Invention und Apokalypse Galina Ustwolskaja: Die sechs Klaviersonaten
Wo l f g a n g S t ä h r
So Gott will Keine Interviews, kaum eine Antwort, sehr seltene, stets a podiktische Aussagen: Eine derart stachelige Verschlossenheit kann die Neugierde abschrecken. Oder im Gegenteil sogar anstacheln. Galina Ustwolskaja könnte als Marketinggenie in eigener Sache gelten, als eine begnadete Selbstdarstellerin, die schon zu Lebzeiten ihre eigene Legende prägte und durch Rarität und Mystifikation ihren Ruf begründete. Aber darin lag weder ihre Absicht noch ihr Talent. Sie stieß die Leute eher vor den Kopf als sie für sich zu gewinnen. Der „Marktwert“ blieb der sowjetisch sozialisierten Komponistin eine unbekannte Größe, und von Erfolg konnte jahr zehntelang ohnehin keine Rede sein. Selbst nach dem Niedergang der UdSSR, in der sie bis dahin ihr ganzes Leben zugebracht hatte, stand Ustwolskaja dem raschen Ruhm, der sich auszahlte, misstrauisch gegenüber. Sie wolle doch hoffen, dass die Veröffentlichung von Aufnahmen ihrer Werke nicht bloß „von ökonomischen Erwägungen“ motiviert sei, schrieb sie argwöhnisch an eine westliche Schallplattenfirma. Und ihrem neuen deutschen Verleger erteilte sie eine Absage, deren Begründung als Ausdruck der Ergebenheit (oder der Erwählung) verstanden werden könnte: „Ich würde gern etwas für Ihren Verlag schreiben, aber das hängt nicht von mir, sondern von Gott ab. Wenn Gott mir die
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