmitten der Buche, Es singt von der Freiheit, Die ihm der Himmel gab.
Ma se in prigion ei sta, Sospira in suo linguaggio, E alla diletta pianta Sempre rivolge il piè.
Doch wenn es gefangen wird, Seufzt es in seiner Sprache, Und der geliebten Pflanze Wendet es sich immer zu.
Enrico Bissaro
The Bird That Sings The little bird that sings So merrily in the beech tree, It sings of the freedom That the sky gives. But when it is imprisoned, It sighs in its language And keeps turning Toward the beloved tree. 23